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Time In New York City“ die<br />
Zusammenarbeit von Lennon<br />
und Ono wieder in den Vordergrund.<br />
Gemeinsam mit der Band<br />
Elephant’s Memory gelingt dem<br />
Ehepaar, das zu diesem Zeitpunkt<br />
gerade in die USA ausgewandert<br />
ist, ein musikalisch<br />
und textlich äußerst kraftvolles<br />
Album. Frauenbewegung, Polizeigewalt,<br />
Rassismus und der<br />
Nordirland-Konflikt sind einige<br />
der Themen, die auf „Some Time<br />
In New York City“ aufgegriffen<br />
werden. Lennon präsentiert sich<br />
auf dem straighten Rocker „New<br />
York City“, dem folkigen „The<br />
Luck Of The Irish“ und der Single<br />
„Woman Is The Nigger Of The<br />
World“ in seinem Element, und<br />
auch Ono legt deutlich zugänglichere<br />
Kompositionen als auf<br />
früheren Veröffentlichungen<br />
vor, unter anderem „Sisters O<br />
Sisters“. Die zweite LP des Doppelalbums<br />
ist eine Sammlung<br />
von Live-Mitschnitten, an denen<br />
sich wie schon bei „Live Peace In<br />
Toronto“ die Geister scheiden:<br />
Lennon rockt, während bei Onos<br />
Vokal-Improvisationen wohl nur<br />
hartgesottene Avantgarde-Fans<br />
auf ihre Kosten kommen.<br />
Fazit: Das Ehepaar Lennon/Ono auf<br />
dem Höhepunkt seiner politischen<br />
Aktivitäten.<br />
Info:Teile der Live-Aufnahmen<br />
entstanden bei einem Konzert mit<br />
Frank Zappa und den Mothers Of<br />
Invention.<br />
Mind Games (1973)<br />
Nach dem kreativen Höhenflug<br />
von „Imagine“ und der politischen<br />
Brisanz von „Some Time<br />
in New York City“ wirkt Lennon<br />
auf seinem vierten Solo-Studioalbum<br />
bisweilen etwas uninspiriert.<br />
Liebeslieder wie „Aisumasen<br />
(I’m Sorry)“, in dem die gerade<br />
erfolgte (vorübergehende)<br />
Trennung von Yoko Ono verarbeitet<br />
wird, oder „You Are Here“<br />
kommen eine Spur zu harmlos<br />
und weichgespült daher, auch<br />
den klassischen Rock’n’Roll seiner<br />
Jugendzeit hat Lennon schon<br />
deutlich besser zelebriert als in<br />
„Tight A$“. Und dennoch ist der<br />
begnadete Songschreiber auch<br />
in schwächeren Phasen für den<br />
einen oder anderen Ausnahmesong<br />
gut. In diesem Fall sind dies<br />
vor allem das eingängige Titelstück<br />
und das lässige „Intuition“.<br />
Auch „Meat City“ weiß mit seinen<br />
aggressiven Rock-Gitarren<br />
zu gefallen, ebenso wie das Anti-Kriegslied<br />
„Bring On The Lucie<br />
(Freda Peeple)“, bei dem der<br />
Texter Lennon zu alter Schärfe<br />
zurückfindet.<br />
Fazit: Lennon im Mittelmaß, dennoch<br />
mit einigen Highlights.<br />
Info: „Mind Games“ enthält die<br />
Nationalhymne des fiktiven Staates<br />
„Nutopia“: Drei Sekunden Stille.<br />
Walls and Bridges<br />
(1974)<br />
Inmitten seines „Lost Weekend“,<br />
der 18-monatigen Trennung<br />
von Yoko Ono, gelingt Lennon<br />
ein überzeugendes, wenngleich<br />
in seiner Grundstimmung äußerst<br />
ambivalentes Album. Vergleichsweise<br />
„kommerzielle“,<br />
durchaus fröhliche Kompositionen<br />
wechseln sich hier ab mit<br />
tiefschürfenden Selbstreflexionen<br />
Lennons, wobei Letztere<br />
in dem berührenden „Nobody<br />
Loves You (When You’re Down<br />
and Out)“ ihren Höhepunkt finden.<br />
Auf der anderen Seite beweist<br />
der Künstler seine Experimentierfreude,<br />
bewegt sich etwa<br />
auf Funk-Rock-Terrain mit dem<br />
kraftvollen, von trockenen Bläsersätzen<br />
angetrieben „What You<br />
Got“, das wohl auch im heutigen<br />
Repertoire eines Lenny Kravitz<br />
eine gute Figur machen würde.<br />
In „Whatever Gets U Thru<br />
The Night“ entdeckt Lennon gar<br />
den Zugang zum Tanzbaren –<br />
honoriert mit seinem einzigen<br />
Nummer-1-Hit zu Lebzeiten in<br />
den USA. Weitere Höhepunkte<br />
sind der klug arrangierte Opener<br />
„Going Down On Love“ und<br />
das atmosphärische „Steel And<br />
Glass“, in dessen Text Lennon<br />
mit dem berüchtigten letzten<br />
Beatles-Manager Allen Klein abrechnet.<br />
Fazit: Das musikalisch wohl<br />
abwechslungsreichste von Lennons<br />
Soloalben.<br />
Info: Die LP enthält den ersten<br />
musikalischen Auftritt des damals<br />
elfjährigen Julian Lennon – als<br />
Schlagzeuger bei „Ya Ya“.<br />
Rock’n’Roll (1975)<br />
Bereits vor „Walls and Bridges“<br />
begannen Lennon und Phil<br />
Spector mit der Arbeit an dieser<br />
Sammlung von Rock’n’Roll-<br />
Klassikern aus den 50er und 60er<br />
Jahren. Die ursprünglichen Sessions<br />
endeten jedoch im Chaos<br />
und wurden abgebrochen. Lennon<br />
vollendete das Album ein<br />
Jahr später im Alleingang. Das<br />
Ergebnis ist eine unterhaltsame<br />
Zeitreise, aber nicht der ganz große<br />
Wurf. Die New Yorker Studio-<br />
Cracks liefern Lennon zwar ein<br />
musikalisches Fundament im<br />
Breitwand-Format, gehen aber<br />
bei Stücken wie „Sweet Little<br />
Sixteen“ oder „Bony Moronie“<br />
mitunter etwas arg behäbig zur<br />
Sache. Interessant wird es immer<br />
dann, wenn sich John und<br />
seine Mitstreiter weit vom Original<br />
entfernen, etwa bei „Stand<br />
By Me“ oder der Reggae-Adaption<br />
von „Do You Wanna Dance?“.<br />
Interessant sind die offensichtlichen<br />
Parallelen zwischen Chuck<br />
Berrys „You Can’t Catch Me“, das<br />
hier zu hören ist, und Lennons<br />
Beatles-Komposition „Come Together“.<br />
Das Album sollte ursprünglich<br />
dazu beitragen, einen<br />
Rechtsstreit Lennons mit dem<br />
Verleger Morris Levy hierüber<br />
beizulegen, fachte diesen aber<br />
letztlich noch stärker an.<br />
Fazit: Der Kreis schließt sich: Mit<br />
diesem umstrittenen letzten Album<br />
vor einer langen Pause kehrt Lennon<br />
zu seinen Rock‘n‘Roll-Wurzeln<br />
zurück.<br />
Info: Das Cover-Foto zeigt John<br />
anno 1961 in einem Hauseingang in<br />
der Hamburger Jägerpassage.<br />
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