Luftwege – hinterrücks - Quadriga
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Bauschäden <strong>–</strong> 48 <strong>–</strong><br />
2/2012<br />
<strong>Luftwege</strong> <strong>–</strong> <strong>hinterrücks</strong><br />
Feuchteschäden bei (un)belüfteten Flachdächern mit Attika<br />
Belüftet oder nicht belüftet <strong>–</strong> es ist derzeit eine Glaubensfrage<br />
in der Praxis. Reflexartig geben viele Bauschaffende den<br />
belüfteten Konstruktionen den Vorzug, ohne im Einzelnen<br />
die erforderlichen planerischen und konstruktiven Randbedingungen<br />
zu prüfen. Die alleinige Anordnung eines Luftspaltes<br />
oberhalb der Dämmebene reicht nicht aus, damit der<br />
Konstruktionstyp die zugestandene Funktionstüchtigkeit<br />
und damit die Schadensfreiheit erhält. Unkontrollierbare<br />
Lufträume oberhalb der Dämmung werden immer wieder<br />
zur Feuchtefalle. Der Artikel beschreibt zwei Schadensfälle<br />
mit verunglückten Lüftungsebenen.<br />
Autor:<br />
Dipl.-Ing. Martin Mohrmann,<br />
öbuv. SV für Schäden an<br />
Holzkonstruktionen, Plön<br />
Ein Neubau in mineralischer<br />
Massivbauweise erhielt <strong>–</strong> getrennt<br />
durch einen höheren<br />
Mittelbaukörper ein nördliches<br />
und südliches Flachdach<br />
mit Gründachaufbau, die in<br />
Holzbauweise erstellt wurden.<br />
Die als belüftet geplanten<br />
Dachflächen erhielt einen abweichenden<br />
Aufbau <strong>–</strong> das<br />
südliche mit einer Reihe<br />
Dachentlüfter, das nördliche<br />
mit zwei Reihen.<br />
Die Flachdächer waren nach<br />
insgesamt vier Jahren Standzeit<br />
unterschiedlich stark<br />
geschädigt. Gravierende<br />
Schäden finden sich an der<br />
gen Süden orientierten Dachfläche<br />
(Abb. 4), welche auf<br />
einer hinterlüfteten OSB-<br />
Scheibe einen Gründachaufbau<br />
trägt. Die Balkenlage<br />
direkt unter der OSB-Platte ist<br />
mit ca. 2° geneigt und weist<br />
einen Lüftungsraum in den<br />
Gefachen oberhalb der<br />
Mineralfaserdämmung von ca.<br />
6 cm Höhe auf. Eine Dampfsperrfolie<br />
mit einem s d<br />
-Wert<br />
von über 100m (!) bildet auch<br />
die luftdichte Ebene.<br />
In der Planung findet sich<br />
kein Hinweis auf Belüftungsöffnungen<br />
<strong>–</strong> und dies sein<br />
vorweg genommen - ist<br />
konstruktiv auch nicht<br />
möglich, da im Traufbereich<br />
eine Attika hochgezogen<br />
wurde und im First die<br />
Dachfläche an aufgehendes<br />
Mauerwerk angrenzt. In der<br />
Ausführung finden sich<br />
dementsprechend auch keine<br />
Lüftungsöffnungen in der<br />
Attika, im Firstbereich sind<br />
<strong>–</strong> wohl aus dem Bauchgefühl<br />
heraus - in jedem Gefach<br />
Kaltdachlüfter eingebaut<br />
worden.<br />
Nebenbei <strong>–</strong> sollen die<br />
unterlüfteten OSB-Platten<br />
eine statisch wirksame<br />
Scheibe ausbilden, benötigen<br />
sie umlaufende Gurte. Werden<br />
die traufparallelen Hölzer<br />
niveaugleich mit der Balkenlage<br />
ausgeführt, ist eine<br />
Belüftung innerhalb der<br />
Gefache unmöglich. Bei<br />
diesem Bauvorhaben fehlen<br />
die entsprechenden Randgurte<br />
gänzlich.<br />
Die ersten Schadensmeldungen<br />
berichteten von Durchfeuchtungen<br />
im Gebäudeinneren<br />
an der Traufwand. Man<br />
vermutete Undichtigkeiten an<br />
der Dachentwässerung, die<br />
über einen Attikagully durch<br />
den Dachaufkantung führt.<br />
Bei einer Begehung wurde das<br />
Gründach abgeräumt, ein<br />
Gullybereich geöffnet und<br />
eine stark durchfeuchtete<br />
OSB-Platte und Dämmung<br />
sowie Wasser auf der Dampfsperrfolie<br />
festgestellt. Das<br />
gleiche Schadensbild findet<br />
sich bei Öffnungen in der<br />
Fläche. Die über geöffnete<br />
Dachlüfter festzustellende<br />
insgesamt sehr hohe Luftfeuchte<br />
im Dachraum ließ<br />
jedoch den Verdacht entstehen,<br />
dass eine lokale Ursache<br />
nicht allein schadensursächlich<br />
sein können. Die Fragestellung,<br />
wie sich im Hinterlüftungsraum<br />
überhaupt eine<br />
Luftzirkulation bzw. ein<br />
Luftaustausch mit der<br />
Außenluft einstellen kann,<br />
konnte nicht beantwortet<br />
werden. Öffnungen in der<br />
Traufe gab es ja nicht.<br />
Auffällig war zudem eine<br />
augenscheinlich hohe<br />
Feuchtebelastung des äußeren<br />
Verblendmauerwerks, sichtbar<br />
durch deutliche Ausblühungen<br />
an der Südfassade<br />
(Abb. 2). Nach Aussagen der<br />
Beteiligten ist der Massivbau<br />
während der Bauzeit einer<br />
starken Bewitterung ausgesetzt<br />
gewesen.<br />
Kommt Feuchtigkeit<br />
aus der Wand in den<br />
Dachraum?<br />
Ja <strong>–</strong> denkbar, aber wo<br />
wären dann die Transportwege?<br />
Bei einem zweischaligen<br />
kerngedämmten Mauerwerk<br />
gibt es den sogenannten<br />
Fingerspalt zwischen Dämmung<br />
und Verblendschale<br />
sowie unvermeidliche Fugen<br />
innerhalb der Dämmmatten.<br />
Auch ist die Mineralfaser<br />
selbst nicht strömungsdicht,<br />
d.h. ein Feuchtetransport<br />
innerhalb der Dämmebene<br />
über Konvektion ist möglich.<br />
Bedenkt man, dass Sonneneinstrahlung<br />
die südliche<br />
Verblendschale ordentlich<br />
aufheizt, kann auch ein<br />
thermischer Auftrieb dahinter<br />
angenommen werden.<br />
Abb. 1:<br />
Dicht scheint die Abdichtung zu sein.<br />
Die Wasserpfützen lassen auf der abgeräumten<br />
südlichen Dachfläche die<br />
Schädigung der OSB-Platte erahnen.<br />
Die einzelnen Dachbalken<br />
liegen in voller Tiefe auf dem<br />
24 cm breiten Ringanker auf<br />
und sind weiter für die<br />
aufgehende Attika ummauert<br />
(Abb. 3), d.h. sie durchstoßen<br />
das Hintermauerwerk.<br />
Außenseitig sind sie nicht<br />
luftdicht abgedichtet, der<br />
Strömungsweg zum Dachraum<br />
wäre da.<br />
Abb. 2:<br />
Deutliche Ausblühungen des Verblendmauerwerks<br />
lassen auf eine<br />
hohe Wandfeuchte schließen.
2/2012<br />
<strong>–</strong> 49 <strong>–</strong><br />
Bauschäden<br />
Abb. 3:<br />
Durch das Balkenauflager kann<br />
Wasserdampf aus der Luftschicht<br />
des Mauerwerks in das Dachbauteil<br />
strömen.<br />
Abb. 4:<br />
Die südliche Dachfläche (rechts) wird<br />
mit Feuchte aus dem Mauerwerk<br />
belastet.<br />
„Gezogene“ Konvektion<br />
Der Antriebsmotor? Die<br />
einseitige Anordnung von<br />
Dachlüftern am Hochpunkt<br />
der Dachfläche kann einen<br />
Sog entstehen lassen, der Luft<br />
aus der geplanten Lüftungsebene<br />
abführt. Das ist sicherlich<br />
auch so gewollt, funktioniert<br />
aber nur dann, wenn<br />
das Bauteil mit Außenluft<br />
„durchlüftet“ wird. So fordern<br />
denn auch die Fachregeln des<br />
Deutschen Dachdeckerhandwerks<br />
im Merkblatt Wärmeschutz<br />
bei Dächern für<br />
belüftete Dächer:<br />
„Luftschichten von belüfteten<br />
Dächern müssen an die<br />
Außenluft angeschlossen werden.<br />
Sie müssen einen sich<br />
über die ganze Fläche erstreckenden,<br />
überall durchströmbaren<br />
Luftraum mit Be- und<br />
Entlüftungsöffnungen<br />
aufweisen. …“<br />
Außenluft als Zuluft kann<br />
so den ggf. aus dem Gebäude<br />
eindiffundierenden Wasserdampf<br />
aufnehmen und wieder<br />
abführen. Fehlen die Zuluftöffnungen,<br />
findet keine geplante<br />
Durchströmung statt<br />
sondern der Zufluss erfolgt<br />
„irgendwie“ aus dem Baukörper<br />
<strong>–</strong> hier über die Balkenköpfe<br />
aus der Mauerwerksluftschicht<br />
oder über Undichtigkeiten<br />
der Luftdichtheitsebene<br />
aus dem Gebäudeinneren<br />
<strong>–</strong> mit teilweise erheblicher<br />
Feuchtelast. Zusammen mit<br />
dem thermischen Auftrieb<br />
infolge Sonneneinstrahlung<br />
transportiert die Luft erhebliche<br />
Wasserdampfmengen aus<br />
dem nassen Mauerwerk über<br />
die Mauerwerksluftschicht in<br />
den Dachraum an die kühle<br />
Unterseite der OSB-Platte. Das<br />
Kondensat tropft dann der<br />
Schwerkraft folgend in die<br />
Dämmung. Dass die ersten<br />
Schäden an der Unterdecke<br />
unterhalb der Attikagullys<br />
auftraten, lässt sich sehr gut<br />
durch die Durchdringung der<br />
Attika mit dem Abflussrohr<br />
erklären. Hier ist der Strömungsweg<br />
besonders offen.<br />
Im Norden ist es anders.<br />
Das Flachdach auf der<br />
Nordseite ist im Prinzip ähnlich<br />
konstruiert <strong>–</strong> nur offensichtlich<br />
mit entscheidenden<br />
Abweichungen, die es weitestgehend<br />
schadensfrei halten.<br />
Die Luftschicht beginnt<br />
am Traufpunkt wieder mit<br />
6 cm, erhöht sich aber mit<br />
Hilfe einer Aufkeilung auf<br />
ordentliche 26 cm <strong>–</strong> der<br />
Dachbalken läuft hier waagerecht<br />
(Abb. 4). Eine Reihe<br />
Dachentlüfter sind wieder im<br />
Hochpunkt, aber auch eine<br />
Reihe im Traufenbereich in<br />
jedes Gefach eingesetzt worden.<br />
Somit besteht die Möglichkeit,<br />
dass der Belüftungsraum<br />
mit Außenluft durchströmt<br />
werden könnte. Der<br />
Autor benutzt hier den Konjunktiv,<br />
da einfache Dachentlüfter<br />
(ohne Zwangsventilatoren)<br />
hinsichtlich ihrer Wirkungsweise<br />
nicht genau<br />
berechenbar sind. Wieso sollte<br />
bei gleicher Windanströmung<br />
(Richtung und Stärke) Luft<br />
über den traufnahen Lüfter in<br />
die Dachkonstruktion hinein<br />
und 4m entfernt über den<br />
gleichen Lüftertyp wieder<br />
hinaus fahren? Oder vielleicht<br />
umgekehrt? Es bleibt schwierig<br />
einzuschätzen, insbesondere<br />
wenn bei an höheren Gebäudeteilen<br />
angesetzten Pultdächern<br />
mit Windverwirbelungen<br />
zu rechnen ist. Vielleicht<br />
sind es aber genau diese<br />
Turbulenzen, die an firstnahen<br />
Lüfter eine Sogwirkung initiieren.<br />
Häufig bleiben Dachentlüfter<br />
als letzte Option,<br />
wenn Be- und Entlüftungsöffnungen<br />
gemäß Dachdeckerregelwerk<br />
nicht möglich sind.<br />
Planen lässt sich eine solche<br />
Belüftung nicht genau und<br />
auch nicht wirklich zuverlässig.<br />
Ein Effekt kann gut beschrieben<br />
werden <strong>–</strong> auf der<br />
Nordseite wird die Verblendschale<br />
nicht der Sonneneinstrahlung<br />
ausgesetzt, ein<br />
Feuchtetransport über thermischen<br />
Auftrieb und/oder<br />
durch einen höheren Wasserdampfpartialdruck<br />
von der<br />
Dämmebene der Wand in das<br />
Flachdach hinein wird daher<br />
sehr viel geringer ausfallen.<br />
Die Verschattung der nördlichen<br />
Flachdachflächen durch<br />
angrenzende höhere Gebäudeteile<br />
bleibt ohne Wirkung, da<br />
der Gründachaufbau ohnehin<br />
diesen Effekt vorweg nimmt.<br />
Gründächer sind im Grundsatz<br />
sehr empfindlich gegenüber<br />
Feuchteeinträge, da ihre<br />
äußeren Bauteile unter der<br />
Substratschicht im Sommer<br />
kühl bleiben und ihr Austrocknungspotential<br />
nach<br />
innen äußerst gering ist. Führt<br />
die eigentlich zur Entlastung<br />
angelegte Lüftungsschicht die<br />
Feuchte nicht ab sondern<br />
weitere hinzu, versagt das<br />
Dach sehr schnell.<br />
Das Dach entspricht bereits<br />
beim Bau nicht den anerkannten<br />
Regeln der Technik. Durch<br />
die neue Holzschutznormung<br />
gelten seit Anfang 2012 für<br />
belüftete flachgeneigte Dächer<br />
mittlerweile sehr viel schärfere<br />
Regeln. Belüftete Hohlräume<br />
von mindestens 15 cm<br />
Höhe bei Gründächern unter<br />
5° Dachneigung, bei denen die<br />
Be- und Entlüftungsöffnungen<br />
mindestens 40 % des<br />
Lüftungsquerschnitts betragen<br />
müssen, werden für nachweisfreie<br />
Bauteile gemäß der Anlage<br />
A der DIN 68800-2<br />
verlangt. Damit die Belüftungsöffnungen<br />
auch funktionieren,<br />
sind sie so zu planen,<br />
dass die Windströmung das<br />
Bauteil auch direkt durchfahren<br />
kann.<br />
Bei diesem Bauwerk wäre<br />
eine Flachdachausführung mit<br />
reiner Aufdachdämmung<br />
sinnvoll gewesen und dauerhaft<br />
schadensfrei geblieben.<br />
Kein planerischer noch bautechnischer<br />
Aspekt stünde<br />
dem entgegen, da der Dachaufbau<br />
innerhalb der Attika<br />
liegt und nicht genutzt wird.<br />
Zwangsbelüftet<br />
Ein weiterer Schadensfall<br />
hat eine ähnliche Ursache. Ein<br />
modernes Wohnhaus in kubischer<br />
Architektursprache <strong>–</strong><br />
also mit umlaufender 30 cm
Bauschäden <strong>–</strong> 50 <strong>–</strong><br />
2/2012<br />
Abb. 8:<br />
Hier ist die feuchtevariable Dampfbremse<br />
überfordert. Kondensat<br />
findet den Weg durch Kabeldurchführungen<br />
und bildet eine deutliche<br />
Wasseransammlung oberseitig der<br />
Dampfbremse<br />
Abb. 5:<br />
Kaltdach-Zwangsentlüfter<br />
saugen<br />
je nach Windgeschwindigkeit<br />
Luftmengen aus<br />
dem Dach.<br />
Abb. 6:<br />
Im Luftraum tropft<br />
das Kondensat von<br />
der Schalung ab<br />
und läuft auf der<br />
Holzfaserplatte<br />
zu den tiefsten<br />
Stellen.<br />
Abb. 7:<br />
Nach Demontage<br />
der Lüfteroberteile<br />
sind deutliche<br />
Ablaufspuren auf<br />
der Holzfaserplatte<br />
zu erkennen.<br />
hoher Attika <strong>–</strong> erhielt 2010<br />
sein Flachdach. Unter einer<br />
vollgedämmten Balkenlage ist<br />
eine feuchtevariable Dampfbremse<br />
als luftdichte Ebene<br />
angeordnet, oberseitig deckt<br />
eine Weichfaserplatte die<br />
Dämmebene ab. Soweit hat<br />
der Tragwerksplaner auch den<br />
Tauwassernachweis mit dem<br />
Glaserverfahren geführt, nämlich<br />
als belüftete Flachdachkonstruktion.<br />
Ausgeführt wurde oberhalb<br />
eine Aufkeilung von ca. 60<br />
bis 240 mm mit einer Vollholzschalung<br />
und Bitumenabdichtung<br />
<strong>–</strong> natürlich unbelüftet,<br />
da die gemauerte Attika<br />
nichts anderes zuließ!<br />
Nun gab es im ersten Frühjahr<br />
eine Mängelrüge der<br />
Hausbesitzer über eine Feuchtestelle<br />
an der Unterdecke,<br />
dessen Ursache man als Undichtigkeit<br />
in der Dachhaut<br />
annahm und lokal nachbesserte.<br />
Zwischenzeitlich gab es<br />
Geruchsprobleme im Obergeschoss,<br />
die man mit dem<br />
Dachhohlraum in Verbindung<br />
brachte und daher nachträglich<br />
in der Dachmitte eine<br />
Reihe Kaltdach-Zwangsentlüfter<br />
einbaute (Abb. 5). Im<br />
nächsten Winter traten erneut<br />
und diesmal stärkere Feuchteschäden<br />
auf und man öffnete<br />
das Dach von außen und innen.<br />
Im Hohlraum wurde eine<br />
massive Feuchtebelastung der<br />
Vollholzschalung und der<br />
Oberkanten der Aufkeilung<br />
durch ablaufende Wasserspuren<br />
und Schimmelpilzbefall<br />
deutlich. Von der Schalung<br />
abtropfendes Wasser sammelte<br />
sich auf der Holzfaserplatte.<br />
Feuchtigkeit über den<br />
Bybass<br />
Der Luftraum unter der<br />
Schalung ist mit der Außenluft<br />
über 10 Zwangsentlüftern<br />
DN 125 verbunden, die gemäß<br />
Herstellerangaben bei den vor<br />
Ort im Winter üblichen Windgeschwindigkeiten<br />
von 4 bis<br />
5 m/s zusammen eine Luftmenge<br />
von ca. 1180 m³/h<br />
fördern können. Der Hohlraum<br />
selbst hat ein Volumen<br />
von ca. 15 m³, bei entsprechenden<br />
Zuluftöffnungen<br />
könnte sich daher ca. ein<br />
78-facher Luftwechsel einstellen.<br />
Aber diese Öffnungen<br />
zur Außenluft fehlen, der<br />
Zufluss kommt infolge unvermeidlicher<br />
Leckagen der luftdichten<br />
Ebene aus dem Gebäudeinneren<br />
<strong>–</strong> warm und mit<br />
reichlich Wasserdampf beladen.<br />
Mit einem BlowerDoor-<br />
Test konnte zwar eine gute<br />
Abdichtung der luftdichten<br />
Dampfbremse festgestellt<br />
werden, hier aber wurde über<br />
einen Installationsschacht Luft<br />
aus dem Hauswirtschaftraum<br />
mit hoher Feuchte und<br />
Temperatur durch zwei<br />
Etagen bis unter das Dach<br />
geführt.<br />
Lokaler Wassersammler<br />
Dringt feuchte Luft in den<br />
kalten Dachhohlraum ein,<br />
kondensiert der Wasserdampf<br />
flächig an der kalten Unterseite<br />
der Dachscheibe und tropft<br />
vereinzelt auf die Faserplatte<br />
ab. Auch die ungedämmten<br />
Dachentlüfter bieten an den<br />
Rohrinnenwandungen<br />
Kondensationsflächen, sie<br />
stellen jedoch Wassersammler<br />
dar. Das Kondensat entsteht<br />
hier konzentriert und tropft in<br />
solchen Mengen ab, dass sich<br />
Rinnsale zu den tiefsten<br />
Stellen bilden (Abb. 6 + 7).<br />
Über undichte Stöße der<br />
Holzfaserplatten und Durchdringungen<br />
<strong>–</strong> hier z.B. entlang<br />
des Leerrohres der Antennenleitung<br />
<strong>–</strong> rinnt das Wasser<br />
herunter bis zur feuchtevariablen<br />
Bahn und bildet einen<br />
großen Wassersack (Abb. 8).<br />
Ein echter Dichtheitstest für<br />
die luftdichten Abklebung <strong>–</strong><br />
der Elektriker war`s diesmal<br />
nicht.<br />
Wenige Hersteller bieten<br />
Kaltdachentlüfter mit Auffangschale<br />
für Kondensat an.<br />
Das untere Ende eines solchen<br />
Lüfters ragt teilweise bis zu<br />
120mm in das Dach hinein.<br />
Bei niedrigeren Lüftungshöhen<br />
würde sich der Lüfter in<br />
die Dämmschicht drücken und<br />
ein Teil der Lüftungsöffnung<br />
wäre damit verschlossen. In<br />
der Praxis wird daher bei<br />
niedrigen Lufträumen auf<br />
Lüfter mit Kondensatschale<br />
verzichtet. Oft wird abtropfendes<br />
Kondensat bei funktionierender<br />
Hinterlüftung wieder<br />
abgeführt <strong>–</strong> bei hohem<br />
Feuchteeintrag kann es wie<br />
oben beschrieben zu Schäden<br />
kommen.<br />
Auch hier wäre eine Konstruktion<br />
mit kompletter Aufdachdämmung<br />
die einfachste<br />
und sicherste gewesen. Saniert<br />
wird das Dach, indem die Gefachdämmung<br />
verbleibt, die<br />
Holzfaserplatte durch eine<br />
OSB-Platte ersetzt und zusätzlich<br />
mit Dampfsperre und<br />
neuer Abdichtung eine Aufdachdämmung<br />
als Gefälledämmung<br />
verlegt wird.<br />
Belüftete Flachdachkonstruktionen<br />
sind grundsätzlich<br />
für Gebäude mit umlaufenden<br />
Attiken nicht geeignet, da für<br />
einen funktionierenden Belüftungsstrom<br />
die Anordnung<br />
der Be- und Entlüftungsöffnungen<br />
nicht gelingt.