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SAxOFONs - Sono-Magazin

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Soul in den späten 50er Jahren bei gleichzeitigem<br />

Niedergang der klassischen Swing-<br />

Jazz-Orchester wurden mit Studiomusikern<br />

besetzte Bläsersätze für eine wachsende Öffentlichkeit<br />

stilprägend. Bereits 1957 wurde in<br />

Memphis Stax Records gegründet, zu dessen<br />

Künstlerstamm seit Mitte der 60er auch die<br />

Memphis Horns mit Andrew Love am Tenor<br />

und James Mitchell am Bariton zählten. Sie<br />

haben zunächst im Hintergrund von Albert<br />

King und Elvis Presley, seit den 70ern dann<br />

sowohl unter eigenem Namen als auch auf<br />

Alben von den Doobie Brothers über Aretha<br />

Franklin bis Rod Stewart gewirkt. Konkurrenz<br />

für Stax kam 1959 aus Detroit mit der<br />

Plattenfirma Motown, deren neue Stars wie<br />

Stevie Wonder, Marvin Gaye und die Commodores<br />

gerne auf das Saxofon als markante,<br />

soulig schwarze Klangfarbe zurückgriffen.<br />

Seit den 50er Jahren wuchs außerdem<br />

das Interesse zeitgenössisch klassischer und<br />

improvisierender Musiker aneinander. Jeder<br />

erhoffte sich etwas von der Welt des anderen,<br />

Abstraktion und zunehmende Verschlüsselung<br />

standen der Vitalisierung, dem Spontanen<br />

gegenüber. Nachdem serielle, elektronische<br />

Musik und musique concrète wenig<br />

mit dem zur Expressivität neigenden Saxofon<br />

hatten anfangen können und Versuche des<br />

Third Stream neben Klassik und Jazz eher<br />

wie Bebop im Frack geklungen hatten, änderte<br />

sich die Situation mit dem freien Spiel.<br />

Tatsächlich war auch in der Klassik die<br />

Skepsis dem einstigen Newcomer gegenüber<br />

geschwunden. Pierre Boulez und Luciano<br />

Berio setzten es längst im Orchesterkontext<br />

ein. Darüber hinaus schrieben seit den 70ern<br />

Komponisten wie Ryo Noda, Pierre-Max Dubois,<br />

Eckart Beinke und Jean-Marie Londeix<br />

Intellektuell: Anthony Braxton<br />

(o.) fordert viel von den Hörern<br />

So feurig wie verlässlich: die<br />

Memphis Horns (li.) liefern seit<br />

40 Jahren funky Präzision<br />

zunehmend Stücke für Solo-Saxofon. Grenzgänger<br />

wie Anthony Braxton überschritten<br />

bewusst die Demarkationslinien zwischen<br />

Improvisation und Komposition, zumal nach<br />

dem Befreiungsschlag der Free-Jahre Neues<br />

vor allem auf dem Gebiet des Klangs und<br />

der Tonorganisation zu erwarten war. Nahm<br />

Coleman Hawkins mit „Picasso“ 1947 das erste<br />

Stück für unbegleitetes Saxofon auf, so war<br />

Braxtons „For Alto“ 1968 das erste komplette<br />

Album, das ohne ein anderes Instrument<br />

auskam.<br />

Für die junge klassische Szene wichtig<br />

wurden die Kreise um Jean-Marie Londeix<br />

an der Universität in Bordeaux und um Larry<br />

Teal und Donald Sinta an der Universität von<br />

Michigan. Londeix hat als herausragender<br />

Solist das klassische Saxofon der Avantgarde<br />

geöffnet und ist außerdem einer der führenden<br />

Historiker seines Fachs. Donald Sinta hat<br />

nach einer Verbindung der Klangideale von<br />

Rascher und Mule gesucht und diese Vorstellung<br />

an zahlreiche amerikanische Studenten<br />

weitergegeben. Außerdem gehört er zu den<br />

Initiatoren des seit 1969 in der Regel alle drei<br />

Jahre stattfindenden World Saxophone Congress,<br />

bei dem sich im Schnitt rund 1.000<br />

Musiker, Lehrer, Komponisten und Instrumentenbauer<br />

um die Förderung und Fortentwicklung<br />

des Instruments kümmern<br />

und in dessen Rahmen zahlreiche<br />

Uraufführungen neuer<br />

Saxofonwerke stattfinden. Dabei<br />

ist inzwischen nicht mehr<br />

die Fülle des Repertoires das<br />

Problem. Jean-Marie Londeix<br />

hat für die Jahre zwischen 1844<br />

und 1969 rund 3.000 Kompositionen<br />

für Saxofon aufgelistet.<br />

Insgesamt gehen Schätzungen bis zum Jahr<br />

2000 von mehr als 11.000 Kompositionen und<br />

Transkriptionen aus, die dem Saxofon eine<br />

zentrale oder solistische Rolle zuweisen, Tendenz<br />

steigend.<br />

Ein Paradies mit Anspruch<br />

Auf der einen Seite haben es Saxofonisten<br />

heute also besser denn je. Nie zuvor in der<br />

Geschichte der Musik war die Ausbildungssituation<br />

ähnlich kommod. Allein in Deutschland<br />

kann man im Jahr 2010 an 18 Hochschulen<br />

Jazzsaxofon studieren. Im Jahr 2003<br />

wurde außerdem Daniel Gauthier auf den<br />

hierzulande ersten Lehrstuhl für klassisches<br />

Saxofon in Köln berufen. Die Preise für Einsteigerinstrumente<br />

sind gefallen, Repertoire<br />

in allen Stilsparten ist ausgiebig vorhanden.<br />

Die grundlegenden Legitimationskämpfe<br />

des Instruments sind ausgefochten, selbst als<br />

Männerdomäne taugt es nicht mehr, seit sich<br />

Saxofonistinnen wie Barbara Thompson,<br />

Candy Dulfer und in der nächsten Generation<br />

Angelika Niescier und Kathrin Lemke<br />

bewährt haben.<br />

Andererseits bedeuten die wachsende<br />

nationale und globale Konkurrenz, die weltweit<br />

gestiegene spieltechnische Kompetenz<br />

und die stilistische Offenheit nach nahezu<br />

allen Seiten hin bei gleichzeitig schrumpfendem<br />

Tonträgermarkt und anhaltendem<br />

Clubsterben, dass es mehr denn je für einen<br />

Musiker darauf ankommt, seinen persönlichen<br />

Sound oder seine spezielle Nische zu<br />

finden. Genau genommen steht das Saxofon<br />

damit noch immer relativ am Anfang seiner<br />

Möglichkeiten.<br />

das buch<br />

„Portrait Saxofon“<br />

Faszinierend und schillernd ist die Geschichte des<br />

Saxofons, seiner Musik und seiner Interpreten.<br />

Im Bärenreiter Verlag erschien vor wenigen<br />

Wochen mit „Portait Saxofon: Kultur, Praxis,<br />

Repertoire, Interpreten“ (170 Seiten,<br />

kartoniert) eine lesenswerte und umfassende<br />

Darstellung dieses wichtigen Instruments<br />

des 20. Jahrhunderts. Für SONO<br />

fasste der Autor Ralf Dombrowski in<br />

dieser Retrospektive einige Kernpunkte<br />

der Monografie als Konzentrat und Vorgeschmack<br />

zusammen.<br />

Fotos: Getty, Marcello<br />

10<br />

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