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Nr. 4/Dezember 2013<br />

Menschen<br />

Wir helfen<br />

Täglich «Unser 6 Klima Stunden spielt mehr verrückt.» Zeit.<br />

Was Die Familie die neue Dembele Wasserversorgung in Mali kämpft im äthiopischen gegen Erosion Dorf und von Übernutzung.<br />

Amelmal (10) bewirkt.


Inhalt<br />

Amelmal und der Brunnen<br />

Seit das Dorf der zehnjährigen Amelmal über eine Trinkwasserversorgung verfügt,<br />

haben die Bewohner täglich sechs Stunden mehr Zeit, um ihr Leben zu verbessern.<br />

Eine Reportage aus dem Osten Äthiopiens. Seite 6<br />

Caritas-Fairtrade:<br />

Guatemala-Honig<br />

Der fair gehandelte<br />

Caritas-Honig aus<br />

Guatemala ist aromatisch<br />

im Geschmack und sichert<br />

dank fairen Preisen<br />

unzähligen Bauernfamilien<br />

ihre Existenz.<br />

Seite 29<br />

<strong>Schweiz</strong>:<br />

wohnungsnot<br />

und Armut<br />

Gerade für sozial<br />

Schwache wird es immer<br />

schwieriger, eine Wohnung<br />

zu finden. Eine aktive<br />

Wohnpolitik muss darum<br />

Teil der Sozialpolitik sein.<br />

Seite 18<br />

Gastkolumne:<br />

Warum Syrien<br />

zerfällt<br />

Der renommierte Übersetzer<br />

Hartmut Fähndrich<br />

zeigt die historischen<br />

Hintergründe der aktuellen<br />

Syrien-Krise auf.<br />

Seite 25<br />

Ein Blick ins Leben<br />

von:<br />

Protais Hakizimana<br />

Der ruandische Berater<br />

Protais Hakizimana<br />

unterstützt Entwicklungsorganisationen<br />

im Bereich<br />

Landwirtschaft. Daneben<br />

setzt er sich für eine lokale<br />

Friedensorganisation ein.<br />

Seite 23<br />

AUSSERDEM<br />

4 Echo/Impressum<br />

5 Offener Brief<br />

16 Ohne Worte<br />

17 Brennpunkt<br />

20 Welt<br />

26 In Kürze<br />

28 Fotorätsel<br />

30 Caritas-Menschen<br />

31 youngCaritas<br />

2 Caritas «Menschen» 4/13<br />

Titelbild: Andreas Schwaiger; Bilder: Caritas-Fairtrade, Andreas Schwaiger, zVg, Kathrin Wyss<br />

Weltkarte: OneMarketing; Bild: Andreas Schwaiger


Editorial<br />

Menschen wie<br />

du und ich<br />

Früher war die zehnjährige Amelmal aus<br />

Äthiopien (Bild links) täglich sechs Stunden<br />

unterwegs, um gemeinsam mit ihrer Mutter<br />

einen Kanister schmutziges Wasser zu<br />

holen. Seit Amelmals Dorf über eine Wasserversorgung<br />

mit neun Brunnen verfügt, ist<br />

vieles möglich, was früher undenkbar gewesen<br />

wäre. Die Familie kann mit dem Ertrag<br />

ihres Feldes ein kleines Einkommen erwirtschaften,<br />

und Amelmal hat endlich Zeit,<br />

zur Schule zu gehen – um so vielleicht später<br />

den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen.<br />

Die Geschichte von Amelmal macht<br />

deutlich: Oft kann eine einzige Verbesserung<br />

eine ganze Entwicklung in Gang setzen<br />

und das Leben der Menschen nachhaltig<br />

verändern. In Amelmals Dorf wäre all<br />

dies nicht möglich geworden ohne die vielen<br />

kleinen und grossen Spenden aus der<br />

<strong>Schweiz</strong>.<br />

Hier bewahrheitet sich das afrikanische<br />

Sprichwort: Wenn viele kleine Leute an vielen<br />

kleinen Orten viele kleine Dinge tun, so<br />

können sie das Gesicht der Welt verändern.<br />

Die Caritas-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

treffen überall auf der Welt auf eindrückliche<br />

Beispiele grossherziger Hilfe. Etwa die<br />

Solidarität der Jordanierinnen und Jordanier<br />

angesichts der über 500 000 syrischen<br />

Flüchtlinge in ihrem Land: Sie ist schlicht<br />

überwältigend. Der jordanische Lastwagenfahrer<br />

Ayoub zum Beispiel hat bereits<br />

30 Personen in seinem bescheidenen Heim<br />

aufgenommen (Seite 20). «Hier im Grenzgebiet<br />

sind wir wie eine Familie», sagt er, «wo<br />

sollen sie sonst hin?» Um diese beeindruckende<br />

Hilfsbereitschaft am Leben zu erhalten,<br />

unterstützt Caritas <strong>Schweiz</strong> nicht nur<br />

die syrischen Flüchtlinge, sondern auch bedürftige<br />

jordanische Familien, die unter den<br />

Folgen der syrischen Krise zu leiden haben.<br />

Dominique Schärer<br />

Für die Redaktion «Wir helfen Menschen»<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 3


Echo<br />

PRESSE<br />

Katastrophenhilfe<br />

8. 10. 2013<br />

Asyl: Gratis-Rechtsbeistand wird<br />

abgelehnt<br />

Von links bis rechts herrscht Einigkeit bei<br />

der Vernehmlassung: Die Asylverfahren<br />

müssen beschleunigt werden. (…) Besonders<br />

umstritten ist die kostenlose Rechtsberatung<br />

für Asylsuchende. (…) SP und<br />

Grüne halten den kostenlosen Rechtsschutz<br />

für notwendig. Nur so sei ein faires, rechtsstaatlich<br />

korrektes Asylverfahren möglich,<br />

mahnt das Hilfswerk Caritas.<br />

8. 9. 2013<br />

Ohne Freiwillige geht nichts<br />

Wer in Bergregionen Landwirten unter die<br />

Arme greift, bekommt viel frische Luft in<br />

idyllischer Umgebung als Extra hinzu. Caritas<br />

<strong>Schweiz</strong> vermittelt im Jahr über 800<br />

Personen an Bergbauern. (…) «Wir organisieren<br />

keine Ferien auf dem Bauernhof»,<br />

macht Projektleiter Matthias Steiner klar.<br />

Melken, Holzspalten, Heuen, Käsen oder<br />

einfach Kochen und Putzen stehen auf dem<br />

Programm. Jeder helfe entsprechend seinen<br />

Fähigkeiten, egal ob Handwerker oder Bürolist,<br />

sagt Steiner. Das Alter spielt dabei<br />

keine Rolle. Die Spanne reicht von 18 bis 70.<br />

IMPRESSUM<br />

«Menschen». Magazin der Caritas <strong>Schweiz</strong>, erscheint<br />

viermal im Jahr: jeweils März, Juni, September, Dezember.<br />

Redaktionsadresse: Caritas <strong>Schweiz</strong>, Kommunikation,<br />

Löwenstrasse 3, Postfach, CH-6002 Luzern,<br />

E-Mail: info@caritas.ch, www.caritas.ch, Tel. +41 41 419 22 22<br />

Redaktion: Dominique Schärer (dos), Leitung; Jörg Arnold (ja);<br />

Stefan Gribi (sg); Vérène Morisod Simonazzi (vm); Odilo Noti (on);<br />

Katja Remane (kr); Ulrike Seifart (use); Iwona Swietlik (imy)<br />

Abopreis: Das Abonnement kostet sechs Franken pro Jahr und wird<br />

einmalig von Ihrer Spende abgezogen.<br />

Auflage: 78847 (deutsch und französisch, Wemf-Beglaubigte Auflage)<br />

Grafik: Urban Fischer<br />

Druckerei: Kyburz, Dielsdorf<br />

Papier: Carisma Silk, 100 % recycling<br />

Spendenkonto: PC 60-7000-4<br />

Philippinen: Zwei Millionen<br />

Franken für Taifun-Opfer<br />

Anfang November forderte der Taifun<br />

Haiyan auf den Philippinen Tausende<br />

Menschenleben und richtete verheerende<br />

Schäden an. Caritas <strong>Schweiz</strong><br />

leistet zusammen mit Partnerorganisationen<br />

Nothilfe in einem Umfang von<br />

zwei Millionen Franken.<br />

Mit Windgeschwindigkeit bis zu 300 Stundenkilometern<br />

gilt Haiyan als der stärkste<br />

Tropensturm seit Beginn verlässlicher meteorologischer<br />

Aufzeichnungen. Der Sturm<br />

forderte mehrere Tausend Todesopfer,<br />

hinterliess 900 000 Menschen obdachlos<br />

und betrifft insgesamt fast 12 Millionen<br />

Philippinos. Ganze Landstriche wurden<br />

zum Trümmerfeld, der Strom, die Wasserverteilung<br />

und die Kommunikation waren<br />

unterbrochen. Einige Städte waren gar<br />

nicht erreichbar, und auf der Insel Bantayan<br />

zum Beispiel wurden rund 90 Prozent<br />

der Infrastruktur zerstört.<br />

Zeltplanen und Nothilfesets<br />

Caritas <strong>Schweiz</strong> verteilte schon wenige<br />

Tage nach der Katastrophe auf den Inseln<br />

Samar und Leyte in Zusammenarbeit mit<br />

dem internationalen Caritas-Netz Zeltplanen<br />

und Nothilfesets mit Matten, Decken,<br />

Taschenlampen und Küchenmaterial<br />

an 45 000 Menschen. Insgesamt stellte das<br />

Caritas-Netz für die Nothilfe sechs Millionen<br />

Dollar zur Verfügung und erreicht<br />

damit Hundertausend bedürftige Personen.<br />

Auf den Inseln Cebu und Bantayan verteilt<br />

Caritas <strong>Schweiz</strong> Nothilfegüter an bedürftige<br />

Familien in Zusammenarbeit mit<br />

vier lokal verankerten philippinischen Hilfsorganisationen.<br />

Zwei Delegierte der Katastrophenhilfe<br />

von Caritas <strong>Schweiz</strong> befanden<br />

sich Mitte November vor Ort, um die Nothilfe<br />

zu koordinieren.<br />

Bereits im Oktober wurden die Philippinen<br />

von einem Erdbeben der Stärke 7,2<br />

getroffen. Dieses verursachte auf der Insel<br />

Bohol und im Gebiet der Central Visayas<br />

grosse Schäden. Caritas <strong>Schweiz</strong> ist in diesen<br />

Regionen seit vielen Jahren mit Projekten<br />

tätig. (dos)<br />

Aktuelle Informationen zur Nothilfe<br />

auf den Philippinen:<br />

■ www.caritas.ch/philippinen<br />

4 Caritas «Menschen» 4/13<br />

Bild: Erik de Castro/Reuters


Offener Brief<br />

Liebe Spenderin,<br />

Lieber Spender<br />

Hugo Fasel,<br />

Direktor<br />

Caritas <strong>Schweiz</strong><br />

Bald wird das laufende Jahr ausklingen und<br />

Weihnachten steht bevor. Es ist die Zeit,<br />

während der wir etwas mehr drinnen sitzen,<br />

lesen, Ruhe geniessen und manchmal auch<br />

nachdenklich verweilen. Der lange Abend<br />

zu Hause bietet viele Reichtümer.<br />

In diesen Tagen erhalten Sie neben diesem<br />

Magazin auch Briefpost von uns, mit<br />

der Bitte um finanzielle Unterstützung. Im<br />

Alltag sind wir es als Konsumentinnen und<br />

Konsumenten gewohnt, Geld für eine bestimmte<br />

Leistung oder ein bestimmtes Gut<br />

auszugeben. Als Hilfsorganisation können<br />

wir Ihnen keine unmittelbare Gegenleistung<br />

verkaufen. Wir können hingegen auf<br />

jene Menschen verweisen, die dringend unsere<br />

Hilfe brauchen. Wir unterstützen sie<br />

mit unseren Projekten und wir kennen ihre<br />

Dank ihnen bleibt caritas<br />

unabhängig.<br />

Bedürfnisse. Es geht um Existenzielles: Versorgung<br />

mit Trinkwasser, Ausbildung für<br />

Kinder, Schulmaterial, Essen, Schutz der<br />

Menschen vor Naturkatastrophen, vor<br />

Übergriffen, Krieg oder Vergewaltigung.<br />

Dieses Heft gibt Beispiele aus dem äthiopischen<br />

Hochland.<br />

Obwohl wir Ihnen für Ihre Spende keine<br />

greifbare Ware auf den Tisch legen können,<br />

möchten wir Ihnen das übermitteln, was<br />

uns bei der Begegnung mit Menschen in Not<br />

immer wieder geschenkt wird: Es sind Perlen<br />

der Dankbarkeit dafür, dass wir ihnen<br />

eine Perspektive geben, und es sind Perlen<br />

der Hoffnung und neuen Mutes. Wenn ich<br />

wüsste wie – ich würde in jeden Spendenaufruf<br />

einige dieser Perlen verpacken. Denn<br />

sie verströmen Wärme, Licht und menschliche<br />

Nähe – und sie zeigen: Unsere Hilfe<br />

kommt an.<br />

In einer Zeit, da immer mehr Hilfswerke<br />

zu Umsetzungsagenturen des Bundes werden,<br />

sind wir auch als Organisation froh<br />

um ihre grosszügige Unterstützung. Dank<br />

Ihnen bleibt Caritas unabhängig und ist frei,<br />

das Wort für die Armen dieser Welt zu erheben<br />

und sich anwaltschaftlich für sie einzusetzen.<br />

Wir können auf Missstände verweisen,<br />

ohne zu riskieren, Finanzquellen<br />

zu verlieren. Wir können uns vorbehaltlos<br />

und ohne Einschränkung für die Würde des<br />

Menschen einsetzen, getreu unserer Handlungsmaxime.<br />

Und etwas Wichtiges kommt hinzu: Ihre<br />

Spenden werden vervielfacht. Die Tatsache,<br />

dass wir mit Ihren Geldern Projekte starten<br />

können, motiviert andere Geldgeber,<br />

insbesondere Stiftungen, die Glückskette,<br />

Unternehmen, Pfarreien, die öffentliche<br />

Hand oder internationale Organisationen,<br />

uns ebenfalls finanziell zu unterstützen. Zu<br />

jedem gespendeten Franken kommen drei<br />

weitere hinzu!<br />

Liebe Spenderin, lieber Spender, im<br />

Namen aller Menschen, denen Sie durch<br />

Ihre finanzielle Unterstützung Lebenschancen<br />

und Hoffnung schenken, möchte ich<br />

Ihnen herzlich danken und Ihnen eine Perle<br />

der Anerkennung und des Respekts in die<br />

Hand legen. Es ist grossartig, dass wir auf<br />

Sie zählen können!<br />

Herzlich alles Gute zu Weihnachten<br />

Hugo Fasel<br />

Bild: Franca Pedrazzetti<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 5


Wasser ist wertvoll:<br />

Amelmals kleine Schwester<br />

Yerus mit einem Becken,<br />

das der Familie zum Waschen<br />

der Hände dient.


Die Menschen<br />

von Debiti<br />

Eine Trinkwasserleitung verändert das Leben<br />

von Menschen nachhaltig. Sie verbessert<br />

die Gesundheit markant, schafft wertvolle Zeit<br />

für produktive Arbeit, ermöglicht vielen<br />

Mädchen den Schulbesuch und vermindert<br />

sogar das Risiko für Zwangsheiraten. Das<br />

zeigt die Reportage aus Debiti, dem kleinen<br />

Bergdorf in Ostäthiopien, wo der diesjährige<br />

Fernsehspot der Caritas <strong>Schweiz</strong> gedreht<br />

wurde.


Reportage: Trinkwasser in Äthiopien<br />

Text: Stefan Gribi<br />

Bilder: Andreas Schwaiger<br />

«Chinesen», ruft uns ein kleines Mädchen<br />

entgegen. Wir sind verdutzt. Hier in der<br />

Provinzstadt Asebe Teferi sind selten Menschen<br />

mit heller Hautfarbe zu sehen, und<br />

wenn, so lehrt uns die Begrüssung, sind es<br />

vor allem Chinesen.<br />

Im Bergdorf Debiti, wo wir ein Projekt<br />

der Caritas für die Weihnachtskampagne<br />

2013 besuchen, ist ausländischer Besuch<br />

noch viel seltener. Doch die Chinesen sind<br />

auch hier sichtbar. Nachts strahlen in der<br />

ansonsten dunklen, weil stromlosen Landschaft<br />

vier Lichter aus der Ferne. Es sind<br />

die Scheinwerfer eines Bauarbeiter-Camps.<br />

Dort unten in der Ebene entsteht eine moderne<br />

Eisenbahnlinie. Sie wird die äthiopische<br />

Hauptstadt Addis Abeba mit Djibouti<br />

und damit mit dem Meer verbinden. König<br />

Menelik der Zweite hat diese legendäre<br />

Bahnlinie vor 100 Jahren bereits einmal<br />

erbauen lassen, als Äthiopien eine Grossmacht<br />

war auf dem Kontinent − als einziges<br />

afrikanisches Land nie kolonialisiert. Diesmal<br />

ist es ein chinesisches Unternehmen,<br />

das von der Regierung den Auftrag für den<br />

Trassee-Bau erhalten hat. Da, wo nachts die<br />

Scheinwerfer sichtbar sind, wohnen nicht<br />

nur Ingenieure, sondern auch aus China eingeflogene<br />

Facharbeiter.<br />

Die Bahnlinie ist ein Versprechen für eine<br />

moderne Zukunft, in der diese abgelegene<br />

Gegend Anschluss an die Welt finden soll,<br />

von der sie heute erbarmungslos weit entfernt<br />

ist. Dort unten beim Camp zweigt eine<br />

Schotterpiste von der Hauptstrasse ab. Bis<br />

nach Debiti ist es so weit wie von Neuenburg<br />

nach La Chaux-de-Fonds, etwas mehr<br />

als 20 Kilometer. Die Strasse wird zunehmend<br />

schlechter, ohne Vierradantrieb gibt<br />

es kein Durchkommen über Karrenfelder<br />

und durch Flussbette, die Fahrzeit beträgt<br />

mindestens zwei Stunden. Sammeltaxis, die<br />

asiatischen Pickups, die hier für Transporte<br />

jeglicher Art genutzt werden, oder Ambulanzfahrzeuge<br />

haben keine Chance, das fürs<br />

Auge idyllisch gelegene Dorf zu erreichen.<br />

Für die Menschen in Debiti heisst dies: Wer<br />

irgendetwas in der Aussenwelt zu besorgen<br />

oder verrichten hat, geht den ganzen Weg<br />

zu Fuss, im besseren Fall trägt ein Esel die<br />

Lasten.<br />

Hier in Debiti wohnt Amelmal, das<br />

zehnjährige Mädchen aus dem aktuellen<br />

TV-Spot der Caritas <strong>Schweiz</strong>. Sie besucht<br />

die sechste Klasse. Später möchte<br />

«Seit wir die Wasserleitung haben, sind die Krankheiten ausgelöst<br />

durch verschmutztes Trinkwasser aus dem Dorf verschwunden.»<br />

sie einen eigenen Garten haben und Gemüse<br />

auf dem Markt verkaufen, aber<br />

noch lieber würde sie Ärztin werden. Auch<br />

wenn dies ein hochgestecktes Ziel ist, ihre<br />

Bild oben: Trichter aus Petflaschen sorgen<br />

dafür, dass kein Wasser verloren geht.<br />

Bild rechts: In der Regenzeit wächst das Gras,<br />

das für traditionelle geflochtene Schalen<br />

genutzt wird.<br />

8 Caritas «Menschen» 4/13


«Menschen» 4/13 Caritas 9


Reportage: Trinkwasser in Äthiopien<br />

10 Caritas «Menschen» 4/13


Chance, einen solchen Weg zu gehen, sind<br />

gestiegen. Der Grund dafür: Seit etwas<br />

mehr als einem Jahr gibt es in Debiti eine<br />

Wasserleitung, die Caritas <strong>Schweiz</strong> in Zusammenarbeit<br />

mit der lokalen Caritas der<br />

Diözese Hararghe gebaut hat.<br />

Zeit zum Geld verdienen gewonnen<br />

Amelmals Mutter Wosene Mengiste bereitet<br />

für uns in der kleinen Hütte die traditionelle<br />

äthiopische Kaffee-Zeremonie vor.<br />

Die rohen Kaffee-Bohnen, die sie auf einem<br />

Holzkohleofen frisch röstet, stammen aus<br />

dem eigenen Garten. «Wir sind glücklich<br />

über die neue Wasserleitung und die Brunnen,<br />

die wir erhalten haben. Früher waren<br />

wir sechs Stunden oder länger unterwegs,<br />

um an der Quelle oder am Fluss Wasser zu<br />

holen. Meine Mädchen mussten mithelfen,<br />

um die benötigten Mengen Wasser zu tragen»,<br />

erzählt sie, während sie die frisch gerösteten<br />

Kaffeebohnen zu Pulver stampft.<br />

«Nun haben wir viel mehr Zeit, um uns<br />

Bild: Holz sammeln gehört neben Wasser holen<br />

zu den beschwerlichen Aufgaben der Frauen.<br />

Bild linke Seite: Bauer Kefelegn Endale bewahrt<br />

Sorghum in einem Erdloch auf, wo es<br />

monatelang haltbar bleibt.<br />

Äthiopien: Armut bleibt trotz Wachstum<br />

Sudan<br />

Eritrea<br />

Addis<br />

Abeba<br />

Kenia<br />

Aksum<br />

Debiti<br />

Jemen<br />

Djibouti<br />

Somalia<br />

Somaliland<br />

Einst verband die Eisenbahn Addis Abeba mit<br />

dem Meer. Die Bahnlinie wird nun von einem<br />

chinesischen Unternehmen neu gebaut.<br />

In Äthiopien scheint die Sonne während 13 Monaten.<br />

Dieser Slogan der Tourismuswerbung<br />

bezieht sich auf den äthiopischen Kalender.<br />

Dieser hat einen Monat mehr als unser Kalender.<br />

Neujahr ist am 11. September, zurzeit läuft<br />

das Jahr 2006. Manche Kritiker argwöhnen,<br />

dass auch in der Ökonomie anders gerechnet<br />

wird: Mit beinahe 8 Prozent weist Äthiopien in<br />

den letzten Jahren eines der weltweit höchsten<br />

Raten des Wirtschaftswachstums aus.<br />

Dieser Erfolg wird dem ehemaligen Präsidenten<br />

Meles Zenawi zugeschrieben. Er führte<br />

das Land aus der bleiernen Phase des sozialistischen<br />

Derg-Regimes in die moderne Zeit.<br />

Auch ein Jahr nach seinem Tod wird der Politiker<br />

trotz seines teils autoritären Regierungsstils<br />

von vielen Äthiopiern verehrt, nicht zuletzt<br />

deshalb, weil er sich stark gegen die Armut engagierte.<br />

Seine Ziele setzte er hoch: Bis 2015<br />

sollen alle Kinder zur Schule gehen und über<br />

90 Prozent der Bevölkerung mit sauberem<br />

Wasser versorgt sein. Auch für Strassenverbindungen<br />

und der Stromversorgung in den<br />

ländlichen Gebieten werden ambitiöse Programme<br />

gestartet. Dies ist eine Herkulesarbeit<br />

in einem Land, das grösser ist als Frankreich<br />

und Deutschland zusammen. So verwundert<br />

es nicht, dass die Arbeiten teilweise weit<br />

hinter diesen Zielen herhinken und auch die<br />

Qualität der Infrastruktur oft mangelhaft ist. Im<br />

Human Development Index der Uno liegt Äthiopien<br />

weit hinten, auf Platz 173 von 186. Auch<br />

heute müssen äthiopische Bauern im Durchschnitt<br />

vier Stunden zurücklegen, um auf eine<br />

befestigte Strasse zu gelangen, die auch in der<br />

Regenzeit passierbar ist. Die meisten von ihnen<br />

zumindest haben vom Wirtschaftswachstum<br />

noch nichts gespürt.<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 11


Reportage: Trinkwasser in Äthiopien<br />

Amelmal unterwegs mit ihrem Vater zur<br />

othodoxen Kirche. Sie trägt ein Brot auf dem<br />

Rücken, das ihre Mutter gebacken hat.<br />

den Arbeiten im Haus und auf dem Feld<br />

zu widmen», fährt sie fort. Ein Feld mit<br />

Zwiebeln und auch der eigene Kaffee sind<br />

Ergebnisse dieser erhöhten Produktivität.<br />

Auf dem Markt kann sie damit etwas<br />

Geld erwirtschaften. Wosene braut auch<br />

lokales Bier und verkauft es im Dorf. Dadurch<br />

ist ein neues Ziel in greifbare Nähe<br />

gerückt. Ihr Mann sei heute in der Marktstadt<br />

Asebot und treffe Vorbereitungen, erklärt<br />

Wosene: «Wir wollen einen kleinen<br />

Laden in der Nähe der Wasserstelle eröffnen.»<br />

Wosenes Ziel ist klar. «Es genügt, dass<br />

ich ein solches Leben verbringe. Ich will<br />

«Früher waren wir sechs Stunden oder länger unterwegs, um<br />

an der Quelle oder am Fluss Wasser zu holen.»<br />

nicht, dass meine drei Töchter arme Bauersfrauen<br />

werden, sie sollen eine gute Bildung<br />

erhalten und ein besseres Leben führen<br />

können», sagt sie energisch.<br />

Reduziertes Risiko für frühe Heiraten<br />

Wieso erhöht eine einfache Wasserleitung<br />

die Zukunftschancen von Amelmal und<br />

ihren Schwestern? Sauberes Wasser braucht<br />

es zum Leben, um gesund zu bleiben, das ist<br />

klar. Da Wasser holen traditionell die Aufgabe<br />

der Frauen und Mädchen ist, erhöht<br />

sich mit kürzeren Wegen die Chance, dass<br />

die Mädchen genügend Zeit für die Schule<br />

haben. Mit der höheren Produktivität der<br />

Familien lassen sich auch die Schulkosten<br />

besser decken. Und dann schwingt hier<br />

noch ein Thema mit, das die Mutter gegenüber<br />

den fremden Besuchern nicht direkt<br />

anspricht. «Mädchen, die lange Wege zur<br />

Wasserstelle zurücklegen müssen, sind sexu-<br />

12 Caritas «Menschen» 4/13


ellen Übergriffen von jungen Männern ausgesetzt»,<br />

sagt Ermias Habte, der lokale Verantwortliche<br />

von Caritas <strong>Schweiz</strong> in Äthiopien.<br />

«Geschieht dies, sehen die Familien<br />

eine umgehende Verheiratung der Tochter<br />

oft als einzigen Ausweg. Sie befürchten zu<br />

Recht, dass ihre Tochter stigmatisiert sein<br />

und nie einen Mann finden wird, der sie im<br />

Wissen um den Übergriff heiraten würde.<br />

Wassersysteme wie jenes in Debiti vermindern<br />

das Risiko für frühe, erzwungene Heiraten<br />

markant.»<br />

Ein vorausschauendes Dorfkomitee<br />

Auch das Dorfkomitee, das uns im Schatten<br />

eines Olivenbaums begrüsst, lässt keinen<br />

Zweifel daran, dass die Wasserleitung<br />

das Dorf einen wichtigen Schritt vorangebracht<br />

hat. Doch wie es sich für ein solches<br />

Gremium gehört, kümmern sie sich<br />

vorausschauend um die weiteren Probleme,<br />

die dem Dorf zu schaffen machen.<br />

«Wir haben keinen Strom, wir haben keine<br />

brauchbare Strasse, die Schule im Dorf<br />

dauert nur bis zur sechsten Klasse, und wir<br />

haben kein Wasser, mit dem wir in der Trockenzeit<br />

unsere Felder bewässer können»,<br />

sagt Kasim Seid, der Vorsteher des Dorfkomitees.<br />

Für ein Feldbewässerungssystem<br />

gibt die Quelle, aus der das Wasser für den<br />

Dorfbrunnen stammt, zu wenig her. Strassen<br />

und Stromleitungen baut Caritas zwar<br />

Einfahrt eines Caritas-Lastwagens im<br />

Schritttempo. Nur selten gelangt ein Fahrzeug<br />

bis nach Debiti.<br />

keine, dies ist Aufgabe der Regierung (siehe<br />

Kasten Seite 11). Selbstbewusste Dorfkomitees,<br />

die sich für die Anliegen ihrer Bevölkerung<br />

stark machen und diese auch gegenüber<br />

den Behörden formulieren, gehören aber mit<br />

zum Ziel der Projekte in Ostäthiopien. So<br />

wurde die Trinkwasserleitung unter Einbezug<br />

der Bevölkerung geplant. Die Menschen<br />

haben intensiv mitgearbeitet und verwalten<br />

das System nun selbst. «Wir vom Wasserkomitee<br />

treffen uns alle 14 Tage und ent-<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 13


Reportage: Trinkwasser in Äthiopien<br />

scheiden, ob Diesel, Öl für die Pumpe oder<br />

Ersatzmaterialien gekauft werden müssen.<br />

Die Kosten decken wir mit dem Beitrag, den<br />

alle beim Bezug von Wasser bezahlen», erklärt<br />

Kasim Seid. Ein 20-Liter-Kanister, die<br />

hier üblicherweise zum Einsatz kommen und<br />

auch schon von Mädchen geschleppt werden,<br />

kostet einen halben Birr, was 2,5 Rappen<br />

entspricht.<br />

Kulturelle Vielfalt<br />

Im Wasserkomitee wird wie im ganzen Dorf<br />

in zwei Sprachen debattiert: Oromifa und<br />

Amharisch. Auch wenn die Sprachen komplett<br />

verschiedene Wurzeln haben, ist die<br />

Verständigung problemlos. Im Dorf wird<br />

Vielfalt gelebt, auch hinsichtlich der Religion:<br />

«Muslime, Katholiken und orthodoxe<br />

Christen leben friedlich zusammen. Wir<br />

sind sehr dankbar, dass diese Wasserleitung<br />

allen Menschen zugutekommt und kein Unterschied<br />

nach Herkunft oder Glauben gemacht<br />

wird. Das stärkt den Zusammenhalt<br />

und die Solidarität im Dorf», sagt Father Betemaryam<br />

Haile, der Priester der orthodoxen<br />

Kirche im Dorf. «Wasser geht über alles.<br />

Früher kamen die Menschen verzweifelt zu<br />

mir. Sie glaubten, ihre Krankheiten seien ein<br />

Werk des Teufels, und wollten sich segnen<br />

lassen. Heute verstehen sie, wie krank sie<br />

das schlechte Wasser machte. Seit wir die<br />

Wasserleitung haben, sind die Krankheiten<br />

ausgelöst durch verschmutztes Trinkwasser<br />

aus unserem Dorf verschwunden.»<br />

Achtung, Kamera läuft<br />

Die Aufnahmen für den TV-Spot sorgen für<br />

Abwechslung im Dorf. Vor dem Schulhaus<br />

bildet sich eine Traube aus neugierigen, kichernden<br />

Kindern und interessierten Erwachsenen.<br />

Sie verfolgen mit, wie Amelmal<br />

vor einer ins Freie umplatzierten Wandtafel<br />

unermüdlich posiert und ihre Augen gemäss<br />

Drehbuch nach rechts, oben oder unten bewegt.<br />

Als es zu nieseln beginnt, bringt ein<br />

Mann aus dem benachbarten Haus sofort<br />

einen Regenschirm herbei, damit die Kamera<br />

geschützt werden kann. Von nun an<br />

begleiten uns immer eine Handvoll Kinder,<br />

die barfuss über Steine und durch den<br />

Nach getaner Schwerarbeit: Abendstimmung<br />

in Debiti.<br />

Matsch hüpfen und über die ungelenken Besucher<br />

mit ihren schweren Schuhen lachen.<br />

«Habt Ihr eigentlich noch nie Männer und<br />

Frauen gesehen, dass ihr diesen Leuten die<br />

ganze Zeit nachlauft», ruft eine Frau scherzhaft.<br />

«Doch», gibt ein Mädchen schlagfertig<br />

zurück, «aber das hier sind keine Menschen».<br />

Dass für Unbekanntes die Begriffe<br />

fehlen, ist nicht erstaunlich. Amelmal und<br />

ihre Schwestern zum Beispiel haben das<br />

Dorf noch nie verlassen.<br />

Vom Arzt versetzt<br />

Was die Abgeschiedenheit für schwerwiegende<br />

Folgen haben kann, zeigt uns die Begegnung<br />

mit der 15-jährigen Workuw, einer<br />

Freundin von Amelmals grosser Schwester.<br />

Ihr rechtes Auge tritt aus der Höhle hervor<br />

und ist überdimensioniert. «Zweimal<br />

schon hatten wir einen Arzttermin in Asebe<br />

Teferi», erzählt sie. Beide Male war die be-<br />

14 Caritas «Menschen» 4/13


Das Mädchen vor der Wandtafel<br />

In den letzten Wochen war der neue<br />

Spot der Caritas <strong>Schweiz</strong> im Fernsehen<br />

und auf öffentlichen Bildschirmen zu<br />

sehen. Ein äthiopisches Mädchen steht<br />

vor einer Wandtafel. Mit Kreide wird<br />

darauf spielerisch gezeigt, wie die zehnjährige<br />

Amelmal vom neuen Trinkwassersystem<br />

im Dorf in verschiedenster<br />

Hinsicht profitiert.<br />

schwerliche Tagesreise umsonst: Der Arzt<br />

erschien gar nicht erst zum Termin. Für<br />

weitere Abklärungen fehlt der Familie das<br />

Geld. Und bis das im Bau begriffene Gesundheitszentrum<br />

im Dorf eröffnet wird,<br />

kann es noch Jahre dauern. «Viele Leute<br />

haben schwere Gesundheitsprobleme, aber<br />

sie haben kein Geld für eine Behandlung»,<br />

bestätigt Father Temesgen, der katholische<br />

Pfarrer im Dorf.<br />

In der Nacht vor unserer Abreise zieht<br />

ein Gewitter über Debiti. Bei diesem Wolkenbruch<br />

mit anfänglichem Hagelschlag ist<br />

unter einem Wellblechdach ans Schlafen<br />

Der Spot beruht auf der konkreten Entwicklung,<br />

die Amelmals Dorf Debiti im Osten Äthiopiens<br />

in den letzten Monaten erlebte. Hier zeigt<br />

sich exemplarisch, wie ein konkretes Projekt in<br />

einem Dorf einen Entwicklungsimpuls auf vielen<br />

Ebenen auslösen kann und den Menschen<br />

eine verbesserte Zukunft eröffnet.<br />

Auch heute noch haben fast die Hälfte<br />

aller Menschen im ländlichen Äthiopien keinen<br />

Zugang zu sauberem Trinkwasser. Aus diesem<br />

Grund ist der Ausbau der Wasserversorgung<br />

eines der zentralen Anliegen der Caritas<br />

<strong>Schweiz</strong> bei ihrem Engagement in Äthiopien. In<br />

den letzten drei Jahren haben auf diese Weise<br />

rund 180 000 Menschen in Nord- und Ostäthiopien<br />

Zugang zu Wasser erhalten. Diese Hilfe<br />

läuft weiter, da nach wie vor viele Dörfer noch<br />

in der gleichen prekären Situation sind wie Debiti<br />

vor dem Bau der neuen Wasserleitung. Ab<br />

2014 wird auch im Süden des Landes ein Wasserversorgungsprojekt<br />

gestartet.<br />

Zu jedem Wasserprojekt gehört auch die<br />

Hygieneschulung. Beim Bau von neuen Wassersystemen<br />

wird die Bevölkerung in Hygieneverhalten<br />

unterrichtet, die Kinder erhalten<br />

eine spielerische und kindergerechte Einführung<br />

in den Schulen. Oft sind es gerade die<br />

Kinder, die ihre Eltern zuhause dazu anhalten,<br />

hygienisches Verhalten einzuführen. Insgesamt<br />

haben in Äthiopien in den letzten drei Jahren<br />

über 16 000 Erwachsene und Kinder an Hygienetrainings<br />

der Caritas teilgenommen. Ebenso<br />

ist der Bau von einfachen Latrinen, welche die<br />

Bevölkerung selber errichten, integrierter Bestandteil<br />

jedes Projektes.<br />

Im weiteren engagiert sich Caritas <strong>Schweiz</strong><br />

dafür, dass mehr Kinder in den ländlichen<br />

Regio nen zur Schule gehen können. Im Norden<br />

und Osten des Landes unterstützt sie 26<br />

nicht zu denken. Dass Regen nicht nur ein<br />

Segen ist, sondern auch zerstörerische Kraft<br />

haben kann, wird dabei klar. Am Morgen<br />

zeigt sich, dass keine Schäden auf den Feldern<br />

entstanden sind. Die Rückfahrt schaffen<br />

wir nur dank Mithilfe des halben Dorfes<br />

und einem Fahrer, der die Rutschpartien auf<br />

dem seifigen Matsch wie ein Skifahrer meistert.<br />

«Super» ruft er, als wir die Teerstrasse<br />

erreichen, und nimmt uns so auf die Schippe<br />

für unsere erleichterten Ausrufe nach jeder<br />

heiklen Passage. Und wir wissen nun: Wer<br />

Debiti besuchen will, wird nicht nur durchgeschüttelt,<br />

sondern braucht viel Glück, um<br />

Schulen für 6750 Kinder.<br />

Zudem reagiert Caritas <strong>Schweiz</strong>, wenn der<br />

Regen zu gering ausfällt oder gar ausbleibt, wie<br />

das immer häufiger der Fall ist. Nach der verheerenden<br />

Dürre im Jahr 2011 erhielten rund<br />

35 000 Personen humanitäre Hilfe.<br />

Web-Infos<br />

• TV-Spot der Caritas <strong>Schweiz</strong><br />

• Videostatements aus Debiti<br />

• Was Kinder aus Debiti über die<br />

<strong>Schweiz</strong> denken<br />

• Beispiele, was Ihre Spende bewirkt<br />

■ www.caritas.ch/wasser-fuer-debiti<br />

heil zu bleiben. Glück, das die Menschen im<br />

Dorf ganz besonders brauchen, weil diese<br />

Holperpiste für sie kein einmaliges Abenteuer,<br />

sondern die Lebensader ist. <<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 15


Ohne Worte<br />

Syrische Kinder sitzen auf einer Schulbank in Aleppo – 1. Januar 2013<br />

Trotz langjähriger Berufserfahrung habe<br />

er erst mit Beginn der syrischen Revolution<br />

2012 eine echte Aufgabe erhalten, sagt<br />

Muzaffar Salman. Der Syrer absolvierte ein<br />

Fotografie-Diplom in seiner Geburtsstadt<br />

Homs und hat mehrere Preise für sein Werk<br />

gewonnen. Salman hat sich in den letzten<br />

Jahren intensiv mit der humanitären Krise<br />

in seiner Heimat auseinandergesetzt und die<br />

Bilder gingen um die Welt. Muzaffar Salman (37)<br />

16 Caritas «Menschen» 4/13<br />

Bild: Muzaffar Salman/Thomson Reuters; Porträtbild: zVg


Brennpunkt: Europa<br />

Diskriminierung der Roma<br />

Die negativen Schlagzeilen zu Übergriffen<br />

auf Roma reissen nicht ab.<br />

Internationale Bemühungen für eine<br />

bessere Integration der Minderheit<br />

konnten bislang kaum etwas bewirken.<br />

Caritas setzt den Fokus auf Wohnen<br />

und Bildung.<br />

Die Roma-Morde in Ungarn vor vier Jahren<br />

sind noch vielen im Gedächtnis, die Verurteilung<br />

der Mörder fand diesen Sommer<br />

statt. Auch im 2013 kam es zu verschiedenen<br />

Übergriffen auf die Minderheit, so in<br />

Tschechien, Österreich, Ungarn und der<br />

Slowakei. Pöbeleien, Gewalt, Protestmärsche<br />

und Schikanen sollen die Roma zum<br />

Gehen bewegen. Sie dienen aber ebenso als<br />

Ventil für den Frust über eigenes «Unvermögen»<br />

und die Unzulänglichkeiten des Staates.<br />

Der Boden, auf dem Rassismus gedeiht,<br />

ist oftmals durchsetzt von Arbeitslosigkeit<br />

und Armut. Gegebenheiten, die heute in vielen<br />

Ländern Europas anzutreffen sind.<br />

Fehlende Ausbildung<br />

Roma sind faul, unzuverlässig und schicken<br />

ihre Kinder zum Betteln: So lauten die Vorurteile.<br />

Tatsache ist, dass die meisten Roma<br />

heute arbeitslos sind, weil sie weder einen<br />

Schulabschluss noch eine Berufsausbildung<br />

nachweisen können. Dies auch, weil ihnen<br />

ihr schlechter Ruf vorauseilt: Roma-Sein ist<br />

Die Armutsspirale reisst die Kinder mit.<br />

ein Stigma, das die Arbeitssuche praktisch<br />

unmöglich macht. Ohne Arbeit kein Geld,<br />

ohne Geld kein vernünftiges Leben. Die Armutsspirale<br />

reisst die Kinder mit, die statt in<br />

die Schule zu gehen, mit Abfallsammeln und<br />

Betteln zum Familieneinkommen beitragen.<br />

Anders zu kommunistischen Zeiten:<br />

Durch Assimilationsprojekte in vielen ost-<br />

europäischen Ländern waren die Roma damals<br />

in den Arbeitsmarkt integriert, die Kinder<br />

besuchten die Schule. Viele von ihnen<br />

schafften den Aufstieg in die Mittelklasse.<br />

Nach der Wende 1990 verschlechterte sich<br />

die Situation entscheidend. Daran konnte<br />

auch die Roma-Dekade 2005–2015 bislang<br />

nichts ändern, in der sich 12 Staaten verpflichteten,<br />

umfassende Massnahmen zur<br />

Integration und Beseitigung von Diskriminierung<br />

der Roma zu ergreifen. Im Gegenteil:<br />

Eine Zwischenbilanz von 2011 zeigt,<br />

dass sich die Lebensumstände für die Roma<br />

seit 2005 weiter verschlechtert haben. (use)<br />

Projektinformationen und Hintergründe auf<br />

■ www.caritas.ch/roma<br />

Roma-Sein ist ein Stigma, das die Arbeitssuche<br />

praktisch unmöglich macht.<br />

Roma-Projekte bei Caritas<br />

– Caritas legt zur Unterstützung der Roma<br />

den Fokus auf Bildung und Wohnen.<br />

– Mit einem Projekt in Bosnien konnte die<br />

Einschulungsquote von Roma-Kindern in<br />

sechs Schulen von 30 auf 70 Prozent erhöht<br />

werden. Jugendliche Roma werden<br />

bei der Berufsausbildung unterstützt.<br />

– Im Kosovo erhalten 130 Roma-Familien<br />

neue Häuser und damit erstmals eine menschenwürdige<br />

Unterkunft. Die Kinder werden<br />

in Kindergärten und Schulen integriert.<br />

– Neu startete im Herbst ein Projekt in<br />

Rumänien: Drei Tageszentren sollen<br />

Roma-Kinder ab Kindergartenalter bis zur<br />

Berufsschule begleiten und unterstützen.<br />

Bild: Andreas Schwaiger<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 17


<strong>Schweiz</strong><br />

Mehr als ein Dach über dem Kopf<br />

Gerade für sozial schwache Personen<br />

wird es immer schwieriger, eine<br />

Wohnung zu finden. Eine aktive Wohnpolitik<br />

zugunsten dieser Menschen<br />

muss darum Teil der Sozialpolitik sein.<br />

Wohnen ist existenziell. Sichere und angemessene<br />

Wohnverhältnisse sind Voraussetzung<br />

für Gesundheit, eine gelingende Integration<br />

im Alltag, soziale Kontakte und<br />

gesellschaftliche Teilhabe. Doch der Wohnraum<br />

in der <strong>Schweiz</strong> wird knapp und damit<br />

teurer: Die Leerwohnungsziffer in der<br />

<strong>Schweiz</strong> beträgt laut Bundesamt für Statistik<br />

gerade einmal 0,94 Prozent.<br />

Die Zuzüger- und Wegzügerstatistik der<br />

Stadt Zürich zeigt deutlich auf, dass bezahlbarer<br />

Wohnraum jedes Jahr knapper wird,<br />

sodass immer mehr Menschen aus der Stadt<br />

verdrängt werden. 2012 suchten 48 Prozent<br />

der Wegziehenden in der Stadt Zürich nach<br />

einer Wohnung, wurden jedoch nicht fündig.<br />

Als Grund nannten 77 Prozent von<br />

ihnen, dass sie keine bezahlbare Wohnung<br />

fanden. Zum Vergleich: 2009 war dies bei<br />

65 Prozent der Fall. Und das Problem beschränkt<br />

sich nicht mehr auf den Grossraum<br />

Genf und Zürich.<br />

Mehr Ausgaben fürs Wohnen<br />

Das Bundesamt für Wohnungswesen konstatiert,<br />

dass wirtschaftlich Schwächere zunehmend<br />

mehr für ihr Wohnen ausgeben:<br />

Die Haushalte mit Mietbelastungen zwischen<br />

25 und 35 Prozent haben insgesamt<br />

zugenommen. Dies bedeutet für Haushalte<br />

mit tiefem Einkommen ein grösseres Armutsrisiko<br />

(siehe Artikel rechts).<br />

Sich informieren und mitreden<br />

– Sozialalmanach 2014. Schwerpunkt:<br />

Unter einem Dach. Das Caritas-Jahrbuch<br />

zur sozialen Lage in der <strong>Schweiz</strong>. Trends,<br />

Analysen, Zahlen. Caritas-Verlag, Luzern<br />

2014, ISBN: 978-3-85592-131-7,<br />

34 Franken. (Neuerscheinung, siehe<br />

Bestelltalon auf dem Umschlag)<br />

– Caritas-Forum zum Thema Wohnen am<br />

Freitag, 24. Januar in Bern.<br />

Anmeldung und Detailprogramm:<br />

www.caritas.ch/forum/d<br />

Aus der Sicht von Caritas <strong>Schweiz</strong> ist es<br />

deswegen zwingend, Wohnpolitik als Teil<br />

der Sozialpolitik und der Armutsprävention<br />

zu gestalten. Es kann nicht sein, dass vor<br />

allem in Wohnraum investiert wird, der eine<br />

hohe Rendite abwirft und eine vermögendere<br />

Kundschaft anspricht. Konkret empfiehlt<br />

Caritas <strong>Schweiz</strong> unter anderem eine<br />

aktive Boden- und Raumpolitik von Bund,<br />

Kantonen und Gemeinden für erschwingliche<br />

Wohnungen, steuerpolitische Förderung<br />

für Bauinvestitionen im mittleren und<br />

unteren Preissegment sowie sozialpolitische<br />

Massnahmen für gemeinnützigen Wohnbau<br />

und Stadt- und Quartierentwicklung. (imy)<br />

<br />

Wohnen ist existenziell, doch der Wohnraum in<br />

der <strong>Schweiz</strong> wird knapp und teuer.<br />

18 Caritas «Menschen» 4/13<br />

Bild: Ezio Gutzemberg/Fotolia.com


<strong>Schweiz</strong><br />

Zu sechst in drei Zimmern<br />

Wohnen ist bei den Caritas-Beratungsstellen<br />

ein Dauerthema. Gerade Familien<br />

mit knappem Budget setzen sich<br />

einem Armutsrisiko aus, um zu einem<br />

Dach über dem Kopf zu kommen.<br />

Safije Ahmed seufzt. «Es ist ein grosses Problem,<br />

jawohl.» Seit sechs Jahren sucht die<br />

50-Jährige zusammen mit ihrem Mann eine<br />

grössere Wohnung – vergeblich. So leben<br />

Safija und Yasye Ahmed, eingebürgerte<br />

<strong>Schweiz</strong>er, mit ihren vier Kindern zwischen<br />

12 und 20 Jahren in einer Dreizimmer-Wohnung.<br />

Kein Makel, nur nicht reich<br />

Eigentlich müssten sie längst eine Wohnung<br />

gefunden haben: Beide arbeiten und<br />

sind nicht auf Sozialhilfe angewiesen. Beide<br />

sind eingebürgert, sprechen Deutsch. Haben<br />

keine Probleme mit den Nachbarn. Sind integriert.<br />

Werden nicht betrieben. Bloss wollen<br />

sie nicht mehr als 1800 Franken für eine<br />

grössere Wohnung ausgeben müssen. Denn<br />

zusammen verdienen sie 5800 Franken im<br />

Monat; eine teurere Wohnung können sie<br />

sich nicht leisten. Safije Ahmed sagt: «Wir<br />

geben die Hoffnung nicht auf.»<br />

Von einer nahezu aussichtslosen Suche<br />

nach einer günstigen Wohnung kann auch<br />

die alleinerziehende Mutter Rita S. ein Lied<br />

singen. Sie muss aus ihrer knapp bezahlbaren<br />

Wohnung ausziehen, weil der Wohnblock<br />

verkauft und saniert wird – obwohl<br />

sie noch keine neue Wohnung hat.<br />

Wohnen ist im Beratungsalltag der<br />

Caritas ein Dauerthema. Die Regionalen<br />

Caritas-Organisationen vermelden immer<br />

grössere Schwierigkeiten, geeignete und<br />

bezahlbare Wohnungen für benachteiligte<br />

Menschen zu finden. «Es war nie einfach,<br />

eine Wohnung zu erhalten, wenn man Geldprobleme<br />

hat, und seien sie auch nur vorübergehender<br />

Natur», sagt Petra Del Curto,<br />

Geschäftsleiterin der Caritas Fribourg: «Wir<br />

stellen jetzt aber fest, dass die Anzahl von<br />

Personen, die von dieser Problematik betroffen<br />

sind und unsere Hilfe und Beratung<br />

in Anspruch nehmen, im Steigen begriffen<br />

ist – und das beunruhigt uns.»<br />

Mehr als ein Drittel des Budgets<br />

Gerade in der Schuldenberatung der Caritas<br />

zeigt sich das Ausmass des Problems:<br />

Die Mieten der Klientinnen und Klienten<br />

der Schuldenberatung der Caritas sollten<br />

nicht mehr als einen Drittel des Budgets ausmachen.<br />

Eine interne Auswertung der Budgets<br />

von Klienten und Klientinnen der Caritas<br />

Zürich zeigt aber, dass 67 Prozent diese<br />

Grenze teils massiv überschreiten. Das hat<br />

Folgen: Denn um Wohnraum zu finanzieren,<br />

schränken sich die Betroffenen in anderen<br />

Lebensbereichen massiv ein oder werden<br />

gar von Sozialhilfe abhängig. (imy)<br />

Bild: Für kinderreiche Familien mit knappem<br />

Budget ist es immer schwieriger, eine Wohnung<br />

zu finden.<br />

Bild: Andreas Schwaiger<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 19


Welt: Jordanien/Syrien<br />

Solidarität ohne Grenzen<br />

Seit Beginn der Krise sind über 500 000<br />

Syrer nach Jordanien geflüchtet.<br />

Das Grenzgebiet um Al Ramtha etwa<br />

zählt heute mehr syrische als jordanische<br />

Bewohner. Eine harte Probe für<br />

die Toleranz der Jordanier – und<br />

dennoch ist die Solidarität grenzenlos,<br />

wie das Beispiel von Ayoub zeigt.<br />

Fünf Kilometer von der syrischen Grenze liegt<br />

das Dorf Buwayda. Hier lebt der jordanische<br />

Lastwagenchauffeur Ayoub mit seiner Familie<br />

in einem bescheidenen Heim, in dem er bereits<br />

drei syrische Familien und bis zu 30 Personen<br />

aufgenommen hat.<br />

Abu Rashid*, seine Frau und ihre Kinder<br />

wohnen seit über einem Jahr bei Ayoub.<br />

Als in ihrer syrischen Heimat Busra der Krieg<br />

ausbrach, wurde ihr Haus niedergebrannt.<br />

Sie verloren alles. Abu Rashid wurde brutal<br />

gefoltert, ein Sohn und Schwiegersohn<br />

kamen ums Leben. Ihnen blieb nur noch die<br />

Flucht.<br />

Für Ayoub ist es selbstverständlich,<br />

dass er die Familie aufnahm: «Sie haben<br />

kleine Kinder, wo sollen sie hin? Die Miete<br />

*Name geändert<br />

ist überall sehr teuer und es gibt keine Arbeit.<br />

Hier im Grenzgebiet sind wir wie eine<br />

Familie.» Abu Rashid und Ayoub sind in<br />

der Tat über viele Generationen hinaus verwandt,<br />

aber erst der Krieg hat sie zusammengebracht.<br />

Unendlich dankbar<br />

Es gibt nur noch wenige jordanische Gastfamilien,<br />

aber geholfen wird trotzdem. So spendeten<br />

die Bewohner von Buwayda einen Beitrag,<br />

damit Abu Rashids Tochter das Flüchtlingslager<br />

Za’atari offiziell verlassen durfte.<br />

Die syrische Familie ist Ayoub, Buwayda und<br />

Jordanien unendlich dankbar, aber trotzdem<br />

leiden sie darunter, jemandem zur Last fallen<br />

zu müssen.<br />

Die syrische Familie erhält monatlich<br />

einen Gutschein für Nahrungsmittel. Sie<br />

geben jeweils einen Teil der Esswaren einem<br />

jordanischen Fahrer, der sie über die Grenze<br />

Hilfe auch für Jordanier<br />

In Jordanien leistet Caritas Nothilfe für<br />

syrische Flüchtlinge ausserhalb der Lager.<br />

Caritas unterstützt auch bedürftige jordanische<br />

Familien und versucht so, die Solidarität<br />

der Jordanier am Leben zu erhalten.<br />

zu ihrem Bruder bringt. Dieser haust seit<br />

drei Monaten ohne Papiere in einem Zelt<br />

und wartet darauf, die Grenze illegal überqueren<br />

zu können.<br />

Ayoub findet diese Hilfe wichtig. Doch<br />

er befürchtet: «Jordanien wird die Grenzen<br />

schliessen, weil es einfach zu viel wird. Die<br />

ärmsten jordanischen Familien leiden am<br />

stärksten unter den Folgen und den hohen<br />

Preisen. Auch sie brauchen Unterstützung.»<br />

Beatrice Winkler<br />

■ www.caritas.ch/syrien<br />

Bilder: Zwei Familien unter einem Dach: Ayoub<br />

(links) und seine Gäste.<br />

20 Caritas «Menschen» 4/13<br />

Bilder: Beatrice Winkler


Welt: Brasilien<br />

Welt: Pakistan<br />

Schule für Schwerhörige<br />

In Brasilien gehen gehörlose Kinder<br />

meist nicht zur Schule, da sie<br />

dem Unterricht nicht folgen können.<br />

Im Schulzentrum CREFAS wiederholen<br />

sie die Lektionen in der Gebärdensprache.<br />

«Gehörlose Kinder werden in Brasilien oft<br />

von der Gesellschaft ausgeschlossen und<br />

manchmal sogar von der eigenen Familie.<br />

Deshalb ist ihre Entwicklung verzögert», erklärt<br />

Juliana Gouveia Barbosa, die Koordinatorin<br />

von CREFAS (Centro de Referência<br />

e Formação da Criança e Adolescente<br />

Surdos).<br />

Im Schulzentrum CREFAS werden die<br />

Kinder und Jugendlichen von einem Psychologen<br />

und sieben Lehrerinnen und Lehrern<br />

begleitet, die alle die Gebärdensprache sprechen.<br />

Zuerst lernen die Kinder die Gebärdensprache.<br />

Mittels sportlichen Aktivitäten<br />

wie Fussball und Capoeira üben sie den sozialen<br />

Umgang.<br />

Um ihre Integration zu fördern, werden<br />

die schwerhörigen Kinder in die öffentliche<br />

Schule geschickt, die in Brasilien nur<br />

halbtags stattfindet. Am freien Halbtag wiederholen<br />

die Lehrerinnen und Lehrer von<br />

CREFAS die Lektionen auf spielerische Art<br />

und Weise in der Gebärdensprache. Unterrichtet<br />

werden Portugiesisch, Mathematik,<br />

Geografie, Geschichte und Biologie.<br />

CREFAS wurde im Oktober 2005 in<br />

Nazaré da Mata gegründet, im Bundesstaat<br />

Pernambuco im Nordosten des Landes,<br />

einer der ärmsten Gegenden Brasiliens.<br />

Das Zentrum wird von Caritas <strong>Schweiz</strong> und<br />

der Gehörlosenseelsorge der Kantone Aargau<br />

und Zürich unterstützt. (kr)<br />

■ www.caritas.ch/menschenrechte/brasilien<br />

Bild: Spielerisches Lernen und sportliche<br />

Aktivitäten bringen die Kinder weiter.<br />

Pakistan:<br />

Drei Jahre<br />

nach der Flut<br />

Starke Monsunregen führten im Sommer<br />

2010 zu grossflächigen Überschwemmungen<br />

in ganz Pakistan. Rund 2000 Menschen<br />

verloren dabei ihr Leben, Millionen Häuser<br />

wurden beschädigt, Schulen, Brücken,<br />

ja ganze Infrastrukturen und Lebensexistenzen<br />

zerstört. Allein in der südlichen Provinz<br />

Punjab vernichteten die Wassermassen<br />

570 000 Hektar fruchtbares Ackerland.<br />

Zusammen mit Partnern leistete Caritas<br />

<strong>Schweiz</strong> Nothilfe. Sie erstellte Unterkünfte<br />

und verteilte Nahrungsmittel, Hygieneartikel,<br />

Haushaltsutensilien und Decken. Im<br />

Wiederaufbau lag und liegt immer noch der<br />

Fokus auf Bildung und Wasser: 36 Schulen<br />

wurden gebaut, Bewässerungsanlagen, Wassermühlen,<br />

Wasserkraftwerke, Handpumpen<br />

und Leitungen repariert. Für eine bessere<br />

Hygiene sorgen neue Latrinen und Sensibilisierungskampagnen.<br />

Doch noch lange werden die Menschen<br />

die Folgen der Katastrophe spüren. Erschwert<br />

wird die Situation durch die klimatischen<br />

Bedingungen. Erst im vergangenen<br />

Sommer kämpfte das Land mit erneuten<br />

Überschwemmungen. Caritas <strong>Schweiz</strong><br />

bleibt vor Ort. (use)<br />

Bild: Caritas reparierte in Pakistan Handpumpen<br />

und Leitungen.<br />

Bilder: Luca Zanetti, Peter Zihlmann<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 21


_Forum 2014<br />

Wohnen<br />

Die sozialpolitische Tagung der Caritas<br />

Freitag, 24. Januar 2014<br />

9.30–15.30 Uhr, Kultur-Casino, Bern<br />

Kosten (inklusive Mittagessen):<br />

Fr. 220.–, bei Anmeldung bis zum 19.12. 2013<br />

Fr. 250.–, Solidaritätstarif und ab dem 20.12. 2013<br />

Fr. 100.–, mit Legi und KulturLegi<br />

Anmeldung und Detailprogramm:<br />

www.caritas.ch/forum/d<br />

Bild: © Ezio Gutzemberg – Fotolia.com<br />

«Ohne den gesellschaftlichen<br />

Zusammenhalt kann es keinen<br />

sozialen Frieden und keine<br />

politische Stabilität geben.»<br />

Der Sozialalmanach 2014 widmet sich der schweizerischen<br />

Wohnpolitik. Er zeigt auf, dass Wohnpolitik zur Armutsbekämpfung<br />

beitragen muss.<br />

Sozialalmanach 2014. Das Caritas-Jahrbuch zur sozialen Lage der <strong>Schweiz</strong>.<br />

Schwerpunkt: Unter einem Dach, 264 Seiten, 34 Franken, Bestellnummer: 020 169<br />

Schwerpunkt :<br />

2014<br />

Sozialalmanach<br />

Unter einem Dach<br />

Das Caritas-Jahrbuch<br />

zur sozialen Lage der <strong>Schweiz</strong><br />

Trends, Analysen, Zahlen<br />

Bestellen Sie mit dem Bestelltalon auf dem Umschlag<br />

des Magazins oder auf www.caritas.ch; info@caritas.ch<br />

22 Caritas «Menschen» 4/13


Ein Blick ins Leben von<br />

Protais Hakizimana,<br />

Ruanda<br />

Protais Hakizimana (56) lebt mit seiner<br />

Frau und den vier Kindern in einem eigenen<br />

Haus in der ruandischen Hauptstadt<br />

Kigali. Hakizimana studierte an der National<br />

University of Rwanda Geisteswissenschaften<br />

mit Schwerpunkt Linguistik und<br />

war während zehn Jahren für die Regierung<br />

als Beauftragter für Jugend und Kooperativen<br />

tätig. 1994 verlor er diese Stelle<br />

infolge des Genozids und des anschliessenden<br />

Machtwechsels und entschied sich für<br />

eine berufliche Weiterentwicklung. Er absolvierte<br />

ein berufsbegleitendes Studium<br />

für die Beratung von landwirtschaftlichen<br />

Organisationen. Heute ist Protais Hakizimana<br />

selbständiger Berater für nationale<br />

und internationale Entwicklungsorganisationen,<br />

die in Ruanda tätig sind. Daneben<br />

engagiert er sich als Vorstandsmitglied<br />

von Noyau de Paix – Isoko ry’Amahoro,<br />

einer lokalen Friedensorganisation, die mit<br />

Caritas <strong>Schweiz</strong> zusammenarbeitet.<br />

Das Interview führte Kathrin Wyss.<br />

Wie sieht Ihr Alltag aus?<br />

Ich miete ein kleines Büro im Zentrum der<br />

Stadt, im Minibus etwa eine halbe Stunde<br />

von meinem Zuhause entfernt. Dort verbringe<br />

ich unter der Woche am meisten Zeit,<br />

wenn ich nicht unterwegs «im Feld» bin.<br />

Meine Arbeit gefällt mir, sie ermöglicht mir<br />

meine Familie zu ernähren und mich intensiv<br />

mit der Aussenwelt zu beschäftigen. Normalerweise<br />

arbeite ich von 9–17 Uhr. Am<br />

Abend schaue ich gerne Fernsehen, vor allem<br />

Sport, manchmal treffe ich mich mit Nachbarn<br />

auf ein Gespräch in einem der kleinen<br />

Geschäfte im Quartier oder auf unserer Veranda,<br />

die man hier Barza nennt. An den Wochenenden<br />

gehen wir in die Kirche und besuchen<br />

anschliessend Verwandte oder Freunde.<br />

Was essen Sie gern?<br />

Wir essen nie ausser Haus. Manchmal helfe<br />

ich meiner Frau beim Kochen – am liebsten<br />

sind mir grüne Bohnen, Fleisch, Pommes<br />

Frites oder Bananen – unsere üblichen Speisen<br />

hier in Ruanda. Wir haben einen kleinen<br />

Garten, wo wir während der Regenzeit<br />

unser eigenes Gemüse ziehen.<br />

Was verdienen Sie?<br />

Im Durchschnitt verdiene ich 300 000 Ruanda-Francs<br />

(rund 400 <strong>Schweiz</strong>er Franken)<br />

im Monat, je nach Auftragssituation.<br />

Es macht mich glücklich und zufrieden, mit<br />

diesem Geld meine Familie ernähren und<br />

meinen Kindern eine Ausbildung ermöglichen<br />

zu können. Diese sind zwischen 15<br />

und 22 Jahren alt, drei Mädchen und ein<br />

Junge. Die beiden Älteren, Jeanne und Rosine,<br />

besuchen die Universität und studieren<br />

Informatik und Betriebswirtschaft – die eine<br />

in Ruanda, die andere in Indien. Die beiden<br />

Jüngeren gehen in die Sekundarschule,<br />

Christelle sagt, sie wolle einmal Ärztin werden,<br />

Christian spricht von Architektur.<br />

Was schätzen Sie an Ihrer Heimat?<br />

Ruanda hat eine lange Tradition der Solidarität.<br />

Diese zeigt sich etwa beim Dienst<br />

für die Allgemeinheit, genannt Umuganda,<br />

wo wir jeden letzten Samstag des Monats<br />

auf Geheiss der Regierung teilnehmen müssen.<br />

All jene, die an diesem Tag nicht beruflich<br />

eingespannt sind, haben die Pflicht, sich<br />

an Aufräumarbeiten zu beteiligen oder zum<br />

Beispiel Bäume zu pflanzen.<br />

Womit kämpft Ihr Land besonders?<br />

Die Herausforderungen in Rwanda sind<br />

gross, sowohl für die Gesellschaft als auch<br />

das einzelne Individuum. Der Frieden ist<br />

fragil, und die Armut lastet schwer.<br />

Worauf sind Sie besonders stolz?<br />

Ich bin stolz auf mein Engagement für den<br />

Frieden im Land, aber es fällt mir nicht<br />

leicht, den Unterhalt meiner Familie zu sichern.<br />

Das Leben in Kigali ist sehr teuer.<br />

Mein gesamtes Einkommen brauche ich um<br />

die Ausbildung der Kinder zu finanzieren,<br />

meine Frau, die für eine kleine lokale Nichtregierungsorganisation<br />

arbeitet, übernimmt<br />

alle übrigen Kosten.<br />

Ruanda in Zahlen<br />

– Fläche: 26388 km 2<br />

– Einwohner: 11,4 Millionen<br />

(Stand Juni 2011)<br />

– Lebenserwartung: 52,4 Jahre<br />

– Alphabetisierungsrate: 57 Prozent<br />

– Währung: Ruanda-Francs (FRW)<br />

– Ein Kilo Reis: 350 FRW (rund 50 Rappen)<br />

– Ein Kilo grüne Bohnen: 300 FRW<br />

(rund 40 Rappen)<br />

– Ein Brot: 1000 FRW (rund 1,30 Franken)<br />

Bild: Kathrin Wyss<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 23


Werden Sie Teil einer<br />

grossen Bewegung.<br />

Übernehmen Sie eine Patenschaft<br />

Wasser für alle<br />

Wer verschmutztes Wasser trinken muss, wird krank oder stirbt sogar. Wer seine Felder nicht<br />

bewässern kann, muss hungern. Hunderte von Millionen Menschen leiden unter dem Mangel an<br />

lebensnotwendigem Wasser. Helfen Sie mit, dies zu ändern. Mit nur einem Franken pro Tag<br />

tragen Sie dazu bei, gemeinsam das Ziel «Wasser für alle» zu erreichen.<br />

Karte weg? Besuchen Sie uns im Internet auf www.caritas.ch oder rufen Sie uns an<br />

unter 041 419 22 22.


Gastkolumne<br />

Warum Syrien zerfällt<br />

dem Ersten Weltkrieg von aussen verordnete<br />

nationalstaatliche Korsett zeigt noch<br />

immer seine Folgen: Die Vielfalt der Bevölkerungsgruppen,<br />

religiös oder ethnisch, ist<br />

offensichtlich benutzbar zur Durchsetzung<br />

politischer Interessen. Wenn Angst, Neid<br />

und Misstrauen geschürt werden, so ist eine<br />

Herrscher wie Ben Ali und Mubarak, wie Ghaddafi und Assad<br />

waren nicht mehr vonnöten.<br />

Das war ein hoffnungsschwangeres Aufseufzen,<br />

als «der Neue», der Sohn dem<br />

Vater folgte, als die Republik endgültig<br />

«dynastisiert» wurde. Der Zweite derer von<br />

Assad war jung, ein Hoffnungsträger. Für<br />

viele Syrer ebenso wie für die Weltpresse.<br />

Er war so jung, dass man für seine Zulassung<br />

zum Präsidentenamt sogar die Verfassung<br />

ändern «musste»!<br />

Doch irgendwie kam dann alles anders.<br />

Oder doch nicht? Die Hoffnung<br />

wurde durch ein paar Lockerungsmassnahmen<br />

geschürt und – wie üblich, wenn der<br />

schlimmste Druck nachlässt – brach sie sich<br />

Bahn in allerhand «Unruhe»: Dinge wurde<br />

gesagt, die unter dem ersten Assad nicht<br />

gesagt worden wären, neue Gruppierungen<br />

bildeten sich.<br />

Dann, 2001, kam 9/11, und alle mussten<br />

zusammenstehen, um den internationalen<br />

Terror abzuwehren: Israel nutzte<br />

das Argument gegen die Palästinenser; in<br />

Ägypten bediente sich Mubarak seiner für<br />

die Repression, und anderswo, eben auch in<br />

Syrien, machte man es gern ebenso.<br />

Doch irgendwie änderten sich die Verhältnisse:<br />

Al-Qaida hörte auf, eine straff<br />

zentralisierte Organisation zu sein, und<br />

so waren diese Herrscher wie Ben Ali und<br />

Mubarak, wie Ghaddafi und Assad eigentlich<br />

nicht mehr vonnöten – auch nicht zur<br />

Sicherstellung der strategischen Interessen<br />

in Westasien oder der Ölversorgung aus<br />

arabischen Quellen.<br />

Der sich ausbreitende Volksunmut und<br />

die Reaktion darauf waren unterschiedlich,<br />

denn die Bevölkerungszusammensetzung<br />

und die Herrschaftsstrukturen sind nicht<br />

überall die gleichen. Besonders das nach<br />

Staatenbildung auf der Basis von Gleichheit<br />

und Minoritätenschutz nicht mehr möglich.<br />

Dies gilt auch für Syrien: Während der<br />

Staat nicht nur sein Volk, sondern auch das<br />

Land zerbombt, wird von allen Seiten die<br />

religiöse und/oder ethnische Säuberung<br />

und Einigelung vorangetrieben. Das Alawitengebiet<br />

wird abgegrenzt, die Kurden fliehen,<br />

die Gruppierungen mit Muslimbrüder-<br />

Hartmut Fähndrich ist Übersetzer aus dem<br />

Arabischen ins Deutsche. Er lehrt an der ETH<br />

Zürich und hat die <strong>Schweiz</strong>erische Gesellschaft<br />

Mittlerer Osten und Islamische Kulturen<br />

mitbegründet.<br />

Tendenzen scheinen immer mehr die Oppositionstruppen<br />

zu dominieren, während<br />

sich die Opposition im Ausland verbal aufreibt.<br />

Und der Präsident redet von Wahlen<br />

und neuem Anfang und schmäht die Opposition,<br />

weil sie Waffen trägt. Den friedlichen<br />

Beginn der Proteste hat er vergessen oder<br />

von Anfang an ausgeblendet.<br />

Hartmut Fähndrich<br />

Bild: zVg<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 25


In Kürze<br />

Bundesrat unterstützt den Schutz<br />

von Hausangestellten<br />

Der Bundesrat hat im Sommer die Botschaft<br />

zur Ratifikation des internationalen<br />

Arbeitsübereinkommens für Hausangestellte<br />

verabschiedet. Dies ist laut Caritas<br />

<strong>Schweiz</strong> ein wichtiges politisches Signal zur<br />

Anerkennung der Hausangestellten als Arbeitnehmerinnen.<br />

Die Konvention 189 der<br />

Internationalen Arbeitsorganisation ILO<br />

garantiert Mindestbedingungen wie eine<br />

wöchentliche Mindestruhezeit von 24 Stunden<br />

am Stück, die Vergütung von Überstunden<br />

und die Einhaltung von Mindestlöhnen.<br />

Caritas hatte im Frühling an Regierung und<br />

Parlament appelliert, die ILO-Konvention<br />

189 möglichst bald zu ratifizieren und darauf<br />

verwiesen, dass es auch in der <strong>Schweiz</strong><br />

in punkto Arbeitsbedingungen von Hausangestellten<br />

nicht überall gleich gut stehe.<br />

(dos)<br />

Weitere Informationen: Positionspapier<br />

«Care-Migration braucht faire Rahmenbedingungen»<br />

■ www.caritas.ch/positionspapiere<br />

Ja zu einem beschleunigten und fairen Asylverfahren<br />

Caritas <strong>Schweiz</strong> sagt im Vernehmlassungsverfahren<br />

Ja zur Vorlage 2 des Asylgesetzes.<br />

Besonders begrüsst sie das klare Bekenntnis<br />

des Bundesrates und der Arbeitsgruppe<br />

Bund/Kantone zu einem professionellen,<br />

unentgeltlichen und unabhängigen Rechtsschutz<br />

für die Asylsuchenden. Der aktuelle<br />

Rechtsschutz bleibe weit hinter den Vorgaben<br />

des <strong>Schweiz</strong>erischen Verfassungsrechts<br />

und des internationalen verbindlichen<br />

Rechts zurück, betonte Caritas in<br />

einem Mediencommuniqué Anfang Oktober.<br />

Darum unterstützt Caritas die Anstrengungen<br />

des Bundesrates für einen unentgeltlichen<br />

und unabhängigen Rechtsschutz, den<br />

sie als unentbehrlich für die Verfahrensbeschleunigung<br />

erachtet. Caritas hegt aber<br />

Bedenken hinsichtlich der Umsetzung des<br />

Rechtsschutzes, wie sie im Entwurf vorgesehen<br />

ist. So schwebt dem Bundesrat offenbar<br />

vor, mandatierte Rechtsvertreter sollten<br />

ihr Mandat niederlegen, wenn sie das<br />

Asylgesuch als wenig aussichtsreich einschätzen.<br />

Dies auch gegen den Willen des<br />

Asylsuchenden und im Idealfall schon vor<br />

dem erstinstanzlichen Asylentscheid. Auf<br />

diese Weise verkommt die Rechtsvertretung<br />

jedoch zum verlängerten Arm des<br />

Staates. Solche Mängel müssen laut Caritas<br />

zwingend korrigiert werden, soll die beabsichtigte<br />

Verfahrensbeschleunigung unter<br />

rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gelingen.<br />

(on/dos)<br />

Bild: Caritas erachtet einen unentgeltlichen und<br />

unabhängigen Rechtsschutz als unentbehrlich.<br />

Im Alter das Richtige tun<br />

Caritas baut ihr Angebot rund um die<br />

«letzte Lebensphase» aus. Neben Palliative<br />

Care, Betreuung zuhause und Weiterbildungen<br />

für Pflegeheime bietet Caritas<br />

seit Herbst die Vorsorge-Mappe «Im Alter<br />

das Richtige tun» an. Enthalten sind die<br />

Patientenverfügung, ein Vorsorgeauftrag,<br />

ein Dokument, das die letzten Dinge festhält<br />

und regelt sowie ein Testamentsratgeber.<br />

Diese Dokumente enthalten Wünsche<br />

bezüglich medizinischer Massnahmen und<br />

zur Bestattung, die Festlegung einer Vertretung<br />

in Personen-, Vermögens- und Rechtsfragen<br />

sowie einen Leitfaden zur Erstellung<br />

des Testaments. Die Vorsorge-Mappe kostet<br />

28 Franken, alle Dokumente sind aber auch<br />

einzeln erhältlich. (dos)<br />

Kontakt: Valeska Beutel, Tel. 041 419 22 30,<br />

E-Mail: vbeutel@caritas.ch<br />

■ www.caritas.ch/vorsorge<br />

26 Caritas «Menschen» 4/13<br />

Bild: Pia Zanetti


Solidarität vor Weihnachten<br />

KulturLegi baut aus<br />

Seit 10 Jahren ermöglicht die KulturLegi<br />

der Caritas sozial benachteiligten Menschen<br />

den Zugang zu Kultur, Sport und<br />

Bildung. Nun hat die Legi ausgebaut: Seit<br />

Herbst sind die Regionen Solothurn, Basel-<br />

Stadt und Basel-Land dabei. Damit ist das<br />

Angebot fast flächendeckend in der ganzen<br />

<strong>Schweiz</strong> vorhanden.<br />

Mit einer entsprechenden Berechtigungskarte<br />

erhalten Armutsbetroffene zwischen<br />

30 und 70 Prozent Rabatt auf Zeitschriften<br />

und Eintritte in Museen, Kinos, Schwimmbäder,<br />

Konzerte und anderes. Die Migros<br />

Klubschule gewährt 50 Prozent auf all ihre<br />

Kurse, und die Reka bietet eine Ferienwoche<br />

an zum Solidaritätspreis von 100 Franken.<br />

Die KulturLegi ermöglicht die Teilhabe<br />

am gesellschaftlichen Leben trotz finanzieller<br />

Notlage. Rund 45 000 Menschen sind<br />

im Besitz der KulturLegi und aktuell gibt es<br />

1400 Angebote, die mit der Berechtigungskarte<br />

bezogen werden können. (dos)<br />

Kurz vor Weihnachten hat die Bevölkerung die<br />

Möglichkeit, an folgenden beiden Aktionen ein<br />

Zeichen der Solidarität zu setzen. Am Samstag,<br />

den 14. Dezember werden an 100 Orten<br />

in der ganzen <strong>Schweiz</strong> Tausende Lichter brennen.<br />

Für die Aktion «Eine Million Sterne» zünden<br />

unzählige Freiwillige auf öffentlichen Plätzen<br />

Kerzen an mit dem Ziel, den über 600 000<br />

Armutsbetroffenen in der <strong>Schweiz</strong> neue Hoffnung<br />

zu geben. Die Spenden werden für das<br />

Patenschaftsprojekt «mit mir», die Caritas-<br />

Märkte sowie die KulturLegi eingesetzt.<br />

Caritas <strong>Schweiz</strong> macht aber auch dieses Jahr<br />

wieder mit bei der Aktion «Jeder Rappen zählt»<br />

von Glückskette und SRF3. Die Spendenaktion<br />

zugunsten von armutsbetroffenen Kindern in<br />

den Slums verschiedener Länder tourt vom<br />

16. bis 20. Dezember durch die Deutschschweiz<br />

und macht Halt in Aarau, Basel,<br />

Zürich und St. Gallen. Die Spenden werden<br />

auch Caritas-Projekten in Entwicklungsländern<br />

zu Gute kommen. (dos)<br />

■ www.jrz.ch<br />

■ www.einemillionsterne.ch<br />

Bild: Für die Aktion «Eine Million Sterne»<br />

zünden unzählige Freiwillige Kerzen an.<br />

■ www.kulturlegi.ch<br />

Bilder: Conradin Frei, Luca Zanetti<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 27


Fotorätsel<br />

Was zeigt das bild?<br />

Das Foto wurde in einem abgelegenen Dorf im äthiopischen Hochland gemacht, wohin auch<br />

die Reportage auf Seite 6 in diesem Magazin führt. Was zeigt das Bild?<br />

A Eine Latrine B Einen Getreidespeicher C Einen Brunnen<br />

Wettbewerb: Gewinnen Sie zwei Tassen Fairtrade-Honig!<br />

Schicken Sie die richtige Antwort mit dem Vermerk «Fotorätsel» bis zum 31. Januar 2014 an fotoraetsel@caritas.ch oder an Caritas<br />

<strong>Schweiz</strong>, Redaktion Caritas-Magazin, Löwenstrasse 3, Postfach, 6002 Luzern. Unter den richtigen Antworten werden dreimal<br />

zwei Porzellantassen mit Fairtrade-Honig verlost, Sujet «Bär» und «Biene» (siehe Artikel rechts). Die Lösung findet sich ab Februar 2014<br />

auf www.caritas.ch/ fotoraetsel sowie in der März-Ausgabe des Magazins «Wir helfen Menschen». (Lösung zum Fotorätsel im<br />

Magazin 3/2013: Antwort B, rund 3000 Freiwillige)<br />

28 Caritas «Menschen» 4/13<br />

Bild: Andreas Schwaiger


Caritas-Fairtrade /claro fair trade<br />

Das süsse Versprechen<br />

In der <strong>Schweiz</strong> köstlicher Genuss,<br />

in Guatemala bessere Gesundheit,<br />

Schulbildung und ein geregeltes<br />

Einkommen: Der Caritas-Honig hat<br />

einen doppelten Nutzen.<br />

Viele der motivierten Kleinbauern können die Anzahl ihrer<br />

Bienenvölker erhöhen.<br />

Cremig auf der Zunge und fruchtig im<br />

Geschmack: Der Guatemala-Honig von<br />

Caritas-Fairtrade stammt aus den südwestlichen<br />

Departementen San Marcos und<br />

Retalhuleu, wo das Klima und die Vegetation<br />

sich geradezu für die Honig-Produktion<br />

anbieten. Hier wachsen unzählige subtropische<br />

Pflanzen wie Avocado, Zitrus- und<br />

Eukalyptusbäume sowie Kaffeestauden, in<br />

deren Blüten die Bienen den Nektar finden.<br />

In dieser fruchtbaren Gegend wohnen<br />

und arbeiten die rund 140 Mitglieder der<br />

Genossenschaft «Apicultores del Sur Occidente»<br />

(Copiasuro) weit verstreut zwischen<br />

300 und 2400 Metern über Meer. Die meisten<br />

dieser Kleinbauern bewirtschaften nur<br />

drei bis fünf Hektaren mit Gemüse, Mais<br />

und Bananen. Die Bienenvölker ermöglichen<br />

ihnen einen wertvollen Zusatzverdienst,<br />

der bis zu 50 Prozent ans Gesamteinkommen<br />

einer Familie beisteuert. Die<br />

Zusammenarbeit mit Caritas-Fairtrade beruht<br />

auf langfristiger Partnerschaft, und<br />

die Preise sind höher als jene auf dem Weltmarkt.<br />

Bis an die Uni<br />

Die 1987 gegründete Genossenschaft Copiasuro<br />

geniesst einen ausgezeichneten Ruf<br />

und produziert erfolgreich. Dank dem Honigexport<br />

zu den Konditionen, die das Fairtrade-Label<br />

Max Havelaar garantiert, können<br />

viele der äusserst motivierten Kleinbau-<br />

ern die Anzahl ihrer Bienenvölker erhöhen.<br />

Sie erhalten rund 85 Prozent des Verkaufspreises<br />

direkt und verbessern mit dem höheren<br />

Einkommen ihre Lebensbedingungen<br />

wesentlich. So können die Familien<br />

medizinische Hilfe in Anspruch nehmen,<br />

Medikamente bezahlen, sich einen Kühlschrank<br />

oder sanitäre Einrichtungen leisten<br />

sowie ihre Kinder zur Schule schicken<br />

und ihnen eine Ausbildung ermöglichen –<br />

einige haben es sogar bis an die Universität<br />

geschafft. Schliesslich bietet die Genossenschaft<br />

ihren Mitgliedern regelmässig fachliche<br />

Beratung und ermöglicht den Zugang<br />

zu Darlehen.<br />

Neu sind diesen Winter zwei Tassen mit den<br />

Sujets «Biene» und «Bär».<br />

Eine Honigtasse zu Weihnachten<br />

Der schonend produzierte Caritas-Honig<br />

wird in der <strong>Schweiz</strong> kontrolliert und erst<br />

danach verschifft. Er kann in Pfund- und<br />

Kilodosen sowie in hochwertigen Porzellantassen<br />

mit exklusivem Design gekauft werden.<br />

Neu sind diesen Winter zwei Tassen<br />

mit den Sujets «Biene» und «Bär». Sie eignen<br />

sich auch vorzüglich als Weihnachtsgeschenk.<br />

(dos)<br />

Weitere Informationen zu den Produkten finden<br />

Sie auf der Bestellkarte sowie auf<br />

■ www.caritas-fairtrade.ch<br />

Bild: Caritas-Fairtrade<br />

«Menschen» 4/13 Caritas 29


Caritas-Menschen<br />

«Wir müssen uns dem<br />

Klimawandel anpassen»<br />

Radio-Hörerinnen und Hörer kennen<br />

ihn: Mario Slongo, den Wetterfrosch.<br />

Als Mitglied des Präsidiums von Caritas<br />

<strong>Schweiz</strong> stellt er sein meteorologisches<br />

Wissen in den Dienst der Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Ob Dürren im Sahel oder steigender Meeresspiegel<br />

in Bangladesch: Entwicklungszusammenarbeit<br />

und Katastrophenhilfe haben oft<br />

mit Wetterphänomenen zu tun. Seit bald<br />

zwei Jahren sitzt im Caritas-Präsidium ein<br />

Fachmann dafür: Der Chemiker Mario<br />

Slongo, der zwischen 1982 und 2012 auf<br />

Radio DRS1 weit über tausend Wettersendungen<br />

moderierte.<br />

Sorge zur Natur tragen<br />

Slongos Sendung war bekannt für ihren populärwissenschaftlichen<br />

Ansatz, dem er den<br />

Ehrendoktor der Universität Fribourg verdankt.<br />

Seine witzigen und originellen Geschichten<br />

vermittelten immer wieder folgende<br />

Botschaft: Wir müssen Sorge zur<br />

Natur tragen. Gleichzeitig sei wissenschaftlich<br />

erwiesen, dass sich der Klimawandel<br />

nicht mehr aufhalten lasse – «wir Menschen<br />

«Caritas muss ihr Image als vertrauenswürdiges Hilfswerk<br />

behalten.»<br />

müssen uns anpassen». Auch Entwicklungsorganisationen<br />

hätten dieser Tatsache Rechnung<br />

zu tragen, indem sie ihre Instrumente<br />

laufend überprüfen.<br />

Das Wetter hat Mario Slongo schon in<br />

frühen Jahren geprägt: Er wuchs im St. Gallischen<br />

Rheintal auf, «dem Föhntal». Nach<br />

dem Studium der Chemie, Physik und physischer<br />

Geographie forschte er bei Ciba<br />

Geigy im Bereich Lichtschutzmittel und entwickelte<br />

später im Auftrag der Sika Kunststoffdichtungsbahnen<br />

für Flachdächer, «die<br />

allen Wettern standhalten mussten.» Seit<br />

Jahren betreibt der heute 66-Jährige seine<br />

eigene Wetterbeobachtungsstation. Auch<br />

nach seiner Pensionierung bleibt Mario<br />

Slongo mehr als aktiv: Als dreifacher Grossvater,<br />

als Buchautor, Vortragsreisender und<br />

Vorstandsmitglied verschiedener Organisationen.<br />

An die Spender denken<br />

Bei der Caritas mache er «mit Freude mit»,<br />

weil sich so viele Leute mit allen Kräften<br />

engagierten: «Es freut mich zu sehen, wie<br />

effizient gearbeitet wird.» Dies gelte auch<br />

für die Finanzen: Von einem Spenderfranken<br />

fliessen 92 Rappen in die Projekte, und<br />

dank Partnerschaften kann die Caritas ihre<br />

Mario Slongo in seiner Wetterbeobachtungsstation.<br />

Spenden vervielfachen. Dieses Vertrauen der<br />

Spenderinnen und Spender zu behalten und<br />

auszubauen, sei angesichts des umkämpften<br />

Marktes eine der grossen Herausforderungen<br />

für die Zukunft: «Caritas muss<br />

auch künftig ihr Image als vertrauenswürdiges<br />

Hilfswerk behalten – damit sie weiterhin<br />

nachhaltige Projekte umsetzen kann, die<br />

den Menschen dienen.» (dos)<br />

30 Caritas «Menschen» 4/13<br />

Bild: zVg


Luutstarch<br />

gegen Armut<br />

und Ausgrenzung<br />

Armut in der <strong>Schweiz</strong> ist auch unter<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

ein Tabuthema. Wer beim Musik- und<br />

Fotowettbewerb «Luutstarch» mitmacht,<br />

bricht das Schweigen mit kreativen<br />

Mitteln.<br />

«Es isch Oschtere, und de Chüelschrank<br />

isch läär, nur no paar Eier, s f’Fäscht zuebereite<br />

wird schwär, d’ Muetter hett zwöi<br />

Chind und isch elei ...» So beginnt der Song<br />

des Rappers M-Right, der den Luutstarch-<br />

Wettbewerb 2013 gewann und als Preis ein<br />

Video zum Song drehen durfte, das auf Youtube<br />

über 10 000 Klicks erhielt. Zum Thema<br />

Armut sagt M-Right: «Ich wollte wissen, ob<br />

es das auch in der <strong>Schweiz</strong> gibt, und als ich<br />

sah, wie krass es ist, musste ich gleich einen<br />

Song machen.»<br />

Über 200 000 Kinder und Jugendliche in<br />

der <strong>Schweiz</strong> sind gemäss Zahlen des Bundesamtes<br />

für Statistik von Armut betroffen.<br />

Dass dies Gleichaltrigen nicht egal ist, zeigt<br />

die Teilnahme von über 200 Jugendlichen<br />

beim Luutstarch-Wettbewerb 2013. «Sie<br />

machten das Thema Armut auch mit Aktionen<br />

und Auftritten in Schulen, Jugendclubs<br />

und Pfarreien öffentlich und erhielten dabei<br />

die Aufmerksamkeit von lokalen Medien»,<br />

sagt Projektleiterin Marion Alig Jacobson.<br />

Auch 2014 können Jugendliche sich engagieren,<br />

indem sie bis zum 16. Februar ihre<br />

Gedanken zum Thema Armut in Form von<br />

Raps, Musikstücken oder Fotos einreichen.<br />

Für 13- bis 17-Jährige bietet Luutstarch<br />

kostenlose Workshops an. Die Fotografen<br />

Elisabeth Real, Stefan Deuber und Maurice<br />

Grünig zeigen jungen Menschen, wie<br />

sie eigene Bilder zu Ausgrenzung und soziale<br />

Gerechtigkeit kreieren können. Und die<br />

Zürcher und Berner Rapper CanavaR, Chocolococolo,<br />

Fygeludi und Savari besuchen<br />

Schulen und Jugendgruppen, um ihr Wissen<br />

weiterzugeben. «In meinen Workshops<br />

glänzen nicht diejenigen mit den coolsten<br />

und neusten Klamotten», sagt Chocolococolo.<br />

«Es zählt einzig und allein der Wille,<br />

ewas Kreatives zu schaffen.» (dos)<br />

Wettbewerb: Songs und Bilder zu<br />

Armut in der <strong>Schweiz</strong><br />

Bis zum 16. Februar 2014 können Jugendliche<br />

im Alter von 13 bis 26 Jahren ihre<br />

Bilder und Songs auf www.luutstarch.ch<br />

einreichen. Eine Jury wird die Besten küren,<br />

es winken Preise im Wert von 2000 Franken.<br />

Der Wettbewerb für sozial engagierte<br />

Jugendkultur wird gestaltet von Caritas<br />

Zürich, young Caritas, der Jugendseelsorge<br />

Zürich sowie dem Begegnungs- und<br />

Kultur ort «jenseits» im Viadukt Zürich.<br />

Bilder: Stefan Deuber «Menschen» 4/13 Caritas 31


... seit 40 Jahren fair unterwegs.<br />

www.unica-fairtrade.ch

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