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Klimapolitik ist auch Entwicklungspolitik - CARITAS - Schweiz

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<strong>Klimapolitik</strong> <strong>ist</strong> <strong>auch</strong><br />

<strong>Entwicklungspolitik</strong><br />

Eine Positionierung der Caritas zur Bedeutung des Klimawandels<br />

für eine nachhaltige Entwicklung<br />

Caritas-Positionspapier_November 2012


2<br />

Klimawandel und Entwicklung<br />

In Kürze: Entwicklungs- und Klimaschutzziele<br />

werden häufig als Gegensatz verstanden, dabei<br />

sind sie untrennbar miteinander verknüpft. Insbe-<br />

sondere für Entwicklungsländer sind die Folgen<br />

der Klimaerwärmung gravierend, sie haben den<br />

Auswirkungen von Dürren, Überschwemmungen<br />

oder Wirbelstürmen wenig entgegenzusetzen. Die<br />

Verursacher des Klimawandels aber sind andere:<br />

die Industrie- und zunehmend <strong>auch</strong> die Schwellenländer.<br />

Wenn es um Massnahmen zur Eindämmung<br />

der Klimaerwärmung und zur Anpassung an<br />

deren Folgen geht, stehen diese Verursacher in<br />

der Pflicht. Sie müssen – <strong>auch</strong> im eigenen Interesse<br />

– bei der Transformation der Weltwirtschaft<br />

und Weltgesellschaft auf der Grundlage von erneuerbaren<br />

Energien und nachhaltigen Konsummustern<br />

vorangehen. Für die Entwicklungsländer<br />

bedeutet dies, dass sie ihr «Recht auf Entwicklung»<br />

menschenwürdig, fair, umwelt- und sozialverträglich,<br />

kurz: nachhaltig ausgestalten müssen.<br />

Die internationale <strong>Klimapolitik</strong> steht vor entscheidenden<br />

Weichenstellungen. Es geht um einen<br />

verbindlichen Weltklimavertrag mit dem übergeordneten<br />

Ziel, die Klimaerwärmung auf maximal<br />

2° Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der<br />

Industrialisierung zu begrenzen. Die <strong>Schweiz</strong><br />

muss sich dafür einsetzen, dass die dringend nötigen<br />

Massnahmen zum Schutz des Klimas nicht<br />

auf Kosten einer nachhaltigen Entwicklung im<br />

Interesse der benachteiligten und armen Menschen<br />

gehen. Denn <strong>Klimapolitik</strong> <strong>ist</strong> <strong>auch</strong> <strong>Entwicklungspolitik</strong>.<br />

Caritas formuliert in diesem Positionspapier,<br />

wie die <strong>Schweiz</strong>er Politik diesem<br />

Anspruch gerecht werden kann.<br />

Der Klimawandel <strong>ist</strong> unbestritten. 2007 hielt der Weltklimarat<br />

in seinem Vierten Sachstandsbericht fest, dass der Anstieg<br />

der mittleren globalen Luft- und Meerestemperaturen<br />

und des globalen Meeresspiegels sowie das Abschmelzen<br />

von Schnee und Eis die Erwärmung des Klimasystems eindeutig<br />

belegen: Zahlreiche natürliche Systeme sind von<br />

regionalen Klimaänderungen, insbesondere von Temperaturerhöhungen,<br />

betroffen. Die globalen Treibhausgasemissionen<br />

sind aufgrund menschlicher Aktivitäten zwischen<br />

1970 und 2004 um 70 Prozent angestiegen.<br />

Unbestritten <strong>ist</strong> <strong>auch</strong>, dass es längst Zeit zum Handeln <strong>ist</strong>.<br />

Seit der Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen besteht<br />

weltweit Einvernehmen darüber, dass die Erhöhung der globalen<br />

Mitteltemperatur auf maximal 2° Celsius gegenüber<br />

dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung begrenzt werden<br />

muss. Nur dann kann den zerstörerischen Folgen der<br />

Klima erwärmung – Artensterben, Gletscherschmelze, Anstieg<br />

des Meeresspiegels, Dürren und Überflutungen – Einhalt<br />

geboten werden. Um dieses Zwei-Grad-Ziel zu erreichen,<br />

dürfen bis 2050 höchstens 750 Milliarden Tonnen<br />

CO aus fossilen Quellen wie Kohle, Erdöl, Gas und Holz<br />

2<br />

in die Atmosphäre gelangen. Doch alleine 2012 wird der<br />

weltweite CO -Aus stoss 32 Milliarden Tonnen betragen.<br />

2<br />

In diesem Tempo wäre das Limit bereits in knapp 25 Jahren<br />

überschritten. Die Zeit drängt: Die Weichenstellungen<br />

einer globalen Transformation hin zu einer klimaverträglichen<br />

Gesellschaft, insbesondere die Trendwende bei den<br />

Treibhausgas-Emissionen, müssen gemäss Experten in<br />

den nächsten zehn Jahren erfolgen. Bis Mitte des Jahrhunderts<br />

muss die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft<br />

weitgehend abgeschlossen sein.<br />

Der globale ökologische Fussabdruck belegt, dass bei<br />

heutigem Lebensstil und Lebensstandard unter Fortführung<br />

heutiger Produktionsbedingungen 1,5 Erden nötig<br />

wären, um die genutzten Ressourcen langfr<strong>ist</strong>ig liefern und<br />

die anfallenden Abfälle sowie Emissionen absorbieren zu<br />

können. Der «blaue Planet» setzt der globalen Entwicklung<br />

klare Grenzen. Ohne massive Beschränkungen des Ressourcenverbr<strong>auch</strong>s<br />

und der damit verbundenen Umweltbelastung<br />

sind gravierende Veränderungen in absehbarer<br />

Zeit unausweichlich.


Der Bericht des Weltklimarats machte deutlich, dass<br />

weder Anpassung (Adaptation) noch Emissionsminderung<br />

(Mitigation) allein alle Auswirkungen des Klimawandels<br />

verhindern werden, dass sie aber gemeinsam die<br />

Risiken des Klimawandels signifikant verringern können.<br />

Mitigation zielt auf die dringend erforderliche Verringerung<br />

der Treibhausgas-Emissionen mittels der Reduktion von<br />

Treibhausgasquellen und der Schaffung von CO binden-<br />

2<br />

den Treibhausgassenken. Im Mittelpunkt stehen dabei die<br />

Effizienzsteigerung bei der Energienutzung sowie der forcierte<br />

Einsatz erneuerbarer Energien. Adaptation meint<br />

die Anpassung volkswirtschaftlicher<br />

Strukturen und Prozesse<br />

an die klimatisch veränderten<br />

Rahmenbedingungen. Entwicklungsländer<br />

sind besonders<br />

verwundbar und benötigen bei<br />

der Anpassung internationale<br />

Unterstützung: Deren Behörden,<br />

einheimische zivilgesellschaftliche<br />

Organisationen und<br />

Bevölkerungsgruppen müssen<br />

mit Hilfe von Fachpersonen und finanziell ausreichend ausgestatteten<br />

Institutionen Umstellungsmassnahmen und Instrumente<br />

zur Katastrophenvorsorge entwickeln und umsetzen,<br />

insbesondere in der Land-, Forst-, Fischerei- und<br />

Wasserwirtschaft.<br />

Mitigation und Adaptation sind Schlüsselbegriffe der klimapolitischen<br />

Diskussion, welche <strong>auch</strong> für die <strong>Entwicklungspolitik</strong><br />

von grosser Bedeutung sind: Minderungs- und<br />

Anpassungsmassnahmen sind in den am wenigsten entwickelten<br />

Ländern unabdingbar, doch sollen sie den benachteiligten<br />

und armen Bevölkerungsgruppen zugutekommen<br />

und eine entwicklungsfördernde Wirkung haben.<br />

Folgen des Klimawandels für<br />

Entwicklungsländer<br />

Zwar verursachen klimawandelbedingte Katastrophen in<br />

Industrieländern hohe materielle Kosten, da teure Infrastrukturen<br />

und Güter in Mitleidenschaft gezogen werden.<br />

In Entwicklungsländern jedoch sind die Folgen wie Dürren,<br />

Überschwemmungen oder Wirbelstürme drastischer.<br />

Dazu kommen Gefahren, die nicht immer sofort erkennbar<br />

sind: Konflikte um knappe Wasservorräte, Artenster-<br />

Während in OECD-Ländern<br />

durchschnittlich eine von<br />

1500 Personen von Naturkatastrophen<br />

betroffen <strong>ist</strong>, gilt<br />

dies in den Entwicklungsländern<br />

für jede zwanzigste<br />

Person.<br />

ben, Verlust der Lebensgrundlagen, Migration usw. Die<br />

Folgen der Veränderungen von Klimazonen, Jahreszeiten<br />

und Wasserhaushalt für Wirtschaft und Bevölkerung sind<br />

nur schwer voraussagbar. Unbestreitbar aber stellt der<br />

Klima wandel eine globale Bedrohung für Wohlstand und<br />

Entwicklung dar.<br />

Laut dem UN-Entwicklungsprogramm UNDP verdoppeln<br />

sich die durch Extremwetterereignisse verursachten Versicherungsschäden<br />

alle 12 Jahre. Mehr als zwei Drittel<br />

aller durch Katastrophen verursachten Todesfälle und Wirtschaftsverluste<br />

sind auf meteorologische,<br />

klimatologische und<br />

hydrologische Ursachen zurückzuführen.<br />

Während in OECD-<br />

Ländern durchschnittlich eine<br />

von 1500 Personen von Naturkatastrophen<br />

betroffen <strong>ist</strong>, gilt<br />

dies in den Entwicklungsländern<br />

für jede zwanzigste Person.<br />

Aufgrund unzureichender<br />

Strukturen und finanzieller<br />

Mittel haben Gesellschaften in Entwicklungsländern der<br />

ständig steigenden Zahl an Katastrophen oft kaum etwas<br />

entgegenzusetzen und können die Auswirkungen nur<br />

langsam bewältigen. Die bereits geschwächten Strukturen<br />

können zusätzliche, <strong>auch</strong> kleine Katastrophenereignisse<br />

nicht abfedern. Dies kann zu einer Spirale negativer<br />

Entwicklung führen, die gerade arme, marginalisierte Bevölkerungsgruppen<br />

besonders trifft.<br />

Naturkatastrophen lösen zudem regionale Fluchtbewegungen<br />

aus. Viele Menschen finden Zuflucht in benachbarten<br />

Entwicklungsländern und leben dort oft unter schwierigsten<br />

Bedingungen, die zu weiteren Umweltzerstörungen<br />

wie übermässige Abholzung und zu Konflikten um Wasser,<br />

Boden oder Nahrung führen können. Auch der Meeresspiegelanstieg<br />

wird vor allem regionale oder Süd-Süd-Wanderungen<br />

auslösen. Bangladesch zählt zu den Ländern, die<br />

am stärksten davon betroffen sind. Für die Bewohner der<br />

Inselstaaten im Südpazifik oder der Malediven <strong>ist</strong> die Migration<br />

oft die einzige Überlebensoption. Es <strong>ist</strong> davon auszugehen,<br />

dass ein Teil dieser Inseln und Staaten mittel- bis<br />

langfr<strong>ist</strong>ig von der Landkarte verschwinden wird.<br />

3


C<br />

M<br />

Y<br />

CM<br />

MY<br />

CY<br />

CMY<br />

K<br />

4<br />

Der Weltklimarat zeichnete in seinem Bericht regional unterschiedliche<br />

Folgen der Klimaerwärmung auf: In Afrika<br />

werden bis 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen<br />

unter zunehmender Wasserknappheit leiden und<br />

die Erträge aus der vom Regen abhängigen Landwirtschaft<br />

in verschiedenen Ländern um bis zu 50 Prozent zurückgehen.<br />

Aride und semi-aride Flächen<br />

werden sich bis 2080 um 5<br />

bis 8 Prozent ausdehnen. Gegen<br />

Ende des 21. Jahrhunderts wird<br />

der Anstieg des Meeresspiegels<br />

eine Bedrohung für tief liegende,<br />

bevölkerungsreiche Küstengebiete<br />

darstellen.<br />

In Asien wird in den grossen Flusseinzugsgebieten Zen-<br />

climateag.pdf 2008-04-22 10:35:10<br />

tral-, Süd-, Ost- und Südostasiens das verfügbare Süss-<br />

wasser in den nächsten Jahrzehnten zurückgehen. Das Ri-<br />

siko zunehmender Meeres- und Flussüberflutungen steigt<br />

erheblich. Am grössten <strong>ist</strong> die Gefahr für Küstengebiete<br />

Der Klimawandel könnte bis<br />

zum Jahr 2100 Kosten von bis<br />

zu 20% des globalen Bruttosozialprodukts<br />

verursachen.<br />

und dicht besiedelte grosse Flussdeltas in Süd-, Ost- und<br />

Südostasien. In Verbindung mit Urbanisierung, Industri-<br />

alisierung und wirtschaftlicher Entwicklung wird sich der<br />

Druck auf die natürlichen Ressourcen und die Umwelt<br />

massiv erhöhen. Endemische Krankheiten und Todesfälle<br />

infolge von Durchfallerkrankungen, die in Verbindung<br />

mit Überschwemmungen und<br />

Dürren auftreten, werden zunehmen.<br />

In Lateinamerika werden<br />

die tropischen Wälder im östlichen<br />

Amazonien wegen des<br />

Temperaturanstiegs und der<br />

damit verbundenen Abnahme der Bodenfeuchtigkeit bis<br />

Mitte des Jahrhunderts in Savannen umgewandelt. Die<br />

semi-aride Vegetation weicht einer ariden Bodenvegetation.<br />

Viele tropische Gebiete Lateinamerikas sind zudem<br />

von einem signifikanten Verlust an biologischer Vielfalt bedroht.<br />

Klimabedingte Veränderung der landwirtschaftlichen Produktivität bis 2080 (Quelle: www.grida.no)<br />

Projected changes in agricultural productivity 2080 due to climate<br />

change, incorporating the effects of carbon fertilization<br />

-50% -15% 0 +15% +35% No data


Karibische und pazifische Inselstaaten sind von einem<br />

Meeresspiegelanstieg bedroht, der zur Verstärkung von<br />

Überschwemmungen, Sturmfluten, Erosion und anderen<br />

Küstengefahren führen und die lebensnotwendige Infra-<br />

struktur sowie Siedlungen und Einrichtungen gefährden<br />

wird, die den Lebensunterhalt der Inselbevölkerung absichern.<br />

Die Wasserressourcen werden bis Mitte des Jahrhunderts<br />

auf eine Menge verringert, die nicht ausreicht,<br />

den Bedarf in Zeiten geringer Regenfälle zu decken.<br />

Diese Veränderungen verursachen hohe volkswirtschaftliche<br />

Kosten und menschliches Leid. Mit vergleichsweise<br />

geringem Aufwand für verbesserte Katastrophenprävention<br />

und -bereitschaft sowie durch Anpassungsmassnahmen<br />

können die negativen Auswirkungen massgeblich<br />

reduziert werden. Die langfr<strong>ist</strong>igen Folgekosten der<br />

Klima wandels sind nach heutigem Stand auf jeden Fall<br />

sehr hoch, ohne eine sofortige, ernsthafte Klimaschutzpolitik<br />

aber astronomisch. Wissenschaftliche Studien belegen,<br />

dass Nichtstun langfr<strong>ist</strong>ig viel teurer wird als sofortiges<br />

Handeln. Jede Massnahme zur Minderung der<br />

Klima erwärmung <strong>ist</strong> eine gute Investition.<br />

Der Ökonom Nicholas Stern rechnete 2008 vor, dass der<br />

Klimawandel bis zum Jahr 2100 Kosten von bis zu 20%<br />

des globalen Bruttosozialprodukts verursachen könnte<br />

(dies betrug 2011 etwa 70 Billionen US-Dollar). Würden<br />

die Hauptverursacher des Klimawandels beim raschen<br />

Ausbau CO -freier Techniken kooperieren und gemein-<br />

2<br />

sam einen Emissionshandel einrichten, könnten die Kosten<br />

deutlich vermindert werden. Dafür wäre nur 1% der<br />

weltweiten Wirtschaftsle<strong>ist</strong>ung nötig. Das Deutsche Institut<br />

für Wirtschaftsforschung DIW beziffert die globalen Klimaschäden<br />

ohne klimaschutzpolitische Massnahmen bis zum<br />

Jahr 2100 aufgrund von Modellberechnungen auf bis zu<br />

20 Billionen US-Dollar. Mit einer sofortigen aktiven Klimaschutzpolitik,<br />

welche eine Überschreitung der Temperaturgrenze<br />

von 2°C verhindert, könnten diese Schäden um bis<br />

zu 12 Billionen US-Dollar reduziert werden.<br />

Verursacher und Verantwortung<br />

Die globale Erderwärmung wurde in der Vergangenheit in<br />

erster Linie von den Industriestaaten verursacht, welche<br />

ihre Entwicklung seit der Industrialisierung auf die grenzenlose<br />

Nutzung fossiler Energien aufgebaut und damit auf<br />

Kosten des Klimas vorangetrieben haben. Mittlerweile tragen<br />

<strong>auch</strong> Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien oder<br />

Russland in erheblichem Ausmass zum Klimawandel bei.<br />

Dabei <strong>ist</strong> festzustellen, dass gerade in letzteren die innerstaatlichen<br />

Unterschiede extrem sind. Die dortigen Eliten<br />

sind für massive Treibhausgasemissionen im Massstab der<br />

Industrieländer verantwortlich, während die grosse Mehrheit<br />

der armen Bevölkerung kaum dazu beiträgt. Ländervergleiche<br />

sind daher mit Vorsicht zu verwenden. Während<br />

die Industrieländer ihren absoluten Höhepunkt bei<br />

der CO -Emission in den letzten zehn Jahren erreichten<br />

2<br />

und seither den Ausstoss schrittweise reduzieren, wächst<br />

der Emissionsmenge bei den me<strong>ist</strong>en Schwellenländern<br />

unvermindert weiter.<br />

CO 2 -Emissionen 2011 Absolut Pro-Kopf<br />

(in Millionen Tonnen) (in Tonnen)<br />

China 8979 6.6<br />

USA 6017 19.3<br />

Indien 1798 1.4<br />

Russland 1675 11.7<br />

Deutschland 803 9.8<br />

<strong>Schweiz</strong> 41 5.1<br />

Welt 34 033 4.9<br />

Quelle: www.bp.com/stat<strong>ist</strong>icalreview<br />

Geht man vom tatsächlichen Konsum aus, sehen die Emissionszahlen<br />

etwas anders aus. Dabei werden einem Land<br />

die mit importierten Gütern verknüpften Emissionen angerechnet<br />

und umgekehrt jene der exportierten Güter abgezogen.<br />

Bei den me<strong>ist</strong>en Industrieländern lagen diese<br />

konsumbezogenen Werte teilweise erheblich höher als die<br />

im Inland verursachten. 2008 betrug beispielsweise der<br />

konsumbezogene Ausstoss der <strong>Schweiz</strong> 14,3 Tonnen pro<br />

Kopf, der inlandverursachte hingegen nur 5,4 Tonnen. Umgekehrt<br />

sieht es bei vielen Schwellenländern aus, so ging<br />

etwa ein Viertel der CO -Emissionen Chinas zu Lasten der<br />

2<br />

Exportgüter. Auch die Verlagerung von Produktionsstrukturen<br />

in Billiglohnländer seitens privater Unternehmen <strong>ist</strong><br />

als Outsourcing ihres klimaschädigenden Wirtschaftens<br />

zu sehen.<br />

5


6<br />

Bausteine der internationalen <strong>Klimapolitik</strong><br />

Kyoto-Protokoll: Es wurde 1997 an der dritten UN-Kli-<br />

makonferenz (COP 3) beschlossen, trat 2005 in Kraft<br />

und läuft Ende 2012 aus. Es verpflichtete die 37 beteiligten<br />

Industrieländer und die EU, ihre CO -Emissionen<br />

2<br />

bis 2012 um durchschnittlich 5,2% gegenüber 1990 zu<br />

senken. Dieses Ziel wird längst nicht erreicht werden,<br />

<strong>auch</strong> nicht von der <strong>Schweiz</strong>, deren CO -Ausstoss 2011<br />

2<br />

mit 40 Millionen Tonnen immer noch genau gleich hoch<br />

lag wie 1990. Vielleicht wird das im Dezember 2011 revidierte<br />

CO -Gesetz mit einem Reduktionsziel von min-<br />

2<br />

destens 20% bis 2020 die <strong>Schweiz</strong>er Bilanz verbessern.<br />

Am COP 18 Ende November 2012 in Doha (Katar) soll<br />

das Kyoto-Protokoll mit einer zweiten Verpflichtungsperiode<br />

verlängert werden. Ziel <strong>ist</strong> es, dass die Unterzeichnerstaaten<br />

bis 2020 ihre Emissionen an Treibhausgasen<br />

um 25 bis 40 Prozent reduzieren. Bereits haben verschiedene<br />

Länder erklärt, sich nicht mehr daran zu beteiligen.<br />

Regelte das Kyoto-Protokoll ursprünglich 33 Prozent der<br />

weltweiten Emissionen, werden es künftig noch 15 Prozent<br />

sein.<br />

Grüner Klimafonds: Am COP 15 in Kopenhagen 2009<br />

wurde die Einrichtung eines Klimafonds für Entwicklungs-<br />

länder diskutiert, der dann 2011 in Durban am COP 17<br />

beschlossen wurde (Green Climate Fund). Er wird jährlich<br />

mit zunächst 30 Milliarden US-Dollar, ab 2020 mit<br />

100 Milliarden US-Dollar ausgerüstet werden. Er dient<br />

der Finanzierung von Massnahmen zur Bekämpfung des<br />

Klimawandels (einschliesslich Waldschutz) sowie von Anpassungsmassnahmen<br />

in armen Ländern. Der Fonds soll<br />

zudem Finanzinstrumente entwickeln, die privaten Geld-<br />

gebern und Investoren den Einstieg in die internationale<br />

Klimaschutzfinanzierung erleichtern. Denn die Industrieländer<br />

wissen in Zeiten von Weltwirtschaftskrise und eigener<br />

Überschuldung nicht, wo das Geld her nehmen.<br />

Die Gefahr droht, dass sie sich dafür ihrer Entwicklungsbudgets<br />

bedienen, obwohl feierlich versichert worden<br />

war, dass für klimabedingte Kosten zusätzliche Mittel eingesetzt<br />

würden. Im August 2012 nahm der Klimafonds-<br />

Exekutivrat, bestehend aus je 12 Vertretungen aus Industrie-<br />

und Entwicklungsländern, seine Arbeit auf. Die<br />

<strong>Schweiz</strong> teilt sich alternierend mit Russland einen Sitz.<br />

Wie der Klimafonds seine Schwerpunkte setzen wird, <strong>ist</strong><br />

noch offen.<br />

Weltklimavertrag: Die Klimakonferenz in Durban legte<br />

im Weiteren den Fahrplan fest für ein neues, für alle Vertragsstaaten<br />

der Klimakonvention verbindliches, globales<br />

Klimarahmenabkommen, das bis 2015 ausgehandelt<br />

werden und 2020 in Kraft treten soll, um das Kyoto-Protokoll<br />

abzulösen. Ob dies gelingen wird, kann bezweifelt<br />

werden. Knackpunkt wird die Frage nach der gerechten<br />

Verteilung der Verantwortung sein, ob sich also Schwellenländer<br />

wie China oder Indien verbindlich an Klimaschutzbemühungen<br />

beteiligen und die Industrieländer<br />

gleichzeitig ihre besondere Verantwortung anerkennen<br />

und wahrnehmen werden. So als würde das Klima bei<br />

seiner weiteren Erwärmung darauf warten, bis die einzelnen<br />

Ländergruppen die Notwendigkeit einer weltinnenpolitischen<br />

<strong>Klimapolitik</strong> anstelle ihrer Partialinteressen<br />

einsehen.


goods or provide services from which developed countries benefit. Climate<br />

neutrality is for them too. On the other hand, there are those who<br />

live in energy poverty in richer countries who may not need to cut their<br />

emissions at all.<br />

But that leaves a wider point unexplored: should people who are already<br />

climate-thin have the opportunity to get fatter before having to slim down<br />

to an ideal size? Or could they achieve the lifestyle they want without having<br />

Ländergrösse entsprechend ihren CO 2 -Emissionen 2004 (Quelle: www.grida.no)<br />

The United Nations Framework Convention on Climate<br />

Change (UNFCCC), adopted in 1992, divides countries<br />

into Annex I (industrialized countries and countries with<br />

economies in transition) and Non-Annex I parties (mostly<br />

developing countries).<br />

Some of them committed to reduce their greenhouse gas<br />

emissions by adopting the Kyoto Protocol (1997).<br />

KICK THE HABIT INTRODUCTION<br />

Annex I countries<br />

Non-Annex I countries<br />

Non-parties to the UNFCCC<br />

United States<br />

Die Entwicklungsländer spielen als Emissionsverursacher<br />

eine marginale Rolle. Die Pro-Kopf-Emissionen der ärmsten<br />

Länder sind mit weniger als einer Tonne CO pro Kopf<br />

2<br />

und Jahr um ein Vielfaches geringer als jene der Industrie-<br />

und Schwellenländer. Gleichzeitig sind sie aber am<br />

stärksten von den Folgen der Klimaerwärmung betroffen.<br />

Insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder und<br />

die kleinen Inselstaaten gelten als besonders verletzliche<br />

Ländergruppen. Weitere Entwicklungsländer und Millionen<br />

arme Menschen in den Schwellenländern sind massiven<br />

Bedrohungen durch den Klimawandel<br />

ausgesetzt.<br />

In der internationalen klimapolitischen<br />

Debatte gerät daher die<br />

«Klimagerechtigkeit» zum Schlüsselbegriff.<br />

Die Diskrepanz zwischen<br />

den Verursachern einerseits<br />

und den Betroffenen des Klimawandels andererseits spielt<br />

in den Verhandlungen um ein neues Klimaabkommen eine<br />

zentrale Rolle. An der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen<br />

wurde deutlich, dass das Vertrauen in den internationalen<br />

Klimaschutz und ein entsprechendes Engagement<br />

nur gestärkt werden können, wenn das Prinzip der «gemeinsamen,<br />

aber unterschiedlichen Verantwortung» auf<br />

drei Dimensionen der Klimagerechtigkeit erweitert wird:<br />

United<br />

Kingdom<br />

France<br />

Spain<br />

In der internationalen klimapolitischen<br />

Debatte gerät<br />

daher die «Klimagerechtigkeit»<br />

zum Schlüsselbegriff.<br />

to put on much GHG weight at all? And if they do get fatter, does that mean<br />

those who are already fat agreeing to become thinner? Not many politicians<br />

campaign on a platform of telling electors they can look forward to fewer<br />

of the good things in life. The argument goes beyond the strict question of<br />

climate change, in the sense that it embraces the whole range of resources<br />

modern society demands. But in another sense it is still about greenhouse<br />

gases, because energy is what makes things happen – just about everything<br />

that does happen.<br />

Germany<br />

Italy<br />

South<br />

Africa<br />

Total CO 2 emissions<br />

from fossil-fuel burning, cement production and gas flaring<br />

India<br />

China<br />

Singapore<br />

Country size is proportionate<br />

to national carbon dioxide<br />

emissions in 2004.<br />

Hong<br />

Kong<br />

South<br />

Korea<br />

Taiwan<br />

Japan<br />

Cartography: SASI Group, University of Sheffield; Mark Newman, University of Michigan, 2006 (updated in 2008), www.worldmapper.org.<br />

Data source: Gregg Marland, Tom Boden, Bob Andres, Oak Ridge National Laboratory. Please note that data for Norway is inaccurate.<br />

INTRODUCTION KICK THE HABIT 27<br />

1. die Überlebens sicherung aller Staaten als Minimum<br />

jeder Fairness, 2. eine faire Lastenverteilung für Klimaschutz<br />

und Anpassungen, 3. eine gerechte Beteiligung an<br />

den Chancen der Transformation hin zu einer klimafreundlichen<br />

Weltwirtschaft.<br />

Gerade der dritte Punkt <strong>ist</strong> für eine globale nachhaltige<br />

Entwicklung von grosser Bedeutung. Es geht um eine<br />

eigentliche wirtschaftliche Revolution, eine Transformation<br />

in Richtung einer nachhaltigen «grünen» Wirtschaft mit<br />

erneuerbarer Energie und<br />

klimafreundlichen Technologien.<br />

Wer den grössten Anteil<br />

an den Chancen dieser<br />

globalen Neugestaltung der<br />

Energie-, Verkehrs- und Industrie-Infrastruktur<br />

für sich<br />

sichern kann, der wird <strong>auch</strong><br />

über Macht, Einfluss und Reichtum verfügen. Für das künftige<br />

Verhältnis zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern<br />

wird diese Frage entscheidend werden;<br />

der Kampf um Zugang und Verfügungsmacht wird an den<br />

kommenden internationalen Konferenzen entsprechend<br />

hart geführt werden – Rio+20 gab einen Vorgeschmack<br />

darauf.<br />

7


8<br />

Transformation: Eckpunkte einer<br />

künftigen <strong>Klimapolitik</strong><br />

Eine Entwicklungsperspektive in Zeiten des Klimawandels<br />

aufrechtzuerhalten, <strong>ist</strong> eine politische Herausforderung.<br />

Die globale Bedrohung der Klimaerwärmung rüttelt auf,<br />

Verantwortliche in den Industrieländern vergessen dabei<br />

angesichts des drängenden Handlungsbedarfs bisweilen,<br />

dass für Entwicklungsländer <strong>auch</strong> entwicklungspolitische<br />

Themen wie Ernährungssicherheit, Ressourcenzugang,<br />

gerechte Welthandelsstrukturen usw. von grosser Bedeutung<br />

sind. Es wird darum gehen, diese Themen nicht gegeneinander<br />

zu stellen, sondern zu einem Konzept zusammenzuführen:<br />

einer Transformation der Weltwirtschaft und<br />

Weltgesellschaft im Sinne der nachhaltigen Entwicklung.<br />

Diese Transformation hat das Ziel, die Lebensgrundlagen<br />

der Menschheit langfr<strong>ist</strong>ig zu sichern. Klimaschutz spielt<br />

dabei eine entscheidende Rolle. Die Transformation verlangt<br />

Technologiesprünge, neue Wohlfahrtskonzepte, soziale<br />

Innovationen sowie eine umfassende internationale<br />

Kooperation. Sie vermeidet nicht nur irreversible Schäden<br />

im Erdsystem, sondern sie bringt <strong>auch</strong> wertvolle Vorteile<br />

für die Menschen mit sich. Um bestehende Blockaden<br />

in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu überwinden, <strong>ist</strong><br />

die Transformation auf gesellschaftliche Gestaltung angewiesen.<br />

Entwicklungsrelevante <strong>Klimapolitik</strong> zielt auf diese<br />

Transformation und richtet sich dabei auf folgende Eckpunkte<br />

aus.<br />

Ökologische Grenzen<br />

Die Grenzen der Erde hinsichtlich ihrer Ressourcen und<br />

ökologischen Belastbarkeit sind nicht verhandelbar. Das<br />

Wissen um den ökologischen Fussabdruck und die Notwendigkeit,<br />

das Zwei-Grad-Celsius-Ziel einzuhalten, <strong>ist</strong><br />

weltweit vorhanden. Die ökologischen Leitplanken stellen<br />

den Handlungsraum für die Menschheit dar, in dem sich<br />

künftige Generationen nachhaltig entwickeln können. Dazu<br />

gehören Klimawandel, Land- und Wassernutzung, Biodiversität,<br />

Ozeane und Umweltverschmutzung. Alle Staaten<br />

und multilateralen Institutionen haben diese Leitplanken<br />

anzuerkennen und ihre Politiken danach auszurichten.<br />

Untergrenze der sozialen Sicherheit<br />

Alle Menschen haben das Recht auf einen Mindeststan-<br />

dard an grundlegenden sozialen Sicherheitsgarantien<br />

über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Dazu gehören<br />

die Ernährungs- und Einkommenssicherheit ebenso wie<br />

der effektive Zugang zu medizinischer Grundversorgung,<br />

Bildung und weiteren staatlichen sozialen Dienstle<strong>ist</strong>ungen.<br />

Der Fokus einer entwicklungsrelevanten <strong>Klimapolitik</strong><br />

muss das Wohl der ärmsten Bevölkerungsgruppen im<br />

Auge haben.<br />

Recht auf nachhaltige Entwicklung<br />

Die Entwicklungsländer sollen in ihren Entwicklungsbe-<br />

mühungen nicht von einer restriktiven Klimaschutzpolitik<br />

blockiert werden. Doch <strong>ist</strong> das Recht auf Entwicklung kein<br />

Plädoyer für nachholende Entwicklung mit ungebremstem<br />

Wachstum auf der Basis von fossilen Energien. Vielmehr<br />

soll es eine menschenwürdige, faire, umwelt- und sozialverträgliche<br />

Entwicklungsperspektive für alle Menschen<br />

innerhalb der Entwicklungsländer sicherstellen. Das Recht<br />

auf Entwicklung muss transformiert werden zum Recht auf<br />

nachhaltige Entwicklung.<br />

Gemeinsame, aber differenzierte<br />

Verantwortung<br />

Alle Staaten haben ihre klimapolitische Verantwortung<br />

wahrzunehmen, doch <strong>ist</strong> diese gemäss dem Verursacherprinzip<br />

unterschiedlich auszugestalten. Die Industrieländer<br />

müssen als Hauptverantwortliche der bisherigen Klimaerwärmung<br />

bei der Reduktion der CO -Emissionen und<br />

2<br />

Umstellung auf erneuerbare Energien konsequent vorangehen.<br />

Unbestreitbar überschreiten sie beim Ressourcenverbr<strong>auch</strong><br />

und den Treibhausgasemissionen jenen Wert,<br />

der ihnen aufgrund der begrenzten Kapazitäten der Erde<br />

zustünde. Zudem sind sie gehalten, Entwicklungsländer<br />

mit finanziellen und technologischen Mitteln bei der Transformation<br />

zu unterstützen. Gleichzeitig müssen <strong>auch</strong> die<br />

Schwellenländer ihren CO -Ausstoss massiv reduzieren<br />

2<br />

und – wie die Entwicklungsländer – auf erneuerbare Energien<br />

umsteigen. Diese gemeinsame, aber differenzierte<br />

Verantwortung erstreckt sich <strong>auch</strong> auf den Schutz der<br />

weiteren Globalen Öffentlichen Güter wie Wälder, Wasser<br />

oder Biodiversität.


Gerechte Verteilung der Kosten<br />

Die Verantwortung für klimapolitische Massnahmen <strong>ist</strong><br />

nicht nur nach Ländern zu differenzieren, sondern muss<br />

<strong>auch</strong> die Unterschiede zwischen armen und reichen Bevölkerungsschichten<br />

innerhalb der Länder berücksichtigen.<br />

Entsprechend bedeutet eine gerechte Aufteilung der<br />

klimapolitischen Kosten einerseits, dass die Industrie-,<br />

Schwellen- und Entwicklungsländern gemäss ihrer h<strong>ist</strong>orischen<br />

und aktuellen Verantwortung unterschiedlich beizutragen<br />

haben, andererseits Finanzierungsmechanismen<br />

nach dem Verursacherprinzip ausgearbeitet werden, welche<br />

auf die Einkommens- und Vermögensunterschiede innerhalb<br />

der Länder ausgerichtet sind.<br />

Ziele für nachhaltige Entwicklung<br />

Der Beschluss an der UN-Konferenz für nachhaltige Ent-<br />

wicklung Rio+20 im Juni 2012, bis 2015 «Ziele für nachhaltige<br />

Entwicklung» (Sustainable Development Goals, SDGs)<br />

auszuarbeiten, stellt eine grosse Chance dar, nachhaltige<br />

Entwicklung zu konkretisieren und in ein kohärentes Gesamtkonzept<br />

zu giessen. Die SDGs sollen die Lebens- und<br />

Entwicklungsperspektiven der ärmsten und verwundbarsten<br />

Menschen in den Mittelpunkt stellen und müssen dabei<br />

<strong>auch</strong> klimapolitische Ziele im Rahmen der ökologischen<br />

Grenzen umfassen. Es werden für alle UN-Mitgliedstaaten<br />

verbindliche Ziele festgelegt, welche auf eine gerechte Verteilung<br />

der Verantwortung fokussieren.<br />

Die klimakompatible Entwicklungszusammenarbeit von Caritas<br />

Im Wissen, dass die Auswirkungen des Klimawandels<br />

arme, marginalisierte Gruppen besonders hart treffen,<br />

fokussiert Caritas <strong>Schweiz</strong> in den klimabezogenen Aktivitäten<br />

im Rahmen ihrer Internationalen Zusammenarbeit<br />

auf diese Gruppen. Die Verletzlichkeit von Menschen<br />

gegenüber Katastrophen und Klimawandel-Phänomenen<br />

wird durch Armut und Marginalisierung stark erhöht, die<br />

Möglichkeit zur Anpassung an oder zur Vorbeugung von<br />

humanitären Krisen eingeschränkt.<br />

Caritas <strong>Schweiz</strong> will armen, marginalisierten Haushalten<br />

neue Handlungsspielräume eröffnen, um sich und ihre<br />

Lebensgrundlagen zu schützen und Entwicklungspro-<br />

zesse zu ermöglichen. So tragen regenerative Energielö-<br />

sungen zur nachhaltigen Entwicklung bei und schaffen<br />

Einkommensmöglichkeiten. In Landwirtschaftsprogrammen<br />

wird mit veränderten Saat- und Erntezeitpunkten,<br />

mit Regenwasserspeicher und verbesserten Bewässerungsmethoden,<br />

mit der Pflanzung von Schattenbäumen<br />

oder mit der Einführung neuer Nutzpflanzen den Folgen<br />

des Klimawandels begegnet.<br />

Aus der Verknüpfung von Minderungs- und Anpassungsansätzen<br />

mit Entwicklungsanliegen, die sich auf bestehende<br />

Veränderungen ebenso wie präventiv auf kom-<br />

mende Katastrophen beziehen können, ergeben sich für<br />

die Caritas-Arbeit zwei konkrete Stossrichtungen:<br />

1. Marginalisierte Gruppen verbessern durch den Zugang<br />

zu erneuerbaren Energien und durch Energieeffizienzsteigerung<br />

ihre Lebenssituation.<br />

2. Ländliche Gemeinden und Kleinbauernfamilien sind<br />

in der Lage, sich an klimatische Veränderungen anzupassen<br />

und Schocks abzufedern sowie Schäden<br />

aufgrund drohender Naturgefahren zu minimieren oder<br />

abzuwenden.<br />

Klimakompatible Entwicklungszusammenarbeit hat eine<br />

zweite Dimension. Neben den Projekten, welche direkt<br />

auf Minderung und Adaptation zielen oder Risiken bei Katastrophen<br />

reduzieren, bedeutet es <strong>auch</strong>, dass die Programme<br />

der Entwicklungszusammenarbeit hinsichtlich<br />

ihrer Klimaverträglichkeit überprüft werden sollen, um ungewollte<br />

negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima<br />

zu verringern beziehungsweise zu vermeiden und gleichzeitig<br />

Potenziale zur Treibhausgasreduktion erschliessen<br />

zu können. Caritas <strong>ist</strong> daran, dieses Climate Mainstreaming<br />

für ihre Arbeit zu entwickeln.<br />

9


10<br />

<strong>Klimapolitik</strong> <strong>ist</strong> <strong>auch</strong> <strong>Entwicklungspolitik</strong>:<br />

Standpunkt der Caritas<br />

Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung gehören zusam-<br />

men. Armutsbekämpfung kann nicht getrennt von den Fol-<br />

gen des Klimawandels betrachtet werden: Der Klimawan-<br />

del gefährdet bereits erlangte Entwicklungsfortschritte.<br />

Gleichzeitig bieten die internationalen Klimabemühungen<br />

Entwicklungschancen.<br />

Die Staatengemeinschaft hat eine gemeinsame, aber differenzierte<br />

Verantwortung für die Eindämmung der Klimaerwärmung<br />

und die Bewältigung der Folgen des Klimawandels.<br />

Sie hat ebenfalls eine gemeinsame Verantwortung<br />

dafür, dass armen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen<br />

ihr Recht auf nachhaltige Entwicklung gewährt wird,<br />

speziell in den am wenigsten entwickelten Ländern. Klimapolitische<br />

Verhandlungen dürfen nicht auf Kosten entwicklungspolitischer<br />

Bemühungen ausgetragen werden. Denn<br />

<strong>Klimapolitik</strong> <strong>ist</strong> <strong>auch</strong> <strong>Entwicklungspolitik</strong>.<br />

Caritas erwartet von der <strong>Schweiz</strong> daher ein verstärktes Engagement<br />

im Interesse einer nachhaltigen und gerechten<br />

Entwicklung zugunsten der ärmsten Menschen, auf der<br />

Grundlage der oben genannten Eckpunkte.<br />

Verantwortung in der internationalen<br />

<strong>Klimapolitik</strong> übernehmen<br />

Die <strong>Schweiz</strong> <strong>ist</strong> mit ihrem hohen Emissionsausstoss eine<br />

Mitverursacherin des Klimawandels und muss daher international<br />

Verantwortung wahrnehmen: bei der Einhaltung<br />

eingegangener internationaler Verpflichtungen wie<br />

das Kyoto-Protokoll oder das UN-Rahmenübereinkommen<br />

über Klimaänderungen (Klimakonvention) von 1992, bei<br />

den Anstrengungen zur Eingrenzung der Klimaveränderung<br />

durch erneuerbare Energien, bei der globalen Klimafinanzierung<br />

und bei der Unterstützung der Entwicklungsländer<br />

in der Anpassung an die Folgen des Klimawandels<br />

mittels der Finanzierung von Programmen und dem Transfer<br />

klimafreundlicher Technologien inklusive Schulung und<br />

Beratung.<br />

An der Klimakonferenz in Doha (Katar) Ende November<br />

2012 soll die <strong>Schweiz</strong>er Delegation sich aktiv für einen<br />

Klimavertrag stark machen, der alle Staaten umfasst, ver-<br />

bindliche Klimaschutz-Ziele festlegt, dabei die besondere<br />

Verantwortung der Industrieländer betont, die Schwellenländer<br />

in die Pflicht nimmt und die Interessen der speziell<br />

betroffenen Entwicklungsländer, der «am wenigsten entwickelten<br />

Länder» und kleinen Inselstaaten, berücksichtigt.<br />

Im Exekutivrat des Grünen Klimafonds soll sie sich dezi-<br />

diert für die der ärmsten Länder und Bevölkerungsgruppen<br />

einsetzen und keine nationale Interessenspolitik betreiben.<br />

Vorreiterrolle im Klimaschutz<br />

wahrnehmen<br />

Die <strong>Schweiz</strong> muss beschlossene ebenso wie künftige in-<br />

ternationale Klimaziele konsequent verfolgen, damit das<br />

internationale Zwei-Grad-Ziel erreicht werden kann. Sie<br />

soll die eigenen Treibhausgase im Inland um 40 Prozent<br />

zwischen 1990 und 2020 reduzieren und sich dafür einsetzen,<br />

dass dieses Ziel von allen Staaten erreicht wird.<br />

Die <strong>Schweiz</strong> soll eine Vorreiterrolle bei der Transformation<br />

ihrer Volkswirtschaft in eine CO 2 -neutrale Zukunft wahr-<br />

nehmen. Dies betrifft das Wirtschaftssystem ebenso wie<br />

das gesellschaftliche Konsumverhalten. Energieeffizienz<br />

und die Förderung erneuerbarer Energien wie Wasser-,<br />

Sonnen- und Windkraft oder Geothermik müssen im Zentrum<br />

stehen, die Nutzung fossiler Energieträger steuerlich<br />

stärker belastet werden.


Klimaverpflichtungen nicht mit<br />

Entwicklungsgeldern finanzieren<br />

Die Anpassungen an die klimawandelbedingten Herausfor-<br />

derungen werden in den kommenden Jahrzehnten welt-<br />

weit Kosten im dre<strong>ist</strong>elligen Milliardenbereich auslösen.<br />

Die Industrieländer haben jährlich 100 Milliarden US-Dollar<br />

zugunsten der Entwicklungsländer zugesagt. Wie diese<br />

Mittel genau generiert werden sollen, <strong>ist</strong> aber offen. Die<br />

<strong>Schweiz</strong> soll sich dafür einsetzen, dass die Gelder nicht<br />

den Entwicklungsbudgets angelastet werden (diese be-<br />

trugen 2011 gesamthaft gemäss OECD 150 Milliarden US-<br />

Dollar).<br />

Die Bekämpfung des Klimawandels <strong>ist</strong> eine notwendige<br />

Vorbedingung für eine nachhaltige Entwicklung – und umgekehrt.<br />

Auch wenn es zwischen den beiden Politikbereichen<br />

Klima und Entwicklungszusammenarbeit folglich keinen<br />

grundsätzlichen Zielkonflikt geben kann, müssen sie<br />

dennoch über je eigene Finanzierungsstrukturen verfügen.<br />

Für Finanzle<strong>ist</strong>ungen aufgrund internationaler Klimavereinbarungen,<br />

Massnahmen zur Eindämmung der Klimaerwärmung<br />

und Anpassung an deren Folgen müssen eigene Finanzierungsquellen<br />

erschlossen werden. Als Instrumente<br />

sind die Besteuerung von fossilen Energieträgern, von internationalen<br />

Finanztransaktionen und von Flugzeug- und<br />

Schiffstreibstoffen sowie der erweiterte Handel mit Emissionszertifikaten<br />

zu nennen.<br />

Nur wenn Minderungs- und Anpassungsle<strong>ist</strong>ungen direkt<br />

auf die nachhaltige Entwicklung in armen Ländern fokussiert<br />

sind, können Mittel der Internationalen Zusammenarbeit<br />

ins Spiel kommen. Dazu gehören beispielsweise<br />

Programme zur Verbesserung der Lebenssituation benachteiligter<br />

Bevölkerungsgruppen durch Versorgung mit<br />

erneuerbarer Energie, einkommensfördernde Massnahmen<br />

im Rahmen einer nachhaltigen Waldnutzung oder<br />

Projekte für besonders verletzliche Gruppen zur Risikominimierung<br />

hinsichtlich klimawandelbedingter Katastrophen.<br />

Entwicklungsländer mit nachhaltigen<br />

Massnahmen unterstützen<br />

Das Recht auf nachhaltige Entwicklung <strong>ist</strong> unbestritten.<br />

Von Entwicklungsländern einfach zu fordern, weniger CO - 2<br />

Emissionen auszustossen und auf wirtschaftliche Entwicklungsmassnahmen<br />

zu verzichten, <strong>ist</strong> nicht zu rechtfertigen.<br />

Zudem haben diese Länder die Atmosphäre in der Vergangenheit<br />

kaum belastet und weisen sehr geringe Pro-Kopf-<br />

Emissionen aus. Doch kann eine nachholende Entwicklung<br />

der Entwicklungs- und Schwellenländer auf der Basis von<br />

fossiler, emissionsintensiver Energie nicht der Weg sein,<br />

gefordert sind nachhaltige Lösungen: Die Transformation<br />

muss zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder<br />

und des Kampfs gegen die Armut ausgestaltet werden.<br />

Die <strong>Schweiz</strong> soll Entwicklungsländer darin unterstützen,<br />

eine gesicherte und nachhaltige Versorgung mit Energie,<br />

die weitestmöglich auf regenerativen Energieträgern basiert,<br />

zu erreichen. Damit können diese Länder den Ausstoss<br />

an Treibhausgasen tief halten, ohne ihre Entwicklungsbemühungen<br />

zu untergraben.<br />

Aufklärung betreiben<br />

Ein grosses Hindernis beim Klimaschutz <strong>ist</strong> das fehlende<br />

Verständnis in breiten Bevölkerungskreisen für seine Dringlichkeit.<br />

Treibhausgase sind unsichtbar, der Klimawandel<br />

<strong>ist</strong> ein generationenübergreifender Prozess. Daher gehört<br />

zu einer verantwortungsvollen Klima- und <strong>Entwicklungspolitik</strong><br />

zwingend eine kontinuierliche Aufklärung der Bevölkerung<br />

in den Zielländern der Entwicklungszusammenarbeit<br />

über die Ursachen und Folgen des Klimawandels und zu<br />

den Möglichkeiten der Abmilderung und der Anpassung.<br />

Lösungen müssen gemeinsam mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen<br />

erarbeitet werden.<br />

Autor: Geert van Dok, Fachstelle <strong>Entwicklungspolitik</strong>,<br />

gvandok@caritas.ch, 041 419 23 95.<br />

Dieses Positionspapier steht unter<br />

www.caritas.ch/positionspapiere zum Download bereit<br />

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