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war gut?“ – Von wegen! - Religion im Kinderbuch

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skizzierten Aspekt der Harry Potter Romane einer Analyse zu unterziehen und ggf. in zuvor<br />

beschriebener Weise für die <strong>Religion</strong>spädagogik fruchtbar zu machen.<br />

4.1. Zur Verstrickung von Harry Potter und Lord Voldemort<br />

„Sie [die Bücher] haben zweifellos Raffinesse, aber sie wirken in ihrer Sch<strong>war</strong>zweißmalerei<br />

und ihrer halbchristlichen Erlöser-Metaphorik auch naiv“ (Martenstein 2004, 151) lautet der<br />

Vorwurf von Harald Martenstein an Harry Potter, dem – wie oben bereits skizziert – zu widersprechen<br />

wäre. Tatsache ist nämlich, dass zwischen Gut und Böse, Sch<strong>war</strong>z und Weiß,<br />

verkörpert in Lord Voldemort und Harry Potter, etliche Grauabstufungen liegen, von denen<br />

man be<strong>im</strong> besten Willen nicht sagen kann, welchem Ursprung sie nun zuzuordnen sind. Mitunter<br />

sind die Übergänge so fließend, die Verbindungen derart intensiv, dass man ins Zweifeln<br />

gerät, ob Grenzziehungen überhaupt möglich sind. Betrachten wir dazu den Text selbst:<br />

Eine erste schicksalsträchtige Verbindung zwischen Lord Voldemort und Harry Potter erwächst<br />

schon vor dessen Geburt aus einer Prophezeiung von der Hellseherin Sybill Trelawny.<br />

Während der Terrorherrschaft des grausamen Zauberers verkündet sie, dass Ende Juli ein<br />

Junge geboren würde, der Lord Voldemort töten könnte (Vgl. Harry Potter Bd. 5, „Die verlorene<br />

Prophezeiung“). Dieser versucht in der Absicht, seine Herrschaft zu sichern, Harry zu<br />

töten. Sein Anschlag schlägt jedoch fehl, und sein eigener Todesfluch wendet sich gegen ihn.<br />

Der Junge ist nämlich durch die Liebe und das Opfer seiner menschlichen Mutter, die sich vor<br />

ihn stellt und dabei stirbt, geschützt. Dieser uralten Magie eines Opfers aus Liebe ist nämlich<br />

kein noch so starker Zauber ebenbürtig 16 . Lord Voldemorts Existenz ist dadurch jedoch keinesfalls<br />

ausgelöscht, da er <strong>im</strong> Vorfeld seine Seele gespalten hat und in sogenannten „Horkruxen“,<br />

dafür geeigneten Gegenständen, in Fragmenten aufbewahrt. Das alles dient seinem<br />

obersten, ja einzigen Wunsch: Unsterblichkeit und ewiges Leben. Nach dem verunglückten<br />

Anschlag scheint er auf ewig weiterzuleben, allerdings in einer körperlosen, unmenschlichen<br />

und entmachteten Existenz, die an Seele und Leib verkrüppelt über sieben Bände nur ein Ziel<br />

kennt: Harry als Ursache seines Scheiterns und einziges Hindernis seiner Rückkehr zu vernichten.<br />

Der wehrlose Säugling hat übrigens wie durch ein Wunder <strong>im</strong> Kampf keine Blessuren<br />

mit Ausnahme einer blitzförmigen Narbe davongetragen. Dieses äußere Zeichen ist aber<br />

keineswegs nur typisches Erkennungsmerkmal des Retters. Eigentümlicher Weise schmerzt<br />

sie <strong>im</strong>mer dann, wenn Lord Voldemort in der Nähe oder emotional erregt ist und durch ihn<br />

Gefahr droht. Offensichtlich stellt sie eine bleibende, sinnlich wahrnehmbare Verbindung<br />

zwischen den beiden Widersachern dar.<br />

„Die Narbe kribbelt, brennt und steigert sich zu qualvollen, die Besinnung raubenden Schmerzen.<br />

In ihr kehrt zum einen die Erinnerung an ein traumatisches Ereignis zurück, zum anderen<br />

ist sie auch die Wiederkehr des unhe<strong>im</strong>lichen Vertrauten: die Konfrontation mit der ihm innewohnenden<br />

Destruktivität.“ (Nitzschmann 2000, 55)<br />

Corinna Nitzschmanns tiefenpsychologisch anmutende Interpretation der Narbe deutet bereits<br />

eines an: Die Narbe ist sicherlich mehr als eine Erinnerung an ein Ereignis und auch mehr als<br />

ein wie auch <strong>im</strong>mer gearteter Weg der Kommunikation zwischen Lord Voldemort und Harry.<br />

Meines Erachtens steht sie daher für eine untrennbare und für den Menschen wahrnehmbare<br />

Verbindung von Gut und Böse, quasi stellvertretend für das „Kainsmal jedes Menschen“<br />

(Nitzschmann 2000, 55). In eigentümlicher Weise unterstreicht dies auch Lord Voldemorts<br />

körperliche Abhängigkeit von Harry Potter. Nach seiner Niederlage ist er, wie gesagt, zu einer<br />

körperlosen Existenz verdammt, die auf fremde Körper, insbesondere aber Harry angewiesen<br />

ist. So bemächtigt sich Lord Voldemort in Band 2 (Die Kammer des Schreckens) eines klei-<br />

16 Augenscheinlich liegen hier Analogien zum christlichen Messias vor, denen hier aber auf Grund der besonderen<br />

Schwerpunktsetzung nicht weiter nachgegangen werden soll – bzw. erst an passender Stelle, wenn e s um die<br />

Bedeutung dieses Opferungsaktes <strong>im</strong> Kontext der protestantischen Sündenlehre geht. Siehe dazu Abschnitt 4.2

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