war gut?â â Von wegen! - Religion im Kinderbuch
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7<br />
gen schwer. Vor allem <strong>Religion</strong>spädagogen neigen dazu, die Heptalogie ebenso wie die oft <strong>im</strong><br />
selben Atemzug angeführte Trilogie „Der Herr der Ringe“ als Mythos zu verstehen 8 , weil damit<br />
der Transfer zur christlichen Großerzählung leicht fällt und Analogien dazu scheinbar<br />
offensichtlich werden, denn „die Verwendung alter mythischer Erzählmuster schlägt zweifellos<br />
eine Brücke zur <strong>Religion</strong>“ (Mattenklott 2003, 46). Begründet wird die Klassifizierung von<br />
Harry Potter als Mythos unter anderem mit den unbestreitbar zahlreich vertretenen Wesen und<br />
Motiven aus der klassischen Mythologie 9 oder der mythologisch glorifizierten Heldenfigur<br />
Harry Potter. Fast ebenso beliebt ist die Zuordnung der Bücher zum Genre des Fantasyromans<br />
10 . Mit Hilfe dieser Festlegung kann man ohne viel Aufhebens auf die bereits hinreichend<br />
identifizierten Funktionen von Märchen und märchenähnlichen Erzählungen zurückgreifen<br />
und diese dann auf die <strong>Religion</strong> als solche sowie ihre prominenten Themen und Funktionen<br />
beziehen. Der Vorteil liegt ebenso auf der Hand wie die Argumente für eine Klassifizierung<br />
der Harry Potter Romane als Fantasyerzählung – man betrachte nur nochmals die<br />
oben skizzierte Handlung und die bereits genannten Zauberwesen 11 . Weder die eine noch die<br />
andere Zuordnung ist allerdings meines Erachtens zufriedenstellend, weil sie nur am Rande<br />
stehende Eigenschaften des siebenbändigen Werks erfasst, und mit Hansjörg Hemminger<br />
möchte ich daher raten, „sich kundig zu machen, bevor es Ihnen auch passiert, dass Sie von<br />
Mythologie sprechen, wenn in Wirklichkeit leicht idealisierte Heldenknaben Verbrecher jagen.“<br />
(Hemminger 2002, 54)<br />
Hemminger gibt in seiner Äußerung schon offensichtliche Hinweise dahingehend, dass man<br />
Harry Potter auch vor dem Hintergrund der klassischen (ursprünglich) englischen Detektivgeschichte<br />
lesen kann. Die Detektivgeschichte, die sich zunächst in der Nische der damals populären<br />
Kurzgeschichte entwickelte, ist von Beginn an äußerst beliebt und ist bis heute (mit ihrem<br />
Abkömmling, dem Kr<strong>im</strong>inalroman) fester Bestandteil der Trivialliteratur. Edgar Allen<br />
Poe schrieb mit seinem „Murders in Rue Morgue“ die wohl erste Detektivgeschichte. Während<br />
bei ihm noch die Aufklärung des Falls das absolute und alleinige Zentrum der Handlung<br />
bildet – und bis heute ein fundamentales Element der Detektiv-/und Kr<strong>im</strong>inalgeschichte darstellt<br />
12 –, rücken seine literarischen Nachfolger A.C. Doyles, Agatha Christie und Henning<br />
Mankell (um nur einige wenige stellvertretend für viele zu nennen) mit ihren einprägsamen<br />
Protagonisten Sherlock Holmes, Miss Marple bzw. Hercule Poirot und Kurt Wallander zunehmend<br />
auch die Charaktere der Protagonisten in den Fokus. Damit werden nun neben Milieubeschreibungen<br />
und Einsichten in die Kr<strong>im</strong>inaltechnik vor allem die Motive der Tat bedeutsam.<br />
Über die „<strong>gut</strong>en“ Figuren werden gleichsam auch die psychologischen Aspekte der<br />
„Bösen“ erfahrbar, und die Diskussion um Gut und Böse, richtig und falsch, Ethik und Moral<br />
ist – wenn auch in stark elementarisierender Form – eröffnet. Dass diese Diskussion auch in<br />
ihrer elementaren Form keinesfalls nur banal ist, zeigen Kr<strong>im</strong>inalromane, die sehr ausgefeilte<br />
Charakterstudien aufweisen, wie etwa Dürrenmatts oder Dostojewskis Werke belegen. 13<br />
Ende des 20. Jahrhunderts mit der wachsenden Bedeutung der Kinderliteratur treten erstmals<br />
auch kindliche Detektive auf den Plan. Mit einer ausgeklügelten Mischung aus Abenteuerlust,<br />
Freundschaft und analytischem Gespür lösen Kalle Blomquist, die Fünf Freunde oder TKKG<br />
die Kr<strong>im</strong>inalfälle in ihrer Nachbarschaft. In vielerlei Hinsicht passt Harry Potter perfekt in<br />
8 Vgl. Mattenklott, Gundel (2003) Harry Potter – phantastische Kinderliteratur. Auf den Spuren eines globalen<br />
Erfolgs. u.a.<br />
9 Stellvertretend sei auf den Hippogreif, Basilisken, die Zentauren, Kobolde, Riesen, Wassermenschen uva. verwiesen<br />
10 Vgl. Ritter, Werner (2003) a.a.O.; Meyer-Gosau, Frauke (2001): Harrymania. Gute Gründe für die Harry Potter<br />
Sucht; Morgenroth, Matthias. (2001); a.a.O.; Meurer, Thomas (2002); a.a.O. u.a.<br />
11 Vgl. dazu Fußnote 9<br />
12 Generell folgen Detektivgeschichte und Kr<strong>im</strong>inalroman dem Schema Verbrechen – Verfolgung - Aufklärung<br />
13 Vgl. „Das Versprechen“ oder „Der Richter und sein Henker“; auch Fjodor Dostojewskis „Schuld und Sühne“<br />
(in anderer Übersetzung Verbrechen und Strafe) kann als Kr<strong>im</strong>inalroman interpretiert werden.