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Von Klemens Pütz (Text)<br />
und Kevin S<strong>ch</strong>afer, Klemens Pütz,<br />
Heiner Kubny (Bilder)<br />
Die insgesamt etwa 2,5 Millionen Brutpaare<br />
der Königspinguine brüten auf ledigl<strong>i<strong>ch</strong></strong> sieben,<br />
der Antarktis vorgelagerten Inselgruppen<br />
in der sogenannten Subantarktis:<br />
den Falkland-Inseln und Südgeorgien im Atlantik,<br />
den Prince-Edward-, Crozet-, Kerguelen-<br />
und Heard-Inseln im Indis<strong>ch</strong>en Ozean<br />
und den Macquarie-Inseln im Pazifik. Die<br />
Gewässer um ihre Brutinseln sind ganzjährig<br />
eisfrei. Dies ist notwendig, denn im Gegensatz<br />
zu allen anderen Pinguinarten brau<strong>ch</strong>en<br />
die Königspinguine mehr als ein Jahr, um ein<br />
Küken grosszuziehen. Sie sind daher au<strong>ch</strong> im<br />
Winter auf den freien Zugang zum offenen<br />
Meer angewiesen.<br />
Die verhältnismässig lange Brutdauer verhindert<br />
aber, dass die Königspinguine jedes Jahr<br />
erfolgre<strong>i<strong>ch</strong></strong> brüten können. In der Regel wird<br />
nur alle zwei Jahre ein Küken aufgezogen,<br />
ledigl<strong>i<strong>ch</strong></strong> unter besonders günstigen Umweltbedingungen<br />
s<strong>ch</strong>affen es die Königspinguine,<br />
zwei Küken innerhalb von drei Jahren<br />
grosszuziehen.<br />
Trotz der langen Brutdauer verbringen die<br />
Königspinguine die meiste Zeit ihres Lebens<br />
im Meer. Ihr Verhalten in diesem Lebensraum<br />
entzieht s<strong>i<strong>ch</strong></strong> aber einer direkten<br />
Beoba<strong>ch</strong>tung, so dass lange unklar blieb, wo<br />
sie auf Nahrungssu<strong>ch</strong>e gehen, wie s<strong>ch</strong>nell sie<br />
s<strong>ch</strong>wimmen, wie tief und lange sie tau<strong>ch</strong>en,<br />
was und wann sie fressen. Erst dur<strong>ch</strong> die<br />
Entwicklung von kleinen, wasser- und druckfesten<br />
elektronis<strong>ch</strong>en Fahrtens<strong>ch</strong>reibern<br />
wurde es mögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>, etwas L<strong>i<strong>ch</strong></strong>t in dieses<br />
Dunkel zu bringen und die Biologie der<br />
Königspinguine besser zu verstehen.<br />
Fahrtens<strong>ch</strong>reiber sind kleine, mit vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Sensoren bestückte elektronis<strong>ch</strong>e<br />
Spe<strong>i<strong>ch</strong></strong>ergeräte, die den Pinguinen mit<br />
Gewebeband im Rückengefieder befestigt<br />
werden. Diese Befestigung hat den Vorteil,<br />
dass sie die wasserabweisenden und wärmenden<br />
Eigens<strong>ch</strong>aften des Gefieders n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t beeinflusst.<br />
Geht ein so ausgerüstetes Tier ins<br />
Meer, registrieren die Sensoren unter anderem<br />
Tau<strong>ch</strong>tiefe, S<strong>ch</strong>wimmges<strong>ch</strong>windigkeit,<br />
L<strong>i<strong>ch</strong></strong>tintensität und Wassertemperatur in vorgegebenen<br />
Zeitintervallen. Kehrt der Pinguin<br />
an Land zurück, nehmen die Fors<strong>ch</strong>er die<br />
Fahrtens<strong>ch</strong>reiber wieder vom Gefieder und<br />
übertragen die gespe<strong>i<strong>ch</strong></strong>erten Daten auf einen<br />
Computer.<br />
Vielfältige Daten<br />
Aus den erhaltenen Ergebnissen lässt s<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />
dann das Verhalten der Vögel sehr genau<br />
rekonstruieren. Aus Tau<strong>ch</strong>tiefe und Zeit lassen<br />
s<strong>i<strong>ch</strong></strong> alle relevanten Parameter wie Tau<strong>ch</strong>-<br />
tiefe, Tau<strong>ch</strong>dauer, Ab- und Auftau<strong>ch</strong>winkel<br />
ableiten. Die Daten zur L<strong>i<strong>ch</strong></strong>tintensität geben<br />
n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t nur Aufs<strong>ch</strong>luss über die L<strong>i<strong>ch</strong></strong>tverhältnisse<br />
in den jeweiligen Tiefenbere<strong>i<strong>ch</strong></strong>en,<br />
sondern können au<strong>ch</strong> zur Kalkulation der<br />
jeweiligen Tagesposition der Tiere herangezogen<br />
werden.<br />
So wird es mögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>, anhand der Werte den<br />
Zeitpunkt von Sonnenauf- und -untergang zu<br />
bere<strong>ch</strong>nen und daraus wiederum die Tagesbeziehungsweise<br />
Na<strong>ch</strong>tlänge abzuleiten.<br />
Diese Angaben sind ortsspezifis<strong>ch</strong>, das heisst,<br />
mittels dieser Angaben lässt s<strong>i<strong>ch</strong></strong> auf etwa 50<br />
Kilometer genau bestimmen, wo s<strong>i<strong>ch</strong></strong> das Tier<br />
an einem bestimmten Tag aufgehalten hat.<br />
Die Daten zur Wassertemperatur geben<br />
Aufs<strong>ch</strong>luss darüber, ob die Pinguine bestimmte<br />
Wassertemperaturen bei der Nahrungssu<strong>ch</strong>e<br />
bevorzugen. Sie können überdies<br />
zusammen mit den Angaben zur Position<br />
genutzt werden, um Temperaturverteilungsmuster<br />
und -profile für bestimmte<br />
Meeresgebiete zu erstellen. Man erhält also<br />
n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t nur Aufs<strong>ch</strong>luss über die Tau<strong>ch</strong>gewohnheiten<br />
der Pinguine, sondern au<strong>ch</strong> über<br />
eine ganze Reihe von umweltrelevanten<br />
Daten, die sonst nur dur<strong>ch</strong> den Einsatz von<br />
Fors<strong>ch</strong>ungss<strong>ch</strong>iffen oder Satelliten gewonnen<br />
werden können.<br />
Der lange Weg zum Futter<br />
Dur<strong>ch</strong> den gle<strong>i<strong>ch</strong></strong>zeitigen Einsatz von mehreren<br />
Fahrtens<strong>ch</strong>reibern erhalten die Fors<strong>ch</strong>er<br />
s<strong>ch</strong>nell eine grosse Datenmenge. So wurden<br />
zum Beispiel auf den Falkland-Inseln im<br />
Februar 2001 von zwölf Königspinguinen<br />
über 20’000 Tau<strong>ch</strong>gänge aufgeze<strong>i<strong>ch</strong></strong>net. Bei<br />
der Auswertung der gesammelten Daten helfen<br />
natürl<strong>i<strong>ch</strong></strong> Computerprogramme, denn von<br />
Hand wäre eine derartige Datenflut n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t zu<br />
bewältigen.<br />
Königspinguine we<strong>ch</strong>seln s<strong>i<strong>ch</strong></strong> bei der Brut<br />
ab. Das heisst, während ein Elterntier das<br />
Küken hudert, ist das andere im Meer auf<br />
Nahrungssu<strong>ch</strong>e. Je na<strong>ch</strong> Alter des Kükens<br />
kann es mehrere Tage und sogar Wo<strong>ch</strong>en dauern,<br />
bis das tau<strong>ch</strong>ende Elterntier mit vollem<br />
Magen aus dem Meer zurückkehrt und den<br />
Partner am Nest ablöst. In dieser Zeitspanne<br />
entfernen sie s<strong>i<strong>ch</strong></strong> oft weit von der Brutinsel.<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen mittels Satellitensendern<br />
und L<strong>i<strong>ch</strong></strong>tsensoren haben ergeben, dass die<br />
Tiere vorzugsweise im Bere<strong>i<strong>ch</strong></strong> der<br />
Antarktis<strong>ch</strong>en Konvergenz auf Nahrungssu<strong>ch</strong>e<br />
gehen. Die sogenannte Antarktis<strong>ch</strong>e<br />
Konvergenz umgibt die gesamte Antarktis<br />
und stellt ihre biologis<strong>ch</strong>e Grenze dar: An ihr<br />
werden die kalten Wassermassen aus der<br />
Antarktis von wärmerem Wasser aus der<br />
Subantarktis überlagert.<br />
Dadur<strong>ch</strong> werden in diesem Bere<strong>i<strong>ch</strong></strong> Nährstoffe<br />
angere<strong>i<strong>ch</strong></strong>ert, die ihrerseits zahlre<strong>i<strong>ch</strong></strong>e<br />
Konsumenten anlocken, unter anderem au<strong>ch</strong><br />
die Königspinguine. Die Brutinseln der<br />
Königspinguine befinden s<strong>i<strong>ch</strong></strong> aber entweder<br />
Die Tabelle zeigt, zu wel<strong>ch</strong>er Zeit die Königspinguine wie tief tau<strong>ch</strong>en.<br />
Die Ergebnisse entspre<strong>ch</strong>en dem Verhalten der Leu<strong>ch</strong>tsardinen.<br />
nördl<strong>i<strong>ch</strong></strong> oder südl<strong>i<strong>ch</strong></strong> der Konvergenz, und<br />
entspre<strong>ch</strong>end müssen die Vögel dann au<strong>ch</strong><br />
na<strong>ch</strong> Süden beziehungsweise Norden<br />
s<strong>ch</strong>wimmen. Das bedeutet, dass sie teilweise<br />
mehrere hundert Kilometer zurücklegen, um<br />
zu den nahrungsre<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Zonen zu gelangen,<br />
wobei Tagesstrecken von 100 Kilometern<br />
dur<strong>ch</strong>aus ma<strong>ch</strong>bar sind für diese Tiere. Aber<br />
wie s<strong>ch</strong>nell s<strong>ch</strong>wimmen Königspinguine<br />
eigentl<strong>i<strong>ch</strong></strong>?<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen haben ergeben, dass Königspinguine<br />
– wie au<strong>ch</strong> alle anderen Pinguinarten<br />
– eine konstante S<strong>ch</strong>wimmges<strong>ch</strong>windigkeit<br />
von etwa 8 Stundenkilometern beibehalten.<br />
Bei diesem Tempo ist das Verhältnis von<br />
der aufgewendeten Energie zur zurückgelegten<br />
Wegstrecke für Pinguine am rentabelsten,<br />
ähnl<strong>i<strong>ch</strong></strong> einem Kraftfahrzeug, das mit etwa 80<br />
Stundenkilometern im fünften Gang bewegt<br />
wird.<br />
Natürl<strong>i<strong>ch</strong></strong> we<strong>i<strong>ch</strong></strong>en die Pinguine au<strong>ch</strong> von dieser<br />
Ges<strong>ch</strong>windigkeit ab, zum Beispiel, wenn<br />
sie kurzfristig bes<strong>ch</strong>leunigen, um ein Beutetier<br />
zu verfolgen, oder ausgleiten. Tatsä<strong>ch</strong>l<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />
s<strong>ch</strong>wimmen Pinguine aber wesentl<strong>i<strong>ch</strong></strong> mehr<br />
als die genannten 100 Kilometer pro Tag, da<br />
sie in der Regel n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t strikte geradeaus von<br />
Punkt A na<strong>ch</strong> Punkt B s<strong>ch</strong>wimmen und s<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />
zudem im dreidimensionalen Raum bewegen,<br />
also tau<strong>ch</strong>en.<br />
Jagen mit den Augen<br />
Die maximale Tau<strong>ch</strong>tiefe – der tiefste Punkt<br />
eines jeden Tau<strong>ch</strong>gangs – ist abhängig von<br />
der L<strong>i<strong>ch</strong></strong>tintensität beziehungsweise der<br />
Tageszeit. Als optis<strong>ch</strong> orientierte Räuber<br />
benötigen Pinguine eine gewisse Helligkeit,<br />
um ihre Beute zu erkennen. Allerdings sind<br />
die Augen des Pinguins sehr gut an die<br />
bes<strong>ch</strong>ränkten L<strong>i<strong>ch</strong></strong>tverhältnisse in grösseren<br />
Auf zur Jagd, aber immer s<strong>ch</strong>ön der Reihe na<strong>ch</strong>. Wie alle Pinguine gehen au<strong>ch</strong> die Könige meist gemeinsam ins Wasser:<br />
In der Gruppe sind sie besser vor Fressfeinden ges<strong>ch</strong>ützt.<br />
Wassertiefen angepasst und in ihrer Sensibilität<br />
mit denjenigen einer Eule vergle<strong>i<strong>ch</strong></strong>bar.<br />
In der Na<strong>ch</strong>t, bei Dunkelheit, tau<strong>ch</strong>en die<br />
Königspinguine nie tiefer als 50 Meter. Mit<br />
dem Sonnenaufgang erhöht s<strong>i<strong>ch</strong></strong> aber die<br />
maximale Tau<strong>ch</strong>tiefe kontinuierl<strong>i<strong>ch</strong></strong>, und es<br />
werden tagsüber Wassertiefen von 300<br />
Metern und mehr erre<strong>i<strong>ch</strong></strong>t. Der tiefste jemals<br />
bei einem Königspinguin registrierte Tau<strong>ch</strong>gang<br />
betrug über 400 Meter! Gegen Abend<br />
reduziert s<strong>i<strong>ch</strong></strong> die Tau<strong>ch</strong>tiefe wieder.<br />
Dieses Verhaltensmuster reflektiert n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t nur<br />
die vorherrs<strong>ch</strong>enden L<strong>i<strong>ch</strong></strong>tverhältnisse, sondern<br />
au<strong>ch</strong> die Verteilung der Beutetiere:<br />
Königspinguine ernähren s<strong>i<strong>ch</strong></strong> überwiegend<br />
von kleinen Leu<strong>ch</strong>tsardinen, teilweise au<strong>ch</strong><br />
von Tintenfis<strong>ch</strong>en. Im Verlauf des Tages wandern<br />
Leu<strong>ch</strong>tsardinen vertikal in die Tiefe, wo<br />
sie s<strong>i<strong>ch</strong></strong> zu d<strong>i<strong>ch</strong></strong>ten S<strong>ch</strong>wärmen zusammentun.<br />
Gegen Abend steigen sie wieder ho<strong>ch</strong><br />
und verteilen s<strong>i<strong>ch</strong></strong> gle<strong>i<strong>ch</strong></strong>mässig unter der<br />
Wasseroberflä<strong>ch</strong>e, wo sie Phytoplankton<br />
abweiden.<br />
Die optis<strong>ch</strong>en Fähigkeiten der Königspinguine<br />
re<strong>i<strong>ch</strong></strong>en na<strong>ch</strong>ts in der Regel n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />
aus, um die in der Nähe der Wasseroberflä<strong>ch</strong>e<br />
befindl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Leu<strong>ch</strong>tsardinen zu<br />
erbeuten. Ledigl<strong>i<strong>ch</strong></strong> die Bioluminiszenz<br />
ihrer Beute, von der die Leu<strong>ch</strong>tsardine ihren<br />
Namen hat, ermögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>t es den Pinguinen,<br />
au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>ts einzelne Sardinen zu erwis<strong>ch</strong>en.<br />
Daher müssen die Vögel den Fis<strong>ch</strong>en tagsüber<br />
in grossen Tiefen na<strong>ch</strong>stellen, wo im<br />
klaren <strong>Polar</strong>wasser no<strong>ch</strong> ausre<strong>i<strong>ch</strong></strong>end L<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />
zum Aufspüren der Beute vorhanden ist.<br />
Diese Jagdstrategie wurde dur<strong>ch</strong> den<br />
Einsatz von Magentemperatursonden belegt:<br />
Fast nur tagsüber und in grossen Tiefen<br />
zeugten spontane Abfälle in der Magentemperatur<br />
von der Aufnahme eines kalten<br />
Der Fahrtens<strong>ch</strong>reiber ist s<strong>i<strong>ch</strong></strong>er im Gefieder<br />
befestigt und stört seinen Träger n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t.<br />
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<strong>Polar</strong> NEWS<br />
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