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möchte ich lesen... - Polar-Reisen.ch

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habe alle diese Eindrücke förml<strong>i<strong>ch</strong></strong> in m<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

reingesogen.<br />

So konnte <strong>i<strong>ch</strong></strong> meine Ideen entfalten und<br />

umsetzen. I<strong>ch</strong> habe au<strong>ch</strong> viele Fotos<br />

gema<strong>ch</strong>t, aber mit den Händen und Pinseln<br />

konnte <strong>i<strong>ch</strong></strong> das, was <strong>i<strong>ch</strong></strong> sah, in seiner ganzen<br />

Kraft aufs Bild bringen und meinen<br />

Gefühlen freien Lauf lassen. Man<strong>ch</strong>mal vergass<br />

<strong>i<strong>ch</strong></strong>, wie kalt es war, und <strong>i<strong>ch</strong></strong> malte<br />

solange, bis <strong>i<strong>ch</strong></strong> m<strong>i<strong>ch</strong></strong> verkrampfte: Meine<br />

Finger und Arme waren wie blockiert, einfa<strong>ch</strong><br />

steif vor Kälte. Auf dem S<strong>ch</strong>iff musste<br />

<strong>i<strong>ch</strong></strong> dann förml<strong>i<strong>ch</strong></strong> wieder auftauen.<br />

«Wenns na<strong>ch</strong> mir ginge: sofort!»<br />

Die Moskauer Künstlerin Liliya Slavinskaya fuhr während sieben Monaten per S<strong>ch</strong>iff dur<strong>ch</strong><br />

die Antarktis – und tat n<strong>i<strong>ch</strong></strong>ts anderes, als Lands<strong>ch</strong>aften und Tiere zu malen. Die meisten ihrer<br />

Bilder kann sie aber n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t mehr ausstellen. Liliya sagt, warum.<br />

Von Heiner Kubny (Text und Bilder)<br />

Wie kamen sie auf die Idee, die Galerie in<br />

Moskau zu verlassen und während sieben<br />

Monaten auf einem S<strong>ch</strong>iff, das in die<br />

Antarktis fährt, Bilder zu malen?<br />

Liliya Slavinskaya: Das kam so einfa<strong>ch</strong> wie<br />

überras<strong>ch</strong>end: Das S<strong>ch</strong>irs<strong>ch</strong>ow-Institut für<br />

Ozeanologie, das ist eine Abteilung der russis<strong>ch</strong>en<br />

Akademie der Wissens<strong>ch</strong>aften in<br />

Moskau, hat m<strong>i<strong>ch</strong></strong> angefragt. Das Institut<br />

plante eine we<strong>ch</strong>selnde Kunstausstellung auf<br />

dem eisverstärkten S<strong>ch</strong>iff «Akademik Ioffe»<br />

als eine Art Brücke zwis<strong>ch</strong>en den Touristen<br />

und den Fors<strong>ch</strong>ern, die auf diesem S<strong>ch</strong>iff<br />

unterwegs sind. I<strong>ch</strong> sollte quasi der Testlauf<br />

sein, und deshalb bot mir das Institut an, sieben<br />

Monate auf der «Akademik Ioffe»<br />

gle<strong>i<strong>ch</strong></strong> selber zu malen.<br />

Wie man sieht, waren Sie einverstanden...<br />

I<strong>ch</strong> war begeistert von der Idee einer<br />

Wanderausstellung am südl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Ende der<br />

Welt, auf hoher See – zumal das Institut<br />

sämtl<strong>i<strong>ch</strong></strong>e Ausstellungen über die Galerie Les<br />

Oréades veranstalten will, deren Direktorin<br />

<strong>i<strong>ch</strong></strong> seit zehn Jahren bin.<br />

Und <strong>i<strong>ch</strong></strong> war begeistert vom Angebot, in<br />

einer für m<strong>i<strong>ch</strong></strong> bis dahin no<strong>ch</strong> völlig unbekannten<br />

Welt zu malen. Also sagte <strong>i<strong>ch</strong></strong> spontan<br />

zu, und nur sieben Tage später war <strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

bereits an Bord der «Akademik Ioffe»<br />

War es ein Vorteil, so lange unterwegs zu<br />

sein?<br />

Ja, ganz bestimmt. I<strong>ch</strong> habe mehrere Zyklen<br />

des Lebens und der Lands<strong>ch</strong>aften auf den<br />

Falklands, auf South Georgia und der<br />

Antarktis<strong>ch</strong>en Halbinsel miterlebt und zu<br />

Papier gebra<strong>ch</strong>t. Im November sah <strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

Pinguine aus dem Ei s<strong>ch</strong>lüpfen. I<strong>ch</strong> war<br />

dabei, als diese im Februar flügge wurden<br />

und ins Meer gingen.<br />

War es s<strong>ch</strong>wierig, auf hoher See und in<br />

S<strong>ch</strong>nee und Eis zu arbeiten?<br />

I<strong>ch</strong> bin es gewohnt, unter s<strong>ch</strong>wierigen<br />

Umständen zu arbeiten. In Moskau gehen<br />

mir man<strong>ch</strong>mal die Farben aus, und nirgends<br />

gibt es Na<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ub. Und bis es in den Läden<br />

wieder Farbe gibt, habe <strong>i<strong>ch</strong></strong> alles Papier aufgebrau<strong>ch</strong>t...<br />

In meiner Heimat gehört das<br />

Improvisieren zu unserem Leben.<br />

Die S<strong>ch</strong>wierigkeit während der S<strong>ch</strong>iffsreise<br />

war das Wetter. Bei Kälte und Feu<strong>ch</strong>tigkeit<br />

zum Beispiel konnte <strong>i<strong>ch</strong></strong> keine Ölfarben<br />

benutzen, dann musste <strong>i<strong>ch</strong></strong> zu Buntstiften<br />

we<strong>ch</strong>seln. Die Körperhaltungen der Tiere<br />

musste <strong>i<strong>ch</strong></strong> immer sofort vor Ort malen, die<br />

kann man n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t später aus dem Gedä<strong>ch</strong>tnis<br />

na<strong>ch</strong>ze<strong>i<strong>ch</strong></strong>nen. Vielfa<strong>ch</strong> habe <strong>i<strong>ch</strong></strong> deshalb<br />

Rohskizzen geze<strong>i<strong>ch</strong></strong>net und diese auf dem<br />

S<strong>ch</strong>iff gle<strong>i<strong>ch</strong></strong>entags fertig gemalt. Nur bei<br />

Sturm und hohem Wellengang konnte <strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

an Bord n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t malen, vor allem keine<br />

Aquarelle. Dafür konnte <strong>i<strong>ch</strong></strong> bei guter<br />

Witterung die Bilder s<strong>ch</strong>on vor Ort fertig<br />

ausgestalten.<br />

Was ist das für ein Gefühl, mit Staffelei<br />

und Pinsel vor einer Pinguinkolonie zu<br />

stehen?<br />

I<strong>ch</strong> spürte die Kälte bis in meine Kno<strong>ch</strong>en,<br />

der Wind blies man<strong>ch</strong>mal heftig, und der<br />

Geru<strong>ch</strong> der Pinguinkolonie biss in der<br />

Nase... aber <strong>i<strong>ch</strong></strong> war begeistert von der<br />

Grösse der Natur, von dieser Wildnis. I<strong>ch</strong><br />

Wie reagierten die anderen Passagiere auf<br />

ihre Arbeit?<br />

Die Reaktionen waren dur<strong>ch</strong>s Band positiv.<br />

Die Passagiere haben m<strong>i<strong>ch</strong></strong> immer beoba<strong>ch</strong>tet<br />

und im wahrsten Sinne beflügelt. Für<br />

viele war es ein Erlebnis, mit dabei zu sein,<br />

wenn ein Bild entsteht. I<strong>ch</strong> konnte während<br />

den sieben Monaten auf See viele Bilder<br />

direkt an Bord verkaufen. Die Touristen<br />

können zwar Fotos ma<strong>ch</strong>en. Aber ein Bild<br />

mit na<strong>ch</strong> Hause nehmen, das auf ihrer Reise<br />

gemalt wurde, das war für alle neu.<br />

Entspre<strong>ch</strong>end war au<strong>ch</strong> das S<strong>ch</strong>irs<strong>ch</strong>ow-<br />

Institut für Ozeanologie von diesem Experiment<br />

begeistert.<br />

Wie viele Bilder haben Sie gemalt?<br />

Insgesamt waren es 350, Skizzen, Kohleze<strong>i<strong>ch</strong></strong>nungen,<br />

Aquarelle und Ölbilder in vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Formaten. Do<strong>ch</strong> tragis<strong>ch</strong>erweise<br />

sind die meisten heute zerstört.<br />

Was ist passiert?<br />

Am 4. Juli dieses Jahres geriet dur<strong>ch</strong> einen<br />

elektris<strong>ch</strong>en Kurzs<strong>ch</strong>luss die Wohnung<br />

unter meinem Moskauer Atelier in Brand.<br />

Das Haus wurde dur<strong>ch</strong> diese Feuersbrunst<br />

komplett zerstört, au<strong>ch</strong> fast mein ganzes<br />

Ar<strong>ch</strong>iv, also viele Bilder, die <strong>i<strong>ch</strong></strong> in den letzten<br />

dreissig Jahren gemalt hatte. Und rund<br />

dreihundert Bilder von meiner Antarktisreise.<br />

Zum Glück waren zu diesem Zeitpunkt<br />

vierzig Bilder in einer Galerie in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz ausgestellt und weitere zehn im<br />

Arktis/Antarktis-Museum in St. Petersburg.<br />

Vom ganzen Rest existieren nur no<strong>ch</strong> Fotos.<br />

Eigentl<strong>i<strong>ch</strong></strong> hätte <strong>i<strong>ch</strong></strong> über meine S<strong>ch</strong>iffsreise<br />

ein Bu<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en wollen... Aber vielle<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />

klappts ja no<strong>ch</strong> mit den Fotos.<br />

Sie müssten jetzt eigentl<strong>i<strong>ch</strong></strong> no<strong>ch</strong> einmal<br />

für sieben Monate auf die «Akademik<br />

Ioffe».<br />

Wenns na<strong>ch</strong> mir ginge: sofort! Diese sieben<br />

Monate auf dem S<strong>ch</strong>iff im <strong>Polar</strong>eis waren für<br />

m<strong>i<strong>ch</strong></strong> eines der s<strong>ch</strong>önsten Abenteuer meines<br />

Lebens.<br />

Ze<strong>i<strong>ch</strong></strong>nungen und Ölgemälde direkt aus der Antarktis.<br />

14 <strong>Polar</strong> NEWS<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

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