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GoodTimes - Music from the 60s to the 80s The Who (Vorschau)

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Erich Schmeckenbecher<br />

(Zupfgeigenhansel)<br />

Das Volkslied ist<br />

der deutsche Blues<br />

Mit dem Duo Zupfgeigenhansel (Partner: Thomas Friz) gehörte<br />

Erich Schmeckenbecher von 1974 bis 1986 zu den<br />

profiliertesten Vertretern der deutschen Folk- und Liedermacherszene.<br />

Beiden war die Erforschung jiddischen Liedgutes<br />

ebenso wichtig wie die Wiederentdeckung deutscher<br />

Volkslieder mit dem <strong>The</strong>ma Freiheit. Seit der Trennung ist<br />

Schmeckenbecher (60) als Solist aktiv. Sein jüngstes Produkt:<br />

das Live-Album DER VOGEL SEHNSUCHT.<br />

© Pressefo<strong>to</strong>s<br />

Woran ist Zupfgeigenhansel gescheitert?<br />

Thomas und ich haben inzwischen ein gutes Verhältnis;<br />

wir hatten ja mal ein bisschen Stress, der<br />

lag aber eher im inhaltlichen Bereich, was uns<br />

damals auseinandergebracht hat nach all den erfolgreichen<br />

Jahren. Das ist wohl eine Frage der<br />

Persönlichkeiten. Mir war immer das Weiterwollen,<br />

das Hinter-den Vorhang-Schauen wichtig.<br />

Ihr habt damals auch mit Produzenten-<br />

Legende Conny Plank gearbeitet.<br />

Conny war für unsere Karriere entscheidend! Die<br />

erste Platte hatten wir in Köln aufgenommen, eine<br />

klassische Studioproduktion, bei der die Künstler<br />

machen, was der Produzent sagt. Die Lieder haben<br />

wir dann zum Teil nicht mehr wiedererkannt. Bei<br />

Conny war das ganz anders: Der hatte Interesse an<br />

der Au<strong>the</strong>ntizität der Künstler. Ich habe mich gerade<br />

mit meiner letzten CD DER VOGEL<br />

SEHNSUCHT intensiv mit der Romantik<br />

beschäftigt – da wurde mir klar, dass<br />

Conny der klassische Romantiker war.<br />

Kommerz und Idylle haben ihn nie interessiert.<br />

Er wollte immer hinter die Dinge<br />

schauen. Das war eine geistige Haltung.<br />

Heute sind viele Musiker zu reinen Mitläufern<br />

geworden, zu Ja-Sagern, die sich<br />

in dieser pragmatischen Welt,<br />

in der wir leben, wohlfühlen<br />

und sich damit arrangieren.<br />

Das ist Idylle und Spießertum,<br />

die Romantiker stören da nur. Die klassischen Romantiker<br />

waren alle Störenfriede, und Conny war Kollegen: Es hieß schwäbischer Stur-<br />

"<br />

Zum 60. gab's viele Würdigungen von<br />

ein Ober-Störenfried. Da gab es nichts Konventionelles,<br />

es gab auch nichts, wozu er sagte, „das kann visionärer Liedermacher". Korrekt?<br />

schädel", liebenswerter Querdenker",<br />

"<br />

"<br />

man nicht machen".<br />

Ja,<br />

natürlich bin ich ein Querkopf,<br />

ein Grantler – ich meine,<br />

Eine weniger bekannte Seite von<br />

dass diese Welt ein bisschen<br />

Plank, den man ja eher von seiner Arbeit<br />

mit Kraftwerk, Scorpions, Ultra-<br />

Andere, die sich in dieser Welt<br />

Granteln schon verdient hat.<br />

vox oder den Eurythmics kannte ...<br />

wohlfühlen, mögen das als<br />

Ihn hat die Musik sehr interessiert, gerade auch<br />

Störung empfinden und auch<br />

das Volkslied. Mit Zupfgeigenhansel haben wir<br />

als unkommerziell. Aber das<br />

auch das normale Heino- und Stadl-Business ge-<br />

geht mir komplett am Arsch<br />

stört. Daran hatte er großen Gefallen, auch an der<br />

his<strong>to</strong>rischen Tiefe und dem handwerklichen Können.<br />

Wir haben bei<br />

Conny nie Overdubs<br />

gemacht! Der<br />

absolute<br />

Klassiker<br />

ist unsere jiddische<br />

LP, die heute noch<br />

Standard ist und<br />

mehr oder weniger<br />

den Klezmer-Boom<br />

der späteren Jahre<br />

mit ausgelöst hat.<br />

Mit 60 Jahren zieht man vielleicht<br />

Zwischenbilanz. Wie fiel deine aus?<br />

Es gibt viele Brüche und Veränderungen. Ich<br />

hätte die Geschichte mit Zupfgeigenhansel gern<br />

anders weitergeführt: in identischer Besetzung,<br />

als eine Art Flying Burri<strong>to</strong> Bro<strong>the</strong>rs, mehr in die<br />

Rockmusik gehend, ohne solche zu spielen. Das<br />

war dann für mich später das Vorbild für Erich &<br />

Das Polk. Ich schreibe heute noch immer Rocktitel,<br />

die ich vielleicht bald mal auf einer Platte<br />

zusammenfasse. Da wohnen zwei Seelen in meiner<br />

Brust!<br />

vorbei, das interessiert mich überhaupt<br />

nicht. Ich sage: Wenn mir die Kunst kein Brötchen<br />

schmiert, dann gehe ich eben die Straße kehren.<br />

Du hast dich mit DER VOGEL SEHN-<br />

SUCHT selbst beschenkt, mit einem<br />

sehr opulenten Booklet inklusive sehr<br />

ausführlicher Erklärungen ...<br />

Da schwimme ich wieder gegen den Strom. Die Industrie<br />

sagt, „Das kann man nicht bezahlen", also<br />

zahlt der Erich Schmeckenbecher das aus seiner eigenen<br />

Tasche (lacht). Für mich gehören die Dinge<br />

zusammen, ich muss solche Booklets machen! Das<br />

war bei der jiddischen Platte schon so, das war bei<br />

den Volksliedern so – da haben wir die geschichtlichen<br />

Hintergründe erklärt. Mir geht es auch ums<br />

Mitteilen, das zu sagen, was ich zu sagen habe.<br />

Und wenn ich dafür ein 40-Seiten-Booklet brauche,<br />

dann mache ich das!<br />

Wie geht's jetzt weiter?<br />

Ich hatte vor zwei Jahren einen Herzinfarkt, jetzt<br />

spiele ich wieder mehr live. Ich möchte auf diesem<br />

Weg verdeutlichen, dass das Volkslied auch Volksleid<br />

ist. Das Volkslied ist der Blues der Deutschen!<br />

Philipp Roser<br />

Seite 86 ■ <strong>GoodTimes</strong> 3/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>

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