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Lebens wege<br />
einen Unfall aussehen!<br />
dieser Phase nicht im Regen stehen<br />
und schrieb: »Lieber Stefan, wenn<br />
dich morgen der Pfarrer zum entscheidenden<br />
Vorgespräch empfängt,<br />
ist es von großer Bedeutung, dass<br />
du die Sache eiskalt durchziehst.<br />
Lass dich auf keine Fragen zum Katechismus<br />
ein und schon gar nicht<br />
aufs Kreuz legen. Grundsätzlich gilt<br />
auch hier: Sprich nicht über Multiples!<br />
Dein Dirk. PS: Und solltest du<br />
zwischendurch den Glauben an eine<br />
höhere Autorität verlieren, denk einfach<br />
an mich.« Nur einen Tag später<br />
antwortete der Stefan: »Gesegnet<br />
seist du, Dirk!«<br />
Inmitten des Kalten Krieges mussten<br />
die beiden zur Musterung. Der<br />
Dirk hatte gleich doppeltes Glück.<br />
Zum einen konnte er eine Sehschwäche<br />
von minus 15 Dioptrien vorweisen;<br />
zum anderen machte er gerade<br />
eine Banklehre und galt somit als<br />
systemrelevant. Kein Kreiswehrersatzamt<br />
dieser Welt hätte ihn eingezogen.<br />
Der Stefan hingegen musste<br />
zum Bund – trotz Übergewichts,<br />
Der frühe Briefwechsel<br />
zwischen Stefan Mappus<br />
und Dirk Notheis ist<br />
aufgetaucht – das Zeugnis<br />
einer zarten, reinen<br />
Knabenliebe<br />
Schweißfüßen und Enuresis. Bevor<br />
er den Wehrdienst antrat, erhielt der<br />
Stefan vom Dirk den Befehl: »Lieber<br />
Stefan, achte darauf, dass du die<br />
kommenden zwanzig Monate nicht<br />
sinnlos verstreichen lässt. Eigne dir<br />
Fähigkeiten an, die dir auch bei deiner<br />
politischen Karriere nutzen. Lass<br />
dich unbedingt am Wasserwerfer<br />
ausbilden. Das schadet nie. Dein<br />
Dirk. PS: Gewöhne dir an, mit dem<br />
Rücken zur Wand zu stehen. Besonders<br />
beim Duschen.«<br />
Als Banker in Frankfurt lagen dem<br />
Dirk die Frauen zu Füßen. Sie liebten<br />
ihn und seinen Gestank nach Geld.<br />
Der Stefan dagegen roch immer<br />
noch nach Pforzheim. Als er dann<br />
doch endlich sein erstes Date hatte,<br />
wollte Freund Dirk nichts dem Zufall<br />
überlassen und schrieb: »Lieber Stefan,<br />
du musst die Sache jetzt konsequent<br />
durchziehen. Deine Leute<br />
von der Fraktion kannst du immer<br />
noch später einweihen. Was wir<br />
jetzt gar nicht brauchen können, ist<br />
Sand im Getriebe. Lade das Mädchen<br />
zum Essen ein und gib dem<br />
Kellner ein sehr, sehr üppiges Trinkgeld.<br />
So was macht Eindruck. Dein<br />
Dirk. PS: Erzähl ihr nicht gleich beim<br />
ersten Treffen von deiner CDU-Mitgliedschaft.«<br />
Am Morgen danach<br />
schrieb ein dankbarer Stefan an seinen<br />
Dirk: »Großartiger Dirk, ich<br />
stehe zutiefst in deiner Schuld. Eines<br />
Tages werde ich mich revanchieren.<br />
Dein Moppel.«<br />
So endet der Briefwechsel. Aber<br />
für alle Fans von Dr. Notheis und Mr.<br />
Mappus gibt es eine frohe Botschaft:<br />
Fortsetzung folgt. Der Stammheim<br />
Verlag hat sich bereits die Rechte<br />
für die Knast-Konversation ge si -<br />
chert, die allerspätestens in dreißig<br />
Jahren in den Buchläden landen<br />
wird.<br />
Florian Kech<br />
Zeichnung: Burkhard Fritsche<br />
EULENSPIEGEL 9/12 27