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war ihr der Honecker abhanden gekommen, der<br />
doch noch prima als Attraktion für den Heimattiergarten<br />
gegangen wäre, und nun gab’s auch<br />
noch Krach um den einstmals so stillen See: Der<br />
Seglerverein zum Beispiel sollte seine Boote<br />
plötzlich nur noch per Hand ins private Ge wässer<br />
tragen dürfen, weil er seine Slipanlage nicht<br />
hatte genehmigen lassen. Bis dahin galten Slips<br />
als selbstverständlich, und zwar nicht nur bei<br />
den Seglerinnen. Jetzt aber wollte der See -<br />
besitzer mitbestimmen – die Folge: ordentlich<br />
Remmidemmi vor Gericht. Dies umso mehr, als<br />
der Seebesitzer nicht nur mit dem feuchten Element,<br />
sondern als Anwalt auch noch mit vielen<br />
trockenen Paragraphen vertraut war.<br />
Beim altvertrauten Blick in die Akten hatte er<br />
nebenher noch herausgefunden, dass sein See<br />
seit der letzten Vermessung leider eingelaufen<br />
war, aber davon ließ er sich nicht verdrießen.<br />
Im Gegenteil: Da gehörten ihm ja jetzt auch noch<br />
Teile des Ufers! Die Folge: 150 Stegbesitzer mussten<br />
ihre Wasserzugänge noch mal neu kaufen.<br />
Der Jubel war unbeschreiblich – zumindest bei<br />
der Hausbank des Seebesitzers.<br />
Trotzdem dämmerte nun auch dem Letzten,<br />
dass ein vermeintlich unbeachtetes Volkseigentum<br />
plötzlich zur Gelddruckmaschine werden<br />
konnte, wenn man eine Weile nicht hinguckte.<br />
Deshalb weckten sich die wackeren Brandenburger<br />
gegenseitig aus dem Tiefschlaf und<br />
schwo ren einander hoch und heilig, ab sofort<br />
genau auf die volkseigene Restekiste aufzupassen.<br />
Aber so was von! Kein See sollte mehr einfach<br />
verscherbelt werden! Und wenn doch, wie<br />
jetzt gerade wieder beim Bund? Na, dann muss<br />
eben das Land Brandenburg ran und den<br />
ganzen Klumpatsch kaufen – irgendeine Obrigkeit<br />
war doch immer fürs Volkseigentum zuständig!<br />
Gesagt, getan. Leider jedoch merkte Brandenburg<br />
bald, dass es zwar am Wasser liegt, aber<br />
sonst nicht weiter flüssig ist. An den verlangten<br />
Preis von sechs Millionen für die ganze Packung<br />
war nicht im Traum zu denken. Darum sollten<br />
nun bloß noch die »touristisch wertvollen« Einzelstücke<br />
herausgekauft werden. Nur die Kirschen<br />
aus der Schwarzwälder Torte sozusagen.<br />
Was man sich unter »wertvoll« vorzustellen hat,<br />
muss aber noch geklärt werden. Wahrscheinlich<br />
tritt erst eine Kommission aus Gastwirten, Badehosenherstellern<br />
und Rotbauchunken zusammen,<br />
um ein Fachurteil abzugeben. Das bundeseigene<br />
»Schwarze Loch« bei Eisen hütten stadt<br />
werden die Herrschaften wohl nicht zum Kauf<br />
empfehlen: Es hat zwar drei Hektar Fläche, aber<br />
keinen Tropfen Wasser drin – wahr schein lich<br />
wurde das schon beizeiten von der Treuhand<br />
verjubelt.<br />
Trotzdem sollten die Märker auch solches Leergut<br />
nicht geringschätzen. Bei den Ertrunkenen<br />
belegt Brandenburg nämlich bundesweit noch<br />
immer einen Spitzenplatz. Da könnten die Leute<br />
eigentlich dankbar sein, wenn bei ihnen mal ein<br />
See verschwindet.<br />
Reinhard Ulbrich<br />
Zeichnungen: Barbara Henniger<br />
EULENSPIEGEL 9/12 31