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Grass!<br />
In diesen Tagen beschenkt Günter Grass uns mit<br />
einem Band frischer Gedichte. Hat er also doch<br />
noch ein Pfützchen Tinte aufgetrieben!<br />
Für die Verehrer des Altmeisters hier die schönsten<br />
und brisantesten Verse aus diesem Werk<br />
vorab – exklusiv für EULENSPIEGEL – und mit<br />
freundlicher Genehmigung jenes Mannes,<br />
dessen Namen wir nicht durch inflationäres<br />
Immunde führen schal werden lassen wollen!<br />
Vermitttelt hat den Deal Gerhard Henschel.<br />
Günter währt am längsten<br />
Wer hat den längsten Atem? Rechnet<br />
nach: Ich amtiere<br />
seit 1959 als berühmtester<br />
deutscher Schriftsteller.<br />
Man kann mich schmähen,<br />
doch man kann mich nicht abwählen.<br />
Man kann mich beschimpfen,<br />
doch man kann mich nicht stürzen.<br />
Ich bin unkündbar.<br />
Ich bin unsterblich.<br />
Ich habe alle überlebt –<br />
Hitler.<br />
Stalin.<br />
Adenauer.<br />
Die Beatles.<br />
Mao.<br />
Willy Brandt.<br />
Rex Gildo.<br />
Heinrich Böll.<br />
Die DDR.<br />
Helmut Kohl.<br />
Whitney Houston.<br />
Amy Winehouse.<br />
Ed von Schleck.<br />
Begreift ihr jetzt<br />
<strong>bitte</strong> endlich,<br />
wie wichtig ich bin?<br />
Praxisgebühr, nein danke!<br />
Alle reden von der Eurozone.<br />
Ich nicht.<br />
Ich rede von der Praxisgebühr.<br />
Alle reden von der Wahlrechtsreform.<br />
Ich nicht.<br />
Ich rede von der Praxisgebühr.<br />
Alle reden von Günter Grass.<br />
Ich nicht.<br />
Ich rede von –<br />
Halt! Moment mal!<br />
Wovon reden alle?<br />
Von mir?<br />
Habe ich da nicht auch noch<br />
ein Wörtchen<br />
mitzureden?<br />
Berlins Schande<br />
Warum nur, so frage ich mich, hat eigentlich niemand<br />
mich, den doch weiland bedeutendsten Bürger Berlins,<br />
beizeiten um meine Meinung zum großen Planungschaos<br />
gebeten, durch das die Eröffnung des neuen Berliner<br />
Flughafens in rufschädigender Verzögerung sich verliert?<br />
Ich hätte schon eine Meinung dazu gehabt. Aber niemand,<br />
geschweige denn die Planungsgesellschaft PGBBI,<br />
hat mich konsultiert. Bin ich selbst denn ein Niemand?<br />
Odysseus gleich, dem weitgereisten, der in der Höhle<br />
des Polyphem speerschleudernd sich entwand<br />
und, einen Ausweg suchend, dem zyklopischen Auge<br />
entrann, das, getroffen, erblindete? Doch wie wäre<br />
Odysseus entfleucht, wenn er, so wie wir, in der Not<br />
auf ein Luftschiff angewiesen gewesen wäre, das<br />
Im Spree-Athen unserer Zeit keinen Hafen besitzt?<br />
40 EULENSPIEGEL 9/12