HDTV IFA-Knaller (Vorschau)

Land der unbegrenzten
Möglichkeiten
In Sachen Unterhaltungselektronik sind nicht die USA das Land der unbegrenzten
Möglichkeiten, sondern Japan. Während Nippons Töchter und Söhne sich bereits an
HD-DVD- und Blu-ray-Recordern erfreuen, müssen die Europäer weiter darben.
VON THOMAS MEYER
Tokio bei Nacht: Von der 250 Meter hohen
Plattform des „Tokyo Tower“ aus
gesehen scheinen auf den ersten Blick
nur die Lichter der Wolkenkratzer herüber, doch
weiter unten auf den Straßen lässt das Lichtergewusel
erahnen, dass die 20-Millionen-Metropole
niemals schläft. Die Japaner halten sich
am liebsten im Büro oder auf der Straße auf.
Zuhause müssen sie sich schließlich mit weniger
Wohnraum begnügen als wir Deutschen.
Wer es sich leisten kann, steckt sein Geld lieber
in die neueste Technologie. So drängten sich im
Juli 2006 Tausende, wenn nicht sogar Zehntausende
Japaner vor den Elektronikmärkten. Ziel
ihrer Begierde: der RD-A1 von Toshiba, der erste
HD-DVD-Recorder der Welt. Der schmucke Silberkasten
komprimiert das HD-Signal mit den
Codecs H.264 und VC-1 und kann auf Singleoder
Dual-Layer HD-DVD-R-Discs schreiben. Alternativ
steht eine extragroße Festplatte bereit,
um hochauflösendes Fernsehen aufzunehmen:
ein Terrabyte! Wo hat man solch eine Kapazität
schon einmal gesehen?
HD-DVD- und Blu-ray-Recorder
Toshibas HD-DVD-Player RD-A300 für 2 000 Euro
hat eine 300-Gigabyte-Festplatte
Mehr Aufnahmekapazität als der D-A300 bietet der
RD-A600 mit 600-Gigabyte-Festplatte
Kein Sonderangebot
Einziges Problem: Mit einem Preis von 450 000
Yen, umgerechnet zirka 2 700 Euro, war der
RD-A1 nicht gerade ein Sonderangebot – noch
nicht einmal für technologieverrückte Japaner.
So ebbte die anfängliche Euphorie um
den ersten HD-DVD-Recorder der Welt über
die Monate ab und Hersteller Toshiba musste
reagieren. Gerade mal ein Jahr nach seiner
Markteinführung wird der RD-A1 beerbt, und
zwar nicht von einem, sondern von gleich zwei
Nachfolgern. Der Toshiba RD-A300 hat nicht,
wie der Name denken lässt, utopische 300
Terrabyte Speicherkapazität an Bord, sondern
nur 300 Gigabyte. Was auf den ersten Blick als
ein Rückschritt erscheint, ist auf den zweiten
durchaus sinnvoll. Der RD-A600 kann immer
noch bis zu 39 Stunden Fernsehen im hochauflösenden
Bildformat aufnehmen, kostet allerdings
umgerechnet nur noch 2 000 Euro. Wer
mehr Aufnahmekapazität wünscht als beim
RD-A300, wählt den RD-A600 mit 600 Gigabyte
großer Festplatte – das reicht für zirka 78
Stunden HDTV.
Fortschritt im Detail
Der Fortschritt steckt beim RD-A300 bzw. RD-
A600 im Detail. Beide Geräte können zwei
hochauflösende TV-Programme parallel aufnehmen,
während der Zuschauer ein drittes live
verfolgt. Außerdem laden die beiden neuen Geräte
der „Vardia“-Serie die HD-DVDs schneller
als der RD-A1 und rufen den EPG und das On-
Screen-Menü zügiger auf als ihr Vorgänger. Ein
Clou der besonderen Art: Spielt der Nutzer eine
herkömmliche DVD ab, kann er diese trotzdem
im hochauflösenden Format genießen. Möglich
macht dies der integrierte „Upscaler“, der von
der Firma Anchor Bay Technologies zugeliefert
wird und das niedrigformatige Bild auf 1 080p
Blu-ray-Recorder für Einsteiger: Der Panasonic DMR-
BR100 verfügt über eine 250-Gigabyte-Festplatte
Multitalent: Der Panasonic DMR-BW200 glänzt
durch eine 500-Gigabyte-Festplatte und gleich
sieben TV-Tuner
hochskaliert. Ganz anders dagegen Deutschland:
Natürlich ist die HD DVD ebenso wie das
Konkurrenzformat Blu-ray ein Thema hierzulande
und der Markt schon mit Playern von
Toshiba, LG Electronics, Samsung, Panasonic,
Pioneer und Sony versorgt. Recorder, die HDTV-
Inhalte auf HD DVD oder Blu-ray bannen, sucht
man jedoch hierzulande bis dato vergebens.
Während man sich in Japan bereits an der zweiten
Generation von HD-DVD-Recordern erfreut
und Panasonic mit dem DMR-BR100 und dem
DMR-BW200 die ersten Blu-ray-Recorder auslieferte,
wird man sich in Deutschland auch
noch über dieses Jahr hinaus gedulden müssen.
„Bis 2008 sind keine Recorder für den deutschen
Markt vorgesehen“, heißt es etwa von
Toshiba Deutschland gegenüber HD+TV. Auch
bei Pioneer, dem Hersteller des Blu-ray-Players
BDP-LX70, und bei LG Electronics, das mit dem
BH100 den bislang einzigen Kombi-Player für
HD DVD und Blu-ray in Deutschland anbietet,
gibt es keine Planungen, einen Recorder für
HDTV in Europa anzubieten.
Der Grund für die Zurückhaltung ist offensichtlich.
„Es gibt zurzeit keinen geeigneten Full-HD-
Content, außer den von Premiere HD“, sagt ein
Toshiba-Sprecher. Schuld an dieser Situation
tragen aus Sicht der Hersteller die TV-Veranstalter,
wobei besonders die Öffentlich-Rechtlichen
in der Kritik stehen. „Wenn selbst die
Olympischen Sommerspiele 2008 von ARD und
ZDF nicht in HD gezeigt werden, obwohl diese
komplett in HD produziert werden, gibt es für
den Endkunden natürlich keinen Anreiz, einen
Blu-ray- oder HD-DVD-Recorder zu kaufen“, so
Jürgen Timm gegenüber HD+TV. Deshalb rechnet
der Produktmanager Home Entertainment
& Consumer Plasma Display bei Pioneer auch
damit, dass frühestens 2010 solche Geräte in
den Regalen stehen werden. In drei Jahren wollen
die Öffentlich-Rechtlichen nämlich mit den
Olympischen Winterspielen in Vancouver ins
hochauflösende Zeitalter starten. Leider werden
dann nicht alle Zuschauer mit dabei sein.
Geplant ist die HDTV-Ausstrahlung zunächst
einmal nur via Satellit.
Bilder: Panasonic, Photocase.com/Goodfield, Toshiba
056 www.hdplustv.de