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WIRTSCHAFT+MARKT Nur mit Steuerbonus (Vorschau)

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A 40799 ■ ISSN 0863-5323 ■ 23. Jahrgang ■ März 2012 ■ Preis: EURO 3,50<br />

Wirtschaft&Markt<br />

Wirtschaft&Markt<br />

DAS OSTDEUTSCHE WIRTSCHAFTSMAGAZIN<br />

MARKEN<br />

Irrer Duft von Erfolg<br />

MACHER<br />

Formel 1 unter Strom<br />

MÄRKTE<br />

Zeit für neue Strategien<br />

EXTRA<br />

TOP 100<br />

IN OSTDEUTSCHLAND<br />

Handwerks-Präsident Kentzler zur Energiewende:<br />

<strong>Nur</strong> <strong>mit</strong> <strong>Steuerbonus</strong>


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EDITORIAL<br />

Gauck im Glück<br />

HELFRIED LIEBSCH<br />

Chefredakteur<br />

MÄRKISCHE<br />

BILDUNGS-<br />

MESSE 2012<br />

Schirmherr: Matthias Platzeck,<br />

Ministerpräsident des Landes Brandenburg<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

Deutschland suchte den Superpräsidenten<br />

und es schien, als habe der allenthalben<br />

beklagte Fachkräftemangel das<br />

höchste Amt erreicht. Potenzielle Nachmieter<br />

für das Schloss Bellevue winkten<br />

ab. Der Boulevard bestand auf dem »Präsidenten<br />

der Herzen« und führte 54 Prozent<br />

pro Gauck bei einer Blitz-Umfrage<br />

ins Feld – und die kleinere Regierungspartei<br />

entdeckte, dass nur dieser Kandidat<br />

bürgerlich-liberal sei. Also schwarzgelb,<br />

nachdem er vor 20 Monaten noch<br />

rot-grün war. Gauck im Glück. So schnell<br />

kann’s gehen – hoffentlich geht’s gut.<br />

Denn es hat schon etwas, wenn Kanzlerin<br />

und Präsident die Ungnade der ostdeutschen<br />

Geburt hintertreiben. Es hat<br />

schon etwas, wenn der Schwanz <strong>mit</strong> dem<br />

Hund wedelt, wie die FDP <strong>mit</strong> der Union.<br />

Angela Merkel hatte nicht von ungefähr<br />

etwas gegen Joachim Gauck. Ihr Argwohn<br />

dürfte sich nicht nur aus einer<br />

Quelle speisen. Und sie hat es immer verstanden,<br />

die Zeit für sich arbeiten zu lassen,<br />

Niederlagen in Siege zu verwandeln.<br />

Je nun – Präsidenten kommen und gehen.<br />

Die Probleme bleiben. Eurokrise,<br />

Energiewende und besagter Fachkräftemangel<br />

vor dem Hintergrund der demografischen<br />

Entwicklung (S. 10). Die Suche<br />

nach geeignetem Nachwuchs, gern auch<br />

<strong>mit</strong>tleren Alters, treibt Unternehmerinnen<br />

und Unternehmer um. Nach Einschätzung<br />

des VDI geht in Deutschland<br />

die Hälfte aller Ingenieure demnächst in<br />

Rente. Heute liegt deren Durchschnittsalter<br />

bei 50 Jahren. Es mag zynisch<br />

klingen, aber welcher Geschäftsführer<br />

ersetzt heute eine 65-jährige Fachkraft<br />

durch eine 60-jährige? 2010 bot beispielsweise<br />

Siemens Leuten ab Jahrgang 1954<br />

eine Abgangsprämie von 35.000 Euro an,<br />

um in einem Tochterunternehmen Stellen<br />

abzubauen. Das mag betriebswirtschaftlich<br />

vernünftig sein, volkswirtschaftlich<br />

– wenn es alle so halten – ist es<br />

schlicht kontraproduktiv.<br />

Wo<strong>mit</strong> wir wieder beim künftigen<br />

Bundespräsidenten wären, der sich mal<br />

als einen linken, liberalen Konservativen<br />

bezeichnet hat. Bisher hat er öffentlich<br />

viel über Freiheit und Eigenverantwortung<br />

nachgedacht, weniger über Zusammenhalt<br />

und Solidarität. Aber wem Gott<br />

ein Amt gibt, heißt es, den segnet er<br />

auch <strong>mit</strong> (Sach-)Verstand. Das gilt nicht<br />

nur für 72-Jährige wie den Rostocker Ex-<br />

Pfarrer, sondern auch für Endfünfziger<br />

im Beruf. Sie verdienen das Glück einer<br />

Chance. Auch die Antwort auf die Frage,<br />

ob Gauck ein gescheiter Präsident für<br />

alle Deutschen wird, kann nicht aus der<br />

Vergangenheit und der Erfahrung, sondern<br />

muss aus der Zukunft kommen.<br />

Herzlichst<br />

Ihr<br />

30.-31. März<br />

POTSDAM<br />

Filmpark Babelsberg, Großbeerenstraße<br />

Veranstalter:<br />

AUSSTELLUNGSTHEMEN:<br />

Schule, Ausbildung, «<br />

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ÖFFNUNGSZEITEN<br />

3.11.: 11-20 Uhr<br />

4.11.: 11-18 Uhr<br />

3.-4. N OVEMBER


INHALT<br />

WIRTSCHAFT & MARKT<br />

im März 2012<br />

INTERVIEW W&M PLUS BERICHT<br />

SEITE 28<br />

SEITE 22 SEITE 60<br />

BURGBACHER ZU CHINA:<br />

Chancen nutzen, Risiken beachten<br />

TOP 100 ARBEITGEBER OST:<br />

Verkehrs- und Handelsunternehmen vorn<br />

LOGISTIK IM RAUM LEIPZIG/HALLE :<br />

Ansturm auf Schkeuditzer Frachtdrehkreuz<br />

Editorial<br />

Aktuell<br />

3<br />

6<br />

Gauck im Glück<br />

Interview, Nachrichten, Pro und Contra, Impressum<br />

Wirtschaft und Politik<br />

Special<br />

Analyse<br />

TITEL<br />

10<br />

14<br />

36<br />

20<br />

52<br />

OTTO KENTZLER, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks,<br />

über meisterliche Frauen, die Energiewende und die Blockade der Gebäudesanierung<br />

SOLARENERGIE: Solarion AG leuchtet hell, doch auf die Branche fallen Schatten<br />

CEBIT 2012: Mit Cloud-Tech auf infomationstechnologischer Wolke 7<br />

FINANZMÄRKTE 2012: Zeit für neue Strategien im Investment<br />

FÖRDERMITTEL IN MITTELDEUTSCHLAND: Abschied von der Gießkanne<br />

Fotos: BMWi, T. George, H. Lachmann<br />

Interview<br />

Serie<br />

W&M Plus<br />

W&M-Service<br />

Verbands-News<br />

Bericht<br />

W&M-Automobil<br />

Tourismus<br />

Ständige Rubriken<br />

W&M-Privat<br />

Kolumnen<br />

22<br />

44<br />

24<br />

28<br />

46<br />

54<br />

56<br />

60<br />

58<br />

59<br />

62<br />

64<br />

34<br />

66<br />

ERNST BURGBACHER, Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung,<br />

zur Entwicklung der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit<br />

PROF. OLIVER HOLTEMÖLLER UND DR. JUTTA GÜNTHER, Interimsvorstände des<br />

Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, zum Aufholprozess und zur Förderpolitik<br />

MARKEN-MACHER-MÄRKTE: Miltitz Aromatics: Ein irrer Duft von Erfolg<br />

LÄNDERREPORT: Die Top 100 der ostdeutschen Unternehmen<br />

Steuern, Geld, Recht<br />

VBIW: Auf Erdgas setzen<br />

WARMBOLD ENERGIE UND KLIMA GMBH: Formel 1 unter Strom<br />

LOGISTIK IN MITTELDEUTSCHLAND: Schkeuditzer Frachtdrehkreuz<br />

NEUFAHRZEUGE IM TEST: Fiat Panda und Citroen DS5<br />

WELLNESS IN BAD SULZA/THÜRINGEN: Top-Form<br />

UV-AKTUELL: Nachrichten aus den Unternehmerverbänden<br />

Bücherbord, Leute & Leute, Leserbriefe<br />

HEINER FLASSBECK: Statistik und andere Lügen<br />

KLAUS VON DOHNANYI: Mehr politische Zivilcourage<br />

Inhalt<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 5


AKTUELL<br />

Fotos: DPA, Archiv (2)<br />

INTERVIEW<br />

ROLF PAUKSTAT,<br />

Präsident<br />

des Unternehmerverbandes<br />

Norddeutschland<br />

Mecklenburg-<br />

Schwerin e.V.<br />

Kooperation ist Trumpf<br />

W&M: Herr Paukstat, Ihr Verband<br />

verzeichnet einen deutlichen Mitgliederzuwachs.<br />

Wie kommt’s?<br />

PAUKSTAT: Die Stimmung in der<br />

Wirtschaft Westmecklenburgs<br />

ist überwiegend positiv. 2011<br />

war gut. Den Schwung haben<br />

wir <strong>mit</strong>genommen ins Jahr 2012.<br />

W&M: Auch in die Verbandsarbeit?<br />

PAUKSTAT: Die Unternehmer<br />

fühlen sich von uns gut vertreten.<br />

Wir passen unsere Arbeit<br />

der Problemlage an.<br />

W&M: Und die wäre?<br />

PAUKSTAT: Jahrelang haben wir<br />

auf die Ansiedlung von Großindustrie<br />

gehofft. Das hat sich<br />

nicht erfüllt. Wir setzen jetzt auf<br />

regionale Kooperationen.<br />

W&M: Was geschieht da aktuell?<br />

PAUKSTAT: Der Verband ist regional<br />

organisiert, orientiert an<br />

den Landkreis- bzw. Strukturen<br />

der kreisfreien Städten. So können<br />

wir die Probleme der örtlichen<br />

Wirtschaft aufgreifen<br />

und vertreten. Aktuell ergänzen<br />

wir dies um eine Kooperation<br />

<strong>mit</strong> den Verbänden Rostock und<br />

Vorpommern. Ziel ist ein intensiverer<br />

Wissensaustausch.<br />

W&M: Mit welchen Schwerpunkten?<br />

PAUKSTAT: Energiewirtschaft<br />

inklusive Photovoltaik, Gesundheitswirtschaft,<br />

verarbeitendes<br />

Gewerbe, Tourismus und tourismusaffine<br />

Dienstleistungen.<br />

W&M: Wie steht der Verband zum<br />

Mindestlohn?<br />

PAUKSTAT: So, wie die Politik das<br />

sieht, wird es bei uns nicht gehen.<br />

Schon gar nicht im saisonabhängigen<br />

Dienstleistungsgewerbe.<br />

Unsere Strategie heißt:<br />

Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern<br />

und -nehmern entsprechend<br />

den konkreten Branchen-<br />

und Betriebsbedingungen.<br />

Nicht politisch, sondern betriebswirtschaftlich<br />

orientiert.<br />

Interview: Peter Jacobs<br />

Firmengründungen<br />

Hauptstadt im Boom<br />

Berlin zählte 2011 über 40.000 Firmengründungen.<br />

Doppelt soviel wie im Bundesdurchschnitt.<br />

UNESCO-Kandidat<br />

TRADITIONSMARKEN<br />

Meißen will es wissen. Oberbürgermeister<br />

Olaf Raschke hat<br />

die Bewerbung um den Namen<br />

»Porzellanstadt Meißen« eingereicht.<br />

Die Elbestadt bringt ihr<br />

berühmtestes Unternehmen in<br />

Stellung, um sich einen Platz<br />

auf der Weltkulturerbeliste zu<br />

erobern. Obwohl die von König<br />

August dem Starken gegründete<br />

heutige Staatliche Porzellan-<br />

Manufaktur Meissen zurzeit<br />

in wirtschaftlichen Schwierigkeiten<br />

steckt, genießt der<br />

Name weiterhin Weltruf. Im<br />

Rahmen der Sanierung will das<br />

Unternehmen nun auch in den<br />

Bereichen Schmuck, Architektur<br />

und Inneneinrichtung international<br />

tätig werden.<br />

DYNAMIK-RANKING<br />

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und die Wirtschafts-<br />

Woche bewerten jedes Jahr die Entwicklung der Bundesländer<br />

Entwicklung der Jahre 2007 bis 2010 in Punkten<br />

1. Brandenburg 65,4<br />

2. Berlin 60,1<br />

3. Mecklenburg-Vorpom. 60,0<br />

4. Sachsen 54,4<br />

5. Sachsen-Anhalt 53,8<br />

6. Thüringen 52,1<br />

7. Hamburg<br />

...<br />

50,2<br />

12. Hessen: 45,3<br />

Die Zahl von 40.000 neu<br />

gegründeten Unternehmen<br />

verzeichnete<br />

im vergangenen Jahr Berlin.<br />

Junge Existenzgründer suchen<br />

ihre Chancen besonders<br />

im Gesundheits- und Sozialwesen.<br />

Die IHK Berlin sieht<br />

darin vor allem eine Reaktion<br />

auf das wachsende Gesundheitsbewusstsein<br />

und eine<br />

stärkere Orientierung auf die<br />

Probleme des demographischen<br />

Wandels. Zugleich ziehe<br />

Berlin immer mehr internationales<br />

Publikum an und<br />

biete <strong>mit</strong> seiner robusten Konjunktur<br />

auch für ausländische<br />

Firmengründer eine attraktive<br />

Wachstumsbasis.<br />

Kaffee-Jubiläum<br />

30 Jahre ist es her, seit in der<br />

Magdeburger Kaffeefabrik<br />

Röstfein das Wirbelschicht-<br />

Röstverfahren eingeführt<br />

wurde. Eine sparsame Methode,<br />

bei der die Bohnen nicht<br />

mehr in der Trommel, sondern<br />

schwebend im Wasserdampf<br />

zur Trinkreife gebracht werden.<br />

Damals ein Notbehelf der<br />

Mangelwirtschaft, ist das Verfahren<br />

bis heute einmalig in<br />

der Welt. Und die Marke Röstfein,<br />

vornehmlich die <strong>mit</strong> kandierten<br />

Bohnen veredelte<br />

Spezialität RONDO, ist nicht<br />

nur in europäischen und arabischen<br />

Läden von Belgien bis<br />

Dubai gefragt, sondern steht<br />

sogar in den Regalen des<br />

Kaffeelandes Elfenbeinküste.<br />

100 FAKTOREN, von der Arbeistplatzversorgung bis zur Schuldnerquote,<br />

gehen ein in das jährliche Dynamik-Ranking. Dank der Nachholbemühungen<br />

sehen sich die neuen Länder dabei zumeist im Vorteil.<br />

AUS DEN LÄNDERN<br />

Thüringen<br />

Zum 15. Mal ist der Innovationspreis<br />

Thüringen für neue Produkte<br />

und Technologien ausgelobt worden.<br />

Mit einem Fond von 100.000<br />

Euro gilt dieser als einer der bestdotierten<br />

Preise Deutschlands.<br />

Stifter sind das Wirtschaftsministerium,<br />

die Technologie-Stiftung, der<br />

TÜV Thüringen und die Ernst-Abbé-<br />

Stiftung. Seit 1994 haben sich<br />

mehr als 1.100 Unternehmen und<br />

Forschungseinrichtungen beworben.<br />

Sachsen<br />

Sächsischen Jugendlichen, besonders<br />

solchen aus ländlichen<br />

Gegenden, wird in der zweiten<br />

Märzwoche Gelegenheit gegeben,<br />

kostenlos zu Firmen und Institutionen<br />

zu reisen, bei denen sie sich<br />

über Berufsbilder informieren<br />

können. Das Wirtschaftsministerium<br />

bietet dafür zusammen <strong>mit</strong><br />

sächsischen Verkehrsverbünden<br />

und Nahverkehrsunternehmen ein<br />

so genanntes Schau-rein-Ticket an.<br />

Brandenburg<br />

Die Bürgschaftsbank Brandenburg<br />

stützt kleine und <strong>mit</strong>tleren Firmen<br />

jetzt <strong>mit</strong> erhöhten Kreditsummen<br />

bis zu zwei Millionen Euro. Die Bank<br />

ist eine Selbsthilfeeinrichtung der<br />

<strong>mit</strong>telständischen Wirtschaft und<br />

kümmert sich um kleine und <strong>mit</strong>tlere<br />

Unternehmen <strong>mit</strong> bis zu 250<br />

Mitarbeitern, die von Hausbanken<br />

keine Kredite bekommen.<br />

Mehr als 300 Filme werden jährlich<br />

in Berlin und Brandenburg gedreht.<br />

Da<strong>mit</strong> hat sich die Hauptstadtregion<br />

zum Filmstandort Nr. eins<br />

entwickelt. 50.000 Menschen<br />

arbeiten in der Branche. In Babelsberg<br />

sind 120 Medienunternehmen<br />

und -einrichtungen ansässig.<br />

Mecklenburg-<br />

Vorpommern<br />

512 Millionen Euro sind in Mecklenburg-Vorpommern<br />

seit 2007 im<br />

Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe<br />

Verbesserung der Gewerblichen<br />

Wirtschaft an kleine und <strong>mit</strong>tlere<br />

Unternehmen geflossen. Auf der<br />

Regionalförderungskarte wird<br />

das Bundesland nach wie vor als<br />

Höchstfördergebiet ausgewiesen.<br />

Berlin<br />

Mit 25 Millionen Euro unterstützt<br />

das Land Berlin die Bewerbung der<br />

Hauptstadtregion als internationales<br />

Schaufenster der Elektromobilität.<br />

Beteiligt sind insgesamt<br />

257 Projektpartner, darunter 197<br />

Unternehmen, 34 Hochschulen und<br />

Forschungseinrichtungen sowie<br />

26 Vereine, Verbände, Kammern<br />

und öffentliche Einrichtungen.<br />

6 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


AKTUELL<br />

WIRTSCHAFTSBILD<br />

DES MONATS<br />

BRIEF AUS BRÜSSEL<br />

Von THOMAS HÄNDEL,<br />

Europaabgeordneter<br />

Die Linke<br />

Das deutsche Modell<br />

Merkel und Sarkozy klopfen<br />

einander auf die Schultern ob<br />

ihrer vermeintlichen Erfolge<br />

zur Rettung der EU. Dabei gibt<br />

es wirklich nichts zu feiern.<br />

THÜRINGENS BREITESTER TUNNEL am Jagdberg bei Jena wird teurer als geplant. Der Grund: Sicherheitsvorkehrungen<br />

für den Brandschutz. Die sechsspurige Röhre soll eine Sprinkleranlage erhalten, die im<br />

Notfall einen Nebelteppich legt oder <strong>mit</strong> Schaum löscht, noch bevor die Feuerwehrkräfte eintreffen und<br />

<strong>mit</strong> der Brandbekämpfung beginnen können. 295 Millionen Euro waren bisher für das Gesamtvorhaben<br />

kalkuliert. 14 Millionen Euro zusätzlich hat die bundeseigene Planungsgesellschaft DEGES für das Verkehrsprojekt<br />

nun ausgeschrieben. Der Vorteil: Nach der Eröffnung Mitte 2013 werden auch Gefahrentransporte<br />

dieses 3,1 Kilometer lange Teilstück der A 4 passieren können, was ursprünglich nicht geplant war.<br />

KONJUNKTUR-BAROMETER<br />

Land ohne Leute<br />

Von DR. HERBERT BERTEIT<br />

Durch Ostdeutschlands Dörfer geistert der<br />

Sensenmann. Immer dramatischer schrumpft<br />

die Altersgruppe zwischen 20 und 65 Jahren.<br />

Nirgendwo zeitigt der Bevölkerungsschwund<br />

solche beängstigenden Folgen wie auf dem<br />

Lande. Wo immer weniger Erwerbstätige zur<br />

Verfügung stehen, sind Einkommens- und<br />

Wohlstandsverluste vorprogrammiert.<br />

Steigende Infrastrukturkosten, zum Beispiel<br />

für Wasser, Abwasser und Müllentsorgung,<br />

müssen von immer weniger Menschen getragen<br />

werden. Die Immobilienpreise fallen,<br />

Schulen, Geschäfte und Dienstleistungseinrichtungen<br />

schließen. Als Standortfaktor bleibt<br />

nur die ländliche Idylle.<br />

Seit 2003 weist die Statistik für zwei Drittel<br />

der ostdeutschen ländlichen Gemeinden einen<br />

Bevölkerungsrückgang von mehr als fünf Prozent<br />

aus. Beschleunigt wurde diese Entwicklung<br />

nicht nur durch die Automatisierung der<br />

Landwirtschaft und die Stillegung landwirtschaftlicher<br />

Betriebe. Die Dörfer haben auch<br />

ihre traditionelle Funktion für das Wohnen in<br />

der Nähe ländlicher Arbeitsplätze verloren.<br />

Die arbeitsfähige Bevölkerung zieht es in die<br />

Städte. Abwanderungen finden vor allem aus<br />

weiter entfernten Orten statt. Die negativen<br />

Auswirkungen für den Binnenkonsum und die<br />

Konjunktur in Ostdeutschland insgesamt sind<br />

unübersehbar.<br />

Um die Folgen abzufedern, brauchen die<br />

Landgemeinden Unterstützung bei der Entwicklung<br />

des Tourismus und dem Ausbau der<br />

regenerativen Energien. Aber auch Kapital<br />

für den Rückbau von Dörfern. Man wird die<br />

Zusammenlegung von Verwaltungseinheiten<br />

beschleunigen und Umzugsprogramme auflegen<br />

müssen, wo Dörfer ganz aufgegeben<br />

werden, da<strong>mit</strong> der demographische Wandel<br />

auf dem Lande für die Betroffenen erträglich<br />

gestaltet wird und sich nicht als ostdeutsche<br />

Konjunkturbremse erweist.<br />

Mit dem Fiskalpakt wird knallharte<br />

Sparpolitik auf Kosten der<br />

Mehrheit der Bevölkerung betrieben,<br />

vorbei an den demokratischen<br />

Strukturen der EU.<br />

Krisenverursacher und -gewinnler<br />

bleiben verschont. Vermögensteuer,<br />

Finanztransaktionssteuer,<br />

Mindestbesteuerung für<br />

Unternehmen und angemessene<br />

Beteiligung der Besserverdienenden<br />

an der Finanzierung des<br />

Gemeinwesens – alles Fehlanzeige.<br />

Stattdessen: massive<br />

Kürzungen von Löhnen, Sozialleistungen<br />

und Begrenzung<br />

öffentlicher Investitionen durch<br />

unsinnige Verschuldungsregeln.<br />

Deutschland ist gut durch die<br />

Krise gekommen – <strong>mit</strong> massiven<br />

Beiträgen der Arbeitnehmer in<br />

Form von Kurzarbeit und Kaufkraftverlust.<br />

Aber prekäre Beschäftigungsverhältnisse<br />

wie<br />

Leiharbeit, Mini-Jobs und Teilzeitarbeit<br />

vermehren sich explosionsartig.<br />

Viele Menschen erwerben<br />

keine oder nur eine<br />

geringe Absicherung über die<br />

Sozialversicherungen. Massenhafte<br />

Altersarmut ist durch<br />

miserable Löhne, sinkendes<br />

Rentenniveau und Demontage<br />

der sozialen Sicherungssysteme<br />

vorprogrammiert. Ein tolles<br />

Erfolgsmodell! Die Krise der<br />

öffentlichen Haushalte wird<br />

nicht repariert, sondern vertieft.<br />

Wie in Griechenland zu besichtigen.<br />

Es wird Zeit, diesem<br />

Treiben Einhalt zu gebieten.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 7


AKTUELL<br />

Fotos: DPA (2), T. Lehmann, F. Schmidt, Archiv (2), Werkfoto<br />

KURZ NOTIERT<br />

GRÜNDERPROJEKT<br />

Unis ernennen<br />

Botschafter<br />

Mit 2,5 Millionen Euro fördert<br />

das BMWi Firmengründungsaktivitäten<br />

von zwei<br />

Thüringer Universitäten.<br />

Die Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena und die Bauhausuniversität<br />

Weimar haben<br />

zehn Wissenschaftler zu Gründungsbotschaftern<br />

ernannt.<br />

Sie sollen das Thema Selbständigkeit<br />

und Firmengründung<br />

nachhaltig im Lehrbetrieb<br />

ihrer Fakultäten etablieren.<br />

Mit diesem Projekt setzten<br />

sich die beiden kooperierenden<br />

Thüringer Universitäten<br />

gegen weitere 83 beim Bundeswirtschaftsministerium<br />

eingereichte Ideen im Förderwettbewerb<br />

»EXIST-Gründungskultur<br />

– Die Gründerhochschule«<br />

durch.<br />

KOOPERATION<br />

Starke Mitte<br />

Deutschlands<br />

Die Wirtschaftsinitiative für<br />

Mitteldeutschland hat die<br />

Deutsche Telekom AG als<br />

neues Mitglied gewonnen.<br />

Bei der in Leipzig ansässigen<br />

Wirtschaftsinitiative engagieren<br />

sich strukturbestimmende<br />

Unternehmen sowie Kammern<br />

und Städte aus Sachsen<br />

und Sachsen-Anhalt für eine<br />

nachhaltige Entwicklung und<br />

Vermarktung der Wirtschaftsregion<br />

Mitteldeutschland.<br />

Neben der Deutschen Telekom<br />

unterstützen seit Jahresbeginn<br />

vier weitere renommierte<br />

Unternehmen die Aktivitäten<br />

des Vereins zur Stärkung der<br />

Wirtschaftsregion Mitteldeutschland:<br />

die ACTEMIUM/<br />

Controlmatic Gesellschaft für<br />

Automation und Elektrotechnik<br />

mbH, die ELA Container<br />

GmbH, die ICL Ingenieur<br />

Consult Dr.-Ing. A. Kolbmüller<br />

GmbH und die S&P Ingenieure<br />

+ Architekten.<br />

NACHRICHTEN AUS DEN REGIONEN<br />

ENERGIE<br />

Wasser im freien Fall<br />

Im Kreis Gotha in Thüringen soll vom<br />

Jahr 2016 an ein neues riesiges Pumpspeicherwerk<br />

zur besseren Nutzung des<br />

Ökostroms angelegt werden.<br />

Als Unterbecken ist die bereits existierende<br />

Talsperre Schmalwasser bei Tambach-<br />

Dietharz vorgesehen. Das noch zu errichtende<br />

Oberbecken soll ein Fassungsvermögen<br />

von fünf Millionen Kubikmetern<br />

erreichen. Bei einer Fallhöhe von mehr als<br />

200 Metern könnte das Kraftwerk eine<br />

Leistung von 400 MW erbringen. An dem<br />

Projekt wollen sich 35 Stadtwerke beteiligen.<br />

Nach vorläufigen Berechnungen müssen<br />

dafür 500 Millionen Euro investiert werden.<br />

MANAGER : TÜFTLER : ERFINDER<br />

Ein Holzbildhauer, der<br />

Kinderphantasie sprühen lässt<br />

GÜNTHER ZIEGLER, (63) WOLFGANG GROSS, (60)<br />

Geschäftsführer der Firma<br />

Ziegler Spielplätze im <strong>mit</strong>telsächsischen<br />

Zeititz, gestaltet<br />

europaweit kreative Kinderspielplätze<br />

<strong>mit</strong> Robinienholzfiguren.<br />

Der gelernte Informationstechniker,<br />

einst in Halle und<br />

Leipzig als Bauleiter zuständig<br />

für technisch schwierige Vorhaben der Reichsbahn, zog<br />

nach der Wende aufs Dorf und machte sein Hobby zum<br />

Beruf. Das Holz der Robinie, krumm gewachsen, aber<br />

resistent gegen Feuchtigkeit und lange haltbar, war für<br />

ihn schon immer ein Material zur Selbstfindung. Heute<br />

lässt er da<strong>mit</strong> in Manufakturarbeit anspruchsvolles<br />

Spielgerät herstellen. Mitunter hat seine Firma bis zu<br />

50 Projekte gleichzeitig zu realisieren. Die 45 Mitarbeiter<br />

in dem kleinen Muldentalort fertigen ausschließlich<br />

Unikate. Mit seinen Entwürfen ist der Holzbildhauer in<br />

der Tierwelt ebenso zu Hause wie in der großen, weiten<br />

Welt der kindlichen Abenteuerlust. Seine Enkel nimmt<br />

er als Testpersonen, wenn er neue Ideen <strong>mit</strong> Wissensver<strong>mit</strong>tlung<br />

verknüpfen will, wie jüngst bei der Gestaltung<br />

literarischer Picknickkörbe. Sinngebung gilt für<br />

Ziegler als Geschäftsgrundsatz: »Echten Spielwert<br />

schafft man nur, wenn man Kinder genau beobachtet.«<br />

TOURISMUS<br />

Huckepack zu Wasser<br />

Ein mecklenburgisches Campingunternehmen<br />

bietet für die Saison 2012 erneut eine<br />

originelle Form der Urlaubsgestaltung an:<br />

Fluss- und Seefahrt im eigenen Wohnmobil.<br />

Die Wohnmobile werden auf einem so genannten<br />

Trimaran geparkt, einem aus drei Rümpfen<br />

bestehenden Floß, das bis zu 4,5 Tonnen trägt.<br />

Der Chartergast darf das 60-PS-Gefährt nach<br />

gründlicher Einweisung selbst über die Wasserstraßen<br />

Brandenburgs und Mecklenburgs<br />

steuern. An der Mietbasis im Neuen Hafen des<br />

Ziegeleiparks Mildenberg veranstaltet die<br />

Verleihfirma Bootcamping GmbH am 31. März<br />

einen Tag der schwimmenden Campingmobile.<br />

Ein Abwasch-Spezialist, der<br />

den Osten aufschäumen lässt<br />

Chef der Fit GmbH in Hirschfelde<br />

an der Neiße, feiert am<br />

kommenden Karfreitag das<br />

20. Jubiläum seiner Ankunft im<br />

deutschen Osten, wo<strong>mit</strong> für<br />

ihn eine späte, aber schließlich<br />

glanzvolle Unternehmerkarriere<br />

begann. Bis zu seinem<br />

40. Lebensjahr hatte der promovierte Chemiker als<br />

Produktentwickler bei Haushalts-Chemieriesen wie<br />

Procter & Gambler gedient. Die deutsche Vereinigung<br />

bot ihm die Chance, <strong>mit</strong> seinem profunden Wissen<br />

den Sprung in die Selbständigkeit zu wagen. Von der<br />

Treuhand erwarb er den ostsächsischen Spül<strong>mit</strong>telhersteller<br />

Fit. Die Beliebtheit des Produkts auf dem<br />

ostdeutschen Markt schätzte er richtig ein. Für die<br />

ersten Investitionen besorgte er sich sechs Millionen<br />

DM Kredit. Die Farbe des Spül<strong>mit</strong>tels ließ er von gelbtrüb<br />

zu klargrün auffrischen, die vertraute Flaschenform<br />

behielt er bei. Inzwischen ist Groß ein Großunternehmer.<br />

In Hirschfelde hat er mehr als 90 Millionen<br />

Euro investiert. Die Westmarken Sanders, Rei und<br />

Sunil hat er inzwischen dazu gekauft und positioniert<br />

sie zusammen <strong>mit</strong> Fit auch bei den großen Warenhausketten<br />

im Westen: »Fit schäumt überall.«<br />

8 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


AKTUELL<br />

BESTSELLER<br />

Wirtschaftsbuch<br />

1. Walter Isaacson: Steve Jobs<br />

Bertelsmann (24,99 EUR)<br />

2. Dirk Müller: Cashkurs<br />

Droemer (19,99 EUR)<br />

3. M. Wehrle: Ich arbeite in einem<br />

Irrenhaus – Econ (14,99 EUR)<br />

4. U. Wickert: Redet Geld, schweigt<br />

die Welt – HoCa (14,99 EUR)<br />

5. J. Käppner: Berthold Beitz. Die Biographie<br />

– Berlin Verlag (36,00 EUR)<br />

6. J. Vogl: Das Gespenst des Kapitals<br />

Berlin Verlag (19,90 EUR)<br />

7. M. Grandt, G. Spannbauer,<br />

I. Ulfkotte: Europa vor dem Crash<br />

Campus (24,99 EUR)<br />

8. J. Rifkin: Die dritte industrielle<br />

Revolution – Campus (24,99 EUR)<br />

9. Carmine Gallo: Überzeugen wie<br />

Steve Jobs – Ariston (18,99 EUR)<br />

10.S. Wagenknecht: Freiheit statt Kapitalismus<br />

– Eichborn (19,95 EUR)<br />

IMPRESSUM<br />

Wirtschaft & Markt<br />

Das ostdeutsche Wirtschaftsmagazin<br />

Magazin der Interessengemeinschaft<br />

der Unternehmerverbände<br />

Ostdeutschlands und Berlin<br />

Redaktionsanschrift:<br />

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Herausgeber:<br />

Klaus George<br />

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Chefredakteur:<br />

Helfried Liebsch,<br />

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Peter Jacobs, Hans Pfeifer,<br />

Matthias Salm, Siegfried Schröder,<br />

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Titelfoto: Torsten George<br />

Druck: Möller Druck Berlin<br />

Autoren dieser Ausgabe:<br />

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Matthias Kasper, Hannelore Koard<br />

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Geschäftsführender Gesellschafter:<br />

Michael Schulze<br />

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ISSN 086 353 23 Erscheint monatlich.<br />

Die Zeitschrift Wirtschaft&Markt ist das<br />

Magazin der Interessengemeinschaft der<br />

ostdeutschen Unternehmerverbände und<br />

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Jahr (10 Ausgaben). Danch besteht die<br />

Möglichkeit, das Abonnement jederzeit zu<br />

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Beiträge müssen nicht <strong>mit</strong> der Meinung<br />

der Redaktion übereinstimmen. Für unverlangt<br />

eingesandte Manuskripte und Fotos<br />

übernehmen wir keine Haftung. Nachdruck<br />

nur <strong>mit</strong> Genehmigung des Verlages.<br />

PRO<br />

& CONTRA<br />

Mit dem Fiskalpakt<br />

heraus aus der Eurokrise?<br />

Opposition und Gewerkschaften kritisieren den<br />

Brüsseler Fiskalpakt als Etikettenschwindel.<br />

Griechenland wird statt gerettet kaputt gespart.<br />

HERMANN OTTO SOLMS,<br />

Vizepräsident<br />

des Deutschen Bundestages,<br />

Mitglied der FDP<br />

Durch Sparen allein ist<br />

JA<br />

die Eurokrise nicht zu<br />

lösen. Aber ohne Sparen wird<br />

es auch nicht gehen. Es ist<br />

zwar richtig, dass sich Haushaltskonsolidierung<br />

zunächst<br />

einmal dämpfend auf die Konjunktur<br />

auswirkt. Trotzdem ist<br />

sie unumgänglich. Angesichts<br />

einer massiven Vertrauenskrise,<br />

ausgelöst durch den<br />

übermäßigen Anstieg der<br />

Staatsverschuldung, steht der<br />

Politik die Option schuldenfinanzierte<br />

Programme schlicht<br />

nicht mehr zur Verfügung.<br />

Selbstverständlich brauchen<br />

insbesondere die Krisenländer<br />

vor allem Wachstum. Aber die<br />

Vorstellung, man könne <strong>mit</strong><br />

staatlichen Geldern eine wettbewerbsfähige<br />

Wirtschaft<br />

aufbauen, ist von Grund auf<br />

verfehlt. Seit dem EU-Beitritt<br />

Griechenlands sind dorthin<br />

Milliarden von EU-Struktur<strong>mit</strong>teln<br />

geflossen. Eine wettbewerbsfähige<br />

Wirtschaft<br />

ist aber nicht entstanden. Die<br />

Krisenländer müssen ihre<br />

Wirtschaft von massiven Fesseln<br />

befreien: Deregulierungen<br />

im Arbeitsmarkt, flexible Löhne<br />

und Preise, Öffnung von abgeschotteten<br />

Berufszweigen und<br />

Branchen. Dringend nötig ist<br />

es, dass die Wettbewerbsintensität<br />

und das Wachstum zunehmen.<br />

Der Fiskalpakt allein<br />

kann es nicht richten, ist aber<br />

notwendige Voraussetzung.<br />

SAHRA WAGENKNECHT,<br />

Vize-Vorsitzende<br />

der Bundestagsfraktion<br />

Die Linke<br />

NEIN<br />

Die Verhandlungen<br />

zum Fiskalpakt<br />

erfolgten im Eiltempo und<br />

ohne Konsultation der nationalen<br />

Parlamente. Das ist<br />

kein Wunder. Der Vertrag<br />

widerspricht den Interessen<br />

der Bevölkerung in ganz<br />

Europa. Die Staatsschulden<br />

sind nicht aufgrund unsolider<br />

Haushaltsführung aus dem<br />

Ruder gelaufen, sondern seit<br />

den Bankenrettungen im Zuge<br />

der weltweiten Finanzkrise<br />

explodiert. Der Fiskalvertrag<br />

<strong>mit</strong> seiner radikal verschärften<br />

Neuverschuldungsgrenze führt<br />

in allen Ländern gleichzeitig<br />

zu einer deflationären Kürzungspolitik.<br />

Das ist angesichts<br />

der sich abzeichnenden<br />

Rezession Wahnsinn. So wird<br />

die Krise weiter verschärft,<br />

Armut und soziale Unruhen<br />

werden zunehmen. Griechenland<br />

ist Warnung genug. Mit<br />

den Kürzungen sind dort die<br />

Schulden immer weiter gestiegen.<br />

Hinzu kommt: Der Fiskalvertrag<br />

verlangt, innerhalb von<br />

20 Jahren die Staatsschulden<br />

im Verhältnis zum BIP auf 60<br />

Prozent zu senken. Deutschland<br />

muss 30 Milliarden Euro<br />

im Jahr einsparen. Eine Politik,<br />

die auf Kosten der Allgemeinheit<br />

die Vermögen der Superreichen<br />

und die Interessen der<br />

Banken schützt, zerstört das<br />

Fundament einer demokratischen<br />

Gesellschaft.<br />

INVESTITIONEN<br />

80.000 Wafer<br />

Der Chiphersteller Globalfoundries<br />

will seine Fertigung von Silizium-<br />

Wafern in Dresden von 60.000 auf<br />

80.000 pro Monat steigern und zu<br />

diesem Zweck eine weitere Produktionsstätte<br />

errichten. Derzeit zählt<br />

der Standort 2.700 Beschäftigte,<br />

nach Ende des Ausbaus sollen es<br />

mehr als 3.000 Mitarbeiter sein.<br />

Logistik-Rekord<br />

Mit einem Flächenumsatz von<br />

434.000 Quadratmetern hat der<br />

Logistikmarkt Berlins im Jahr 2011<br />

das Rekordergebnis von 2010 noch<br />

einmal um sieben Prozent übertroffen.<br />

Die Branche gehört <strong>mit</strong><br />

rund 180.000 Beschäftigten zu den<br />

beschäftigungsintensivsten in der<br />

deutschen Hauptstadtregion. Nach<br />

Hamburg (745.000 Quadratmeter )<br />

und Frankfurt am Main (498.000<br />

Quadratmeter) belegt Berlin-Brandenburg<br />

den dritten Platz unter den Top-<br />

Logistikstandorten Deutschlands.<br />

Schneller nach Rostock<br />

Die Deutsche Bahn AG investiert<br />

800 Millionen Euro für die Modernisierung<br />

der Strecke Berlin-Rostock.<br />

Künftig sollen dort Geschwindigkeiten<br />

bis zu 160 km/h möglich sein.<br />

Auch schwere Güterzüge sollen dann<br />

dort verkehren können.<br />

Papier von der Oder<br />

In Eisenhüttenstadt hat die rheinlandpfälzische<br />

Progroup AG die größte<br />

Papierfabrik Deutschlands in Betrieb<br />

genommen. Das Werk produziert<br />

Wellpappe-Rohpapier für Verpackungen<br />

und beschäftigt 175 Mitarbeiter.<br />

Die Gesamtinvestition betrug rund<br />

700 Millionen Euro. Bund und Land<br />

förderten den Ausbau der Infrastruktur<br />

<strong>mit</strong> 34 Millionen Euro.<br />

Konzept Glasfaser<br />

Die brandenburgische Landesregierung<br />

hat ein Entwicklungskonzept<br />

Glasfaser 2020 vorgestellt, das<br />

nahezu flächendeckend die Versorgung<br />

<strong>mit</strong> schnellem Internet verbessern<br />

soll. Die Kosten werden<br />

bis 2020 auf 150 Millionen Euro geschätzt,<br />

wovon das Land 100 Millionen<br />

Euro bereitstellt. Der Schwerpunkt<br />

liegt auf der Schaffung einer<br />

flächendeckenden und zukunftssicheren<br />

Breitbanderschließung aller<br />

Haushalte <strong>mit</strong> bis zu 50 Mbit/s.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 9


GESPRÄCH<br />

Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, über<br />

meisterliche Frauen, die Energiewende und die Blockade der Gebäudesanierung<br />

»Energieeffizienz – unser bester<br />

Fotos: Torsten George<br />

W&M: Herr Kentzler, in der ersten Februarhälfte<br />

hat sich der Ver<strong>mit</strong>tlungsausschuss<br />

zwischen Regierung und Bundesrat wieder<br />

vertagt – die steuerliche Förderung der energetischen<br />

Gebäudesanierung steht weiter auf<br />

der Kippe. Ein Ärgernis für das Handwerk?<br />

OTTO KENTZLER: Ein Riesenärgernis!<br />

Nicht nur für das Handwerk, sondern für<br />

die Wirtschaft insgesamt, und für die<br />

Bürger. Wenn das Gesetz scheitert fehlt<br />

ein zentraler Baustein der Energiewende.<br />

Denn die Möglichkeit steuerlicher Abschreibungen<br />

würde die Sanierungsquote<br />

hochtreiben. Das spart Investitionen<br />

an anderer Stelle. Denn: Energie, die<br />

nicht verbraucht wird, braucht nicht<br />

produziert zu werden.<br />

W&M: Die Euphorie des raschen Atomausstiegs<br />

scheint verflogen, so mancher sieht sorgenvoll<br />

auf die Strompreise. Ist das Handwerk<br />

Gewinner oder Verlierer der Energiewende?<br />

OTTO KENTZLER: Eine Energiewende gibt<br />

es nur <strong>mit</strong> dem Handwerk. Da zeigen wir,<br />

was wir können. Was die Preise angeht,<br />

haben Sie recht: Es kann nicht sein, dass<br />

allein das Gewerbe und die Privatkunden<br />

die Kosten der Energiewende zahlen, die<br />

großen Unternehmen dagegen davonkommen.<br />

Was die Euphorie angeht: Es<br />

bremst immer, wenn die Politik Einzelfragen<br />

in den Vordergrund stellt und<br />

große Ziele aus dem Blick geraten.<br />

W&M: Oder liegt es daran, dass in Deutschland<br />

große infrastrukturelle Vorhaben immer<br />

schwerer durchsetzbar sind?<br />

OTTO KENTZLER: Es mutet seltsam an,<br />

dass ausgerechnet die Befürworter alternativer<br />

Energien, deren Förderung viel<br />

Geld gekostet hat, nun die Durchleitung<br />

des Stroms, den notwendigen Netzausbau<br />

nicht wollen. Richtig ist indes, was<br />

die Netzagentur und die Spitzenverbände<br />

der Wirtschaft immer gesagt haben:<br />

dass die Sicherstellung der Grundlast für<br />

unseren Standort Vorrang haben muss.<br />

W&M: Die USA haben nach Jahrzehnten wieder<br />

den Bau von Kernkraftwerken genehmigt.<br />

Es gibt den Vorschlag, ein paar deutsche<br />

Atommeiler wieder ans Netz gehen zu lassen,<br />

weil die Zeitpläne der Bundesregierung kaum<br />

zu halten sind, die Gefahr von Blackouts<br />

wächst. Eine Lösung?<br />

OTTO KENTZLER: Dergleichen ist politisch<br />

kaum durchsetzbar, aber an grundlastfähigen<br />

Kraftwerken führt tatsächlich<br />

kein Weg vorbei. Wir zapfen ja in<br />

diesem Winter Österreich an, das extra<br />

alte Ölkraftwerke wieder hochfährt.<br />

Tschechien und Polen setzen auf Atomkraft.<br />

Wir dürfen meines Erachtens nicht<br />

hierzulande Kernkraftwerke abschalten,<br />

danach aber Atomstrom importieren.<br />

Wenn anderswo etwas passiert, dann<br />

bleiben wir doch auch nicht unbeschädigt.<br />

Vor allem aber brauchen wir leistungsfähige<br />

Netze, die den Strom von<br />

Nord nach Süd bringen und verteilen.<br />

W&M: Wo anfangen?<br />

OTTO KENTZLER: Am schnellsten geht es<br />

bei der Energieeffizienz. Das ist unser<br />

bester Rohstoff. Im Gebäudebereich liegt<br />

der Schlüssel dazu. Auf diesen Bereich<br />

entfallen 40 Prozent des Verbrauchs und<br />

ein Drittel der schädlichen CO 2 -Emissio-<br />

nen. Verbrauch und da<strong>mit</strong> Kosten lassen<br />

sich halbieren. Je mehr Energie ich einspare,<br />

desto weniger zusätzliche Produktionskapazitäten<br />

brauche ich.<br />

W&M: Sie haben sich in Sachen energetische<br />

Gebäudesanierung engagiert und vor allem<br />

die Position der neuen Länder im Bundesrat<br />

ungewöhnlich scharf kritisiert. Warum?<br />

OTTO KENTZLER: Mir fehlt jedes Verständnis<br />

dafür, dass gerade die neuen<br />

Länder strikt gegen dieses Gesetz sind.<br />

Vielleicht meinen sie, dass schon alles saniert<br />

sei. Aber das ist falsch. Mit der steuerlichen<br />

Förderung sollen die erreicht<br />

werden, die für die Sanierung keine Kredite<br />

aufnehmen wollen, die Besitzer von<br />

Ein- und Zwei-Familienhäusern. Die<br />

steuerliche Absetzbarkeit – das wissen<br />

wir doch – hat eine enorme Zugkraft.<br />

W&M: Sie sehen gewisse Parallelen?<br />

OTTO KENTZLER: Bürger, denen ich ein<br />

Angebot zur Gebäudesanierung unterbreite,<br />

sagen: Warum sollte ich 10.000<br />

Euro für die Sanierung ausgeben, da bezahle<br />

ich lieber 150 Euro mehr für Strom<br />

oder Gas. Das Interesse an Investitionen<br />

zur Energieeffizienz lässt sich dann nur<br />

über steuerliche Anreize wecken. Im<br />

Übrigen: Auf die 16 Bundesländer entfielen<br />

im ersten Jahr zusammen 57 Millionen<br />

Euro Steuermindereinnahmen.<br />

Daran darf das doch nicht scheitern – zumal<br />

über die Investitionen ein Vielfaches<br />

in die öffentlichen Kassen zurückfließt.<br />

Das wäre faktisch ein Konjunkturpaket<br />

III für Wachstum in Deutschland.<br />

W&M: Ein Konjunkturpaket III? Oder vielmehr<br />

ein Konjunkturprogramm für die alten<br />

Bundesländer?<br />

OTTO KENTZLER: Das ist doch kurzsichtig.<br />

Von Investitionen in Energieeffizienz<br />

profitieren doch auch Hersteller etwa<br />

von Heizungen oder Fenstern in den<br />

neuen Bundesländern. Dazu kommt:<br />

Sehr viele Betriebe aus dem Osten übernehmen<br />

doch jetzt schon im Westen Aufträge<br />

– sie werden auch bei Projekten zur<br />

energetischen Gebäudesanierung dabei<br />

sein. Stellen Sie sich doch mal an einem<br />

Montagmorgen an die B 1 in Dortmund<br />

und sehen sich die Nummernschilder an.<br />

Da wissen Sie, woher die Handwerker<br />

kommen. Die Sanierung ist ein Jobmotor<br />

für ganz Deutschland!<br />

W&M: Motor der zwei Geschwindigkeiten?<br />

OTTO KENTZLER: 20 Jahre brummte die<br />

Sanierung im Osten – kann sein, dass der<br />

Sanierungsbedarf West jetzt höher ist.<br />

Tatsache ist, dass rund drei Viertel aller<br />

Wohngebäude in Deutschland vor 1978<br />

gebaut wurden, also vor der ersten<br />

Wärmeschutzverordnung.<br />

W&M: Fürchten Sie nicht, dass ohne Kredite,<br />

ohne frisches Geld die Gebäudesanierung auf<br />

die lange Bank geschoben wird? Schon ist die<br />

Rede davon, dass die KfW diese entsprechend<br />

ihrer Förderkredite herunterfährt.<br />

OTTO KENTZLER: Der große Mitteleinsatz<br />

der KfW für die energetische Sanierung<br />

hat vor allem die großen Wohnungsbaugesellschaften<br />

erreicht und so vielen<br />

Mietern niedrigere Energiekosten gebracht.<br />

Mir geht es jetzt um die steuerliche<br />

Förderung von Investitionen von<br />

Haus- und Wohnungsbesitzern. Ohne<br />

Mobilisierung von privatem Kapital wird<br />

10 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


Rohstoff«<br />

es keine erfolgreiche Energiewende geben.<br />

Die drohende Kürzung der Mittel<br />

für die Zinsverbilligung bei KfW-Krediten<br />

und für Zuschüsse zu Einzelmaßnahmen<br />

wäre aber ebenso katastrophal<br />

in der Wirkung.<br />

W&M: Warum stagnieren denn die Zahlen<br />

bei den energetischen Sanierungen oder sind<br />

sogar rückläufig?<br />

OTTO KENTZLER: Die Menschen sind verunsichert.<br />

Wer investiert denn Hunderttausende<br />

in moderne Heizungsanlagen,<br />

in Dämmung, neue Fenster oder Nachbarschafts-Kraftwerke,<br />

wenn es keine verlässlichen<br />

Rahmenbedingungen gibt?<br />

W&M: In den neuen Ländern ist der Strom<br />

ohnehin teurer als in den alten. Wenn jetzt<br />

noch, Stichwort Offshore-Windanlagen, die<br />

Netzausbaukosten auf die Preise umgelegt<br />

werden, dann läuft das auf eine Wettbewerbsverzerrung<br />

hinaus. Warum sollte sich ein Investor<br />

dort ansiedeln, wo er für Energiekosten<br />

am meisten zu zahlen hat?<br />

OTTO KENTZLER: Wer A sagt wie Offshore,<br />

der muss auch B sagen wie Stromtransport.<br />

Da sollte man sich <strong>mit</strong> der<br />

Netzagentur und der Bundesregierung<br />

einigen. Möglichst vorher. Auch wir setzen<br />

uns ja dafür ein, dass die Strombegünstigung<br />

nicht erst bei einem Gigawatt<br />

beginnt, sondern schon bei 0,1 Gigawatt.<br />

Es kann nicht alles von den kleinen<br />

und <strong>mit</strong>tleren Unternehmen (KMU) und<br />

den Verbrauchern finanziert werden.<br />

W&M: Alle reden von der Krise – das deutsche<br />

»Eine Energiewende<br />

gibt es nur <strong>mit</strong> dem<br />

HANDWERK.<br />

Da zeigen wir,<br />

was wir können.«<br />

Handwerk hat aber im vergangenen Jahr um<br />

fünf Prozent zugelegt. Was macht das Handwerk<br />

so krisenresistent?<br />

OTTO KENTZLER: Vor allem die Betriebsgröße<br />

und die Fähigkeit, flexibel auf die<br />

Marktnachfrage reagieren zu können. Im<br />

Handwerk wurde frühzeitig erkannt,<br />

dass die Nähe zum Kunden das eigentliche<br />

Pfund ist. Jeder Meisterbetrieb hat<br />

ein Gesicht. Unsere neue Kampagne verspricht<br />

nicht von ungefähr: »Ich bin<br />

Handwerker. Ich kann das.« Wir sind erfolgreich<br />

dabei, die Vorzüge der KMU in<br />

den Vordergrund zu bringen.<br />

W&M: Der Mittelstand als Markenzeichen<br />

der Stabilität?<br />

OTTO KENTZLER: Das ist in der Politik angekommen,<br />

bis hin zur Europäischen<br />

Union. Der damalige EU-Kommissar Günter<br />

Verheugen hat den »Small Business<br />

Act« eingeführt. Er hatte verstanden, welche<br />

Bedeutung die kleinen und <strong>mit</strong>tleren<br />

Betriebe für Ausbildung, für Wachstum<br />

und für Innovation haben. Diese Politik,<br />

die KMU Vorrang einräumt, beginnt<br />

sich langsam zu etablieren, gerade auf<br />

EU-Ebene. Wir hoffen, dass das auch die<br />

Basel-III-Regelungen beeinflusst.<br />

W&M: Für dieses Jahr sagen Sie ein Plus von<br />

1,5 Prozent voraus. Das ist doppelt so viel, wie<br />

die Bundesregierung für die Wirtschaft prophezeit.<br />

Worauf stützt sich Ihr Optimismus?<br />

OTTO KENTZLER: Der Binnenmarkt zeigt<br />

keine Schwäche und wir sind <strong>mit</strong> gut gefüllten<br />

Auftragsbüchern in das neue Jahr<br />

gekommen. Das war nicht immer so. Als<br />

der vereinigungsbedingte Boom abklang,<br />

haben wir viele Mitarbeiter verloren. Das<br />

holen wir jetzt auf – in moderaten Schritten.<br />

Im vergangenen Jahr sind 25.000<br />

Mitarbeiter hinzugekommen. 2012 sind<br />

1,5 bis zwei Prozent nominaler Umsatzzuwachs<br />

kein Wolkenkuckucksheim,<br />

und die Beschäftigung wollen wir mindestens<br />

halten. Wir profitieren vom<br />

Trend zu nachhaltigen Werten. Was<br />

Wunder: Die Beschäftigtenquote war<br />

noch nie so hoch und unsere Kunden verdienen<br />

wieder ordentlich.<br />

W&M: Dann könnte man von der Bremse gehen<br />

und in den Handwerksbetrieben mehr<br />

zahlen. Sie aber haben sich für eher moderate<br />

Tarifabschlüsse ausgesprochen. Warum?<br />

OTTO KENTZLER: Dass in den Handwerksbetrieben<br />

vergleichsweise schlecht bezahlt<br />

wird, ist eine Mär. Und ich gönne<br />

jedem und jeder Beschäftigten mehr<br />

Geld im Portemonnaie. Aber Spielräume<br />

für Lohnsteigerungen müssen erst ein-<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 11


OTTO KENTZLER, ZDH-Sprecher Alexander Legowski und W&M-Reakteur Helfried Liebsch.<br />

mal am Markt erwirtschaftet werden.<br />

Immerhin haben Erleichterungen bei<br />

der Einkommensteuer 2011 mehr Netto<br />

vom Brutto gebracht.<br />

W&M: Spürbar mehr?<br />

OTTO KENTZLER: Es könnte spürbar<br />

mehr sein, wenn endlich die kalte Progression<br />

abgebaut würde. Inflation und<br />

kalte Progression ziehen gerade Kleinund<br />

Mittelverdienern einen Großteil der<br />

Tariferhöhungen aus dem Geldbeutel.<br />

Da muss umgesteuert werden. Das betrifft<br />

das ganze Handwerk, denn in kleinen<br />

Betrieben sind die Einkommensunterschiede<br />

nicht so groß.<br />

W&M: Wenn das Handwerk Fahrt aufgenommen<br />

hat – welche Klippen sehen Sie, die zu<br />

umschiffen sind?<br />

OTTO KENTZLER: Die größte Herausforderung<br />

ist die demografische Entwicklung<br />

und die so erschwerte Fachkräftesicherung.<br />

Gerade die neuen Länder sind<br />

– aufgrund geburtenschwacher Jahrgänge<br />

– von der Entwicklung hart getroffen.<br />

W&M: Wie wappnet sich das Handwerk?<br />

OTTO KENTZLER: Die Betriebe sind sehr<br />

aktiv. Die Qualifizierung älterer Mitarbeiter<br />

wird intensiviert. Wir setzen uns<br />

für flächendeckende Tarifverträge ein,<br />

die ehrlichen Wettbewerb sichern. Wir<br />

betreiben engagiert Nachwuchswerbung.<br />

Und verbessern die Arbeitsbedingungen<br />

für Frauen.<br />

W&M: Wird künftig, wenn von der Meisterin<br />

die Rede ist, nicht mehr die Frau des Meisters,<br />

sondern die Chefin des Betriebs gemeint sein?<br />

OTTO KENTZLER: Das ist heute schon<br />

zunehmend der Fall – der Anteil der<br />

Mädchen und Frauen in der Ausbildung<br />

liegt bei rund 28 Prozent. Ein Fünftel der<br />

erfolgreichen Meisterprüfungen absolvieren<br />

Frauen, bei den Existenzgründungen<br />

liegt ihr Anteil bei 25 Prozent. Tendenz<br />

steigend. Das Handwerk bekommt<br />

auch ein weibliches Gesicht.<br />

W&M: Worauf vor allem führen Sie diesen<br />

Wandeln zurück ?<br />

OTTO KENTZLER: Auf die zunehmende<br />

Attraktivität des Handwerks und die Karrierechancen,<br />

die sich auch für Frauen<br />

auftun. Nirgendwo ist der qualifizierte<br />

Weg in die Selbstständigkeit kürzer. Als<br />

Meisterin sind sie ja darauf vorbereitet.<br />

In kleinen Betrieben lassen sich auch<br />

Familie und Karriere flexibel verbinden.<br />

Das sind Pluspunkte. Selbst in gewerblich-technischen<br />

Berufen setzen sich<br />

immer mehr junge Frauen durch.<br />

W&M: Ein Selbstläufer?<br />

OTTO KENTZLER: Wir wollen viel dafür<br />

tun, dass sich die Entwicklung fortsetzt.<br />

ZUR<br />

PERSON<br />

Der Sichtburgherr<br />

Der ZDH arbeitet in der Mohrenstraße<br />

am Berliner Gendarmenmarkt – in dem<br />

einzigen Gebäude, das die Nachbarhäuser<br />

überragt. Otto Kentzler, ZDH-Präsident<br />

seit 2005, hat von der Dachterrasse<br />

des Hauses das Bundeskanzleramt<br />

im Blick. Auch im übertragenen Sinne.<br />

Dem Dortmunder ist es gelungen, dem<br />

Interessenverband in Parlament und Regierung<br />

stärker Geltung zu verschaffen.<br />

Kanzlerin Angela Merkel hat das im vergangenen<br />

November auf dem Empfang<br />

zum 70. Geburtstag Kentzlers bestätigt.<br />

Eine Lanze brach sie der Bodenständigkeit<br />

des Handwerks – Unternehmen,<br />

»die zu Hause auch wirklich zu Hause<br />

sind ..., die jungen Menschen eine Zukunft<br />

geben«. An den Jubilar gewandt,<br />

versprach sie: »Deshalb werden wir auch<br />

in Zukunft Ihren Rat schätzen und Ihre<br />

Hinweise annehmen.« Kentzler, verheiratet,<br />

zwei Kinder, Geschäftsführer einer<br />

Firma für Klempnerei und Überdachungen,<br />

verkörpert Bodenständigkeit – und<br />

Weitsicht. Es versteht sich, dass sein<br />

Sohn Heiko in die Fußstapfen des Vaters<br />

getreten ist, in fünfter Generation.<br />

»Sonst könnte ich den Job hier gar nicht<br />

machen«, sagt Otto Kentzler – in der<br />

»Sichtburg des Handwerks«, wie er das<br />

Gebäude in Berlin scherzhaft nennt.<br />

Im Westen hapert es beispielsweise an<br />

der Kinderbetreuung. Da sind vor allem<br />

größere Betriebe gefordert, gemeinsam<br />

<strong>mit</strong> den Kommunen die Weichen richtig<br />

zu stellen. Wir brauchen Nachwuchs aus<br />

allen Gruppen. Vom Hauptschüler bis<br />

zum Abiturienten. Und gerade junge<br />

Leute <strong>mit</strong> Migrationshintergrund. Wir<br />

beschäftigen mehr Ausbildungsberater<br />

<strong>mit</strong> ausländischen Wurzeln und treiben<br />

so die Integration voran. Das ist entscheidend:<br />

80 Prozent der jungen Leute <strong>mit</strong><br />

türkischen Wurzeln, die eine Meisterprüfung<br />

geschafft haben, wollen sich<br />

selbstständig machen. Bei den Deutschen<br />

waren es nur 20 Prozent.<br />

W&M: Sie hatten sich vor einiger Zeit in einem<br />

Interview <strong>mit</strong> der Überschrift »Polen holen«<br />

für Zuwanderung eingesetzt. Was ist aus<br />

Ihrem Appell geworden?<br />

OTTO KENTZLER: Er bleibt aktuell, denn<br />

die erhoffte Zuwanderung ist ausgeblieben.<br />

Die Zeit arbeitet für diesen Appell.<br />

Gerade in den ostdeutschen Grenzregionen<br />

tut sich schon etwas. Erste junge<br />

Polen und Tschechen lernen in unseren<br />

Betrieben, der Lehrlingsaustausch wird<br />

allerorts intensiviert.<br />

W&M: Kommen wir noch einmal auf den Anfang<br />

zurück. Wenn Sie in der Energieeinsparung,<br />

in der Energieeffizienz die Schnellstraße<br />

zu Energiewende sehen …<br />

OTTO KENTZLER: Das betrifft nicht nur<br />

die Gebäudesanierung, sondern beispielsweise<br />

auch die Photovoltaik. Das<br />

Gewicht wird künftig nicht auf Solarparks<br />

liegen, sondern der Eigenverbrauch<br />

rückt in den Mittelpunkt. Sonnendächer<br />

für Supermärkte und Gewerbebauten<br />

etwa – <strong>mit</strong> dem Strom kann<br />

am Tage der Raum <strong>mit</strong> LED-Lampen beleuchtet<br />

werden, nachts reicht Batteriestrom<br />

für die Notbeleuchtung aus.<br />

W&M: … dann wollte ich fragen, wie das<br />

Handwerk auf neue Technologien, auf Smart<br />

Grids etwa, vorbereitet ist.<br />

OTTO KENTZLER: Sehr gut. Das beginnt<br />

bereits bei der Ausbildung. Ob neue<br />

Energien und innovative Speicher oder<br />

Netzmanagement und Elektromobilität<br />

– das ist nicht nur Sache der Industrie,<br />

sondern auch des Handwerks. Die Berufsbilder<br />

haben sich verändert, es gibt Weiterbildung<br />

und neue Anforderungen in<br />

der Gesellenprüfung. Da sind wir nah<br />

dran. Beim Neujahrsempfang der Handwerkskammer<br />

Halle habe ich den Chef<br />

einer Firma kennengelernt, der eine Reihe<br />

von Patenten besitzt über die intelligente<br />

Verteilung von selbsterzeugtem<br />

Strom. Das Motto der diesjährigen Internationalen<br />

Handwerksmesse München<br />

heißt nicht von ungefähr: »Handwerk –<br />

Offizieller Ausrüster der Energiewende.«<br />

W&M: Vielen Dank für das Gespräch. &<br />

12 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


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SPECIAL<br />

Fotos: H. Lachmann, Solarion AG<br />

Solarion AG<br />

Sonnenlicht auf der Rolle<br />

Die Leipziger Solarion AG trotzt der Krise in der Photovoltaik-Branche. Mit neuartigen Dünnschicht-<br />

Modulen. Das rief einen Großkonzern aus Taiwan auf den Plan. Dieser investierte in das ostdeutsche<br />

Unternehmen. Seit Jahresbeginn produziert Solarion in einem neuen Werk in Zwenkau bei Leipzig.<br />

Lange experimentierte man mehr<br />

oder minder im Verborgenen, galt vor<br />

allem in der internationalen Fachwelt<br />

als Geheimtipp. Doch nun holt die<br />

Sonne das Können der Leipziger Überflieger<br />

quasi <strong>mit</strong> Macht ans Licht. Denn seit<br />

Jahresbeginn arbeitet die Solarion AG in<br />

einem neuen größeren Werk. Rund 40<br />

Millionen Euro investierte das Hochtechnologieunternehmen<br />

in den Neubau auf<br />

einem drei Hektar großen Grundstück in<br />

einem neuen Gewerbepark in Zwenkau,<br />

einem Städtchen südlich der Messestadt.<br />

Nach den Schwierigkeiten in den letzten<br />

Jahren in der Branche hierzulande<br />

zählt Solarion zu den Hoffnungsträgern.<br />

Was realistisch abzuschätzen aber wohl<br />

nur Insider aus der Photovoltaik können.<br />

Allein die Technologie, auf der der bisherige<br />

Erfolg und da<strong>mit</strong> der Optimismus<br />

rund um Solarion fußt, klingt höchst<br />

kompliziert: Die Sachsen fertigen Dünnschichtsolarmodule<br />

auf der Basis des<br />

Halbleiters CIGS. Die vier Buchstaben stehen<br />

für die chemischen Elemente Kupfer,<br />

Indium, Gallium und Selen, weshalb<br />

sich alles zusammen Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid<br />

nennt.<br />

Wie Dr. Alexander Braun, der junge<br />

Technische Vorstand (CTO) von Solarion,<br />

erläutert, entstehen diese hochlichtempfänglichen<br />

Module aus Abscheidungen<br />

eines Absorbers, der den Halbleiter <strong>mit</strong><br />

Hilfe von Ionenstrahlen auf ein hauchdünnes<br />

Trägermaterial dampft. Das<br />

geschehe in einem effizienten Rolle-zu-<br />

Rolle-Prozess. »Wir nutzen hierfür eine<br />

selbst entwickelte und <strong>mit</strong>tlerweile<br />

patentierte Beschichtungstechnologie«,<br />

berichtet Braun nicht ohne Stolz. Immerhin<br />

sei ihre erste Pilotlinie zur Herstellung<br />

flexibler und ultraleichter CIGS-<br />

Dünnschichtsolarzellen auf einem Polymersubstrat,<br />

die man bereits 2002 in<br />

Betrieb nahm, zugleich die erste ihrer<br />

Art in Europa gewesen.<br />

DÜNNER ALS EIN BLATT PAPIER<br />

Die Vorteile dieses Verfahrens sehen Experten<br />

in der niedrigeren Beschichtungstemperatur,<br />

so dass da<strong>mit</strong> auch die<br />

Beschichtung von Kunststoff-Folien möglich<br />

ist, außerdem in einem höheren<br />

Solarzellenwirkungsgrad, einer gesteigerten<br />

Prozessgeschwindigkeit sowie<br />

recht geringen Energie- und Materialkosten.<br />

Der durchschnittliche Wirkungsgrad<br />

ihrer CIGS-Solarzellen auf Kunststoffsubstraten<br />

betrage <strong>mit</strong>tlerweile 14<br />

Prozent, wo<strong>mit</strong> die spezifische Leistung<br />

1.500 Watt pro Kilogramm erreiche, so<br />

der promovierte Physiker. Dennoch entdeckt<br />

Braun für die Zukunft noch ein<br />

sehr großes Potenzial, um die Effizienz<br />

ihrer Zellen weiter zu steigern.<br />

Doch schon jetzt ließen sich ihre<br />

Module wesentlich kostengünstiger als<br />

andere Module herstellen, was sie am<br />

derzeit schwierigen Solarmarkt deutlich<br />

besser positioniere. Zugleich seien sie<br />

leichter und vor allem – unzerbrechlich.<br />

»Beweglich, dünn und leicht«, bringt es<br />

Braun auf einen griffigen Nenner. Denn<br />

die 800 mal 1.320 Millimeter großen<br />

Kunststoffmodule, die bald in Zwenkau<br />

in die Serienproduktion gehen sollen,<br />

sind nicht nur dünner als ein Blatt Papier,<br />

sie passten sich praktisch jedem,<br />

auch einem unebenen Untergrund »perfekt<br />

an«, versichert der Manager.<br />

Ihr geringes Gewicht sowie jene Flexibilität<br />

und Unzerbrechlichkeit empfiehlt<br />

sie da<strong>mit</strong> vor allem für den Einsatz auf<br />

großen Flachdächern. »Durch den direkten<br />

Verbund <strong>mit</strong> der Dachhaut lässt sich<br />

die Installation deutlich vereinfachen,<br />

was einen handfesten Systemkostenvorteil<br />

bedeutet«, fügt Solarion-Vorstandschef<br />

Dr. Karsten Otte hinzu. Weitere<br />

Einsatzgebiete sieht er in der Luft- und<br />

Raumfahrt, der Unterhaltungselektronik,<br />

der Textilbranche sowie in der Automobilindustrie.<br />

14 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


SPECIAL<br />

Otte und Braun kennen sich seit<br />

ihrem Physikstudium an der Leipziger<br />

Universität. Anschließend verschlug es<br />

beide für einige Semester in die USA –<br />

den einen an die California State University,<br />

den anderen an die Oregon State<br />

University. Ihr Spezialgebiet war die<br />

Oberflächenphysik, so dass sie sich<br />

schließlich 1996 am Leibniz-Institut für<br />

Oberflächenmodifizierung in Leipzig<br />

wiedertrafen. Das ist international führend<br />

in der lonenstrahltechnologie. Otte<br />

arbeitete hier als Projektleiter, Braun als<br />

wissenschaftlicher Assistent.<br />

Als sie dann anno 2000 gemeinsam Solarion<br />

aus der Taufe hoben – zunächst in<br />

Leipzig-Holzhausen, quasi als Art Untermieter<br />

beim Fraunhofer-Institut für<br />

Zelltherapie und Immunologie –, war es<br />

im Grunde eine klassische Ausgründung<br />

aus dem Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung.<br />

Anfangs beteiligten<br />

sich daran auch zwei starke regionale<br />

Investoren, die von der Zukunftsträchtigkeit<br />

der Technologie überzeugt waren.<br />

So baute man 2003 die Rolle-zu-Rolle-<br />

Pilotanlage auf, optimierte fortlaufend<br />

den Fertigungsprozess, übertrug die Laborergebnisse<br />

auf die industrielle Anlage,<br />

startete die Produktion in Kleinserie.<br />

Als der nächste Schritt heranrückte<br />

und man wieder frisches Geld brauchte,<br />

änderten Otte und Braun die Rechtsform<br />

von Solarion in eine Aktiengesellschaft.<br />

Da<strong>mit</strong> interessierte man nun auch ein<br />

europäisches Investorenkonsortium. So<br />

war es möglich, 2008 <strong>mit</strong> dem Abschluss<br />

der Pilotphase und einer Risikoanalyse<br />

den Übergang in die Massenproduktion<br />

einzuleiten. Mittlerweile verfügte man<br />

über eine »voll laufende Rolle-zu-Rolle-Pilotlinie<br />

<strong>mit</strong> der dritten Generation der<br />

INNOVATION: Hauchdünne und flexible<br />

Solarmodule aus Sachsen.<br />

VIELE UNTERSTÜTZER: Stelldichein von<br />

Politik und Investoren bei Solarion<br />

Beschichtungstechnik«, erinnern sich<br />

die beiden Unternehmer. Gleichzeitig<br />

wuchs die Belegschaft auf nunmehr 40<br />

Mitarbeiter.<br />

Nach dem erfolgreichen Aufbau der<br />

Modullinie im Jahre 2009 drängten Otte<br />

und Braun nun auch verstärkt an die<br />

Öffentlichkeit. Auf der Intersolar in München<br />

stellten sie 2010 teiltransparente<br />

Module vor – und erregten da<strong>mit</strong> erwartungsgemäß<br />

viel Aufsehen. Bald schon<br />

fand sich ein Branchenschwergewicht,<br />

um bei den Sachsen einzusteigen: die<br />

Walsin Lihwa Corp. aus Taiwan. Deren<br />

hundertprozentige Tochtergesellschaft<br />

Ally Energy erwarb im letzten Oktober<br />

49 Prozent an der Solarion AG, was dem<br />

asiatischen Großkonzern immerhin 40<br />

Millionen Euro Wert war.<br />

Der Einstieg in die Serienfertigung im<br />

neuen Werk in Zwenkau war da<strong>mit</strong> endgültig<br />

gesichert, nachdem auch der Freistaat<br />

Sachsen eine Förderung von gut 20<br />

Millionen Euro zugesagt hatte. Die neue<br />

Fabrik hat eine Jahreskapazität von 20<br />

Megawatt zur Herstellung von Solarzellen<br />

und -modulen und beschäftigt nun<br />

künftig 140 Mitarbeiter. Überdies kam<br />

unlängst <strong>mit</strong> Dr. Ottmar Koeder ein Vorstand<br />

für Produktion, Einkauf und Engineering<br />

(COO) in das Unternehmen.<br />

Koeder hatte in München auf dem Gebiet<br />

der Elektrotechnik promoviert und danach<br />

in verschiedenen Führungspositionen<br />

bei Siemens und Infineon gearbeitet.<br />

Zuletzt war er Vorstandsvorsitzender<br />

der CSG Solar AG in Bitterfeld-Wolfen.<br />

Die 1966 gegründete Walsin Lihwa<br />

Corp., die eigentlich aus dem Kabel- und<br />

Edelstahl-Sektor stammt, engagiert sich<br />

als Cleantech-Unternehmen seit Jahren<br />

zunehmend im Bereich der erneuerbaren<br />

Energien. So passte Solarion hervorragend<br />

in das Portfolio. Mithin wollen<br />

Sachsen und Chinesen nun gemeinsam<br />

auch technologisch die Dünnschichttechnologie<br />

weiter vorantreiben. »Solarion<br />

strebt nach der weltweiten Technologieführerschaft<br />

bei der industriellen<br />

Produktion von CIGS-Dünnschichtsolarzellen<br />

auf flexiblen Trägermaterialien«,<br />

versichert Otte. Da<strong>mit</strong>, hoffen er und das<br />

Solarion-Team, sich einen »bedeutenden<br />

Marktanteil« erschließen zu können.<br />

OTTE UND BRAUN: Im hart umkämpften<br />

Solarmarkt weltweit erfolgreich.<br />

Zugleich wissen sie, dass die Konkurrenz<br />

nicht schläft, besonders im asiatischen<br />

Raum. Auch deshalb riss die wissenschaftliche<br />

Kooperation zum Leibniz-<br />

Institut für Oberflächenmodifizierung<br />

wie zur Universität Leipzig nie ab.<br />

Doch auch <strong>mit</strong> weiteren namhaften<br />

Forschungseinrichtungen arbeitet man<br />

zusammen, etwa den Fraunhofer-Instituten<br />

in Halle, Freiburg und Dresden,<br />

dem Helmholtz-Zentrum in Berlin, der<br />

TU Dresden sowie dem Zentrum für Sonnenenergie-<br />

und Wasserstoffforschung<br />

in Stuttgart.<br />

Die Markteinführung der flexiblen<br />

Standardmodule auf Kunstoffträgern<br />

<strong>mit</strong> IEC-Zertifikat soll nun im nächsten<br />

Jahr erfolgen. Vorerst wird in Zwenkau<br />

eine neue Generation von Glasmodulen<br />

<strong>mit</strong> CIGS-Solarzellen in zwei verschiedenen<br />

Ausführungen produziert: zum einen<br />

starre Glas-Glas-Module, die sich für<br />

Freiflächenanlagen und Aufdachmontagen<br />

eignen. Zum anderen eine halbtransparente<br />

Variante, bei der ein Lochmuster<br />

– zum Beispiel auf Glasdächern – Lichtdurchlässigkeit<br />

bei nur minimal reduziertem<br />

Wirkungsgrad garantiert. Bereits<br />

<strong>mit</strong> diesem Produkt ist Solarion<br />

weitgehend konkurrenzlos.<br />

Harald Lachmann<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 15


SPECIAL<br />

Am ersten Mittwochmorgen im Oktober<br />

2005 ist Charles Anton Milner<br />

früh aufgestanden und dann <strong>mit</strong><br />

seinen Vorstandskollegen zur Frankfurter<br />

Börse gefahren. Zuvor hatte er noch<br />

einen Zettel an sie weitergereicht, darauf<br />

stand eine 50. Als nach der ersten Handelsminute<br />

eine 49 für Q-Cells auf dem<br />

elektronischen Kurs-Board auftauchte,<br />

wäre Milner am liebsten an die Decke gesprungen.<br />

Dabei hatte der Mann, dem<br />

man nachsagt, er besitze eine »Witterung<br />

für Chancen«, die Wette <strong>mit</strong> seinen<br />

Kollegen knapp verloren. Statt <strong>mit</strong> dem<br />

von ihm vorausgesagten Aktienkurs von<br />

50 Euro feierte der Solarzellenhersteller<br />

aus Thalheim (Sachsen-Anhalt) »nur« <strong>mit</strong><br />

49 Euro seinen Börseneinstand. Freilich<br />

lag da<strong>mit</strong> die Aktie, deren Emission<br />

mindestens 40-fach überzeichnet war,<br />

immer noch elf Euro über dem Emissionspreis<br />

von 38 Euro. Monate später<br />

war sie dann schon auf knapp 90 Euro<br />

angestiegen und Milners Unternehmen<br />

da<strong>mit</strong> Milliarden Euro wert.<br />

Sechs Jahre später kommen von dem<br />

Wunderkind, das im Raum Bitterfeld<br />

(Sachsen-Anhalt) das ostdeutsche Solar<br />

Valley begründet hat, ganz andere Nachrichten:<br />

Vorstandschef Milner ist weg<br />

und dem einst weltweit führenden Solarzellenhersteller<br />

ist das Geld ausgegangen.<br />

Monatelang schien das Unternehmen<br />

um ein Insolvenzverfahren nicht<br />

herumzukommen – <strong>mit</strong> allen Folgen für<br />

Belegschaft und Aktionäre. Erst als es<br />

dem jetzigen Vorstandschef Nedim Cen<br />

gelang, die Gläubiger von einer Übernahme<br />

des angeschlagenen Unternehmens<br />

zu überzeugen, keimte Hoffnung.<br />

Q-Cells, dessen Börsenwert statt Milliarden<br />

nur noch 70 Millionen Euro ausmacht,<br />

gelange laut Cen nun als fast<br />

schuldenfreies Unternehmen in die<br />

»einzigartige Position, um in einem anspruchsvollen<br />

Solarmarkt als technologisch<br />

führender Premiumanbieter wettbewerbsfähig<br />

zu sein«.<br />

Fotos: DPA, Archiv<br />

Solarindustrie<br />

Schatten im Paradies<br />

Lange fühlte sich die deutsche Solarbranche wie im Paradies.<br />

Doch asiatische Großkonkurrenz macht den hiesigen Vorzeigefirmen<br />

<strong>mit</strong> leistungsfähigen Billigangeboten das Leben sauer.<br />

Q-Cells, Solon, Conergy und Co sind in Not geraten. Derweil<br />

streitet die Politik, wie es <strong>mit</strong> der Solarförderung weitergehen soll.<br />

HÖHENLUFT GESCHNUPPERT<br />

Auf diesen Wiedergewinn von Wettbewerbsfähigkeit<br />

hoffen auch andere<br />

Schwergewichte einer Branche, die dank<br />

hoher Subventionen gerade in Ostdeutschland<br />

ihre Heimat gefunden hat.<br />

Eine ganze Dekade lang ging es für die<br />

Firmen nur steil bergauf. Und nicht nur<br />

Q-Cells stieß in die Weltspitze vor. Auch<br />

der Berliner Modulhersteller Solon, Börsenpionier<br />

der Branche, oder Solarworld,<br />

das in Freiberg (Sachsen) inzwischen drei<br />

Produktionsstandorte unterhält, schnupperten<br />

schwindelerregende Höhenluft.<br />

Angetrieben wurde ihr Aufstieg vor allem<br />

durch üppige Förderung, der sogenannten<br />

Einspeisevergütung, die jeder<br />

über 20 Jahre garantiert erhält, der<br />

Strom aus Solaranlagen ins Netz einspeist.<br />

Das Geld stammt freilich nicht<br />

vom Staat, sondern von der Gemeinschaft<br />

aller Stromkunden, die <strong>mit</strong> ihrer<br />

Stromrechnung die sogenannte EEG-Umlage<br />

finanzieren. Im vergangenen Jahr<br />

waren das 3,5 Cent pro Kilowattstunde.<br />

Da<strong>mit</strong> flossen allein 2011 fast 14 Milliarden<br />

Euro an Ökostromproduzenten – die<br />

Hälfte davon für Solarstrom.<br />

Indes, den Zellen- und Modulherstellern<br />

hat das nicht geholfen, sich gegen<br />

die asiatische Übermacht erfolgreich zur<br />

Wehr zu setzen. Vor allem die chinesische<br />

Konkurrenz hat die deutschen Anbieter<br />

unsanft aus ihrem »Schlaf hoch<br />

über den Wolken« geweckt. Schlimmer<br />

noch, nun droht gar der jähe Absturz der<br />

subventionsgetriebenen Himmelsstürmer.<br />

Die Berliner Solon AG, die allein in<br />

der Hauptstadt 500 Arbeitsplätze unterhält,<br />

musste schon Insolvenz anmelden<br />

und hofft nun, dass das indisch-arabische<br />

Solarunternehmen Microsol seine<br />

Übernahmepläne in die Tat umsetzt.<br />

Bereits übernommen wurde der<br />

Chemnitzer Solarmaschinenbauer Roth<br />

& Rau vom Schweizer Technologiekonzern<br />

Meyer Burger, der da<strong>mit</strong> den einstigen<br />

Börsengänger und Vorzeigebetrieb<br />

vor dem Aus bewahrte. Berauscht von Erfolgen<br />

hatten die Gründer nach Meinung<br />

von Experten erhebliche Managementfehler<br />

begangen. Roth und Rau hätten,<br />

hieß es, zu viel und alles zu schnell gewollt<br />

– <strong>mit</strong>hin seien sie auf dem Weg<br />

zum Komplettanbieter von Anlagen gescheitert.<br />

Nun ist Sanierung angesagt,<br />

was voraussichtlich 200 der 1.350 Mitarbeiter<br />

den Job kosten dürfte. Auch der<br />

16 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


SPECIAL<br />

Bosch-Konzern hat sich <strong>mit</strong> der Übernahme<br />

der Erfurter Ersol AG und des Modulherstellers<br />

Aleosolar, der in Prenzlau<br />

(Uckermark) ein hochleistungsfähiges<br />

Werk unterhält, nicht nur ein Stück solare<br />

Zukunft gekauft, sondern auch erhebliche<br />

finanzielle Belastungen ins Haus<br />

geholt. Der Solarzweig dürfte das Boschergebnis<br />

2011 <strong>mit</strong> einer halben Milliarde<br />

Euro belastet haben – und eine wirkliche<br />

Tendenzwende ist nicht in Sicht.<br />

schäftigt, soll schon im Januar keine Löhne<br />

mehr gezahlt haben. First Solar wiederum<br />

lässt seit März seine 1.200 Mitarbeiter<br />

in den beiden Frankfurter Betrieben<br />

kurzarbeiten. Und Conergy hatte<br />

bereits im Sommer 2011 <strong>mit</strong>geteilt, dass<br />

die Wafer- und Zellfertigung in Frankfurt<br />

Oder »vorläufig« eingestellt wird.<br />

Die Potsdamer Landesregierung, die<br />

allein in den Ausbau dieser drei Frankfurter<br />

Firmen in den letzten zehn Jahren<br />

knapp 56 Millionen Euro Steuergelder<br />

gepumpt hat, bangt nun um ihre »Solarhauptstadt«<br />

Frankfurt (Oder). Deren Untergang<br />

wäre für das ostdeutsche Land<br />

dramatisch. Schließlich sind inzwischen<br />

in Brandenburg in der Solarindustrie<br />

mindestens 4.500 Leute beschäftigt. Und<br />

Solar galt im Braunkohleland Brandenburg<br />

bislang als zukunftsfähigere Branche<br />

als der Bergbau in der Lausitz – genauso<br />

wie Solar Valley, das Herzstück der<br />

<strong>mit</strong>teldeutschen Solarindustrie.<br />

Auf den ersten Blick hat Ostdeutschland<br />

die ökologische Wende bei der<br />

Energieerzeugung vollzogen. Rauchende<br />

Schlote sind verschwunden, das einzige<br />

ostdeutsche Groß-Kernkraftwerk ist so<br />

gut wie abgebaut, dafür drehen sich nun<br />

zwischen Kap Arkona und dem Fichtelgebirge<br />

bald über 10.000 Windräder. Die<br />

weltweit größten Solarparks haben sich<br />

auf Industriebrachen und auf Militärgelände<br />

angesiedelt. Allein in 17 von 20<br />

Braunkohletagebauen wurden die Arbeiten<br />

eingestellt. Und da<strong>mit</strong> verloren über<br />

50.000 Bergleute ihren Arbeitsplatz.<br />

Umso wichtiger waren die neuen Stellen,<br />

die <strong>mit</strong>tels der Gigawatt-Transferunion<br />

im Osten geschaffen wurden. Die ostdeutsche<br />

Solarindustrie beschäftigt direkt<br />

und indirekt derzeit schon mehr als<br />

15.000 Leute.<br />

WOLKEN ÜBER DER »SOLARSTADT«<br />

Dunkle Wolken schließlich auch über<br />

der »Solarstadt« Frankfurt (Oder). Nach<br />

dem schon lange Zeit schwer in Bedrängnis<br />

geratenen Hamburger Conergy-Konzern,<br />

der in der Oderstadt die Industrieruine<br />

»Chipfabrik« zumindest zeitweilig<br />

zu neuem, sprich solaren Leben erweckte,<br />

sind nun auch der amerikanische Solarriese<br />

First Solar und der Modulhersteller<br />

Odersun in argen Nöten. Die AG, die<br />

2002 gegründet wurde und sich wie First<br />

Solar auf Dünnschichtmodule spezialisiert<br />

hat, ist über den Status eines Markteinsteigers<br />

nie hinausgekommen. Das<br />

Management sucht nun nach einem Investor.<br />

Die Sache scheint dringend, Odersun,<br />

das in Frankfurt 260 Mitarbeiter be-<br />

RASANTER PREISVERFALL<br />

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die<br />

Solarunternehmen – und das gilt für Ost<br />

wie West – ohne staatliche Ansiedlungshilfen<br />

und EEG-Subventionen bisher<br />

nicht lebensfähig sind. Und nicht einmal<br />

das, so scheint’s, reicht jetzt aus, sie auch<br />

weiterhin am Leben zu erhalten. Die Firmen<br />

werden gleich von mehreren Seiten<br />

in die Zange genommen. Überkapazitäten<br />

und ein rasanter Preisverfall machen<br />

der Branche das Leben sauer. Für deutsche<br />

Anbieter wichtige Auslandsmärkte<br />

brechen weg, weil etwa Spaniens klamme<br />

Regierung, wie schon zuvor Italien,<br />

die Solarförderung radikal gekürzt hat.<br />

Finanzugang<br />

der; ‹<strong>mit</strong>telständisch›: Möglichkeit der Finanzierung<br />

<strong>mit</strong> einem verlässlichen Partner; für den flexiblen und<br />

innovativen Mittelstand, auch in unsicheren Zeiten.<br />

Deutsche Bank<br />

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Die Deutsche Bank für den Mittelstand.<br />

Ein leistungsfähiger Mittelstand ist von fundamentaler Bedeutung<br />

für Deutschland. Die Deutsche Bank unterstützt<br />

ihn dabei <strong>mit</strong> individuell zugeschnittenen Finanzlösungen.<br />

Vom Betriebs<strong>mit</strong>tel- über den Investi t ionskredit bis hin zu<br />

öffentlichen Förderprogrammen stehen wir dem Mittelstand<br />

als zuverlässiger, langfristiger Finanzpartner zur Seite. In<br />

Deutschland und weltweit.<br />

Mit unserer umfangreichen Branchenerfahrung unterstützen<br />

wir den Mittelstand, die richtigen finanziellen Entscheidungen<br />

zu treffen. Uns vertraut heute jedes vierte <strong>mit</strong>telständische<br />

Unternehmen – vom Frei berufler über das Familienunternehmen<br />

bis hin zur Aktiengesellschaft.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 17


SPECIAL<br />

SOLARINDUSTRIE OST: Wiedergewinnung von Technologieführerschaft ist geboten.<br />

Auch auf dem Heimatmarkt tun sich die<br />

deutschen Anbieter immer schwerer.<br />

Mehr und mehr chinesische Unternehmen<br />

drängen nach Europa und da<strong>mit</strong><br />

auch auf den deutschen Markt. Konzerne<br />

wie Yingli oder Suntech haben daheim<br />

riesige Fertigungskapazitäten aufgebaut<br />

und zugleich draußen erste Konkurrenten<br />

übernommen, so auch in Deutschland.<br />

Sie sind da<strong>mit</strong> zu den Topanbietern<br />

auf dem Weltmarkt aufgestiegen – nicht<br />

zuletzt weil sie ein Fünftel billiger als<br />

ihre deutsche Konkurrenz produzieren.<br />

Entsprechend günstig verkaufen die Chinesen<br />

nun ihre Zellen, Module, Anlagen<br />

und Ausrüstungen.<br />

2012 – JAHR DER ENTSCHEIDUNGEN<br />

Wer trotz sinkender staatlicher Vergütung<br />

<strong>mit</strong> Solarstromerzeugung auf dem<br />

Dach weiterhin kräftig Rendite machen<br />

will, der greift mehr und mehr zu chinesischen<br />

Produkten. Was 2011 zu einem<br />

unerwarteten Installationsrekord führte,<br />

von dem deutsche Firmen so wenig wie<br />

noch nie hatten. Im vergangenen Jahr<br />

wurden Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen)<br />

<strong>mit</strong> einer Leistung von insgesamt<br />

rund 7.500 Megawatt (MW) neu installiert.<br />

Fast die Hälfte davon noch im Dezember,<br />

weil in dieser Zeit die Modulpreise<br />

weiter gesunken sind und zum<br />

Jahreswechsel die turnusmäßige Förderkürzung<br />

drohte.<br />

Nicht wenige Experten glauben, dass<br />

2012 zum »Jahr der Entscheidung« für<br />

die deutsche Solarindustrie wird. Absehbar<br />

ist schon jetzt, dass es Unternehmen,<br />

die sich ausschließlich auf die Zellenund<br />

Modulherstellung konzentrieren,<br />

schwer haben werden, langfristig zu<br />

überleben. Zumal von der deutschen Politik<br />

eher Ungemach als erhöhte Fürsorge<br />

droht.<br />

NEUE LÄNDER STÜTZEN RÖTTGEN<br />

Umwelt- und Wirtschaftsministerium<br />

streiten seit Monaten heftig um die Förderung<br />

der ins Gerede gekommenen<br />

Photovoltaik, die die Verbraucher seit<br />

2.000 <strong>mit</strong> bis zu 100 Milliarden Euro unfreiwillig<br />

gesponsert haben. Sie stützten<br />

da<strong>mit</strong> eine Technik, die trotz immensen<br />

finanziellen Aufwandes bisher nur etwa<br />

ein bis zwei Prozent des deutschen<br />

Stromverbrauchs decken kann und da<strong>mit</strong><br />

eine Vermögensverschwendung sondergleichen<br />

darstellt. Das jedenfalls<br />

meint die stark anschwellende solare<br />

Gegnerschaft.<br />

Wirtschaftsminister Philipp Rösler<br />

(FDP) will darum die Kosten künftig<br />

klein halten – zum Beispiel, indem »par<br />

ordre du Mufti« nur noch eine bestimmte<br />

Zahl von Anlagen pro Jahr gebaut<br />

werden darf. Umweltminister Norbert<br />

Röttgen (CDU) befürchtet dagegen, dass<br />

die deutsche Solarindustrie <strong>mit</strong> einer<br />

Deckelung der Neuanlagen-Jahreskapazität<br />

und der staatlichen Förderung abgewürgt<br />

werden könnte.<br />

Unterstützung erhält Röttgen von den<br />

CDU-geführten ostdeutschen Ländern<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.<br />

Die drei Länderchefs drohen, die Novellierung<br />

des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes<br />

im Bundesrat zu blockieren, falls<br />

darin Kürzungen der Solartarife festgeschrieben<br />

werden – Ausgang bislang offen.<br />

Zwar ist die Bundesregierung gegenüber<br />

der Europäischen Kommission<br />

verpflichtet, ihre Position zu den von der<br />

EU geplanten Energiesparrichtlinien in<br />

Brüssel vorzutragen. Doch davon ist man<br />

noch weit entfernt. Mitte Februar, zum<br />

Redaktionsschluss dieser W&M-Ausgabe,<br />

war noch keine Einigung in Sicht.<br />

Wirklich retten aber kann die Politik<br />

die deutsche Solarindustrie sowieso<br />

nicht. Die Industrie muss sich erst einmal<br />

selbst helfen, zum Beispiel <strong>mit</strong> dem<br />

Ausbau oder der Wiedergewinnung ihrer<br />

Technologieführerschaft. Dabei sind<br />

Systemlösungen gefragt, für die eine<br />

zielgerichtete Forschung und staatlich<br />

geförderte Forschungskooperation unabdingbar<br />

sind. In Schkopau (Sachsen-<br />

Anhalt), <strong>mit</strong>ten im <strong>mit</strong>teldeutschen<br />

Solar Valley, ist dafür ein Modultechnologiezentrum<br />

entstanden, in dem Wissenschaftler<br />

verschiedener Disziplinen an<br />

der Entwicklung neuer Verfahren für<br />

Solarzellen und -module arbeiten.<br />

»Qualität, Herstellungskosten und<br />

höherer Wirkungsgrad sind die Schlüssel<br />

um konkurrenzfähig zu bleiben«, sagt<br />

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner<br />

Haseloff (CDU), der sich von dem<br />

Fraunhofer CSP Zentrum einen neuen Innovationsschub<br />

für die Solarbranche in<br />

Mitteldeutschland und dem ganzen<br />

Osten verspricht. Gerade in wirtschaftlich<br />

schwierigen Zeiten, so der Ministerpräsident,<br />

brauchten die Unternehmen<br />

in Solar Valley diesen Forschungsverbund,<br />

um ihre weltweite Spitzenstellung<br />

sichern zu können.<br />

NETZPARITÄT IN AUSSICHT<br />

Haseloff hat recht: Marktwachstum, Kostendruck,<br />

harte Konkurrenz aus Fernost<br />

zwingen die deutschen Hersteller zu Innovationen.<br />

Es geht um Produkte, Techniken<br />

und Technologien, die weniger<br />

Rohstoffe benötigen und mehr Licht in<br />

Strom umwandeln. Übergreifendes Ziel<br />

dabei ist es, den Solarstrom billiger zu<br />

machen als den konventionellen Strom<br />

aus der Steckdose, der immer noch zu<br />

großen Teilen aus nicht regenerierbaren<br />

Rohstoffen erzeugt wird.<br />

Fachleute sprechen von sogenannter<br />

»Netzparität«, wenn die Preise für Solarstrom<br />

auf gleichem Niveau oder sogar<br />

unter den Tarifen der regionalen Energieversorger<br />

liegen. Professor Jörg Bagdahn,<br />

Chef des Hallenser CSP-Zentrums,<br />

geht davon aus, dass der <strong>mit</strong>teldeutsche<br />

Solarverbund den Sonnenstrom bis spätestens<br />

Ende 2013 auf diese Parität bringen<br />

wird. Dann explodiere der Markt,<br />

sagt Bagdahn. Und das Image vom teuren,<br />

hoch subventionierten Solarstrom<br />

werde verblassen.<br />

Steffen Uhlmann<br />

&<br />

18 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


ENERGIEMARKT<br />

Das Geld wird im<br />

Einkauf verdient<br />

Anzeige<br />

Mittelständische Unternehmen <strong>mit</strong> hohem Energiebedarf<br />

stehen heute mehr und mehr vor der Frage, wie sie ihre<br />

Einkaufskonditionen optimieren können. Ohne einen<br />

innovativen Energieversorger an der Seite geht das kaum.<br />

Wer heute als Unternehmen seinen<br />

Energieeinkauf optimieren<br />

will, dem bieten sich neue<br />

Chancen am Markt. Mit fachkundiger<br />

Unterstützung kann da<strong>mit</strong> effektiv die<br />

immer höher werdende Steuer- und Abgabenlast<br />

teilweise kompensiert werden.<br />

Die gesetzlichen Steuern und Abgaben<br />

werden weiter zunehmen. Das sieht zumindest<br />

der Bundesverband der Energie<br />

und Wasserversorgung (BDEW) so. Allein<br />

die EEG-Umlage ist Anfang des Jahres auf<br />

3,592 ct/kWh (netto) gestiegen. Zusätzlich<br />

hatderGesetzgeberden§19Absatz2der<br />

Stromnetzgeltverordnung (StromNEV)<br />

geändert. Neu ist, dass energieintensive<br />

Unternehmen <strong>mit</strong> einer Jahresabnahmemenge<br />

größer 10.000.000 kWh und 7.000<br />

Benutzungsstunden von den Netznutzungsentgelten<br />

befreit werden können.<br />

Dafür müssen die Unternehmen bei der<br />

Bundesnetzagentur einen entsprechenden<br />

Antrag stellen.<br />

Die entstehenden Kosten werden ab dem<br />

01.01.2012 auf alle Kunden verteilt. Für<br />

den Stromverbrauch bis 100.000 kWh/Jahr<br />

zahlen die Unternehmen in 2012 zusätzlich<br />

auf ihren Strompreis eine Umlage<br />

von0,151ct/kWh(netto),fürjedeweitere<br />

Kilowattstunde 0,05 ct/kWh (netto).<br />

Details können auf der Seite der Übertragungsnetzbetreiber<br />

www.eeg-kwk.net<br />

nachgelesen werden.<br />

Neben Steuern und Abgaben, die rund 39<br />

Prozent ausmachen, setzt sich der Strompreis<br />

aus weiteren Bestandteilen zusammen:<br />

22 Prozent sind Netzentgelte der<br />

Versorgungsunternehmen. Weitere 39<br />

Prozent sind Strombeschaffungskosten<br />

derEEX(EuropeanEnergyExchange)in<br />

Leipzig.<br />

STROMHANDEL AN DER BÖRSE<br />

Die EEX ist die Stromhandelsbörse, an<br />

der die Preise täglich neu bestimmt<br />

werden.HierhandelnEnergieerzeuger,<br />

Stadtwerke und Energieverkäufer Strom,<br />

Erdgas und CO 2<br />

. Die täglichen Schwankungen<br />

der Energiepreise sind für viele<br />

Unternehmenleidersehrschwereinzuschätzen,<br />

den optimalen Kaufzeitpunkt<br />

zu treffen fast unmöglich. Gründe dafür<br />

sind eine Vielzahl von Einflussfaktoren.<br />

VorallemdieweltweitenRohstoffpreise<br />

können sich negativ wie positiv auf den<br />

Energiepreis auswirken.<br />

VERSCHIEDENE<br />

BESCHAFFUNGSMODELLE<br />

Daher ist gut beraten, wer sich nicht <strong>mit</strong><br />

einereinzigenKaufentscheidungbeiseinem<br />

Energieversorger preislich bindet,<br />

sondern über alternative Beschaffungsmöglichkeiten<br />

nachdenkt. So bieten Energieversorger<br />

zwischenzeitlich die verschiedensten<br />

Einkaufsmöglichkeiten für<br />

Strom und Erdgas an. Zum Standard gehören<br />

inzwischen Fonds- und Tranchenprodukte.<br />

Bei diesen Beschaffungsmodellen<br />

kann der Kunde zwischen mehreren<br />

selbst definierten Einkaufszeitpunkten<br />

(Tranchenprodukt)oderüberEinkaufszeiträume<br />

von bis zu maximal einem<br />

Jahr (Fondsprodukt) wählen. Zusätzlich<br />

entwickeln die Energieversorger weitere<br />

Produkte,umdas Risiko desfalschen Einkaufszeitpunktes<br />

zu minimieren.<br />

Ein solches Energieunternehmen ist<br />

die ENSO AG aus Dresden. Der regionale<br />

Energiedienstleister verkauft Strom,<br />

Erdgas und Wärme auch außerhalb von<br />

Ostsachsen. Seinen Geschäftskunden<br />

bietet das Unternehmen ab einem Stromverbrauch<br />

von 100.000 kWh/Jahr und bei<br />

einem Erdgasverbrauch ab 500.000 kWh/<br />

Jahr verschiedenste auf das Unternehmen<br />

zugeschnittene Beschaffungsmodelle<br />

und Energieeffizienzmaßnahmen an.<br />

ENERGIEEINSPARPOTENZIALE<br />

ERMITTELN<br />

Potenziale im Energieverbrauch können<br />

durchindividuelleEnergieberatung,<br />

durch Erarbeitung von zukunftsorientierten<br />

Anlage- und Energiekonzepten<br />

und durch die Einführung ganzheitlicher<br />

Energiemanagementsysteme generiert<br />

werden. Beispielsweise sind mögliche<br />

Steuervergünstigungen zukünftig<br />

anderEinführungeineszertifizierten<br />

Energiemanagementsystems (EMS) geknüpft.<br />

Die daraus entstehenden Kosten<br />

und Investitionen amortisieren sich oft<br />

in weniger als drei Jahren.<br />

In diesem Bereich ist die ENSO AG <strong>mit</strong><br />

dem TÜV Süd Industrie Services GmbH<br />

(TÜV Süd) eine langfristige Kooperation<br />

eingegangen. Gemeinsam bieten sie ein<br />

breites Beratungsspektrum an.<br />

CHANCEN MIT DEZENTRALER<br />

ENERGIEERZEUGUNG<br />

FürKunden<strong>mit</strong>hohemWärmebedarf<br />

können sich bei einer dezentralen Energieerzeugung<br />

hohe Einsparpotenziale<br />

ergeben. Ob diese <strong>mit</strong> erneuerbaren<br />

Energien oder <strong>mit</strong> modernen Blockheizkraftwerken<br />

erfolgt, hängt vor allem von<br />

den Rahmenbedingungen der einzelnen<br />

Unternehmen ab.<br />

Wer heute als Unternehmen seinen Energieeinkauf<br />

optimiert und alle Chancen<br />

am Markt nutzt, gewinnt einen entscheidenden<br />

Wettbewerbsvorteil.<br />

SPRECHEN SIE UNS AN.<br />

WIR BERATEN SIE GERN!<br />

ENSO Energie Sachsen Ost AG<br />

01064 Dresden<br />

Rico Felix<br />

Telefon: 0351 468-3424<br />

E-Mail: Rico.Felix@enso.de


ANALYSE<br />

Finanzmärkte 2012<br />

Zeit für<br />

neue<br />

Strategien<br />

Investmentfondsanteile bieten<br />

noch immer große Chancen<br />

bei kalkulierbaren Risiken –<br />

allerdings müssen Anleger<br />

umdenken. Emerging Markets<br />

und Multiasset-Fonds <strong>mit</strong><br />

vermögensverwaltendem<br />

Charakter sind die richtige<br />

Antwort auf die Finanzkrise.<br />

Die schwere weltweite Finanzkrise<br />

hat auch in der Investmentbranche<br />

»eherne« Anlegerwahrheiten<br />

hinweggespült wie ein Tsunami: Zehn<br />

Jahre Haltedauer reichen, um bei Aktienfonds<br />

Börseneinbrüche <strong>mit</strong> Gewinn auszusitzen?<br />

– Lange vorbei! Inzwischen<br />

genügen nicht mal mehr 15 Jahre, um<br />

wieder ins Plus zu kommen. Seit Beginn<br />

des Jahrtausends rissen die Börsen die<br />

Kurse schon zweimal in beängstigende<br />

Tiefen. Viele Aktienfonds kommen deshalb<br />

im Rückblick über zehn bis 15 Jahre<br />

auf keinen grünen Zweig.<br />

Auch die Strategie, bedarfsspezifische<br />

Produkte anzubieten wie Aktienfonds<br />

für Chancenorientierte, Rentenfonds für<br />

Sicherheitsfanatiker und Mischfonds für<br />

alle, die sich nicht entscheiden können,<br />

gehört schon lange zum Alteisen. Vorbei<br />

ist es <strong>mit</strong> dem »sicheren Hafen« der Offenen<br />

Immobilienfonds, seitdem einige<br />

die Rücknahme von Anteilen einstellen<br />

mussten und manche sogar abgewickelt<br />

werden. Auch Absolute Returnfonds können<br />

ihr Versprechen kaum einhalten<br />

und liefern selten die »absolute Rendite«.<br />

NEUE SUPERMÄCHTE<br />

Massiven Schaden genommen hat auch<br />

der Glaube an den Wert des heimischen<br />

»Investmentherdes«. Der Glanz von deutschen<br />

Aktien und deutschen Anleihen ist<br />

verblasst, ebenso wie der von Wertpapieren<br />

aus dem Euroland. Die USA sind<br />

schon lange keine sichere Zufluchtstätte<br />

deutscher Investmentanleger mehr, japanische<br />

Aktien gehören schon seit vielen<br />

Jahren zu den Koma-Papieren.<br />

Stattdessen glänzen neue Sterne am<br />

Investmentfirmament. Aktien und Anleihen<br />

aus Brasilien, Russland, Indien und<br />

China werden von den Investmentgesellschaften<br />

als neue Hoffnungsträger gepriesen.<br />

Nach den Anfangsbuchstaben<br />

dieser Länder heißt die Strategie BRIC.<br />

Seitdem die aufstrebenden Volkswirtschaften<br />

dieser vier Länder die von der<br />

STUDIE<br />

Umfrage sieht China ganz weit vorn<br />

Wer ist die ökonomische Supermacht von Morgen? (Stand: 2011, in Prozent)<br />

China<br />

Indien<br />

USA<br />

Russland<br />

Deutschland<br />

weiß nicht<br />

0 10 20 30 40 50<br />

Quelle: GfK/Schroders<br />

Finanzkrise gebeutelten Industrieländer<br />

Europas – allen voran Deutschland – aus<br />

der Bredouille gerettet haben, werden<br />

Investmentmanager nicht müde, uns die<br />

Investmentzukunft in den Farben dieser<br />

Länder schönzumalen. Die Bevölkerung<br />

dieser Staaten ist überwiegend jung,<br />

die Mittelschicht konsumhungrig, die<br />

Wachstumsraten sind beeindruckend<br />

oder die Ressourcen (Russland) enorm.<br />

Die Risiken sind es aber auch: Investmentblasen,<br />

Inflationsgefahren, politische<br />

Unsicherheiten, ethnische Spannungen,<br />

Währungsrisiken.<br />

Deshalb tun sich deutsche Anleger<br />

schwer <strong>mit</strong> der Umorientierung auf die<br />

Schwellenländer, neudeutsch: Emerging<br />

Markets. Nach dem von der Schroder Investment<br />

Management GmbH und der<br />

Gesellschaft für Konsumforschung (GfK)<br />

gemeinsam erstellten Investmentbarometer<br />

steht Deutschland zwar immer<br />

noch ganz oben auf der Liste der Anlageziele,<br />

aber <strong>mit</strong> stark abnehmender Tendenz.<br />

Haben die Anleger im Jahr 2008<br />

noch zu 83 Prozent in deutsche Titel investiert,<br />

ist der Anteil danach Jahr für<br />

Jahr gesunken. 2011 betrug er nur noch<br />

71 Prozent. Und dieser Trend wird sich<br />

fortsetzen. Für die kommenden 24 Monate<br />

sehen nur noch 58 Prozent der Befragten<br />

Deutschland als potenzielles Anlageziel<br />

Nummer eins.<br />

Parallel dazu hat die internationale Diversifikation<br />

zugenommen. Gewinner<br />

sind – wenn auch auf sehr niedrigem<br />

Niveau – China und Russland. Aber auch<br />

die Anzahl der Unentschiedenen hat zugenommen.<br />

Europas Stern ist in der<br />

Gunst der Anleger im Sinken begriffen.<br />

<strong>Nur</strong> noch 28 Prozent der in der Studie Befragten<br />

planen in den kommenden 24<br />

Monaten in Europa zu investieren.<br />

UMFASSENDE BERATUNG<br />

Gedanklich haben die Anleger ihr geopolitisches<br />

Weltbild bereits umsortiert. Für<br />

mehr als die Hälfte ist China die wirtschaftliche<br />

Supermacht von Morgen. Das<br />

Vertrauen in das Land der Mitte wächst<br />

weiterhin stark. Allerdings klafft da eine<br />

große Lücke zwischen Überzeugungen<br />

und Taten. Denn obwohl 54 Prozent der<br />

Anleger China als die kommende Supermacht<br />

ansehen, wollen nur 19 Prozent<br />

ihr Kapital innerhalb der kommenden<br />

24 Monate dort investieren. Fast jeder<br />

Zweite, der an China glaubt, hält sich<br />

<strong>mit</strong> Investitionen im Reich der Mitte<br />

zurück. Das zeige, dass vielen Anlegern<br />

der Mut für Auslandsinvestitionen fehlt,<br />

lautet die Interpretation von Schroder<br />

Investment.<br />

Als der Hauptgrund für diese Investitionsaversion<br />

gilt bei der Mehrheit der<br />

20 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


ANALYSE<br />

Anleger (52,8 Prozent) ein zu geringer<br />

Kenntnissstand und weitere 45 Prozent<br />

scheuen das Risiko.<br />

Mehr Informationen brächten also<br />

mehr Sicherheit für die Anleger. Da sind<br />

vor allem die Investmentgesellschaften<br />

in der Pflicht. Wer Geld in den neuen<br />

Wachstumsmärkten anlegen will, sollte<br />

deshalb auf umfassender Beratung bestehen.<br />

Das gilt umso mehr für die jüngsten<br />

Hoffnungsträger am Aktienfondsmarkt,<br />

diejenigen Volkswirtschaften unter den<br />

Schwellenländern, die den BRICs folgen.<br />

Auch sie rangieren unter einem griffigen<br />

Sammelbegriff. »Next Eleven (N11)« – die<br />

nächsten elf – so jedenfalls hat sie Jim<br />

O’Neill, Chairman von Goldman Sachs<br />

Asset Management, genannt, der vor gut<br />

zehn Jahren bereits BRIC in die Welt<br />

gesetzt hatte. Mitunter werden sie auch<br />

als Frontier-Märkte bezeichnet.<br />

GEFRAGTE ASIEN-ANLEIHEN<br />

Ägypten, Bangladesh, Indonesien, Iran,<br />

Mexiko, Nigeria, Pakistan, Philippinen,<br />

Südkorea, Türkei und Vietnam sind die<br />

»nächsten elf«, die das Zeug haben, zu<br />

den BRIC-Staaten aufzuschließen und in<br />

den kommenden Jahren die etablierten<br />

Industrienationen wirtschaftlich einzuholen<br />

oder sogar von ihren Führungsplätzen<br />

zu vertreiben. Gemessen am<br />

Bruttoinlandsprodukt wird die Welt im<br />

Jahr 2050 anders aussehen als heute,<br />

prognostiziert Goldman Sachs: Nach<br />

China, der dann <strong>mit</strong> Abstand größten<br />

Volkswirtschaft der Erde, werden die<br />

USA, Indien, Japan, Brasilien, Mexiko<br />

und Russland auf den Plätzen rangieren.<br />

Deutschland wird dann ungefähr um<br />

Rang zehn herum dümpeln, die anderen<br />

EU-Länder – <strong>mit</strong> Ausnahme von Frankreich<br />

– landen noch weiter hinten.<br />

Die Orientierung auf Emerging Markets<br />

gilt übrigens nicht nur für Aktien.<br />

Weil die Haushalte der potenten Schwellenländer<br />

deutlich besser in Schuss sind<br />

als die Staatsetats der hochverschuldeten<br />

Industrieländer, sind auch Anleihen aus<br />

Emerging Markets erste Wahl. Es ist<br />

nicht absehbar, dass sich daran etwas ändern<br />

sollte. Wem die Aktienmärkte dieser<br />

Länder zu riskant sind, der kann getrost<br />

auf Anleihen setzen. Auch die Währungen<br />

dieser Länder sind nicht mehr<br />

tabu. Anleihen und Einlagen, die auf den<br />

chinesischen Renminbi lauten, wurden<br />

und werden seit vergangenem Jahr von<br />

namhaften europäischen Unternehmen<br />

sowohl begeben als auch gezeichnet.<br />

Die fortschreitende Liberalisierung des<br />

chinesischen Kapitalmarktes eröffnet<br />

ausländischen Anlegern die Möglichkeit,<br />

jenseits des Aktienmarktes – und so<strong>mit</strong><br />

unter Ausschaltung des Risikos einer<br />

zeitweise hohen Kursvolatilität – an der<br />

Dynamik Chinas teilzuhaben.<br />

BESSERE VERMÖGENSVERWALTUNG<br />

Da ist viel Hoffnung im Spiel und natürlich<br />

auch viel Risiko – und da<strong>mit</strong> sind<br />

es auch große Chancen. Wem das allerdings<br />

zu heiß ist, der orientiert sich<br />

nicht nach Regionen oder bestimmten<br />

Assetklassen, sondern setzt auf das Management.<br />

Gefragt sind mehr denn je<br />

Managementstrategien, die sowohl in<br />

guten wie in schlechten Börsenzeiten Gewinne<br />

sichern und Verluste soweit als<br />

möglich vermeiden. Fonds, die sowohl in<br />

Aktien als auch in Anleihen, Derivate,<br />

Währungen, Rohstoffe und Immobilien<br />

investieren, und die – wenn es mal ganz<br />

schlimm kommt – das Fondsvermögen<br />

sogar weitgehend in Cash halten können,<br />

um es vor der Vernichtung an den<br />

Börsen zu bewahren. Solche Strategien<br />

konnten sich früher nur Vermögensverwalter<br />

von Family Offices leisten, jene<br />

diskreten Geldvermehrer der ohnehin<br />

Reichen und Begüterten.<br />

Als Erste haben kleine Fondsboutiquen<br />

diesen Stil nachgeahmt und ihn da<strong>mit</strong><br />

auch breiten Kreisen von Anlegern zugänglich<br />

gemacht. Inzwischen bieten<br />

immer mehr Fondsgesellschaften so genannte<br />

Multi-Asset-Fonds an, die vermögensverwaltenden<br />

Charakter auch für<br />

kleine und <strong>mit</strong>tlere Geldbeutel haben.<br />

REGLEMENTIERTE FINANZMAKLER<br />

Stellt sich für den gemeinen Anleger die<br />

Frage, wo sind Anteile solcher Fonds am<br />

besten zu kaufen? Die Antwort: Weder<br />

im Internet noch beim »Allfinanz-Vermögensoptimierer«<br />

noch am Bankschalter.<br />

Die erste Adresse dafür sind unabhängige<br />

Finanzmakler. Jetzt erst recht! Denn<br />

deren Job wird seit diesem Jahr reglementiert.<br />

Die Anforderungen an die<br />

sachgerechte Beratung und Haftung<br />

solcher Makler wurden erhöht.<br />

Dokumentation der Beratung im Protokoll,<br />

Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung,<br />

Übergabe von Produktinformationsblättern,<br />

Registrierung und<br />

Sachkundenachweis können die Kunden<br />

künftig von unabhängigen Finanzmaklern<br />

erwarten. Das garantiert natürlich<br />

keine Investmentrendite, sorgt jedoch<br />

für deutlich mehr Transparenz und Beratungssicherheit.<br />

Hans Pfeifer<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 21


INTERVIEW<br />

Ernst Burgbacher, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für<br />

Wirtschaft und Technologie und Beauftragter der Bundesregierung für Mittelstand<br />

und Tourismus, zur Entwicklung der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit<br />

»Engagement keine Einbahnstraße«<br />

Foto: BMWi<br />

W&M: Herr Burgbacher, Ende des Jahres 2011<br />

hat die dritte Runde der deutsch-chinesischen<br />

Mittelstandskonsultationen in Taicang stattgefunden.<br />

Was sollen diese Treffen bewirken<br />

und was ist bei der jüngsten Begegnung herausgekommen?<br />

BURGBACHER: Die deutsch-chinesischen<br />

Mittelstandskonsultationen sind nicht<br />

nur Ausdruck dafür, dass wir auf Regierungsebene<br />

enger in allen Fragen der<br />

Mittelstandspolitik zusammenarbeiten.<br />

Unser Ziel ist es auch, ganz konkrete<br />

Maßnahmen für Mittelständler zu entwickeln<br />

und zu unterstützen. Zu nennen<br />

ist beispielsweise das im Jahr 2007 ins Leben<br />

gerufene deutsch-chinesische Managerfortbildungsprogramm.<br />

140 chinesische<br />

Manager konnten hierdurch bereits<br />

persönliche Erfahrungen sammeln und<br />

Kontakte <strong>mit</strong> Mittelständlern in Deutschland<br />

knüpfen. Angenehmer Nebeneffekt<br />

des Programms sind die zahlreichen Geschäftsabschlüsse<br />

zwischen den Beteiligten.<br />

Angedacht ist inzwischen, dieses<br />

Programm weiter auszubauen, so dass<br />

auch deutsche Mittelständler bald die<br />

Gelegenheit erhalten, die chinesische Geschäftskultur<br />

kennenzulernen.<br />

W&M: Ohne eine Anschubhilfe dürfte das<br />

internationale Engagement gerade kleiner<br />

und <strong>mit</strong>tlerer Unternehmen (KMU) schwer<br />

werden. Kam das zur Sprache?<br />

BURGBACHER: Sehr konkret sogar, denn<br />

die chinesische Regierung plant die Auflegung<br />

eines deutsch-chinesischen KMU-<br />

Fonds <strong>mit</strong> einem Volumen von zwei Milliarden<br />

Euro. Die China Development<br />

Bank ist zusammen <strong>mit</strong> der Kreditanstalt<br />

für Wiederaufbau gebeten worden, Vorschläge<br />

zur Ausgestaltung dieses Fonds<br />

zu entwickeln. Angesprochen haben wir<br />

auch das Thema Fachkräftesicherung,<br />

das nicht nur für deutsche Unternehmen<br />

in China zunehmend zum Problem<br />

wird. Geplant ist darüber hinaus, auf der<br />

Hannover Messe ein Memorandum of Understanding<br />

zur <strong>mit</strong>telstandspolitischen<br />

Zusammenarbeit unserer beiden Länder<br />

zu unterzeichnen. Der intensive Dialog<br />

wird aber weitergehen. Ich freue mich<br />

schon auf den Gegenbesuch der chinesischen<br />

Delegation in Deutschland in diesem<br />

Jahr.<br />

W&M: In China scheinen sich vor allem große<br />

deutsche Firmen, zum Beispiel Automobilproduzenten,<br />

zu engagieren, weniger kleine und<br />

<strong>mit</strong>tlere Unternehmen. Ein falscher Eindruck?<br />

BURGBACHER: Die öffentliche Wahrnehmung<br />

bleibt häufig bei den großen deutschen<br />

Unternehmen in China haften, obwohl<br />

es auch eine Vielzahl an hoch innovativen,<br />

international tätigen deutschen<br />

Mittelständlern dort gibt. Viele von ihnen<br />

sind schon seit Jahren <strong>mit</strong> Vertriebsfilialen<br />

und Produktionsstätten in China<br />

vertreten. Eine Studie des Deutschen Industrie-<br />

und Handelskammertages zeigt,<br />

dass für den hiesigen Mittelstand China<br />

außerhalb Europas inzwischen die wichtigste<br />

Destination für Auslandsinvestitionen<br />

ist – <strong>mit</strong> steigender Tendenz.<br />

W&M: Welchen Ruf genießt der deutsche Mittelstand<br />

in China?<br />

BURGBACHER: Er genießt in China einen<br />

so guten Ruf, dass die chinesische Regierung<br />

ihn als Zielgruppe für speziell auf<br />

ihn zugeschnittene Gewerbeparks entdeckt<br />

hat. Vielleicht rührt das Interesse<br />

der chinesischen Seite aber auch aus der<br />

eigenen Erfahrung: Der Mittelstand ist<br />

HANNOVER MESSE<br />

Partnerland China<br />

Die Volksrepublik China ist 2012 Partnerland<br />

der Hannover Messe (23.–27. April).<br />

Nach dem Staatsbesuch von Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel Anfang Februar dieses<br />

Jahres in China stellt Chinas Präsenz als<br />

Partnerland der Hannover Messe einen<br />

weiteren Höhepunkt in der Entwicklung der<br />

Beziehungen beider Länder da. Diese seien<br />

nach Aussage von Merkel zuletzt »ein<br />

ganzes Stück vorangekommen«. Das <strong>mit</strong><br />

mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern bevölkerungsreichste<br />

Land wird in Hannover<br />

<strong>mit</strong> über 500 Ausstellern vertreten sein.<br />

Eines der Schwerpunktthemen sind die<br />

Energieerzeugung und Energieeffizienz.<br />

nämlich nicht nur das Rückgrat der<br />

deutschen Wirtschaft, sondern auch der<br />

chinesischen.<br />

W&M: Auf welchen Feldern ist die deutschchinesische<br />

Zusammenarbeit besonders interessant<br />

für beide Partner?<br />

BURGBACHER: Der chinesische Ministerpräsident<br />

Wen Jiabao hat bei seinem Besuch<br />

in Deutschland im Sommer vergangenen<br />

Jahres die Felder Elektromobilität,<br />

Energie, Umweltschutz, energieeffizientes<br />

Bauen und Medizin als besonders interessant<br />

für eine stärkere Zusammenarbeit<br />

benannt. Die Liste dieser Geschäftsfelder<br />

ließe sich aber <strong>mit</strong> Blick<br />

auf das angestrebte bilaterale Handelsvolumen<br />

von 200 Milliarden Euro bis<br />

zum Jahr 2015 sicherlich auch um viele<br />

andere Wirtschaftsbereiche erweitern.<br />

W&M: Gehört das wachsende Problem der<br />

Fachkräftesicherung in die Aufreihung?<br />

BURGBACHER: Auf großes Interesse bei<br />

den Chinesen ist unser duales Ausbildungssystem<br />

gestoßen. Während meiner<br />

China-Reise habe ich mir in Taicang ein<br />

Berufsbildungszentrum angesehen, das<br />

nach deutschem Vorbild arbeitet. Die<br />

größere Verbreitung des dualen Ausbildungssystems<br />

würde nicht nur den deutschen<br />

Unternehmen auf dem chinesischhen<br />

Markt bei der Sicherung ihres Fachkräftebedarfs<br />

helfen. Wir diskutieren<br />

<strong>mit</strong> unseren chinesischen Partnern auch<br />

über den Zugang zu Beschaffungs- und<br />

Rohstoffmärkten oder die Frage der wettbewerblichen<br />

Rahmenbedingungen.<br />

W&M: Wo sehen Sie künftig die größten<br />

Chancen für innovative <strong>mit</strong>telständische Unternehmen?<br />

BURGBACHER: Angesichts des kräftigen<br />

Wachstums der chinesischen Wirtschaft<br />

und der steigenden Binnenmarkt-Nachfrage<br />

sind die Chancen für deutsche Mittelständler<br />

in nahezu allen Branchen<br />

ausgezeichnet. Traditionell wichtig ist<br />

die Wirtschaftsmacht China für die deutschen<br />

Investitionsgüterhersteller. Aber<br />

<strong>mit</strong> dem Wachstum des Binnenmarktes<br />

steigt die Nachfrage, die für die Konsumgüterhersteller,<br />

aber natürlich auch für<br />

22 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


INTERVIEW<br />

deutsche Dienstleister besonders interessant<br />

ist. So bietet etwa die rasante Entwicklung<br />

der chinesischen Städte und<br />

der Infrastruktur vielfältige Chancen für<br />

Architekturbüros, Projektentwickler und<br />

Umweltdienstleister.<br />

W&M: Apropos Umwelt – deutsche Unternehmen<br />

gelten als führend bei anspruchsvollen<br />

umweltschonenden Technologien. Gilt das<br />

auch in China?<br />

BURGBACHER: Die Chinesen wissen, wie<br />

gut unsere Unternehmen bei der »green<br />

technology« aufgestellt sind. Bestes<br />

Beispiel dafür ist der geplante deutschchinesische<br />

Ökopark in Quingdao. Er ist<br />

als privatwirtschaftliches Pilotprojekt<br />

für Unternehmen <strong>mit</strong> sehr anspruchsvollen<br />

Energie- und Umweltstandards gedacht.<br />

Aus meinen Gesprächen weiß ich,<br />

dass die chinesische Seite nicht nur in<br />

dieser Region an deutschem Know-how<br />

zur Lösung ökologischer Fragen sehr interessiert<br />

ist.<br />

W&M: Das hört sich jetzt wie eine Empfehlung<br />

an – oder?<br />

BURGBACHER: Durchaus. Auch über die<br />

boomende »green technology« hinaus<br />

»Die Chinesen wissen,<br />

wie gut unsere Unternehmen bei<br />

GREEN TECHNOLOGY<br />

aufgestellt sind.«<br />

gilt: Wer als innovativer Mittelständler<br />

neue Märkte außerhalb Deutschlands<br />

erschließen möchte, kommt an dem chinesischen<br />

Markt <strong>mit</strong> 1,3 Milliarden Menschen<br />

kaum vorbei. »Made in Germany«<br />

genießt auch in China einen exzellenten<br />

Ruf. Allerdings sollte man – wie bei jeder<br />

anderen unternehmerischen Entscheidung<br />

auch – Chancen und Risiken sorgfältig<br />

gegeneinander abwägen.<br />

W&M: Wo sehen Sie denn die Risiken in erster<br />

Linie?<br />

BURGBACHER: Nach wie vor kämpfen<br />

viele Investoren in China <strong>mit</strong> einer Reihe<br />

von Problemen, die sie aus ihrer Heimat<br />

nicht gewohnt sind. Zum Beispiel beim<br />

Thema »Schutz geistigen Eigentums«.<br />

Dazu kommt, dass die Löhne in vielen<br />

Regionen stark gestiegen sind. Das führt<br />

dazu, dass Kostenvorteile als Standortargument<br />

zunehmend in den Hintergrund<br />

treten. China ist schon lange nicht<br />

mehr die »verlängerte Werkbank«, als die<br />

es einst vielleicht einmal wahrgenommen<br />

wurde. Davon kann man sich auch<br />

auf der Hannover Messe 2012 überzeugen,<br />

bei der China Partnerland ist.<br />

W&M: Das klingt jetzt aber nicht mehr sehr<br />

ermutigend …<br />

BURGBACHER: Doch, doch. Bange machen<br />

gilt ohnehin nicht. Wer den Markteintritt<br />

sorgfältig plant, am besten sogar<br />

<strong>mit</strong> professioneller Hilfe vor Ort, zum<br />

Beispiel durch unsere Auslandshandelskammern,<br />

hat sehr gute Chancen, an<br />

dem großen Wachstum des chinesischen<br />

Marktes zu partizipieren. Die vielen Erfolgsbeispiele<br />

deutscher Mittelständler,<br />

die diesen Weg schon beschritten haben,<br />

sind dafür der beste Beweis.<br />

W&M: Wünschenswert wären andererseits<br />

chinesische Investitionen hierzulande, namentlich<br />

in Ostdeutschland. Ist das bei den<br />

Gesprächen thematisiert worden?<br />

BURGBACHER: Ja, ich habe ausdrücklich<br />

klargestellt, dass chinesische Investitionen<br />

bei uns sehr willkommen sind.<br />

Viele deutsche Mittelständler sorgen <strong>mit</strong><br />

ihrem Engagement in China für Wachstum,<br />

Innovation und Arbeitsplätze. Den<br />

20 Milliarden Euro, die deutsche Firmen<br />

bisher in China investierten, stehen bisher<br />

lediglich 0,6 Milliarden Euro gegenüber,<br />

die von chinesischen Unternehmen<br />

in Deutschland investiert worden sind.<br />

Davon allerdings fließt ein ansehnlicher<br />

Teil auch in die neuen Bundesländer.<br />

W&M: Könnten Sie dafür konkrete Beispiele<br />

benennen?<br />

BURGBACHER: Ein chinesisches Unternehmen<br />

investiert beispielsweise mehr<br />

als 50 Millionen Euro in den Aufbau einer<br />

Produktionseinrichtung für sterile<br />

Verpackungen in Sachsen-Anhalt. Durch<br />

dieses Engagement werden bis Ende des<br />

Jahres 110 neue Arbeitsplätze geschaffen.<br />

Direktinvestitionen dürfen keine Einbahnstraße<br />

sein. Ich habe daher angeregt,<br />

dass der angedachte Zwei-Milliarden-Fonds<br />

der chinesischen Regierung<br />

unter anderem auch zur Finanzierung<br />

chinesischer Gründungsvorhaben in<br />

Deutschland genutzt wird. Davon würden<br />

dann <strong>mit</strong> Sicherheit auch die neuen<br />

Bundesländer <strong>mit</strong> ihren Standortvorteilen<br />

profitieren.<br />

Interview: Helfried Liebsch<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 23


SERIE<br />

M arken<br />

acher<br />

ärkte<br />

Miltitz Aromatics<br />

Ein irrer Duft<br />

von Erfolg<br />

Ein Hauch von Chanel Nr. 5 umweht<br />

das <strong>mit</strong>teldeutsche Chemiedreieck.<br />

Verantwortlich dafür sind Peter Müller<br />

und Jürgen Braband (rechts). Nach der<br />

Wende gründeten sie in Bitterfeld die<br />

Firma Miltitz Aromatics. Der Betrieb<br />

ist spezialisiert auf die Herstellung von<br />

synthetischen Riech- und Aromastoffen.<br />

Diese werden weltweit an Kunden<br />

in fast 30 Ländern exportiert.<br />

24 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


Fangen Sie bloß nicht da<strong>mit</strong> an, dass<br />

ausgerechnet in Bitterfeld feinste<br />

Duftnoten entstehen!« – im einstigen<br />

Chemie-Moloch <strong>mit</strong> seinen maroden<br />

Anlagen. Peter Müller hebt die Hände.<br />

Klischees werden bedient. Und das mag<br />

der Geschäftsführer der Miltitz Aromatics<br />

GmbH im ChemiePark Bitterfeld-<br />

Wolfen nicht. Die Region war einst wegen<br />

unerträglichen Gestanks und Drecks<br />

verschrien. Am Ende Sinnbild der DDR.<br />

Die sozialistische Republik ist tot.<br />

Die Region aber lebt, hat einen weltweit<br />

einmaligen Strukturwandel erfahren,<br />

fit gemacht für den Markt <strong>mit</strong> Tradition,<br />

Know-how und Subventionen. Der<br />

62-jährige Peter Müller und der 71 Jahre<br />

alte Jürgen Braband, beide promovierte<br />

Chemiker, hatten in der Wendezeit den<br />

richtigen Riecher: 1992 gründeten sie ihr<br />

Unternehmen und ein Jahr darauf zogen<br />

sie nach Bitterfeld.<br />

Heute beschäftigt ihre GmbH 39 Mitarbeiter<br />

und sechs Azubis, produziert<br />

mehr als 50 verschiedene Duft- und Aromastoffe,<br />

im Jahr 1.000 bis 1.200 Tonnen,<br />

beliefert – »alles, was Rang und Namen<br />

hat«, so Peter Müller – Parfüm- und<br />

Wasch<strong>mit</strong>telhersteller sowie die Lebens<strong>mit</strong>telindustrie<br />

in 27 Ländern. Jahresumsatz<br />

zwischen elf und zwölf Millionen<br />

Euro. Das die Fakten.<br />

Klingt nach Erfolg. Und dem richtigen<br />

Weg. Peter Müller und Jürgen Braband<br />

sehen sich an. »Wir hatten doch Anfang<br />

der 90er Jahre gar keine Alternative. Wir<br />

wollten nicht in die Arbeitslosigkeit. Und<br />

wir wollten bleiben«, sagt Müller. »Die<br />

Chemie in Mitteldeutschland hatte nach<br />

der Wende arg gelitten«, so Braband. »Die<br />

Selbstständigkeit reizte uns – selbst entscheiden,<br />

der Markt als einziges Korrektiv.«<br />

Müller nickt: »Aus Konzernen hören<br />

wir oft, ihr könnt euer Boot innerhalb<br />

von Tagen umsteuern, bei unserem<br />

Schiffskoloss dauert das Jahre.«<br />

DER ÄLTESTE ALLER SINNE<br />

Die Nase sei heute noch ihr wichtigstes<br />

Werkzeug, sagt Müller. Solange wir atmen,<br />

riechen wir. Das Riechen ist der<br />

älteste der menschlichen Sinne und steuert<br />

unser Leben. Frisches Brot, eine Blumenwiese<br />

– Düfte wecken Gefühle, Erinnerungen<br />

und Stimmungen, lange bevor<br />

unser Verstand davon erfährt. Gerüche<br />

sind komplizierte Gemische. Was uns<br />

als unverwechselbarer Duft in die Nase<br />

steigt, ist in der Regel ein Potpourri aus<br />

hundert oder tausend verschiedenen Molekülen.<br />

So besteht der Duft einer Rose<br />

aus über 500 chemischen Einzelkomponenten.<br />

Um ein Kilo Rosenöl herzustellen,<br />

werden fünf Tonnen Blüten gebraucht.<br />

Das kostet über 5000 Euro.<br />

»Früher wurde Parfüm in Gold aufgewogen.<br />

Riechstoffe aus Pflanzen herzustellen,<br />

ist ein langwieriger, aufwendiger<br />

und teurer Prozess«, sagt Müller. »Erst<br />

zum Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten<br />

Wissenschaftler, dass die Prozedur<br />

auch einfacher funktioniert. Seither entschlüsseln<br />

Chemiker immer mehr das<br />

Geheimnis der Düfte und stellen sie synthetisch<br />

her.« Die Produktion in Labors<br />

und Anlagen habe auch den Vorteil, dass<br />

die Düfte und Aromen von konstanter<br />

Qualität sind. Eine besonders erfolgreiche<br />

Kreation aus der Retorte gelingt<br />

1921 <strong>mit</strong> Chanel Nr. 5. Es ist das erste verbreitete<br />

Parfum, das nicht nur nach Blumen<br />

riecht, sondern durch eine sogenannte<br />

Aldehydnote geprägt ist.<br />

Miltitz Aromatics, kurz MA genannt,<br />

setzt auf Tradition: 1829 beginnt die<br />

Firma Schimmel in Miltitz bei Leipzig,<br />

Düfte und Aromen zu produzieren. Zu<br />

DDR-Zeiten enteignet und an ein Kombinat<br />

angegliedert, heißt sie dann VEB<br />

Chemisches Werk Miltitz. Sie verliert in<br />

der Welt ihre Sonderstellung in der Branche,<br />

bleibt aber im RGW-Verbund führend<br />

– <strong>mit</strong> über 800 Mitarbeitern. Im Labor<br />

lernen sich 1984 Müller, der als Forschungsdirektor<br />

beginnt, und Braband,<br />

der da schon als Wissenschaftler arbeitet,<br />

kennen. Die beiden sind Tüftler, hartnäckig,<br />

visionär, ideenreich.<br />

Als der DDR der Totenschein ausgestellt<br />

ist, geht es planlos in die Marktwirtschaft,<br />

wickelt die Treuhand ab. »Die<br />

wusste <strong>mit</strong> uns gar nichts anzufangen.<br />

Niemand wollte uns«, erinnert sich Müller.<br />

Und meint da<strong>mit</strong> auch den großen<br />

Betriebsrohbau in Miltitz, in den die<br />

DDR noch 1987 einen Devisenkredit von<br />

60 Millionen DM investiert hatte. »In den<br />

Wendejahren aber brach der osteuropäische<br />

Markt weg. 50, 60 Interessenten aus<br />

dem In- und Ausland kamen nach Miltitz<br />

SERIE<br />

und winkten ab – zu groß für <strong>mit</strong>telständische<br />

Partnerschaften. Die Treuhand<br />

wollte daraufhin alles wegreißen lassen.«<br />

Peter Müller und Jürgen Braband sind<br />

jetzt in ihrem Redeschwall kaum zu stoppen.<br />

Eine Geschichte jagt die andere. Mit<br />

abenteuerlichen Episoden. Wenn Müller<br />

in zwei Jahren in Rente geht, will er alles<br />

aufschreiben. Was passierte aber nun<br />

<strong>mit</strong> dem alten Werk Miltitz? Am Ende<br />

wurde es in mehrere Betriebe aufgesplittet.<br />

Gemeinsam <strong>mit</strong> Heinz Grau, Unternehmer<br />

aus Schwäbisch Gmünd, übernahmen<br />

Müller und Braband 1992 den<br />

Bereich Chemische Synthese.<br />

In jenen aufregenden Tagen lernen sie<br />

Lothar Domröse aus Bonn kennen. Ein<br />

Generalleutnant a. D. der Bundeswehr,<br />

der ihnen helfen will, aber von Riechstoffen<br />

nicht die geringste Ahnung hat. Muss<br />

er auch nicht, denn er hat ein großes<br />

Netzwerk. Beste Kontakte zur Treuhand<br />

SIE HABEN den<br />

richtigen Riecher:<br />

Peter Müller <strong>mit</strong> Junior<br />

Stefan, Jürgen Braband<br />

und Delphine Dumas-<br />

Mittelberger (v.l.n.r.)<br />

sind Spezialisten für<br />

Wohlgerüche. Die<br />

Duftnoten aus Bitterfeld<br />

sind weltweit gefragt.<br />

und zu Gott und der Welt. Als Miltitz<br />

Aromatics gegründet, ein Betriebsgelände<br />

im ChemiePark Bitterfeld-Wolfen gefunden<br />

ist, haben Müller und Braband<br />

Wissen, Erfahrung und Ideen, aber weder<br />

Mitarbeiter noch Geld. Sie brauchen<br />

einen Kreditgeber, brauchen 350.000 DM.<br />

Der General kennt den Inhaber einer<br />

deutschen Privatbank. Den lädt er nach<br />

Bitterfeld-Wolfen ein, bringt ihn im<br />

Schlepptau gleich <strong>mit</strong>.<br />

START MIT SECHS MITARBEITERN<br />

»Wir zwei hatten nichts. Eine Meisterstube<br />

<strong>mit</strong> DDR-Interieur. Das sah schäbig<br />

aus«, sagt Müller. »Der Banker hat geguckt<br />

und geschluckt, als wir erstmal<br />

den Stuhl säuberten, auf den er sich<br />

dann setzte«, ergänzt Braband. Die Chemiker<br />

stellen ihr Konzept vor, berichten<br />

von ersten Aufträgen. Schließlich stellt<br />

der Banker die entscheidende Frage:<br />

»Welche Sicherheiten haben Sie, meine<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 25


SERIE<br />

Fotos: Torsten George, Ralf Lehmann IMG, Steffen Mainka (fotofliegen.de), Dana Micke<br />

DUFTE CHEMIE: Bei Miltitz Aromatics tüfteln die Mitarbeiter stetig an neuen Duftnoten.<br />

Herren?« Der General springt auf und<br />

ruft: »Mein Wort, mein Herr, mein Wort!<br />

Reicht Ihnen das?«<br />

Das sitzt. Müller und Braband unterbrechen<br />

ihre Erzählung. Aber wie ging es<br />

weiter? Müller lächelt und sagt: »Der<br />

Banker ging kurz an die frische Luft, kam<br />

zurück und presste ein knappes ›Ja‹ hervor.<br />

Am 16. Juni 1993 ging das Geld auf<br />

unserem Konto ein.« Nichts hatte die<br />

zwei Ostdeutschen umhauen können.<br />

Das schon. Heute ein undenkbarer Vorgang.<br />

General Domröse, inzwischen 92,<br />

wurde damals neben Müller, Braband<br />

und Grau der vierte MA-Gesellschafter.<br />

Mit dem Kredit hat die Firma eine alte<br />

Produktionsanlage im ChemiePark Bitterfeld-Wolfen<br />

flott gemacht. Der erste<br />

Auftrag kommt von Charabot aus dem<br />

französischen Grasse, dem Zentrum der<br />

Parfümindustrie. Charabot ordert drei<br />

Tonnen Gamma Methylionon, Veilchenriechstoff.<br />

Die Lohnproduktion <strong>mit</strong> sechs<br />

Fachkräften wird gestartet und Ende<br />

1993 geliefert. »Wir befürchteten, dass<br />

uns alles um die Ohren gehauen wird.<br />

Die Produktionsanlage war durch den<br />

Umbau nicht ganz sauber«, so Müller. Die<br />

Franzosen reagieren ehrenhaft, destillieren<br />

den Riechstoff erneut, zahlen trotzdem<br />

den vollen Preis. »Sie kannten unsere<br />

Probleme, honorierten den Aufbruchwillen.<br />

Die deutsche Parfümindustrie<br />

indes wartete ab.« Erstmal.<br />

nen von höchster Qualität sind, zu 99,8<br />

Prozent rein, gibt es immer auch einen<br />

Hauch von Eigengeruch«, sagt Müller,<br />

der <strong>mit</strong> Braband wie in alten Zeiten<br />

getüftelt hat, bis erste eigene Topnoten,<br />

Produktverfahren und -anlagen entwickelt<br />

sowie Lizenzen vergeben werden<br />

können. Das bringt MA in die Lage, bereits<br />

nach zwei Jahren den Kredit von<br />

350.000 DM plus Zinsen zurückzuzahlen.<br />

Das schafft Vertrauensbonus. Den<br />

braucht auch MA. Der Betrieb wächst.<br />

Die Anlagen werden erweitert. Bis heute<br />

wurden acht Millionen Euro investiert.<br />

Firmenvertretungen sitzen in Amerika,<br />

England, Frankreich, der Schweiz, Italien,<br />

Spanien, Indien und Singapur.<br />

Früher war Müller ständig auf Achse,<br />

Paris, New York, Singapur. Längst ist die<br />

Firma in die weltweite Lieferantenliste<br />

aufgenommen, die Auftragslage stabil.<br />

Jetzt sind Sohn Stefan, promovierter Jurist<br />

und Prokurist bei MA, und Marketingchefin<br />

Delphine Dumas-Mittelberger<br />

mehr auf Reisen. Apropos Stefan Müller.<br />

Der Vater berichtet: »Ein Banker warnte<br />

uns, wenn ihr den nächsten Kredit<br />

braucht, seid ihr Senioren, zu alt.« Die<br />

Geschäftsführung sollte für ihren Nachwuchs<br />

sorgen. Müller Junior, 34, arbeitet<br />

sich seit drei Jahren ein. »Wir alten Haudegen<br />

bleiben ja noch im Hintergrund«,<br />

sagt Müller senior. Braband ist <strong>mit</strong> 71<br />

Jahren Pensionär, trotzdem noch zieht er<br />

hier und da die Strippen.<br />

Sie erinnern sich an das Elbhochwasser<br />

2002. Zwar war ihre Firma nicht un<strong>mit</strong>telbar<br />

betroffen, aber viele der Mitarbeiter<br />

sind in ihren Dörfern regelrecht<br />

abgesoffen. »Mitarbeiter wollten von uns<br />

leere Fässer, um ihr Hab und Gut zu ver-<br />

WELTMARKTFÜHRER MIT AMBRA<br />

Die Auftraggeber wollen stabile Partnerschaften,<br />

weil in der Branche konstante<br />

Qualität der Ausgangsstoffe das A und O<br />

für die Mischbetriebe ist. »Obwohl die<br />

Riechstoffe aus den Kesseln und Kolonstauen«,<br />

sagt Müller. In dieser Lage erreichte<br />

sie eine Welle der Solidarität.<br />

Kunden aus Deutschland, Italien, den<br />

USA und sonstwoher spendeten Geld für<br />

die Flutopfer – 16.000 Euro. Der Pfarrer<br />

aus Jessnitz half, die Gelder zu verteilen.<br />

Auch das ist ein Stück Firmengeschichte.<br />

Wo MA überall »drin steckt«, ist kaum<br />

nachvollziehbar: Für ein einziges Parfüm<br />

stehen etwa 200 natürliche Essenzen<br />

und an die 2.000 synthetische Duftstoffe<br />

zur Verfügung, aus denen wiederum 30<br />

bis 80 diverse Stoffe für dieses eine Parfüm<br />

gemischt werden. »Chemische<br />

Grundstoffe werden durch Katalysatoren<br />

in den Anlagen zusammengesetzt. Katalysatoren<br />

sind das Zauber<strong>mit</strong>tel in der<br />

Chemie, die ganz verschiedene Stoffe zusammenbringen<br />

können«, so Müller.<br />

Eine besondere Topnote ist das hier<br />

kreiierte Hydroxyambran <strong>mit</strong> dem sehr<br />

eigenen und komplexen Ambra-Duft. »Da<br />

sind wir Weltmarktführer«, sagt Braband.<br />

Der Stoff ist in vielen exklusiven<br />

Parfüms drin. Und: Die Firma arbeitet<br />

<strong>mit</strong> dem Leibniz-Institut für Katalyse in<br />

Rostock an einem neuen Verfahren, um<br />

die synthetische Ambra-Produktion weiter<br />

zu optimieren.<br />

ZAUBER DES UNSICHTBAREN<br />

Um im Wettbewerb vorn zu sein, setzen<br />

die Bitterfelder auf Innovation. Gut ein<br />

Fünftel der Belegschaft arbeitet in der<br />

Forschung und Entwicklung. Je nach Projektlage<br />

wird <strong>mit</strong> Universitäten und<br />

Hochschulen kooperiert. »In Mitteldeutschland<br />

wird der Mittelstand großzügig<br />

gefördert«, sagt Müller. MA erhielt<br />

insgesamt 3,5 Millionen Euro an Förder<strong>mit</strong>teln.<br />

Forschung treibt Innovation.<br />

Ideen sind der Rohstoff der Zukunft. Die<br />

Konkurrenz ist hart. Südostasien überschwemmt<br />

den Markt <strong>mit</strong> sehr günstigen<br />

Produkten. »In China sind die Löhne<br />

in der Branche jedoch um bis zu 15<br />

Prozent gestiegen«, betont Stefan Müller.<br />

Ist die Nase des Geschäftsführers wirklich<br />

so gut? Müller senior lacht. »Ich rieche<br />

zum Beispiel, wer vor mir in den<br />

Fahrstuhl eingestiegen ist. Und das liegt<br />

nicht am Parfüm.« Das nämlich ist in der<br />

Firma nicht erwünscht. Der Geruchssinn<br />

darf hier nicht verfälscht werden.<br />

Müller sen. erinnert an einen Spruch<br />

von Coco Chanel, die nicht wie eine Blume<br />

duften wollte, sondern wie eine Frau.<br />

Wie riecht denn eine Frau? »Nicht nach<br />

Blumen«, erwidert Müller und feixst. Braband<br />

kontert: »Ich würde mich da nicht<br />

festlegen.« Er, Vater und Sohn Müller brechen<br />

in Gelächter aus. Der Zauber des<br />

Unsichtbaren lässt sich nur schwer in<br />

Worte fassen.<br />

Dana Micke<br />

&<br />

26 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


Copyright by<br />

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W&M PLUS<br />

TOP 100<br />

IN OSTDEUTSCHLAND<br />

Foto: Wikipedia<br />

Ranking der größten Arbeitgeber Ost<br />

(K)eine unendliche Geschichte<br />

Die neuen Länder wachsen dynamischer als die alten und holen dennoch nur punktuell auf. Auch die<br />

W&M-Liste der Top 100 Ostunternehmen belegt: Eine neue Investorenwelle ist dringend notwendig.<br />

Der Osten wächst schneller als der<br />

Westen und wird dennoch von<br />

ihm in Zeiten des Aufschwungs<br />

weiter abgehängt. Das vermeintliche Paradoxon<br />

deutsch-deutscher Gegebenheiten<br />

lässt sich auch <strong>mit</strong> der W&M-Liste der<br />

Top 100 Arbeitgeber nicht umfassend erklären,<br />

die Momentaufnahme gibt bei<br />

aller Unvollständigkeit aber einige Fingerzeige.<br />

Dazu gehört, dass kaum<br />

Veränderungen in der Unternehmensund<br />

Branchenstruktur zu erkennen sind.<br />

In Ostdeutschland dominieren Handelsund<br />

Dienstleistungskonzerne, die ihre<br />

Firmenzentralen fast ausschließlich in<br />

Westdeutschland haben. Mit allen Nachteilen<br />

für Beschäftigung, Sozialstruktur,<br />

Innovationsgeschehen und den deutschdeutschen<br />

Angleichungsprozess.<br />

Nimmt man die Untersuchungsergebnisse<br />

der arbeitgebernahen Initiative<br />

Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) zu<br />

ihren alljährlichen Länderrankings heran,<br />

dann entwickelt sich Deutschlands<br />

Osten im bundesweiten Vergleich temporeicher<br />

als der Westen. Letztjähriger<br />

Dynamiksieger war vor allen anderen<br />

ostdeutschen Ländern Brandenburg, wo<br />

die Steuerkraft zwischen 2007 und 2010<br />

um 16 Prozent und die Zahl der Jobs um<br />

5,4 Prozentpunkte gestiegen ist. Den<br />

Brandenburgern folgten im Dynamikranking<br />

Berlin, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt und<br />

Thüringen. Danach erst platzierte sich<br />

das erste westdeutschen Land – Hamburg.<br />

Diese Dynamik hat dem Osten allerdings<br />

nicht viel genutzt. Der wirtschaftliche<br />

Angleichungsprozess zwischen Ost<br />

und West stagniert, mehr noch, trotz eines<br />

beschleunigten Wachstums im abgelaufenen<br />

Jahr ist der Osten erneut in seinem<br />

Aufholprozess zurückgefallen. Nach<br />

vorläufigen Berechnungen des Hallenser<br />

IWH-Instituts hat die ostdeutsche Wirtschaft<br />

2011 zwar um 2,8 Prozent zugelegt,<br />

im Westen aber ging es im gleichen<br />

Zeitraum um über drei Prozent herauf.<br />

Da<strong>mit</strong> falle die Angleichung <strong>mit</strong> 69,5<br />

Prozent auf den Stand von 2008 zurück,<br />

so der IWH-Konjunkturexperte Udo Ludwig.<br />

Da<strong>mit</strong> sei auch klar, wie unrealistisch<br />

das Ziel einer kurzfristigen Ost-<br />

West Angleichung bleibe. »Die scheinbare<br />

Angleichung in Krisenzeiten war nur<br />

eine Episode«, sagt Ludwig.<br />

INDUSTRIELLE RENAISSANCE<br />

Die geringere Exportorientierung habe<br />

damals viele ostdeutsche Unternehmen<br />

vor einem stärkeren Geschäftseinbruch<br />

bewahrt. Im Aufschwung aber leide der<br />

Osten wieder unter seinen fundamentalen<br />

Schwächen: Kleinteiligkeit des<br />

Mittelstandes und da<strong>mit</strong> verbunden Innovations-<br />

und Exportschwäche, Fehlen<br />

von Führungszentralen und von originären<br />

ostdeutschen Großunternehmen<br />

(siehe Ranking), Alterung und Rückgang<br />

der Einwohnerzahl.<br />

Geht diese Angleichung der Wirtschaftsleistung<br />

im gleichen Tempo weiter,<br />

werden noch Jahrzehnte gebraucht,<br />

um das von der Politik ausgerufene Einheitsziel<br />

zu erreichen. Zwar existieren<br />

dynamische Wachstumszentren wie<br />

Chemnitz, Dresden, Leipzig oder Jena,<br />

aber insgesamt ist die ostdeutsche Wirtschaft<br />

nicht in der Lage, die nach wie vor<br />

bestehende Wachstumsschwelle zu überwinden.<br />

Der Osten braucht weiter Hilfen<br />

und finanzielle Transfers – bis über das<br />

magische Jahr 2019 hinaus, in dem die<br />

Solidarpakt<strong>mit</strong>tel auslaufen.<br />

Knapp 22 Jahre nach der Wende ist die<br />

ostdeutsche Wirtschaft noch nicht groß<br />

und da<strong>mit</strong> erwachsen geworden. Die<br />

Strategie der Treuhand, schnell zu privatisieren,<br />

wirkt noch immer nach. Sie hat<br />

im Osten eine viel zu kleinteilige Unternehmenslandschaft<br />

geschaffen, die anfangs<br />

noch weitgehend industriefrei gewesen<br />

ist. Das änderte sich kaum <strong>mit</strong> der<br />

industriellen Renaissance in den neuen<br />

Ländern, jedenfalls nicht entscheidend.<br />

Am Ende der ersten Dekade des neuen<br />

Jahrhunderts weisen im Westen über 65<br />

Prozent der Unternehmen Jahresumsätze<br />

von mehr als 50 Millionen Euro aus. In<br />

Ostdeutschland beträgt dieser Anteil<br />

nicht einmal 45 Prozent. Und wenn die<br />

28 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


W&M PLUS<br />

Firmen im Osten groß sind, dann dienen<br />

sie zumeist nur als verlängerte Werkbänke<br />

von West-Konzernen, deren Leistungen<br />

dann zwangsläufig auch zurückfließen.<br />

Kein einziger der größten deutschen<br />

Konzerne (<strong>mit</strong> Ausnahme der<br />

Deutschen Bahn) hat seinen alleinigen<br />

Hauptsitz im Osten.<br />

So wird in den ostdeutschen Töchtern<br />

auch kaum geforscht, weil Forschung zumeist<br />

direkt an die Konzernzentralen angebunden<br />

ist. Nach Erhebungen des Stifterverbandes<br />

der deutschen Wirtschaft<br />

liegen die internen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen<br />

der Unternehmen<br />

in Baden-Württemberg, dem bundesdeutschen<br />

Spitzenreiter, bei rund<br />

1.100 Euro je Einwohner. In Sachsen,<br />

dem führenden neuen Bundesland, sind<br />

es etwa 230 Euro, in Thüringen knapp<br />

200 Euro, in Sachsen-Anhalt nur 70 Euro<br />

und Brandenburg sowie in Mecklenburg-<br />

Vorpommern sind es gar nur 60 Euro.<br />

MEHR FORSCHENDE FIRMEN OST<br />

Aber es gibt auch gegenläufige Tendenzen.<br />

Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl<br />

der innovativen, forschenden Firmen<br />

von 3.200 auf 4.200 erhöht. Zugleich bildeten<br />

sich im Osten subventionsgetriebene<br />

Industriecluster für neue Hochtechnologien<br />

heraus. Das »Chipwunder« von<br />

Dresden und das <strong>mit</strong>teldeutsche Solar<br />

Valley sind dafür zwei Beispiele. Aber<br />

kein Licht ohne Schatten. Beide Industriezweige<br />

stehen auch dafür, welche<br />

fatale Folgen staatliche Fehlsteuerung<br />

erzeugen kann – siehe die Pleite des<br />

Speicherchipproduzenten Qimonda in<br />

Dresden. Das <strong>mit</strong> staatlichem Kapital geförderte<br />

Qimonda versuchte im Hochlohnland<br />

Deutschland, Massenprodukte<br />

in Konkurrenz zu Niedriglohnländern<br />

zu produzieren und scheiterte an seiner<br />

geringen Innovationsfähigkeit.<br />

Kenner der ostdeutschen Szenerie, wie<br />

der einstige Deutschbanker Edgar Most,<br />

fordern seit langem, die deutsch-deutsche<br />

Einheit »neu« zu denken. Dazu<br />

gehöre auch, die noch vorhandenen Förder<strong>mit</strong>tel<br />

umzuleiten und stärker auf<br />

solche Gebiete wie Bildung und Forschung<br />

zu fokussieren. Hinzu, so Most,<br />

müssten Anreizprogramme für abgewanderte<br />

Jugendliche kommen, um sie zu<br />

einer Rückkehr zu bewegen. Zumindest<br />

da scheint sich jetzt Einiges zu bewegen.<br />

2011 zogen erstmalig mehr Menschen<br />

für einen neuen Job von den alten in die<br />

neuen Länder. Das gilt besonders für<br />

wirtschaftlich wachsende Stadtregionen<br />

wie Leipzig oder Dresden. Grund für<br />

diese Umkehr ist, dass im Osten immer<br />

mehr hochqualifizierte Arbeitsplätze<br />

entstehen, für die es in den neuen Län-<br />

dern keinen Nachwuchs mehr gibt. Nach<br />

einer Untersuchung der »Otto-Brenner-<br />

Stiftung« suchen vor allem kleine und<br />

<strong>mit</strong>tlere Betriebe qualifiziertes Personal.<br />

Da die gut Ausgebildeten jahrelang den<br />

Osten verlassen haben, müssen sie jetzt<br />

aus dem Westen zurückgeholt werden.<br />

LEBENDIGE TÖCHTER VOR ORT<br />

Großunternehmen West wiederum müssen<br />

nach Auffassung von Experten dazu<br />

stimuliert werden, ihre hochproduktiven<br />

ostdeutschen Werkbänke in lebendige<br />

Tochterunternehmen umzugestalten.<br />

Deren Wertschöpfung müsse dann vorrangig<br />

im Osten verbleiben, da<strong>mit</strong> diese<br />

Firmen nicht nur hinsichtlich Beschäftigung,<br />

sondern auch hinsichtlich Wertschöpfung<br />

im Osten wirksam werden.<br />

DIE AUSNAHME: Firmensitz der Deutschen<br />

Bahn in Berlin, Potsdamer Platz.<br />

Das könnte man, so Most, durch steuerliche<br />

Begünstigungen erreichen. »Das würde<br />

dann beiden Teilen Deutschlands zugute<br />

kommen – in dem Maße, wie die<br />

Nettoerlöse im Osten verbleiben, kann<br />

der West-Finanztransfer in den Osten reduziert<br />

werden.«<br />

Im Alleingang, da zumindest sind sich<br />

alle Experten einig, wird der Osten nicht<br />

wirklich reüssieren und zum Westen aufschließen<br />

können. Gebraucht werde eine<br />

neue Investorenwelle, heißt es. Dafür<br />

aber müsse der Osten weit attraktiver für<br />

nationales und internationales Kapital<br />

werden. Wie auch immer: Bis an die Spitze<br />

des Top-100-Rankings ein internationaler<br />

Großkonzern <strong>mit</strong> Zentrale in Ostdeutschland<br />

rückt, können noch Jahre<br />

vergehen, indes: Nichts ist unmöglich.<br />

&<br />

Steffen Uhlmann<br />

Neue W&M-Beitragsserie<br />

Ausblick auf<br />

»Länderreports<br />

Innovation«<br />

In den nächsten Monaten werden<br />

W&M-Redakteure und namentlich<br />

Länderkorrespondenten des Magazins<br />

auf Entdeckungsreise gehen. Zu Innovations-Standorten<br />

in ostdeutschen<br />

Regionen. Entstehen soll eine Serie<br />

von »Länderreports Innovation«.<br />

Den Auftakt zu der Erkundungstour bildet<br />

auf den nächsten Seiten dieser W&M-<br />

Ausgabe eine Auflistung der 100 größten<br />

Unternehmen in den neuen Bundesländern<br />

und Berlin. Ein solches Ranking erhebt<br />

natürlich nicht den Anspruch der<br />

Vollständigkeit, zumal sich Größe nicht<br />

auf Mitarbeiter- und Umsatzzahlen reduzieren<br />

lässt. Die Liste hätte ein anderes<br />

Gesicht, würden ausschließlich Firmen<br />

<strong>mit</strong> Sitz in Ostdeutschland betrachtet<br />

oder beispielsweise die Agenturen für Arbeit<br />

oder andere Institutionen hinzugezählt.<br />

Das ausgewertete statistische Material<br />

weist zudem Lücken auf. Angaben<br />

differieren in unterschiedlichen Quellen,<br />

überregional und international agierende<br />

Unternehmen weisen kaum länderbezogene<br />

Zahlen aus.<br />

W&M hat sich vor allem auf die Länderrankings<br />

gestützt, die von den Banken<br />

Nord/LB, HELABA und Sachsen Bank,<br />

von der »Märkischen Allgemeinen« und<br />

der Berliner IHK veröffentlicht wurden.<br />

Auch da steckt der Teufel im Detail. Nach<br />

Gewerkschaftsangaben beschäftigt z. B.<br />

BMW in Leipzig 2.800 Stammkräfte und<br />

über 1.100 Zeitkräfte. Das Werk taucht im<br />

Mitteldeutschland-Ranking der Sachsen<br />

Bank gar nicht auf. Die Redaktion hat<br />

sich trotzdem der Mühe unterzogen, die<br />

Top-100-Liste für Ostdeutschland und<br />

Berlin, die in dieser Form ihresgleichen<br />

sucht, zu erstellen. Ergänzungen dazu<br />

sind ausdrücklich erwünscht.<br />

Die Rangfolge dürfte in vielerlei Hinsicht<br />

aufschlussreich sein. Vor allem unterstreicht<br />

sie die Vorzüge des Standorts –<br />

jenseits von Schönfärberei. Die »Länderreports<br />

Innovation«, die auch auf die regionalen<br />

Traditionen eingehen, werden den<br />

Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort<br />

Ost spezifischer ausleuchten. In Reportagen,<br />

Gesprächen vor Ort und Analysen.<br />

Gerne gehen wir auch auf die Vorschläge<br />

unserer Leserinnen und Leser ein: Sie<br />

sind also herzlich eingeladen!<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 29


W&M PLUS<br />

Top 100<br />

Von der Ostsee bis zum Erzgebirge – Das Ranking<br />

Rang Unternehmen Branche Mitarbeiter<br />

(2010)<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

28<br />

29<br />

30<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

35<br />

36<br />

37<br />

38<br />

39<br />

40<br />

41<br />

42<br />

43<br />

44<br />

45<br />

46<br />

47<br />

49<br />

50<br />

Deutsche Bahn*<br />

Deutsche Post<br />

Edeka Stiftung<br />

Rewe Group<br />

Deutsche Telekom*<br />

Siemens*<br />

Berliner Verkehrsb. (BVG)<br />

Vattenfall Europe u. Töchter<br />

METRO Group<br />

Vivantes<br />

Charité Berlin<br />

Dussmann Stiftung<br />

Volkswagen<br />

Randstad Deutschland<br />

HELIOS Kliniken GmbH<br />

Rhön Klinikum<br />

Bosch-Gruppe<br />

Gegenbauer Holding<br />

Landesbank Berlin<br />

KAISER’S TENGELMANN<br />

Bayer HealthCare<br />

Daimler<br />

Berliner Stadtreinigung<br />

Dow Gruppe Deutschland<br />

Leipziger Versorg.- u. Verkehrsges.<br />

AIDA Cruises<br />

WISAG-Gruppe<br />

BMW Group*<br />

E.on Avacon, E.on Edis, E.on Thüringen<br />

Berliner Wasserbetriebe<br />

Kaufland Dienstleistungen<br />

Piepenbrock Unternehmensgruppe<br />

Bombardier Transportation<br />

SECURITAS Gruppe<br />

Carl Zeiss Meditec/Microimaging<br />

Deutsche Bank<br />

Deutsche Lufthansa<br />

Bertelsmann<br />

ALBA Group<br />

Preiss-Daimler Group Wilsdruff<br />

Stadtwerke Halle u. Hallesche Wasser<br />

Karstadt Warenhaus Berlin<br />

walter services Holding<br />

Lafim-Gruppe (Wi-Lafim)<br />

Paul Gerhardt Diakonie Berlin<br />

Alexianer<br />

Universitätsklinikum Rostock<br />

K+S Gruppe<br />

Schlecker Drogeriemärkte<br />

Axel Springer<br />

Verkehr<br />

Logistik<br />

Handel<br />

Handel<br />

Telekommunikation<br />

Technik<br />

Verkehr<br />

Energie<br />

Handel<br />

Gesundheit<br />

Gesundheit<br />

Dienstleistung<br />

Automobilindustrie<br />

Personaldienstleistung<br />

Gesundheit<br />

Gesundheit<br />

Technik<br />

Facility Management<br />

Finanzwesen<br />

Handel<br />

Pharmaindustrie<br />

Automobilindustrie<br />

Entsorgung u. Recycling<br />

Chemie<br />

Verkehr<br />

Schifffahrt<br />

Facility Management<br />

Automobilindustrie<br />

Energie<br />

Wasserversorgung<br />

Handel<br />

Dienstleistung<br />

Verkehrstechnik<br />

Wachschutz<br />

Optik<br />

Finanzwesen<br />

Verkehr<br />

Medien<br />

Entsorgung u. Recycling<br />

Technik<br />

Energie- u. Wasserversorg.<br />

Handel<br />

Dienstleistung<br />

Gesundheit<br />

Gesundheit<br />

Gesundheit<br />

Gesundheit<br />

Dünge<strong>mit</strong>tel<br />

Handel<br />

Verlagswesen<br />

56.571<br />

25.700<br />

23.273<br />

21.078<br />

19.920<br />

15.116<br />

10.597<br />

10.461<br />

10.382<br />

10.104<br />

9.887<br />

9.860<br />

8.216<br />

7.900<br />

7.550<br />

7.481<br />

7.183<br />

7.037<br />

6.430<br />

6.226<br />

6.200<br />

6.000<br />

5.459<br />

5.404<br />

5.102<br />

5.100<br />

5.100<br />

5.000<br />

4.663<br />

4.638<br />

4.400<br />

4.364<br />

4.290<br />

4.070<br />

3.900<br />

3.750<br />

3.500<br />

3.440<br />

3.436<br />

3.343<br />

3.300<br />

3.295<br />

3.242<br />

3.221<br />

3.149<br />

3.118<br />

3.100<br />

3.100<br />

3.095<br />

3.040<br />

Umsatz<br />

(in Mio. Euro)<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

774<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

4.637<br />

3.507<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

1.074<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

434<br />

666<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

101<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

265<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

Bundesland<br />

Gesamt<br />

Gesamt, ohne Sachsen<br />

Gesamt, ohne M-V<br />

Gesamt, ohne M-V<br />

Gesamt<br />

Berlin, M-V, Sachs., Thür.<br />

Berlin<br />

Berlin und Brandenburg<br />

Berlin, BB, Thür.<br />

Berlin<br />

Berlin<br />

Berlin, BB, M-V, Thür.<br />

Berlin, Sachsen<br />

Berlin, BB, Thüringen<br />

Berlin, Thüringen<br />

Sachsen, S-A., Thür.<br />

Gesamt, ohne Sachsen<br />

Gesamt, ohne Sachsen<br />

Berlin<br />

Berlin<br />

Berlin, Sachs-Anh., Thür.<br />

Berlin<br />

Berlin<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Sachsen<br />

Meckl.-Vorpommern<br />

Berlin, Brandenburg<br />

Berlin, Sachsen<br />

Gesamt, ohne Sachsen<br />

Berlin<br />

Berlin<br />

Berlin, BB, M-V, Thür.<br />

Brandenburg, Sachsen<br />

Berlin<br />

Thüringen<br />

Berlin<br />

Berlin, Brandenburg<br />

Brandenburg, Thüringen<br />

Berlin, BB, M-V<br />

Sachsen, Sachs.-Anh.<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Berlin<br />

Brandenburg, S-A.<br />

Brandenburg<br />

Berlin<br />

Berlin, Brandenburg<br />

Meckl.-Vorpommern<br />

Sachs.-Anh., Thüringen<br />

Berlin, Brandenburg<br />

Berlin<br />

Anmerkung: Bei den <strong>mit</strong> * markierten Angaben resultiert die Beschäftigtenzahl teilweise aus Presseveröffentlichungen. Aufgrund von<br />

unterschiedlichen Rankings in Sachsen-Anhalt und Thüringen (Studie Fokus Mittelstand der Sachsen Bank sowie die Studien »Die 100<br />

größten Unternehmen in Sachsen-Anhalt« – Nord/LB und »Die 100 größten Unternehmen in Thüringen« – HELABA) liegen teilweise verschiedene<br />

Beschäftigtenzahlen zu einzelnen Unternehmen vor. Die Redaktion von Wirtschaft& Markt hat sich entschieden, in diesen<br />

30 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


W&M PLUS<br />

TOP 100<br />

IN OSTDEUTSCHLAND<br />

der 100 größten Arbeitgeber in Ostdeutschland<br />

Rang Unternehmen Branche Mitarbeiter<br />

(2010)<br />

51<br />

52<br />

53<br />

54<br />

55<br />

56<br />

57<br />

58<br />

59<br />

60<br />

61<br />

62<br />

63<br />

64<br />

66<br />

67<br />

68<br />

69<br />

70<br />

71<br />

72<br />

74<br />

75<br />

76<br />

77<br />

78<br />

79<br />

80<br />

81<br />

82<br />

83<br />

85<br />

86<br />

87<br />

88<br />

89<br />

90<br />

91<br />

92<br />

94<br />

95<br />

97<br />

98<br />

99<br />

100<br />

Jenoptik<br />

McDonald’s Deutschland<br />

Allianz<br />

GLOBALFOUNDRIES Dresden<br />

NETTO Supermarkt GmbH & Co. KG<br />

BASF Gruppe/BASF Schwarzheide<br />

3 B Dienstleistung Deutschland<br />

Evangelisches Johannesstift<br />

airberlin group<br />

Commerzbank<br />

UNIONHILFSWERK<br />

Nordex SE<br />

Arcelor Mittal Eisenhüttenstadt<br />

BIOTRONIK SE & Co. KG<br />

X-FAB Semiconductor Foundries<br />

Q-Cells SE<br />

Klinikum Ernst von Bergmann<br />

Gesellschaft für Leben u. Gesundheit<br />

Mosaik Unternehmensverbund<br />

SNT Deutschland<br />

Mercedes-Benz Ludwigsfelde<br />

Hermes Fulfilment<br />

Scandlines<br />

MIBRAG Mitteldeutsche Braunkohle<br />

Lidl Dienstleistung<br />

Dirk Rossmann<br />

Envia Mitteldeutsche Energie<br />

Pro Klinik Holding<br />

Tönnies Fleischwerk u. Zerlegebetrieb<br />

Carl-Thiem-Klinikum Cottbus<br />

Damp Holding<br />

Günter Papenburg Halle<br />

Infineon Technologies<br />

Bauerfeind<br />

BT Berlin Transport<br />

Mitteldeutscher Rundfunk<br />

Mitteldeut. Druck- und Verlagshaus<br />

P+S WERFTEN<br />

Braun Gruppe u. RIEMSER Arznei<strong>mit</strong>tel<br />

Berliner Volksbank<br />

Berliner Werkstätten für Behinderte<br />

Möbel Höffner<br />

Opel Eisenach<br />

Dresdner Druck- und Verlagshaus<br />

Bundesdruckerei Gruppe<br />

Zeitungsgruppe Thüringen<br />

Rolls-Royce Deutschland<br />

Deutsche Kreditbank<br />

SWE Stadtwerke Erfurt<br />

Osram<br />

Optik<br />

Ernährung<br />

Versicherung<br />

Technik<br />

Handel<br />

Chemie<br />

Dienstleistung<br />

Gesundheit<br />

Verkehr<br />

Finanzwesen<br />

Soz. Dienstleistungen<br />

Windkraft<br />

Stahlindustrie<br />

Medizintechnik<br />

Technik<br />

Energie<br />

Gesundheit<br />

Gesundheit<br />

Soz. Ausbildungsträger<br />

Call-Center<br />

Automobilindustrie<br />

Logistik<br />

Schifffahrt<br />

Energie<br />

Handel<br />

Handel<br />

Energie<br />

Gesundheit<br />

Ernährung<br />

Gesundheit<br />

Gesundheit<br />

Bauwesen<br />

Technik<br />

Orthopädie<br />

Logistik<br />

Medien<br />

Verlagswesen<br />

Schifffahrt<br />

Mischkonzern<br />

Finanzwesen<br />

Sozialer Ausbildungsträger<br />

Möbel<br />

Automobilindustrie<br />

Verlagswesen<br />

Verlagswesen<br />

Verlagswesen<br />

Technik<br />

Finanzwesen<br />

Energie- u. Wasserversorg.<br />

Leucht<strong>mit</strong>tel<br />

3.000<br />

2.964<br />

2.900<br />

2.850<br />

2.785<br />

2.770<br />

2.700<br />

2.676<br />

2.652<br />

2.647<br />

2.586<br />

2.504<br />

2.489<br />

2.400<br />

2.400<br />

2.379<br />

2.359<br />

2.293<br />

2.272<br />

2.266<br />

2.245<br />

2.200<br />

2.200<br />

2.156<br />

2.145<br />

2.142<br />

2.117<br />

2.065<br />

2.037<br />

2.034<br />

2.029<br />

2.023<br />

2.000<br />

2.000<br />

1.996<br />

1.994<br />

1.981<br />

1.977<br />

1.900<br />

1.866<br />

1.846<br />

1.800<br />

1.800<br />

1.793<br />

1.750<br />

1.750<br />

1.740<br />

1.730<br />

1.720<br />

1.704<br />

Umsatz<br />

(in Mio. Euro)<br />

511<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

1.059<br />

1.439<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

972<br />

1.104<br />

k.A.<br />

239<br />

1.354<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

569<br />

387<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

2.969<br />

k.A.<br />

1.522<br />

k.A.<br />

182<br />

409<br />

k.A.<br />

250<br />

k.A.<br />

728<br />

113<br />

407<br />

360<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

194<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

1.097<br />

k.A.<br />

440<br />

k.A.<br />

Bundesland<br />

Thüringen<br />

Berlin, Brandenburg<br />

Berlin<br />

Sachsen<br />

Brandenburg und M-V<br />

Berlin und Brandenburg<br />

Berlin<br />

Berlin<br />

Berlin<br />

Berlin und M-V<br />

Berlin<br />

Meckl.-Vorpommern<br />

Brandenburg<br />

Berlin<br />

Thüringen<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Brandenburg<br />

Brandenburg<br />

Berlin<br />

Brandenburg<br />

Brandenburg<br />

Sachs.-Anh. und Thür.<br />

Meckl.-Vorpommern<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Berlin<br />

Berlin, BB, Thür.<br />

Sachsen, Sachs.-Anh.<br />

Brandenburg<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Brandenburg<br />

Meckl.-Vorpommern<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Sachsen<br />

Thüringen<br />

Berlin<br />

Sachsen, S-A, Thür.<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Meckl.-Vorpommern<br />

Meckl.-Vorpommern<br />

Berlin<br />

Berlin<br />

Brandenburg<br />

Thüringen<br />

Sachsen<br />

Berlin<br />

Thüringen<br />

Brandenburg<br />

Berlin, Brandenburg<br />

Thüringen<br />

Berlin<br />

Fällen die jeweils höhere Angabe in die Liste einfließen zu lassen. Beispiel EDEKA Märkte in Sachsen-Anhalt – laut Ranking Nord/LB:<br />

4.152 Mitarbeiter, laut Sachsen Bank: 7.082. Einige der größten Arbeitgeber in Ostdeutschland und Berlin veröffentlichten 2010 keine<br />

Beschäftigtenzahlen (z. B. Schwarz-Gruppe <strong>mit</strong> Kaufland und Lidl) und werden daher im Ranking nicht berücksichtigt. Abkürzungen:<br />

Mecklenburg-Vorpommern (Meckl.-Vorpommern u. M-V); Sachsen-Anhalt (Sachs.-Anh. u. S-A); Thüringen (Thür.); Brandenburg (BB).<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 31


W&M PLUS<br />

Top 100 der einzelnen ostdeutschen Länder<br />

Bunter Branchenmix<br />

TOP 100<br />

IN OSTDEUTSCHLAND<br />

W&M veröffentlicht in den kommenden Ausgaben die<br />

Rankings der größten und umsatzstärksten Unternehmen<br />

in den ostdeutschen Bundesländern und der Hauptstadt<br />

Berlin. Hier ein Überblick zu den genutzten Quellen<br />

und eine <strong>Vorschau</strong> auf die derzeit aktuellsten Ergebnisse.<br />

Fotos: Deutsche Post AG, Opel AG, Metro Group<br />

Berlin<br />

Verkehrsbranche vorn<br />

Die Industrie- und Handelskammer (IHK)<br />

und die Handwerkskammer Berlin<br />

haben im August vergangenen Jahres die<br />

Broschüre »Berliner Wirtschaft in Zahlen«<br />

für das Jahr 2011 vorgelegt. Das<br />

Nachschlagewerk zeigt auf insgesamt 70<br />

Seiten, wie es um die Berliner Wirtschaft<br />

und die Hauptstadt insgesamt steht und<br />

präsentiert eine aktuelle Top-100-Liste<br />

der größten Berliner Unternehmen nach<br />

Beschäftigtenzahlen. Die Umsatzgrößen<br />

wurden nicht berücksichtigt.<br />

Die meisten Mitarbeiter in Berlin hat<br />

nach diesen Angaben die Deutsche Bahn<br />

AG <strong>mit</strong> 18.543. Mit deutlichem Abstand<br />

folgt die Siemens AG (13.066 Arbeitnehmer),<br />

vor den Berliner Verkehrsbetrieben<br />

(10.597), dem Vivantes Netzwerk für Gesundheit<br />

GmbH (10.104) und der Charité-<br />

Universitätsmedizin (9.887). Besonders<br />

bemerkenswert ist, dass diese fünf Konzerne<br />

tatsächlich auch ihren Hauptsitz<br />

im Bundesland Berlin haben.<br />

Das Jahr 2010 war für die Berliner Wirtschaft<br />

insgesamt ein erfolgreiches.<br />

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs<br />

um 2,7 Prozent und die Umsätze und<br />

Auftragseingänge der Unternehmen verbesserten<br />

sich. Berlins Bevölkerung<br />

wuchs auf ein Rekordniveau. Die Einwohnerzahl<br />

stieg im Jahr 2010 gegenüber<br />

dem Vorjahr um 18.000 Personen. Ein<br />

Plus von einem halben Prozent auf<br />

3,46 Millionen Einwohner. So kräftig hat<br />

die Einwohnerzahl seit 19 Jahren nicht<br />

mehr zugelegt. Allerdings betrug die<br />

Arbeitslosenquote 2010, auch infolge des<br />

enormen Zuzugs, 13,6 Prozent. Im Bundesvergleich<br />

behielt die Hauptstadt da<strong>mit</strong><br />

die rote Laterne hinter Mecklenburg-<br />

Vorpommern und Sachsen-Anhalt.<br />

Brandenburg<br />

Viele Jobs im Handel<br />

Die in Potsdam erscheinende regionale<br />

Tageszeitung »Märkische Allgemeine<br />

Zeitung« (MAZ) listete im August 2011<br />

»Brandenburgs größte Unternehmen«<br />

auf. Für die Top 100 wurden nur private<br />

Unternehmen berücksichtigt, öffentliche<br />

und gemeinnützige Arbeitgeber<br />

fanden sich in einer separaten Tabelle<br />

<strong>mit</strong> den Top 30 wieder. Im Unterschied<br />

zu den anderen aufgeführten Bundesländern<br />

wurden in dieser Veröffentlichung<br />

bereits Beschäftigtenzahlen für<br />

2011 im Vergleich <strong>mit</strong> 2010 genannt.<br />

Die Unternehmensgruppe Schwarz <strong>mit</strong><br />

ihren Handelstöchtern Lidl und Kaufland<br />

steht 2011 auf Platz eins <strong>mit</strong> insgesamt<br />

8.103 Mitarbeitern, nennt allerdings<br />

keine Zahlen für 2010. Die Deutsche<br />

Bahn AG als größter öffentlicher<br />

Arbeitgeber kommt aktuell auf 7.500<br />

Mitarbeiter (2010: 7.470), es folgt die<br />

Deutsche Post AG <strong>mit</strong> der unveränderten<br />

Beschäftigtenzahl von 6.800.<br />

Neben weiteren Handelsketten (METRO<br />

Group, Netto, Edeka) und einer Vielzahl<br />

von Unternehmen aus der Gesundheitsbranche<br />

sind für das Jahr 2010 Vattenfall<br />

Europe (5.040 Beschäftigte), Dussmann<br />

(2.650) und Arcelor Mittal Eisenhüttenstadt<br />

(2.489) als besonders wichtige<br />

Arbeitgeber im Bundesland Brandenburg<br />

genannt worden.<br />

Einen Spitzenplatz beim Umsatz belegte<br />

der Energieversorger E.on Edis AG <strong>mit</strong><br />

1,68 Milliarden Euro. Es folgen Arcelor<br />

Mittal (1,1 Milliarden), Rolls-Royce<br />

Deutschland <strong>mit</strong> Sitz in Blankenfelde<br />

(1,1 Milliarden), das Chemieunternehmen<br />

BASF Schwarzheide (eine Milliarde)<br />

und Riva Stahl (992 Millionen) aus der<br />

metallurgischen Branche.<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

Stabile Beschäftigung<br />

Die Studie zu den Top 100 Mecklenburg-<br />

Vorpommerns stellte die NORD/LB im<br />

Januar dieses Jahres vor. Im Geschäftsjahr<br />

2010 beschäftigten die 100 größten<br />

Unternehmen im Land insgesamt 71.800<br />

Mitarbeiter. »Da<strong>mit</strong> ist klar, dass die Zahl<br />

der Beschäftigten gegenüber dem Vorjahr<br />

stabil geblieben ist«, erklärte Dr. Arno<br />

Brandt, Leiter der NORD/LB Regionalwirtschaft.<br />

Mit 5.100 Mitarbeitern war die<br />

Kreuzfahrtreederei AIDA Cruises 2010 der<br />

größte Arbeitgeber. Auf Platz zwei und<br />

drei folgen die Deutsche Bahn AG <strong>mit</strong><br />

4.143 Mitarbeitern und das Universitätsklinikum<br />

Rostock <strong>mit</strong> 3.100 Beschäftigten.<br />

Die weiteren Plätze belegen die Deutsche<br />

Post DHL (3.000 Mitarbeiter), der<br />

Rostocker Windenergieanlagenhersteller<br />

Nordex SE (2.504), die Fährreederei Scandlines<br />

Rostock (2.200), die Klinik-Gruppe<br />

Damp Holding und die P+S WERFTEN<br />

GmbH Stralsund, die Stavenhagener OHG<br />

NETTO Supermarkt GmbH & Co. und das<br />

Maschinenbau-Unternehmen Hydraulik<br />

Nord GmbH aus Parchim.<br />

An der Spitze der umsatzstärksten Unternehmen<br />

des Landes steht die OHG NETTO<br />

Supermarkt GmbH & Co. <strong>mit</strong> einem Umsatz<br />

von mehr als 1,1 Milliarden Euro.<br />

Nordex liegt <strong>mit</strong> 972 Millionen Euro auf<br />

dem zweiten Rang. Mit deutlichem Abstand<br />

folgen der Schweriner Energieversorger<br />

WEMAG AG (640 Millionen Euro),<br />

Scandlines (569 Millionen) und die<br />

P+S WERFTEN GmbH (407 Millionen). Auf<br />

den weiteren Plätzen liegen die HANSA-<br />

Milch Mecklenburg-Holstein eG, die Ostsee<br />

Mineralöl-Bunker GmbH, die YARA<br />

GmbH & Co. KG, die Egger Holzwerkstoffe<br />

Wismar GmbH & Co. KG und die Energiewerke<br />

Nord GmbH in Greifswald.<br />

32 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


W&M PLUS<br />

Sachsen<br />

Automobilsektor stark<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Umsatzplus angepeilt<br />

Thüringen<br />

Mittelstand dominiert<br />

Neun der 100 größten Unternehmen ganz<br />

Mitteldeutschlands zählen zur Automobilindustrie.<br />

Insgesamt standen für viele<br />

sächsische Unternehmen im Jahr 2010 die<br />

Zeichen auf Wachstum. Besonders Betriebe<br />

aus dem Automobilsektor konnten<br />

nach teilweise starken Umsatzrückgängen<br />

im Jahr zuvor kräftig zulegen. So die<br />

Volkswagen Sachsen GmbH, die 2010<br />

einen Umsatz von 4,35 Milliarden Euro<br />

erzielt hat – Platz drei im Ranking. Dieses<br />

Ergebnis ist der Studie »Die 100 größten<br />

Unternehmen Mitteldeutschlands« entnommen,<br />

die von der Sachsen Bank im<br />

Dezember 2011 präsentiert wurde. In der<br />

aktuellen Liste zeigt sich zudem deutlich<br />

die Umsatzstärke und Größe der Energiewirtschaft<br />

in der Region. So finden sich<br />

der Erdgasspezialist VNG Verbundnetz<br />

Gas AG Leipzig (Umsatz: 5,3 Milliarden<br />

Euro), die Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft<br />

(3,5 Milliarden) der Messestadt<br />

und die RWE-Tochter Envia Mitteldeutsche<br />

Energie Chemnitz (3,0 Milliarden) in<br />

den Top-Ten wieder.<br />

»<strong>Nur</strong> wenige Beobachter hätten ein so<br />

schnelles Wachstum der deutschen Wirtschaft<br />

nach dem schwierigen Jahr 2009<br />

erwartet«, sagte Sachsen-Bank-Vorstandsvorsitzender<br />

Prof. Harald R. Pfab. »Doch<br />

gerade die <strong>mit</strong>teldeutschen Unternehmen<br />

haben sich <strong>mit</strong> ihrer hohen Flexibilität<br />

schnell und effizient auf die unerwartet<br />

positive wirtschaftliche Entwicklung eingestellt<br />

und konnten so zum Teil sehr<br />

deutliche Umsatzsteigerungen erzielen.«<br />

Fast die Hälfte von ihnen hat 2010 zusätzliche<br />

Arbeitskräfte eingestellt. Für die Dominanz<br />

der sächsischen Firmen spricht,<br />

dass sie knapp die Hälfte der aufgelisteten<br />

<strong>mit</strong>teldeutschen Top 100 ausmachen.<br />

Im Dezember 2011 hat die NORD/LB ihre<br />

Studie zu den größten Unternehmen in<br />

Sachsen-Anhalt vorgestellt. Diese peilen<br />

in Gänze ein Umsatzplus gegenüber 2010<br />

an. Das umsatzstärkste Unternehmen war<br />

2010 die TOTAL Raffinerie Mitteldeutschland<br />

GmbH Leuna <strong>mit</strong> 5,7 Milliarden<br />

Euro. Auf die Plätze zwei und drei kamen<br />

die Dow Gruppe Deutschland (4,6 Milliarden)<br />

sowie die EDEKA Märkte Sachsen-Anhalts<br />

(2,2 Milliarden). Auf Rang vier folgt<br />

die Tönnies Gruppe (1,5 Milliarden), dahinter<br />

Q-Cells SE (1,4 Milliarden) und die<br />

MKM Mansfelder Kupfer und Messing<br />

GmbH Hettstedt <strong>mit</strong> gut einer Milliarde<br />

Euro. Auf den weiteren Plätzen landeten<br />

die Barlebener Salutas Pharma GmbH<br />

(878 Millionen), die Freyburger Rotkäppchen<br />

Sektkellereien GmbH (820 Millionen),<br />

die MITGAS GmbH (640 Millionen)<br />

in Kabelsketal und die Novelis Deutschland<br />

GmbH (598 Millionen) in Seeland.<br />

Die Rangliste der 100 größten Arbeitgeber<br />

wird von der Deutschen Bahn AG <strong>mit</strong><br />

7.915 Mitarbeitern im Land angeführt.<br />

Die Dow Gruppe Deutschland (5.404 Mitarbeiter)<br />

liegt auf dem zweiten Platz vor<br />

der Deutschen Post DHL (5.100) sowie den<br />

EDEKA Märkten Sachsen-Anhalts (4.152).<br />

Dann folgen die Stadtwerke Halle GmbH<br />

(3.300), Q-Cells SE (2.379), MIBRAG Mitteldeutsche<br />

Braunkohlen-GmbH (2.156) in<br />

Zeitz sowie das Unternehmen K+S Kali<br />

GmbH (2.140) in Zielitz.<br />

»Der Entwicklung der Unternehmen im<br />

Land kommt große Bedeutung zu«, sagte<br />

NORD/LB-Vorstands<strong>mit</strong>glied Dr. Hinrich<br />

Holm. »Die Verwurzelung in der regionalen<br />

Wirtschaft ist eine Stärke der Bank<br />

und die Grundlage der erfolgreichen<br />

Geschäftsentwicklung.«<br />

Nach der neusten, im Oktober 2011 veröffentlichten<br />

Studie der Landesbank<br />

Hessen-Thüringen (HELABA) sowie der<br />

Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) des<br />

Freistaats belegen der EDEKA-Konzern<br />

<strong>mit</strong> 5.400 Thüringer Mitarbeitern, die<br />

Deutsche Bahn AG (4.500) und die Deutsche<br />

Post AG (4.300) die drei Spitzenplätze<br />

im landesinternen Ranking. Es folgen der<br />

Personaldienstleister Randstad Deutschland<br />

(4.200) und die Bosch-Gruppe (4.050).<br />

Der größte Anteil der Beschäftigten<br />

konzentriert sich auf die zehn größten<br />

Unternehmen: Rund 37 Prozent der im<br />

regionalen Ranking erfassten Arbeitnehmer<br />

sind in diesen Firmen beschäftigt.<br />

Grundsätzlich ist die Unternehmensstruktur<br />

Thüringens sehr stark <strong>mit</strong>telständisch<br />

geprägt, sagte Dr. Gertrud R.<br />

Traud, HELABA-Chefvolkswirtin, bei der<br />

Listenpräsentation in Erfurt. Das komme<br />

auch im Ranking zum Ausdruck. So<br />

zählen 35 Firmen aus der Rangliste der<br />

100 größten Unternehmen Thüringens<br />

zum Mittelstand. Zentrale Ansiedlungsregion<br />

für die Top 100 ist die Städtekette<br />

von Eisenach über Erfurt bis nach Gera.<br />

Rund 70 Prozent der Betriebe haben ihren<br />

Hauptstandort in der Region entlang der<br />

Autobahn A4. Diese hohe Konzentration<br />

geht über die wirtschaftliche Gravitation<br />

der Städtekette hinaus. Dort werden<br />

52 Prozent des Thüringer BIP erwirtschaftet,<br />

wobei der Bevölkerungsanteil 47 Prozent<br />

beträgt. Stark am Markt sind sowohl<br />

größere als auch kleinere Unternehmen.<br />

So werden 15 Firmen aus der Rangliste<br />

in der gleichnamigen Initiative der LEG<br />

Thüringen genannt. Die dort identifizierten<br />

Markt- und Technologieführer sind<br />

aber in der Mehrzahl kleinere Firmen. &<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 33


KOLUMNE<br />

Deutschland geht es gut! Das ist die<br />

wichtigste Nachricht, die unsere<br />

Politiker zu Jahresbeginn zu vermelden<br />

hatten und in großen Zeitungsanzeigen<br />

unters Volk brachten. Danke<br />

Deutschland. Na dann, lehnen wir uns<br />

zurück und betrachten das wunderbare<br />

Werk, das wir zustande gebracht haben.<br />

Vielleicht muss Politik ja so sein. Vielleicht<br />

muss Politik den Menschen systematisch<br />

etwas vorgaukeln, was es nicht<br />

gibt. Vielleicht muss Politik dem Bürger<br />

jeden zweiten Tag ein X für ein U verkaufen.<br />

Vielleicht muss Politik ein schmutziges<br />

Geschäft sein, wo jeder versucht,<br />

kurzfristigen Vorteil herauszuschlagen<br />

nach dem Motto: Nach mir die Sintflut.<br />

Aber ich kann mir nicht helfen, ich<br />

bin trotzdem wütend. Die gleichen Politiker,<br />

die immer wieder die Rettung der<br />

zukünftigen Generationen beschwören,<br />

tun Tag für Tag nichts anderes, als den<br />

zukünftigen Generationen zu demonstrieren,<br />

wie man niemals die Zukunft gewinnen<br />

kann, wenn man die Gegenwart<br />

verspielt. Wie sollen Generationen erwachsen<br />

werden und in der Lage sein,<br />

ein so komplexes Gebilde wie eine Demokratie<br />

zu erhalten und in seiner Funktionsfähigkeit<br />

zu verbessern, wenn ihnen<br />

heutige Politik zugemutet wird.<br />

Eines der schlimmsten Übel ist die<br />

verbreitete Neigung, Statistik zu missbrauchen,<br />

um kurzfristiger politischer<br />

Scheinvorteile willen. Zur Statistik der<br />

Arbeitslosigkeit will ich mich gar nicht<br />

auslassen, das ist der größte Skandal<br />

überhaupt, seit Jahrzehnten. Es vergeht<br />

aber auch kein Monat, ohne dass – beginnend<br />

<strong>mit</strong> dem Statistischen Bundesamt<br />

und endend <strong>mit</strong> den letzten Provinzmedien<br />

– die Ergebnisse über die Binnennachfrage<br />

und den Konsum in Deutschland<br />

so lange <strong>mit</strong> politischer Schokoladensauce<br />

übergossen werden, dass es so<br />

aussieht, als ob die Deutschen auf Teufel<br />

komm raus konsumierten.<br />

Man spürt die Absicht. Jeder, der halbwegs<br />

informiert ist, weiß, dass Deutschland<br />

wegen seiner schwachen Binnennachfrage<br />

international in der Kritik<br />

steht. Deutsche Medien und Politiker sagen<br />

den Bürgern das niemals offen, aber<br />

es wird jeder Anlass genutzt, um dem<br />

uninformierten Bürger und dem Ausland<br />

zu suggerieren, es sei alles in Butter.<br />

Auch dann, wenn alles Katastrophe ist.<br />

Der deutsche Einzelhandelsumsatz ist<br />

der umfassende Indikator, der am klarsten<br />

zeigt, dass die Menschen in Deutschland<br />

kein Geld in der Tasche haben und<br />

AUS GENFER SICHT<br />

Statistik<br />

und andere Lügen<br />

Von HEINER FLASSBECK, Genf<br />

Internet: www.flassbeck.com<br />

genau deswegen nichts kaufen. Der preisbereinigte<br />

Umsatz (bei solchen stark<br />

schwankenden Reihen notwendigerweise<br />

saisonbereinigt) lag im Dezember 2011<br />

nach Angaben der Deutschen Bundesbank<br />

bei einem Wert von 96,7 wenn der<br />

Wert von 2005 gleich einhundert gesetzt<br />

ist. Auch gegenüber dem Beginn des Erhebungszeitraums,<br />

1994, ist der Umsatz<br />

kaum gestiegen und liegt heute unterhalb<br />

dieses Wertes. Das ist für eine wachsende<br />

Wirtschaft schlicht katastrophal,<br />

weil es klar zeigt, dass alles, was es seit<br />

Mitte der 90er Jahre an Aufschwung gegeben<br />

hat, an den Verbrauchern vorbeigegangen<br />

ist. Dem einfachen Menschen<br />

wird seit Jahren die Teilhabe am gemeinsam<br />

erarbeiteten Produktivitätsfortschritt<br />

verweigert. Mit dem Hinweis,<br />

nur über relativ sinkende Löhne sei Arbeitslosigkeit<br />

abzubauen, und man habe<br />

sie abgebaut.<br />

Die stagnierende Binnennachfrage<br />

zeigt aber, dass das fundamental falsch<br />

ist. Genau deswegen darf sie auch nicht<br />

wahr sein. Relativ oder absolut sinkende<br />

Löhne würden nämlich in der Ökonomie<br />

laut herrschender Meinung überhaupt<br />

nicht zu einem Absinken oder Zurückbleiben<br />

der Nachfrage führen. Weil der<br />

Rückgang des Lohnes pro Kopf ja jederzeit<br />

ausgeglichen werde durch mehr<br />

Köpfe oder mehr Stunden, die gearbeitet<br />

werden. Auf diese Weise bliebe die Sum-<br />

me der ausbezahlten Löhne stets gleich<br />

oder stiege unverändert – und folglich<br />

die gesamte Nachfrage, selbst wenn der<br />

einzelne zu Lohn- und Konsumzurückhaltung<br />

gezwungen wird. So beweist das<br />

Zurückfallen der Binnennachfrage un<strong>mit</strong>telbar,<br />

dass die Politik des Löhnedrückens<br />

ein grandioser Fehlschlag war.<br />

Aber nicht doch. Sie hat die deutsche<br />

Wettbewerbsfähigkeit verbessert und<br />

den deutschen Unternehmen gewaltige<br />

Überschüsse beschert, in deren Gefolge<br />

neue Arbeitsplätze entstanden. Sorry,<br />

immerhin ist seit Beginn dieses Jahrhunderts<br />

vom gesamten deutschen Wachstum<br />

exakt die Hälfte direkt als Beitrag<br />

vom Außenhandelssaldo gekommen.<br />

Wenn das kein Erfolg ist! Allerdings vergessen<br />

wir leicht, dass irgendwo auf der<br />

Welt das, was bei uns als positiver Beitrag<br />

gebucht wird, als negativer Beitrag anfallen<br />

muss. Für die Welt insgesamt gibt<br />

es keinen Beitrag vom Außenhandel.<br />

Wenn also jetzt alle Welt die deutsche<br />

Politik der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

nachahmt, da es Deutschland<br />

ja scheinbar so gut geht, dann wissen<br />

wir genau, dass das in die Hose geht.<br />

Einfach weil es in diesem Fall logisch<br />

nicht möglich ist, dass alle das tun, was<br />

ein einzelner getan hat.<br />

Warum sagt das nicht mal einer unserer<br />

Politiker? Wissen sie es nicht? Dann<br />

sollten sie schleunigst ihre Positionen<br />

verlassen. Wollen sie es nicht wissen, lassen<br />

sie die Welt sehenden Auges ins Verderben<br />

rennen? Dann ist es noch schlimmer,<br />

Massenrücktritte wären gefordert.<br />

Aber nichts dergleichen, alle sonnen sich<br />

im Lichte ihrer kleinen Taschenlampen<br />

und hoffen, dass ein Wunder geschieht<br />

und die Wirklichkeit endlich die lächerliche<br />

menschliche Logik überwindet.<br />

Apropos Rücktritte: Es gibt dafür viele<br />

gute Gründe. Warum aber werden in der<br />

Öffentlichkeit die allerunwichtigsten bis<br />

in letzte Detail ausgebreitet und wirklich<br />

entscheidende vollständig ignoriert?<br />

Warum diskutiert niemand Rücktritte<br />

wegen Versagens im Amt? Warum fragt<br />

niemand, wer in Europa alles zurücktreten<br />

muss, wenn das wichtigste Projekt,<br />

die Währungsunion, gegen die Wand<br />

gefahren wird? Schlimm ist nicht, dass<br />

auch diese Fragen nicht leicht zu beantworten<br />

sind. Schlimm ist, dass sie nicht<br />

diskutiert werden, weil die Presse lieber<br />

recherchiert, wer in jüngster Vergangenheit<br />

einem Provinzfürsten gehuldigt hat,<br />

den man – offenbar aus Versehen – ins<br />

höchste Amt des Staates gehievt hat. &<br />

Foto: Torsten George<br />

34<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


SPECIAL<br />

Die weltweit größte Computermesse<br />

CeBIT in Hannover steht in diesem<br />

Jahr unter einem besonderen<br />

Stern. Von der IT-Branche wird nicht<br />

mehr und nicht weniger erwartet, als<br />

dass sie als Wachstumstreiber der Wirtschaft<br />

fungiert. Das Zeug dazu hat sie allemal.<br />

Und es ist daher auch kein Zufall,<br />

dass Bundeskanzlerin Angela Merkel am<br />

Eröffnungsabend der Leistungsschau<br />

<strong>mit</strong> der brasilianischen Staatspräsidentin<br />

Dilma Rousseff und dem Google-Verwaltungsratschef<br />

Eric Schmidt zwei<br />

hochkarätige ausländische Gäste an ihrer<br />

Seite hatte.<br />

Für alle drei Protagonisten ist das<br />

Wirtschaftswachstum ein verbindendes<br />

Thema. Brasilien, in diesem Jahr offizieller<br />

Partner der Computermesse, ist eine<br />

der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften<br />

in der Welt. Der Internet-<br />

Konzern Google wies <strong>mit</strong> 29 Prozent Umsatzplus<br />

im vergangenen Jahr ein traumhaftes<br />

Ergebnis auf. Und Kanzlerin<br />

Merkel kann sich über die Wachstumsprognose<br />

des deutschen Marktes für IT,<br />

Telekommunikation und digitale Unterhaltungselektronik<br />

freuen: Mit 2,2 Prozent<br />

Plus erwartet die Branche 2012 einen<br />

Umsatzsprung auf 151,3 Milliarden<br />

Euro. Innerhalb des Gesamtmarkts soll<br />

der IT-Sektor gar um 4,5 Prozent zulegen.<br />

Für das gesamtwirtschaftliche Wachstum<br />

Deutschlands erwarten die Experten<br />

indes nur ein Plus von 0,8 Prozent.<br />

Fotos: Werkfotos<br />

FUSSBALL-EM FÖRDERT GESCHÄFT<br />

Die Telekommunikation erreicht nach<br />

einem schwierigen Jahr 2011 wieder ein<br />

Plus und steigert den Umsatz um 0,4 Prozent<br />

auf 66 Milliarden Euro. Sport-Großereignisse<br />

wie die Fußball-EM 2012 in Polen<br />

und der Ukraine dürften auch den<br />

Absatz von TV-Geräten beflügeln, so dass<br />

sich der Markt für Consumer Electronics<br />

langsam erholt und nur noch um 1,5 Prozent<br />

auf rund zwölf Milliarden Euro<br />

schrumpft. Trotz der Delle steht für Prof.<br />

Dieter Kempf, Präsident von BITKOM<br />

(Bundesverband Informationswirtschaft,<br />

Telekommunikation und neue Medien)<br />

fest: »Die Schuldenkrise in Europa hatte<br />

bislang keine signifikanten Auswirkungen<br />

auf den Hightech-Markt. Die Branche<br />

ist für 2012 sehr zuversichtlich«.<br />

Im vergangenen Jahr lockte die CeBIT<br />

339.000 Interessierte in die Messehallen.<br />

Die Zahl der Aussteller lag bei 4.200 Unternehmen.<br />

Die Veranstalter erwarten<br />

angesichts der positiven Geschäftsprognosen<br />

in diesem Jahr ein Besucherplus.<br />

Dafür soll der Ausbau der Messe in Richtung<br />

Consumer Electronic sorgen – wie<br />

die Vielzahl der vorgestellten TV-Bildschirme<br />

und Smartphones zeigt. Weil<br />

CeBIT 2012<br />

Mit Cloud-Tech<br />

auf IT-Wolke 7<br />

Vom 6. bis 10. März 2012 lädt in Hannover die<br />

weltgrößte Computermesse CeBIT zum Branchentreff.<br />

Die IT-Wirtschaft erfreut sich wachsender Umsätze<br />

und wirkt auf die Gesamtkonjunktur. Ein Vorbericht<br />

<strong>mit</strong> den aktuellsten Trends von Dr. Manfred Buchner.<br />

36 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


SPECIAL<br />

die mobile Kommunikation via Web in<br />

der IT-Szene weiter zunimmt, kann der<br />

Elektroniknutzer beim Besuch in Hannover<br />

in diesem Jahr auf dem gesamten<br />

Messegelände über ein drahtloses W-<br />

LAN-Netz (Wire-less Local Area Network)<br />

kostenlos ins Internet gehen.<br />

UNTERWEGS INS WEB<br />

Geräte für den mobilen Internetzugang<br />

haben das stärkste Wachstumspotenzial.<br />

Der Umsatz <strong>mit</strong> Tablet-PCs beispielsweise<br />

legte um knapp 19 Prozent auf 1,3 Milliarden<br />

Euro zu, Smartphones erreichen<br />

sogar ein Plus von 23 Prozent auf fünf<br />

Milliarden Euro. Besonders stark entwickelt<br />

sich seit Jahren der Umsatz <strong>mit</strong><br />

Software. Sowohl 2011 als auch 2012<br />

nimmt er um über fünf Prozent auf 17<br />

CEBIT 2011<br />

Was – Wann – Wo<br />

Messezeit: 6. bis 10. März 2012<br />

Öffnungszeit: 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr<br />

Eintrittspreise:<br />

Tageskarte 34 Euro (Vorverkauf)<br />

Tageskasse 39 Euro<br />

Dauerkarte 79 Euro (Vorverkauf)<br />

Tageskasse 89 Euro<br />

Anreise-Tipp: CeBIT-Karten gelten am Tag<br />

des Messebesuchs für kostenlose Bahnund<br />

Busfahrten im Nahverkehr von Hannover<br />

Vorverkauf: Tel. (0180) 500 06 89<br />

www.cebit.de<br />

Milliarden Euro zu. Bei der Telekommunikation<br />

sind vor allem mobile Datendienste<br />

(plus zehn Prozent) begehrt.<br />

Die wichtigsten Hightech-Themen des<br />

Jahres 2012 sind Cloud-Computing, mobiles<br />

Computing, IT-Sicherheit und Social<br />

Media. Das geht aus einer Umfrage in<br />

der ITK-Branche (Informations- und Telekommunikationstechnologie)<br />

hervor. Danach<br />

belegt Cloud Computing (Computerleistung<br />

aus einem Rechenzentrum)<br />

<strong>mit</strong> 66 Prozent zum dritten Mal in Folge<br />

den Spitzenplatz. »Cloud-Services sind<br />

die Innovationstreiber bei der Bereitstellung<br />

und Nutzung von IT-Leistungen«,<br />

sagt BITKOM-Präsident Kempf. »Der zweite<br />

Megatrend des Jahres sind mobile Applikationen.«<br />

53 Prozent der Unternehmen<br />

nennen Mobile Computing als zentrales<br />

Thema, ein Anstieg von zehn<br />

Prozent im Vergleich zu 2011. IT-Sicherheit<br />

und Datenschutz gehören für 48<br />

Prozent der Unternehmen zu den zentralen<br />

Herausforderungen des Jahres (2011:<br />

38 Prozent). Social Media (Facebook etc.)<br />

legt ebenfalls weiter zu auf 37 Prozent.<br />

Neu unter den Top-Ten ist E-Energy, das<br />

INTERNET-BUCHHALTUNG<br />

Weniger Stress <strong>mit</strong> der Bürokratie<br />

Buchhaltung ist ein kosten- und arbeitsintensiver Firmenbereich.<br />

Digitale Technik reduziert den Aufwand in Unternehmen deutlich.<br />

Vertrauliche Daten außer Haus zu<br />

geben, ist für Unternehmen eigentlich<br />

ein Tabu. Anders bei der Rostocker<br />

TUR Therapietechnik GmbH. Der Gerätebauer<br />

nutzt ein internetbasiertes Programm,<br />

schickt da<strong>mit</strong> Buchungen und<br />

sogar die gesamten Auftragsdaten durch<br />

die Leitung. Mit großem Vorteil, wie<br />

Buchhaltungsleiterin Dagmar Dietrich<br />

berichtet: »Egal wo wir sind, ob im Büro,<br />

unterwegs zum Kunden oder zu Hause,<br />

können wir <strong>mit</strong> unseren Rechnern auf<br />

sämtliche Firmendaten zugreifen und<br />

unsere Aufgabe da<strong>mit</strong> erledigen.«<br />

Auch Anette Weinreich setzt bei ihrem<br />

Büroservice im erzgebirgischen Oberlungwitz<br />

auf digitale Unterstützung.<br />

Mit ihren Mitarbeiterinnen erledigt sie<br />

jeden Monat rund 400 Lohnabrechnungen<br />

und die Buchhaltung für mehrere<br />

Firmen. Die gelernte Industriekauffrau<br />

kann jederzeit auf die aktuelle Rechtsprechung<br />

zugreifen. Dafür sorgt die<br />

Finanzsoftware, die von Programmhersteller<br />

via Web automatisch <strong>mit</strong> den<br />

neuesten Versionen gefüttert wird.<br />

Weinreich: »Das schaffen wir nur <strong>mit</strong><br />

Programmen, die die aktuellen gesetzlichen<br />

Anforderungen einhalten und<br />

auch bei Spezialaufgaben helfen.«<br />

Noch einen Schritt weiter in Sachen Internetnutzung<br />

geht der neue Buchhaltungsservice<br />

Bookman des Freiburger<br />

Softwarehauses Lexware. Da<strong>mit</strong> werden<br />

Belege im Eins-zu-Eins-Format durch<br />

das weltweite Netz geschickt – mehrfach<br />

gegen fremde Augen abgesichert. Das<br />

Beste daran: Die Nutzer stecken lediglich<br />

die einzelnen Belege in einen bereit<br />

gestellten Scanner und schicken die<br />

Daten per Tastentipp verschlüsselt zum<br />

Steuerbüro.<br />

Die Beispiele zeigen: Computer und interbasierte<br />

Technik entlasten vom Buchhaltungsstress<br />

und von Bürokratie. Das<br />

ist auch unbedingt notwendig, denn<br />

nach einer Umfrage des Rudolf Haufe<br />

Verlags bei über 700 kleinen und <strong>mit</strong>telgroßen<br />

Unternehmen stören sich 92 Prozent<br />

der Befragten an dem da<strong>mit</strong> verbundenen<br />

Aufwand. Besonders Kleinbetriebe<br />

leiden. Sie können sich in der<br />

Regel keine Fachkräfte für die Verwaltungsarbeiten<br />

leisten und sind zur Zusatzarbeit<br />

gezwungen. Das gilt vor allem<br />

für zwei betriebliche Aufgaben: Fast<br />

70 Prozent der befragten Firmenchefs<br />

klagen über den Aufwand im Rechnungswesen<br />

und bei den Steuern, knapp<br />

die Hälfte findet den Personalbereich<br />

bürokratielastig.<br />

Noch zögern viele Firmen vor dem Einsatz<br />

internetbasierter Lösungen. Grund:<br />

Die Angst vor Datenklau ist groß.<br />

Für die Rostocker TUR Therapietechnik<br />

GmbH ist das nach eigenen positiven<br />

Erfahrungen kein Thema mehr. Der Hersteller<br />

von medizinischen und kosmetischen<br />

Geräten hatte <strong>mit</strong> der Sicherheit<br />

noch keine Probleme. Buchhalterin Dietrich:<br />

»Wie beim Online-Banking werden<br />

die Daten verschlüsselt verschickt und<br />

im Rechenzentrum automatisch gespeichert.«<br />

Für besonderen Datenschutz sorgen<br />

im Rechenzentrum Sicherheitsräume,<br />

Firewalls und regelmäßige Backups.<br />

Der neue Buchhaltungsservice Bookman<br />

will eine besonders heikle Stelle in der<br />

Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Internetanbietern<br />

verbessern: Der Service verspricht persönlichen<br />

Kontakt zum Nutzer. Erfahrungsgemäß<br />

ist das meist eine<br />

Katastrophe, weil ein kompetenter Ansprechpartner<br />

selbst im Notfall nicht zu<br />

erreichen ist. Anders bei Bookman-Nutzern.<br />

Gunter Diehm, Geschäftsführer<br />

des Bookman-Service: »Die Software verbindet<br />

den Kunden <strong>mit</strong> seiner persönlichen<br />

Buchhalterin bei Bookman.« Der<br />

direkte Draht führt zu einem Team aus<br />

Buchführungsfachkräften. Nicht nur in<br />

Notfällen steht der Service bereit. Abgelegt<br />

werden alle Dokumente und Daten<br />

beim Bookman-Service zentral und<br />

mehrfach gesichert in einem deutschen<br />

Rechenzentrum. Der Preis für den Service<br />

ist volumenabhängig. Dabei zahlt<br />

der Kunde nur das, was er an tatsächlicher<br />

Leistung beansprucht hat.<br />

Die Kosten sind eine entscheidende Frage,<br />

<strong>mit</strong> der sich Analystin Melanie<br />

Henke von Soreon Research befasst hat.<br />

Mittelständische Firmen <strong>mit</strong> einer<br />

Online-Finanzbuchhaltung können im<br />

Vergleich zur selbst installierten PC-Software<br />

im Extremfall 72 Prozent der sonst<br />

fälligen Buchhaltungskosten sparen.<br />

Henke: »Den großen Unterschied macht<br />

der Aufwand für Administration, Installation<br />

und Betreuung der Software. Diese<br />

Kosten sind bei der Online-Nutzung in<br />

der monatlichen Gebühr eingerechnet.«<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 37


SPECIAL<br />

im Zuge der Energiewende besondere<br />

Aufmerksamkeit erfährt. Das Thema<br />

wird von 24 Prozent der Unternehmen<br />

als besonders wichtig angesehen. Für 29<br />

Prozent sind Business Intelligence und<br />

Big Data (Analyse großer Datenmengen)<br />

ein Schwerpunkt für 2012.<br />

Der BITKOM-Verband informiert auf<br />

der CeBIT in speziellen Ausstellungsbereichen<br />

über folgende Themen:<br />

Cloud Computing World. Zahlreiche<br />

Anwender haben erste Erfahrungen <strong>mit</strong><br />

Cloud-Services gesammelt, etwa durch<br />

Nutzung einer Buchhaltung im Rechenzentrum.<br />

Für sie zeichnen sich neue Geschäftsmodelle<br />

ab (Halle 4).<br />

Broadband World. Hier sind superschnelle<br />

Breitband-Anschlüsse für die<br />

Kommunikation von morgen das Thema.<br />

Führende Unternehmen und Organisationen<br />

zeigen ihre Lösungen in den neuen<br />

Mobilfunk- und Festnetzen (Halle 13).<br />

Enterprise Content Management<br />

(ECM). In Halle 3 zeigen Aussteller aus<br />

dem ECM-Umfeld (digitale Dokumente in<br />

den Geschäftsabläufen) Lösungen für<br />

alle Prozessschritte der Verarbeitung<br />

digitaler Inhalte in Firmen – von der Datenerfassung<br />

bis Out-put Management.<br />

Thin Clients und Server Based Computing.<br />

Lösungen im Umfeld von Thin<br />

Clients (Netzwerkstationen) und Server<br />

NEU AUS THÜRINGEN<br />

Digitaler Reisebegleiter<br />

Das Kürzel »a2bme« trägt der Mobilitätsbegleiter,<br />

den die Fachhochschule<br />

in Schmalkalden entwickelt hat. Er<br />

kombiniert mehrere Verkehrsträger<br />

(Auto, Flugzeug, Fahrrad u.a.), er<strong>mit</strong>telt<br />

daraus Reisevorschläge, berechnet<br />

die Reisedauer und die Reisekosten.<br />

www.a2bme.com<br />

Based Computing (Netzwerk-Server) werden<br />

an einem BITKOM-Gemeinschaftsstand<br />

aufgezeigt. Im Fokus stehen Desktop-Virtualisierung<br />

und Kosteneffizienz.<br />

VORREITER OSTDEUTSCHE LÄNDER<br />

Spannende Hightech-Lösungen sind auf<br />

den Gemeinschaftsständen der ostdeutschen<br />

Bundesländer in Halle 9 zu sehen.<br />

Universitäten, Fachhochschulen und<br />

ausgegründete Spin-offs präsentieren<br />

ihre Entwicklungen. Zum Beispiel die<br />

Fachhochschule Schmalkalden <strong>mit</strong> der<br />

Mobilitätsplattform »a2bme«, die eine<br />

verkehrs<strong>mit</strong>telübergreifende Routenplanung<br />

(<strong>mit</strong> Auto, Zug, Taxi, Fahrrad etc.)<br />

ermöglicht. Die Berliner Netfox AG präsentiert<br />

das Sicherheitssystem Colan 3.<br />

MESSENEUHEITEN I<br />

Es protokolliert in Unternehmen in Echtzeit<br />

den Betrieb der Netzwerk-Komponenten,<br />

überwacht die Verfügbarkeit von<br />

Geräten und Diensten, analysiert Verläufe,<br />

Trends und mögliche Engpässe.<br />

Mit einem Zuwachs von 12,7 Prozent<br />

pro Jahr im Gepäck wartet die IT-Branche<br />

Polens in Hannover auf. »Der IT-Markt in<br />

Polen gehört wertmäßig zu den Top 20<br />

der Weltrangliste«, betont Waldemar Pawlak,<br />

stellvertretender Premierminister<br />

Polens und Minister für Wirtschaft. Er<br />

verweist auf die zunehmende Bedeutung<br />

von Hightech in seinem Land, das <strong>mit</strong><br />

über 40 Ausstellern auf der CeBIT 2012<br />

vertreten sein wird.<br />

Zu den Highlights aus dem Nachbarland<br />

gehört der schnellste Prozessor der<br />

Welt, den Digital Core Design (DCD) aus<br />

Bytom vorstellt. DQ80251 arbeitet nach<br />

Tests über 50-mal schneller als Standard-<br />

Prozessoren und 70 Prozent effizienter<br />

als die besten Konkurrenten.<br />

Insgesamt zeichnen sich im breiten<br />

Ausstellungsspektrum der CeBIT folgende<br />

Trends in der IT-Branche ab:<br />

TREND 1: INTERNET DER DINGE<br />

In London, der Hauptstadt des Vereinigten<br />

Königreiches, twittert die Themse<br />

fröhlich ihren Wasserstand, die berühmte<br />

Tower Bridge teilt <strong>mit</strong>, wann sie ihre<br />

Bildschirmrechner. Beim IdeaCentre<br />

A720 von Lenovo steckt der komplette<br />

Computer im Bildschirmfuß. Der Monitor<br />

<strong>mit</strong> Fingersteuerfunktion im 27-Zoll-Format<br />

ist nur 24,5 Millimeter dick. Betriebssystem<br />

und Daten sind auf einer festen<br />

Disk <strong>mit</strong> 64 GByte und einer Festplatte <strong>mit</strong><br />

1 TByte Kapazität eingebaut.<br />

www.levono.de<br />

Duschlautsprecher. iShower empfängt<br />

Musik drahtlos über Bluetooth, etwa vom<br />

Smartphone, und sorgt z. B. für 15 Stunden<br />

Duschvergnügen. Am Gerät gibt es<br />

Tasten für die Lautstärke, Pause und Titelsprung.<br />

Ca. 75 Euro.<br />

www.ishowerinc.com<br />

LED-Fernseher. 55 Zoll groß ist das<br />

TV-Gerät von Sony. Mit der Crystal-LED-<br />

Technologie leuchten darin rund sechs<br />

Millionen winzige Leuchtdioden. Das ist<br />

neu, bisher wurden Leuchtdioden nur als<br />

Hintergrund-Lichtquelle genutzt. Ergebnis:<br />

höherer Kontrast, größerer Blickwinkel<br />

und schnellerer Bildaufbau.<br />

www.sony.com<br />

LTE-Smartphone. LG Spectrum VS920<br />

gehört zu den ersten Smartphones für<br />

die neue Funktechnik LTE. Das Gerät <strong>mit</strong><br />

4,5-Zoll-Display (1280x720 Bildpunkte)<br />

läuft <strong>mit</strong> Dual-Core-Prozessor (1,5 Gigahertz)<br />

und 16 Gigabyte (GB) Datenspeicher.<br />

www.lg.de<br />

(8,8 Millimeter dünn und 613 Gramm).<br />

Mit 1280x800 Bildpunkten sind Bilder<br />

schärfer als beim iPad 2 (1024x768 Pixel).<br />

Der Minirechner läuft <strong>mit</strong> dem Betriebssystem<br />

Android 4.0.<br />

www.toshiba.de<br />

Videofalle. Die Sicherheitskamera<br />

DSC-32.mini von Somikon überwacht<br />

kabellos und reagiert u. a. auf Bewegung,<br />

Erschütterung, Geräusche. Die Aufzeichnung<br />

startet nach der Meldung durch einen<br />

eingebauten Bewegungs-, Vibrationsoder<br />

Akustik-Sensor nach vorgebbarem<br />

Zeitplan. Die perfekte Videofalle für Hotelzimmer,<br />

Kühlschrank, Schreibtisch u.v.m.<br />

www.pearl.de<br />

Internet-Navi. Nüvi 3590LMT von<br />

Garmin ist ein Navigationsgerät, das Daten<br />

per Bluetooth über ein Android-App <strong>mit</strong><br />

dem Handy austauscht. Da<strong>mit</strong> lässt sich<br />

z. B. die Position des geparkten Autos<br />

herausfinden. Über Web-Verbindung des<br />

Handys liefert es auch regionale Informationen<br />

zu Verkehr, Wetter und Kraftstoffpreisen.<br />

www.garmin.de<br />

FLACHMANN: Das neue Toshiba-<br />

Tablet ist nur 7,6 Millimeter dick<br />

Scheibenrechner. Gerade 7,6 Millimeter<br />

dick ist das Tablet Toshiba Excite X10 und<br />

wiegt nur 558 Gramm (Foto). Es ist schlanker<br />

und leichter als das Apple iPad 2<br />

Wandcamcorder. Sony HDR-PJ260JE<br />

kann Videos aufnehmen und auf die<br />

nächste Wand projizieren. Das funktioniert<br />

<strong>mit</strong> den Batterie-Akkus bis zu 85 Minuten<br />

und bis zu 2,5 Meter Bilddiagonale.<br />

Der Camcorder nimmt in HD-Qualität<br />

(1920x1080 Pixel) bis 50 Bilder pro<br />

Sekunde auf. Fotos schießt das Gerät <strong>mit</strong><br />

3984x2240 Bildpunkten. Preis rund<br />

630 Euro.<br />

www.sony.de<br />

38 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


SPECIAL<br />

Sonderveröffentlichung<br />

Vorgestellt: German Technologies Center e.V.<br />

Mittelstand goes Asia<br />

Immer mehr deutsche Unternehmen verstärken ihre Präsenz in den<br />

asiatischen Staaten, insbesondere in der Volksrepublik China.<br />

Dieser Trend lässt sich nicht nur bei Großunternehmen<br />

beobachten, sondern spielt inzwischen auch im Mittelstand eine<br />

wichtige Rolle. Genau diese <strong>mit</strong>telgroßen Unternehmen haben ungefähr 90%<br />

der Technologien aus Deutschland in der Hand.<br />

Die chinesischen Märkte zeichnen sich durch ein<br />

enormes Potential und ein rasantes Wachstum<br />

aus. Sie sind noch weit von einer Sättigung<br />

entfernt. Offiziellen Angaben zufolge erwirtschafteten<br />

die staatseigenen und großen privaten<br />

Unternehmen im Land bislang einen Gewinn in<br />

Höhe von 2,8 Billionen RMB. Gegenüber dem<br />

Vorjahreszeitraum bedeutet dies ein Wachstum<br />

von28,3Prozent.ChinaistfünftgrößterInvestor<br />

weltweit. In 2010 sind Chinas direkte Auslandsinvestitionen<br />

auf 67,8 Milliarden US-Dollar gestiegen.<br />

Das waren über 40 Prozent mehr als im<br />

Vorjahr und der Trend hält an.<br />

SCHWERPUNKTBRANCHEN<br />

Beispiel Umwelttechnologie & Energiewirtschaft:<br />

Um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu<br />

erreichen, setzt die chinesische Regierung zunehmend<br />

auf „Grüne Technologien“, wo<strong>mit</strong> die<br />

Themen Energieeffizienz und -einsparung in der<br />

bilateralen Kooperation an Bedeutung gewonnen<br />

haben. Deutschland ist aufgrund seiner Vorreiterrolle<br />

und reichen Erfahrung bei der Nutzung<br />

der Wind- und Solarenergie ein sehr gefragter<br />

Gesprächs- und Wirtschaftspartner. Eine Vernetzung<br />

zwischen den Experten und Unternehmen<br />

beider Länder soll dies voranbringen.<br />

Beispiel Nukleare Sicherheit und Katastrophenschutz:<br />

China sieht sich permanent von geologischen<br />

Katastrophen bedroht. Laut offiziellen<br />

Angaben haben sich seit 1998 mehr als 320.000<br />

geologische Katastrophen in China ereignet, in<br />

deren Folge 14.000 Personen ihr Leben verloren.<br />

Die entstandenen wirtschaftlichen Schäden<br />

beliefen sich auf über 60 Milliarden RMB. Um<br />

dieser Situation entgegenzuwirken, hat der chinesische<br />

Staatsrat das Ziel formuliert, bis 2020 die<br />

Risiken gravierender geologischer Katastrophen<br />

weitgehend zu beseitigen und die durch Katastrophen<br />

verursachten Sachschäden und Todesfälle<br />

zu minimieren.<br />

KULTURELLE UNTERSCHIEDE<br />

Viele <strong>mit</strong>telständische Unternehmen wollen das<br />

Potenzial nutzen, das ein Engagement in China<br />

verspricht. Die Orientierung im chinesischen<br />

Markt jedoch offenbart viele Hürden. Geschäftsanbahnungen<br />

erfolgen in China fast ausschließlich<br />

über persönliche Kontakte, die intensiv<br />

gepflegtwerdenmüssen.Dabeiistesvonbesonderer<br />

Bedeutung, die Hierarchien, Strukturen und<br />

Besonderheiten der chinesischen Unternehmen<br />

zu kennen – denn schließlich bieten sich westlichen<br />

Verhandlungspartnern eine vollkommen<br />

fremde Businesskultur, Wertvorstellungen und<br />

so<strong>mit</strong> auch andere Verhandlungsmechanismen.<br />

So ist es wichtig, sich klarzumachen, dass in China<br />

emotionalen Aspekten mehr Bedeutung beigemessen<br />

wird, als rationalen Entscheidungen.<br />

Eine solide Vertrauensbasis und die Präsenz vor<br />

Ort sind für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen<br />

im Reich der Mitte von zentraler Bedeutung.<br />

ERFOLGREICHER EINSTIEG<br />

Die bisherigen, zentralen Aktionen der IHK’s in<br />

Deutschland sind nur sehr wenig effektiv. Eine<br />

konkrete Hilfestellung für den erfolgreichen<br />

Markteinstieg in China bietet das German TechnologiesCentere.V..<br />

Der politisch unabhängige und geschäftsorientierte<br />

Verband ist für deutsche Technologieunternehmen<br />

eine zentrale Institution für die gegenseitige<br />

Aufnahme von Geschäftskontakten, das<br />

Suchen und Finden von Geschäftspartnern in<br />

beiden Ländern und einen effektiv gestalteten<br />

Technologietransfer. Das Interesse Chinas ist groß,<br />

<strong>mit</strong> deutschen Unternehmen unterschiedlichster<br />

Branchen noch schneller und besser zusammen<br />

zu arbeiten. Folgende Branchen bilden dabei den<br />

Schwerpunkt:<br />

– Sicherheit, Reaktor- und Katastrophenschutz<br />

– Umwelttechnologie und Energiewirtschaft<br />

– Industrieautomatisierung/Robotertechnik<br />

– Kommunikationstechnologie<br />

– Maschinen-, Fahrzeug- und Schiffsbau<br />

– Medizintechnologie<br />

Durch seine chinesischen Geschäftsstellen, u.a.<br />

in Peking und Shanghai, bietet das German Technologies<br />

Center zentrale Knotenpunkte, um<br />

Geschäftskontakte herzustellen, auszubauen und<br />

zu festigen. Die enge Zusammenarbeit des Verbandes<br />

<strong>mit</strong> chinesischen Branchenverbänden,<br />

Unternehmen, Technologie-Transferstellen und<br />

Universitäten geben zielorientierte Unterstützung<br />

für interessierte Technologieunternehmen aus<br />

Deutschland. Schulungen zu den Bedingungen<br />

auf dem chinesischen Markt, Vorbereitung von<br />

Kooperationsverträgen oder Infoveranstaltungen<br />

zu aktuellen Branchenthemen sind nur ein<br />

Ausschnitt des Serviceangebots des Verbandes.<br />

INFORMIEREN SIE SICH JETZT.<br />

Das German Technologies Center (GTC)<br />

fördert die Entwicklung von erfolgreichen<br />

Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen, <strong>mit</strong>telständischen<br />

Unternehmen <strong>mit</strong> Unternehmen<br />

und Kooperationspartner in China.<br />

Weitere Informationen zur Mitgliedschaft im<br />

German Technologies Center e.V. finden Sie auf<br />

den Internetseiten www.german-technologiescenter.de/<br />

<strong>mit</strong>gliedschaft<br />

Dipl.-Ing. Ulf Stremmel<br />

Präsident des German Technologies Center e.V.<br />

Kontakt:<br />

German Technologies Center e.V.<br />

Geschäftsstelle Berlin<br />

Grünhofer Weg 18, D-13581 Berlin<br />

phone: +49303230630036<br />

fax: +49303230630010<br />

info[at]german-technologies-center.de


SPECIAL<br />

Schranken für Schiffe öffnet und wieder<br />

schließt. Es ist faszinierend. Bald wird<br />

jede Energiesparlampe ihren Status melden,<br />

jedes Auto Standort und Vektoren.<br />

Und selbst der berühmte Internet-Kühlschrank<br />

kommt zu späten Ehren, wenn<br />

er automatisch Milch auf den digitalen<br />

Smartphone-Einkaufszettel setzt. 50 Milliarden<br />

Geräte sollen laut Netzwerkhersteller<br />

Cisco bis 2020 im »Internet der<br />

Dinge« vernetzt sein. Darunter werden<br />

Objekte bis hin zu Alltagsgegenständen<br />

ans Internet angeschlossen und durch<br />

Programmierbarkeit, Speichervermögen,<br />

Sensoren und Kommunikationsfähigkeiten<br />

»intelligent« gemacht, so dass sie<br />

über das Internet eigenständig Informationen<br />

austauschen, Aktionen auslösen<br />

und sich wechselseitig steuern können.<br />

Das Internet der Dinge produziert eine<br />

Datenmenge, die technologisch neue<br />

Herausforderungen schafft und so Big<br />

Data und Cloud Computing bedingt.<br />

TREND 2: PROGNOSTIK<br />

Ähnlich wie die Rechenpower wächst die<br />

Datenmenge exponentiell und wird <strong>mit</strong><br />

dem Internet der Dinge eine neue Dimension<br />

erreichen. Laut der IT-Marktforscher<br />

von IDC verdoppelt sich das weltweite<br />

Datenvolumen etwa alle 18 Monate.<br />

Das ist Fluch und Segen zugleich.<br />

NEU AUS SACHSEN<br />

Fernbedienung <strong>mit</strong> Gesten<br />

Smartphones erkennen Gesten und<br />

ermöglichen die Interaktion, falls eine<br />

passende App vorhanden ist. Etwa<br />

zur Fernsteuerung von Computern<br />

oder Robotern. Die TU Bergakademie<br />

Freiburg hat <strong>mit</strong> myTU App eine Software<br />

dafür entwickelt.<br />

http://myTU.tu-freiberg.de<br />

Einerseits ermöglicht die Masse an Daten<br />

neue Erkenntnisse, andererseits ist sie<br />

immer schwerer beherrschbar. Anwender<br />

verbringen mehr Zeit <strong>mit</strong> der Suche<br />

nach Informationen als <strong>mit</strong> deren Analyse.<br />

Unternehmen sind davon abhängig,<br />

nahezu in Echtzeit die richtigen Entscheidungen<br />

auf Basis valider Analysen<br />

treffen zu können. Produktivitätsvorteile<br />

und Wertschöpfung entstehen dann,<br />

wenn wir in diesem Kontext Business<br />

Intelligence auf Abruf organisieren können<br />

und da<strong>mit</strong> beginnen, Big Data für<br />

kluge Prognostik und schlauen Kundenservice<br />

zu nutzen. Das allerdings setzt<br />

extreme Rechenpower voraus, die nur<br />

<strong>mit</strong> den skalierbaren Kräften des Cloud<br />

Computing darstellbar ist.<br />

MESSENEUHEITEN II<br />

TREND 3: IT AUS DER STECKDOSE<br />

Das Thema Cloud Computing wird uns<br />

noch eine Weile beschäftigen. Denn erstens<br />

haben wir längst noch nicht hinreichend<br />

begriffen, wie wir <strong>mit</strong> nahezu unbegrenzter<br />

Rechenpower kreativer, kommunikativer,<br />

innovativer, produktiver<br />

und effizienter werden können. Jetzt<br />

kommt es darauf an, die unternehmerische<br />

Vorstellungskraft »upzugraden« –<br />

denn die Technik ist längst da. Zweitens<br />

gilt es nach wie vor, ein hartnäckiges<br />

Missverständnis aufzuklären: Dass der<br />

Weg in die Cloud nur über eine Entweder-Oder-Entscheidung<br />

führt. Vielmehr<br />

lassen sich längst individuelle Anforderungen<br />

an Cloud Services und Softwarelösungen<br />

auch in IT-Strategien einbinden,<br />

die eigene Infrastrukturen <strong>mit</strong><br />

berücksichtigen: Die Cloud zu Ihren Bedingungen.<br />

Drittens gilt es, die Themen<br />

Datenschutz und Sicherheit in der Cloud<br />

offensiv anzugehen. Cloud Computing<br />

bietet die Chance, zentrale gesellschaftliche<br />

Probleme zu lösen – im Gesundheitswesen,<br />

in Bildung und Forschung,<br />

im Umweltbereich, beim eGovernment.<br />

TREND 4: MENSCH UND MASCHINE<br />

Neue Geräte, Cloud Computing und Big<br />

Data, Augmented Reality (erweiterte Realität)<br />

und 3D-Umgebungen – der Schlüs-<br />

Blitzrechner. Asus MeMO 370T ist ein<br />

10-Zoll-Tablet-PC <strong>mit</strong> Tegra-3-Prozessor von<br />

Nivida. Der Vierkern-Prozessor bricht alle<br />

Rekorde bei der Leistung von mobilen<br />

Geräten. Das Gerät arbeitet <strong>mit</strong> einer Akku-<br />

Ausstattung bis zwölf Stunden und da<strong>mit</strong><br />

20 Prozent länger, als Tablets der vorigen<br />

Chip-Generation.<br />

www.asus.de<br />

Eckmaus. Cube von Logitech sieht aus<br />

wie ein kleiner Backstein. Die eckige Maus<br />

dient der PC-Steuerung. Man streicht wie<br />

beim Smartphone <strong>mit</strong> dem Finger über das<br />

Gerät und erzeugt da<strong>mit</strong> einen flüssigen<br />

Bildverlauf. Cube funktioniert auch kabellos.<br />

Preis rund 70 Euro.<br />

www.logitech.de<br />

Bewegungssteuerung. Microsoft stellt<br />

Kinect für Windows vor. Das Gerät steuert<br />

den PC über eine bewegungssensitive<br />

3D-Kamera. Das Kamerasystem ist für die<br />

Gesichtserkennung einsetzbar. Preis rund<br />

190 Euro.<br />

www.microsoft.de<br />

LTE-Fritzbox. AVM zeigt Fritz!Box 6842<br />

LTE und Fritz!Box 6810 LTE (Foto) für den<br />

Internet-Anschluss. Die Boxen sind <strong>mit</strong> eingebauten<br />

Antennen für den LTE-Funkbetrieb<br />

(bis 100 MBit/s Download und 50 MBit/s<br />

Upload) ausgerüstet. Am Einsatzort werden<br />

die Daten per WLAN oder Ethernet verteilt.<br />

www.avm.de<br />

DATEV-Sicherheit. DATEVnet pro mobil<br />

schützt vor Angriffen aus dem Internet<br />

auf mobile Endgeräte. Smartphones und<br />

Tablet-PCs ermöglichen den ständigen<br />

Zugriff auf Unternehmens- und Kanzleidaten,<br />

eine sichere Anbindung ist wichtig.<br />

<strong>Nur</strong> für registrierte Geräte <strong>mit</strong> fest definiertem<br />

Nutzungsprofil ist der Zugriff möglich.<br />

www.datev.de<br />

GUT GERÜSTET: Die neuen Anschlusskisten<br />

von AVM (Fritz!Box 6842 LTE und 6810 LTE)<br />

sind kompatibel zum LTE-Funkstandard<br />

Elektronikkleidung. Wearable Technologies<br />

produziert Kleidungsstücke,<br />

Brillen und ähnliche Gegenstände <strong>mit</strong><br />

elektronischen Bauteilen. Über Sensoren,<br />

Displays oder Kameras lassen sich da<strong>mit</strong><br />

z.B. PCs steuern, Körper-Infos messen<br />

oder Kranke überwachen.<br />

www.wearable.com<br />

Fußballfunk. Winzige Funksensoren<br />

zeichnen bei RedFIR die Bewegungen<br />

von Fußballspielern samt dem Ball zur<br />

Analyse der Positionen am Computer auf.<br />

Die Ortungstechnologie des Fraunhofer-<br />

Instituts für Integrierte Schaltungen IIS<br />

Nürnberg erfasst die Daten sekundenschnell<br />

bis auf den Zentimeter genau.<br />

www.iis.fraunhofer.de<br />

Online-Speicher. HiDrive ist ein<br />

Speicher im TÜV-zertifizierten Rechenzentrum<br />

des Berliner Internetdienstleisters<br />

Strato. Nutzer können dort ihre Daten<br />

via Internet archivieren. Sie sind nach<br />

deutschem Datenschutzgesetz geschützt.<br />

www.strato.de<br />

40 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


SPECIAL<br />

Schranken für Schiffe öffnet und wieder<br />

schließt. Es ist faszinierend. Bald wird<br />

jede Energiesparlampe ihren Status melden,<br />

jedes Auto Standort und Vektoren.<br />

Und selbst der berühmte Internet-Kühlschrank<br />

kommt zu späten Ehren, wenn<br />

er automatisch Milch auf den digitalen<br />

Smartphone-Einkaufszettel setzt. 50 Milliarden<br />

Geräte sollen laut Netzwerkhersteller<br />

Cisco bis 2020 im »Internet der<br />

Dinge« vernetzt sein. Darunter werden<br />

Objekte bis hin zu Alltagsgegenständen<br />

ans Internet angeschlossen und durch<br />

Programmierbarkeit, Speichervermögen,<br />

Sensoren und Kommunikationsfähigkeiten<br />

»intelligent« gemacht, so dass sie<br />

über das Internet eigenständig Informationen<br />

austauschen, Aktionen auslösen<br />

und sich wechselseitig steuern können.<br />

Das Internet der Dinge produziert eine<br />

Datenmenge, die technologisch neue<br />

Herausforderungen schafft und so Big<br />

Data und Cloud Computing bedingt.<br />

TREND 2: PROGNOSTIK<br />

Ähnlich wie die Rechenpower wächst die<br />

Datenmenge exponentiell und wird <strong>mit</strong><br />

dem Internet der Dinge eine neue Dimension<br />

erreichen. Laut der IT-Marktforscher<br />

von IDC verdoppelt sich das weltweite<br />

Datenvolumen etwa alle 18 Monate.<br />

Das ist Fluch und Segen zugleich.<br />

NEU AUS SACHSEN<br />

Fernbedienung <strong>mit</strong> Gesten<br />

Smartphones erkennen Gesten und<br />

ermöglichen die Interaktion, falls eine<br />

passende App vorhanden ist. Etwa<br />

zur Fernsteuerung von Computern<br />

oder Robotern. Die TU Bergakademie<br />

Freiburg hat <strong>mit</strong> myTU App eine Software<br />

dafür entwickelt.<br />

http://myTU.tu-freiberg.de<br />

Einerseits ermöglicht die Masse an Daten<br />

neue Erkenntnisse, andererseits ist sie<br />

immer schwerer beherrschbar. Anwender<br />

verbringen mehr Zeit <strong>mit</strong> der Suche<br />

nach Informationen als <strong>mit</strong> deren Analyse.<br />

Unternehmen sind davon abhängig,<br />

nahezu in Echtzeit die richtigen Entscheidungen<br />

auf Basis valider Analysen<br />

treffen zu können. Produktivitätsvorteile<br />

und Wertschöpfung entstehen dann,<br />

wenn wir in diesem Kontext Business<br />

Intelligence auf Abruf organisieren können<br />

und da<strong>mit</strong> beginnen, Big Data für<br />

kluge Prognostik und schlauen Kundenservice<br />

zu nutzen. Das allerdings setzt<br />

extreme Rechenpower voraus, die nur<br />

<strong>mit</strong> den skalierbaren Kräften des Cloud<br />

Computing darstellbar ist.<br />

MESSENEUHEITEN II<br />

TREND 3: IT AUS DER STECKDOSE<br />

Das Thema Cloud Computing wird uns<br />

noch eine Weile beschäftigen. Denn erstens<br />

haben wir längst noch nicht hinreichend<br />

begriffen, wie wir <strong>mit</strong> nahezu unbegrenzter<br />

Rechenpower kreativer, kommunikativer,<br />

innovativer, produktiver<br />

und effizienter werden können. Jetzt<br />

kommt es darauf an, die unternehmerische<br />

Vorstellungskraft »upzugraden« –<br />

denn die Technik ist längst da. Zweitens<br />

gilt es nach wie vor, ein hartnäckiges<br />

Missverständnis aufzuklären: Dass der<br />

Weg in die Cloud nur über eine Entweder-Oder-Entscheidung<br />

führt. Vielmehr<br />

lassen sich längst individuelle Anforderungen<br />

an Cloud Services und Softwarelösungen<br />

auch in IT-Strategien einbinden,<br />

die eigene Infrastrukturen <strong>mit</strong><br />

berücksichtigen: Die Cloud zu Ihren Bedingungen.<br />

Drittens gilt es, die Themen<br />

Datenschutz und Sicherheit in der Cloud<br />

offensiv anzugehen. Cloud Computing<br />

bietet die Chance, zentrale gesellschaftliche<br />

Probleme zu lösen – im Gesundheitswesen,<br />

in Bildung und Forschung,<br />

im Umweltbereich, beim eGovernment.<br />

TREND 4: MENSCH UND MASCHINE<br />

Neue Geräte, Cloud Computing und Big<br />

Data, Augmented Reality (erweiterte Realität)<br />

und 3D-Umgebungen – der Schlüs-<br />

Blitzrechner. Asus MeMO 370T ist ein<br />

10-Zoll-Tablet-PC <strong>mit</strong> Tegra-3-Prozessor von<br />

Nivida. Der Vierkern-Prozessor bricht alle<br />

Rekorde bei der Leistung von mobilen<br />

Geräten. Das Gerät arbeitet <strong>mit</strong> einer Akku-<br />

Ausstattung bis zwölf Stunden und da<strong>mit</strong><br />

20 Prozent länger, als Tablets der vorigen<br />

Chip-Generation.<br />

www.asus.de<br />

Eckmaus. Cube von Logitech sieht aus<br />

wie ein kleiner Backstein. Die eckige Maus<br />

dient der PC-Steuerung. Man streicht wie<br />

beim Smartphone <strong>mit</strong> dem Finger über das<br />

Gerät und erzeugt da<strong>mit</strong> einen flüssigen<br />

Bildverlauf. Cube funktioniert auch kabellos.<br />

Preis rund 70 Euro.<br />

www.logitech.de<br />

Bewegungssteuerung. Microsoft stellt<br />

Kinect für Windows vor. Das Gerät steuert<br />

den PC über eine bewegungssensitive<br />

3D-Kamera. Das Kamerasystem ist für die<br />

Gesichtserkennung einsetzbar. Preis rund<br />

190 Euro.<br />

www.microsoft.de<br />

LTE-Fritzbox. AVM zeigt Fritz!Box 6842<br />

LTE und Fritz!Box 6810 LTE (Foto) für den<br />

Internet-Anschluss. Die Boxen sind <strong>mit</strong> eingebauten<br />

Antennen für den LTE-Funkbetrieb<br />

(bis 100 MBit/s Download und 50 MBit/s<br />

Upload) ausgerüstet. Am Einsatzort werden<br />

die Daten per WLAN oder Ethernet verteilt.<br />

www.avm.de<br />

DATEV-Sicherheit. DATEVnet pro mobil<br />

schützt vor Angriffen aus dem Internet<br />

auf mobile Endgeräte. Smartphones und<br />

Tablet-PCs ermöglichen den ständigen<br />

Zugriff auf Unternehmens- und Kanzleidaten,<br />

eine sichere Anbindung ist wichtig.<br />

<strong>Nur</strong> für registrierte Geräte <strong>mit</strong> fest definiertem<br />

Nutzungsprofil ist der Zugriff möglich.<br />

www.datev.de<br />

GUT GERÜSTET: Die neuen Anschlusskisten<br />

von AVM (Fritz!Box 6842 LTE und 6810 LTE)<br />

sind kompatibel zum LTE-Funkstandard<br />

Elektronikkleidung. Wearable Technologies<br />

produziert Kleidungsstücke,<br />

Brillen und ähnliche Gegenstände <strong>mit</strong><br />

elektronischen Bauteilen. Über Sensoren,<br />

Displays oder Kameras lassen sich da<strong>mit</strong><br />

z.B. PCs steuern, Körper-Infos messen<br />

oder Kranke überwachen.<br />

www.wearable.com<br />

Fußballfunk. Winzige Funksensoren<br />

zeichnen bei RedFIR die Bewegungen<br />

von Fußballspielern samt dem Ball zur<br />

Analyse der Positionen am Computer auf.<br />

Die Ortungstechnologie des Fraunhofer-<br />

Instituts für Integrierte Schaltungen IIS<br />

Nürnberg erfasst die Daten sekundenschnell<br />

bis auf den Zentimeter genau.<br />

www.iis.fraunhofer.de<br />

Online-Speicher. HiDrive ist ein<br />

Speicher im TÜV-zertifizierten Rechenzentrum<br />

des Berliner Internetdienstleisters<br />

Strato. Nutzer können dort ihre Daten<br />

via Internet archivieren. Sie sind nach<br />

deutschem Datenschutzgesetz geschützt.<br />

www.strato.de<br />

40 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


SPECIAL<br />

sel zu den wichtigsten Trends in der IT<br />

liegt im Zugang. Das Interface, also das<br />

Zugangs- und Kommunikationsmedium<br />

zum Computer, spielt dabei die entscheidende<br />

Rolle. Indem es die Art und Weise<br />

bestimmt, wie wir <strong>mit</strong> komplexen Technologien<br />

interagieren. Maus und Tastatur<br />

sind längst auf dem Weg ins Museum.<br />

Intuitiv und möglichst natürlich soll<br />

die Bedienung sein – ob per Fingerzeig,<br />

Sprache oder <strong>mit</strong> Armen und Beinen.<br />

Mit OmniTouch wird jede beliebige<br />

Oberfläche, ob Hand oder Wand, zur<br />

Touch-Oberfläche. OmniTouch erlaubt es<br />

beispielsweise, einen virtuellen Ziffernblock<br />

statt auf einem Display auf einer<br />

Handoberfläche einzublenden, um dann<br />

dort die gewünschte Telefonnummer<br />

einzugeben. Ein auf der Schulter des<br />

Anwenders montiertes Gerät enthält ein<br />

Laser-Projektor, der Inhalte auf eine beliebige<br />

Oberfläche einblendet. Hinzu<br />

kommt eine Kamera, die Bewegungen<br />

der Finger bei Eingabe erkennen kann.<br />

Etwa ob der Anwender seine Finger nur<br />

über ein virtuelles Steuerelement hält<br />

oder tatsächlich darauf drückt.<br />

TREND 5: VERBRAUCHERNAHE IT<br />

Aus Business-Perspektive beschreibt der<br />

Ausdruck »Consumerization of IT« (verbrauchernahe<br />

IT) die Verlagerung privater<br />

IT-Nutzungsgewohnheiten an den Arbeitsplatz.<br />

Was, wenn der Geschäftsführer<br />

neueste Zahlen auf seinem neuen<br />

Tablet lesen will? Wenn Mitarbeiter ihr<br />

privates Smartphone für den beruflichen<br />

Mailverkehr nutzen wollen? Beispiel<br />

Social Web – für uns als Privatpersonen<br />

eine Selbstverständlichkeit, aber im<br />

Unternehmen unter dem Stichwort »Enterprise<br />

2.0« auch eine Herausforderung.<br />

So werden zwar ganz neue Beziehungen<br />

innerhalb der Firma und zu Kunden, Lieferanten<br />

und der Öffentlichkeit gestiftet.<br />

Doch die Kommunikationsfreiheit stößt<br />

an Grenzen, sind sensible Infos oder Sicherheitsregeln<br />

betroffen. Von restriktiven<br />

Security-Regeln bis »Bring your own<br />

Computer-Policy«. Wie Firmen <strong>mit</strong> dem<br />

Phänomen umgehen können, entscheidet<br />

langfristig auch über deren Wettbewerbsfähigkeit.<br />

TREND 6: TECHNICAL RESPONSIBILITY<br />

Wenn neue IT-Technologien die Art und<br />

Weise verändern, wie wir als Menschen,<br />

als Unternehmen und als Gesellschaft<br />

<strong>mit</strong>einander leben, lernen, arbeiten und<br />

kommunizieren – in welcher besonderen<br />

Verantwortung stehen dann die Unternehmen,<br />

die sie ermöglichen? Diese<br />

besondere Verantwortung wird als »Corporate<br />

Technical Responsibility« bezeichnet.<br />

Ein Begriff, der nach Antworten<br />

sucht. Wie steht es um die Verantwortung<br />

<strong>mit</strong> Daten und Identitäten, wie um<br />

die Sicherheit in Anwendung und Bereitstellung<br />

neuer IT-Technologien? Wie<br />

steht es um deren Marktzugänglichkeit<br />

und wie wird Transparenz in der Kommunikation<br />

und Aufklärung gewährleistet?<br />

Die IT-Wirtschaft in Deutschland bewegt<br />

sich am Rande einer Vertrauenskrise<br />

und muss eine noch aktivere Rolle<br />

in öffentlichen Debatten übernehmen,<br />

muss technologische Trends und Prozesse<br />

und über mögliche Folgen aufklären.<br />

TREND 7: THE POWER OF DESIGN<br />

Neue Technologien wie Cloud Computing<br />

und Innovationen wie Natural User<br />

Interfaces stellen neue Anforderungen<br />

an Darstellung, Visualisierung und Zugänglichkeit<br />

von Software – das Design<br />

muss in diesem Kontext neue Antworten<br />

liefern. Microsofts Antwort zum Beispiel<br />

heißt Metro. Ein System, das sich vom<br />

Windows Phone über Xbox 360 bis hin zu<br />

Windows 8 im kommenden Jahr als eine<br />

unverwechselbare Designsprache etablieren<br />

soll. Dabei sind nicht nur Äußerlichkeiten<br />

entscheidend. Mit der Kraft<br />

des Designs über die Klarheit der Funktion<br />

und der Intelligenz des Bauplans sollen<br />

neue Maßstäbe gesetzt werden. &<br />

DIE WELT DER DRUCKER<br />

Papierberge trotz elektronischer Kommunikation<br />

Das papierlose Büro bleibt auch in Zeiten hochleistungsfähiger Datenverarbeitungstechnik eine Illusion.<br />

Es wird mehr gedruckt als je zuvor. Effizientes Druckermanagement birgt enormes Sparpotenzial.<br />

Bessere Lesbarkeit von Dokumenten ist für<br />

die Mehrzahl der Büro<strong>mit</strong>arbeiter wichtigster<br />

Grund für einen Papierausdruck. Das<br />

sagen laut einer Umfrage des Druckerherstellers<br />

Lexmark 65 Prozent der Befragten.<br />

In Papierform wollen dazu noch fast ebenso<br />

viele Personen ihre Texte, Präsentationen<br />

oder E-Mails im Archiv aufbewahren.<br />

Trotz wachsender elektronische Kommunikation<br />

wird mehr gedruckt. Im Papierverbrauch<br />

ist Deutschland führend. Büro-Mitarbeiter<br />

drucken pro Tag rund 40 Seiten<br />

aus. Vieles ist überflüssig: Im Papierkorb<br />

landen zehn gedruckte Seiten pro Mitarbeiter<br />

und Tag. 700 Milliarden Seiten (!) werden<br />

weltweit pro Jahr unnötig ausgedruckt.<br />

Hartmut Rottstedt, Geschäftsführer von<br />

Lexmark Deutschland, gibt in W&M Tipps<br />

für Sparpotenzial beim Druckereinsatz:<br />

Drucker vereinheitlichen und vernetzen.<br />

Mittelständler optimieren ihre Drucker-Infrastruktur,<br />

indem sie den Gerätepark vereinheitlichen<br />

auf wenige Typen. Zusätzlich<br />

lassen sie Drucker und Multifunktionsgeräte<br />

durch Managed Print Services (MPS) verwalten,<br />

den externe Dienstleister anbieten.<br />

Gesteuert werden die individuellen Druckoutputs.<br />

Es lassen sich 15 bis 30 Prozent<br />

der Kosten einsparen. MPS ist für Firmen<br />

<strong>mit</strong> mehr als 20 Geräten interessant.<br />

Multifunktionsgeräte einsetzen.<br />

Kleine Betriebe nutzen häufiger A4-Multifunktionsgeräte,<br />

die drucken, kopieren,<br />

scannen und faxen. Sie digitalisieren papierbasierte<br />

Infos. Das vereinfacht<br />

Geschäftsabläufe. Die Daten sind zentral<br />

gespeichert und stehen allen Mitarbeitern<br />

zur Verfügung.<br />

Elektronische Kommunikation ausbauen.<br />

Bei Zunahme der Informationsflut wird es<br />

immer wichtiger, sorgfältig abzuwägen,<br />

welche Dokumente gedruckt werden<br />

müssen und welche nicht. Das vollständig<br />

papierlose Büro ist nicht realistisch.<br />

Laser- und Tintenstrahldrucker einsetzen.<br />

Tintenstrahler eignen sich neben dem<br />

Drucken auf Normalpapier auch für das<br />

Drucken von Folien und anderen Medien.<br />

Wer nur auf Normalpapier druckt, fährt<br />

besser <strong>mit</strong> einem Lasergerät.<br />

Dokumentenbasierte Abläufe verbessern.<br />

Die Druckertechnologien sind technisch<br />

sehr ausgereift. Da kommt es darauf an,<br />

die Geschäftsabläufe zu optimieren.<br />

Multifunktionsgeräte verfügen über vorinstallierte<br />

und individuell anpassbare<br />

Lösungen. Gescannte Dokumente<br />

werden zum Beispiel automatisch in einen<br />

bestimmten Ordner abgelegt.<br />

Wildwuchs abbauen.<br />

In vielen Firmen ist der Gerätepark <strong>mit</strong><br />

unterschiedlichsten Druckern gewachsen.<br />

Der Wildwuchs führt dazu, dass unklar<br />

wird, wieviel für den Druck von Dokumenten<br />

ausgegeben wird, welche Geräte unteroder<br />

überlastet sind. Die Firma Lexmark<br />

bietet dazu das Konzept Print-Manage-<br />

Move an, da<strong>mit</strong> sollen Betriebe die Kontrolle<br />

über ihre Kosten behalten.<br />

Auf der CeBIT 2012 präsentieren sich in<br />

Halle 3 in einer Art Drucker-Show die<br />

wichtigsten MPS-Anbieter. Im Mittelpunkt<br />

stehen Neuheiten aus Planung, Implementierung,<br />

Betrieb, Wartung und<br />

Erneuerung von Druckumgebungen.<br />

42 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


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E-PAPER<br />

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Wirtschaft & Markt, das ostdeutsche Wirtschaftsmagazin:<br />

Bei uns<br />

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auf den Titel<br />

zu kommen.<br />

Format reicht.<br />

WIRTSCHAFT& MARKT<br />

Der Osten aus erster Hand<br />

Redaktion Wirtschaft & Markt, Zimmerstraße 55, 10117 Berlin; Tel.: 030-278 94 50


INTERVIEW<br />

Prof. Oliver Holtemöller und Dr. Jutta Günther, Interimsvorstände des Instituts<br />

für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zum Aufholprozess ost und Förderpolitik<br />

»Transformation <strong>mit</strong> Langzeitfolgen«<br />

Fotos: H. Lachmann<br />

behrlich. Der Osten holt nur auf, wenn<br />

sich hier die Wirtschaftstrukturen weiterhin<br />

verändern – sowohl die sektorale<br />

Zusammensetzung als auch die Größe<br />

der Unternehmen. Noch dominieren<br />

kleine und <strong>mit</strong>tlere Unternehmen, die<br />

zudem deutlich weniger internationalisiert<br />

sind als in Westdeutschland. Die<br />

kleinen und <strong>mit</strong>tleren Unternehmen<br />

müssen nun endogen wachsen, aus sich<br />

selbst heraus. Das dauert seine Zeit.<br />

W&M: Wird in der ostdeutschen Industrie zu<br />

wenig geforscht und entwickelt?<br />

GÜNTHER: Es gibt eine Forschungslücke<br />

zwischen Ost und West. Im Osten gibt die<br />

private Wirtschaft knapp ein Prozent des<br />

BIP für Forschung und Entwicklung aus,<br />

im Westen sind es rund zwei Prozent.<br />

Doch die Forschungsintensität ist in den<br />

neuen Ländern strukturadäquat angesichts<br />

der Zusammensetzung der Industrie.<br />

Aber nochmal: Die Wirtschaftsstrukturen<br />

müssen sich verändern.<br />

W&M: Wie spiegelt die Patentintensität dieses<br />

Dilemma wider? 2010 wurden bundesweit<br />

knapp 60.000 Patente angemeldet. Sachsen<br />

steuerte ganze 1.100 bei, Thüringen knapp<br />

550, Sachsen-Anhalt 312.<br />

GÜNTHER: Patente sind nicht zwangsläufig<br />

gleichzusetzen <strong>mit</strong> Innovationen. Es<br />

gibt auch strategische Patente. Zudem<br />

werden diese häufig von den Unternehmenszentralen<br />

angemeldet, und die sitzen<br />

nicht selten in Westdeutschland<br />

oder im Ausland. Geht man jedoch nach<br />

dem Wohnsitz der Erfinder und berück-<br />

ZUR<br />

PERSON<br />

Ost-Forscher aus dem Westen<br />

Dr. Jutta Günther<br />

Die 44-jährige aus Nordrhein-Westfalen<br />

studierte bis 1999 Sozial- und Wirtschaftswissenschaften<br />

in Oldenburg, Osnabrück<br />

sowie New York. 2002 Promotion, danach<br />

Wechsel ans IWH, Abt. Strukturökonomik.<br />

Prof. Oliver Holtemöller<br />

Der 40-jährige aus Hessen studierte in<br />

Gießen u. a. VWL. Danach bis 2001 Stipendiat<br />

der Deutschen Forschungsgemeinschaft.<br />

Promotion an der FU Berlin. Seit<br />

August 2009 ist er Professor für VWL an<br />

der Universität Halle-Wittenberg und Leiter<br />

der Abt. Makroökonomik am IWH.<br />

W&M: Nach zwei Jahrzehnten deutscher Einheit<br />

hat der Osten wirtschaftlich zum Westteil<br />

noch nicht entscheidend aufholt. Rückt das<br />

Ziel in weite Ferne?<br />

HOLTEMÖLLER: Aus ökonomischer Sicht<br />

sind wir noch meilenweit von gleichen<br />

Verhältnissen entfernt. Der Aufholprozess<br />

vollzieht sich sehr langsam. Die<br />

Lücke wird noch lange klaffen, sicher<br />

mehrere Jahrzehnte.<br />

W&M: Wie weit hinkt der Osten hinterher?<br />

HOLTEMÖLLER: Bei der Produktion je<br />

Einwohner und bei der Produktivität erreicht<br />

Ostdeutschland derzeit 70 bis 80<br />

Prozent des westdeutschen Niveaus. Aus<br />

internationalen Studien ist bekannt,<br />

dass sich die Lücke – sofern ein Angleichungsprozess<br />

im Gange ist – jährlich<br />

um etwa zwei Prozent schließt. Nach<br />

dem US-amerikanischen Bürgerkrieg hat<br />

es beispielsweise über hundert Jahre gedauert,<br />

ehe der Süden auf 90 Prozent des<br />

Einkommens des Nordens kam, bei gleicher<br />

Gesetzgebung, gleicher Währung.<br />

W&M: Woran liegt das?<br />

JUTTA GÜNTHER: Ein Grund ist der unterschiedliche<br />

Branchenmix. Die technologieintensiveren<br />

Industrien sind in den alten<br />

Ländern stärker präsent. In Sachsen-<br />

Anhalt dominiert die Nahrungs<strong>mit</strong>telbranche,<br />

doch hier ist die Wertschöpfung<br />

vergleichsweise gering.<br />

W&M: Findet derzeit überhaupt eine Angleichung<br />

statt, etwa bei der Produktivität?<br />

HOLTEMÖLLER: Davon ist auszugehen. Erschwerend<br />

wirkt die unterschiedliche<br />

demografische Entwicklung. Deutschland<br />

altert insgesamt, der Osten aber<br />

deutlich stärker. Selbst wenn die Produktivität<br />

weiter konvergiert, nähert sich<br />

das Einkommen, das pro Kopf erwirtschaftet<br />

wird, nicht in gleichem Maße<br />

an. Denn das Verhältnis von Erwerbstätigen<br />

zur Gesamtbevölkerung entwickelt<br />

sich im Osten ungünstiger.<br />

GÜNTHER: Zudem holt Ostdeutschland<br />

nur auf, wenn die Produktivität schneller<br />

zunimmt als im Westen. Dazu sind innovative<br />

Kräfte und Ideen nötig.<br />

W&M: Forschung und Entwicklung findet vor<br />

allem dort statt, wo sich große Firmenzentralen<br />

befinden. Die haben wir im Osten aber<br />

deutlich zu wenig.<br />

GÜNTHER: Das ist wahr, dennoch ist für<br />

die Weiterentwicklung der ostdeutschen<br />

Industrie die Innovationstätigkeit unentsichtigt<br />

wiederum die unterschiedlichen<br />

Strukturen, ist die Lücke gar nicht so<br />

groß. Dennoch muss die ostdeutsche<br />

Industrie ganz klar mehr in Forschung<br />

und Entwicklung investieren. Derzeit<br />

kompensieren die öffentlichen Forschungsausgaben,<br />

also die der Universitäten<br />

und außeruniversitären Institute,<br />

einen großen Teil der fehlenden privaten<br />

Investitionen in Forschung und<br />

Entwicklung. Die Wissenschaftseinrichtungen<br />

spielen in den neuen Ländern<br />

eine sehr wichtige Rolle. Ihre Patentaktivität<br />

kann sich durchaus <strong>mit</strong> den<br />

Wissenschaftseinrichtungen in Westdeutschland<br />

messen.<br />

W&M: Wie kann die Politik eingreifen, um jenen<br />

sektoralen Strukturwandel zu befördern?<br />

HOLTEMÖLLER: Sie muss Rahmenbedingungen<br />

schaffen, da<strong>mit</strong> gut ausgebildete<br />

junge Menschen im Osten bleiben, Familien<br />

gründen und möglichst nach dem<br />

Studium innovative Firmen gründen.<br />

Nicht als Kernproblem im Osten sehe ich<br />

die öffentlichen Investitionen. Defizite<br />

bestehen im privaten Sektor, gerade bei<br />

den Ausgaben für Forschung und Entwicklung.<br />

In Baden-Württemberg liegen<br />

sie bei 1.100 Euro pro Einwohner, in<br />

Sachsen-Anhalt bei 70 Euro.<br />

GÜNTHER: Wichtige Standortfaktoren<br />

bilden, wie wir aus Befragungen ausländischer<br />

Investoren wissen, die Wissenschaftseinrichtungen<br />

vor Ort. Bei der<br />

stärkeren Vernetzung der Industrie <strong>mit</strong><br />

Hochschulen und Instituten kam man<br />

auch in Ostdeutschland in den letzten<br />

15 Jahren gut voran. Gerade in der außeruniversitären<br />

Forschung tat sich viel,<br />

zum Beispiel bei den zahlreichen Fraunhofer-Instituten,<br />

die ja sehr industrienah<br />

arbeiten. Zudem spielen externe Industrieforschungseinrichtungen<br />

in den<br />

neuen Ländern eine wichtige Rolle als<br />

Partner der Industrie. Die Politik ist<br />

allerdings gut beraten, technologische<br />

Investitionen nicht <strong>mit</strong> der Gießkanne<br />

zu fördern sowie ihre Programme technologieoffen<br />

zu gestalten. Viel hängt von<br />

der Initiative der Unternehmen selbst ab.<br />

W&M: Wo sehen Sie im Osten herausragende<br />

Beispiele?<br />

GÜNTHER:<br />

Vorzeigestandorte, die sich<br />

<strong>mit</strong> westdeutschen messen können, sind<br />

für die optische Technologie Jena, für<br />

Elektrotechnik und Mikroelektronik der<br />

44 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


INTERVIEW<br />

Raum Dresden, für Fahrzeug- und Maschinenbau<br />

die Region Zwickau/Chemnitz.<br />

Ein Bereich ist auch die textilverarbeitende<br />

Industrie um Chemnitz und<br />

Zwickau. Hier gibt es technologisch sehr<br />

anspruchsvolle Innovationen.<br />

W&M: Die Automobilstandorte in Sachsen<br />

bilden bis heute eher eine verlängerte Werkbank.<br />

Keine echte Perspektive, oder?<br />

HOLTEMÖLLER: Eine verlängerte Werkbank<br />

verkörpert natürlich kein Zukunftsmodell.<br />

Das ist Verharren im Status<br />

quo. Weiterentwicklung findet nur<br />

statt, wenn die originäre Innovationskraft<br />

der Unternehmen selbst gesteigert<br />

wird. Anders geht es nicht.<br />

W&M: Bleibt der Osten so auf Dauer das<br />

deutsche Mezzogiorno?<br />

GÜNTHER: Punktuell und regionenspezifisch<br />

gibt es in Ostdeutschland große<br />

Erfolge. Die pauschale Trennung in Ostund<br />

Westdeutschland ist überholt. Es<br />

gibt auch in den alten Ländern strukturschwache<br />

Regionen. Wir werden künftig<br />

weder im Osten noch im Westen durchweg<br />

gleiche Strukturen und Wohlstandsregionen<br />

haben – wie auch nicht zwischen<br />

Nord und Süd.<br />

W&M: Die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft<br />

hat verkündet, auf absehbare Zeit ohne<br />

Subventionen auskommen zu wollen. Ist das<br />

realistisch?<br />

HOLTEMÖLLER: Natürlich kann man breite<br />

Subventionen nicht auf Dauer anlegen.<br />

Es ist zumeist eine gute Idee, sie degressiv<br />

zu gestalten und von allein auslaufen<br />

zu lassen. So ist das ja auch beim<br />

Solidarpakt. Ob hierfür 2019 wirklich der<br />

richtige Zeitpunkt ist, kann keiner genau<br />

sagen. Doch angesichts des zähen politi-<br />

»Im Osten müssen sich die<br />

WIRTSCHAFTSSTRUKTUREN<br />

verändern.«<br />

schen Verhandlungsprozesses sage ich,<br />

er sollte nicht wieder aufgenommen werden.<br />

Jeder kann sich langfristig darauf<br />

einstellen.<br />

W&M: Wird es ab 2020 gar keine regionale<br />

Förderung mehr geben?<br />

HOLTEMÖLLER: Wir brauchen dann eine<br />

Förderung strukturschwacher Regionen<br />

in Ost wie in West, die sich an der Sache<br />

orientiert: Worin ist die Schwäche begründet?<br />

Was ist das richtige Mittel dagegen?<br />

Viele zu fördernde Gebiete werden<br />

auch dann noch im Osten liegen. Doch<br />

man wird die Förderung nicht mehr <strong>mit</strong><br />

Ost und West begründen.<br />

W&M: Einige Ostländer bereiten sich darauf<br />

vor, indem sie staatliche Mittel in neue Technologien,<br />

neue Industrien stecken, die noch<br />

nicht durch westdeutsche Unternehmen besetzt<br />

sind. Beredtes Beispiel ist die Photovoltaik.<br />

Doch die kriselt momentan beträchtlich.<br />

War es ein Fehler, sich derart festzulegen?<br />

HOLTEMÖLLER: Könnte man Marktprozesse<br />

prognostizieren, brauchte man keine<br />

Märkte, sagt ein britischer Ökonom.<br />

Also, wir wissen nicht, was die zukunftsträchtige<br />

Technologie ist. Niemand weiß<br />

es. Deshalb spricht einiges dafür, nicht<br />

<strong>mit</strong> staatlichem Geld zu sehr auf bestimmte<br />

Technologien zu setzen.<br />

W&M: Forschungsergebnisse des IWH zur<br />

Transformation früherer Planwirtschaften besagen,<br />

dass die Steigerung der Innovationskraft<br />

einer Region nicht von allein geschieht.<br />

Es bedürfe staatlicher Impulse.<br />

HOLTEMÖLLER: Richtig. Wie bringt man<br />

beides zusammen? Wir brauchen eine<br />

Förderung. Also muss man sich so genannte<br />

anreizkompatible Mechanismen<br />

überlegen. Es darf auf keinen Fall sein,<br />

dass sich eine Industrieansiedlung nur<br />

trägt, weil der Staat zubuttert. Es muss<br />

jedoch in bestimmten strukturschwachen<br />

Regionen staatliche Anreize geben,<br />

um hier zu investieren – aber nur in<br />

Bereichen, in denen Unternehmen auch<br />

allein investieren würden, wenngleich<br />

sonst woanders.<br />

W&M: Gesetzt den Fall, wir sitzen in fünf<br />

Jahren wieder zusammen: Was wird sich bis<br />

dahin beim Aufholprozess getan haben?<br />

GÜNTHER: Fünf Jahre sind eine sehr kurze<br />

Frist für den Strukturwandel. Ich denke,<br />

dass wir auch dann nicht über revolutionär<br />

andere Themen sprechen. Hier<br />

würde ich als realistischen Zeitraum<br />

eher 20 Jahre ansetzen. Bis dahin können<br />

sich etwa Industriezweige entwickeln,<br />

die wir heute noch gar nicht kennen.<br />

Vielleicht tun sich in der Biotechnologie<br />

oder bei Umwelttechnologien ganz neue<br />

Dimensionen und Chancen auf.<br />

HOLTEMÖLLER: In den nächsten zwei,<br />

drei Jahren stehen andere Probleme stärker<br />

im Mittelpunkt. Wir haben jetzt die<br />

große europäische Krise, und wir müssen<br />

uns darüber unterhalten, wie wir auf<br />

dem Kontinent Rahmenbedingungen für<br />

makroökonomische Stabilität gestalten.<br />

W&M: Sie beide leiten das IWH seit Mitte Dezember<br />

2011 als Interimsvorstände, nachdem<br />

der bisherige Präsident Prof. Ulrich Blum und<br />

auch der Vorsitzende des wissenschaftlichen<br />

Beirates, Prof. Friedrich L. Sell aus München,<br />

ausgeschieden sind. Was war der Anlass?<br />

HOLTEMÖLLER: Wie alle Institute der<br />

Leibniz-Gemeinschaft (WGL) werden<br />

auch wir regelmäßig evaluiert. Eine Begehungsgruppe<br />

schaut sich die wissenschaftliche<br />

Arbeit an und legt den Bericht<br />

dem Senat der WGL vor. Dieser gibt<br />

dann eine Förderempfehlung an die gemeinsame<br />

Wissenschaftskonferenz des<br />

Bundes und der Länder (GWK). Diese<br />

trifft dann eine Förderentscheidung.<br />

W&M: Wie ist diese ausgefallen?<br />

HOLTEMÖLLER: Die GWK-Entscheidung<br />

steht noch aus. Der Senat der WGL ist zu<br />

dem Schluss gekommen, man solle das<br />

IWH weiter fördern, weil es bedeutende<br />

überregionale Fragestellungen bearbeitet<br />

und Chancen bestehen, die Leistungsfähigkeit<br />

deutlich zu steigern.<br />

W&M: Wie soll das geschehen?<br />

HOLTEMÖLLER: Das IWH soll stärker in<br />

der Forschungslandschaft vernetzt und<br />

international besser wahrgenommen<br />

werden. Speziell über unser Forschungsleitthema<br />

»Von der Transformation zur<br />

europäischen Integration«. Wir beschäftigen<br />

uns <strong>mit</strong> ökonomischen Langfristfolgen<br />

der Planwirtschaft. So sind aktive<br />

wirtschaftspolitische Eingriffe erforderlich,<br />

um die Konvergenz zu erzielen.<br />

Interview: Harald Lachmann<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 45


W&M-SERVICE<br />

AKTUELL<br />

FINANZÄMTER<br />

Schwere Defizite<br />

im Vollzug<br />

Der Bundesrechnungshof hat<br />

in einem aktuellen Gutachten<br />

den Finanzämtern schwere<br />

Fehler vorgeworfen.<br />

Der Bundesrechnungshof<br />

mahnt in seinem Gutachten die<br />

Vereinfachung des Steuerrechts<br />

und eine Weiterentwicklung<br />

des Risikomanagements in der<br />

Steuerverwaltung an. Gegenwärtig<br />

sei eine gesetzeskonforme<br />

Besteuerung vor allem bei<br />

Arbeitnehmern nicht gewährleistet.<br />

Als Ursachen benennt<br />

der Bundesrechnungshof neben<br />

der unzureichenden personellen<br />

Besetzung der Finanzämter<br />

vor allem die ständigen Änderungen<br />

im Steuerrecht. Diese, so<br />

heißt es weiter, seien zudem<br />

auch noch schwer verständlich<br />

formuliert. Allein im Einkommensteuerrecht<br />

hat sich die<br />

Zahl der jährlichen Gesetzesänderungen<br />

seit 2006 von<br />

durchschnittlich 7,5 auf zehn<br />

erhöht.<br />

Auch das Risikomanagement<br />

habe die Defizite bisher nicht<br />

beheben können. Beim Risikomanagement<br />

entscheidet ein<br />

programmgesteuerter Risikofilter,<br />

ob die Steuer maschinell<br />

festgesetzt werden kann oder ob<br />

die Beschäftigten den Fall persönlich<br />

prüfen sollen. Dieses<br />

System lasse aber systematisch<br />

Sachverhalte ungeprüft. So würde<br />

etwa die Steuerermäßigung<br />

für haushaltsnahe Dienstleistungen<br />

und Handwerkerleistungen<br />

in 80 bis 90 Prozent der Fälle<br />

gewährt, ohne dass die Finanzbeamten<br />

geprüft hätten, ob die<br />

Voraussetzungen vorliegen.<br />

Selbst wenn die Finanzbeamten<br />

durch das maschinelle Risikomanagement<br />

auf Problemfälle<br />

hingewiesen wurden, unterliefen<br />

ihnen immer noch zahlreiche<br />

Fehler. So er<strong>mit</strong>telte der<br />

Rechnungshof z.B., dass bei den<br />

Fahrtkosten je Bearbeitungsfehler<br />

630 Euro zu viel anerkannt<br />

wurden. Bei den Arbeits<strong>mit</strong>teln<br />

waren 605 Euro zweifelhaft.<br />

IM<br />

FORMULARE<br />

Anlage EÜR<br />

ist Pflicht<br />

Die Pflicht zur Abgabe des<br />

Steuervordrucks »Anlage<br />

EÜR« beruht auf einer gültigen<br />

Rechtsgrundlage.<br />

Der BFH (Az. X R 18/09) hat<br />

entschieden, dass Betriebsinhaber,<br />

die den Gewinn durch<br />

eine Einnahmen-Überschuss-<br />

Rechnung er<strong>mit</strong>teln, verpflichtet<br />

sind, eine Gewinner<strong>mit</strong>tlung<br />

auf einem amtlich<br />

vorgeschriebenen Vordruck<br />

beizufügen. Dieser als »Anlage<br />

EÜR« bekannte Vordruck sieht<br />

eine standardisierte Aufschlüsselung<br />

der Betriebseinnahmen<br />

und -ausgaben<br />

zwecks besserer Kontrollmöglichkeiten<br />

vor. Ein Schmied<br />

hatte seiner Steuererklärung<br />

lediglich die von einem Buchführungsunternehmen<br />

erstellte<br />

Gewinner<strong>mit</strong>tlung beigefügt.<br />

Die Abgabe der Anlage EÜR<br />

ist nicht im Gesetz geregelt,<br />

sondern in der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung.<br />

Nach Auffassung der<br />

obersten Finanzrichter ist<br />

dies aber ausreichend, um die<br />

Pflicht zur Abgabe des Vordrucks<br />

zu begründen.<br />

UNTERNEHMEN<br />

GEBURTSTAG<br />

Fiskus lehnt<br />

Privatfeier ab<br />

Die Kosten für private<br />

Feiern von Unternehmern<br />

gelten nicht als Betriebsausgaben.<br />

Das gilt auch dann, wenn z. B.<br />

ein runder Geburtstag zeitlich<br />

<strong>mit</strong> einem Firmenjubiläum<br />

zusammenfällt. So lautet<br />

ein Urteil des Finanzgerichts<br />

Berlin-Brandenburg<br />

(Az. 12 K 12087/07). Der Gesellschafter<br />

und Geschäftsführer<br />

einer GmbH hatte seinen 50.<br />

Geburtstag und das fünfjährige<br />

Bestehen der GmbH zum<br />

Anlass genommen, Geschäftspartner<br />

und Angestellte einzuladen.<br />

Das Gericht betonte,<br />

dass eine Geburtstagsfeier<br />

stets privat sei, selbst wenn<br />

Freunde nicht eingeladen seien.<br />

Es lagen gemischt veranlasste<br />

Aufwendungen vor, die<br />

teils privat und teils – das Unternehmensjubiläum<br />

betreffend<br />

– betrieblich veranlasst<br />

waren. Da solche eng <strong>mit</strong>einander<br />

verbundenen Aufwendungen<br />

insgesamt steuerlich<br />

nicht geltend gemacht werden<br />

dürfen, kam ein Ausgabenabzug<br />

nicht in Betracht.<br />

GRUNDERWERBSTEUER<br />

Der Fiskus hält die Hand auf<br />

2012 steigen die Kosten beim Kauf von Grundstücken und<br />

Immobilien in mehreren Bundesländern.<br />

(Steuersatz je Bundesland in Prozent; Stand: Januar 2012)<br />

Baden-Württemberg 5,0 Niedersachsen 4,5<br />

Bayern 3,5 Nordrhein-Westfalen 5,0<br />

Berlin 4,5 Rheinland-Pfalz 3,5<br />

Brandenburg 5,0 Saarland 4,0<br />

Bremen 4,5 Sachsen 3,5<br />

Hamburg 4,5 Sachsen-Anhalt 4,5<br />

Hessen 3,5 Schleswig-Holstein 5,0<br />

Mecklenburg-Vorpommern 3,5 Thüringen 5,0<br />

Quelle: BHW Bausparkasse<br />

STEUERN SPAREN<br />

W&M-Tipp für die PRAXIS<br />

Erleichterung für<br />

Alleinerziehende<br />

Alleinerziehende sind auf Kinderbetreuungsplätze<br />

und finanzielle<br />

Unterstützung angewiesen. Nun<br />

gibt es Erleichterungen.<br />

Dies geschieht durch eine verbesserte<br />

steuerliche Absetzbarkeit der<br />

Kinderbetreuungskosten. »Mit dem<br />

so genannten Gesetz zur Steuervereinfachung<br />

2011 soll die Abwicklung<br />

der steuerlichen Absetzbarkeit<br />

deutlich erleichtert werden«, erklärt<br />

Rechtsanwältin Beate Wernitznig,<br />

Autorin des Ratgebers »Alleinerziehend«<br />

(siehe W&M-Tipp).<br />

Danach gilt nun seit Jahresbeginn:<br />

Die Eltern müssen nicht mehr nachweisen,<br />

ob und in welchem Umfang<br />

sie erwerbstätig sind, sondern<br />

haben generell einen Anspruch auf<br />

die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten<br />

– und zwar bis zu deren<br />

14. Lebensjahr.<br />

Absetzbar sind die Kosten der Betreuung<br />

im Rahmen der Höchstbeträge<br />

für Sonderausgaben. Konkret<br />

sind dies zwei Drittel der Aufwendungen,<br />

jedoch höchstens 4.000<br />

Euro pro Kind. »Diese Regelung begünstigt<br />

alle Eltern, ist aber besonders<br />

für Alleinerziehende interessant,<br />

da sie nicht nur den hälftigen<br />

Betrag in Anspruch nehmen können,<br />

sondern den vollen«, betont<br />

Fachautorin Wernitznig.<br />

Eine weitere Entlastung für Eltern<br />

bildet auch der Verzicht auf den<br />

Nachweis, dass die Einkünfte und<br />

Bezüge des Kindes unterhalb eines<br />

Betrages von 8.004 Euro im Jahr<br />

liegen, um den Anspruch auf Kindergeld<br />

und Kinderfreibetrag zu erhalten.<br />

Seit Januar entfällt die Einkommensprüfung<br />

bei volljährigen<br />

Kindern bis zum Abschluss der ersten<br />

Berufsausbildung, maximal bis<br />

zum 25. Lebensjahr.<br />

Alleinerziehende können zusätzlich<br />

einen so genannten Entlastungsbeitrag<br />

von 1.308 Euro jährlich<br />

steuerlich geltend machen. Er ist<br />

bereits in die Lohnsteuertabelle<br />

der Steuerklasse II eingearbeitet,<br />

die für Alleinerziehende gilt.<br />

W&M-TIPP<br />

Neben steuerlichen Tipps erläutert<br />

Beate Wernitznig in ihrem Ratgeber<br />

auch zahlreiche Fragestellungen,<br />

die sich für alleinerziehende Elternteile<br />

im Alltag ergeben – etwa am<br />

Arbeitsplatz oder im Sorgerecht.<br />

Beck kompakt Ratgeber,<br />

Beate Wernitznig: Alleinerziehend,<br />

Verlag C.H.Beck,<br />

126 Seiten, 6,80 Euro,<br />

ISBN: 978-3-406-62590-9<br />

46 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


W&M-SERVICE<br />

DATENSCHUTZ<br />

Lebenslange<br />

Steuernummer<br />

Die Zuteilung der Identifikationsnummer<br />

und die<br />

da<strong>mit</strong> erfolgte Datenspeicherung<br />

ist rechtens.<br />

Die darin liegenden Eingriffe<br />

in das Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung sind<br />

durch überwiegende Interessen<br />

des Gemeinwohls gerechtfertigt,<br />

so der BFH (Az. II R<br />

49/10). Anders als die bisherigen<br />

Steuernummern sind die<br />

Identifikationsnummern<br />

dauerhaft und bundeseinheitlich<br />

zugeteilt. Sie ermöglichen<br />

so die eindeutige Identifizierung<br />

des Steuerbürgers im<br />

Besteuerungsverfahren. So ist<br />

dem gleichmäßigen Vollzug<br />

der Steuergesetze gedient.<br />

Zudem werde Bürokratie bei<br />

der Steuerverwaltung und in<br />

Unternehmen abgebaut.<br />

Aufgrund der Identifikationsnummer<br />

kann auch die Erfassung<br />

der Alterseinkünfte<br />

bei der Einkommensteuer<br />

leichter und effektiver geprüft<br />

werden.<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

Keine Ruhe an der Steuerfront<br />

PRIVAT<br />

ARBEITSZIMMER<br />

Richter zieht<br />

vor Gericht<br />

Für Richter und Professoren<br />

findet ihre Tätigkeit nicht<br />

überwiegend im häuslichen<br />

Arbeitszimmer statt.<br />

In zwei Urteilen hat der BFH<br />

erstmals zur Neuregelung der<br />

Abzugsbeschränkung bei häuslichen<br />

Arbeitszimmern entschieden.<br />

Für Hochschullehrer<br />

(Az. VI R 71/10) und Richter<br />

(Az.VI R 13/11) bildet demnach<br />

das Arbeitszimmer nicht den<br />

Mittelpunkt der gesamten beruflichen<br />

Betätigung. Nach aktueller<br />

Rechtsprechung können<br />

die Aufwendungen für ein<br />

häusliches Arbeitszimmer abgezogen<br />

werden, wenn entweder<br />

ein anderer Arbeitsplatz<br />

nicht zur Verfügung steht oder<br />

wenn das Arbeitszimmer den<br />

Mittelpunkt der gesamten beruflichen<br />

Betätigung bildet.<br />

Für den Beruf des Hochschullehrers<br />

ist die die Vorlesung<br />

in der Universität und für<br />

den Richter die Ausübung der<br />

rechtsprechenden Tätigkeit<br />

im Gericht prägend.<br />

ADOPTION<br />

Kosten bleiben<br />

außen vor<br />

Von KARL-HEINZ BADURA<br />

Wirtschaftsjournalist und Finanzrichter,<br />

Nörvenich<br />

Adoptionskosten können<br />

nicht als außergewöhnliche<br />

Belastungen von der Steuer<br />

abgesetzt werden.<br />

Das entschied das Finanzgericht<br />

Baden-Württemberg<br />

(Az. 6 K 1880/10). Die Kläger hatten<br />

wegen einer primären Sterilität<br />

keine leiblichen Kinder<br />

zeugen können. Eine künstliche<br />

Befruchtung hatten sie aus<br />

ethischen und gesundheitlichen<br />

Gründen abgelehnt. Da<br />

die Kosten für eine künstliche<br />

Befruchtung steuerlich absetzbar<br />

sind, müsse das auch für<br />

die Aufwendungen gelten, die<br />

im Rahmen einer Adoption entstünden.<br />

Im vorliegenden Fall<br />

hatte das Ehepaar 8.560 Euro<br />

als außergewöhnliche Belastung<br />

beim Finanzamt angegeben.<br />

Das Gericht befand,<br />

Adoptionskosten seien nicht<br />

zwangsläufig und es läge im<br />

Gegensatz zur künstlichen<br />

Befruchtung auch keine auf<br />

den Betroffenen abgestimmte<br />

Heilbehandlung vor.<br />

Bei seinem Besuch zum 20. Jahrestag der<br />

Finanzgerichtsbarkeit in Mecklenburg-Vorpommern<br />

gab sich der neue Präsident des Bundesfinanzhofs,<br />

Prof. Dr. h. c. Rudolf Mellinghoff,<br />

zwar zuversichtlich hinsichtlich der geglückten<br />

Entwicklung des Finanzgerichtswesens in den<br />

neuen Ländern. Gleichzeitig verwies er jedoch<br />

darauf, dass in Kürze <strong>mit</strong> einer Flut von Verfahren<br />

zu rechnen sei, die die Besteuerung von<br />

Rentnern betrifft, die im Ausland leben und<br />

eine deutsche Rente beziehen. Es komme gegebenenfalls<br />

zu erheblichen Steuernachzahlungen.<br />

Grund: Durch die dauerhafte Verlagerung<br />

ihres Wohnsitzes ins Ausland gelten sie als<br />

beschränkt steuerpflichtige Personen, für die<br />

verschiedene Steuervergünstigungen entfallen.<br />

Zuständig dafür ist zentral das Finanzamt Neubrandenburg.<br />

Mit verschärften Kontrollen werden<br />

auch in Zukunft bestimmte Berufsgruppen<br />

rechnen müssen: Nach dem neuen Entwurf des<br />

so genannten Geldwäschegesetzes hat die<br />

Finanzverwaltung Defizite in Bezug auf die Beaufsichtigung<br />

bestimmter Unternehmen ausgemacht,<br />

z. B. Immobilienmakler, Versicherungsver<strong>mit</strong>tler,<br />

Juweliere, Finanzunternehmen,<br />

Spielbanken sowie Personen, die gewerblich<br />

<strong>mit</strong> Gütern handeln. Sie werden nach der Verabschiedung<br />

der Neuregelung verstärkten Meldeund<br />

Identifizierungsvorschriften unterliegen.<br />

Allerdings hat der Gesetzgeber die ursprünglich<br />

geplante Bestellung so genannter Geldwäschebeauftragter<br />

– das wären in der Regel die Angehörigen<br />

der steuerberatenden Berufe gewesen<br />

– verworfen.<br />

➔Steuern KOMPAKT<br />

FREIBERUFLER<br />

<strong>Nur</strong> eine Betriebsstätte<br />

Das Finanzgericht Baden-Württemberg<br />

hat im Fall eines freiberuflichen<br />

Dozenten die steuerliche Abzugsfähigkeit<br />

von Fahrtkosten erhöht.<br />

Der Kläger war selbständiger Personalberater<br />

und als Dozent an Hochschulen<br />

tätig. Seine Fahrten vom<br />

Büro im eigenen Haus zu den Hochschulen<br />

wertete das Finanzamt als<br />

Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte<br />

und da<strong>mit</strong> nicht als unbeschränkt<br />

abzugsfähig. Das Finanzgericht<br />

(Az. 3 K 1849/09) ließ aber<br />

die Kosten als Reisekosten und<br />

da<strong>mit</strong> als unbegrenzt abzugsfähig zu.<br />

Ein Selbständiger kann nur eine Betriebsstätte<br />

haben, so die Richter.<br />

Diese ist ein Ort, an dem sich der<br />

ortsgebundene Mittelpunkt der<br />

betrieblichen Tätigkeit eines<br />

Gewerbetreibenden, Selbständigen<br />

oder eines Landwirts befinde.<br />

DISKOTHEKEN<br />

Betreiber haftet<br />

Der Steuerabzug bei ausländischen<br />

Künstlern, die in einer Diskothek in<br />

Deutschland auftreten, verstößt<br />

nicht gegen EU-Recht.<br />

Das hat das Finanzgericht Düsseldorf<br />

(Az. 11 K 1171/09 H) entschieden.<br />

Die deutsche Finanzverwaltung muss<br />

sich nicht darauf verweisen lassen,<br />

ihre Steuerforderung im Wege der<br />

zwischenstaatlichen Amtshilfe nach<br />

der EG-Beitreibungsrichtlinie zu<br />

realisieren, teilt das Düsseldorfer<br />

Finanzgericht <strong>mit</strong>. Sie könne den<br />

Betreiber der Diskothek, der den<br />

Steuerabzug nicht vorgenommen<br />

hat, in Haftung nehmen.<br />

GEBÄUDE<br />

<strong>Nur</strong> auf dem Boden<br />

Eine auf dem Wasser schwimmende<br />

Anlage stellt bewertungsrechtlich<br />

kein Gebäude dar, urteilten die<br />

Richter des Bundesfinanzhofs.<br />

In dem Fall (Az. 2011 II R 27/10)<br />

ging es um ein Event- und Konferenzzentrum,<br />

das auf einem Kanal im<br />

Gebiet des Hamburger Hafens liegt<br />

und aus drei Schwimmkörpern und<br />

einem Pfahlbau besteht. Das Finanzamt<br />

wollte neben dem Pfahlbau auch<br />

die Schwimmkörper als Gebäude<br />

behandeln und hierfür einen Einheitswert<br />

feststellen. Der BFH verneinte:<br />

Bewertungsrechtlich liegt ein Gebäude<br />

nur dann vor, wenn es <strong>mit</strong><br />

dem Boden fest verbunden und<br />

standfest ist. Schwimmkörpern fehlen<br />

diese Eigenschaften, daher unterliegen<br />

sie nicht der Grundsteuer.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 47


W&M-SERVICE<br />

DAS<br />

THEMA<br />

INTERVIEW<br />

Fotos: Archiv<br />

PFLEGEZEIT<br />

Unternehmen<br />

in Vorleistung<br />

Das neue Gesetz zur Familienpflegezeit<br />

soll helfen,<br />

Beruf und Pflege besser<br />

vereinbaren zu können.<br />

Das Gesetz sieht vor, dass Beschäftigte<br />

ihre Arbeitszeit bis<br />

zu zwei Jahre lang, abhängig<br />

vom Beschäftigungsverhältnis,<br />

um 50 Prozent auf mindestens<br />

15 Wochenstunden reduzieren<br />

können – bei 75 Prozent des<br />

ursprünglichen Gehalts.<br />

Anschließend arbeiten die<br />

Pflegezeitler für den gleichen<br />

Zeitraum wieder zu 100 Prozent<br />

bei weiterhin 75 Prozent<br />

Entgelt.<br />

Die Unternehmen müssen also<br />

in der Pflegezeit 25 Prozent<br />

mehr Gehalt zahlen als geleistet<br />

wird. Um die Unternehmen<br />

zu entlasten, gibt es von der<br />

Staatsbank KfW ein zinsloses<br />

Darlehen. Die Rückzahlung<br />

beginnt nach Ende der Pflegezeit.<br />

Beschäftigte haben<br />

keinen Rechtsanspruch auf die<br />

Familienpflegezeit. Währenddessen<br />

und im Anschluss gilt<br />

aber ein besonderer Kündigungsschutz.<br />

Um sich gegen Berufsunfähigkeit<br />

oder Tod abzusichern,<br />

muss der Mitarbeiter eine Versicherung<br />

abschließen.<br />

Außerdem springt in vielen<br />

Fällen das Bundesamt für Familie<br />

und zivilgesellschaftliche<br />

Aufgaben ein, wenn der<br />

Beschäftigte die Versicherungsprämie<br />

nicht zahlt oder Ausgleichsansprüche<br />

nicht erfüllt.<br />

Laut einer Studie der Steinbeis-<br />

Hochschule Berlin summieren<br />

sich die volkswirtschaftlichen<br />

Folgekosten einer mangelnden<br />

Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Pflege auf 19 Milliarden Euro<br />

im Jahr. Durch Gegenmaßnahmen<br />

ließen sich hingegen<br />

rund 14.000 Euro pro Mitarbeiter<br />

in Pflegezeit sparen.<br />

www.familien-pflege-zeit.de<br />

www.kfw.de<br />

(Suchwort »pflegezeit«)<br />

www.bmfsfj.de<br />

BIOTECH<br />

Schlankes<br />

Wachstum<br />

Biotechnologie-Unternehmen<br />

starten laut Branchenverband<br />

BIO optimistisch<br />

ins Jahr 2012.<br />

Laut Stimmungsbarometer<br />

von BIO Deutschland gehen<br />

die Biotech-Firmen auch im<br />

laufenden Jahr von weiterem<br />

Wachstum aus. Zwar seien die<br />

Erwartungen etwas gedämpfter<br />

als im Vorjahr, in der Branche<br />

herrsche jedoch weiter<br />

Optimismus.<br />

Das führt Verbandschef Peter<br />

Heinrich darauf zurück,<br />

dass sich die Firmen ziemlich<br />

gut an die Finanzknappheit<br />

angepasst hätten und dennoch<br />

weiter neue Produkte<br />

entwickelten. Auch die zunehmende<br />

Profitabilität mache<br />

die Biotechnologie-Branche<br />

krisenfest.<br />

Einen »Kauf« wert ist den<br />

Experten von Warburg Research<br />

die Aktie von 4 SC aus<br />

dem Prime Standard (WKN<br />

575 381). Das Unternehmen<br />

soll laut Warburg einen wichtigen<br />

Meilenstein bei der Entwicklung<br />

eines Krebsmedikaments<br />

erreicht haben.<br />

AKTIENMARKT<br />

ENERGIE<br />

Windkraft<br />

macht Dampf<br />

Die erneuerbaren Energien<br />

als Nummer zwei<br />

im deutschen Strommix<br />

sollen weiter wachsen.<br />

Nach einer Prognose des Beratungshauses<br />

Frost & Sullivan<br />

kann die europäische Windenergiebranche<br />

weiter <strong>mit</strong><br />

Wachstum rechnen.<br />

Die erneuerbaren Energien<br />

machen laut Bundesverband<br />

der Energie- und Wasserwirtschaft<br />

bereits rund 20 Prozent<br />

im deutschen Strommix aus –<br />

die Windkraft liegt dabei <strong>mit</strong><br />

7,6 Prozent an der Spitze. Ihr<br />

Anteil hatte sich 2011 noch<br />

gesteigert. Besonders wachstumsträchtig<br />

seien die Märkte<br />

in Mittel- und Osteuropa für<br />

die Energiegewinnung an<br />

Land sowie der Offshore-<br />

Markt, schätzen die Experten<br />

von Frost & Sullivan. Ein klarer<br />

»Kauf« ist für die Analysten<br />

von Close Brothers Seydler<br />

Research der ÖkoDax-Wert<br />

PNE Wind (WKN A0J BPG),<br />

ein international tätiger<br />

Projektierer für On- und Offshore-Windkraftanlagen<br />

und<br />

Stromproduzent.<br />

DAX BÖRSENSTARS<br />

+<br />

WKN 659990 Merck + 27,37%<br />

WKN A1EWWW Adidas + 27,15%<br />

WKN 519000 BMW + 24,47%<br />

WKN 766403 Volkswagen + 24,36%<br />

WKN 578560 Fresenius + 23,28%<br />

Merck: Der Pharma-Riese hat Kosten gespart und seinen Nachschub bei neuen Medikamenten<br />

<strong>mit</strong> dem Kauf eines vielversprechenden neuen Krebswirkstoffs aufgestockt.<br />

Kurs-Performance 1 Jahr; Schluss: 06.02.2012<br />

DAX BÖRSENFLOPS<br />

–<br />

WKN 803200 Commerzbank - 59,01%<br />

WKN 725750 Metro - 43,78%<br />

WKN 703712 RWE - 39,16%<br />

WKN KSAG88 K+S - 30,48%<br />

WKN ENAG99 E.ON - 30,22%<br />

Commerzbank: Das Bankhaus muss ein Milliardenloch im Eigenkapital stopfen, lehnt<br />

Staatshilfe aber ab. Zudem belasten die Diskussionen um das Rettungspaket für<br />

Griechenland. Kurs-Performance 1 Jahr; Schluss: 06.02.2012<br />

Quelle: W&M, ohne Gewähr<br />

JESSICA RIES<br />

von der youmex<br />

AG über Unternehmensfinanzierung<br />

via Anleihen<br />

Anleihe als Alternative<br />

W&M: Frau Ries, ein Bäcker in<br />

Hessen begibt selbst eine Anleihe –<br />

die Alternative zum Bankkredit?<br />

RIES: Emissionen in Eigenregie<br />

an eigene Kunden sind die<br />

Ausnahme. Sie sind selbst für<br />

starke Marken nur in kleinen<br />

Volumina platzierbar. Es gibt<br />

bankalternative Finanzierungen,<br />

die besser geeignet sind.<br />

W&M: Etwa börsengehandelte<br />

Anleihen?<br />

RIES: Eine Anleihe ist sinnvoll,<br />

wenn sie den Finanzierungsmix<br />

eines Unternehmens ergänzt.<br />

Mittelstandsanleihen<br />

werden jedoch kaum an private<br />

Anleger platziert, sondern<br />

zu 85 bis 95 Prozent an institutionelle<br />

Investoren. Diese<br />

brauchen für einen möglichen<br />

Ausstieg aus dem Investment<br />

einen Börsenhandel für die<br />

Zeichnung der Neuemission.<br />

W&M: Was muss der E<strong>mit</strong>tent<br />

erfüllen?<br />

RIES: Er muss sich bewerten<br />

lassen. Transparenz, Authentizität<br />

sowie eine lückenlose<br />

Kommunikation spielen die<br />

größte Rolle für eine erfolgreiche<br />

Emission. Neben der<br />

Schlüssigkeit des Geschäftsmodells<br />

zählen eine plausible<br />

Mittelverwendung, Fähigkeit<br />

der Rückzahlung und ein<br />

gutes Rating. Erst ab einem<br />

Emissionsvolumen von 50 Millionen<br />

Euro wird eine Anleihe<br />

für institutionelle Investoren<br />

richtig interessant.<br />

W&M: Anleihe oder Kredit?<br />

RIES: Die Überlegung sollte<br />

nicht »entweder – oder« lauten,<br />

sondern »wie ergänzt sich<br />

was«. Bankalternative und<br />

-ergänzende Finanzierungen<br />

werden im Zuge der restriktiven<br />

Kreditvergabe der Banken<br />

immer wichtiger. Mit guten<br />

Zahlen sind Fremdkapital von<br />

institutionellen Kapitalgebern<br />

oder Eigenkapital auf Zeit<br />

(Mezzanine) gute Alternativen<br />

zur Anleihe.<br />

48 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


W&M-SERVICE<br />

GELD & ANLAGE<br />

➔<br />

Geld KOMPAKT<br />

ROBECO<br />

Erfolgreiche<br />

US-MidCaps<br />

Die Investmentgesellschaft<br />

Robeco bietet einen Fonds,<br />

der auf erfolgreiche US-amerikanische<br />

MidCaps baut.<br />

Der »US Select Opportunities<br />

Equities« investiert laut Anbieter<br />

in Aktien von US-Mittelständlern.<br />

Große Chancen<br />

sieht das Management im<br />

Technologie-, Konsumgüterund<br />

Gesundheitssegment. Die<br />

US-MidCaps hätten sich gut<br />

entwickelt. Die sich erholende<br />

US-Wirtschaft lasse ein BIP-<br />

Wachstum von zwei bis drei<br />

Prozent erwarten. Die MidCaps<br />

wachsen, weil sie nicht <strong>mit</strong><br />

übersättigten Märkten kämpfen<br />

müssten. Zudem seien die<br />

Aktien wegen der düsteren<br />

Wirtschaftslage zurzeit<br />

günstig. Bei der Auswahl der<br />

Titel werden neben traditionellen<br />

Faktoren auch kurzfristige<br />

Entwicklungsperspektiven<br />

und langfristige Fundamentaldaten<br />

berücksichtigt.<br />

WKN: A1JKVL<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

BVI<br />

Geldsteuer<br />

trifft Vorsorger<br />

Der Privatanleger ist kein Herdentier<br />

Viele Publikumsfonds sind <strong>mit</strong>tlerweile so konzipiert,<br />

dass es kaum noch Abweichungen zum<br />

Vergleichsindex, der sogenannten Benchmark,<br />

gibt. Das gilt für Ausschläge nach oben wie<br />

nach unten. Die Zahl der »Wetten«, die der<br />

Fondsmanager eingeht, um eine bessere Performance<br />

als seine Benchmark zu erzielen,<br />

sinkt dabei stetig. Vielen Privat- und Kleinanlegern<br />

gefällt das gar nicht. Dazu passt die jüngste<br />

Statistik des Bundesverbandes Investment<br />

und Asset Management e.V. wie die Faust aufs<br />

Auge: Demnach zogen alleine im November<br />

2011 Privatinvestoren 5,2 Milliarden Euro aus<br />

Publikumsfonds ab. Alleine das turbulente<br />

zweite Börsenhalbjahr 2011 für diese Entwicklung<br />

verantwortlich zu machen, reicht als eine<br />

Begründung nicht aus. Privatanleger erwarten<br />

offensichtlich auch wieder mehr Mut von ihrem<br />

Die geplante Finanztransaktionsteuer<br />

(FIT) zielt auch<br />

auf Investmentfonds – und<br />

trifft so Vorsorge-Sparer.<br />

Deshalb kritisiert der Bundesverband<br />

Investment und Asset<br />

Management (BVI) die Einführung<br />

der FTT auf Investmentfonds.<br />

Besonders hart träfe es<br />

langfristige Sparer: Aufgrund<br />

der demografischen Entwicklung<br />

sparen immer mehr Menschen<br />

privat für das Alter. Bei<br />

Riester-Fonds und wertsicherungsorientierten<br />

Anlagestrategien<br />

sei die Steuer besonders<br />

kontraproduktiv. Aber auch<br />

Unternehmen und Investoren<br />

<strong>mit</strong> Sitz in Deutschland seien<br />

betroffen. Der BVI zweifelt an<br />

der gewünschten Wirkung der<br />

FTT und fürchtet lediglich eine<br />

Verteuerung für den Endkunden.<br />

Denn Steuern würden sowohl<br />

bei Transaktionen innerhalb<br />

des Fonds als auch bei<br />

Käufen und Verkäufen von<br />

Fondsanteilen fällig.<br />

Von GERD RÜCKEL,<br />

CEFA-Wertpapieranalyst, Frankfurt/M.<br />

DEKA<br />

Mischfonds für<br />

Deutschland<br />

Einen flexiblen Mischfonds<br />

für Deutschland <strong>mit</strong> einer<br />

Balance aus Chance und<br />

Stabilität bietet die Deka.<br />

Mit dem Fonds »Deka-Deutschland<br />

Balance« profitiere der<br />

Anleger laut Anbieterangaben<br />

von einem ausgewogenen<br />

Konzept aus aussichtsreichen<br />

deutschen Aktien und Bundesanleihen.<br />

Der Fonds verfolge<br />

eine konservative Strategie:<br />

Das Portfolio bestehe zu<br />

15 Prozent aus Aktien und zu<br />

85 Prozent aus Anleihen. Der<br />

Aktienanteil könne jedoch<br />

auch ausgeweitet, der Anleihenanteil<br />

reduziert werden.<br />

Gegebenenfalls sei auch eine<br />

Anlage in Termingelder möglich.<br />

Die optimalste Gewichtung<br />

werde wöchentlich<br />

er<strong>mit</strong>telt. Das Fondsmanagement<br />

will sich in der größten<br />

Volkswirtschaft Europas, am<br />

deutschen Rentenmarkt, messen<br />

lassen.<br />

WKN: DK2CFB<br />

Fondsmanager. Das Anlageverhalten vieler<br />

Privatinvestoren ist nicht so klischeebehaftet<br />

wie weitläufig angenommen. Das zeigt auch<br />

eine Auswertung von rund fünf Millionen Wertpapierdepots<br />

privater Anleger <strong>mit</strong> mehr als<br />

einer Million Transaktionen durch die Transaktionsbank<br />

Deutsche Wertpapierservice (DWP).<br />

Ein Hang zum Herdentrieb war dabei nicht zu<br />

erkennen. Trotz schwerer Börsenzeiten wurden<br />

mehr Aktien gekauft als verkauft, angesagt war<br />

antizyklisches Handeln. Um aber <strong>mit</strong> Einzelengagements<br />

eine gute Streuung im Portfolio<br />

zu erreichen, bedarf es einer »kritischen Masse«.<br />

Viele Kleinanleger verfügen nur über<br />

begrenzte Geld<strong>mit</strong>tel, deren Anlage am Aktienmarkt<br />

ohne das Vehikel Aktienfonds kaum<br />

lohnend ist. Hier steckt ein riesiges Potenzial<br />

für die Fondsbranche. Sie ist nun gefordert.<br />

FINANZKRISE<br />

Keine Sorgen<br />

Die Deutschen blicken trotz<br />

Finanzkrise <strong>mit</strong> großer Zuversicht<br />

ins neue Jahr, so der Finanzdienstleister<br />

AWD.<br />

Rund 71 Prozent der Bundesbürger<br />

erwarten genausoviel oder mehr<br />

Geld als im Vorjahr im Portemonnaie,<br />

wie eine Umfrage von Forsa<br />

im Auftrag des Finanzdienstleisters<br />

AWD herausfand.<br />

Zudem hält der Spar-Trend an: Insgesamt<br />

78 Prozent der Befragten<br />

möchte mindestens genauso viel<br />

sparen wie in 2011. Auf Platz eins<br />

der Sparziele der Deutschen: die<br />

Energiekosten. Es folgen Restaurantbesuche<br />

und Lebens<strong>mit</strong>tel. <strong>Nur</strong><br />

sechs Prozent wollen bei der Altersvorsorge<br />

Abstriche machen.<br />

BANKEN<br />

Im Netzwerk<br />

Drei von fünf Banken wollen bis<br />

2014 in einen Auftritt bei Facebook<br />

& Co. investieren, meldet<br />

Steria Mummert Consulting.<br />

Laut einer Studie von Steria Mummert<br />

Consulting und dem F.A.Z.-<br />

Institut wollen 40 Prozent der<br />

Banken in absehbarer Zeit ein<br />

Social-Media-Projekt auf Plattformen<br />

wie Xing, Facebook,<br />

Twitter oder Youtube starten.<br />

Ganz vorne dabei: Die Sparkassen.<br />

Etwa 69 Prozent von ihnen setzen<br />

schon kurzfristig Projekte um.<br />

Die Banken zielen vor allem auf<br />

die jüngeren Kunden, für die<br />

Social Media ein immer gängigerer<br />

Informationskanal sind.<br />

ZAHLUNGSVERKEHR<br />

Geld-Gehirntraining<br />

Fast die Hälfte der Deutschen<br />

fürchtet nach einer aktuellen<br />

Umfrage Nachteile durch die<br />

geplante 22-stellige IBAN.<br />

Die neue Kontonummer ist nach<br />

aktuellem Stand der Planungen ab<br />

2014 Pflicht. Laut einer Umfrage<br />

der Beratungsgesellschaft Faktenkontor<br />

und dem Marktforscher<br />

Toluna glauben 46 Prozent der<br />

Befragten, dass <strong>mit</strong> der Umstellung<br />

die Bankgeschäfte komplizierter<br />

werden.<br />

38 Prozent würden lieber ihre<br />

alte – und viel kürzere – Kontonummer<br />

behalten. Die IBAN soll<br />

den Zahlungsverkehr innerhalb der<br />

EU vereinfachen. Überweisungsgebühren<br />

fallen da<strong>mit</strong> weg.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12<br />

49


W&M-SERVICE<br />

Fotos: BHW, BRAMAC, privat<br />

DAS THEMA<br />

PFUSCH AM BAU<br />

Rechtsstreit<br />

wird meist teuer<br />

Baurechtsstreitigkeiten<br />

bergen ein nicht unerhebliches<br />

Risiko und verursachen<br />

beträchtliche Kosten.<br />

Das ist das Fazit der Auswertung<br />

von 1.800 baurechtlichen Mandaten,<br />

die bundesweit von Vertrauensanwälten<br />

des Bauherrenschutzbundes<br />

e. V. (BSB) betreut<br />

wurden. Wie die aktuelle Analyse<br />

offenbarte, beruhen mehr<br />

als die Hälfte der gerichtlichen<br />

Streitigkeiten auf Konflikten<br />

<strong>mit</strong> Bauträgern, Generalunternehmern<br />

oder Generalübernehmern.<br />

Architekten sind <strong>mit</strong><br />

14 Prozent, Einzelgewerke <strong>mit</strong><br />

17 Prozent, Sonderfachleute <strong>mit</strong><br />

fast neun Prozent und Versicherungen<br />

<strong>mit</strong> sieben Prozent beteiligt.<br />

Dabei geht es <strong>mit</strong> einem<br />

durchschnittlichen Streitwert<br />

von 42.000 Euro um hohe Beträge.<br />

Die überwiegende Mehrzahl<br />

der Rechtsfälle liegt im Streitwert<br />

über 5.000 Euro. Häufigste<br />

Konfliktquellen für gerichtliche<br />

Auseinandersetzungen sind<br />

Baumängel – zu 19 Prozent vor<br />

der Abnahme und zu 40 Prozent<br />

danach. Vertragsverstöße und<br />

Schadenersatzforderungen sind<br />

zu 14 Prozent Ursache und Leistungsverweigerungen<br />

zu 11,3<br />

Prozent. Streitfälle wegen Firmeninsolvenzen<br />

machen 8,5<br />

Prozent aus. Kosten ergeben sich<br />

auch aus der Arbeit von Sachverständigen,<br />

Gerichten und<br />

Anwälten. So summieren sich<br />

die Gutachterkosten auf durchschnittlich<br />

rund 3.000 Euro. Die<br />

Kosten gerichtlicher Verfahren<br />

betragen im Durchschnitt 8.000<br />

Euro. Die Kosten selbstständiger<br />

Beweisverfahren – die anteilig<br />

39 Prozent ausmachen – belaufen<br />

sich durchschnittlich auf<br />

7.000 Euro. Die Kosten außergerichtlicher<br />

Verfahren schlagen<br />

im Schnitt <strong>mit</strong> fast 4.000 Euro<br />

zu Buche. Nahezu 60 Prozent<br />

der Rechtsfälle mussten <strong>mit</strong><br />

außergerichtlichen und gerichtlichen<br />

Sachverständigengutachten<br />

untermauert werden.<br />

MEHRKOSTEN<br />

Umlage bedarf<br />

Zustimmung<br />

Bauunternehmen dürfen<br />

Mehrkosten nicht ohne<br />

Einverständnis des<br />

Bauherrn geltend machen.<br />

Mitunter treten während laufender<br />

Arbeiten Probleme auf,<br />

die teure alternative Lösungen<br />

erfordern. So erging es<br />

umlängst auch einer Baufirma,<br />

die eine Dichtwand errichten<br />

sollte. Auf Grund der<br />

Bodenbeschaffenheit, die so<br />

nicht in den Planungen dokumentiert<br />

war, hätte man anders<br />

vorgehen müssen, so das<br />

Argument der Firma.<br />

Im Ergebnis entstanden<br />

hohe Mehrkosten. Wer dafür<br />

aufkommen müsste, darüber<br />

stritten Bauherr und Baufirma.<br />

Das Oberlandesgericht<br />

Düsseldorf (Az. I-23 U 47/08)<br />

verdonnerte die Baufirma<br />

schließlich zur Kostenübernahme.<br />

Nach Informationen<br />

des Infodienstes Recht und<br />

Steuern der LBS war für das<br />

Urteil ausschlaggebend, dass<br />

die Firma keine rechtsgeschäftliche<br />

Erklärung des<br />

Bauherrn vorweisen konnte,<br />

wonach dieser <strong>mit</strong> den zusätzlichen<br />

Arbeiten und da<strong>mit</strong><br />

<strong>mit</strong> den Kosten einverstanden<br />

gewesen sei.<br />

GEWERBE<br />

BAURECHTSSTREIT<br />

BERATER<br />

Finanzierung<br />

vom Ver<strong>mit</strong>tler<br />

Die Baufinanzierung muss<br />

nicht von der Bank kommen.<br />

Unabhängige Berater<br />

erobern Marktanteile.<br />

In den vergangenen Jahren<br />

haben Banken und Sparkassen<br />

im Baufinanzierungsgeschäft<br />

immer mehr Boden<br />

eingebüßt.<br />

Gewonnen haben vor allem<br />

Direktbanken, Discountund<br />

Internetbroker. Sie bündeln<br />

die Einkaufsmacht der<br />

Nachfrager und haben Produkte<br />

von gleich mehreren<br />

Banken und Bausparkassen<br />

im Angebot.<br />

Das führt zu günstigen<br />

Konditionen. Weil Baufinanzierung<br />

ein beratungsintensives<br />

Geschäft ist, arbeiten die<br />

Finanzdienstleister <strong>mit</strong> Ver<strong>mit</strong>tlern<br />

zusammen, die die<br />

Kreditnehmer beraten und<br />

betreuen.<br />

Die Vorteile für die Kunden<br />

bestehen in der individuellen<br />

Beratung und in möglicherweise<br />

günstigen Konditionen<br />

sowie darin, dass die Ver<strong>mit</strong>tler<br />

nicht nur auf die standardisierten<br />

Produkte einer<br />

Bank, sondern auf eine Vielzahl<br />

von Produkten zugreifen<br />

können.<br />

Teuer und voller Risiken<br />

Kosten bei einem durchschnittlichen Streitwert von 42.000 Euro.<br />

(Auswertung von 1.800 baurechtlichen Mandaten)<br />

Kosten im gerichtlichen Verfahren<br />

(Anwalts- und Gerichtskosten)<br />

Selbständiges Beweisverfahren<br />

Kosten im außergerichtlichen Verfahren<br />

Gutachterkosten<br />

Quelle: Bauherrenschutzbund e. V.<br />

8.000 Euro<br />

7.000 Euro<br />

4.000 Euro<br />

3.000 Euro<br />

UP<br />

W&M-Markttrend<br />

➔<br />

Up: Umbauanreize<br />

Der Staat hat die Anreize<br />

für die energetische Sanierung<br />

und den altersgerechten<br />

Umbau von Mietwohnungen<br />

verbessert. Werden die Arbeiten<br />

innerhalb von drei Monaten abgeschlossen,<br />

dürfen Mieter auch dann<br />

die Miete nicht mehr kürzen, wenn<br />

der Wohnwert während der Umbaumaßnahmen<br />

eingeschränkt ist. Seit<br />

Januar gibt es zudem von der KfW<br />

wieder zinsgünstige Kredite.<br />

➔<br />

&<br />

DOWN<br />

Down: Zinsbindung<br />

Deutsche Immobilienfinanzierer<br />

haben kaum<br />

Interesse an Darlehen<br />

<strong>mit</strong> variablen Zinsen. Das geht aus<br />

dem jüngsten Trendindikator Baufinanzierung<br />

des Finanzdienstleisters<br />

Dr. Klein hervor. Auch der Anteil von<br />

Forward-Darlehen sei zum Jahresende<br />

2011 um etwa 17,5 Prozent<br />

zurückgegangen.<br />

IMMOBILIENTIPP<br />

LED-Lampen fürs Heim<br />

Lichtdioden halten zusehends<br />

Einzug in die Vorgärten, schaffen<br />

Atmosphäre und Sicherheit und<br />

senken die Kosten.<br />

Mit bis zu 50.000 Stunden Lebensdauer<br />

sind LED-Leuchten nachhaltig<br />

aktiv und für den Außeneinsatz ideal<br />

geeignet, rät die Bausparkasse BHW.<br />

Sehr beliebt sind am Boden montierte<br />

Spotlights. Leuchtdioden verbrau-<br />

LICHT INS DUNKEL <strong>mit</strong> LED.<br />

chen bis zu 90 Prozent weniger Strom<br />

als Glühbirnen. Zeitschaltuhren oder<br />

Bewegungsmelder senken den Energiebedarf<br />

zusätzlich. LED-Lampen <strong>mit</strong><br />

hoher Lebensdauer kosten zirka 40<br />

Euro. Wenn 2012 die Glühbirnen endgültig<br />

vom Markt verschwinden, werden<br />

die Preise für LEDs weiter sinken,<br />

vermutet der Fachverband für Elektroleuchten<br />

und elektrische Lampen.<br />

50 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


W&M-SERVICE<br />

MIETEN<br />

Im Osten<br />

bleibt es billig<br />

Geringer als erwartet<br />

sind im vergangenen Jahr<br />

die Bestandsmieten in<br />

Deutschland gestiegen.<br />

Dies geht aus dem F+B-Mietspiegelindex<br />

2011 hervor. Die<br />

durchschnittliche Miete stieg<br />

2011 um lediglich ein Prozent.<br />

Weiterhin führt München<br />

den Mietspiegelindex an. Mit<br />

einer durchschnittlichen<br />

Nettokaltmiete von 9,58 Euro<br />

pro Quadratmeter müssen<br />

Mieter dort 59 Prozent mehr<br />

für ihre Wohnung bezahlen<br />

als im Bundesdurchschnitt.<br />

Auf Rang 24 des F+B-Mietspiegelindex<br />

ist die einzige in<br />

den Top 50 vertretene ostdeutsche<br />

Stadt platziert: Jena liegt<br />

<strong>mit</strong> 6,89 Euro pro Quadratmeter<br />

als einzige Stadt der<br />

neuen Bundesländer deutlich<br />

über dem Bundesdurchschnitt<br />

von 6,04 Euro pro Quadratmeter.<br />

Weit darunter liegen<br />

die meisten anderen ostdeutschen<br />

Städte.<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

PRIVAT<br />

BAUSPAREN<br />

Beliebter in<br />

Zeiten der Krise<br />

Für die deutschen Bausparkassen<br />

war 2011 ein sehr<br />

gutes Jahr. Sachanlagen sind<br />

in unsicheren Tagen gefragt.<br />

Das steigende Interesse an<br />

Sachwerten und die Furcht vor<br />

der Geldentwertung lässt viele<br />

Verbraucher zu Bausparfinanzierungen<br />

greifen. Allein der<br />

Marktführer, die Bausparkasse<br />

Schwäbisch Hall, konnte das<br />

Neugeschäft um gut zehn<br />

Prozent steigern. Die gesamte<br />

Branche rechnet <strong>mit</strong> einer<br />

Steigerung des Finanzierungsgeschäfts.<br />

Bauspardarlehen<br />

und Sofortfinanzierungen von<br />

den Bausparkassen stehen vor<br />

allem wegen der langfristig<br />

stabilen und niedrigen Zinsen<br />

bei den Immobilienerwerbern<br />

hoch im Kurs. Auch 2012 erwarten<br />

die Bausparkassen ein<br />

gutes Jahr. Zwar seien im Moment<br />

die Kapitalmarktzinsen<br />

noch niedrig, für Ende 2012<br />

rechnen die Bausparkassen<br />

jedoch <strong>mit</strong> einem Anstieg.<br />

IMMOBILIEN<br />

Gebraucht<br />

und günstig<br />

Attraktive Kaufpreise und<br />

niedrige Zinsen sorgen in<br />

Ostdeutschland für eine<br />

Blüte des Gebrauchtmarkts.<br />

Vor allem im den ostdeutschen<br />

Metropolen sei in den vergangenen<br />

zwei Jahren ein Nachfrageboom<br />

registriert worden, so<br />

die Einschätzung der LBS Immobilien<br />

GmbH in Potsdam.<br />

Zwar steigen auch die Preise,<br />

<strong>mit</strong> Ausnahme des Segments<br />

der Luxus-Eigentumswohnungen<br />

sei aber nicht <strong>mit</strong> der Bildung<br />

von Preisblasen zu rechnen.<br />

Auch in Mittel- und Kleinstädten<br />

habe die Nachfrage<br />

deutlich zugenommen, erwartet<br />

wird jedoch eine stabile<br />

Preisentwicklung <strong>mit</strong> langfristiger<br />

Perspektive. Es gebe einen<br />

Trend zum Erwerb von Wohnimmobilien<br />

deutlich vor dem<br />

Rentenalter. Das attraktive<br />

Preis-Mieten-Verhältnis locke<br />

inzwischen auch kleinere<br />

Immobilieninvestoren aus<br />

Westdeutschland an.<br />

Von HANS PFEIFER,<br />

Wirtschaftsjournalist, Berlin<br />

Immobilien KOMPAKT<br />

➔<br />

KORREKTUR<br />

Portale im Internet<br />

In Heft 01-02/12 stellten wir die<br />

Internetportale »vermietsicher. de«<br />

und »kautionsfrei.de« vor. Dabei kam<br />

es zu einer Verwechslung im Text.<br />

Irrtümlich hieß es in der Meldung,<br />

dass »kautionsfrei.de« eine Absicherung<br />

gegen Mietausfälle böte.<br />

Richtig muss es natürlich heißen,<br />

dass »vermietsicher.de« einen Schutz<br />

für Vermieter gegen Mietausfälle<br />

anbietet. kautionsfrei.de hingegen<br />

offeriert für Mieter eine Alternative<br />

zur Kautionshinterlegung in bar.<br />

WOHNTRENDS<br />

Zu früh geträumt<br />

Die Mehrheit der Deutschen<br />

wünscht bei Immobilien Energieeinsparungen<br />

und erneuerbare<br />

Energien, so eine Umfrage.<br />

Für 82 Prozent der Befragten ist ein<br />

niedriger Energieverbrauch sehr<br />

WOHNTRAUM: Erneuerbare Energien<br />

wichtig, für 68 Prozent der Einsatz<br />

von erneuerbaren Energien. Das ist<br />

das Ergebnis einer Umfrage des<br />

IMWF Institut für Management- und<br />

Wirtschaftsberatung im Auftrag der<br />

Interhyp AG über »Wohnträume<br />

der Deutschen«. Das barrierefreie<br />

Wohnen favorisieren 48 Prozent.<br />

Zum Schrotthandel gehören vier<br />

Da ist in Berlin ein Senator wegen seiner beruflichen<br />

Rolle als Beurkunder dubioser Immobiliengeschäfte<br />

nach nur zwölf Tagen aus dem<br />

Amt geschieden. Manche feiern das als Sieg<br />

des Verbraucherschutzes. Das dürfte verfrüht<br />

sein. Denn der Notar konnte so agieren, weil<br />

drei andere Beteiligte <strong>mit</strong>gemacht haben: der<br />

Immobilienver<strong>mit</strong>tler, der Verkäufer und der<br />

Käufer. Was den Ver<strong>mit</strong>tler betrifft, ist die<br />

Sache klar. Er ist allein provisionsgetrieben.<br />

Was die Verkäufer betrifft, so wissen wir aus<br />

der Berliner Szene inzwischen, dass sich sogar<br />

gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften<br />

nicht zu schade sind, <strong>mit</strong> Hilfe dubioser Ver<strong>mit</strong>tler<br />

und dank der Dienste williger Mitternachtsnotare<br />

Immobilien zu Mondpreisen zu<br />

verscherbeln. Wirklich beklagenswert ist allein<br />

die Rolle der Käufer. Und da ist Mitleid nun wirklich<br />

nicht angebracht. Hat ein Käufer, der eine<br />

große Summe unter Zeitdruck in eine Wohnung<br />

investieren will, die er nicht besichtigt hat, noch<br />

alle Tassen im Schrank? War er im Vollbesitz<br />

seiner geistigen Kräfte, als ihn der Verkäufer zu<br />

später Stunde zum Notar schleifte, der in atemberaubender<br />

Geschwindigkeit Unverständliches<br />

herunterrasselte? Wo war sein Widerspruch,<br />

als ihn der Ver<strong>mit</strong>tler auch noch einimpfte, auf<br />

die Pflichtfragen des Notars wahrheitswidrig zu<br />

antworten? Das Verhalten des Notars war<br />

standeswidrig und seine Berufung zum Senator<br />

deshalb ein Fehler. Das Verhalten von leichtsinnigen<br />

oder gierigen Käufern kann nicht anders<br />

geahndet werden als durch finanzielle<br />

Verluste. Dummheit muss bestraft werden.<br />

Einen Gebrauchtwagen kauft auch niemand<br />

nachts im Dunkeln und ohne Probefahrt.<br />

TRENNUNG<br />

Wie in der Ehe<br />

Auch bei der Trennung nichtehelicher<br />

Partner kann es<br />

zu vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen<br />

kommen.<br />

Dies ist vor allem der Fall, wenn die<br />

Partner gemeinsam ein Eigenheim<br />

gebaut haben. Nach einem Urteil<br />

des Bundesgerichtshofs (XII ZR<br />

190/08) kann man verlangen, einen<br />

Teil seiner Eigenleistungen und<br />

Bauzuschüsse vergütet zu erhalten,<br />

wenn durch sie ein dauerhafter<br />

Vermögenszuwachs beim Ex-Partner<br />

eingetreten ist.<br />

Die Wüstenrot Bausparkasse AG<br />

rät deshalb, vor dem Hausbau<br />

die gegenseitigen Ausgleichsansprüche<br />

vertraglich zu regeln.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 51


ANALYSE<br />

Fotos: WMi Sachsen-Anhalt, WMi Thüringen<br />

Förder<strong>mit</strong>tel in Mitteldeutschland<br />

Abschied von<br />

der Gießkanne<br />

Strategiewechsel bei der Wirtschaftsförderung in Sachsen-Anhalt:<br />

Statt Zuschüsse <strong>mit</strong> der Gießkanne zu verteilen, will die Landesregierung<br />

dort helfen, wo hochwertige Arbeitsplätze in Wachstumsbranchen<br />

entstehen. Auch Thüringen geht neue Wege.<br />

Mit weniger Förder<strong>mit</strong>teln die<br />

Wirtschaft in Sachsen-Anhalt in<br />

der Breite fördern – das ist der<br />

Spagat, den die Landesregierung schaffen<br />

will. Statt auf Masse soll auf Klasse gesetzt<br />

werden, so Wirtschaftsministerin<br />

Birgitta Wolff. Seit dem 1. Februar gelten<br />

neue Förderrechtlinien. Die Unterstützung<br />

wird stärker auf Forschungs- und<br />

wertschöpfungsintensive Unternehmen<br />

fokussiert, die dauerhafte und anspruchsvolle<br />

Arbeitsplätze schaffen und<br />

tarifliche Standards berücksichtigen.<br />

Die zum Teil drastischen Änderungen<br />

sind Sparzwängen geschuldet: Die EU-<br />

Förder<strong>mit</strong>tel werden gedrosselt. Statt<br />

370 Millionen Euro 2010 stehen dieses<br />

Jahr nur noch 167 Millionen Euro zur<br />

Verfügung. 2013 schrumpfe die Summe<br />

auf 130 Millionen, sagt die CDU-Ministerin.<br />

Es fehlen sowohl Fachkräfte als auch<br />

qualifizierte, gut bezahlte Jobs. In der<br />

Folge werden in Sachsen-Anhalt nur 70<br />

Euro je Einwohner an Forschungs- und<br />

Entwicklungsleistungen durch Unternehmen<br />

erwirtschaftet, während es in<br />

Thüringen immerhin 200 Euro sind.<br />

In Sachsen-Anhalt wurden seit 2000<br />

insgesamt 4.211 Investitionsvorhaben<br />

<strong>mit</strong> 3,75 Milliarden Euro zur Verbesserung<br />

der regionalen Wirtschaftsstruktur<br />

gefördert, sagt Wolff. Das gesamte Investitionsvolumen<br />

habe 15,62 Milliarden<br />

Euro betragen. Da<strong>mit</strong> seien knapp<br />

182.000 Arbeitsplätze geschaffen beziehungsweise<br />

gesichert worden. Dennoch<br />

ist jetzt ein Strategiewechsel bei der<br />

Wirtschaftsförderung erforderlich. Es<br />

braucht mehr Firmen, die Dank bester<br />

Produkte gute Löhne zahlen und Fachkräfte<br />

binden – oder herholen. Jährlich<br />

gehen etwa 30.000 Leute hier in Rente,<br />

aber nur gut 15.000 Arbeitnehmer kommen<br />

neu hinzu. Zusammen <strong>mit</strong> dem<br />

Wanderungssaldo ergibt sich eine Differenz<br />

von etwa 30.000 Personen im<br />

Jahr. Und so wird Ministerpräsident Reiner<br />

Haseloff (CDU) nicht müde zu erklären:<br />

Sachsen-Anhalt werde verstärkt<br />

um Rückkehrer werben.<br />

Viele Jahre war es die wichtigste Aufgabe,<br />

möglichst viele Firmen anzusiedeln.<br />

Jetzt heißt es: Klasse statt Masse.<br />

Bei Erweiterungsinvestitionen startet ein<br />

neues Fördersystem: Während es früher<br />

Abzüge gab, wenn Förderkriterien – die<br />

Zahl von Arbeitsplätzen oder Lehrstellen<br />

– nicht erreicht wurden, gibt es jetzt<br />

Boni für die Erfüllung der Auflagen.<br />

Dazu zählen die Errichtung des Hauptsitzes<br />

in Sachsen-Anhalt, der Nachweis<br />

eines Tarifvertrages, die Kooperation <strong>mit</strong><br />

Hochschulen und die Übernahme von<br />

mindestens der Hälfte der Auszubildenden,<br />

wenn deren Zahl fünf Prozent aller<br />

Beschäftigten der Firma übersteigt.<br />

WOLFF (CDU) UND MACHNIG (SPD) wollen<br />

Wildwuchs der Leiharbeit beschneiden.<br />

Eingeführt wird ein Basisfördersatz<br />

von bis zu 35 Prozent der Investitionssumme,<br />

der nach einem Punktesystem<br />

um bis zu 15 Prozent aufgestockt werden<br />

kann. Nicht mehr gefördert werden Erweiterungsinvestitionen,<br />

bei denen keine<br />

neuen Dauerarbeitsplätze entstehen.<br />

Insgesamt gehen die Zuschusssummen<br />

um teilweise bis zu 50 Prozent zurück.<br />

Die maximale Fördersumme liegt bei<br />

zehn Millionen Euro und nicht mehr bei<br />

40 Millionen. Keine Zuschüsse gibt es<br />

künftig, wenn ein Betrieb mehr als<br />

20 Prozent Zeitarbeiter beschäftigt, weniger<br />

als 70.000 Euro investiert – bislang<br />

waren es 25.000 Euro – oder für bestimmte<br />

Branchen, wie Recyclingfirmen oder<br />

Biogas- und Bioethanol-Produzenten.<br />

Auch der Amtskollege aus dem Nachbarland<br />

Thüringen – Wirtschaftsminister<br />

Matthias Machnig (SPD) – will <strong>mit</strong> einem<br />

bundesweit einzigartigen Modell<br />

den Missbrauch von Zeitarbeit verhindern.<br />

Der Freistaat ist nach wie vor ostdeutscher<br />

Primus in Sachen Arbeitslosigkeit.<br />

Doch das Jobwunder hat seine Kehrseite:<br />

Von den gut 14.000 neuen Stellen<br />

2009 zu 2010 entstanden fast zwei Drittel<br />

in Zeitarbeitsfirmen. Im Land bieten 416<br />

solcher Firmen ihre Dienste an. Und wer<br />

sich bei ihnen verdingt, bleibt oft Kunde<br />

der Arbeitsagentur. Denn der Leiharbeiter<br />

verdient hier fast 800 Euro weniger<br />

als eine Stammkraft. Die Fluktuation ist<br />

hoch. Auch vor diesem Hintergrund wagte<br />

Machnig den Vorstoß. Firmen, die zu<br />

viele Leiharbeiter beschäftigen, bekommen<br />

nun bestimmte Fördergelder gekappt.<br />

Bei mehr als zehn Prozent Leiharbeitern<br />

reduziert sich der Zuschuss spürbar,<br />

bei über 30 Prozent entfällt er. In<br />

Machnigs Augen wird Leiharbeit im<br />

Osten missbraucht. Der Staat dürfe »Billiglöhne<br />

nicht noch subventionieren«.<br />

Während die Zahl der indirekt Beschäftigten<br />

in den letzten zwei Jahren<br />

bundesweit um 33 Prozent stieg, sind es<br />

in Thüringen fast 50 Prozent. Mit einem<br />

Leiharbeiteranteil von 3,7 Prozent ist das<br />

Land nun auch hier unter den Flächenländern<br />

Negativ-Spitzenreiter.<br />

Wachsenden Missbrauch von Leiharbeit<br />

stellt auch Thüringens DGB-Chef<br />

Stefan Körzell fest. Es gebe Firmen, die<br />

bereits »ihr ganzes Geschäftsmodell darauf<br />

aufbauen«. Dagegen stimme es fast<br />

nie, so Körzell, dass solch ein Job eine<br />

Chance sei, später in eine Festanstellung<br />

zu wechseln. Jener »Klebeeffekt« liege in<br />

Thüringen bei gerade sieben Prozent.<br />

Die Leiharbeitsbranche setzt bundesweit<br />

geschätzte 20 Milliarden Euro um.<br />

Rund 20.000 Firmen tummeln sich am<br />

Markt. Der Bundesverband BZA kündigte<br />

denn auch Widerstand an. Die Thüringer<br />

Initiative sei »rechtlich nicht haltbar«,<br />

heißt es hier. Doch Machnig setzt noch<br />

einen drauf: Künftig wird sein Ministerium<br />

Billig- und Leiharbeit auch nicht<br />

mehr über den ESF fördern lassen.<br />

Wie die Weichenstellung in Thüringen,<br />

so ist auch die neue Förderpolitik<br />

Sachsen-Anhalts auf Widerstand eines<br />

Teils der Wirtschaft gestoßen. Der Präsident<br />

des Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbandes<br />

Sachsen-Anhalt, Klemens Gutmann,<br />

kritisiert, dass die Anforderungsliste<br />

für die Arbeitsplatz-Förderung zu<br />

kompliziert sei. Das sehen auch die IHK<br />

in Magdeburg und Halle so. Dort glaubt<br />

man, dass die Regelungen, um in den Genuss<br />

einer zusätzlichen Förderung zu<br />

kommen, zu bürokratisch sind und es<br />

KMU schwer machen, sie zu erfüllen.<br />

Dana Micke/ Harald Lachmann<br />

&<br />

52 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


ANALYSE<br />

Enquetekommission in Potsdam<br />

Brandenburger Legenden widersprochen<br />

Wissenschaftler sehen in den Ergebnissen der brandenburgischen Wirtschaftspolitik der Nachwendezeit<br />

kaum Unterschiede zu anderen Ländern. Der Vorwurf »kleine DDR« sei nicht aufrechtzuerhalten.<br />

Die Enquetekommission zur Aufarbeitung<br />

der Nachwendezeit in<br />

Brandenburg hat eine Bewertung<br />

der Wirtschaftspolitik seit 1990 vorgelegt.<br />

Das Gutachten »Analyse der Schlüsselentscheidungen<br />

im Bereich der Wirtschaftspolitik«,<br />

das von den Wissenschaftlern<br />

Karl Brenke, Udo Ludwig und<br />

Joachim Ragnitz vorgelegt worden ist,<br />

zeichnet ein differenziertes Bild. Die Ausgaben<br />

des Landes konnten in diesen zwei<br />

Jahrzehnten zwar bei zwölf Milliarden<br />

Euro jährlich stabilisiert werden, die<br />

Deckungslücke blieb während des gesamten<br />

Zeitraums »mehr oder minder deutlich<br />

dahinter zurück«. Mit 17,5 Milliarden<br />

Euro ist Brandenburg, je Einwohner gerechnet,<br />

»eines der höchstverschuldetsten<br />

Bundesländer in Deutschland«. Weil alle<br />

Anstrengungen zur Wirtschaftsförderung<br />

das Blatt nicht wenden konnten, weist<br />

das Land eine hohe »Transferabhängigkeit<br />

der öffentlichen Haushalte« auf.<br />

Die Gutachter gestehen der Landesregierung<br />

jedoch zu, seit einiger Zeit erhebliche<br />

Anstrengungen zu unternehmen,<br />

um die Ausgaben den Einnahmen anzupassen.<br />

Der Kampf um die Erhaltung<br />

von Arbeitsplätzen hatte die 90er Jahre<br />

geprägt (»Mega-ABM«), es ging um die Bewahrung<br />

industrieller Kerne um beinahe<br />

jeden Preis. Großprojekte des Landes<br />

waren <strong>mit</strong>unter erfolgreich (Bombardier,<br />

Schwedt, Eisenhüttenstadt), <strong>mit</strong>unter<br />

auch nicht (Chipfabrik, Cargolifter, Transrapid).<br />

Das Streben der SPD-Landesregierungen,<br />

Entwicklung in die Fläche zu<br />

tragen, sei so ehrenwert wie tendenziell<br />

wirkungslos gewesen. Industrielle Kerne,<br />

die auch mal Entwicklungszentren oder<br />

Wachstumskerne hießen, haben die in sie<br />

gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Dem<br />

Gutachten zufolge handelt es sich aber<br />

um kein spezifisch brandenburgisches,<br />

sondern ein ostdeutsches Merkmal,<br />

wie auch sonst das Land in wesentlichen<br />

Gesichtspunkten »überhaupt kein Unterschied«<br />

von den anderen Ost-Ländern<br />

aufweist und es zu »überall ungefähr gleichen«<br />

Ergebnissen kam, die alle – von<br />

Sachsen in einigen Punkten abgesehen –<br />

gleich schlecht genannt zu werden verdienen.<br />

Da<strong>mit</strong> wurde der Vorwurf, schon zu<br />

den Zeiten von Regine Hildebrandt und<br />

Manfred Stolpe habe das Land eine »kleine<br />

DDR« verkörpert, ins Reich der Legende<br />

verwiesen. Die Wissenschaftler arbeiteten<br />

heraus, dass der Einfluss der Landespolitik<br />

– entgegen eigener Darstellung –<br />

auf die Entwicklungen sehr gering ist und<br />

ganz andere, meist äußere Einflüsse den<br />

Ausschlag geben.<br />

Matthias Krauß<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 53


INGENIEUR-NACHRICHTEN<br />

Fotos: Archiv, Stadtwerke Bonn<br />

KOMMENTAR<br />

Von DR. NORBERT MERTZSCH,<br />

Vorsitzender des VBIW e.V.<br />

Plädoyer für Erdgas<br />

Der Atomausstieg in Deutschland<br />

und die Inbetriebnahme der Ostsee-<br />

Gaspipeline Nordstream Anfang<br />

November sind Marksteine der Energiewende.<br />

Dazu gehört auch der<br />

Ausstieg von Vattenfall aus der CCS-<br />

Technologie der Kohlenstoffdioxid-<br />

Abtrennung und -Speicherung. Danach<br />

bezweifeln auch Experten im<br />

VBIW, dass ein Braunkohlekraftwerk<br />

in Deutschland noch eine Chance<br />

hat. Unter dem Aspekt des Klimaschutzes<br />

sind hocheffiziente Gaskraftwerke<br />

vorzuziehen. Pro erzeugter<br />

Kilowattstunde entsteht bei ihnen<br />

deutlich weniger Kohlendioxid.<br />

Zudem lassen sie sich flexibel<br />

betreiben, um das schwankende<br />

Stromangebot der erneuerbaren<br />

Energien auszugleichen.<br />

Mit Erdgas können auch kleine<br />

Blockheizkraftwerke günstig Wärme<br />

und Strom erzeugen, z. B. das<br />

Mikroblockheizkraftwerk auf Basis<br />

eines Stirlingmotors unseres Mitglieds,<br />

des Potsdamer Unternehmers<br />

Dr.-Ing. Andreas Gimsa.<br />

Künftig ließe sich das Erdgasnetz<br />

auch als Speicher für überschüssige<br />

Wind- und Solarenergie nutzen,<br />

indem es für den Transport von Methan<br />

genutzt wird, dass <strong>mit</strong> erneuerbarer<br />

Energie erzeugt wird. Erdgas<br />

könnte als Reserve für eventuelle<br />

Engpässe eingespeist werden. Verbraucher<br />

könnten dann je nach Neigung<br />

oder Preis zwischen Biogas,<br />

erneuerbarem Methan, Erdgas oder<br />

einem Mix aus allen wählen. Ich<br />

meine, es sind jetzt pragmatische<br />

Entscheidungen notwendig, um das<br />

angestrebte Tempo der Energiewende<br />

in Deutschland zu schaffen.<br />

Erdgas bietet sich für den Übergang<br />

an. Das gilt für Heizung, Stromerzeugung<br />

und Verkehr, wobei Fahrzeuge<br />

rascher auf Erdgas umgestellt<br />

werden sollten. Braunkohle<br />

ließe sich zukünftig vielleicht sinnvoller<br />

in der Chemie nutzen.<br />

Energiewende<br />

DAS<br />

Europa ist jetzt über die<br />

längste Unterwasser-<br />

Gasleitung der Welt<br />

<strong>mit</strong> den Erdgasfeldern Russlands<br />

verbunden. Diese Energiequelle<br />

dürfte für eine lange<br />

Zeit verfügbar sein.<br />

Neue Gaskraftwerke könnten<br />

nun die Energielücke<br />

schließen, die durch das Aus<br />

der Atomkraft entstanden ist.<br />

Zwar wird bei der Verbrennung<br />

von Erdgas auch CO 2 abgeschieden,<br />

aber weniger als<br />

beim Verbrennen von Kohle<br />

oder Erdölprodukten. Gaskraftwerke<br />

lassen sich zudem<br />

relativ schnell errichten. Und<br />

sie können je nach Bedarf<br />

hoch- und heruntergefahren<br />

werden, wodurch das Problem<br />

der Speicherung von<br />

Strom entschärft wird.<br />

Erdgas hat seine führende<br />

Stellung im Wärmemarkt<br />

weiter ausgebaut. Jedes zweite<br />

der 97.000 zwischen Januar<br />

und Juni 2011 in Deutschland<br />

THEMA<br />

Auf Erdgas setzen<br />

Für eine Nutzung von Erdgas als Übergangstechnologie<br />

zur Strom- und Wärmeerzeugung und für den<br />

Kfz-Antrieb sprechen sich Experten des VBIW aus.<br />

errichteten Wohngebäude<br />

wird <strong>mit</strong> Gas beheizt. Mit Abstand<br />

folgen Wärmepumpe,<br />

Fernwärme und Holzpellets.<br />

2010 gab es in Deutschland<br />

rund 38,2 Millionen Wohneinheiten,<br />

bei 49 Prozent liefert<br />

Erdgas die Wärme.<br />

Gut geeignet ist Erdgas<br />

auch für den Antrieb von<br />

Kraftfahrzeugen. Beim Verbrennen<br />

von Erdgas entstehen<br />

weniger Stickoxide als bei<br />

Diesel, Feinstaub wird nahezu<br />

gar nicht e<strong>mit</strong>tiert. Die technischen<br />

Probleme des Erdgasantriebs<br />

sind gelöst.<br />

Die Nutzung von Erdgas<br />

für den Antrieb von Pkw und<br />

Lkw sowie von Bussen ist die<br />

am weitesten fortgeschrittene<br />

alternative Antriebsform. So<br />

setzt etwa der ÖPNV immer<br />

stärker auf Erdgasbusse, die<br />

bereits in mehr als 100 Städten<br />

fahren. 900 Erdgastankstellen<br />

gibt es deutschlandweit,<br />

ihre Zahl wächst rapide.<br />

92.000 Erdgas-Fahrzeuge waren<br />

Anfang Dezember 2011<br />

zugelassen, Tendenz steigend.<br />

Immer mehr Hersteller bringen<br />

serienmäßig hergestellte<br />

Erdgasfahrzeuge auf den<br />

Markt.<br />

Die Möglichkeiten des Einsatzes<br />

von Erdgas im Verkehr<br />

sind noch lange nicht erschöpft.<br />

Besonders Fahrzeugflotten<br />

regionaler Unternehmen<br />

wie Post, kommunale<br />

Ver- und Entsorger und Handwerker<br />

bieten sich an. Die Förderpolitik<br />

sollte entsprechend<br />

ausgerichtet werden.<br />

Der VBIW setzt sich für den<br />

weiteren Ausbau des Erdgas-<br />

Tankstellen-Netzes ein. Ein<br />

Hindernis aber bleibt: Noch<br />

werden zu wenige Fahrzeugtypen<br />

<strong>mit</strong> serienmäßigem<br />

Erdgasantrieb angeboten. Der<br />

VBIW wird künftig öffentlich<br />

auf Veranstaltungen für den<br />

Erdgasantrieb werben.<br />

Im Gegensatz zu Erdgas<br />

dümpelt die Entwicklung der<br />

Elektrofahrzeuge vor sich hin.<br />

Vorwiegend hört man von den<br />

Herstellern nur Absichtserklärungen,<br />

sieht bestenfalls<br />

Prototypen oder Kleinserien.<br />

Die Bundesregierung hat die<br />

Nationale Plattform Elektromobilität<br />

ins Leben gerufen.<br />

Dass dennoch kaum Elektroautos<br />

auf den Straßen fahren,<br />

hat bekannte Gründe: Reichweite,<br />

Ladezeit, Kaufpreis, Gewicht,<br />

Struktur und Organisation<br />

des Ladevorgangs.<br />

Der VBIW ist dafür, die Diskussion<br />

zu versachlichen,<br />

etwa indem ein städtischer<br />

Großraum als E-Modellregion<br />

ausgebaut wird. Elektro-Fahrzeuge<br />

könnten auch an Ausleihstationen,<br />

z. B. an Bahnhöfen<br />

und Flughäfen, in größeren<br />

Stückzahlen eingesetzt<br />

werden. Vorerst aber messen<br />

VBIW-Experten dem Erdgasantrieb<br />

praxistauglichere<br />

Chancen bei – bis langfristig<br />

gänzlich emissionsfreie Antriebe<br />

zur Verfügung stehen.<br />

54 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


INGENIEUR-NACHRICHTEN<br />

AKTUELL<br />

Foto: Arcelor Mittal<br />

EXKURSION: Besuch bei der ArcelorMittal GmbH.<br />

EXKURSION<br />

Studenten als<br />

VBIW-Gäste<br />

Angehende Ingenieure der<br />

FH Brandenburg erlebten<br />

die Praxis der Eisen- und<br />

Stahlerzeugung.<br />

Seit elf Jahren besteht eine<br />

Vereinbarung zwischen dem<br />

VBIW und der Fachhochschule<br />

Brandenburg (FHB). VBIW-Mit-<br />

glieder betreuen im Rahmen<br />

dieses Vertrages Diplomarbeiten<br />

und organisieren Betriebsbesichtigungen.<br />

Das Angebot,<br />

die ArcelorMittal GmbH in Eisenhüttenstadt<br />

zu besichtigen,<br />

deren Vorläufer als Eisenhüttenkombinat<br />

Ost (EKO) in den<br />

1950er Jahren als ein Roheisenwerk<br />

<strong>mit</strong> sechs Hochöfen entstand,<br />

nahmen 50 Maschinenbaustudenten<br />

und ihre Dozenten<br />

Ende November 2011 dankend<br />

an.<br />

Den Exkursionsteilnehmern<br />

erklärten Helmut Kummich<br />

und Klaus Menzel, beide VBIW-<br />

Mitglieder, bei der Werkbesichtigung<br />

Prozesse und Anlagen<br />

sowie die Entwicklung der<br />

Roheisen- und Stahlproduktion<br />

am Standort Eisenhüttenstadt.<br />

Die große Tour, an der<br />

sich auch weitere Betriebsführer<br />

des Unternehmens beteiligten,<br />

führte über die Roheisenerzeugung<br />

zum Konverter-<br />

Stahlwerk und zu den Warmund<br />

Kaltwalzwerken.<br />

Christina Niehus, Wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin der FHB<br />

EINLADUNG<br />

Vortrag von<br />

Prof. Hoier<br />

Über HDTV-Fernsehen<br />

spricht der Dekan der Fachhochschule<br />

Brandenburg<br />

beim VBIW.<br />

Auf einer weiteren Veranstaltung,<br />

die der VBIW gemeinsam<br />

<strong>mit</strong> der Fachhochschule Brandenburg<br />

ausrichtet, wird Prof.<br />

Dr.-Ing. Bernhard Hoier, Dekan<br />

Fachbereich Technik der FHB,<br />

über »HDTV – Das neue Fernsehen,<br />

Fernsehtechnik gestern,<br />

heute und morgen« sprechen.<br />

In seinem Vortrag wird Prof.<br />

Hoier auch die Geschichte des<br />

Fernsehens, heutige Zugangsmöglichkeiten<br />

per Antenne,<br />

Kabel, Satellit oder Internet<br />

sowie neue Spezifikationen<br />

behandeln. Beantworten wird<br />

er auch vier Grundfragen, die<br />

sich vor einer Kaufentscheidung<br />

für ein TV-Gerät stellen.<br />

Vereins<strong>mit</strong>glieder und Angehörige<br />

sind herzlich eingeladen.<br />

Termin: Dienstag, 13. März<br />

2012; 18.00 Uhr; Eisenhüttenstadt,<br />

Werkstraße 9, Technologiezentrum<br />

I. P. S. GmbH.<br />

Kontakt: Jutta Scheer<br />

Tel.: (03364) 374 834.<br />

KALENDER 2012<br />

Exkursionen<br />

und Erfinder<br />

Auf dem Veranstaltungskalender<br />

2012 des VBIW<br />

stehen eine Vielzahl von Exkursionen<br />

und Vorträgen.<br />

Bei der Erforschung des Lebens<br />

Brandenburger Erfinder und<br />

Technikpioniere steht in diesem<br />

Jahr der Flugzeugbauer<br />

Carl Clemens Bücker auf dem<br />

Programm. Er hatte 1933 in<br />

Berlin-Johannisthal sein Flugzeugwerk<br />

gegründet und später<br />

nach Rangsdorf verlagert.<br />

Aus diesem Anlass werden<br />

VBIW-Mitglieder das Bücker-<br />

Museum in Rangsdorf besichtigen.<br />

Weiter stehen Betriebsbesuche<br />

auf dem Programm wie<br />

der Neuen Oderwerft in Eisenhüttenstadt,<br />

die 2010 den Zukunftspreis<br />

der IHK Ostbrandenburg<br />

erhalten hatte.<br />

Der AK Elektrizitätswirtschaft<br />

plant eine Exkursion zur Pilotanlage<br />

der GMB GmbH und<br />

FHS Lausitz in Senftenberg,<br />

die Algen in Biokraftstoffe verwandelt<br />

und dabei CO 2 bindet.<br />

Mit dem Thema »Fluch und<br />

Segen chemischer Erfindungen«<br />

wird sich ein Vortrag von<br />

Prof. Dr. Dietmar Linke aus<br />

Berlin in Eisenhüttenstadt beschäftigen.<br />

In Frankfurt (Oder)<br />

wird Dipl.-Ing. Thoralf Schapke<br />

von der Solarregion Berlin-<br />

Brandenburg einen Vortrag zu<br />

»Entwicklung und Perspek-<br />

NACHRUF<br />

Trauer um<br />

Claus Andrae<br />

Unser Vereinsfreund Claus<br />

Andrae ist am 9.11.2011<br />

80-jährig nach schwerer<br />

Krankheit verstorben.<br />

Claus Andrae war eines der<br />

Gründungs<strong>mit</strong>glieder unseres<br />

nach der Wende neu<br />

gegründeten Vereins. Zuvor<br />

war er jahrzehntelang aktives<br />

Mitglied der KDT in Eisenhüttenstadt<br />

und Frankfurt<br />

(Oder). Hier war er im Ortsverein<br />

eines der aktivsten<br />

und zuverlässigsten Mitglieder.<br />

Durch seinen unermüdlichen<br />

Einsatz konnten wir<br />

viele interessante Vorträge<br />

und Exkursionen erleben.<br />

Auch legte er Grundlagen für<br />

die Zusammenarbeit <strong>mit</strong><br />

Hochschulen.<br />

Der VBIW wird sein Andenken<br />

immer in Ehren halten.<br />

Dr. Norbert Mertzsch,<br />

VBIW-Vorsitzender<br />

tive der Solarindustrie« halten.<br />

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer<br />

vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung<br />

wird in<br />

einem Vortrag vor dem OV<br />

Potsdam erläutern, wie die<br />

Kohlendioxid-Emission eines<br />

Landes und der zu erwartende<br />

Temperaturverlauf berechnet<br />

werden. Alle Themen, Termine<br />

und Veranstaltungsorte<br />

können unter www.vbiw-ev.de<br />

abgerufen werden.<br />

Vorstand des VBIW<br />

ADRESSE<br />

Verein Brandenburgischer<br />

Ingenieure und Wirtschaftler e.V.<br />

Landesgeschäftsstelle Frankfurt (O.)<br />

Fürstenwalder Str. 46<br />

15234 Frankfurt (Oder)<br />

Tel.: (0335) 869 21 51<br />

E-Mail: buero.vbiw@online.de<br />

Internet: www.vbiw-ev.de<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 55


BERICHT<br />

Frühlingserwachen in der Formel 1.<br />

Das Personalkarussell rotiert, die<br />

neu konstruierten Boliden werden<br />

spektakulär präsentiert. Im spanischen<br />

Jerez absolvieren die Formel-1-Piloten<br />

traditionell die ersten Testfahrten auf<br />

dem Asphalt. Die Saison 2012 in der Königsklasse<br />

des Motorsports startet am<br />

18. März in Melbourne <strong>mit</strong> dem Grand<br />

Prix von Australien. Es ist der Auftakt<br />

einer langen Rennserie <strong>mit</strong> insgesamt<br />

20 Grand-Prix-Veranstaltungen. Die letzte<br />

Rundenjagd erlebt das brasilianische<br />

Sao Paulo am 25. November. Dann steht<br />

der neue Champion fest und es ist die<br />

Frage beantwortet, ob es dem Weltmeister<br />

der Jahre 2010 und 2011, dem Deutschen<br />

Sebastian Vettel, gelungen sein<br />

wird, den begehrten Titel zum dritten<br />

Mal in Folge zu erobern. Spannung liegt<br />

in der Luft. Nicht zuletzt durch die Rückkehr<br />

des Ex-Weltmeisters Kimi Räikkönen<br />

aus Finnland in den Formel-1-Zirkus,<br />

Warmbold Energie und Klima GmbH<br />

Formel 1 unter Strom<br />

Die Königsklasse des Motorsports startet in diesem Monat<br />

in die neue Rennsaison. Dresdner Ingenieure und Techniker<br />

sorgen dafür, dass an den Strecken das Licht nicht ausgeht.<br />

Blackout leisten, betont Frank Warmbold,<br />

geschäftsführender Gesellschafter<br />

des <strong>mit</strong>telständischen Unternehmens<br />

aus Elbflorenz.<br />

Zum Formel-1-Engagement kam das<br />

Warmboldteam durch eine selbstbewusste<br />

und mutige Zusage des Firmenchefs.<br />

Vor einigen Jahren war in Dresden angefragt<br />

worden, ob das Warmboldteam in<br />

der Lage sei, den Cateringbereich eines<br />

Formel-1-Rennens <strong>mit</strong> Strom und Wasser<br />

zu versorgen sowie optimales Klima zu<br />

erzeugen. Die Art und Weise, wie die<br />

Dresdner den spektakulären Auftrag erledigten,<br />

überzeugte nachhaltig. Es folgte<br />

zunächst ein Drei-Jahresvertrag. Inzwischen<br />

ist das sächsische Unternehmen<br />

<strong>mit</strong> einem neuen Kontrakt weiter im Formel-1-Rennen<br />

und plant auf Hochtouren<br />

für die bevorstehende Saison.<br />

Längst geht der Warmbold-Konvoi, beladen<br />

<strong>mit</strong> leistungsstarken Stromaggregaten,<br />

Verteilern und zig Kilometern<br />

Energieleitungen, nicht mehr nur im<br />

Auftrag der Rennveranstalter auf Reisen.<br />

»Wir werden auch von einzelnen Rennställen<br />

gebucht, um deren Fahrerlager<br />

zuverlässig <strong>mit</strong> Strom, Wasser und angenehmem<br />

Raumklima zu versorgen«, sagt<br />

der 50-jährige Warmbold. »Vor drei Jahren,<br />

vor dem ersten Rennen in Japan, rief<br />

das Team Ferrari an. Es hatte Probleme<br />

<strong>mit</strong> den Technikern in Japan. Die Italiener<br />

waren sehr glücklich und dankbar,<br />

dass wir ihnen aus der Klemme helfen<br />

konnten.«<br />

Geplant und konzipiert werden die<br />

weltweiten Einsätze des Warmboldteams<br />

im Gewerbegebiet Klipphausen am Rande<br />

von Dresden. In einem nüchternen<br />

Hallengebäude geleiten viele bunte Plakate<br />

diverser Events den Besucher auf<br />

den Weg ins Obergeschoss. Am Ende<br />

eines unspektakulären Großraums <strong>mit</strong><br />

drei Computer-Telefon-Arbeitsplätzen<br />

führt eine weit geöffnete Tür ins ebenso<br />

AUFTAKT IN AUSTRALIEN: Am 18. März ist es in Melbourne wieder soweit (Foto von 2011).<br />

FAMILIENBETRIEB: Katharina Matern,<br />

Frank Warmbold und Frau Gitta (v. l.)<br />

Fotos: DPA/ZB, Heinz Richter; Warmboldteam<br />

den Weltmeister Vettel vorsorglich als<br />

»einen ernsthaften Gegner« betrachtet.<br />

Mehr noch als die Millionen Fans der<br />

Formel 1 weltweit fiebern in diesen Tagen<br />

die Mitarbeiter des Warmboldteams<br />

in Dresden dem Saisonstart entgegen.<br />

Denn sie sorgen auf ihre Weise für Spannung<br />

auf den Rennstrecken rund um<br />

den Globus. Unternehmer Frank Warmbold<br />

und seine 25 Mitarbeiter sind<br />

darauf spezialisiert, Sport- und Show-<br />

Großveranstaltungen versorgungstechnisch<br />

abzusichern. Das Warmboldteam<br />

wird gerufen, wenn es gilt, unter außergewöhnlichen<br />

und komplizierten örtlichen<br />

Gegebenheiten Strom, Wasser,<br />

Licht, Kühlung oder Heizung bereitzustellen<br />

– ob in der Wüste, in abgelegenen<br />

Arealen oder in Metropolen und großen<br />

Stadien. Die zuverlässige Versorgung <strong>mit</strong><br />

diesen Medien ist elementar für das<br />

Gelingen der Mega-Veranstaltungen. Auf<br />

diesem Markt dürfe man sich keinen<br />

56 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


BERICHT<br />

DER CHEF UND SEINE MITARBEITER verstehen sich als eine Mannschaft – als »Warmboldteam«.<br />

lichte, funktionale Chefzimmer. »Kurze<br />

Wege und ständiger Gedankenaustausch<br />

gehören zu unserer Firmenphilosophie.<br />

Die Nähe zu Frank ist unabdingbar«,<br />

meint Projektleiterin Katharina Matern<br />

<strong>mit</strong> Blick auf das Chef-Büro. Matern<br />

gehört zum vierköpfigen Projektmanager-Team.<br />

Die tägliche Aufgabe bestehe<br />

darin, auf die ganz spezifischen Anforderungen<br />

und Wünsche der Kunden einzugehen<br />

und manchmal »sogar das Unmögliche<br />

möglich zu machen«. Dazu gehört<br />

auch, nicht erst un<strong>mit</strong>telbar vor Ort zu<br />

entscheiden, wie und <strong>mit</strong> welcher Technik<br />

die geforderte Versorgung sichergestellt<br />

werden kann. Da sind ein reger Austausch<br />

von Ideen und Erfahrungen sowie<br />

mutiges und entschlussfreudiges Teamwork<br />

gefragt.<br />

Das Warmboldteam beschränkt sich<br />

nicht auf Big-Events wie die Formel 1.<br />

»Wir sind auch im Geschäft bei herkömmlichen<br />

Firmenveranstaltungen<br />

oder wenn die versorgungstechnische Infrastruktur<br />

etwa für Weihnachtsmärkte<br />

aufgebaut werden muss.« Dennoch<br />

schlägt das Herz der Firma besonders für<br />

den Motorsport. Bei der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft<br />

(DTM) beispielsweise<br />

sind die Dresdner das dienstälteste<br />

Serviceunternehmen. Die 25 fest angestellten<br />

Mitarbeiter werden in der Hauptsaison<br />

von 20 freien Mitarbeitern unterstützt.<br />

»Jemand, der zwei Monate bei uns<br />

<strong>mit</strong>macht und dann noch immer ein<br />

Leuchten in den Augen hat, der bleibt.<br />

Wer sich dagegen vom Glamour der Veranstaltungen<br />

blenden lässt und zudem<br />

lieber <strong>mit</strong> einem geregelten Arbeitstag<br />

liebäugelt, der geht hier baden«, beschreibt<br />

Unternehmer Warmbold seine<br />

Erfahrung.<br />

»Dennoch bemüht sich der Chef, in<br />

der Planung auf unsere persönlichen<br />

Wünsche einzugehen«, relativiert Katharina<br />

Matern. Dazu gehört, dass Warmbold<br />

auch mal den Ehepartnern seiner<br />

Angestellten ermöglicht, ein paar Tage<br />

bei einem großen internationalen Event<br />

dabei zu sein. Schließlich müssen sie oft<br />

genug längere Zeit auf ihre Liebsten verzichten.<br />

Das Warmboldteam ist meistens<br />

zuerst vor Ort und reist zuletzt ab. Acht<br />

40-Tonner gehören zum Fuhrpark der<br />

Dresdener Spezialisten. Häufig heißt es<br />

aber auch, weitere anzumieten. Zu einer<br />

Ski-Abfahrt-WM war das Warmboldteam<br />

schon mal <strong>mit</strong> 30 Lkw angerückt. Eine<br />

immense logistische Herausforderung.<br />

Und eine technische. Im einheimischen<br />

Lager werden allein 48 Kilometer Schuko-Leitungen<br />

vorgehalten. Um der Konkurrenz<br />

davonzufahren, setzt das Team<br />

auf Kreativität und Innovationen. So haben<br />

die Mitarbeiter eigene Stromaggregate<br />

<strong>mit</strong> Hydraulik-Füßen entwickelt, die<br />

ausgefahren werden können. Das spart<br />

die Kosten für einen Kran vor Ort. Ein<br />

neuartiger Verteilerschrank steht vor der<br />

Patentierung. Bei Bedarf können in diesem<br />

schnell und unkompliziert ganze<br />

Module ausgetauscht werden. Denn an<br />

den Einsatzorten in allen Herren Ländern<br />

sind die Stromsysteme sehr unterschiedlich.<br />

Das Warmboldteam kann so<br />

kostengünstig und flexibel arbeiten.<br />

»Am besten arbeiten wir, wenn keiner<br />

merkt, dass wir überhaupt vor Ort sind«,<br />

beschreibt Frank Warmbold seine Unternehmer-Devise.<br />

Ein Umsatzwachstum<br />

von 250 Prozent seit 2004 bis dato verdeutlicht,<br />

was er an den Formel-1-<br />

Strecken live erleben kann: Vorweg fährt<br />

derjenige, der nicht nur am schnellsten<br />

die Runden dreht, sondern am besten die<br />

Technik beherrscht und sein Rennen<br />

taktisch am klügsten gestaltet.<br />

In diesem Sinne lenkt der zweifache<br />

Familienvater auch die Geschicke des<br />

Warmboldteams. »Ich stelle gern Querdenker<br />

ein, Menschen <strong>mit</strong> ungewöhnlichen<br />

Ideen. <strong>Nur</strong> solche Unternehmen<br />

haben Zukunft. Und jene, die langfristig<br />

ihre Nachfolge regeln.« Frank Warmbold<br />

hofft, dass Sohn Daniel (27) nach dem gegenwärtigen<br />

Elektrotechnik/Elektronik-<br />

Studium an der Technischen Universität<br />

Dresden in seine Fußstapfen tritt. Es<br />

bleibt spannend im Warmboldteam und<br />

in der Formel 1.<br />

Heinz Richter/ Thomas Schwandt<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 57


AUTOMOBIL<br />

Ein handlicher Allrounder<br />

für Beruf und Freizeit<br />

ist der Fiat Panda.<br />

Davon haben sich in den zurückliegenden<br />

drei Jahrzehnten<br />

6,5 Millionen Käufer überzeugt.<br />

Nun kommt die dritte<br />

Generation des kleinen Italieners<br />

nach Deutschland. Der<br />

neue Panda, gefertigt in Polen,<br />

hat das Zeug, die Erfolgsstory<br />

fortzuschreiben.<br />

Mehr Kopffreiheit, mehr<br />

Beinfreiheit hinten und mehr<br />

Innenraumbreite – der neue<br />

Panda hat bei den Innenmaßen<br />

zugelegt und bleibt<br />

<strong>mit</strong> einer Länge von 3,65 Metern<br />

doch ein echter Kleinwagen.<br />

Gut, dass er jetzt satter<br />

auf der Straße steht. Die Designer<br />

haben ihm <strong>mit</strong> einem<br />

deutlich ausgestellten Heck<br />

eine breite Spur <strong>mit</strong>gegeben.<br />

Und elegant sieht er aus.<br />

Innen verfügt der Viertürer<br />

<strong>mit</strong> Heckklappe über eine<br />

hervorragende Flexibilität<br />

und ist top gestylt. Mit einer<br />

Vielzahl von Ablagen sowie<br />

den zahlreichen Verstellmöglichkeiten<br />

der Rücksitzbank<br />

ist der Innenraum variabel<br />

wie nie zuvor. Der Kofferraum<br />

bietet bei umgeklappter Lehne<br />

der Rückbank ein Volumen<br />

von bis zu 870 Litern.<br />

Fotos: Werkfotos<br />

Fiat Panda<br />

Italienischer Sparmeister<br />

Die dritte Generation des City-Flitzers geht <strong>mit</strong><br />

Top-Design, größerem Innenraum und geringen<br />

Verbrauchswerten in Deutschland an den Start.<br />

Vorbei sind die Zeiten der<br />

kargen Armaturen. Beim neuen<br />

Panda wird die Armaturentafel<br />

<strong>mit</strong> einem breiten Rand<br />

abgesetzt, orderbar in verschiedenen<br />

Farben. Im Cockpit<br />

finden alle Elemente für<br />

Lüftung, Heizung und Klima<br />

ihren Platz. Die Instrumente<br />

sind eher klassisch gehalten,<br />

ein kleines Zentraldisplay für<br />

Anzeigen und Daten aus dem<br />

Bordcomputer ergänzen sie.<br />

Auffallend auch die Sicherheitssysteme<br />

in dem Kleinwagen.<br />

Am bemerkenswertesten<br />

ist das Notbremssystem, das<br />

ein Hindernis erkennt und<br />

bei Geschwindigkeiten bis 30<br />

km/h automatisch eine Notbremsung<br />

einleitet, wenn der<br />

Fahrer nicht reagiert.<br />

Bei der Motorisierung verspricht<br />

Fiat »praxisgerechte<br />

Leistung« bei niedrigem Spritverbrauch<br />

und geringer Emission.<br />

Den Panda gibt es <strong>mit</strong><br />

Diesel (75 PS) und wahlweise<br />

<strong>mit</strong> Benzin-Motor (69 bzw. 85<br />

PS). Fiat beziffert den Verbrauch<br />

des Triebwerks <strong>mit</strong> 4,2<br />

Litern. Die CO 2 -Emissionswerte<br />

liegen bei vorbildlichen 99<br />

Gramm pro Kilometer. Da<strong>mit</strong><br />

hat der neue Panda das Zeug<br />

zum Sprit-Sparmeister.<br />

Hans Jürgen Götz<br />

Citroen DS5<br />

Extravaganter Franzose<br />

Mit dem DS5 liefert Citroen das I-Tüpfelchen in der<br />

aktuellen Modellreihe. Das Crossover-Fahrzeug hebt<br />

sich von Massenware ab und ist edel ausgestattet.<br />

Der französische Autobauer<br />

Citroen hatte in<br />

der Vergangenheit in<br />

Deutschland immer wieder<br />

<strong>mit</strong> extravaganten Modellen<br />

für Furore gesorgt. Doch zuletzt<br />

war es hierzulande auffällig<br />

ruhig um die Marke geworden.<br />

Der konservative und<br />

biedere Auftritt kam nicht an.<br />

Citroen ging im Einerlei der<br />

Mittelklasse unter. Dies soll<br />

sich nun wieder ändern.<br />

Mit dem neuen DS5 wollen<br />

die Franzosen an alte Tugenden<br />

anknüpfen. Die spannende<br />

Architektur und exklusive<br />

Ausstattung des Fünfers sollen<br />

der Extravaganz der jüngeren<br />

DS-Modelle die Krone<br />

aufsetzen. Der DS5 gibt sich<br />

<strong>mit</strong> kleinen Fenstern, verchromten<br />

Schwellern sowie<br />

großen Auspuffrohren auffällig<br />

und zieht unweigerlich die<br />

Blicke auf sich. Citroen selbst<br />

ordnet ihn als »Crossover« ein.<br />

Der 4,53 Meter lange Viertürer<br />

ist weder Kombi noch<br />

Coupé oder Limousine. Er<br />

zielt auf Kunden, die sich von<br />

der Masse abheben wollen.<br />

Der neue DS5 bietet <strong>mit</strong><br />

dem 460 Liter fassenden Kofferraum<br />

eine ordentliches<br />

Stauvolumen. Auch das Innenraumfeeling<br />

und die Sitzposition<br />

des Fahrers sind gut.<br />

Die breite Mittelkonsole, die<br />

Konsole im Dach und die beiden<br />

Fensterdächer für Fahrer<br />

und Beifahrer lassen eine Atmosphäre<br />

aufkommen, die an<br />

ein Flugzeug erinnert. Die<br />

vielen Schalter, Hebel und<br />

Instrumente unterstreichen<br />

diesen Eindruck. Nicht alles<br />

ist praktisch, aber dafür chic.<br />

Wie sich der DS5 insgesamt<br />

erfreulich edel zeigt. Er wird<br />

dank guter Verarbeitung dem<br />

luxuriösen Anspruch der DS-<br />

Reihe durchaus gerecht.<br />

Unter der Haube arbeitet<br />

der »Crossover« wahlweise <strong>mit</strong><br />

Benzinern (156 und 200 PS)<br />

und Dieselmotoren (112 und<br />

165 PS). Die von W&M gefahrenen<br />

Selbstzünder bewegen<br />

sich im unauffälligen Geräuschli<strong>mit</strong>.<br />

Die Bedienung<br />

fällt leicht, an Fahrsicherheit<br />

mangelt es nicht. Gemessen<br />

an der Größe des Wagens lässt<br />

sich gute Handlichkeit attestieren.<br />

Technischer Höhepunkt<br />

innerhalb der Baureihe<br />

ist jedoch der DS5 Hybrid4,<br />

der es auf eine Gesamtleistung<br />

von 200 PS (165 PS Dieselmotor<br />

und 35 PS Elektromaschine)<br />

bringt und knapp<br />

vier Liter verbraucht.<br />

Hans Jürgen Götz<br />

&<br />

58<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


Fotos: AST GmbH, H. Lachmann<br />

MANAGER FÜR DREI: Christian Lohmann<br />

welten im Zusammenspiel von Wasser,<br />

Klang und Kunst entdeckt, die er in seiner<br />

Heimatstadt erfolgreich in Unterwasser-Happenings<br />

umsetzte. Mit diesem<br />

touristischen Konzept, davon waren<br />

Marion Schneider und Klaus-Dieter<br />

Böhm überzeugt, könnte Bad Sulza wieder<br />

eine wichtige Rolle innerhalb der<br />

heute insgesamt 20 historischen Kurorte<br />

und attraktiven Heil- und Wellnessbäder<br />

in Thüringen spielen.<br />

Die Rechnung ging auf. Mit der Auswahl<br />

als Außenprojekt für die Expo 2000<br />

in Hannover flossen europäische Förder<strong>mit</strong>tel,<br />

die zum Bau der lichtdurchfluteten<br />

Toskana Therme eingesetzt wurden.<br />

Schon kurz nach Eröffnung kürte die<br />

»New York Times« die futuristische Therme<br />

in Bad Sulza zu einem der fünf bes-<br />

Wellness in Thüringen<br />

Top-Form<br />

Das Bundesland Thüringen<br />

setzt im Gesundheitstourismus<br />

auf moderne Wellness-Trends.<br />

In Bad Sulza bietet die Toskana<br />

Therme den Gästen aus nah<br />

und fern ein Programm zum<br />

Wohlfühlen. 36 Prozent der<br />

Deutschen geben als primäres<br />

Urlaubsmotiv an, aktiv etwas<br />

für die Gesundheit zu tun.<br />

Die Bezeichnung »General Manager«<br />

gefällt Christian Lohmann<br />

nicht. Mit »Hoteldirektor« kann<br />

sich der sympathische Mittfünfziger<br />

schon eher anfreunden. Doch es trifft<br />

nicht ganz zu, denn neben dem Hotel des<br />

Gesellschafters Toskana GmbH stehen<br />

auch die Klinik und die Toskana Therme<br />

des staatlich anerkannten Sole-Heilbads<br />

Bad Sulza unter seiner Leitung. »Schwierig,<br />

alles auseinander- und doch zusammenzubekommen«,<br />

bekennt Lohmann.<br />

30 Prozent Auslastung im Reha-Bereich<br />

sei schon ein zufriedenstellender Wert.<br />

Doch das ist auf Dauer nicht tragend. So<br />

musste die Mutter-Kind-Klinik vor 15 Jahren<br />

mangels Belegung ihre Pforten<br />

schließen. Doch die thüringische Stadt<br />

wollte das einstige Vorzeige-Sanatorium<br />

für Beschäftigte der Wismut nicht dem<br />

Verfall überlassen. Ein Mischgeschäft aus<br />

Kur und touristischem Unternehmen<br />

sollte dem Thermalbad im Bauhausstil<br />

wieder Leben einhauchen.<br />

Den Anfang machte das Unternehmer-Paar<br />

Schneider und Böhm, das sich<br />

nach der Wende in Bad Sulza angesiedelt<br />

hatte. Die Wellness-Expertin Schneider<br />

holte den Visionär Micky Remann ins<br />

Boot. Auf seinen Weltreisen hatte der<br />

Frankfurter Deutschlehrer neue Sinnesten<br />

Bäder weltweit. Bald folgte ein Bademantelgang,<br />

der den Reha-Bereich und<br />

die Wellness-Therme verbindet.<br />

Remann bastelt unterdessen unermüdlich<br />

weiter am »Liquid Sound«-Konzept<br />

für das Wohlfühl-Refugium. Klang,<br />

Farbe und Licht so harmonisch in Einklang<br />

zu bringen, dass »der Körper<br />

schwerelos im Wasser schwebt und der<br />

Geist belebt wird«, diesem Ziel kommt<br />

der künstlerische Direktor der Toskana<br />

Therme stetig näher. Panta rhei, alles<br />

fließt, so könnte nach dem griechischen<br />

Philosophen Heraklit auch Remanns<br />

Leitsatz lauten: »Monotonie ist für uns<br />

der größte Gegner«, sagt er. Bei seinen<br />

»Liquid-Sound-Festivals«, die schon zehn<br />

Mal höchst erfolgreich Klang und Farbe<br />

in das erste graue November-Wochenende<br />

brachten, zieht der Kunst-Beauftragte<br />

TOURISMUS<br />

der Toskana Therme rund um die Uhr<br />

von Sonnabend zehn Uhr bis Sonntag 22<br />

Uhr alle Register. Das hat sich bei den Badegästen<br />

jeder Altersgruppe aus der<br />

näheren und weiteren Umgebung<br />

schnell herumgesprochen.<br />

General Manager Lohmann stimmt<br />

die Bilanz der Therme äußerst zufrieden.<br />

Die Gäste, die zum Erhalt ihrer Gesundheit<br />

einen Wellness-Kurzurlaub buchen<br />

und für eine 70-Prozent-Auslastung der<br />

Therme sorgen, gleichen die Gesamtbilanz<br />

seines Hauses locker aus.<br />

Darüber hinaus eröffnet der Erfolg<br />

der Toskana Therme auch anderen krea-<br />

ON TOUR MIT SEGWAY: Sylvia Laube<br />

tiven Kleinunternehmern Chancen. Die<br />

Gesundheitstrainerin Sylvia Laube beispielsweise<br />

hatte gemeinsam <strong>mit</strong> ihrem<br />

Mann die Idee, den Wellness-Urlaubern<br />

kleine Ausflüge in und um ihr Heimatstädtchen<br />

anzubieten. Bequem sollten<br />

die Touren sein, die durch den Kurpark<br />

und zum historischen Gradierwerk<br />

führen, durch das idyllische Ilmtal und<br />

weiter in das sanft hügelige Saale-<br />

Unstrut-Weinanbaugebiet bis nach Auerstedt.<br />

Deshalb schafften die Laubes vor<br />

gut einem Jahr zehn moderne Segways<br />

an. Seitdem ist das Ehepaar regelmäßig<br />

<strong>mit</strong> Kurgästen auf den wendigen Zweirädern<br />

unterwegs. »Für diese gibt es keine<br />

Altersbeschränkung«, betont der Chef<br />

des neuen Kleinunternehmens. »Aber<br />

man sollte mindestens 45 und höchstens<br />

118 Kilogramm wiegen«, ergänzt er.<br />

Im historisch beladenen Nachbarort<br />

Auerstedt gehört das Kutschenmuseum<br />

im Schloss zu den lohnenswerten Haltepunkten.<br />

Vor über 200 Jahren hat Kriegsund<br />

Feldherr Napoleon in der Schlacht<br />

bei Auerstedt die Preußen besiegt. Zum<br />

Dank schickte Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg<br />

dem französischen<br />

Kaiser eine eigens für ihn gebaute<br />

»Napoleonische Kutsche« nach Auerstedt.<br />

Dort steht das <strong>mit</strong> allen damaligen technischen<br />

Raffinessen ausgestattete Gefährt<br />

noch heute.<br />

Renate Wolf-Götz<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 59


BERICHT<br />

Logistik in Mitteldeutschland<br />

Schkeuditzer Frachtdrehkreuz<br />

In Leipzig/Halle entwickelt sich der Logistiksektor rasant. Es ist Deutschlands dynamischste Region in<br />

der Branche. W&M hat etablierte und neu angesiedelte Firmen besucht. Teil 1: Amazon, Airport und Co.<br />

V<br />

ollchaotisch« gehe es in seinem<br />

Beritt zu, schmunzelt Cavit Yilmaz<br />

und sieht dabei belustigt aus. Doch<br />

in der Tat, der junge Generalmanager<br />

der Leipziger Amazon Distribution<br />

GmbH meint es so. Man muss sich nur in<br />

den endlosen Regalreihen des elf Fußballfelder<br />

großen Logistikzentrums im<br />

Nordosten der Stadt umsehen: Da lagern<br />

nicht Bücher neben Büchern, Skihelme<br />

neben Skihelmen oder Damenschuhe neben<br />

Damenschuhen. Nein, Barbie-Puppen,<br />

Autoscheiben-Enteiser, Kaffeetassen<br />

stehen neben Mozart-CD-Box.<br />

»Wir packen alles so in die Regale, dass<br />

es schnell auf den Weg zum Kunden gehen<br />

kann«, erläutert Yilmaz. Das sei wie<br />

beim »Prinzip Kinderzimmer«: Die vielbenutzten<br />

Sachen liegen in Griffnähe, und<br />

von allen anderen weiß man in etwa, wo<br />

zu suchen ist. »Regalplatz ist eben teuer«,<br />

so der Manager, der das Leipziger Tochterunternehmen<br />

des US-amerikanischen<br />

Internet-Handelsgiganten maßgeblich<br />

<strong>mit</strong> aufgebaut hat. Neu eintreffende<br />

Ware werde stets dort eingelagert, wo gerade<br />

Platz sei. Die Logistiksoftware des<br />

gewaltigen Versandtempels wisse dann<br />

schon, wo was liegt im kilometerlangen<br />

Metallgerüst-Labyrinth. Alles funktioniere<br />

<strong>mit</strong> drahtlosen Barcode-Scannern, die<br />

nach Reihe, Etage und Fachnummer angeben,<br />

wo bestellte Produkte zu finden<br />

sind. »Chaos ist Ordnung durch Verteilung<br />

im Raum«, sagt Yilmaz. »Wir sparen<br />

Zeit, indem das System das auf kürzestem<br />

Weg verfügbare Exemplar anzeigt.«<br />

Fotos: H. Lachmann<br />

Yilmaz ist stolz auf den Betrieb. Alles<br />

sei auf Effizienz getrimmt, versichert er:<br />

»Kurze Wege, jeder Handgriff optimiert.«<br />

Es wäre eben wie beim Amazonas, dem<br />

Urwaldfluss, der Firmengründer Jeff Bezos<br />

einst bei der Namenswahl Pate stand.<br />

Wie im Regenwald fließen in diesem virtuellen<br />

Dschungel die bestellten Sachen<br />

aus zahllosen Nebenarmen irgendwann<br />

dem Hauptstrom zu, wo sie gesammelt<br />

und versandt werden. Zugleich komme<br />

permanent neue Ware an, Tag für Tag in<br />

mehr als 100 Lkw-Ladungen. Sei diese<br />

erstmal über lange Laufbänder in freien<br />

Fächern deponiert, wisse nur noch die<br />

intelligente Software, wo was steckt.<br />

HOCHBETRIEB VOR WEIHNACHTEN<br />

In Spitzenzeiten, wie vor Weihnachten,<br />

verlassen bis zu 275 Lkw täglich das Versandzentrum.<br />

Allein das sei eine logistische<br />

Herausforderung, so Yilmaz. Sein<br />

Ehrgeiz bestehe darin, unabhängig von<br />

der Zahl der Bestellungen immer gleich<br />

schnell auszuliefern, ob nach Leipzig,<br />

Hamburg oder Hongkong. Schließlich interessiere<br />

den Kunden ja nicht, »wie viele<br />

andere wir gleichzeitig noch bedienen<br />

müssen.« Im Dezember ging es nicht<br />

ohne drei Schichten rund um die Uhr.<br />

Der Standort Leipzig, der 2006 als<br />

zweites deutsches Logistikzentrum von<br />

Amazon in Betrieb ging, wächst weiter.<br />

Als Yilmaz hier begann, beschäftigte die<br />

Firma 400 Mitarbeiter. Derweil sind es<br />

gut 1.000, die vor Weihnachten noch um<br />

3.000 Saisonarbeiter aufgestockt werden.<br />

Es war kein Zufall, dass Amazon sich<br />

für Leipzig entschieden hat. Schon lange<br />

prophezeien Prognosen dem Raum Leipzig/Halle<br />

– der neben Berlin einwohnerstärksten<br />

Region Ostdeutschlands – eine<br />

Zukunft als Handelsdrehscheibe. Die besaß<br />

Leipzig immerhin 800 Jahre lang als<br />

einst wichtigster Messeplatz der Welt.<br />

Und Autobahnen, Eisenbahnschiene und<br />

zunehmend Fluglinien kreuzen sich hier<br />

nach wie vor. Ein vom Fraunhofer Institut<br />

SCS Nürnberg vorgestelltes Standortgutachten<br />

wertet den <strong>mit</strong>teldeutschen<br />

Ballungsraum als die »dynamischste Logistikregion<br />

Deutschlands«.<br />

Bestätigt wurde das durch das SCI-<br />

Logistikbarometer, das auf der Befragung<br />

von über 200 bedeutenden Logistikdienstleistern<br />

basiert. Leipzig richtet<br />

zudem seit einigen Jahren das Weltverkehrsforum<br />

aus, zu dem sich Fachminister<br />

und Logistikexperten aus allen Erdteilen<br />

auf dem Messegelände zu Strategiedebatten<br />

treffen.<br />

Besonders wird in der Fraunhofer-<br />

Studie die Infrastruktur hervorgehoben.<br />

Sie ermögliche es den Logistikunternehmen,<br />

am Markt zeitnah zu reagieren,<br />

heißt es. Das gelte für nahezu alle Nuancen<br />

der Logistik, freut sich Uwe Albrecht<br />

(CDU), Bürgermeister und zuständig für<br />

das Dezernat Wirtschaft und Arbeit in<br />

Leipzig. »Egal, ob es die klassische Logistik,<br />

die Logistik über Luftfracht oder die<br />

Logistik <strong>mit</strong> einer hohen Wertschöpfung<br />

vor Ort ist – alle Teilbereiche, die man<br />

sich in der Branche heutzutage vorstel-<br />

60 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


BERICHT<br />

MANAGER DES CHAOS: Cavit Yilmaz lässt sich von der Warenflut bei Amazon nicht aus der Ruhe bringen<br />

len kann, sind in Leipzig möglich«, betont<br />

er. Abstriche gebe es lediglich bei<br />

der Binnenschifffahrt.<br />

Einen Saalehafen hat immerhin das<br />

benachbarte Halle. Dessen Betreiber ist<br />

Mitglied im Netzwerk Logistik Leipzig-<br />

Halle. Das entstand 2008 aus zunächst<br />

20 Partnern. Mittlerweile weitete es sich<br />

bis Bitterfeld im Norden, Grimma im<br />

Osten und Weißenfels im Süden aus und<br />

wächst weiter. Unlängst wurde Mitglied<br />

Nr. 99 begrüßt. Die Bandbreite des Clusters<br />

erstreckt sich vom <strong>mit</strong>telständischen<br />

Unternehmen bis zum internationalen<br />

Konzern, umfasst das Cargo- und<br />

Speditionsgewerbe ebenso wie Datenverarbeiter<br />

und Immobilienunternehmen.<br />

Auch Personaldienstleister, Kommunen,<br />

Verbände und Kammern sind vertreten.<br />

Zudem engagiert sich eine Reihe von Forschungs-<br />

und Bildungseinrichtungen.<br />

BOOM BEI ANSIEDLUNGEN<br />

Gemeinsam sehen die Networker sich als<br />

»Motor für die Metropolregion«, wie es<br />

Dierk Näther, Chef des Airports Leipzig/<br />

Halle, nennt. Der Verbund zeigt seit Jahren<br />

gemeinsam auf Fachmessen Flagge,<br />

beispielsweise auf der Expo Real in München,<br />

der TransRussia in Moskau und der<br />

transport logistic China in Shanghai.<br />

»Das führte schnell zu einer größeren<br />

Wahrnehmung – regional, überregional<br />

und international«, hebt Vorstandsvorsitzender<br />

Toralf Weiße hervor. Um die<br />

Funktion von Leipzig/Halle als »europäische<br />

Distributionsscheibe« zu stärken,<br />

seien in Moskau und Shanghai Dependancen<br />

eröffnet worden.<br />

Alexander Nehm von der Fraunhofer-<br />

Arbeitsgruppe für Supply Chain Services,<br />

der die Standortstudie erstellte, lenkt<br />

besonders auf den Flughafen Halle/<br />

Leipzig hin. Mit seinem 24-Stunden-Betrieb,<br />

sieben Tage die Woche, sei er das<br />

»Rückgrat der Logistikregion«. Denn ein<br />

SCHWERGEWICHT: DHL startet durch<br />

triert auch Prof. Uwe Arnold, Vorstand<br />

des Logistiknetzwerks. So vergeht derzeit<br />

kaum eine Woche ohne neue Meldungen<br />

über Ansiedlungen von Logistikfirmen<br />

in der Region. Auch wenn manches eher<br />

als eine Art Kompensation zu sehen ist.<br />

Denn mehrere neue Investoren siedelten<br />

sich im alten Quelle-Komplex an. Das<br />

galt in den 1990er Jahren als modernstes<br />

Versandhaus der Welt – bis das fränkische<br />

Mutterhaus pleite ging.<br />

Zu den jüngsten Nachmietern gehören<br />

der Internethändler Momox, der 400<br />

Jobs schaffen will, die Logistikfirma Rudolph<br />

aus Kassel und ein für BMW tätiger<br />

Produzent und Zulieferer. Für diesen<br />

wurde unlängst reichlich Fläche akqui-<br />

Flughafen <strong>mit</strong> zwei voneinander unabhängigen<br />

Landebahnen, der »in den letzten<br />

Jahren seine Zuverlässigkeit selbst<br />

bei akuten Witterungsbehinderungen<br />

bewiesen« habe – das sei ein Faustpfand,<br />

um den andere den Raum Leipzig-Halle<br />

beneideten. Die Region habe sich da<strong>mit</strong><br />

»vom Spezialstandort für Logistikdienstleistungen<br />

zu einem branchenübergreifend<br />

agierenden Gateway von europäischer<br />

Bedeutung« entwickelt.<br />

»Immer mehr Unternehmen, die als<br />

Distributoren den gesamteuropäischen<br />

Markt erreichen möchten, kommen in<br />

die Region und investieren hier«, regisriert.<br />

Auf Sichtweite von Quelle-Areal<br />

und Neuer Messe wird für DB Schenker<br />

Logistics ein insgesamt 63.000 Quadratmeter<br />

großes Automotive-Logistikzentrum<br />

errichtet. Hier sollen 600 Beschäftigte<br />

dem BMW-Werk zuarbeiten.<br />

Als ein besonderes Logistik-Schwergewicht<br />

agiert seit 2008 am Airport Leipzig/Halle<br />

die Post-Tochter DHL. Das »neue<br />

Tor zur Welt« ist ein riesiger Hangar. Ein<br />

gigantisches Warenhaus sowie 260 Beund<br />

Entladeplätze für Air-Container<br />

bilden derzeit Europas modernsten Umschlagplatz<br />

für Luftfracht. Pro Werktag<br />

starten und landen 60 Frachtmaschinen,<br />

werden jeweils gut 1.500 Tonnen Fracht<br />

umgeschlagen. Die Zahl der Cargo-Mitarbeiter<br />

soll kurzfristig auf 3.500 steigen.<br />

Trotz aller Technik braucht es noch<br />

immer vieler Arme, um an Deutschlands<br />

längster Sortieranlage – rund 6.500 Meter<br />

– Stunde für Stunde 60.000 Pakete<br />

und 36.000 Briefe zu bearbeiten.<br />

ENGPASS BEI LOGISTIKFACHLEUTEN<br />

Im Sog der DHL-Ansiedlung landeten<br />

weitere Luftlogistiker in Schkeuditz, darunter<br />

die Aerologic GmbH – eine gemeinsame<br />

Tochter von Deutscher Lufthansa<br />

und Deutscher Post. Die Flotte von Aerologic<br />

besteht aus acht Frachtflugzeugen<br />

vom Typ Boeing 777. Da<strong>mit</strong> stellt das<br />

Luftfrachtaufkommen am Flughafen<br />

Leipzig/Halle regelmäßig neue Rekorde<br />

auf. Mittlerweile beträgt die jährliche<br />

Umschlagmenge knapp 700.000 Tonnen<br />

an Gütern. Knapp wird es zunehmend<br />

beim Personal, vor allem was ausgebildete<br />

Fachleute im Logistiksektor betrifft.<br />

Harald Lachmann<br />

VORSCHAU TEIL 2<br />

Im Mittelpunkt von Teil 2 unseres Berichts<br />

»Logistik in Mitteldeutschland«, der im<br />

April-Heft erscheint, steht unter anderem<br />

der Magdeburger Hafen.<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 61


UV-AKTUELL<br />

GESCHÄFTSSTELLEN<br />

der Unternehmerverbände<br />

Unternehmerverband Berlin e.V.<br />

Präsident: Armin Pempe<br />

Hauptgeschäftsführer: Andreas Jonderko<br />

Geschäftsstelle:<br />

Ingrid Wachter (Sekretariat)<br />

Frankfurter Alllee 202, 10365 Berlin<br />

Tel.: (030) 981 85 00, 981 85 01<br />

Fax: (030) 982 72 39<br />

E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />

Unternehmerverband Brandenburg e.V.<br />

Präsident: Eberhard Walter<br />

Hauptgeschäftsstelle Cottbus:<br />

Roland Kleint<br />

Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />

Tel.: (03 55) 226 58, Fax: 226 59<br />

E-Mail: uv-brandenburg-cbs@t-online.de<br />

Bezirksgeschäftsstelle Potsdam:<br />

Bezirksgeschäftsführer: Hans-D. Metge<br />

Hegelallee 35, 14467 Potsdam<br />

Tel.: (03 31) 81 03 06<br />

Fax: (03 31) 817 08 35<br />

Geschäftsstelle Frankfurt (Oder):<br />

Geschäftsführer: Detlef Rennspieß<br />

Perleberger Str. 2, 15234 Frankfurt (O.)<br />

Tel.: (03 35) 400 74 56<br />

Mobil: (01 73) 633 34 67<br />

Unternehmerverband Rostock und<br />

Umgebung e.V.<br />

Präsident: Frank Haacker<br />

Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />

Geschäftsstelle:<br />

Wilhelm-Külz-Platz 4, 18055 Rostock<br />

Tel.: (03 81) 242 58 -0, 242 58 -11<br />

Fax: 242 58 18<br />

Regionalbüro Güstrow:<br />

Am Augraben 2, 18273 Güstrow<br />

Tel.: (038 43) 23 61 12, Fax: 23 61 17<br />

Unternehmerverband Norddeutschland<br />

Mecklenburg-Schwerin e.V.<br />

Präsident: Rolf Paukstat<br />

Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />

Geschäftsstelle:<br />

Brunnenstraße 32, 19053 Schwerin<br />

Tel.: (03 85) 56 93 33, Fax: 56 85 01<br />

Unternehmerverband Thüringen e.V.<br />

Präsident: Peter Baum<br />

Geschäftsstelle:<br />

IHK Erfurt<br />

Arnstädter Str. 34, 99099 Erfurt<br />

Tel.: (03 681) 42 00 50, Fax: 42 00 60<br />

Unternehmerverband Vorpommern e.V.<br />

Präsident: Gerold Jürgens<br />

Leiter d. Geschäftsst.: Wolfgang Kastirr<br />

Geschäftsstelle:<br />

Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />

Tel.: (038 34) 83 58 23, Fax: 83 58 25<br />

Unternehmerverband Sachsen e.V.<br />

Präsident: Hartmut Bunsen<br />

Vizepräs.: Dr. W. Zill, Dr. M. Reuschel,<br />

U. Hintzen<br />

Geschäftsführer: Rüdiger Lorch<br />

www.uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Chemnitz:<br />

Leiterin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />

Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />

Tel.: (03 71) 49 51 29 12, Fax: -16<br />

E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Dresden:<br />

Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck<br />

Antonstraße 37, 01097 Dresden<br />

Tel.: (03 51) 899 64 67, Fax 899 67 49<br />

E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Leipzig:<br />

Leiterin: Silvia Müller<br />

Riesaer Straße 72 – 74, 04328 Leipzig<br />

Tel.: (03 41) 257 91-20, Fax: -80<br />

E-Mail: leipzig@uv-sachsen.org<br />

Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e.V.<br />

Präsident: Jürgen Sperlich<br />

Geschäftsstelle Halle/Saale<br />

Berliner Str. 130, 06258 Schkopau<br />

Tel.: (0345) 78 23 09 24<br />

Fax: (0345) 78 23 467<br />

UV Brandenburg<br />

Verband lädt zum Technologietag ein<br />

Schon zum neunten Mal veranstalten der Unternehmerverband des Landes<br />

gemeinsam <strong>mit</strong> der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU<br />

den TechnologieTagTeltow als Leistungsschau der regionalen Wirtschaft.<br />

Der TechnologieTagTeltow<br />

hat sich zu einer<br />

anerkannten Wirtschaftsveranstaltung<br />

in der<br />

Region entwickelt«, lobt Ralf<br />

Christoffers, brandenburgischer<br />

Minister für Wirtschaft<br />

und Europaangelegenheiten,<br />

in einem Grußwort die Veranstaltung.<br />

Er wird als Schirmherr<br />

am 23. März dieses Jahres<br />

zum Auftakt des Unternehmertreffens<br />

im pentahotel<br />

Berlin-Treptow sprechen. Der<br />

TechnologieTagTeltow 2012<br />

steht unter dem Motto:<br />

»Wachstumsmotor Mittelstand<br />

– Starke Unternehmen<br />

für eine starke Region«. Er<br />

will sich vor allem der Arbeitgebermarkenbildung<br />

(Employer<br />

Branding) und der<br />

Fachkräftesicherung widmen.<br />

Die Gäste werden unter anderem<br />

von Hermann Kühnapfel,<br />

Landesvorsitzender der MIT<br />

Mittelstands- und Wirt-<br />

schaftsvereinigung der CDU<br />

Brandenburg, und von Eberhard<br />

Walter, Präsident des Unternehmerverbandes<br />

des Landes,<br />

begrüßt.<br />

»<strong>Nur</strong> wenn es gelingt, Fachkräften<br />

Perspektiven in der<br />

Region zu bieten, werden<br />

auch die Unternehmen der<br />

Hauptstadtregion vom anhaltenden<br />

Aufschwung profitieren<br />

können«, so der Präsident.<br />

Nebenbei: Eberhard Walter<br />

JUBILAR Eberhard Walter.<br />

hat Mitte Februar in Cottbus<br />

seinen 60. Geburtstag gefeiert.<br />

Zu den Gratulanten zählten<br />

auch die UV-Präsidenten<br />

Hartmut Bunsen (Sachsen),<br />

Sprecher der Interessengemeinschaft<br />

der ostdeutschen<br />

Unternehmerverbände und<br />

Berlins, Rolf Paukstat (Norddeutschland<br />

Mecklenburg-<br />

Schwerin) und Jürgen Sperlich<br />

(Sachsen-Anhalt).<br />

Seine Dankesrede nutzte<br />

der Jubilar, um sich noch einmal<br />

gegen die Neugründung<br />

einer »Energieuniversität« in<br />

der Lausitz auszusprechen.<br />

Die Brandenburgische Technische<br />

Universität sei schon<br />

eine international anerkannte<br />

Marke, so Eberhard Walter.<br />

»22 Prozent ausländische Studierende<br />

an ihr sind dafür<br />

beredtes Zeugnis.« Namenswechsel<br />

und Neugründung<br />

würden die Uhr ohne Not<br />

zurückstellen.<br />

UV Sachsen<br />

Unterstützung für Firmen gefordert<br />

Traditionelles Treffen in Leipzig: Oberbürgermeister Burkhard Jung stand<br />

den Mitgliedern des UV Sachsen Rede und Antwort. Automobilbau und<br />

Logistik entwickeln sich positiv. Energie- und Bürokratiekosten zu hoch.<br />

Seit Jahren ein Höhepunkt<br />

des UV Sachsen: Das Unternehmergespräch<br />

<strong>mit</strong> dem<br />

Oberbürgermeister der Stadt<br />

Leipzig. Mit Burkhard Jung<br />

diskutierten UV-Präsident<br />

Hartmut Bunsen, IHK-Präsident<br />

Wolfgang Topf, Handwerkskammer-Präsident<br />

Ralf<br />

Scheler und der Vorsitzende<br />

des Vereins Gemeinsam für<br />

Leipzig, Dr. Mathias Reuschel.<br />

Jung zog vor 60 Unternehmern<br />

ein positives Fazit der<br />

wirtschaftlichen Entwicklung<br />

der Stadt und führte dafür<br />

den Ausbau der Automobilund<br />

Logistikbereiche als Beispiele<br />

an. Die Ansiedlungen<br />

hätten verstärkt Auswirkungen<br />

auf kleine und <strong>mit</strong>tlere<br />

Unternehmen, die durch Folgeaufträge<br />

direkt davon profitierten.<br />

Hartmut Bunsen<br />

bemängelte jedoch die fehlende<br />

Unterstützung der Unternehmen<br />

durch die Stadt und<br />

verwies auf die starken Belastungen<br />

durch Energie- und<br />

Bürokratiekosten, die sich bei<br />

der Kleinteiligkeit des Mittelstands<br />

bemerkbar machen.<br />

Dies seien negative Faktoren<br />

für ein weiteres Wachstum<br />

der sächsischen Wirtschaft.<br />

Als wesentlichen Kritikpunkt<br />

hob IHK-Präsident<br />

Wolfgang Topf die hohe<br />

Schulabbrecherquote hervor,<br />

die beim bestehenden Fachkräftemangel<br />

dringend auf<br />

die Agenda gesetzt werden<br />

muss. Bunsen forderte abschließend<br />

eine engere Zusammenarbeit<br />

Leipzigs <strong>mit</strong> dem<br />

Umland, um die wirtschaftliche<br />

Entwicklung weiter voranzutreiben.<br />

&<br />

62 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


W&M-PRIVAT<br />

BÜCHERBORD<br />

ZUKUNFTSFRAGEN<br />

Von den Mayas<br />

lernen<br />

Nein, die Welt wird am<br />

21. Dezember 2012 nicht untergehen,<br />

wie das der dann<br />

zu Ende gehende Maya-Kalender<br />

suggeriert. Die Philosophie<br />

der altamerikanischen<br />

Hochkultur hat uns mehr<br />

Zukunftshoffnungen hinterlassen<br />

als wir glauben. Ein<br />

Schweizer Soziologe analysiert,<br />

was wir heute noch lernen<br />

können von der straff<br />

geführten, auf Aus- und<br />

Weiterbildung setzenden<br />

Gesellschaftsform der Mayas.<br />

Gerade jetzt, da der demografische<br />

Wandel die westlichen<br />

Gesellschaften vor neue<br />

Herausforderungen stellt.<br />

Albert Stähli,<br />

Maya-Management.<br />

Lernen von<br />

einer Elitekultur,<br />

Frankfurter Allgemeine<br />

Buch, 240 Seiten,<br />

19,90 EUR<br />

Erde und<br />

Mensch<br />

Was halten wir eigentlich<br />

von unserer Erde? Haben wir<br />

nur ihre Ökosysteme durcheinander<br />

gebracht und eine<br />

Schneise der Verwüstung<br />

geschlagen? Oder ist unser<br />

Verhältnis zur Erde nicht<br />

eher als Erfolgsmodell zu beizeichnen,<br />

das – wenn wir <strong>mit</strong><br />

ihr nicht konkurrieren, sondern<br />

sinnvoll kooperieren –<br />

uns gerade jetzt eine großartige<br />

ökonomische und kulturelle<br />

Zukunft eröffnet? Australiens<br />

oberster Klimaschützer<br />

Tim Flannery versucht<br />

Antworten zu geben.<br />

Tim Flannery,<br />

Auf Gedeih und<br />

Verderb, S. Fischer<br />

Verlag, 368 Seiten,<br />

22,95 EUR<br />

HÖRBUCHFORUM auf der Leipziger Buchmesse 2011<br />

Leipziger Buchmesse<br />

Filme per Buchhandel<br />

Deutschlands Buchhändler erwarten für 2012<br />

einen Umsatz von mehr als sechs Milliarden Euro.<br />

Jetzt kommt der Verkauf von DVD-Filmen hinzu.<br />

Buchstadt Leipzig, das<br />

war einmal. In der deutschen<br />

Verlagslandschaft<br />

dominieren heute<br />

Adressen aus Berlin, Hamburg,<br />

Köln München und<br />

Stuttgart. Zumindest was die<br />

Großen der Branche betrifft.<br />

Aber Buchmesse Leipzig,<br />

das ist längst wieder ein Ereignis<br />

von nationalem und internationalem<br />

Rang. Mittlerweile<br />

auch geprägt vom Vormarsch<br />

der digitalen Medien.<br />

Neun DVD-Programmanbieter<br />

präsentieren auf der<br />

diesjährigen Leipziger Buchmesse<br />

vom 15. bis zum 18.<br />

März ihr Sortiment und die<br />

Blu-ray-Technik an einem gemeinsamen<br />

Stand, darunter<br />

Ascot Elite, Universal und<br />

Walt Disney. »Die Deutschen<br />

haben sich längst daran gewöhnt,<br />

Filme auch im Buchhandel<br />

zu kaufen«, weiß Oliver<br />

Zille, Direktor der Leipziger<br />

Buchmesse. »Wer den<br />

Einstieg ins Genre erwägt,<br />

kann geeignete Produkte am<br />

Stand der DVD- und Blu-ray-<br />

Anbieter finden.«<br />

Die klassischen Großverlage<br />

treten unterdessen immer<br />

ehrgeiziger im Digitalge-<br />

schäft auf. Die Kölner Verlagsgruppe<br />

Bastei Lübbe etablierte<br />

unter dem Namen »Digital<br />

First« einen speziellen Progammbereich<br />

für Erstveröffentlichung<br />

als App, E-Book,<br />

Audio-Download oder Read-&-<br />

Listen-Version. Der Bertelsmann<br />

Buchclub ist über die<br />

Onlineseiten von Club und<br />

Zeilenreich ins Geschäft <strong>mit</strong><br />

E-Books eingestiegen und offeriert<br />

bereits 50.000 elektronische<br />

Bücher. Zu diesem Sortiment<br />

gehören auch aktuelle<br />

Wirtschaftsbesteller wie die<br />

Biographie »Steve Jobs« von<br />

Walther Isaacson.<br />

Auch dem alt vertrauten<br />

gedruckten Buch widerfährt<br />

digitale Pflege. 33.333 Buchliebhaber<br />

können sich online<br />

registrieren lassen und aus<br />

einer Liste von 25 Büchern<br />

einen Titel auswählen, den sie<br />

insgesamt 30 Mal verschenken<br />

möchten – eine Aktion<br />

der Stiftung Lesen und des<br />

Börsenverein des Deutschen<br />

Buchhandels zum Welttag<br />

des Buches am 23. April: eine<br />

Million minus eins Bücher –<br />

von den Verlagen kostenlos<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Peter Jacobs<br />

URLAUBSTIPPS<br />

Landluft<br />

macht froh<br />

Trecker fahren, Pony reiten,<br />

Kühe füttern. Oder auch<br />

Inline-Skating, Blockbohlen-<br />

Sauna, Weinverkostung. Ein<br />

Aktivurlaub in deutschen<br />

Landen, das meinen Kenner,<br />

kann erholsamer und abenteuerlicher<br />

ausfallen als<br />

manche Reise in den verregneten<br />

Süden. Am Anfang<br />

stand eine wirtschaftliche<br />

Überlegung. Wie, so fragte<br />

man sich bei der Deutschen<br />

Landwirtschafts-Gesellschaft,<br />

ließe sich deutsche Wanderleidenschaft<br />

und Naturliebe<br />

für einen bäuerlichen Nebenerwerb,<br />

für die Entwicklung<br />

eines neuen ländlichen<br />

Betriebszweiges nutzen?<br />

1963 schuf sich die DLG einen<br />

Sonderausschuss Urlaub und<br />

Ferien auf dem Lande. 1972<br />

verteilte man zum ersten Mal<br />

das Gütezeichen Urlaub auf<br />

dem Bauernhof. Mit der deutschen<br />

Einheit kam für den<br />

Osten, wo eben erst wieder<br />

Familienbetriebe entstanden,<br />

ein spezielles Prüfzeichen für<br />

Landurlaub hinzu. Heute, im<br />

Jahr 2012 kann die DLG 1.400<br />

Ferienziele in deutschen Landen<br />

ausweisen, <strong>mit</strong> mehr als<br />

10.000 Urlaubsangeboten. Zur<br />

Orientierung gibt es den Reiseführer<br />

»Urlaub auf dem<br />

Bauernhof«. Einen 749-Seiten-<br />

Folianten <strong>mit</strong> präzisen Hofbeschreibungen<br />

von der Insel<br />

Rügen bis zum Bayrischen<br />

Wald. Mit Spezialangeboten<br />

von Reiterhöfen über Kneipp-<br />

Gesundheitsangebote bis zum<br />

Übernachten im Heu. Gruppenangebote<br />

und rollstuhlgerechte<br />

Unterkünfte inbegriffen.<br />

Das Buch erschien<br />

<strong>mit</strong>tlerweile in 47. Auflage.<br />

Urlaub auf dem<br />

Bauernhof,<br />

DLG-Verlag,<br />

749 Seiten, zahlr.<br />

Abb., eingelegte<br />

Landkarte,<br />

12,90 EUR<br />

64 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


W&M-PRIVAT<br />

LEUTE & LEUTE<br />

LESERPOST<br />

UV und Rösler<br />

Heft 01/02-2012<br />

Wirtschaftsminister Rösler in<br />

seinem zerknitterten Anzug<br />

auf dem Gruppenfoto <strong>mit</strong> den<br />

Unternehmern macht einen<br />

etwas hilflosen Eindruck. Seine<br />

Antworten auf die Fragen<br />

wirken genauso zerknirscht.<br />

Überproportional viele ZIM-<br />

Mittel für den Osten? Keine<br />

Zukunft für die Investitionszulage?<br />

Das ist doch die alte<br />

Leier. Vermutlich hatte er<br />

dabei weniger den weiteren<br />

Aufbau Ost, als vielmehr<br />

die Schuldenbremse im Kopf.<br />

Olaf Bräunig, per E-Mail<br />

Foto: dpa/Zentralbild, Karrikatur und Zeichnung: Rainer Schwalme<br />

Die Kanzlerin würde<br />

ihrem deutschen Volke<br />

das Leben gern erleichtern,<br />

hat dafür aber keine<br />

Zeit. Sie ist restlos da<strong>mit</strong><br />

ausgelastet, Bundespräsidenten<br />

zurückzutreten und Nachfolger<br />

zu casten. Um Christian<br />

Wulff zum Rücktritt zu bewegen,<br />

musste sogar die Staatsanwaltschaft<br />

<strong>mit</strong> der Brechstange<br />

nachhelfen. Immerhin<br />

hat sich Wulff bei seinem Abgang<br />

wenigstens noch um<br />

den deutschen Karneval verdient<br />

gemacht.<br />

Bundesweit war er in den<br />

Büttenreden <strong>mit</strong> Abstand Thema<br />

Nummer eins. Wann hat<br />

es das schon gegeben in diesem<br />

unserem Deutschland:<br />

Eine moralische Instanz, der<br />

Bundespräsident, gerät, wie<br />

er sagt, »in Stahlgewitter«. Er<br />

flunkert am laufenden Band,<br />

vielleicht lügt er sogar, und<br />

steckt bis Unterkante Oberlippe<br />

in einer Glaubwürdigkeitslücke.<br />

Auch gegen die Pressefreiheit,<br />

die ein hohes Gut ist,<br />

versündigt er sich. Die Kölner<br />

Jecken aber sind häppi über<br />

die so genannte Causa Wulff;<br />

denn diese beschert ihnen<br />

gratis jede Menge Gags und<br />

Brüller. Die Büttenredner verklären<br />

Wulff zum Schlossgespenst<br />

von Bellevue, zum<br />

Schaf im Wulffspelz oder,<br />

weil er so fest am Sessel klebt,<br />

zum Pattex-Präsidenten.<br />

Der Nächste,<br />

bitte!<br />

Ernst Röhl fordert<br />

Ehrensold für<br />

Christian Wulff<br />

Größer und größer wurde<br />

die Zahl der Feinde, die seinen<br />

Rücktritt verlangten.<br />

Doch trotz Lug und Trug und<br />

Durchstecherei genoss er lange<br />

Wochen Muttis »vollstes«<br />

Vertrauen. Lange drückte die<br />

Kanzlerin beide Augen zu,<br />

bis sie schmerzlich erkannte,<br />

dass er die ganze Innung blamiert.<br />

Nach Köhler ist Wulff<br />

schon der zweite Präsident<br />

ihres Herzens, der den Weg<br />

des Duisburger Love-Parade-<br />

Bürgermeisters geht. Im Gegensatz<br />

zu Sauerland aber hat<br />

Wulff gemäß BPräsRuhebezG<br />

(Gesetz über die Ruhebezüge<br />

des Bundespräsidenten) lebenslang<br />

Anspruch auf einen<br />

jährlichen Ehrensold in Höhe<br />

seiner Bezüge von 199.000<br />

Euro plus Büro und Chauffeur.<br />

Diesen Ehrensold sollten<br />

ihm die Staatsanwälte, die<br />

ihn verfolgen, auf keinen Fall<br />

entziehen; denn dann wäre er<br />

ja wieder auf dubiose Privatkredite<br />

angewiesen.<br />

Ein Glück nur, dass an<br />

Wulff-Nachfolgern kein Mangel<br />

war. Zahllose Kandidaten<br />

standen bereit, unverzüglich<br />

ins verwaiste Schloss Bellevue<br />

nachzurücken. Philipp Rösler<br />

etwa, der einschlägige Erfahrungen<br />

als Oldenburger<br />

Grünkohlkönig <strong>mit</strong>bringt,<br />

wäre allemal ein erstklassiger<br />

Konsenskandidat gewesen.<br />

Ursula von der Leiharbeit hatte<br />

sich <strong>mit</strong> gequältem Lächeln<br />

in Stellung gebracht. Thomas<br />

Gottschalk war auch gerade<br />

frei. Markus Lanz stand als<br />

neuer Grüßaugust bereit, wetten<br />

dass! Auch Kerner, Carmen<br />

Nebel und Dirk Nowitzki.<br />

Schade nur, dass Günther<br />

Jauch nicht mehr für lumpige<br />

199.000 Peanuts arbeitet. Die<br />

Kanzlerin, das wahre deutsche<br />

Staatsoberhaupt, durchkreuzte<br />

alle eitlen Hoffnungen<br />

und erhörte nach theatralischem<br />

Zaudern den Ruf<br />

der Bildzeitung: »Gebt uns<br />

Gauck!«<br />

Wohin aber denn nun <strong>mit</strong><br />

Wulff? Das Beste wird sein,<br />

die EU in Brüssel stellt ihn –<br />

nach der von-und-zu-Guttenberg-Logik<br />

– als Korruptionsberater<br />

ein. Toi, toi, toi … &<br />

Wutbürger<br />

Heft 01/02-2012<br />

Sehr begrüße ich den Hinweis<br />

von IG-Sprecher Bunsen, dass<br />

die neuen Länder für den Abtransport<br />

ihres Überschusses<br />

an erneuerbarer Energie nach<br />

Bayern oder Hessen nicht <strong>mit</strong><br />

den Kosten belegt werden dürfen.<br />

Die Erdöllieferanten des<br />

Nahen Ostens werden ja auch<br />

nicht zur Kasse gebeten, wenn<br />

eine Pipeline nach Europa gebaut<br />

wird.<br />

Conrad Kutschmar, Hanau<br />

Flassbeck<br />

Heft 101/02-2012<br />

Rezession und Deflation als<br />

Gefahrenpotenzial für schwere<br />

politische Verwerfungen und<br />

Gefährdung der Demokratie –<br />

da denkt man jetzt vor allem<br />

an Griechenland. Aber vergessen<br />

wir nicht: In Deutschland<br />

kam es einstmals noch viel<br />

schlimmer: 1932/33!<br />

Dr. Hansjörg Boldt, Eisenach<br />

Steuersenkung<br />

Heft 01/02-2012<br />

Dass die Hotelbranche zufrieden<br />

ist <strong>mit</strong> der Halbierung der<br />

Mehrwertsteuer, hat man sich<br />

denken können. Den Kleinen,<br />

den »Mamma-und Papa-Betrieben«,<br />

sei es ja auch gegönnt.<br />

Aber wäre es nicht besser<br />

gewesen, die Branchenriesen<br />

davon auszunehmen?<br />

Ina Reimann, Cottbus<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 03/12 65


KOLUMNE<br />

Mehr politische Zivilcourage<br />

Als die Mauer im November 1989 im<br />

wahrsten Sinn des Wortes ȟber<br />

Nacht« fiel, traf das Faktum offener<br />

Grenzen die Bürger und die Regierung<br />

der DDR völlig unvorbereitet. Mehr<br />

als 35 Jahre zuvor, am 17. Juni 1953, hatten<br />

in der DDR Arbeiter und Angestellte<br />

zuletzt den Versuch unternommen, Einfluss<br />

auf Politik und Wirtschaft ihres<br />

Staates zu gewinnen. Ungarn 1956; Prag<br />

1968; Danzig 1981: alle späteren Versuche<br />

im Ostblock scheiterten ebenfalls.<br />

In den Staaten Osteuropas, inklusive<br />

Russland, müssen nun die Menschen für<br />

den ideologischen Unsinn der kommunistischen<br />

Politik bis in diese Tage büßen.<br />

Dabei waren die Menschen in Leipzig,<br />

Budapest, Prag oder Danzig gewiss nicht<br />

weniger fähig als ihre Nachbarn in München,<br />

Kopenhagen, Amsterdam oder<br />

Wien. Nun erleben wir aber, dass auch<br />

die Länder des ehemals sogenannten<br />

»Westens« von schweren Verwerfungen<br />

betroffen sind. Auch deren Ursachen liegen<br />

Jahrzehnte zurück und haben ihre<br />

entscheidenden Wurzeln in der Politik.<br />

Der bedeutende deutsche Unternehmer<br />

und Politiker Walter Rathenau formulierte<br />

vor gut 100 Jahren: »Die Wirtschaft<br />

ist unser Schicksal«. Ich ergänze diese<br />

Einsicht gerne so: »...und die Politik ist<br />

das Schicksal der Wirtschaft!«<br />

Es ist nämlich immer die Politik, die<br />

den Boden für eine erfolgreiche Wirtschaft<br />

bereiten muss und die auch die<br />

Richtung bestimmt, in der sich die Wirtschaft<br />

entwickeln wird. Wie bedeutsam<br />

Politik für Wirtschaft und Gesellschaft<br />

ist, das sehen wir bis heute deutlich am<br />

unterschiedlichen Schicksal der beiden<br />

Teile Deutschlands, Ost und West. Und<br />

auch, wie langfristig diese Wirkung der<br />

Politik sein kann.<br />

Auch die Schuldenprobleme in der<br />

Eurozone sind weniger die Folge gieriger<br />

Banker als oft kenntnisloser, oberflächlicher<br />

oder auch opportunistischer Politiker.<br />

Sicherlich, die Finanzkrise 2006/<br />

2007, die in den USA ihren Anfang nahm<br />

und von einer profitsüchtigen Finanzwirtschaft<br />

vorangetrieben wurde, hat die<br />

Probleme der Staatsverschuldung verschärft.<br />

Aber niemand sollte sich einbilden,<br />

dass es zukünftig genügen wird,<br />

den Banken genauer auf ihre kreditwilligen<br />

Finger zu schauen. Denn, wie inzwischen<br />

auch dem naivsten Bankenfeind<br />

klar geworden sein muss: Es sind die<br />

Kräfte der Politik, die sich allzu oft vor<br />

ZUR SACHE<br />

Betrachtung<br />

zur wirtschaftlichen Lage<br />

Von Dr. Klaus von Dohnanyi<br />

den Einsichten in die weltökonomischen<br />

Notwendigkeiten drücken. Es geht eben<br />

nicht nur um Regulierung des Bankenwesens:<br />

Es geht auch um eine neue »Regulierung«<br />

und bessere Organisation der<br />

Politik! Der Euro-Fiskalpakt ist ein gutes<br />

Beispiel in dieser Richtung.<br />

Griechenland hat in den letzten Monaten<br />

gezeigt, wie wichtig dort eine bessere<br />

»Regulierung« der Politik wäre.<br />

Denn, anstatt sich <strong>mit</strong> der realen Lage<br />

und ihren Ursachen zu beschäftigen,<br />

wurden von griechischen Politikern <strong>mit</strong>ten<br />

in der lebensbedrohenden Krise die<br />

Probleme des eigenen Landes einfach auf<br />

Deutschland geschoben: Frau Merkel<br />

schmückte die Tagespresse in Nazi-Uniform<br />

und Gewerkschaften wie ihre populistischen<br />

Unterstützer lehnten zugleich<br />

jeden rationalen Dialog <strong>mit</strong> denjenigen<br />

ab, die doch dem Land sachbezogen zu<br />

Hilfe eilen wollten.<br />

Dabei mag es sehr wohl Meinungsverschiedenheiten<br />

über manche Sanierungsvorschläge<br />

aus Brüssel geben. Sparen<br />

allein wird weder Griechenland noch<br />

irgendein anderes Land der überschulde-<br />

ten Eurozone wieder auf die Beine stellen.<br />

Insofern konnte es Einwände gegen<br />

Lohn- und Rentenkürzungen geben. Aber<br />

dann hätten von jedem verantwortungsvollen<br />

Gegner der Brüsseler Sparpolitik<br />

andere Vorschläge gemacht werden müssen.<br />

Zum Beispiel: längere Arbeitszeiten<br />

bei gleichem Monatseinkommen; Streichung<br />

von Urlaubs- und Feiertagen ohne<br />

Lohnausgleich; Lohnstopp (wie jetzt vereinbart)<br />

für eine längere Zeit; größere<br />

Ausbildungsbereitschaft in den Betrieben<br />

und Verwaltungen ohne Mehrkosten<br />

für den Staat; und so fort.<br />

Was nicht nur in der griechischen Politik,<br />

sondern auch in anderen Staaten<br />

der Eurozone seit Jahren vermisst wird,<br />

ist ein kenntnisreicher und mutiger Umgang<br />

<strong>mit</strong> den wirtschafts- und sozialpolitischen<br />

Konsequenzen des globalen<br />

Wettbewerbs. Die Gier der Banker wurde<br />

zu einer bequemen Ausrede für die faktenscheuen<br />

und von sozialen Tabus umstellten<br />

Politiker. Niemand sollte diese allerdings<br />

schelten, nur weil sie auch auf<br />

Umfragen und Wahlaussichten blicken:<br />

Schließlich kann man ohne Stimmen sowenig<br />

Politik machen, wie ein Unternehmer<br />

ohne das »Kapital« von Märkten und<br />

Finanzierungen erfolgreich sein kann.<br />

Aber gerade deswegen ist eine frühe und<br />

mutige Aufklärung der Bürger über die<br />

Folgen grenzfreier weltwirtschaftlicher<br />

Konkurrenz unerlässlich.<br />

Es ist mir daher schwer verständlich,<br />

wie die deutsche Sozialdemokratie heute<br />

den illusionären französischen Präsidentschaftskandidaten<br />

Hollande unterstützen<br />

kann. War es doch Frau Merkel<br />

gerade erst mühsam gelungen, Präsident<br />

Sarkozy von den positiven Folgen der<br />

deutschen (und sozialdemokratischen!)<br />

»Agenda 2010« zu überzeugen. Der SPD-<br />

Kanzler Schröder hatte sie auf den Weg<br />

gebracht; das zunächst unpopuläre Maßnahmenpaket<br />

wurde von der Opposition<br />

im Bundesrat <strong>mit</strong>getragen, kostete aber<br />

Schröder die Kanzlerschaft. Ihn lud nun<br />

Sarkozy in das Elysée ein, um zu lernen.<br />

Und da wollen die deutschen Sozialdemokraten<br />

den französischen Gegner dieser<br />

erfolgreichen deutschen Politik,<br />

Hollande, unterstützen? Purer, parteipolitischer<br />

Opportunismus.<br />

Wir sollten aufhören, über zu wenig<br />

politische Zivilcourage in der deutschen<br />

Historie zu lamentieren, und Zivilcourage<br />

praktizieren! Das würde belegen: Wir<br />

haben aus der Geschichte gelernt. &<br />

66 WIRTSCHAFT & MARKT 03/12


Erste deutsche Dampflokomotive »Saxonia«<br />

Konstrukteur: Prof. Johann Andreas Schubert<br />

Deutschland, Wernesgrün (Vogtland),1838<br />

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in Chemnitz, Dresden, Erfurt, Halle,<br />

Leipzig und Magdeburg.<br />

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Mit der regional verwurzelten Sachsen Bank.<br />

Die Dampflokomotive steht für Antriebskraft und Fortschritt. So<br />

wie die Sachsen Bank <strong>mit</strong> ihrem leistungsstarken und zukunftsweisenden<br />

Produkt- und Dienstleistungsangebot. Als ein Unternehmen<br />

der LBBW-Gruppe bieten wir unseren Kunden in Mitteldeutschland<br />

die umfassende Kompetenz eines erfahrenen, flexiblen Finanz dienst-<br />

leisters und die besondere Kundennähe einer eigenständig agierenden<br />

Regionalbank. Die spezifischen Anforderungen <strong>mit</strong>telständischer<br />

Unternehmen sind uns bestens vertraut. Weitere Informationen unter<br />

www.sachsenbank.de<br />

Ein Unternehmen der LBBW-Gruppe


Als Selbstständiger<br />

hat man es manchmal<br />

ziemlich schwer.<br />

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Auf der CeBIT, 06.–10.03.2012<br />

Halle 2, Stand A54

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