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WIRTSCHAFT+MARKT Standortplus Mitte (Vorschau)

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A 40799 ■ ISSN 0863-5323 ■ 22. Jahrgang ■ September 2011 ■ Preis: EURO 3,50<br />

Wirtschaft&Markt<br />

Wirtschaft&Markt<br />

DAS OSTDEUTSCHE WIRTSCHAFTSMAGAZIN<br />

KAUFLAUNE<br />

Konsum in Weimar<br />

AUTORAUSCH<br />

Ausstellung in Frankfurt<br />

WAHLSTIMMUNG<br />

Visite in Schwerin und Berlin<br />

Ministerpräsident Reiner Haseloff:<br />

<strong>Standortplus</strong> <strong>Mitte</strong>


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Eine Region geht mit Dynamik sowie Zuversicht an den<br />

Start und wir sind dabei. Gemeinsam mit unseren kommunalen<br />

Partnern in der Gemeinde Schönefeld und<br />

dem Umland packen wir mit an, um der Region neue<br />

Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Viel haben wir dabei<br />

schon erreicht und mindestens ebenso viel haben wir<br />

uns noch vorgenommen. Für die zuverlässige Energieversorgung<br />

des Flughafens Berlin Brandenburg Willy<br />

Brandt BER leisten wir mit unseren neuen, im Sommer<br />

2011 gestarteten Energiezentralen einen wichtigen<br />

Beitrag. Und auch für die erfolgreiche wirtschaftliche<br />

Entwicklung des Flughafenumlandes haben wir zusammen<br />

mit den Kommunen durch den gezielten Ausbau<br />

der Energienetze eine solide Basis gelegt.<br />

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Mobilfunkpreise max. 42 ct/Min.


EDITORIAL<br />

Handwörterbuch Außenwirtschaft<br />

Wo sind die Mücken?<br />

GER|MA|NY<br />

TRADE|&|IN|VEST *<br />

<br />

HELFRIED LIEBSCH<br />

Chefredakteur<br />

*<br />

Germany Trade & Invest<br />

ist die Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />

der Bundesrepublik Deutschland.<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

gewiss haben Sie bemerkt, dass es in diesem<br />

Jahr kaum mal nötig war, die Frontscheiben<br />

nach schneller Autobahnfahrt<br />

von Insektenresten zu reinigen. War der<br />

Sommer zu nass, liegts’s an den Umweltgiften,<br />

kommen die Mücken noch? Wie<br />

auch immer – sie fehlen.<br />

Kaum zu bemerken war dagegen, dass<br />

die hiesigen Bundespolitiker ins Sommerloch<br />

abgetaucht waren. Möglicherweise<br />

haben sie ja vermeint, durch ihre<br />

Abwesenheit zur Beruhigung der internationalen<br />

Lage beizutragen.<br />

In diesem Verdacht hat mich ein Mitglied<br />

der Bundesregierung bestärkt, das<br />

sich – hinter vorgehaltener Hand – fragte,<br />

ob sich Politik nicht überschätze. Wir<br />

sollten, so der Mann, in der Politik eine<br />

neue Bescheidenheit entwickeln und<br />

anerkennen, dass in einem marktwirtschaftlichen<br />

System nicht alles mit Regierungsvorgaben<br />

zu steuern ist. Deren<br />

Agieren hänge stark von Wählererwartungen<br />

ab. Man könne sich wohl Ziele<br />

setzen, aber auf dem Wege seien auch<br />

ganz andere Optionen möglich. Die<br />

Marktwirtschaft baue auf den Sachverstand<br />

von Hunderttausenden von Akteuren<br />

und nicht allein auf die Klugheit von<br />

622 Bundestagsabgeordneten.<br />

Eine bedenkenswerte oder bedenkliche<br />

Ansicht? Wohl beides. Gewiss überschätzt<br />

sich Politik ständig. Noch schlimmer,<br />

wenn sich das in Profilierungssucht,<br />

Voluntarismus äußert. Die Mehrheit<br />

der Deutschen hält unterdessen die<br />

Regierungspartei FDP in Steuerfragen<br />

für ähnlich inkompetent wie die Linke.<br />

Wenn auch niemand etwas dagegen hätte,<br />

weniger Steuern zu zahlen, für zwei<br />

von drei Bundesbürgern ist Schuldenabbau<br />

wichtiger als die von Schwarz-gelb<br />

angekündigten Steuersenkungen. Selbst<br />

CDU-Politiker stellen sich quer (S. 10). Besonders<br />

fatal wird es aber, wenn der Regulierungseifer<br />

im Lande einhergeht mit<br />

dem Deregulierungsmantra bei globalen<br />

Problemen. Jahrelang wurde die Entfesselung<br />

der Marktkräfte gefeiert, jeder<br />

regulatorische Eingriff befehdet und seine<br />

Befürworter für ewiggestrig erklärt.<br />

Die Politiker sind aus dem Sommerloch<br />

zurück. Schön. Schöner wäre es,<br />

wenn angesichts dessen, dass Rating-<br />

Agenturen ganze Volkswirtschaften ins<br />

Wanken bringen, von Rückkehr der Politik<br />

gesprochen werden könnte. Jenseits<br />

von Aktionismus und Schockstarre. Unser<br />

Kolumnist Heiner Flassbeck liefert<br />

dafür eine ironische Vision (S. 30). Die<br />

Richtung stimmt. Auf eine Mückenplage<br />

kann man gut verzichten – und wer will<br />

schon von den vielbeschworenen»volatilen<br />

Märkten« regiert werden?<br />

Herzlichst<br />

Ihr<br />

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Beauftragten der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer aufgrund eines<br />

Beschlusses des Deutschen Bundestages.


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INHALT<br />

WIRTSCHAFT & MARKT<br />

im September 2011<br />

REPORT PORTRÄT SPECIAL<br />

SEITE 46 SEITE 42<br />

SEITE 54<br />

BRANDENBURG:<br />

In Potsdam wächst ein neuer Landtag.<br />

THÜRINGEN:<br />

Schlemmerteam nutzt das Internet.<br />

MECKLENBURG-VORPOMMERN:<br />

Auf dem Weg zur Gesundheitsregion.<br />

Editorial<br />

Aktuell<br />

3<br />

6<br />

Wo sind die Mücken?<br />

Interview, Nachrichten, Pro und Contra, Impressum<br />

Wirtschaft und Politik<br />

Serie<br />

TITEL<br />

10<br />

14<br />

REINER HASELOFF, Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, zu Steuersenkungsplänen,<br />

Standortvorteilen und zum Vorhaben, familienfreundlichstes Land zu werden<br />

MARKEN-MACHER-MÄRKTE Konsum-Chefin Sigrid Hebestreit: Nur wer sich ändert,<br />

bleibt sich treu<br />

Fotos: DPA/ZB, H. Lachmann, Tourismus GmbH Graal-Müritz<br />

Thema<br />

Report<br />

Special<br />

Sonderveröffentlichung<br />

W&M-Service<br />

Porträt<br />

W&M Privat<br />

Ständige Rubriken<br />

Kolumnen<br />

WAHL<br />

EXTRA<br />

18<br />

20<br />

22<br />

23<br />

46<br />

47<br />

26<br />

42<br />

32<br />

48<br />

54<br />

57<br />

56<br />

30<br />

58<br />

DIE HAUPTSTADT VOR DER WAHL: Der Krampf um Berlin<br />

LANDTAGSWAHL IN MECKLENBURG-VORPOMMER: Regierungschef gibt den doppelten<br />

Sellering<br />

LORENZ CAFFIER, Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns und Landesvorsitzender<br />

der CDU, über schlagkräftige Verwaltungen und Freiräume für die Wirtschaft<br />

HELMUT HOLTER, Linke-Fraktionschef im Landtag Mecklenburg-Vorpommern,<br />

zu politischer Kultur und öffentlich bezahlten Jobs<br />

LANDTAGSNEUBAU IN POTSDAM: Unverrückbarer Fakt<br />

NACHGEFRAGT BEIM MINISTER: Zeitverzug und zähes Verhandeln<br />

IAA FRANKFURT 2011: Zukunft serienmäßig<br />

GESUNDHEITSWIRTSCHAFT: Jobmotor von morgen?<br />

REGIONALE WACHSTUMSKERNE BRANDENBURG<br />

Steuern, Recht, Geld<br />

THÜRINGER SPEZIALITÄTEN: Auf Schlemmerkurs<br />

Leute & Leute, English at Work<br />

UV-Aktuell: Nachrichten aus den Unternehmerverbänden<br />

HEINER FLASSBECK: Wie die Welt verrückt und wieder vernünftig wurde<br />

KLAUS VON DOHNANYI: Europa – trotz Eurokrise!<br />

Inhalt<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 5


AKTUELL<br />

Fotos: Deutsche Bank, DPA/Zentralbild, T. George<br />

INTERVIEW<br />

DR. KURT<br />

HORNSCHILD,<br />

Ex-Leiter der Abteilung<br />

Innovation, Industrie,<br />

Dienstleistung im DIW<br />

Berlin, Vorsitzender<br />

der Jury von ZIMNEMO<br />

Neues Element<br />

W&M: Herr Dr. Hornschild, Sie analysieren<br />

laufend die Innovationspolitik<br />

für den <strong>Mitte</strong>lstand, warum?<br />

HORNSCHILD: Staatliche Förderung<br />

ist nur gerechtfertigt,<br />

wenn dem Aufwand ein entsprechender<br />

volkswirtschaftlicher<br />

Ertrag gegenübersteht.<br />

W&M: Wie fällt das Ergebnis für<br />

das zentrale Innovationsförderprogramm<br />

für den <strong>Mitte</strong>lstand aus?<br />

HORNSCHILD: Positiv! In dem<br />

Programm sind mit ZIM-SOLO,<br />

ZIM-KOOP und ZIM-NEMO die<br />

Hauptelemente der KMU-Innovationsförderung<br />

der letzten<br />

30 Jahre zusammengefasst. Das<br />

eigentlich neue Element ist ZIM-<br />

NEMO zur Förderung von innovativen<br />

Netzwerken.<br />

W&M: Was ist die Besonderheit?<br />

HORNSCHILD: Kleinere innovative<br />

Unternehmen können sich<br />

nur am Markt durchsetzen,<br />

wenn sie die Fähigkeit zur Kooperation<br />

haben und sich in<br />

Netzwerkstrukturen einbringen.<br />

In den bislang knapp 160 geförderten<br />

Netzwerken sind mehr<br />

als 1.500 Unternehmen und<br />

rund 250 wissenschaftliche Institutionen<br />

als Partner integriert.<br />

W&M: Warum ist das so wichtig?<br />

HORNSCHILD: Die Märkte verlangen<br />

zunehmend Problemlösungen,<br />

bei denen mehrere Technologien<br />

auf neuestem Stand<br />

beherrscht, zu Innovationen zusammengefügt<br />

und als komplexes<br />

Paket – bestehend aus Produkt<br />

und Dienstleistungen – angeboten<br />

werden.<br />

W&M: Was kostet das Programm?<br />

HORNSCHILD: Vergleichsweise<br />

wenig. Die Fördersumme ist mit<br />

im Durchschnitt weniger als<br />

150.000 Euro pro Netzwerk in<br />

der für die Weichenstellung des<br />

Netzwerks entscheidenden Phase<br />

eins sehr gering.<br />

Interview: Thomas Bencard<br />

Konjunkturumfrage<br />

92 Prozent Optimisten<br />

Der ostdeutsche Maschinen- und Anlagenbau<br />

befindet sich weiterhin auf der Überholspur<br />

Lernhilfe Wasser<br />

TRADITIONSMARKEN<br />

800 Schüler im sächsischen<br />

Frankenberg tranken vor den<br />

Sommerferien 30 Tage lang<br />

insgesamt 12.000 Liter Mineralwasser<br />

– während des Unterrichts<br />

und kostenlos. Die Auswertung<br />

des Pilotprojekts der<br />

Lichtenauer Mineralquellen<br />

GmbH ergab, dass sich Konzentration<br />

und Reaktionsvermögen<br />

vieler Schüler erhöhten. Der<br />

Marktführer in den neuen Bundesländern<br />

(u. a. Margon und<br />

Vita Cola) brachte den Sommer<br />

über täglich mehr als 1,5 Millionen<br />

Liter erzgebirgisches<br />

Tiefenwasser auf den Markt.<br />

Im vergangenen Jahr setzte er<br />

50 Millionen Euro um.<br />

BEVÖLKERUNGSSCHWUND<br />

Laut Ostdeutschem Bankenverband e. V. sinkt der Anteil der<br />

Erwerbsfähigen bis 2030 von 66 auf 56 Prozent (in Millionen)<br />

21,0<br />

18,0<br />

15,0<br />

12,0<br />

9,0<br />

6,0<br />

3,0<br />

0,0<br />

Eine Konjunkturumfrage<br />

unter den 350 Mitgliedern<br />

des VDMA-<br />

Landesverbandes Ost ergab,<br />

dass 92 Prozent der Unternehmen<br />

des Maschinen- und<br />

Anlagenbaus im dritten Quartal<br />

bessere oder mindestens<br />

gleichbleibende Geschäfte erwarten<br />

wie im Quartal zuvor.<br />

42 Prozent der Firmen wollen<br />

bis Jahresende neue Mitarbeiter<br />

einstellen. Schwierig<br />

gestaltet sich derzeit noch die<br />

Lage im Druck- und Druckverarbeitungsgewerbe.<br />

Häufig<br />

beklagt wird der Mangel an<br />

qualifiziertem Personal.<br />

Heilsame Natur<br />

Kamille und Schafgarbe sind<br />

die Hauptbestandteile des<br />

Pharma-Klassikers aus DDR-<br />

Zeiten namens Kamillan. Das<br />

rezeptfreie pflanzliche Arzneimittel<br />

wird seit mehr als<br />

40 Jahren in den Wernigeröder<br />

Extraktions- und Konfektionierungsanlagen<br />

hergestellt<br />

– von der Droge bis zum<br />

Fertigprodukt. 97 Mitarbeiter<br />

erwirtschaften jährlich mehr<br />

als zehn Millionen Euro Umsatz.<br />

Neben Kamillan werden<br />

in der Harz-Stadt mehr als<br />

150 weitere Arzneimittel hergestellt<br />

und mittlerweile in<br />

18 Länder exportiert.<br />

■ 0–15 ■ 15–65 ■ 65 u. älter<br />

2010 2015 2020 2025 2030<br />

MIT DER SCHRUMPFENDEN EINWOHNERZAHL geht in Ostdeutschland<br />

eine Veränderung der Altersstruktur einher. Der Anteil der über<br />

65-Jährigen steigt von einem Viertel auf ein Drittel.<br />

AUS DEN LÄNDERN<br />

Sachsen<br />

Das Geschäftsvolumen der Sächsischen<br />

Landesbank kletterte erstmals<br />

auf mehr als vier Milliarden<br />

Euro. Die Überschüsse stiegen im<br />

ersten Quartal um 17 Prozent auf<br />

17,5 Millionen Euro. Neue Regionalstellen<br />

entstanden in Chemnitz,<br />

Erfurt und Magdeburg. Die Bank will<br />

sich zum führenden <strong>Mitte</strong>lstandsfinanzierer<br />

der Region entwickeln.<br />

Wichtigste Branchen sind die<br />

Autoindustrie, der Maschinenbau<br />

und die Solarenergie.<br />

Wissenschaftler der isw Gesellschaft<br />

für wissenschaftliche Beratung<br />

und Dienstleistung mbH in<br />

Halle (Saale) haben in einer breit<br />

angelegten Studie alle 536 deutschen<br />

Wirtschaftswettbewerbe<br />

miteinander verglichen. Das Resultat:<br />

Der von der Leipziger Oskar-<br />

Patzelt-Stiftung vergebene Große<br />

Preis des <strong>Mitte</strong>lstandes gilt als<br />

Deutschlands wichtigster Wirtschaftspreis.<br />

Thüringen<br />

Die größeren Thüringer Industriebetriebe<br />

zählten am Ende des<br />

zweiten Quartals 2011 über<br />

132.000 Beschäftigte. Das waren<br />

gut 8.000 mehr als ein Jahr zuvor.<br />

Mit einem Plus von mehr als sechs<br />

Prozent lag der Freistaat deutlich<br />

über dem gesamtdeutschen Durchschnitt<br />

von 2,4 Prozent.<br />

Brandenburg<br />

Sechs Monate vor dem Auslaufen<br />

des Zukunftsinvestitionsgesetzes<br />

zum 31. Dezember 2011 waren in<br />

Brandenburg 1.999 mit <strong>Mitte</strong>ln aus<br />

dem Konjunkturpaket II geförderte<br />

Vorhaben realisiert. Als größtes<br />

bislang abgeschlossene Projekt gilt<br />

die Dreifeld-Sporthalle in Schwedt/<br />

Oder mit einem Investitionsvolumen<br />

von 2,7 Millionen Euro, gefolgt von<br />

der energetischen Sanierung der<br />

Astrid-Lindgren-Grundschule in<br />

Spremberg (Spree-Neiße) für rund<br />

2,3 Millionen Euro. In beiden Fällen<br />

kam der Hauptbetrag aus dem<br />

Konjunkturpaket. Die Kommunen<br />

sind ebenfalls beteiligt.<br />

Mehr als 300 Filme werden jährlich<br />

in der Medienregion Berlin/Brandenburg<br />

produziert. Um die Finanzierungsmöglichkeiten<br />

weiter zu<br />

verbessern, hat die Investitionsbank<br />

des Landes Brandenburg (ILB)<br />

mit Unterstützung des Potsdamer<br />

Wirtschaftsministeriums ein neues<br />

Darlehensprogramm aufgelegt. Es<br />

soll der Schließung von Finanzierungslücken<br />

bei Filmen dienen, die<br />

in der Region produziert werden.<br />

6 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


AKTUELL<br />

WIRTSCHAFTSBILD<br />

DES MONATS<br />

NACHGEFRAGT<br />

Gold fürs Depot?<br />

Der Goldpreis stieg seit<br />

Anfang 2011 um mehr als<br />

45 Prozent. Dr. Ulrich<br />

Stephan, Global Chief<br />

Investment Officer Privatund<br />

Geschäftskunden der<br />

Deutschen Bank, rät Anlegern<br />

dennoch von massiven<br />

Goldkäufen ab.<br />

NACHTS LEBT DER AIRPORT: Gut eine Viertelmillion Sendungen werden von den DHL-Mitarbeitern<br />

auf dem Flughafen Leipzig/Halle pro Werktag umgeschlagen. Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für<br />

den unter sinkenden Passagierzahlen leidenden mitteldeutschen Airport. Binnen 24 Stunden starten bis<br />

zu 60 Maschinen vom Luftdrehkreuz der Posttochter DHL mit mehr als 1.500 Tonnen Fracht. Es gibt kein<br />

Nachtflugverbot – ein enormer Vorteil gegenüber dem künftigen Großflughafen Berlin/Brandenburg.<br />

Die Großstädte Leipzig und Halle sind weit genug entfernt und werden von Fluglärm nicht belästigt.<br />

KONJUNKTUR-BAROMETER<br />

Förderprogramm NEMO auf der Kippe<br />

Von DR. HERBERT BERTEIT<br />

Aus dem Bundeswirtschaftsministerium ist zu<br />

vernehmen, dass die technologieoffene Netzwerkförderung<br />

(Netzwerkmanagement Ost –<br />

NEMO) im Zentralen Innovationsprogramm<br />

(ZIM) eingestellt werden soll. Das verwundert<br />

Kenner und Nutzer, weil NEMO eine Erfolgsgeschichte<br />

ist. Das Programm unterstützt die<br />

Organisation von innovativen Netzwerken mit<br />

mindestens sechs kleinen und mittelständischen<br />

Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen,<br />

Dienstleistern und regionalen Akteuren.<br />

Es gleicht bei zu geringen Betriebsgrößen<br />

Nachteile aus, die für den Aufbau von Netzwerken<br />

zur Erschließung neuer und bei der<br />

Erweiterung von vorhandenen Märkten entstehen.<br />

Außerdem gestattet es den Austausch<br />

von Know-how zwischen den Partnern und<br />

erschließt somit Synergieeffekte.<br />

Seit 2002 wurde die Bildung solcher Netzwerke<br />

in Ostdeutschland gefördert, seit 2008<br />

in allen Regionen Deutschlands. Rund 25 Millionen<br />

Euro wurden dafür aufgeboten. Diese<br />

Summe haben die Partner durch den Einsatz<br />

eigener Investitionsmittel mehr als verfünffacht.<br />

Das Modell wird von Unternehmensverbänden,<br />

Landesregierungen und Kammern als<br />

eine sehr effiziente Fördermaßnahme gelobt<br />

und ist sogar international anerkannt.<br />

Analysen belegen, dass jedes geförderte<br />

NEMO ein Unikat darstellt und nicht mit<br />

einfachen Kooperationen vergleichbar ist.<br />

Ein solches mit hoher Effizienz eingeführtes<br />

und bewährtes Programm einzustellen, würde<br />

insbesondere in Ostdeutschland als Konjunkturbremse<br />

wirken und der weiteren Entwicklung<br />

der noch schwachen industriellen Basis notwendige<br />

Impulse entziehen. Es bleibt zu hoffen,<br />

dass das Bundeswirtschaftsministerium<br />

seine Überlegungen überdenkt und das NEMO-<br />

Förderprogramm nicht einstellt und bei den<br />

beteiligten KMU Vertrauen in die Wirtschaftspolitik<br />

zurückkehrt.<br />

»Gold wird von vielen Menschen<br />

als Hort der Sicherheit<br />

angesehen – als ultimative<br />

Krisenwährung sozusagen«,<br />

weiß der Frankfurter<br />

Deutschbanker. Das Spektrum<br />

der Goldkäufer in der<br />

gegenwärtigen Krisensituation<br />

ist weit aufgefächert.<br />

In China die Goldnachfrage<br />

schon 2010 um 32 Prozent<br />

auf über 700 Tonnen gestiegen.<br />

Ob Privatanlegern jetzt zu<br />

Goldkäufen anzuraten sei –<br />

dieser Frage begegnet der<br />

Finanzfachmann mit Skepsis:<br />

»Wenn die Krisenstimmung<br />

nachlässt, kann der<br />

Goldpreis wieder kräftig<br />

zurückgehen. Ich empfehle<br />

Gold nur als Beimischung<br />

im Depot.«<br />

Wenn schon Goldkauf,<br />

dann steht die Frage der<br />

Aufbewahrung an einem<br />

sicheren Ort. Als praktischer<br />

empfiehlt der Banker<br />

börsengehandelte Rohstoff-<br />

Wertpapiere, die sogenannten<br />

Exchange Traded<br />

Commodities, kurz ETC.<br />

»Diese Papiere sind mit<br />

physischem Gold hinterlegt<br />

und auf diese Weise besichert.<br />

Außerdem können<br />

ETC eine Währungsabsicherung<br />

umfassen. Damit<br />

ist der Anleger geschützt,<br />

falls sich der US-Dollar weiter<br />

abschwächen sollte.«<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 7


AKTUELL<br />

KURZ NOTIERT<br />

ENERGIEPOLITIK<br />

Bonus der ILB<br />

Brandenburg plant eine<br />

Bonusförderung für besonders<br />

ressourcenschützende<br />

Produktionsverfahren.<br />

Die Potsdamer Landesregierung<br />

will damit Brandenburgs<br />

Profil als Land der grünen<br />

Technologien weiter schärfen.<br />

Deshalb werde der Brandenburg-Kredit<br />

um ein Programm<br />

Erneuerbare Energien der<br />

Landesinvestitionsbank (ILB)<br />

erweitert. Das neue Förderprogramm<br />

soll vor allem der zinsgünstigen<br />

Finanzierung von<br />

Windkraftanlagen dienen. Seit<br />

2006 hat die ILB 37,5 Millionen<br />

Euro eingestellt, um die Zinsvergünstigung<br />

zu finanzieren.<br />

Das bisherige Energieeffizienz-<br />

Förderprogramm richtete sich<br />

ausschließlich an kleine und<br />

mittlere Unternehmen. Jetzt<br />

können auch größere Unternehmen<br />

Unterstützung aus<br />

diesem Topf erhalten. Maximal<br />

eine Million Euro pro Projekt<br />

sind möglich. Das Potsdamer<br />

Wirtschaftsministerium sieht<br />

Brandenburg als Vorreiter auf<br />

dem Zukunftsmarkt der Clean<br />

Technologies<br />

NACHRICHTEN AUS DEN REGIONEN<br />

ROHSTOFFE<br />

Wismut verkauft Uran<br />

Die für die Sanierung des früheren<br />

Uranerzbergbaus der DDR zuständige<br />

Wismut GmbH will in diesem Jahr fünf<br />

Tonnen Uran verkaufen.<br />

Die Wismut GmbH hat seit 1991 bereits<br />

3.089 Tonnen Uran verkauft und damit<br />

67 Millionen Euro erlöst. Wie lange noch<br />

Uran anfällt, kann das bundeseigene Unternehmen<br />

nicht angeben. Das hängt davon<br />

ab, wie lange die Uranabtrennung als<br />

Bestandteil der Wasserbehandlung am<br />

Standort Königstein (Foto) erhalten werden<br />

muss. Für Umweltprojekte zur Sanierung<br />

der Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus<br />

wurden bisher 5,5 Milliarden Euro<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

MANAGER : TÜFTLER : ERFINDER<br />

Ein McDonald’s-Chef, der sich mit<br />

Computergastronomie versucht<br />

BINNENSCHIFFFAHRT<br />

Tieferes Bett für die Elbe<br />

32 Industrie- und Handelskammern aus<br />

Tschechien, Polen und Deutschland<br />

fordern einen wirksamen Ausbau der Elbe<br />

für die Binnenschifffahrt.<br />

<strong>Mitte</strong>l- und Oberelbe zwischen Hamburg und<br />

Dresden müssten an mindestens 345 Tagen im<br />

Jahr eine stabile Fahrrinnentiefe von 1,60 Meter<br />

aufweisen, um den Binnenschiffern einen<br />

höheren Ladungsanteil<br />

zu ermöglichen.<br />

Insbesondere<br />

beim niedersächsischen<br />

Hitzacker<br />

und beim sächsischen<br />

Coswig müsste<br />

die Fließgeschwindigkeit<br />

durch verlängerte<br />

Steinwälle,<br />

sogenannte Buhnen,<br />

erhöht werden, um<br />

wandernde Sandbänke<br />

zu vermeiden.<br />

(Foto: Ein Massengutfrachter<br />

passiert<br />

Magdeburg)<br />

Ein Musikhändler, der seine<br />

Kunden aus der Scheune beliefert<br />

Fotos: DPA/Zentralbild (4), privat (2)<br />

(saubere Technologien). Bei<br />

Windenergie ist das Land die<br />

Nummer zwei in Deutschland.<br />

Fast jedes zweite deutsche<br />

Solarmodul stammt schon<br />

aus der Region um Berlin. In<br />

keinem anderen Bundesland<br />

wird soviel Biosprit hergestellt<br />

wie in Brandenburg. Zu den<br />

Bemühungen um ressourcenschützende<br />

Produktionsverfahren<br />

zählen auch die Leichtbau-Forschungen<br />

zum an der<br />

TU Cottbus und zum Kunststoff-Leichtbau<br />

in den Fraunhofer-Instituten<br />

des Landes.<br />

Matthias Krauß<br />

GERHARD SCHÖPS, (53) DENIS KORN, (33)<br />

einstiger Markenchef von<br />

McDonald’s für Europa, will<br />

Deutschland mit einer neuen,<br />

ebenso flotten wie eleganten<br />

Restaurantkette beglücken.<br />

Nach Frankfurt am Main hat er<br />

sich Berlin als zweiten Standort<br />

für seine computergestylte<br />

Gastronomie auserkoren. Schnellaufsteiger Schöps,<br />

der schon Sprintkarrieren bei Unilever, Langnese, BMW<br />

und der Werbeagentur Euro RSCG hingelegt hat, fand<br />

heraus, dass ein Durchschnittgast seiner Zielgruppe<br />

nur 30 Minuten Zeit hat für sein Mittagessen. Seine<br />

zweite Schöpfung auf deutschem Boden ist derzeit der<br />

letzte Schrei für eilige Jungbeamte und durchreisende<br />

Geschäftsleute, die es gern preisgünstig haben, denen<br />

aber McDonald’s zu popelig ist. Bei Holyfields Unter<br />

den Linden warten statt Kellnern 15 Touchsreens am<br />

Eingang darauf, der Gast tippt die Bestellung selber<br />

ein und erfährt sogleich, wann und an welchem Tresen<br />

er das Essen abholen kann. Schöps verkauft seine<br />

Tellerkreationen auch gern mit einem Heiligenschein –<br />

von Holypotatoes bis Holywater. Mitunter aber landet<br />

er doch wieder in den Niederungen von McDonald’s:<br />

Es gibt bei ihm auch Holyburger.<br />

Gründer des ersten DJ-Ladens<br />

in der mittelsächsischen Stadt<br />

Oschatz, hat es mit Fachberatung<br />

und Online-Handel<br />

zum größten Musikhändler<br />

in Ostdeutschland gebracht.<br />

In der umgebauten Scheune<br />

eines alten Vierseit-Bauernhofes<br />

am Rande der Stadt hält er Schlagzeuge und<br />

Saxophone, Keybords und DJ-Ausrüstungen, Licht und<br />

Bühnentechnik bereit. Für den Filialhandel ebenso<br />

wie für E-Commerce. Mindestens 8.000 Produkte sind<br />

in seinem Logistikzentrum immer vorrätig und binnen<br />

eines Tages über den Versandhandel zu haben.<br />

Weitere 18.000 werden im Sortiment geführt. Schon<br />

als DJ verkaufte Korn Mischpulte und Plattenteller<br />

an seine Kollegen. Binnen zwei Jahren baute er ein<br />

Unternehmen auf, das heute 60 Mitarbeiter und<br />

16 Auszubildende zählt, die meisten im kaufmännischen<br />

Bereich samt IT-Abteilung und Callcenter unter<br />

dem Scheunendach, andere in den Läden in Oschatz,<br />

Dresden und Leipzig. Als Mittzwanziger wollte der<br />

Musikfreund noch Gitarre lernen, ließ es aber mangels<br />

Talent bald sein: »Wenn ich etwas anfasse, dann<br />

muss es mir perfekt gelingen.«<br />

8 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


AKTUELL<br />

TERMINE<br />

September<br />

02.09, Berlin<br />

Internationale Funkausstellung<br />

– World of<br />

Consumer Electronics<br />

02.09, Rostock<br />

RoBau<br />

Baufachausstellung<br />

des Landes M-V<br />

07.09, Berlin<br />

b2d Berlin<br />

Regionale <strong>Mitte</strong>lstands-<br />

Messe<br />

IMPRESSUM<br />

Wirtschaft & Markt<br />

Das ostdeutsche Wirtschaftsmagazin<br />

Magazin der Interessengemeinschaft der<br />

Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />

und Berlin<br />

Redaktionsanschrift:<br />

Zimmerstraße 55, 10117 Berlin<br />

Tel.: (030) 27 89 45-0, Fax: -23,<br />

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Herausgeber:<br />

Klaus George<br />

george@wirtschaftundmarkt.de<br />

Chefredakteur:<br />

Helfried Liebsch,<br />

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Redaktion:<br />

Peter Jacobs, Hans Pfeifer,<br />

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Titelfoto: Torsten George<br />

Druck: Möller Druck Berlin<br />

Autoren dieser Ausgabe:<br />

Thomas Bencard, Peter Jacobs,<br />

Matthias Kasper, Hannelore Koard<br />

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Michael Schulze<br />

schulze@wirtschaftundmarkt.de<br />

ISSN 086 353 23 Erscheint monatlich.<br />

Die Zeitschrift Wirtschaft&Markt ist das<br />

Magazin der Interessengemeinschaft der<br />

ostdeutschen Unternehmerverbände und<br />

Berlin. Die Mitglieder der Verbände erhalten<br />

die Zeitschrift im Rahmen ihrer<br />

Mitgliedschaft. Einzelpreis: 3,50 EURO;<br />

Jahresabonnement Inland 30,00 Euro<br />

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Porto. Sonderpreis für Studenten:<br />

(Nachweis) jährlich 20,00 EURO. Das<br />

Jahresabonnement gilt zunächst für ein<br />

Jahr (10 Ausgaben). Danch besteht die<br />

Möglichkeit, das Abonnement jederzeit zu<br />

kündigen.Namentlich gekennzeichnete<br />

Beiträge müssen nicht mit der Meinung<br />

der Redaktion übereinstimmen. Für unverlangt<br />

eingesandte Manuskripte und Fotos<br />

übernehmen wir keine Haftung. Nachdruck<br />

nur mit Genehmigung des Verlages.<br />

Dieser Ausgabe liegt ein W&M-Extra<br />

»Exportoffensive Ost« und in einer<br />

Teilauflage ein W&M-Extra »Gesundheitswirtschaft<br />

Berlin-Brandenburg« bei.<br />

PRO<br />

& CONTRA<br />

Soll die Pkw-Maut für<br />

Autobahnen kommen?<br />

Wenn es nach der CSU ginge, dann würde es schon bald<br />

eine Pkw-Maut geben. Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

(CDU) erteilte dieser Forderung vorerst eine Absage.<br />

GERD LANDSBERG,<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

des Deutschen Städte- und<br />

Gemeindebundes<br />

Die Pkw-Maut ist dann<br />

JA<br />

sinnvoll, wenn folgende<br />

Voraussetzungen erfüllt werden:<br />

Die Autofahrer dürfen<br />

nicht zusätzlich belastet werden.<br />

Im Gegenzug könnte die<br />

Kfz-Steuer abgeschafft werden.<br />

Auch dürfen die Einnahmen<br />

nicht in die allgemeinen Haushalte<br />

fließen, sondern müssten<br />

zur nachhaltigen Verbesserung<br />

des Straßennetzes genutzt<br />

werden. Alle Träger von Straßen<br />

sollten anteilig Investitionsmittel<br />

aus der Maut erhalten<br />

– eine große Chance,<br />

unser Straßennetz nachhaltig<br />

zu sanieren. Schon jetzt fehlen<br />

jährlich vier bis fünf Milliarden<br />

Euro für die notwendigsten<br />

Maßnahmen. Und auch die<br />

Lenkungsfunktion der Maut<br />

müsste genutzt werden. Wer im<br />

Ballungsgebiet zur Rushhour<br />

fahren will, sollte mehr bezahlen,<br />

als derjenige, der nachts<br />

fährt oder seine Strecke im<br />

ländlichen Raum zurücklegt. So<br />

könnte ein wichtiger Beitrag<br />

zum Abbau der Staus geleistet<br />

werden. Zusätzlich könnte die<br />

Höhe der Maut dazu dienen,<br />

schadstoffintensive Fahrzeuge<br />

stärker zu belasten oder aber<br />

Elektrofahrzeuge von dieser<br />

Gebühr zu befreien. Die Diskussion<br />

muss jetzt beginnen, und<br />

zwar ohne Denkverbote. Nur so<br />

werden wir unsere Mobilität<br />

nachhaltig stärken und das<br />

Klima schützen.<br />

JAN MÜCKE (FDP),<br />

Parlamentarischer Staatssekretär<br />

im Bundesverkehrsministerium<br />

NEIN<br />

Verkehrswege sind<br />

die Schlagadern<br />

unserer Volkswirtschaft und<br />

Voraussetzung für individuelle<br />

Mobilität als Teil der persönlichen<br />

Freiheit. Wir brauchen<br />

eine Infrastrukturfinanzierung,<br />

die von den Unwägbarkeiten<br />

des Bundeshaushalts unabhängig<br />

ist. Die Pkw-Maut ist<br />

nicht der richtige Weg. Die<br />

Autofahrer tragen bereits mit<br />

mehr als 53 Milliarden Euro<br />

jährlich durch Kfz-Mineralölsteuer<br />

und andere Abgaben<br />

zur Finanzierung des Staates<br />

bei. Dem standen in den letzten<br />

Jahren nur fünf Milliarden<br />

Euro Investitionen in die Bundesfernstraßen<br />

gegenüber. Es<br />

fehlt nicht an Geld, sondern<br />

an der Disziplin der Politik.<br />

Auch öffentlich-private Partnerschaften<br />

können ein Weg<br />

zur nachhaltigen Finanzierung<br />

von Verkehrsprojekten sein.<br />

Eine ADAC-Studie ergab, dass<br />

aus einer Pkw-Maut am Ende<br />

nur vier bis fünf Milliarden<br />

Euro übrig blieben. Auch eine<br />

allgemeine Autobahnnutzungsgebühr<br />

von zum Beispiel 100<br />

Euro jährlich bei Senkung der<br />

Kfz-Steuer wäre letztlich ein<br />

Nullsummenspiel. Und vergessen<br />

wir nicht, dass es durch<br />

die Maut zum Ausweichverkehr<br />

auf Bundes- und Landstraßen<br />

kommt, was zu höherer<br />

Verkehrsdichte mit mehr<br />

Verkehrstoten führt.<br />

INVESTITIONEN<br />

Infineon erweitert<br />

Der Halbleiterhersteller Infineon will<br />

in Dresden eine neue Technologie<br />

etablieren. In einer ersten Ausbaustufe<br />

bis 2014 werden rund 250<br />

Millionen Euro investiert. Dadurch<br />

entstehen 250 neue Arbeitsplätze.<br />

Audi nach Berlin<br />

34 Millionen Euro investiert der<br />

Autobauer Audi in Berlin für ein<br />

neues Gebrauchtwagenzentrum.<br />

Der Vollfunktionsbetrieb entsteht<br />

auf einer Fläche von über 22.000<br />

Quadratmetern direkt an der<br />

Stadtautobahn A 113 in unmittelbarer<br />

Nähe des neuen Großflughafens<br />

BBI.<br />

Rangierriese für Halle<br />

In Halle soll ab 2012 der größte<br />

Rangierbahnhof <strong>Mitte</strong>ldeutschlands<br />

gebaut werden. Der Bund und die<br />

Deutsche Bahn haben dafür eine<br />

Finanzierungsvereinbarung über<br />

120 Millionen Euro getroffen.<br />

Täglich sollen auf der sogenannten<br />

Zugbildungsanlage Halle-Nord bis zu<br />

2.400 Güterwagen zu neuen Zügen<br />

zusammengestellt werden können.<br />

Inder als Retter<br />

Das indische Unternehmen Hindusthan<br />

National Glass & Industries Ltd.<br />

kauft die Agenda Glas AG in Garde-<br />

legen. Das hochmoderne Glaswerk<br />

war 2008 von Managern aus der<br />

Glasindustrie gegründet worden und<br />

hatte rund 50 Millionen Euro staatliche<br />

Förderung und Kredite erhalten,<br />

meldete jedoch im Februar 2011 Insolvenz<br />

an. Der Einstieg des börsennotierten<br />

indischen Unternehmens<br />

rettet in der Altmark 150 Arbeitsplätze.<br />

Neuer Jachthafen<br />

Der ehemalige Stützpunkt Stahlbrode<br />

der DDR-Volksmarine am Strelasund<br />

wird zu einem Jachthafen umgebaut.<br />

Für den Ausbau des südlichen Hafenbeckens,<br />

die Verlängerung der Molen,<br />

den Bau von Funktionsgebäuden und<br />

Promenaden sind Investitionen in<br />

Höhe von zwei Millionen Euro vorgesehen.<br />

1,5 Millionen davon kommen<br />

aus der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung<br />

der regionalen Wirtschaftsstruktur.<br />

Der vorpommersche Wasserrastplatz<br />

weist eine Wassertiefe<br />

von 3,5 Metern auf und ist auch für<br />

die große Bootsklasse geeignet.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 9


GESPRÄCH<br />

Reiner Haseloff, Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, zu Steuersenkungsplänen,<br />

Standortvorteilen und zum Vorhaben, familienfreundlichstes Land zu werden<br />

»<strong>Mitte</strong>ldeutschland wächst zusammen«<br />

Fotos: Torsten George<br />

W&M: Herr Ministerpräsident, in diesem<br />

Sommer registrierten Medien erstaunt eine<br />

neue Aufmüpfigkeit des Ostens. Bei der Energiewende<br />

wurde im Bundesrat das Gesetz<br />

zur Förderung der Gebäudesanierung nicht<br />

durchgewinkt, Sie halten Steuersenkungen<br />

zumindest für verfrüht. Ein Zuwachs an<br />

Selbstbewusstsein?<br />

REINER HASELOFF: Ach, selbstbewusst<br />

waren wir immer. Aber im mitteldeutschen<br />

Raum passiert wirklich etwas<br />

Bemerkenswertes. Politiker dreier Landesregierungen<br />

– Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />

und Thüringen – ziehen an einem<br />

Strang. Das ist in der öffentlichen Wahrnehmung<br />

von Vorteil. In den alten Ländern<br />

wurde eine Reihe von CDU-geführten<br />

Regierungen abgewählt. In Nordrhein-Westfalen,<br />

Hamburg, Baden-<br />

Württemberg. Da nimmt es nicht wunder,<br />

wenn sich die Medien stärker auf<br />

<strong>Mitte</strong>ldeutschland konzentrieren.<br />

W&M: Wächst da zwischen Dresden, Magdeburg<br />

und Erfurt etwas zusammen, was zusammengehört?<br />

REINER HASELOFF: Zumindest sprechen<br />

die Verantwortungsträger eine Sprache.<br />

Das hat mit den Erfahrungen, Nöten und<br />

Herausforderungen der Länder mehr zu<br />

tun als mit der Parteizugehörigkeit. Ja,<br />

<strong>Mitte</strong>ldeutschland wächst zusammen.<br />

Auch dank der gemeinsamen Traditionen.<br />

Außerdem haben wir eben gelernt,<br />

dass man durch koordiniertes Zusammengehen<br />

sein Gewicht auf Bundesebene<br />

verstärkt.<br />

W&M: Oder kehren vielmehr neue Besen gut?<br />

REINER HASELOFF: Ausschlaggebend ist,<br />

dass nicht nur Christine Lieberknecht in<br />

Erfurt oder Stanislaw Tillich in Dresden,<br />

sondern auch Matthias Platzeck in Brandenburg<br />

oder Erwin Sellering in Schwerin<br />

grundsätzlich ähnliche Probleme haben.<br />

Richtig ist, dass wir auch als neue<br />

Politikergeneration angekommen sind –<br />

nach den Biedenkopfs und Vogels, den<br />

Böhmers, Stolpes oder Ringstorffs.<br />

W&M: Ihr Vorgänger, Wolfgang Böhmer, war<br />

bundesweit dafür bekannt, dass er gelegentlich<br />

wider den CDU-Stachel löckte. Treten Sie<br />

in seine Fußtapfen?<br />

REINER HASELOFF: Professor Böhmer<br />

hat das nicht um des Löckens Willen getan,<br />

sondern weil einem Ministerpräsidenten<br />

die Landesinteressen immer vor<br />

den Parteiinteressen gehen. Erst das<br />

Land, dann die Partei – so halte ich es<br />

auch. Das mediale Interesse hat wohl<br />

auch damit zu tun, dass aus dem Osten<br />

weniger Ostalgie zu hören ist, sondern<br />

mehr interessante Beiträge zu nationalen,<br />

ja, kontinentalen Debatten. Wir sind<br />

doch von der Schuldenkrise als Exportland<br />

genauso betroffen wie andere Bundesländer.<br />

Wir brauchen einen stabilen<br />

Euro und vernünftige Kurse.<br />

W&M: Sie haben schon die jüngsten Wahlergebnisse<br />

angesprochen, die Ihnen ja schier ein<br />

Alleinstellungsmerkmal geschenkt haben.<br />

Nur in Sachsen-Anhalt hat Ihre Partei gewonnen.<br />

Was haben Sie richtig gemacht, was die<br />

anderen falsch?<br />

REINER HASELOFF: Wir hier in Sachsen-<br />

Anhalt sind der Meinung, dass es keine<br />

unumstößlichen Blöcke in der Politik<br />

gibt, keine monolithischen Lager, die<br />

eine Volkspartei zwingen, nur in einer<br />

bestimmten Koalition zu regieren oder<br />

in die Opposition zu gehen. Wenn man<br />

gestalten will, dann braucht man Optionen.<br />

Wenn also Schwarz-gelb nicht geht,<br />

dann muss nicht Rot-rot die Folge sein. In<br />

Sachsen-Anhalt ist die Wahl zugunsten<br />

einer strukturellen Mehrheit der <strong>Mitte</strong><br />

ausgegangen und nicht einer Mehrheit<br />

jenseits der CDU.<br />

W&M: Die FDP pocht angesichts der günstigen<br />

konjunkturellen Entwicklungen auf<br />

Steuersenkungen und scheint sich in Berlin<br />

zumindest teilweise durchgesetzt zu haben.<br />

Warum sind Sie dagegen?<br />

REINER HASELOFF: Ich finde es unerträglich,<br />

dass wir jetzt, nachdem wir das<br />

Krisental durchschritten haben – mit<br />

Konjunkturprogrammen, mit neuen<br />

Schulden also, auch im Lande, um gegenzusteuern<br />

– schon wieder an der Schraube<br />

drehen wollen. Wir haben doch in den<br />

vergangenen Jahren faktisch die Steuern<br />

schon gesenkt, indem wir die eigentlich<br />

notwendigen Steuererhöhungen vermieden<br />

haben. Diese relative Steuerabsenkung<br />

ist gewissermaßen mit neuen<br />

Schulden erkauft worden, die wir jetzt<br />

erst einmal abtragen sollten, statt Steuergeschenke<br />

zu versprechen.<br />

W&M: Sparsamkeit galt in der Vergangenheit<br />

nicht gerade als sachsen-anhaltische<br />

Tugend. Das ändert sich mit Ihnen?<br />

REINER HASELOFF: Das hat sich schon<br />

geändert und das ist ein entscheidender<br />

Punkt des schwarz-roten Koalitionsvertrages.<br />

Wir wollen von 2012 an keine<br />

Schulden mehr machen und 2014 mit<br />

dem Abbau der 20 Milliarden Euro Schulden<br />

aus den vergangenen 20 Jahren beginnen.<br />

Gerade wir in Ostdeutschland<br />

brauchen diese Schuldentilgung. Selbst<br />

wenn wir die Steuern nicht senken,<br />

wächst wegen der demografischen Entwicklung<br />

die Pro-Kopf-Verschuldung.<br />

W&M: Bei der Energiewende hat es einen<br />

Konsens im Bundesrat gegeben – mit einer<br />

Ausnahme: Die Länderkammer hat dem Gesetz<br />

zur Förderung der Gebäudesanierung<br />

nicht zugestimmt. Was haben Sie gegen Wärmedämmung?<br />

REINER HASELOFF: Wir haben nichts gegen<br />

die Wärmedämmung. Im Gegenteil.<br />

Die Energiewende wird nicht zu schaffen<br />

sein, wenn wir nicht auf Gas und Kohle<br />

zurückgreifen. Damit aber steigt der<br />

CO 2 -Ausstoß. Er muss anderswo aufgefangen<br />

werden – mit Energieeffizienz<br />

und Wärmedämmung. Das größte Volumen<br />

haben wir im Wohnungsbestand.<br />

Da hat die Bundesregierung vorgeschlagen,<br />

über steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten<br />

die Wärmedämmung<br />

zu realisieren. Die Mehrheit der Verfügungsmasse,<br />

die wir hier klimapolitisch<br />

zum Tragen bringen können, liegt aber<br />

außerhalb der steuerrelevanten Haushalte.<br />

Wir brauchen eine Lösung für die<br />

kleinen Leute – beispielsweise Rentner –,<br />

die gar keine Steuern zahlen. Zuschüsse<br />

oder andere Instrumente. Das fehlte uns.<br />

W&M: Was passiert nun, wird der Vermittlungsausschuss<br />

angerufen?<br />

REINER HASELOFF: Die Sache könnte<br />

auch ohne Vermittlungsausschuss noch<br />

ins Lot kommen. Die Bundesregierung<br />

überlegt wohl, ob da etwas über KfW-Kredite<br />

zu machen ist oder es andere Lösun-<br />

10 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


GESPRÄCH<br />

»Wir haben doch in den<br />

vergangenen Jahren faktisch die<br />

STEUERN SCHON GESENKT,<br />

indem wir die eigentlich<br />

notwendigen Steuererhöhungen<br />

vermieden haben.«<br />

gen gibt. Dann wäre unser Widerstand<br />

erfolgreich gewesen.<br />

W&M: Apropos Erfolg. Ihre Regierung hat<br />

sich vorgenommen, Sachsen-Anhalt zum familienfreundlichsten<br />

Land der Bundesrepublik<br />

zu machen. An welchen Kriterien machen Sie<br />

das fest und welche Schritte wollen Sie gehen?<br />

REINER HASELOFF: Rein quantitativ,<br />

wenn man das an Plätzen in den Kindertagesstätten<br />

festmacht, liegen wir schon<br />

an der Spitze. Aber wir müssen konstatieren,<br />

dass mit der Ein-Kind-Familie die demografische<br />

Reproduktion nicht zu<br />

schaffen ist. Wir brauchen die Mehrkinderfamilie.<br />

Dafür müssen wir zumindest<br />

Signale setzen und Anreize geben.<br />

W&M: Welche zum Beispiel?<br />

REINER HASELOFF: Ich könnte mir vorstellen,<br />

dem zweiten und dritten Kind einen<br />

unentgeltlichen Kita-Platz anzubieten.<br />

Oder das Land beteiligt sich an den<br />

Kinder-Kosten, die in den Familien über<br />

einen Sockelbeitrag hinaus anfallen. Das<br />

ist noch in der Diskussion, aber es besteht<br />

ganz dringender Handlungsbedarf.<br />

Kinder sind für das Land eine Chance, da<br />

dürfen sie für Familien kein Risiko sein.<br />

W&M: Sparen und zugleich mehr Geld ausgeben,<br />

wie geht das zusammen?<br />

REINER HASELOFF: Natürlich können<br />

wir kein Geld drucken, sondern müssen<br />

anderswo sparen. Es geht aber gar nicht<br />

immer um große Summen – wir wollen<br />

Signale setzen. Wir brauchen eine Kultur,<br />

in der Kinder erwünscht sind, in der<br />

sich Betriebe mit Familienfreundlichkeit<br />

einen Wettbewerbsvorteil schaffen. Bis<br />

hin zum Betriebskindergarten in großen<br />

Unternehmen. Wir haben mit Erfolg die<br />

Zahl der Pendler zurückgeführt, damit<br />

Partner wieder zusammenleben können.<br />

W&M: Nun ist es für Familien zunächst einmal<br />

wichtig, dass wenigstens einer der<br />

Partner einen Arbeitsplatz hat, von dem die<br />

Familie leben kann, ohne auf staatliche Aufstockung<br />

angewiesen zu sein. Ist da die Lage<br />

im Land besser als die Stimmung?<br />

REINER HASELOFF: Genau so ist es. Wir<br />

haben in vielen Wirtschaftsbereichen<br />

Mindestlöhne, die für allgemeinverbindlich<br />

erklärt sind. Auch für Zeitarbeit gibt<br />

es unterdessen einen Mindestlohn.<br />

W&M: Lässt sich von dem Lohn eine Familie<br />

ernähren, wenn nur ein Partner Arbeit hat?<br />

REINER HASELOFF: Zweifelsfrei sind<br />

Stundenlöhne von 12, 14 Euro notwendig,<br />

damit am Ende mehr als Hartz IV<br />

herauskommt, aber an der Stelle ist viel<br />

in Bewegung. Da spielt auch die demografische<br />

Entwicklung eine Rolle, wer<br />

Fachkräfte haben will, muss sie ordentlich<br />

bezahlen. Ich will aber auch daran<br />

erinnern, dass es in der DDR nur dann<br />

ein auskömmliches Familieneinkommen<br />

gab, wenn beide Eltern berufstätig waren.<br />

W&M: Sie wollen, dass mehr Frauen wieder<br />

in Lohn und Brot kommen?<br />

REINER HASELOFF: Ja, an ihnen hängt –<br />

in mehrfacher Hinsicht – die Zukunft<br />

des Landes. Die ganze Dramatik spiegelt<br />

sich in nüchternen Statistiken. Jedes Jahr<br />

gehen hier in Sachsen-Anhalt 45.000<br />

Menschen in Rente. Es stoßen aber nur<br />

16.000 ins Arbeitsleben. Manche gehen<br />

noch zum Studium und kommen nicht<br />

zurück. Daran lässt sich ermessen, wie<br />

weit die Schere aufgeht.<br />

W&M: Was kann die Politik überhaupt tun?<br />

REINER HASELOFF: Sie muss zumindest<br />

zeigen, was geht. Die Vereinbarkeit von<br />

Familie und Beruf hat heute einen völlig<br />

anderen Stellenwert. Heimarbeitsplätze,<br />

Telearbeit, Arbeitszeitkonten werden immer<br />

wichtiger. Flexible Kita-Öffnungszeiten.<br />

Und wir müssen die Generationen<br />

wieder zusammenbringen.<br />

W&M: Bitte?<br />

REINER HASELOFF: Mutter, Vater, Kind –<br />

darauf beschränkt sich Familie nicht. Es<br />

gibt Geschwister, Großeltern, andere Verwandte.<br />

In der ganzen Bundesrepublik<br />

ist das Thema Familie über Jahre vernachlässigt<br />

worden! Das wirkliche Leben<br />

spielt sich doch nicht vor allem auf dem<br />

Börsenparkett oder im Regierungskabinett<br />

ab, sondern in den Städten und Dörfern.<br />

Wir bauen zum Beispiel verstärkt<br />

Mehrgenerationen-Häuser.<br />

W&M: In den vergangenen 20 Jahren hat das<br />

Land mehr als eine halbe Million Einwohner<br />

verloren. Zehntausende sind abgewandert.<br />

Wie steht es um die eventuelle Rückholung<br />

der Landeskinder?<br />

REINER HASELOFF: Das versuchen wir<br />

mit PFIFF – dem Internet-Portal des Landes<br />

für interessierte und flexible Fachkräfte<br />

– schon seit drei Jahren. Immerhin<br />

haben wir in dieser zurückliegenden Zeit<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 11


GESPRÄCH<br />

REINER HASELOFF im Gespräch mit W&M-Redakteur<br />

Helfried Liebsch; <strong>Mitte</strong>: Regierungssprecher Franz Kadell.<br />

schon 3.000 Familien zurückgeholt. Obwohl<br />

sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt<br />

erst in jüngster Zeit entspannt hat. Das<br />

Entscheidende sind Jobs und die werden<br />

jetzt frei. Bis 2016 werden dem Arbeitsmarkt<br />

im Land 150.000 Arbeitskräfte<br />

weniger als heute zur Verfügung stehen,<br />

daher müssen wir jetzt in die Offensive<br />

kommen. Dazu planen wir eine bundesweite<br />

Kampagne.<br />

W&M: Sie wollen 150.000 zurückholen?<br />

REINER HASELOFF: Nein, nicht in dieser<br />

Größenordnung, aber eine fünfstellige<br />

Zahl. Wir wollen alle Reserven ausschöpfen.<br />

Mehr Frauen in Lohn und Brot bringen,<br />

Langzeitarbeitslose für eine Beschäftigung<br />

fit machen, die Schulabbrecher-<br />

Quote von zwölf Prozent verringern,<br />

Absolventen von Universitäten und<br />

Hochschulen im Lande halten – und jene<br />

zurückgewinnen, die anderswo ihr<br />

Glück gesucht haben. Eine Kaskade.<br />

W&M: Heißt die Konzentration auf Rückwanderer,<br />

dass Ihnen andere Zuwanderer<br />

unwillkommen sind?<br />

REINER HASELOFF: Nein, aber nach unserer<br />

Erfahrung haben 80 bis 90 Prozent<br />

der Menschen, die ins Land kommen,<br />

hier ihre Wurzeln. Bei ihnen fallen auch<br />

die Vorurteile weg. Eine Aktion zum Jahresende<br />

2010 hat gezeigt, dass das Interesse<br />

an einer Rückkehr riesengroß ist.<br />

Zuwanderung aus anderen Ländern der<br />

Welt zum Nulltarif wird es nicht geben.<br />

W&M: Wie erfährt ein gebürtiger Magdeburger,<br />

der unterdessen in Köln oder Hamburg<br />

lebt, von ihrer Kampagne?<br />

REINER HASELOFF: Wir informieren im<br />

Herbst in überregionalen Medien. Aber<br />

die Information ist im Internet-Zeitalter<br />

das geringste Problem. Onkel oder Tante<br />

greifen zum Hörer, die Familiennetzwerke<br />

funktionieren, Klassenkameraden<br />

mailen. Zum Jahresende hin war die Hotline<br />

überlastet. Es kamen selbst Anrufe<br />

aus dem Ausland, so aus Schweden.<br />

W&M: Wenn die Information<br />

funktioniert, dann hängt es an<br />

den Jobs – und die an Investitionen.<br />

Laut Information von Germany<br />

Trade & Invest (GTAI), der<br />

Gesellschaft für Außenwirtschaft<br />

und Standortmarketing,<br />

ist Sachsen-Anhalt das Land mit<br />

den meisten ausländischen Direktinvestitionen<br />

Ost. Worauf<br />

führen Sie das zurück?<br />

REINER HASELOFF: Eine<br />

monokausale Erklärung gibt<br />

es nicht und kein Patentrezept.<br />

Und weil Sie die GTAI<br />

erwähnen, gerade sie hat<br />

uns immens geholfen, zusammen<br />

mit der Investitionsund<br />

Marketinggesellschaft<br />

des Landes. Eine ganze Reihe von Investitionen<br />

in den Bereichen Glas oder Solar<br />

sind auf sie zurückzuführen. Deutschland<br />

bleibt mit seinem Nachweis, Krisen<br />

bewältigen zu können, verlässliche Rahmenbedingungen<br />

zu bieten, qualifizierte<br />

Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben,<br />

ein gefragter Investitionsstandort.<br />

W&M: Auch Ostdeutschland?<br />

REINER HASELOFF: Ich habe zum Beispiel<br />

dieser Tage den Grundstein für die<br />

erste private chinesische Investition in<br />

ganz Deutschland gelegt. Der weltweit<br />

zweitgrößte Lieferant von sterilen Verpackungsmaterialien<br />

wird in Halle produzieren.<br />

Wir sind sicher, nachdem<br />

ZUR<br />

PERSON<br />

Buch-Halter und Beatles-Fan<br />

Seit dem 19. April 2011 hat das Land<br />

Sachsen-Anhalt mit Dr. Reiner Haseloff<br />

einen Ministerpräsidenten, der auf den<br />

ersten Blick ein Buchhalter sein könnte.<br />

Und das ist der 1954 in Bülzig nahe der<br />

Lutherstadt Wittenberg geborene Katholik<br />

tatsächlich: bibliophil. Einer, der<br />

wöchentlich mindestens drei Bücher<br />

in der Hand hält – und sie verschlingt.<br />

Auf der CDU-Website gibt es zudem ein<br />

Jugendfoto, das seine Vorliebe für die<br />

Beatles langhaarig dokumentiert. Landesvater<br />

– dieser Ehrentitel will zu dem<br />

Familienvater, der seit 1976 mit der späteren<br />

Zahnärztin Dr. Gabriele Haseloff,<br />

verheiratet ist, zwei Kinder und vier Enkel<br />

hat, noch nicht recht passen. Der<br />

promovierte Naturwissenschaftler ist<br />

Schnelldenker und zum gelegentlichen<br />

Verdruss auch Schnellredner. Zumal<br />

seine verschachtelten Sätze zuweilen<br />

kein Ende finden. Zum guten Ende hat er<br />

indes seinen Job als Vorsitzender der<br />

Ministerpräsidentenkonferenz gebracht.<br />

Im Bundesrat stimmten die Länder mit<br />

16:0 dem rascheren Atomausstieg zu.<br />

schon das Maschinenbau-Unternehmen<br />

Schiess in Aschersleben durch einen<br />

chinesischen Staatsbetrieb übernommen<br />

wurde, dass da noch etwas nachkommt.<br />

Jedenfalls wurden weitere Gewerbeflächen<br />

gekauft.<br />

W&M: Noch einmal gefragt: Was ist Ihr besonderes<br />

Rezept?<br />

REINER HASELOFF: Wir haben offensiv,<br />

intensiv und gezielt akquiriert, uns dabei<br />

auf einige Länder konzentriert – wir<br />

können nicht in der ganzen Welt unterwegs<br />

sein. China gehört dazu, Polen,<br />

Italien, die baltischen Staaten – da haben<br />

wir Auslandsbüros eingerichtet. In<br />

Shanghai zum Beispiel oder in Mailand.<br />

Da gibt es viele Querverbindungen zum<br />

hiesigen Chemiestandort.<br />

W&M: Nehmen Sie mehr Geld in die Hand als<br />

andere, fördern Sie stärker?<br />

REINER HASELOFF: Nein, aber wir spielen<br />

natürlich unsere strategische Lage<br />

aus, schon seit Tausenden von Jahren<br />

kreuzen sich hier Handelsstraßen. Heute<br />

das Luftdrehkreuz Leipzig/Halle, die Autobahn<br />

A9/A2, jetzt die A14, die endlich<br />

nach Norden hin verlängert wird. Von<br />

hier aus sind es nur wenige Stunden bis<br />

Polen oder Italien.<br />

W&M: Die Zeit der großen Auslandsinvestitionen<br />

sei vorbei, sagt man. Auch Sie?<br />

REINER HASELOFF: Richtig daran ist,<br />

dass unter dem Eindruck der weltweiten<br />

Wirtschafts- und Finanzkrise gegenwärtig<br />

Milliardeninvestitionen eher die Ausnahme<br />

sind. Wir beobachten, dass Investoren<br />

in Etappen vorgehen. Die GA Pack<br />

investiert 50 Millionen in Halle und hat<br />

weitere Millionen auf dem Tableau. So<br />

verhalten sich auch die Inder mit ihrer<br />

Flaschenfabrik bei Gardelegen. Wir haben<br />

fünf strategische Gewerbegebiete,<br />

auf die wir uns konzentrieren, zwei werden<br />

mit der A 14 hinzukommen. Die Erschließung<br />

solcher Gebiete in guter Lage<br />

ist eine notwendige, wenn auch nicht<br />

hinreichende Bedingung. Damit kann<br />

und muss ich dann werben.<br />

W&M: Schicken sie einen Investor wieder<br />

weg, wenn sein Vorhaben nicht in die Cluster-<br />

Struktur des Landes passt?<br />

REINER HASELOFF: Nein! Cluster sind<br />

wichtig und richtig, aber durch die Krise<br />

sind wir gekommen, weil wir eben keine<br />

Monostrukturen mehr haben. Wir werden<br />

weiter diversifizieren und zugleich<br />

die Leitbranchen mit besonderen Steuerinstrumenten<br />

fördern, vor allem Wissenschaft<br />

und Produktion noch enger verknüpfen.<br />

Diese Verknüpfung ist heute<br />

schon ein entscheidender Standortvorteil<br />

und ein ausschlaggebendes Ansiedlungsargument.<br />

W&M: Herr Ministerpräsident, wir danken<br />

für das Gespräch.<br />

12 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


GESPRÄCH<br />

REINER HASELOFF im Gespräch mit W&M-Redakteur<br />

Helfried Liebsch; <strong>Mitte</strong>: Regierungssprecher Franz Kadell.<br />

schon 3.000 Familien zurückgeholt. Obwohl<br />

sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt<br />

erst in jüngster Zeit entspannt hat. Das<br />

Entscheidende sind Jobs und die werden<br />

jetzt frei. Bis 2016 werden dem Arbeitsmarkt<br />

im Land 150.000 Arbeitskräfte<br />

weniger als heute zur Verfügung stehen,<br />

daher müssen wir jetzt in die Offensive<br />

kommen. Dazu planen wir eine bundesweite<br />

Kampagne.<br />

W&M: Sie wollen 150.000 zurückholen?<br />

REINER HASELOFF: Nein, nicht in dieser<br />

Größenordnung, aber eine fünfstellige<br />

Zahl. Wir wollen alle Reserven ausschöpfen.<br />

Mehr Frauen in Lohn und Brot bringen,<br />

Langzeitarbeitslose für eine Beschäftigung<br />

fit machen, die Schulabbrecher-<br />

Quote von zwölf Prozent verringern,<br />

Absolventen von Universitäten und<br />

Hochschulen im Lande halten – und jene<br />

zurückgewinnen, die anderswo ihr<br />

Glück gesucht haben. Eine Kaskade.<br />

W&M: Heißt die Konzentration auf Rückwanderer,<br />

dass Ihnen andere Zuwanderer<br />

unwillkommen sind?<br />

REINER HASELOFF: Nein, aber nach unserer<br />

Erfahrung haben 80 bis 90 Prozent<br />

der Menschen, die ins Land kommen,<br />

hier ihre Wurzeln. Bei ihnen fallen auch<br />

die Vorurteile weg. Eine Aktion zum Jahresende<br />

2010 hat gezeigt, dass das Interesse<br />

an einer Rückkehr riesengroß ist.<br />

Zuwanderung aus anderen Ländern der<br />

Welt zum Nulltarif wird es nicht geben.<br />

W&M: Wie erfährt ein gebürtiger Magdeburger,<br />

der unterdessen in Köln oder Hamburg<br />

lebt, von ihrer Kampagne?<br />

REINER HASELOFF: Wir informieren im<br />

Herbst in überregionalen Medien. Aber<br />

die Information ist im Internet-Zeitalter<br />

das geringste Problem. Onkel oder Tante<br />

greifen zum Hörer, die Familiennetzwerke<br />

funktionieren, Klassenkameraden<br />

mailen. Zum Jahresende hin war die Hotline<br />

überlastet. Es kamen selbst Anrufe<br />

aus dem Ausland, so aus Schweden.<br />

W&M: Wenn die Information<br />

funktioniert, dann hängt es an<br />

den Jobs – und die an Investitionen.<br />

Laut Information von Germany<br />

Trade & Invest (GTAI), der<br />

Gesellschaft für Außenwirtschaft<br />

und Standortmarketing,<br />

ist Sachsen-Anhalt das Land mit<br />

den meisten ausländischen Direktinvestitionen<br />

Ost. Worauf<br />

führen Sie das zurück?<br />

REINER HASELOFF: Eine<br />

monokausale Erklärung gibt<br />

es nicht und kein Patentrezept.<br />

Und weil Sie die GTAI<br />

erwähnen, gerade sie hat<br />

uns immens geholfen, zusammen<br />

mit der Investitionsund<br />

Marketinggesellschaft<br />

des Landes. Eine ganze Reihe von Investitionen<br />

in den Bereichen Glas oder Solar<br />

sind auf sie zurückzuführen. Deutschland<br />

bleibt mit seinem Nachweis, Krisen<br />

bewältigen zu können, verlässliche Rahmenbedingungen<br />

zu bieten, qualifizierte<br />

Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben,<br />

ein gefragter Investitionsstandort.<br />

W&M: Auch Ostdeutschland?<br />

REINER HASELOFF: Ich habe zum Beispiel<br />

dieser Tage den Grundstein für die<br />

erste private chinesische Investition in<br />

ganz Deutschland gelegt. Der weltweit<br />

zweitgrößte Lieferant von sterilen Verpackungsmaterialien<br />

wird in Halle produzieren.<br />

Wir sind sicher, nachdem<br />

ZUR<br />

PERSON<br />

Buch-Halter und Beatles-Fan<br />

Seit dem 19. April 2011 hat das Land<br />

Sachsen-Anhalt mit Dr. Reiner Haseloff<br />

einen Ministerpräsidenten, der auf den<br />

ersten Blick ein Buchhalter sein könnte.<br />

Und das ist der 1954 in Bülzig nahe der<br />

Lutherstadt Wittenberg geborene Katholik<br />

tatsächlich: bibliophil. Einer, der<br />

wöchentlich mindestens drei Bücher<br />

in der Hand hält – und sie verschlingt.<br />

Auf der CDU-Website gibt es zudem ein<br />

Jugendfoto, das seine Vorliebe für die<br />

Beatles langhaarig dokumentiert. Landesvater<br />

– dieser Ehrentitel will zu dem<br />

Familienvater, der seit 1976 mit der späteren<br />

Zahnärztin Dr. Gabriele Haseloff,<br />

verheiratet ist, zwei Kinder und vier Enkel<br />

hat, noch nicht recht passen. Der<br />

promovierte Naturwissenschaftler ist<br />

Schnelldenker und zum gelegentlichen<br />

Verdruss auch Schnellredner. Zumal<br />

seine verschachtelten Sätze zuweilen<br />

kein Ende finden. Zum guten Ende hat er<br />

indes seinen Job als Vorsitzender der<br />

Ministerpräsidentenkonferenz gebracht.<br />

Im Bundesrat stimmten die Länder mit<br />

16:0 dem rascheren Atomausstieg zu.<br />

schon das Maschinenbau-Unternehmen<br />

Schiess in Aschersleben durch einen<br />

chinesischen Staatsbetrieb übernommen<br />

wurde, dass da noch etwas nachkommt.<br />

Jedenfalls wurden weitere Gewerbeflächen<br />

gekauft.<br />

W&M: Noch einmal gefragt: Was ist Ihr besonderes<br />

Rezept?<br />

REINER HASELOFF: Wir haben offensiv,<br />

intensiv und gezielt akquiriert, uns dabei<br />

auf einige Länder konzentriert – wir<br />

können nicht in der ganzen Welt unterwegs<br />

sein. China gehört dazu, Polen,<br />

Italien, die baltischen Staaten – da haben<br />

wir Auslandsbüros eingerichtet. In<br />

Shanghai zum Beispiel oder in Mailand.<br />

Da gibt es viele Querverbindungen zum<br />

hiesigen Chemiestandort.<br />

W&M: Nehmen Sie mehr Geld in die Hand als<br />

andere, fördern Sie stärker?<br />

REINER HASELOFF: Nein, aber wir spielen<br />

natürlich unsere strategische Lage<br />

aus, schon seit Tausenden von Jahren<br />

kreuzen sich hier Handelsstraßen. Heute<br />

das Luftdrehkreuz Leipzig/Halle, die Autobahn<br />

A9/A2, jetzt die A14, die endlich<br />

nach Norden hin verlängert wird. Von<br />

hier aus sind es nur wenige Stunden bis<br />

Polen oder Italien.<br />

W&M: Die Zeit der großen Auslandsinvestitionen<br />

sei vorbei, sagt man. Auch Sie?<br />

REINER HASELOFF: Richtig daran ist,<br />

dass unter dem Eindruck der weltweiten<br />

Wirtschafts- und Finanzkrise gegenwärtig<br />

Milliardeninvestitionen eher die Ausnahme<br />

sind. Wir beobachten, dass Investoren<br />

in Etappen vorgehen. Die GA Pack<br />

investiert 50 Millionen in Halle und hat<br />

weitere Millionen auf dem Tableau. So<br />

verhalten sich auch die Inder mit ihrer<br />

Flaschenfabrik bei Gardelegen. Wir haben<br />

fünf strategische Gewerbegebiete,<br />

auf die wir uns konzentrieren, zwei werden<br />

mit der A 14 hinzukommen. Die Erschließung<br />

solcher Gebiete in guter Lage<br />

ist eine notwendige, wenn auch nicht<br />

hinreichende Bedingung. Damit kann<br />

und muss ich dann werben.<br />

W&M: Schicken sie einen Investor wieder<br />

weg, wenn sein Vorhaben nicht in die Cluster-<br />

Struktur des Landes passt?<br />

REINER HASELOFF: Nein! Cluster sind<br />

wichtig und richtig, aber durch die Krise<br />

sind wir gekommen, weil wir eben keine<br />

Monostrukturen mehr haben. Wir werden<br />

weiter diversifizieren und zugleich<br />

die Leitbranchen mit besonderen Steuerinstrumenten<br />

fördern, vor allem Wissenschaft<br />

und Produktion noch enger verknüpfen.<br />

Diese Verknüpfung ist heute<br />

schon ein entscheidender Standortvorteil<br />

und ein ausschlaggebendes Ansiedlungsargument.<br />

W&M: Herr Ministerpräsident, wir danken<br />

für das Gespräch.<br />

12 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


SERIE<br />

M arken<br />

acher<br />

ärkte<br />

Konsum-Chefin Sigrid Hebestreit<br />

Nur wer sich<br />

ändert, bleibt<br />

sich treu<br />

Die markante Marke, ein von zwei<br />

Löwen gehaltenes kräftigrotes K,<br />

macht sich rar in der Öffentlichkeit.<br />

Die Kaufhäuser und Fachgeschäfte<br />

der Konsumgenossenschaft Weimar<br />

indes sind desto<br />

präsenter – in<br />

erstklassigen<br />

Lagen der Stadt der Dichter und<br />

Denker, ganz Thüringens und auch<br />

in Sachsen. Sigrid Hebestreit,<br />

die Vorstandsvorsitzende, und<br />

ihre Mitarbeiter schreiben<br />

eine imposante Erfolgsgeschichte<br />

mit vielen Happy Ends.<br />

14 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


SERIE<br />

macht, ist es in der Öffentlichkeit nirgendwo<br />

präsent, nicht einmal an den Lebensmittel-<br />

und Getränkemärkten, die<br />

der Konsum in einer gemeinsamen<br />

GmbH mit dem langjährigen Partner<br />

REWE betreibt. Die Läden heißen Xquisit,<br />

Gerry Weber, Arqueonautas, Taifun,<br />

Samoon, Antilope, Rieker, Tamaris oder<br />

Schuhprofi, und das ist wohlbedacht.<br />

»Hinter der Konsumgenossenschaft Weimar«,<br />

sagt Sigrid Hebestreit, »stehen 138<br />

Jahre Geschichte. Davon wissen die meisten<br />

jungen Leute aber kaum etwas, und<br />

ausländische Kunden können mit dem<br />

Konsum schon gar nichts anfangen.« Die<br />

Alteingesessenen wiederum verbinden<br />

mit dem Namen oft noch Markenkleben<br />

und die Mangelwirtschaft der DDR.<br />

Mit ihrer Struktur, ihren Verkaufskonzepten<br />

und ihrem Erfolg bilden der<br />

Konsum Weimar und seine Tochtergesellschaften<br />

heute ein hochmodernes<br />

Unternehmen. Etwa 43 Millionen Euro<br />

Gesamtumsatz im vergangenen Jahr machen<br />

ihn zu einem der führenden Einzelhandelsunternehmen<br />

in Thüringen und<br />

mittlerweile auch in Sachsen.<br />

Auch die Mitglieder, über 6.000 an der<br />

Zahl, wissen die Vorzüge ihrer Genossenschaft<br />

zu schätzen: Sie kommen in den<br />

Genuss spezieller Einkaufsvorteile und<br />

kostenloser Bedienung in der Änderungsschneiderei,<br />

und ihre Einlagen von<br />

gut einer Million Euro wurden auch 2010<br />

wieder mit sechs Prozent verzinst.<br />

Motor der erfreulichen Entwicklung<br />

ist seit vielen Jahren Sigrid Hebestreit.<br />

Beim Konsum Weimar hat sie ihre Lehre<br />

als Verkäuferin und später in der Konsum-Fachschule<br />

Blankenburg ein Studium<br />

absolviert, danach ein kurzes Gastspiel<br />

in der Personalabteilung gegeben<br />

und eine Zeitlang als stellvertretende<br />

Filialbereichsleiterin für Lebensmittel<br />

gearbeitet. Der Aufstieg zur Vorstandsvorsitzenden<br />

kam überraschend. 1984,<br />

ihre beiden Kinder waren gerade eingeschult,<br />

übernahm Sigrid Hebestreit ein<br />

Unternehmen mit 1.200 Mitarbeitern<br />

und 230 Millionen Mark Jahresumsatz.<br />

Mit Ende Zwanzig musste sie in einer<br />

Führungsriege, die im Durchschnitt<br />

mehr als doppelt so alt war, Durchsetzungskraft<br />

beweisen.<br />

Ein gutes Training, das ihr auch in<br />

den unübersichtlichen Wende- und<br />

Nachwendezeiten zugute kam: »Als ein<br />

aus dem Westen zugereister Bürgermeister<br />

seine Hand auf Grundstücke legen<br />

wollte, die seit eh und je der Genossenschaft<br />

gehörten, habe ich mich gewehrt,<br />

bis die Sache zu unseren Gunsten entschieden<br />

war.« Ihre Unsicherheiten in Sachen<br />

westlicher Handelsstrukturen<br />

machte sie durch unerschöpfliche Neu-<br />

An großen Namen herrscht in Weimar<br />

kein Mangel. Goethe und<br />

Schiller – die berühmtesten aller<br />

Prominenten, die jemals in der beschaulichen<br />

Residenzstadt zu Hause waren –<br />

haben Unsterblichkeit erlangt. Zugleich<br />

machen sie den Nachgeborenen das gern<br />

entgegengenommene Geschenk, dennoch<br />

vor langer Zeit gestorben zu sein –<br />

vor so langer Zeit, dass ihre Namen heute<br />

jedermann zum (hoffentlich pietätvollen)<br />

Gebrauch zur Verfügung stehen.<br />

Im Fall der beiden Kaufhäuser, die<br />

nach den Weimarer Klassikern benannt<br />

sind, sollte es da kaum Klagen geben. Erstens<br />

haben sich Goethe und Schiller einiges<br />

auf ihre Volkstümlichkeit zugute gehalten<br />

(»Solch ein Gewimmel möcht’ ich<br />

sehn, auf freiem Grund mit freiem Volke<br />

stehn«), und Einkaufen ist nun mal ein<br />

populäres Vergnügen. Zweitens handelt<br />

es sich um noble Konsumtempel mit anspruchsvollem<br />

Warensortiment, dessen<br />

sich niemand zu schämen braucht.<br />

Das Volk ist so frei, das vom Dichterfürsten<br />

prophezeite Gewimmel auf den<br />

großzügigen, attraktiv gestalteten Verkaufsflächen<br />

herzustellen. Man könnte<br />

sogar sagen: die Völker. Denn der Handel<br />

in Weimar profitiert wie in keiner anderen<br />

thüringischen Stadt vom florierenden<br />

Tourismus. An Wochenenden machen<br />

auswärtige Besucher etwa 60 Prozent<br />

der Kundschaft in den Kaufhäusern<br />

und in vielen anderen Geschäften der Innenstadt<br />

aus. In der Woche ist das Verhältnis<br />

zu den Einheimischen etwa umgekehrt,<br />

was immer noch sehr beachtlich<br />

ist.<br />

»Urlauber«, sagt Sigrid Hebestreit, »geben<br />

ja gern Geld aus.« Dazu kommen die<br />

vielen zahlungskräftigen Teilnehmer<br />

Dutzender nationaler und internationaler<br />

Kongresse. Auch die Weimarer sind<br />

dem Shopping nicht abgeneigt, und das<br />

nahe gelegene Jena, dessen Bürger gern<br />

mal zum Einkaufsbummel herüberkommen,<br />

hat die höchste Kaufkraft weit und<br />

breit. Handtaschen zum stolzen Preis<br />

von 300 Euro, vom angesagten Label Liebeskind<br />

etwa, sind keineswegs Ladenhüter.<br />

Im Gegenteil.<br />

138 JAHRE GESCHICHTE<br />

Sigrid Hebestreit ist die Vorstandsvorsitzende<br />

der Konsumgenossenschaft Weimar,<br />

die das Goethe Kaufhaus und das<br />

Schiller Kaufhaus betreibt. Und mehr als<br />

20 weitere Fachgeschäfte für Bekleidung<br />

und Schuhe, die nicht nur in Weimar,<br />

sondern auch in Erfurt, Gera, Jena, Gotha,<br />

Dresden und Chemnitz gut besucht<br />

werden. Obwohl das neu gestaltete Logo<br />

– ein von zwei Löwen gehaltenes rotes K<br />

auf schwarzem Grund – einiges her-<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 15


SERIE<br />

KONSUM WEIMAR verbindet mit Gerry Weber seit vielen Jahren eine erfolgreiche Partnerschaft.<br />

Fotos: Torsten George (7), Konsum Weimar<br />

gier wett und stellte dabei fest, dass eine<br />

gewisse Ahnungslosigkeit durchaus auf<br />

Gegenseitigkeit beruhte. Die Frage<br />

»Macht ihr im Osten eigentlich auch Bilanzen?«<br />

verschlug ihr die Sprache, aber<br />

nur für einen Moment. Dann stellte sie<br />

wieder eigene Erkundigungen an.<br />

Die Vorstandsvorsitzende wartete weder<br />

auf Eingebungen von oben noch auf<br />

Einflüsterungen schwer durchschaubarer<br />

Unternehmensberater. Mit dem Wartburg<br />

fuhr sie durch die alten Bundesländer,<br />

im Kofferraum Benzinvorräte, auf<br />

der Rückbank die provisorische Schlafgelegenheit.<br />

Bei REWE blieb sie hängen.<br />

Der Joint-Venture-Vertrag, der für beide<br />

Beteiligte je die Hälfte der Anteile festschreibt,<br />

ist bis heute gültig. Sigrid Hebestreit<br />

ist stolz, gut verhandelt zu haben.<br />

Monate vor der Währungsunion kamen<br />

die ersten Westwaren in den Konsum,<br />

in Sechserreihen, die sich um das<br />

Goethe-Schiller-Denkmal ringelten, standen<br />

die Kunden trotz horrender Preise<br />

nach Ananas und Früchtejoghurt an.<br />

Im Gegenzug hat die Chefin den<br />

REWE-Verantwortlichen dieses und jenes<br />

Ostprodukt schmackhaft gemacht.<br />

IM STILLEN WEGE BAHNEN<br />

Wenig später musste sie dann unpopuläre<br />

Maßnahmen durchsetzen. »Es ging<br />

um unsere Existenz«, sagt sie. »240 Lebensmittelgeschäfte,<br />

davon 90 Prozent<br />

auf dem Land, so konnten wir nicht überleben.«<br />

Mit der Schließung der meisten<br />

Filialen – bei wenigen nur lohnte sich<br />

die Privatisierung – und der Entlassung<br />

von 800 der 1.200 Mitarbeiter hat sie sich<br />

auch in der Bevölkerung nicht immer<br />

Freunde gemacht. Bürgermeister und<br />

Kunden verlangten Rechtfertigung und<br />

waren doch oft nicht zu überzeugen. Im<br />

Konsum, verkündeten viele, kaufen wir<br />

so schnell nicht wieder ein.<br />

Auch manch älterer Vorstandskollege<br />

hätte lieber abgewartet, Sigrid Hebestreit<br />

allerdings sah das Heil in der Offensive.<br />

Einsam fühlte sie sich auch in schwierigen<br />

Zeiten nie: »Es gab und gibt immer<br />

Menschen, mit denen man neue Wege<br />

KONSUM WEIMAR bürgt sowohl im Foodals<br />

auch im Nonfood-Bereich für Qualität.<br />

gehen kann. Mein Prinzip ist, Bedenken<br />

ernst zu nehmen und so lange zu diskutieren,<br />

bis wir die beste Lösung gefunden<br />

haben.«<br />

Damals, so erinnerte sich ihr gegenüber<br />

kürzlich eine ehemalige Mitarbeiterin,<br />

habe diese das nicht einsehen wollen.<br />

»Heute weiß ich«, ergänzte die einstige<br />

Kollegin im Gespräch, »die harten<br />

Schnitte waren richtig.«<br />

Nur wer sich ändert, bleibt sich treu,<br />

findet die Vorstandsvorsitzende und zitiert<br />

Goethe: »Auch aus Steinen, die einem<br />

in den Weg gelegt werden, kann<br />

man Schönes bauen.« Inzwischen hat der<br />

Konsum Weimar wieder 740 Mitarbeiter.<br />

Etwa 60 sollen in diesem Jahr dazukommen,<br />

die meisten im Chemnitz Center in<br />

Röhrsdorf, wo der Konsum Weimar am<br />

1. September auf 5.500 Quadratmetern<br />

sein Life Style Xquisit Kaufhaus eröffnet.<br />

Die Hinwendung vom Lebensmittelhandel<br />

zum Non-Food-Bereich ist einer<br />

persönlichen Vorliebe der Chefin geschuldet,<br />

in erster Linie aber ihrem festen<br />

Willen, ihr Unternehmen unabhängig<br />

zu machen. Leicht war es nicht für<br />

eine Frau aus dem Osten und aus einer<br />

Firma, die fast ausschließlich Erfahrungen<br />

mit Lebensmitteln hatte, in der Textilbranche<br />

ernst genommen zu werden.<br />

Mancher mag sich später gewünscht<br />

haben, das muntere Funkeln in ihren<br />

Augen nicht ignoriert zu haben.<br />

Sigrid Hebestreits Strategie: Im Stillen<br />

Wege bahnen und dann mit der eigenen<br />

Leistung in die Offensive gehen. So konnte<br />

sie, die mit ihrer Gelassenheit und<br />

16 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


SERIE<br />

Freundlichkeit nicht selten<br />

unterschätzt wurde (was sie<br />

stets in Vorteile umzumünzen<br />

verstand), einen Erfolg<br />

nach dem andern verbuchen.<br />

Renommierte Textilfirmen,<br />

die ihr ein ums andere<br />

Mal die kalte Schulter zeigten,<br />

kommen heute von allein,<br />

um dem Konsum Weimar<br />

ihre hochwertigen Sortimente<br />

anzubieten. Und der<br />

Konsum, mit seinem beachtlichen<br />

Einkaufsvolumen im<br />

Rücken kann überaus vorteilhafte<br />

Verträge aushandeln.<br />

Im Service lässt sich die<br />

Konsum-Belegschaft von niemandem<br />

übertreffen. Neben<br />

den Dichtern und Denkern,<br />

die so viele Besucher nach<br />

Weimar locken, sind die Mitarbeiterinnen<br />

(»Wir sind<br />

eine Weiberwirtschaft», sagt<br />

die Chefin, »das ist ein gutes<br />

Arbeiten«) das Pfund, mit<br />

dem das Unternehmen wuchert.<br />

Textilien verkaufen viele, aber<br />

längst nicht alle so feinfühlig und begeistert,<br />

wie das in Weimar der Fall ist. Die<br />

Verkäuferinnen sind geschult, den Kunden<br />

von den Augen abzulesen, ob sie sogleich<br />

engagierte Beratung wünschen<br />

oder lieber in Ruhe gelassen werden<br />

möchten. Sonja Pfirschke etwa arbeitet<br />

seit 48 Jahren beim Konsum und hat ihre<br />

heutige Chefin einst als Lehrling betreut.<br />

Das Engagement und die Innovationsfreude<br />

von Sigrid Hebestreit hat der<br />

Thüringer Verband der Unternehmerinnen<br />

(VdU) in diesem Jahr in besonderer<br />

WÄHREND DIE GATTIN shoppt, entspannt der Gatte im<br />

tiefen Kaufhaus-Fauteuil.<br />

Weise gewürdigt. Die Konsum-Chefin<br />

gehört zu den diesjährigen drei Preisträgerinnen<br />

des Emily-Roebling-Preises. Der<br />

Thüringer VdU verleiht die Auszeichnung<br />

für außergwöhnliche Leistungen<br />

von Unternehmerinnen im Bundesland.<br />

DER KUNDE IST KÖNIG<br />

Auswärtigen Gästen werden die Einkäufe<br />

ins Hotel gebracht, ins berühmte »Elephant«<br />

beispielsweise, und wenn einem<br />

Gast kurz vor einem wichtigen Termin<br />

der Koffer abhanden gekommen ist, empfängt<br />

ihn das Schiller Kaufhaus ausnahmsweise<br />

einmal auch spät am<br />

Abend. In Hotelfoyers stellt der Konsum<br />

Schmuckkollektionen aus und kleidet<br />

von Zeit zu Zeit die Mitarbeiter an der Rezeption<br />

ein. Da sich Sigrid Hebestreit<br />

auch im Tourismus-Marketing engagiert,<br />

weiß sie immer aus erster Hand, was in<br />

ihrer Stadt los ist und kann sich mit besonderen<br />

Aktionen darauf einstellen.<br />

Männer, die ihre Frauen beim Einkauf<br />

begleiten, werden in komfortable Sessel<br />

gebeten und mit Kaffee oder Sekt bei<br />

Laune gehalten. Sie sind es dann auch,<br />

die am schnellsten zu begeistern sind,<br />

wenn zweimal im Jahr Stammkunden zu<br />

Abendveranstaltungen eingeladen werden,<br />

auf denen bei freundlicher Bewirtung<br />

neue Modetrends vorgestellt werden,<br />

nach Herzenslust eingekauft und<br />

dabei ein wenig gefeiert werden kann.<br />

Die letzten Gäste gehen nicht vor zwei,<br />

drei Uhr morgens.<br />

Männer für Einkaufs-Events gewinnen:<br />

Fast sieht es so aus, als wäre dem<br />

Konsum Weimar nichts unmöglich. An<br />

einer Kleinigkeit ist er bisher aber doch<br />

gescheitert: Goethe und Schiller auf<br />

ihrem Denkmalssockel vor dem Nationaltheater<br />

waren nicht zu bewegen, ihre<br />

Plätze zu tauschen. Deshalb steht Johann<br />

Wolfgang bis auf weiteres näher am<br />

Schiller Kaufhaus, Friedrich näher am<br />

Kaufhaus, das Goethes Namen trägt. Um<br />

die Ordnung herzustellen, könnten<br />

natürlich auch die Häuser ihre Namen<br />

wechseln. Aber kleine Schönheitsfehler<br />

sollen ja den Reiz einer Sache durchaus<br />

erhöhen. Außerdem ist es immer gut, ein<br />

paar besondere Ziele in petto zu haben.<br />

So hat es der Konsum Weimar immer gehalten.<br />

Constanze Treuber<br />

&<br />

Brasilien<br />

Brasil<br />

www.brasilianische-botschaft.de<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 17


BETRACHTUNG<br />

Platt, platter – Wahlplakate<br />

Der Krampf<br />

um Berlin<br />

WAHL<br />

EXTRA<br />

BERLIN<br />

Wo bitte geht’s hier zum Wahlkampf?<br />

Noch vor Wochen fragte man sich,<br />

ob tatsächlich am 18. September<br />

in der Hauptstadt über ein neues<br />

Abgeordnetenhaus abgestimmt werde.<br />

Heute ist Berlin für einige Millionen<br />

Euro zugekleistert. Mit krampfhaft<br />

originellen Sprüchen und platten Parolen.<br />

Inhalte? Trennschärfe? Fehlanzeige.<br />

Fotos: Torsten George (3), H. Liebsch<br />

Früher war alles besser. Da konnte<br />

man nach dem Angebot an alkoholischen<br />

Getränken bei den Wahlveranstaltungen<br />

entscheiden, welcher Partei<br />

man seine Stimme gibt. Das bezeugte<br />

weiland Kurt Tucholskys älterer, leicht<br />

besoffener Herr. In vino veritas? Na ja,<br />

nicht ganz. Denn nach SPD-Besuch beschließt<br />

der wohl bekannteste Besitzer<br />

eines »selbständjen Jemieseladens«, bei<br />

der Stimmabgabe auch seine Interessenlage<br />

zu berücksichtigen: »Ick werde<br />

wahrscheinlich diese Pachtei wähln – es<br />

is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat<br />

for de Revolutzjon, aber man weeß janz<br />

jenau: mit diese Pachtei kommt se nich.«<br />

KABARETTREIFE FARBENSPIELE<br />

Rund 80 Jahre später geht es zwar in den<br />

hauptstädtischen Wahlveranstaltungen<br />

viel trockener zu – ob man das allerdings<br />

auch von den Meetings in den<br />

Kampagnezentralen der Parteien beziehungsweise<br />

den Kommunikations- oder<br />

Kreativagenturen sagen kann, da bestehen<br />

erhebliche Zweifel. Jedenfalls angesichts<br />

der mit Plakaten zugemüllten<br />

Stadt. Annähernd fünf Millionen Euro<br />

sollen dem Vernehmen nach die Parteien<br />

in diesem Jahr für ihre Wahlkämpfe ausgeben.<br />

Geld, das inzwischen an Wänden<br />

und Laternenpfählen die seltsamsten<br />

Blüten treibt. Beispielsweise fragt ein<br />

Piratenpartei-Kandidat von oben herab:<br />

»Warum häng’ ich hier eigentlich, ihr<br />

geht ja eh’ nicht wählen!«<br />

Es hat tatsächlich den Anschein, als<br />

sollten die Berlinerinnen und Berliner<br />

am 18. September 2011 statt der Abgeordnetenhaus-Wahl<br />

so eine Art Elferrats-Sitzung<br />

abhalten. Eine ganze Reihe von Parlamentsanwärtern<br />

nimmt sich offenbar<br />

das legendäre Vera-Lengsfeld-Plakat zum<br />

Vorbild. Die hatte sich zur Bundestagswahl<br />

2009 per Fotomontage Seite an Seite<br />

mit der gleichfalls tief dekolletierten<br />

Kanzlerin gestellt und behauptet: »Wir<br />

haben mehr zu bieten!« Den Sieg trug<br />

damals im Berliner Wahlbezirk Friedrichshain-Kreuzberg<br />

allerdings nicht der<br />

Lengsfeld-Busen davon, sondern die vergleichsweise<br />

flache Brust des grünen<br />

Urgesteins Christian Ströbele.<br />

Eine Blütenlese 2011 verrät indes die<br />

Langzeitwirkung des Kultplakats. Das<br />

schreibt die DIE NEUE FDP auf gelben<br />

Grund: »Wir meinen, dass es eine nette<br />

Geste wäre, in Paris nach Croissants statt<br />

nach Schrippen zu fragen.« Hä? Zuviel<br />

Cognac im Kaffee? Dann dämmert es:<br />

Das ist der um drei Ecken gedachte<br />

Beitrag der Neu-FDP zur bundesweiten<br />

Integrationsdebatte. Er will sagen, wir<br />

sind hier in Deutschland und da wird<br />

Deutsch gesprochen. Dagegen wendet<br />

sich die »Berliner Zeitung« mit dem lapi-<br />

daren Hinweis, dass es wahrscheinlich<br />

nicht zielführend wäre, in Paris nach<br />

Croissants statt nach Schrippen zu fragen.<br />

Wer Schrippen wolle, der müsse sich<br />

eben Petits Pains wünschen.<br />

Es spricht einiges für übermäßigen<br />

Genuss von Pfefferminzlikör, wenn die<br />

Grünen einen auf dem Dach liegenden S-<br />

Bahn-Waggon mit dem Slogan verbinden:<br />

»DA MÜSSEN WIR RAN!« Wer sind<br />

wir? Die großflächig plakatierte Spitzenkandidatin<br />

Renate Künast hat schon angekündigt,<br />

nach der Wahl in die Bundespolitik<br />

zurückzukehren statt sich landespolitisch<br />

zu verschleißen. Allenfalls als<br />

Regierende würde sie bleiben. Das wird<br />

nach aktueller Lage der Umfragen nur etwas,<br />

wenn die Grünen wieder stark zulegen<br />

– und zusammen mit der CDU die<br />

Stadt regieren können. Ein verlockender<br />

Gedanke. Man könnte sich künftig die<br />

Kabarett-Karten sparen!<br />

ROTER SENAT AN ALLEM SCHULD<br />

Apropos CDU. Sie kommt herkömmlich<br />

und traditionsbewusst daher und ohne<br />

direkten Bezug zur verkehrten Welt der<br />

S-Bahn. Suggestiv blickt ihr Frontmann<br />

Frank Henkel seinen potenziellen Wählerinnen<br />

und Wählern in die Augen. Links<br />

werden die 100 Probleme von Berlin angekündigt,<br />

rechts die 100 Lösungen, die<br />

Christdemokraten in der Tasche haben.<br />

18 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


BETRACHTUNG<br />

den Bürgermeister Klaus Wowereit. Er<br />

bittet in tollen Schnappschüssen, nein,<br />

nicht um Vergebung, sondern demütig<br />

um Verständnis für seinen Politikstil:<br />

»Berlin verstehen«. Sympathisch. Bei der<br />

Vorstellung der Kampagne prägte der<br />

SPD-Landesvorsitzende Michael Müller<br />

ein Wort, das Jahrhunderte überdauern<br />

könnte: »Wir wollen selbstbewusst klarmachen:<br />

Es reicht nicht, die Stadt zu kennen.<br />

Wer hier regieren will, muss die<br />

Stadt auch verstehen.« Obendrein hat das<br />

Motto einen hohen Wiederverwendungswert<br />

für alle künftigen SPD-Wahlkämpfe.<br />

München, Köln, Kiel, Nürnberg ... verstehen.<br />

Da kann kein Alkohol im Spiele<br />

gewesen sein, da muss etwas Stärkeres<br />

seine Wirkung entfaltet haben.<br />

AM ENDE IN DER OPPOSITION?<br />

Mal ganz nüchtern: Was sich dieser Tage<br />

in den Straßen Berlins darbietet, beleidigt<br />

den Verstand. Dieses Verständnis<br />

von Politik zwischen Allmacht (CDU) und<br />

Ohnmacht (SPD) verstellt jeden Blick darauf,<br />

was wirklich zu tun ist. Man muss<br />

nicht auf Paris oder London verweisen,<br />

man kann auch in Berlin erfahren, wie<br />

Stadtentwicklung verläuft, wenn man<br />

sie den Marktkräften überlässt. Die soziale<br />

Entmischung schreitet fort, schier<br />

ungebremst. Berlin ist zudem die Hauptstadt<br />

der Aufstocker, der Leute, die von<br />

Man kann sie auch am Kiosk kaufen,<br />

nicht die Demokraten, sondern die Lösungen<br />

– für gerade mal 50 Cent. Da<br />

keimt Hoffnung. Besonders dann, wenn<br />

man nach durchzechter Nacht am Morgen<br />

kaum die Augen aufbekommt und<br />

wirklich ein dickes Problem hat. Da ist<br />

man doch erleichtert, wenn der Blick das<br />

Plakat streift und man liest: 100 Probleme<br />

– Frank Henkel.<br />

Aber das heimtückisch-schadenfrohe<br />

Plakat war nur zum Aufwärmen gedacht.<br />

Für die restliche Kampagne hat sich deren<br />

Zentrale offenbar über eine Kiste<br />

»Blauen Würger« aus alten Ost-CDU-Beständen<br />

hergemacht. Weiß auf blauem<br />

Grund heißt es: »Frank Henkel – damit<br />

sich was ändert«. Plakat und Plagiat in einem.<br />

Wer mag, erinnert sich an die Bundestagswahl<br />

2009 und »Grün wählen –<br />

damit sich was ändert«. Und dann wird<br />

gegen Arbeitslosigkeit, Schmutz, Lehrermangel,<br />

Schulden, Mietanstieg, Gewalt<br />

und andere vom rot-roten Senat unmittelbar<br />

verursachten Missstände Front gemacht.<br />

Man fürchtet sich, um die nächste<br />

Ecke zu gehen und mit dem Schriftzug<br />

konfrontiert zu werden: »Henkel<br />

statt Sozialismus«.<br />

Da muss die SPD dagegenhalten. Mit<br />

großflächigen Konterfeis von glücklich<br />

regierten Berlinerinnen und Berlinern<br />

und einem noch glücklicheren Regierenihrem<br />

Job nicht leben können. Wer das<br />

für sexy hält, der ist geistig arm.<br />

Selbstverständlich kann man das internationale<br />

Flair der Stadt bejubeln und<br />

preisen, dass ab 22 Uhr in den <strong>Mitte</strong>-<br />

Lokalen oder im Prenzlauer Berg nur<br />

noch Englisch gesprochen wird. Wenn<br />

aber Partei zur Party schrumpft, dann<br />

stimmt etwas nicht. Auch das S-Bahn-<br />

Desaster hat nachweislich mit Privatisierung<br />

und dem hellen Wahn zu tun, an<br />

der Börse mit der Deutschen Bahn richtig<br />

Geld einzusacken.<br />

Apropos Geld. Die Linke muss nach eigenen<br />

Worten in diesem Jahr an Geldern<br />

sparen und hat offenbar Rotkäppchen-<br />

Sekt und Cuba-Rum rationiert. Anders ist<br />

es nicht zu verstehen, dass sie mit platten<br />

Parolen, die ein bisschen vorgestrig<br />

anmuten, ihre Anhänger mobilisieren<br />

will: »Mieter vor Wild-West schützen«.<br />

Man reibt sich verdutzt die Augen und<br />

fragt sich, wer hier in Berlin seit 2002<br />

mitregiert. Mag sein, dass die Partei wie<br />

die CDU auf alte Frontstadt-Reflexe setzt<br />

und in den bösen Westkapitalisten ihr<br />

Feindbild recycelt. Vorwärts in die Vergangenheit?<br />

»Veränderung beginnt mit<br />

Opposition«, hieß einmal der Slogan der<br />

dunkelroten Genossen, nun, eine solche<br />

taktische Veränderung endet in der Opposition.<br />

Wetten?<br />

Hans Hansen<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 19


REPORT<br />

WAHL<br />

EXTRA<br />

KOALITIONSFRAGE OFFEN<br />

Sellering zeigt zwei Gesichter für die<br />

gleiche Aussage. Er lobt die gute Regierungsarbeit<br />

zusammen mit den Christdemokraten,<br />

stellt aber auch dem früheren<br />

Tandem mit der Linken ein passables<br />

Zeugnis aus. In einer Umfrage des Norddeutschen<br />

Rundfunks vier Wochen vor<br />

dem Urnengang lag die SPD mit 34 Prozent<br />

vor der CDU, die auf Sichtweite mit<br />

30 Prozent gehandelt wurde. Die Linken<br />

folgten mit 18 Prozent. Hat diese Relation<br />

am 4. September Bestand, bekommen<br />

die Bürger Mecklenburg-Vorpom-<br />

MECKLENBURG-<br />

VORPOMMERN<br />

Fotos: DPA/ZB, T. Schwandt<br />

Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern<br />

Regierungschef gibt<br />

den doppelten Sellering<br />

Das Bundesland an der Ostseeküste entwickelt beachtenswerte Dynamik auf dem Weg zu einer<br />

sich selbst tragenden Wirtschaft. Das lähmt den Wahlkampf zwischen Wismar und Wolgast.<br />

partner aussuchen zu können. Weitermachen<br />

mit der CDU, wie in der zurückliegenden<br />

fünfjährigen Legislaturperiode,<br />

oder Neuauflage eines rot-roten<br />

Bündnisses, das bereits von 1998 bis 2006<br />

das nordöstliche Bundesland regiert hat.<br />

Im Wahlkampf hat CDU-Spitzenkandidat<br />

Lorenz Caffier seinen SPD-Kontrahenten,<br />

Ministerpräsident Erwin<br />

Sellering, klar abgehängt. Zumindest auf<br />

dem Plakat. Der Slogan »C wie Zukunft«<br />

neben dem freundlich-seriös lächelnden<br />

Unionspolitiker (C wie Caffier) erregte<br />

bundesweite Aufmerksamkeit unter humorlosen<br />

Orthografen und landesfernen<br />

Lästerfedern in hauptstädtischen Redaktionsstuben.<br />

SPD-Frontmann Sellering schaut dafür<br />

landesväterlich gleich doppelt vom<br />

Plakat auf das Wahlvolk. Der doppelte<br />

Sellering, das hat im Werbefeldzug zu<br />

den Landtagswahlen am 4. September<br />

dieses Jahres in Mecklenburg-Vorpommern<br />

charakterisierende Symbolik.<br />

Denn der sozialdemokratische Ministerpräsident<br />

ist in der komfortablen Lage,<br />

sich bei einem Wahlsieg den Koalitionsmerns<br />

den Sellering. Egal, welchen sie<br />

sich auf dem Wahlplakat ausgucken.<br />

Der CDU wird der Punktsieg im Plakatwettbewerb<br />

wenig behagen. Denn,<br />

der lautlose und blasse Wahlkämpfer<br />

Caffier könnte durchaus Kalkül sein. Die<br />

Sozialdemokraten auf der Zielgeraden<br />

noch knapp zu überholen, würde die Koalitionsfrage<br />

bereits am Wahlabend entscheiden.<br />

Da die FDP mit drei (Umfrage)<br />

Prozent an den außerparlamentarischen<br />

Katzentisch verwiesen werden wird und<br />

die Grünen mit acht Prozent auch rein<br />

rechnerisch als Partner keine Option<br />

sein werden, wäre Rot-Rot vorprogrammiert,<br />

landeten die siegreichen Christdemokraten<br />

auf der Oppositionsbank. Diese<br />

Zukunft mit C haben die Wahlstrategen<br />

der Union sicherlich nicht gemeint.<br />

Da Linke-Spitzenkandidat Helmut<br />

Holter, querab aller bundespolitischer<br />

20 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


REPORT<br />

Debatten und Vorbehalte seiner Partei zu<br />

Regierungsbeteiligungen, keinen Hehl<br />

daraus macht, künftig am Kabinettstisch<br />

sitzen zu wollen, läuft das Landtagswahlrennen<br />

im Nordosten seit Wochen als<br />

Buhler-Wettstreit um Sellerings Gunst.<br />

Der sagt, er werde den Partner bevorzugen,<br />

»mit dem wir mehr sozialdemokratische<br />

Inhalte umsetzen können«.<br />

ARBEITSMARKT STABIL<br />

In der arbeitsmarktpolitischen Entwicklung<br />

bescheinigt eine aktuelle Studie der<br />

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft<br />

(INSM) dem Land Mecklenburg-Vorpommern<br />

eine beachtenswerte Dynamik. Im<br />

Vergleich aller 16 Bundesländer kam der<br />

Nordosten auf Platz drei ein. Nirgends<br />

sank die Arbeitslosenquote in den<br />

zurückliegenden vier Jahren so stark wie<br />

zwischen Wismar und Wolgast. Das ist<br />

umso bemerkenswerter, weil unter Ägide<br />

der großen Koalition in der schweren Krise<br />

2008/09 ein Desaster auf dem Arbeitsmarkt<br />

ausgeblieben ist. Zwar verloren<br />

1.200 Schiffbauer der insolventen Wadan-Werften<br />

ihre Jobs, doch unter maßgeblicher<br />

Regie des vom CDU-Politiker<br />

Jürgen Seidel geführten Wirtschaftsministeriums<br />

und der Agentur für Arbeit<br />

wurde einem Großteil der Betroffenen<br />

unbürokratische Hilfe zuteil. In der<br />

mittelständischen maritimen Zuliefererindustrie<br />

konnte der Flurschaden ebenfalls<br />

begrenzt werden. Auch weil die rotschwarze<br />

Landesregierung zügig den Fokus<br />

auf die sich abzeichnenden neuen<br />

Chancen im Bereich der erneuerbaren<br />

Energien, allen voran der Offshore Windenergie,<br />

richtete. Sellering wird nicht<br />

müde, dies als größte Wachstumschance<br />

SCHWERINER SCHLOSS Wahrzeichen und<br />

Machtzentrum in Mecklenburg-Vorpommern<br />

für den Nordosten zu apostrophieren. Da<br />

weiß er sich eins mit Wirtschaftsminister<br />

Seidel. So viel Einigkeit gab es nicht<br />

immer. Bei den inzwischen versenkten<br />

Plänen zum Bau eines Steinkohlekraftwerks<br />

im vorpommerschen Lubmin fuhren<br />

Ministerpräsident und Wirtschaftsminister<br />

einen gegensätzlichen Kurs.<br />

Arbeitsplätze schaffen, das Ziel ist parteiübergreifender<br />

Konsens. Die Linke<br />

möchte zum öffentlich geförderten Beschäftigungssektor<br />

zurück, hier 1.500<br />

Jobs schaffen. Der Sockel von schwer zu<br />

vermittelnden Langzeitarbeitslosen unter<br />

den 100.000 Erwerbslosen in Mecklenburg-Vorpommern<br />

ist hoch und fest. Die<br />

CDU erwägt, mit einer Bildungsoffensive<br />

die Langzeitarbeitlosen fit zu machen<br />

für den ersten Arbeitsmarkt. Auch, um<br />

dem Fachkräftemangel in der Wirtschaft<br />

zu begegnen. Über den Bildungsweg gehen<br />

auch die Grünen. Deren Spitzenmann<br />

Jürgen Suhr sieht in der hohen<br />

Schulabbrecherquote von 14 Prozent ein<br />

nicht zu akzeptierendes Defizit.<br />

Suhr fordert zudem mehr Geld für die<br />

Wissenschaft, deren Forschungsleistung<br />

aber »gezielter auf die Bedarfe in der<br />

Wirtschaft« ausgerichtet werden müsse.<br />

Hier stehe Mecklenburg-Vorpommern im<br />

Wettbewerb mit den anderen Bundesländern.<br />

Die FDP plädiert dafür, die Kernkompetenzen<br />

an den zwei Universitäten<br />

und den Hochschulen im Land zu schärfen<br />

und herauszustellen. Wissenschaft<br />

und Wirtschaft sieht Ministerpräsident<br />

Sellering »verzahnt genug«. Es gelte, so<br />

weiter zu machen. Aber, warnt er, das<br />

Land sei nicht in der Lage, bei der Finanzierung<br />

der Hochschullandschaft »jährlich<br />

fünf Prozent oben drauf zu packen«.<br />

SCHULDENBREMSE FEST<br />

Sellering will Mecklenburg-Vorpommern,<br />

das seit 2006 ohne Neuverschuldung<br />

auskommt, auch in Zukunft ohne<br />

neue Schulden regieren. Im Landtag ließ<br />

er die Schuldenbremse verfassungsrechtlich<br />

zementieren. Für ihn wie für seinen<br />

bisherigen Koalitionspartner ist dies eine<br />

Voraussetzung, um bis 2020 Mecklenburg-Vorpommern<br />

in die Lage zu versetzen,<br />

sich wirtschaftlich selbst zu tragen.<br />

Die Linken verweigerten dem Ministerpräsidenten<br />

im Landesparlament die<br />

Gefolgschaft. Die Schuldenfrage könnte<br />

zum Zünglein an der Waage werden, für<br />

welche Koalition sich Sellering entscheidet.<br />

An der Schuldenbremse gibt es für<br />

ihn kein Rütteln. Dass an diesem haushaltspolitischen<br />

Pfeiler Rot-Rot scheitern<br />

wird, ist damit aber nicht gesagt. Holter,<br />

Fraktionschef der Linken im Landtag,<br />

war im Plakatwald wochenlang nicht zu<br />

sichten. Auch eine Ansage – alles offen.<br />

Thomas Schwandt<br />

Hand aufs Herz<br />

FAKTEN<br />

Drei Fragen an die Spitzenkandidaten von CDU und Die Linke<br />

1. Welche (Wunsch-)Koalition regiert MV nach dem 4. September?<br />

Lorenz Caffier: Ich hoffe auf eine CDU-geführte Regierung. Da die Linken<br />

und die NPD als Partner entfallen, gibt es keine übermäßig großen Optionen.<br />

Helmut Holter: Klare Antwort, eine rot-rote Koalition.<br />

2. Welches Amt streben Sie an, wenn es mit dem des Ministerpräsidenten<br />

nicht klappt?<br />

Lorenz Caffier: Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt.<br />

Helmut Holter: Als Minister für Wirtschaft und Arbeit hätte ich ein reizvolles<br />

Gestaltungsfeld.<br />

3. Was hat Ihre Partei nicht, was die SPD in der Wählergunst vorn liegen lässt?<br />

Lorenz Caffier: Den Ministerpräsidenten. Das ist ein Riesenproblem in einer<br />

funktionierenden großen Koalition. Die Fachminister sind für die Abteilung<br />

Probleme zuständig, der Chef ist zuständig für die Abteilung Sonnenschein.<br />

Helmut Holter: Wir haben nicht den Ministerpräsidenten.<br />

Umfrageergebnis<br />

vom 4. August 2011<br />

von Infratest-Dimap im Auftrag des NDR<br />

Prozent<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

SPD CDU Linke Grüne FDP NPD<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 21


REPORT<br />

Lorenz Caffier, Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns und Landesvorsitzender<br />

der CDU, über schlagkräftige Verwaltungen und Freiräume für die Wirtschaft<br />

Kein »Schotten dicht« in Europa<br />

W&M: Die CDU wirbt »Wirtschaft wächst, wo<br />

man sie lässt«. Wo will die CDU in Mecklenburg-Vorpommern<br />

die Wirtschaft lassen?<br />

CAFFIER: Trotz guter Vorsätze ist es<br />

nicht gelungen, Normen und Vorschriften,<br />

ob vom Land oder Bund, wesentlich<br />

zu reduzieren und zu vereinfachen. Der<br />

Abbau von Bürokratie muss energischer<br />

vorangetrieben werden. Ein neues Gesetz<br />

zieht in der Regel zehn neue Vorschriften<br />

nach sich. Da kommt selbst der kleine<br />

Handwerksbetrieb nicht umhin, einen<br />

Sachbearbeiter anzustellen, der<br />

nichts anderes macht, als Statistiken und<br />

Formulare zu bearbeiten. Entlastend ist<br />

es schon, wenn die vorhandenen Freiräume<br />

im Rahmen der Gesetze für die Wirtschaft<br />

besser genutzt werden.<br />

W&M: Was heißt das konkret?<br />

CAFFIER: Bürokratie abzubauen ist in<br />

Deutschland ein schwieriges Unterfangen.<br />

Mit der wachsenden Machtfülle der<br />

Europäischen Union wird es noch komplizierter.<br />

Umso wichtiger ist es, dass die<br />

öffentliche Hand, auch ich als Minister,<br />

ein Stück mehr Risiko eingehen. Wenn es<br />

zum Beispiel darum geht, die Freiräume,<br />

die jedem Gesetz innewohnen, im Sinne<br />

der Wirtschaft zu interpretieren. Nur die<br />

schwarzen Buchstaben lesen, das wirkt<br />

wirtschaftshemmend.<br />

W&M: Als Innenminister haben Sie mit der<br />

Kreisgebietsreform ein umstrittenes Thema<br />

angefasst. Ist diese Reform geeignet, den<br />

Bürokratieabbau voranzutreiben?<br />

CAFFIER: In Mecklenburg-Vorpommern<br />

treten bestimmte Probleme fünf bis zehn<br />

Jahre früher zutage als in anderen Ländern,<br />

etwa der Bevölkerungsrückgang.<br />

Diesen kann der öffentliche Dienst nicht<br />

ignorieren. Größere Einheiten auf Kreisebene<br />

sind notwendig, um betriebs- und<br />

wirtschaftsfähige Kommunalstrukturen<br />

zu erhalten. Das ist eine gute Chance, die<br />

Verwaltungen effektiver aufzustellen,<br />

ihre Schlagkraft zu erhöhen.<br />

W&M: Alle demokratischen Parteien wollen<br />

die Arbeitslosigkeit weiter verringern. Es gibt<br />

inzwischen sogar viele freie Stellen. Auf der<br />

anderen Seite werden Fachkräfte gesucht. Die<br />

CDU hat sich auf die Fahne geschrieben, Langzeitarbeitslose<br />

für den ersten Arbeitsmarkt fit<br />

zu machen. Was bestärkt Sie, darin die Lösung<br />

des Problems zu sehen?<br />

CAFFIER: Das Problem ist nicht schwarzweiß<br />

zu betrachten. Es hat viele Facetten.<br />

Eine ist die viel zu hohe Schulabbrecher-<br />

Quote von 14 Prozent im Land. Hier muss<br />

aktiv was getan werden. Das ist eine gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe, nicht nur<br />

eine der Politik. In den letzten fünf Jahren<br />

haben wir auf die Schaffung von Jobs<br />

auf dem ersten Arbeitsmarkt gesetzt,<br />

und nicht wie die rot-rote Koalition zuvor<br />

auf den öffentlichen Beschäftigungssektor.<br />

Unser Kurs hat sich ausgezahlt,<br />

weil so mehr sozialversicherungspflichtige<br />

Arbeitsplätze entstanden sind. Für<br />

Langzeitarbeitlose planen wir ab 2014<br />

eine Bildungsoffensive. Da etliche dieser<br />

Menschen auch künftig schwer vermittelbar<br />

sein werden, wollen wir für sie die<br />

Möglichkeit zur Bürgerarbeit vorhalten.<br />

»Im Tourismus werden<br />

Jahresgehälter<br />

von durchschnittlich<br />

12.500 EURO<br />

brutto gezahlt.«<br />

W&M: Damit wird aber der wachsende Fachkräftemangel<br />

nicht behoben.<br />

CAFFIER: Um genügend Fachkräfte zu<br />

haben, werden wir in anderen Ländern<br />

werben müssen. In allen Facetten. Ein<br />

gutes Beispiel sind die Lehrer. Ich war immer<br />

gegen die Verbeamtung. Aber heute<br />

steht die Frage nicht mehr, ob junge Lehrer<br />

verbeamtet werden oder nicht. Inzwischen<br />

geht es darum, ob ich Lehrer bekomme<br />

oder nicht.<br />

W&M: Sie sind für Verbeamtung der Lehrer?<br />

CAFFIER: Für Neulehrer ja. Das steht in<br />

unserem Wahlprogramm. Die Union<br />

muss sich auch in der Frage einer gesteuerten<br />

Zuwanderung öffnen. Wir hatten<br />

2008 im Land 20.800 Schulabgänger, aktuell<br />

sind es noch 10.500. Dafür drängen<br />

aus dem Osten junge qualifizierte Menschen<br />

zu uns, die in einer Kulturlandschaft<br />

aufgewachsen sind, die unserer<br />

ähnelt. Wir können uns mitten in Europa<br />

nicht abschotten. Sonst ist das Problem<br />

der Alterspyramide nicht zu lösen.<br />

W&M: Im jüngsten Ranking der Bundesländer<br />

wird MV eine starke Dynamik bescheinigt<br />

beim Abbau der Erwerbslosigkeit. Trotzdem<br />

verlassen weiterhin viele junge Leute das<br />

Land. Was läuft da schief in der Wirtschaft?<br />

CAFFIER: Zunächst, der Abwanderungstrend<br />

ist ein bisschen gebrochen. 2010<br />

hatten wir im Saldo ein verringertes<br />

Minus von 3.300 jungen Menschen. Was<br />

läuft schief? Nehmen Sie den Tourismus,<br />

eine der Kernwirtschaftsbranchen im<br />

Land. Dort werden Jahresgehälter von<br />

durchschnittlich 12.500 Euro brutto gezahlt.<br />

Da ist man versucht zu fragen,<br />

warum die Leute überhaupt noch arbeiten<br />

gehen. Gutes Personal ist nur zu halten,<br />

wenn es gut bezahlt wird, sonst wandert<br />

es ab. Das ist ein dickes Problem für<br />

ein Land, das strukturell sehr von Tourismus<br />

und Landwirtschaft geprägt ist.<br />

W&M: Kann unter diesen Umständen die<br />

Wirtschaft das selbst regeln?<br />

CAFFIER: Die Politik jedenfalls kann es<br />

nicht regeln, das ist nicht ihre Aufgabe.<br />

Ich kann nur alle Beteiligten auffordern,<br />

die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände<br />

zu stärken, um auf dieser Basis akzeptable<br />

Tarife auszuhandeln. Die Politik<br />

sollte da nicht mit einem Mindestlohn<br />

eingreifen. Zehn oder zwölf Euro, in diesem<br />

Wettbewerb der Überbietung wird<br />

vergessen, dass die Politik die Mindestlöhne<br />

nicht erwirtschaften muss.<br />

W&M: Im Wahlprogramm plädiert Ihre Partei<br />

für mehr industrielle Wertschöpfung und<br />

Innovation, bleibt aber unkonkret. Nur auf<br />

Gesundheitswirtschaft und Tourismus wird<br />

näher eingegangen. Worauf setzen Sie noch?<br />

CAFFIER: Zu verbessern ist die Veredlung<br />

landwirtschaftlicher Produkte. Es kann<br />

nicht sein, dass Mecklenburg-Vorpommern<br />

als Agrarland in der Fleischproduktion<br />

seinen Eigenbedarf nicht absichern<br />

kann. Auch muss es gelingen, an den<br />

zwei Universitäten und den Fachhochschulen<br />

Wissenschaft und Wirtschaft enger<br />

zu verknüpfen. Wir benötigen mehr<br />

kleinere Firmen, wo Jobs entstehen. Die<br />

➔ Fortsetzung auf Seite 24<br />

22 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


Helmut Holter, Linke-Fraktionschef im Landtag Mecklenburg-<br />

Vorpommern, zu politischer Kultur und öffentlich bezahlten Jobs<br />

Das Land wird nur verwaltet<br />

WAHL<br />

EXTRA<br />

staltet werden. Die Regierung verlangt<br />

den Kommunen viel ab, hält sich selbst<br />

aber zurück. Dabei war lange versprochen<br />

worden, das Kabinett und die Landesverwaltung<br />

zu verkleinern.<br />

W&M: Da sagt Sellering, wir haben ein Viertel<br />

der öffentlichen Stellen abgebaut.<br />

HOLTER: Ich meine nicht Stellenabbau,<br />

sondern eine echte Funktionalreform, in<br />

der in Einheit mit einer Kreisgebietsreform<br />

viele Aufgaben des Landes auf Kreise<br />

und Kommunen übertragen werden.<br />

W&M: In der Arbeitsmarktpolitik verfolgen<br />

die Parteien das gleiche Ziel, aber sehr unterschiedliche<br />

Wege dahin. Die Linke plädiert für<br />

einen öffentlich finanzierten Beschäftigungs-<br />

MECKLENBURG-<br />

VORPOMMERN<br />

W&M: Ministerpräsident Sellering von der<br />

SPD sagt, er werde mit dem Partner koalieren,<br />

mit dem die meisten sozialdemokratischen<br />

Themen umgesetzt werden können. Bei welchen<br />

Themen wäre Die Linke mit im Boot?<br />

HOLTER: Was Sellering für seine Partei<br />

sagt, gilt auch für Die Linke. Wir streben<br />

in einer rot-roten Koalition an, ein Maximum<br />

an linker Politik zu verwirklichen.<br />

In den Wahlprogrammen von SPD und<br />

Linke gibt es zahlreiche Schnittmengen.<br />

In der Wirtschaftspolitik wollen die Sozialdemokraten,<br />

ähnlich wie wir, stärker<br />

auf zinsgünstige Darlehen, weniger auf<br />

Zuschüsse für innovative Betriebe setzen.<br />

Das ist ein Schritt, um den von uns angestrebten<br />

sozial-ökologischen Umbau der<br />

Gesellschaft praktisch zu untermauern.<br />

Ein anderes großes Thema eint alle Parteien,<br />

die Energiewende.<br />

W&M: Wo hören die Gemeinsamkeiten auf?<br />

HOLTER: Die SPD will die Partei der <strong>Mitte</strong><br />

sein und meint neuerdings, ihre Politik<br />

ausschließlich auf den ersten Arbeitsmarkt<br />

ausrichten zu müssen. Dagegen<br />

wollen wir, wie schon unter Rot-Rot, eine<br />

Gleichwertigkeit von wirtschafts- und beschäftigungspolitischen<br />

Maßnahmen,<br />

Stichwort öffentlich geförderter Beschäftigungssektor.<br />

Es sind viele Aufgaben zu<br />

erledigen im sozialen, kulturellen, ökologischen<br />

und Jugendbereich. Da wird<br />

kein Gewinn erwirtschaftet, sie sind aber<br />

gesellschaftlich unerlässlich. Das Ehrenamt<br />

allein kann dies nicht leisten. Das<br />

blendet die SPD völlig aus.<br />

W&M: Beim Abbau von Arbeitslosigkeit hat<br />

MV eine hohe Dynamik hingelegt, die Wirtschaft<br />

schaufelt mehr Steuereinnahmen in die<br />

Kassen der Kommunen. Sie aber betonen, das<br />

Land brauche einen Politikwechsel. Warum?<br />

HOLTER: Ein Politikwechsel ist notwendig,<br />

weil Kommunalvertreter, Lehrer und<br />

Unternehmer zunehmend darüber klagen,<br />

dass es keinen Dialog mehr gibt,<br />

dass das Land nur verwaltet wird. Das gemeinsame<br />

Finden von Lösungen für aktuelle<br />

Probleme bleibt im Hintergrund.<br />

Auch sind keine klaren Leitlinien zu sehen.<br />

Beim gescheiterten Bau eines Steinkohlekraftwerks<br />

in Lubmin hat die SPD<br />

zunächst auf Rechtsstaatlichkeit gepocht<br />

und das Projekt befürwortet. Letztlich<br />

war sie politisch dagegen und hat die erneuerbaren<br />

Energien entdeckt. Es gibt<br />

eine große Beliebigkeit und Unverbindlichkeit<br />

in der Regierung Sellering.<br />

W&M: Wo würden Sie klare Kante zeigen?<br />

HOLTER: Es geht um die Art und Weise<br />

von Politik, um Verlässlichkeit und Gestalten.<br />

Zum Beispiel ist es an der Zeit,<br />

sich von der bisher praktizierten einzelbetrieblichen<br />

Förderung bei Ansiedlung<br />

und Erweiterung zu trennen. Priorität<br />

muss ab sofort haben, etwas Eigenes im<br />

Land zu kreieren, Innovationen für neue<br />

Produkte und Technologien. Auch ist der<br />

Netzwerke-Dschungel zu lichten. Es ist<br />

kaum noch zu überblicken, wofür welches<br />

Netzwerk da ist. Einen Politikwechsel<br />

muss es auch in Bezug auf die Kommunen<br />

geben. Diese müssen entlastet,<br />

der kommunale Finanzausgleich neu ge-<br />

»Die Linke kann<br />

auch nicht<br />

MEHR GELD<br />

ausgeben,<br />

als in der Kasse ist.«<br />

sektor, will auf diese Weise 1.500 Jobs schaffen.<br />

Wie soll das bezahlt werden?<br />

HOLTER: Rot-Rot hat mit solider Haushaltsführung<br />

die Voraussetzungen geschaffen,<br />

dass das Land seit 2006 ohne<br />

Kreditneuaufnahme auskommt. Hier ist<br />

auch der Ansatz, um mehr Geld für Kommunen,<br />

Bildung und öffentlich geförderte<br />

Beschäftigung bereitzustellen. Mit politischem<br />

Willen sind haushaltspolitisch<br />

Reserven zu finden. Zum Beispiel ist zu<br />

prüfen, ob noch alles, was bisher gefördert<br />

wurde, so aufrecht gehalten werden<br />

kann. Wenn die SPD behauptet, die Linke<br />

wolle ihre Schlüsselprojekte mit neuen<br />

Schulden bezahlen, halte ich dagegen,<br />

die Linke kann auch nicht mehr Geld<br />

ausgeben, als in der Kasse ist.<br />

W&M: Wie kann mehr Geld in die Kassen<br />

kommen?<br />

HOLTER: Der landespolitische Spielraum<br />

für mehr Einnahmen ist gering. Die Linke<br />

fordert daher auf Bundesebene eine<br />

generelle Steuerreform. Kleine und mittlere<br />

Einkommen müssen steuerlich entlastet,<br />

Spitzenverdiener stärker belastet<br />

werden. Wir fordern zudem die Wiedereinführung<br />

der Vermögensteuer.<br />

W&M: Was aber kann Mecklenburg-Vorpommern<br />

selbst unternehmen?<br />

HOLTER: Um die wirtschaftliche Basis im<br />

Land zu stärken, gilt es, mit innovativen<br />

Produkten auf internationalen Märkten<br />

zu punkten und die Wertschöpfung im<br />

Land zu vertiefen. Dazu ist in wissenschaftliche<br />

Kapazitäten zu investieren,<br />

etwa in die Gründung eines Instituts für<br />

maritime Wirtschaft. Wachstumschancen<br />

bieten sich auch in Osteuropa und<br />

vor allem in Russland. Hier gibt es einen<br />

riesigen Nachholbedarf in der kommunalen<br />

Infrastruktur, bei Umwelttechnologien<br />

und in der Landwirtschaft. Dies<br />

eröffnet Firmen aus unserem Land neue<br />

Perspektiven. Umgekehrt sollte nichts<br />

unterlassen werden, um kapitalkräftige<br />

russische Investoren für Mecklenburg-<br />

Vorpommern zu interessieren.<br />

W&M: MV wurde Investoren bisher gern als<br />

Niedriglohnland empfohlen. Ist dies im Fachkräftemangel<br />

nicht kontraproduktiv?<br />

HOLTER: Wären niedrige Löhne ein zugkräftiges<br />

Argument, müssten Investoren<br />

im Land Schlange stehen. Gute Entlohnung<br />

ist der entscheidende Hebel, um<br />

Fachpersonal zu kriegen oder zu halten.<br />

➔ Fortsetzung auf Seite 24<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 23


10 JAHRE FÖRDERPROGRAMM „INNOVATIVE REGIONALE WACHSTUMSKERNE“<br />

Durch Wachstum zum Erfolg<br />

Seit 2001 entstehen überall in den Neuen Ländern „Innovative regionale<br />

Wachstumskerne“. Die regionalen unternehmerischen Bündnisse gehen<br />

neue Wege und haben erstaunliche Erfolge. Das hat auch mit Kaffeerösten<br />

und Heimtextilien aus „Plauener Spitze“ zu tun.<br />

Zum zehnten Geburtstag ist der Blick zurück erlaubt, ausnahmsweise. Es ist eine ungewöhnliche<br />

Perspektive auf ein Förderprogramm, das für die Zukunft der ostdeutschen<br />

Regionen steht wie kein zweites. Innovative regionale Wachstumskerne sind<br />

Zukunfts modelle, weil sie auf Kooperation, unternehmerisches Denken und spezifische<br />

regionale Stärken setzen.<br />

DEUTSCHE SPITZE<br />

Schon über 150 Jahre lang werden im Vogtland Heimtextilien maschinell bestickt, die<br />

Marke „Plauener Spitze“ ist weltbekannt. Seit 2007 nutzen Unternehmen, Forschungsund<br />

Bildungseinrichtungen der Region ihre technologische Kompetenz gemeinsam.<br />

Im Wachstumskern „highSTICK“ entwickeln sie Stickereitechnologie für Zukunftsmärkte<br />

– von der gestickten Fußboden heizung über Sticksensoren für medizinische<br />

Bandagen bis hin zu Verstärkungsstrukturen für Hohlgussbauteile.<br />

INTERNATIONALER WIRBEL<br />

Der Magdeburger Wachstumskern „WIGRATEC“ konzentriert sich indes auf das Wirbelschicht-Verfahren.<br />

Die bereits 1975 in Magdeburg für Kaffeeröstereien entwickelte<br />

Technologie verwandelt flüssige Ausgangsstoffe in feste Granulate. Mit vielfäl tigen<br />

Einsatzmöglichkeiten in der Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft oder Pharmazie<br />

sorgt WIGRATEC heute inter national für Wirbel.<br />

BEWERBEN SIE SICH JETZT!<br />

Das Förderprogramm „Innovative<br />

regionale Wachstumkerne“ ist<br />

themenoffen, eine Bewerbung<br />

jederzeit möglich.<br />

Informieren Sie sich unter<br />

www.unternehmen-region.de<br />

oder nehmen Sie Kontakt auf mit:<br />

Projektträger Jülich – PTJ<br />

„Fördermanagement<br />

Unternehmen Region“<br />

Zimmerstr. 26–27, 10969 Berlin<br />

Tel. (0 30) 2 01 99-4 82<br />

E-Mail: wachstumskerne@<br />

unternehmen-region.de<br />

ZWEI AUS 41<br />

WIGRATEC und highSTICK sind nur zwei Beispiele<br />

für erfolg reiche Wachstumskerne, zwei<br />

von bisher 41 Allianzen regionaler Unternehmer<br />

und Wissenschaftler aus den verschiedensten<br />

Fachgebieten. Sie alle gehen neue Wege,<br />

haben für ihr Bündnis eine Vision, eine Strategie,<br />

Kunden und Wettbewerber von Anfang an im<br />

Blick, bringen ihre Region voran. Und sie alle<br />

haben sich für ein außergewöhnliches Förderprogramm<br />

entschieden.<br />

EIN FÜNFTEL MEHR UMSATZ UND ARBEITSPLÄTZE<br />

Das Programm Innovative regionale Wachstumskerne<br />

aus der Familie „Unternehmen Region“ stellt hohe Ansprüche<br />

an die Bewerber – und an sich selbst. Deshalb beinhaltet die Förderung unterschiedlichste<br />

Beratungsangebote und Workshops zu Themen wie Management,<br />

Organisation oder Finanzierung. Die Auszeichnung als Wachstums kern ist aber auch<br />

lukrativ: Zwischen dem Programm start 2001 und dem Jahr 2014 investiert das BMBF<br />

Fördergelder in Höhe von 243 Millionen Euro in 843 Projekte. Die Zwischen bilanz spricht<br />

für sich: rund ein Fünftel mehr Umsatz und Arbeitsplätze sowie über 200 Patente.<br />

DAS WACHSTUMSKERNE-PROGRAMM<br />

IST NICHT DAS RICHTIGE FÜR SIE?<br />

Mehr Informationen über die<br />

Programm familie Unter neh men<br />

Region, darunter auch das Programm<br />

„Wachstums kerne Poten zial“, finden<br />

Sie ebenfalls unter<br />

www.unternehmen-region.de<br />

Nun muss der Blick aber wieder nach vorne gehen, hin zu neuen Bewerbern mit neuen<br />

Ideen. In den ostdeutschen Regionen schlummert zu viel ungenutztes Potenzial. Wecken<br />

wir es! Denn Zukunft heißt: Erfolg durch Wachstum.


SPECIAL<br />

IAA Frankfurt 2011<br />

Zukunft<br />

serienmäßig<br />

Die Autoindustrie boomt wie selten zuvor. Die Internationale<br />

Automobilausstellung <strong>Mitte</strong> September in der Mainmetropole<br />

wird zum Spiegelbild dieses Aufschwungs. Mehr Aussteller,<br />

mehr Besucher, mehr Innovationen. W&M-Mitarbeiter Hans-<br />

Jürgen Götz hat sich vorab einen Messeüberblick verschafft.<br />

Die Internationale Automobilausstellung<br />

IAA in Frankfurt geht in<br />

die 64. Neuauflage ihrer beeindruckenden<br />

Geschichte. Vom 15. bis 25.<br />

September präsentiert die Branche rund<br />

um die vier Räder ihre Produktneuheiten<br />

und Services in den Messehallen der<br />

Mainstadt. Erwartet werden an die 900<br />

Aussteller. Unter dem diesjährigen Motto<br />

»Zukunft serienmäßig« zeigen Hersteller<br />

und Zulieferer verstärkt neue Technologien<br />

und Lösungen für eine klimaneutrale<br />

Mobilität. Neben alternativen Antriebskonzepten<br />

gehören neue Personenwagen,<br />

Tuning und Sonderfahrzeuge<br />

sowie Pkw-Anhänger, Zubehör und Telematik<br />

ebenso zu den Messe-Schwerpunkten<br />

wie auch Concept Cars, die Visionen<br />

der Mobilität von morgen aufzeigen.<br />

Hinzu kommen einschlägige Anbieter<br />

von Car Hi-Fi-Produkten, Oldtimern,<br />

Werkstatt- und Garagenausrüstungen.<br />

GESCHÄFTSWAGEN<br />

Kombitrend ungebrochen<br />

Mit dem Auftauchen geräumiger Vans und SUV auf dem Markt<br />

schien das Schicksal der klassischen Geschäftswagen in der<br />

Kombiversion besiegelt. Doch weit gefehlt. Kombis mit großem<br />

Gepäckabteil erfreuen sich im gewerblichen Bereich weiter<br />

einer großen Nachfrage. Die Angebotspalette reicht bis in den<br />

Premiumsektor hinein. W&M stellt einige Modelle vor.<br />

Edles Raumschiff:<br />

Audi A6 Avant<br />

Einer, der zum erlauchten Premiumkreis<br />

gehört, ist der neue Audi A6 Avant. Der Ingolstädter<br />

Edellaster ist wie die Limousine<br />

leichter und sparsamer geworden. Um<br />

bis zu 70 Kilogramm haben die Techniker<br />

den Avant gegenüber dem Vorgänger abgespeckt<br />

und damit entscheidende Wege<br />

aufgezeigt, um den Verbrauch zu senken.<br />

Mit glatten fünf Litern Durchschnittsverbrauch<br />

und CO 2 -Emissionen von 132<br />

Gramm je Kilometer ist der 2.0 TDI eine<br />

Option auch für Menschen, die beim<br />

Dienstwagen eine Verbrauchsobergrenze<br />

beachten müssen. Zum Marktstart sind<br />

zunächst zwei Benziner und drei Diesel-<br />

Aggregate im Angebot. Das Leistungsspektrum<br />

reicht von 177 PS bis 245 PS.<br />

Der Top-Motor, ein Dreiliter-Diesel mit<br />

313 PS und 650 Newtonmetern Drehmoment<br />

kommt etwas später. Ebenso ein<br />

Vierzylinder-Benziner mit 180 PS. Für Kunden,<br />

die lieber schalten lassen, bietet Audi<br />

gleich drei Getriebe zur Wahl: die stufen-<br />

lose Multitronic für Frontantriebsmodelle,<br />

das Doppelkupplungsgetriebe 7-Gang-<br />

S-tronic für Quattro-Fahrzeuge und den<br />

Achtstufen-Wandlerautomaten für den<br />

Top-Diesel.<br />

Trotz gleicher Außenlänge von 4,93 Metern<br />

bietet der neue Kombi gegenüber<br />

dem Vorgänger mehr Platz für Passagiere<br />

und Gepäck. Der Radstand wuchs um<br />

sieben Zentimeter auf 2,91 Meter. Die<br />

besseren Platzverhältnisse kommen vor<br />

EDELLASTER: Audi A6<br />

allem den Mitfahrern im Fond zugute, die<br />

Staumöglichkeiten für das Gepäck sind<br />

beim Maximalwert ordentlich gewachsen.<br />

Wie sein Vorgänger kann der Kombi mindestens<br />

565 Liter einladen, das größtmögliche<br />

Stauvolumen mit umgeklappter<br />

Rückbank liegt bei 1.680 Litern. Das sind<br />

40 mehr als bislang.<br />

Als Businesslaster verfügt der Avant über<br />

einen WLAN-Hotspot, mit dem sich eine<br />

Internet-Verbindung für Handys und Notebooks<br />

herstellen lässt. Das ist aber nur<br />

eine Teilfunktion des neuen Navigationssystems.<br />

Es überzeugt vor allem durch<br />

die Online-Einbindung von Google-Verkehrsdaten<br />

und Google-Earth-Bildern in die<br />

Routenplanung und -führung. Dadurch wird<br />

die Navigation schneller und die Orientierung<br />

fällt leichter, weil man Display und<br />

Umgebung direkt vergleichen kann.<br />

Leistungsstarker Bayer:<br />

BMW 530d Touring<br />

Dieser Bayer ist ein echter Verführer. Kombi-Kultur<br />

pur mit einem 245 PS starken<br />

Sechszylinder unter der Haube. Die Funktio-<br />

26 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


SPECIAL<br />

Ein Schwerpunkt wird das derzeit in<br />

der Öffentlichkeit breit diskutierte Thema<br />

»Elektromobilität« sein.<br />

Während die IAA 2009 unter dem Eindruck<br />

der Wirtschaftskrise veranstaltet<br />

wurde, stehen die Vorzeichen in diesem<br />

Jahr für die Messe auf Wachstum und Besucherrekorde.<br />

Die derzeit glänzenden<br />

Geschäftszahlen der Automobilbranche,<br />

vor allem auf dem asiatischen und amerikanischen<br />

Markt erlauben diese Perspektive.<br />

Hersteller aus den USA und aus<br />

Asien, die vor zwei Jahren krisenbedingt<br />

nicht dabei waren, haben ihre Beteiligung<br />

angekündigt. Zu den »prominenten<br />

Rückkehrern« gehören Honda, Mitsubishi<br />

und Isuzu aus Japan, Chevrolet und<br />

Cadillac aus den USA sowie SsangYong<br />

aus Südkorea.<br />

Die Halbzeitbilanz des Automobiljahres<br />

2011 könnte besser kaum sein. Die<br />

Pkw-Neuzulassungen kletterten im ers-<br />

INFORMATIONEN<br />

Mekka der Mobilisten<br />

Veranstalter:<br />

Verband der Automobilindustrie<br />

e.V. (VDA)<br />

Fachbesuchertage:<br />

Donnerstag, 15. September,<br />

und Freitag, 16. September 2011<br />

Besuchertage:<br />

17. bis 25. September 2011<br />

Öffnungszeiten:<br />

täglich 9 bis 19 Uhr<br />

Preise:<br />

Fachbesuchertag: 45 Euro<br />

Publikumstag: 13 Euro,<br />

Wochenende: 15 Euro<br />

Weitere Informationen:<br />

www.iaa.de<br />

ten Halbjahr um zehn Prozent auf 1,6<br />

Millionen Fahrzeuge. Die Automobilkonjunktur<br />

zeigt sich auch an den rund<br />

13.000 neuen Mitarbeitern in dieser<br />

Schlüsselindustrie. Auch für das zweite<br />

Halbjahr ist der Verband der Automobilindustrie<br />

(VDA) voller Zuversicht: »Die<br />

Auftragsbücher sind gut gefüllt und wir<br />

sind weiter auf Wachstumskurs. Für das<br />

Gesamtjahr erwarten wir neue Höchststände<br />

beim Pkw-Export und der Produktion.<br />

Auf dem Inlandsmarkt rechnen wir<br />

mit über 3,1 Millionen Pkw-Neuzulassungen«,<br />

so VDA-Präsident Matthias Wissmann.<br />

Für 2011 rechnet der Branchenverband<br />

mit der Produktion von knapp<br />

sechs Millionen Pkw. Das würde sogar<br />

die Zahlen des bisherigen Rekordjahres<br />

2008 toppen.<br />

Beflügelt werden diese Aussichten<br />

durch ein wahres Modellfeuerwerk, das<br />

viele Autoliebhaber begeistern dürfte.<br />

nalität ist keinen Designspielereien zum<br />

Opfer gefallen, gediegene Materialwahl und<br />

harmonische Farbgestaltung schaffen ein<br />

einladendes Ambiente.<br />

Vor allem praktisch soll ein Kombi sein.<br />

Entsprechendes hat der 530d reichlich zu<br />

bieten. Das fängt bei der niedrigen Ladekante<br />

an (nur 62 cm überm Boden), setzt<br />

sich über die Breite des Gepäckschlunds<br />

fort (1,10 m) und erfährt seine Krönung<br />

in der Heckklappe, die sich per Fernbedienung<br />

auch elektrisch öffnen und auf<br />

Tastendruck an der Klappe schließen lässt.<br />

Dabei rollt das Abdeckrollo jeweils selbsttätig<br />

zurück oder vor; auch dann, wenn<br />

kleinere Dinge schnell im Auto verschwinden<br />

sollen und es deshalb ausreicht,<br />

lediglich die Heckscheibe hochzuklappen.<br />

Die Lehnen der Fondsitze lassen sich<br />

bei Bedarf auch vom Gepäckraum aus<br />

entriegeln und umlegen. So wächst<br />

das Gepäckraumvolumen schnell von 560<br />

Liter auf 1.670 Liter.<br />

Die grundsätzlichen Kombi-Tugenden teilt<br />

sich ein 5er Touring mit Wettbewerbern.<br />

Eigene Akzente aber setzt die Vollausstattung.<br />

Den besonderen Charakter eines<br />

530d formen Motor und Fahrwerk. Die<br />

üppige Leistung des Dreiliter-Reihensechszylinders<br />

macht das Auto erhaben. Mit<br />

kraftvollem motorischem Fauchen nimmt<br />

das stattliche, gut 4,90 Meter lange Gefährt<br />

Fahrt auf. Die achtgängige Automatik<br />

des überaus kultivierten Selbstzünders<br />

beschert völlig ruckfreien, harmonischen<br />

Gangwechsel. Übernehmen kann den aber<br />

auch der Fahrer. Die entsprechende Schaltgasse<br />

am Wählhebel und Schaltwippen<br />

am Lenkrad bieten sich dazu an. Trotz seines<br />

Leergewichts von fast 1,9 Tonnen vermag<br />

der 530d dank seiner mobilisierbaren<br />

245 PS und bärigen 540 Newtonmetern<br />

Drehmoment loszupreschen und in nur 6,4<br />

Sekunden Tempo 100 zu erreichen. Als<br />

kombinierten Durchschnittsverbrauch<br />

für 100 Kilometer gibt BMW für den Kombi<br />

6,4 Liter an. Damit kann sich ein potenter<br />

Sechszylinder sehen lassen.<br />

Vielseitiger Businesslaster:<br />

VW Passat Variant<br />

Das brave Brot-und-Butter-Auto ist der neue<br />

VW Passat längst nicht mehr. Wer in der<br />

heiß umkämpften <strong>Mitte</strong>lklasse ganz vorn<br />

sein will, der muss seiner Kundschaft<br />

etwas bieten. Hier steht der technische<br />

Fortschritt ganz oben auf der Wunschliste,<br />

auch wenn es diesen nicht zum Null-Tarif<br />

gibt. Die siebte Generation des Passat<br />

kann mit insgesamt 19 neuen Systemen<br />

KRAFTPAKET: BMW 5er Touring<br />

LADEMEISTER: VW Passat Variant<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 27


SPECIAL<br />

Die Bandbreite reicht von Elektromobilen<br />

bis zum Supersportwagen mit über<br />

500 PS unter der Haube.<br />

DIE HIGHLIGHTS DER HERSTELLER<br />

An den Ständen der Hersteller werden<br />

vor allem die Neuheiten von den Besuchern<br />

umschwärmt werden. Die wichtigsten<br />

Premieren im Überblick:<br />

Audi zeigt neben dem Facelift für das<br />

ausgesprochen schöne <strong>Mitte</strong>lklasse-Fahrzeug<br />

A5 auch den A6 Avant und seinen<br />

kleinsten SUV, den neuen Audi Q3, der<br />

mit zwei Benzinern und einem Diesel-<br />

Motor bereits lieferbar ist. Zum ersten<br />

Mal in einem Q-Modell ist der Allradantrieb<br />

nicht Standard, sondern nur in<br />

Kombination mit den stärkeren Motoren<br />

zu haben. Insgesamt reicht das Leistungsband<br />

von 140 PS bis 211 PS.<br />

BMW stellt passend zum Schwerpunktthema<br />

»Elektroauto« neben seinen<br />

»verjüngten« Klassikern das Megacity-<br />

Vehicle-Modell i3 vor. Das Stadtauto gehört<br />

der neuen Submarke von BMW für<br />

nachhaltige Mobilitätslösungen »i« an.<br />

Das E-Auto mit maximaler Reichweite<br />

von 160 Kilometern hat eine Karosserie<br />

aus kohlefaserverstärktem Kunststoff.<br />

Zudem machen die Münchner ihre<br />

Kompaktklasse fit für die Zukunft. Die<br />

Generation des 1ers ist in Frankfurt<br />

zunächst als Fünftürer zu sehen. Die<br />

Steilhecklimousine präsentiert sich gewachsen,<br />

aber nicht groß, moderner,<br />

aber im bekannten Designstil, und mit<br />

sparsamen Downsizing-Turbobenzinern.<br />

Das Alleinstellungsmerkmal Hinterradantrieb<br />

bleibt zunächst erhalten.<br />

Citroen wird mit dem 200 PS starken<br />

Premium-Crossover DS5 mit Hybrid-<br />

Antrieb für Aufsehen sorgen. Wie auch<br />

seine kleineren Geschwister setzt der<br />

coupéhaft modellierte Crossover-Kombi<br />

auf Extravaganz. Diesmal nicht nur bei<br />

der Optik, sondern auch in Sachen Technik.<br />

Für den Antrieb sorgt erstmals eine<br />

Kombination aus Diesel- und Elektromotor.<br />

So soll trotz Allradantrieb und 200 PS<br />

Leistung ein Verbrauch von weniger als<br />

vier Litern Diesel möglich sein. Auch rein<br />

elektrisches Fahren ist machbar.<br />

Ferrari präsentiert die offene Version<br />

des Sportwagens 458 Spider mit einem<br />

570 PS starken 4,5-Liter-V8-Motor. Unter<br />

der Haube tut der bekannte V8-Benziner<br />

mit 565 PS Dienst, der für deutlich mehr<br />

als 300 km/h gut ist. Anders als beim<br />

Stahldachcabrio California wird es beim<br />

Italia ein klassisches Stoffverdeck geben.<br />

Fiat tritt mit dem deutlich gewachsenen<br />

neuen Panda an. Aus dem schmalen<br />

Hochdach-Mini ist in der dritten Generation<br />

auch dank flexiblem Innenraum<br />

fast ein kleiner Van geworden. Äußerlich<br />

bleibt es beim an Raumökonomie orien-<br />

GESCHÄFTSWAGEN<br />

Charmanter Franzose:<br />

Peugeot 508 SW<br />

Peugeot 508! Da schwingen Erinnerungen<br />

an seine Vorgänger mit, die wesentlich<br />

dazu beitrugen, die Löwen-Marke weit über<br />

Europa hinaus bekannt zu machen. Auf den<br />

ersten Blick unterscheidet sich der neue<br />

508 vom 407 durch einen deutlich »kleinmäuligeren«<br />

Frontgrill. Weniger schnell<br />

erfasst werden die zehn Zentimeter Längenzuwachs<br />

des Neuen. Neben komfortablem<br />

Raumzuwachs ist es Peugeot aber<br />

auch um ein ausdrucksstarkes elegantes<br />

Design, überzeugenden Fahrkomfort,<br />

wegweisende Umwelteffizienz und hohe<br />

Sicherheit gegangen.<br />

Der von einem großen Geschäftskombi<br />

erwartete Fahr- und Reisekomfort ist Peuglänzen.<br />

Dabei stehen Ausstattungen zur<br />

Verfügung, die man zuletzt nur aus dem<br />

Phaeton kannte. Hierfür stehen die Müdigkeitserkennung,<br />

der Front Assist mit City-<br />

Notbremsfunktion, die Fernlichtassistenten<br />

Light Assist, die Spurwechselwarnung<br />

Side Assist, die Verkehrszeichenerkennung,<br />

der Park Assist II und das Kofferraum-Öffnungssystem<br />

Easy Open.<br />

Steigt man in den neuen Passat ein, so<br />

bemerkt man, dass die Qualität ebenso<br />

verbessert werden konnte wie die Materialanmutung<br />

insgesamt. Ein entscheidender<br />

Vorteil zugunsten des Passat ist seine<br />

klare, einfache und praxisgerechte Bedienung.<br />

Der Fahrer sitzt hinter dem Lenkrad<br />

und findet gleich alles dort, wo es auch<br />

hingehört – auf designverspielte Schalter,<br />

Hebel oder Instrumente wurde bewusst<br />

verzichtet. Dass der neue Passat näher an<br />

die Luxus-Limousine Phaeton gerückt ist,<br />

mag VW kommunizieren, in der Praxis ist<br />

dies aber nicht so vergleichbar.<br />

Hingegen spürbar ist, dass VW dem neuen<br />

Passat einen verbesserten Komfort mit<br />

auf den Weg gibt. Der <strong>Mitte</strong>lklasse-Kombi<br />

fährt sich angenehm, auch deshalb, weil<br />

das Gefühl sicher aufgehoben zu sein,<br />

überwiegt. Mit dem kommoden Fahrkomfort<br />

punktet der <strong>Mitte</strong>lklässler aus Wolfsburg.<br />

Im Innenraum ist der Wagen merklich<br />

leiser geworden. Hier helfen auch die gezielt<br />

im Bereich des Armaturenbereichs<br />

und in den Türen eingesetzten Dämmstoffe,<br />

die Außen- und Motorgeräusche auszufiltern.<br />

Zudem kommt in der Windschutzscheibe<br />

und in den vorderen Seitenscheiben<br />

eine neue Akustikfolie zum Einsatz,<br />

die zusätzlich weitere Geräusche aus dem<br />

Innenraum fernhält.<br />

Der neue Passat ist in den bekannten<br />

Ausstattungen Trendline, Comfortline und<br />

Highline zu haben und startet als Trendline<br />

mit dem 122 PS starken 1.4 TSI.<br />

Das Motorenangebot umfasst vier konventionelle<br />

Benziner (zwischen 122 PS<br />

und 300 PS) sowie den 1.4 E85 (160 PS)<br />

für den Einsatz mit BioEthanol und den<br />

1.4 TSI EcoFuel (150 PS) mit Erdgasantrieb.<br />

Zudem stehen drei TDI mit 105<br />

PS (1.6) und 140 PS sowie 170 PS (2.0)<br />

zur Auswahl. Natürlich sind verschiedene<br />

Motoren mit dem hervorragenden Doppelkupplungsgetriebe<br />

(DSG) kombinierbar<br />

und auch der permanente Allradantrieb<br />

4MOTION ist für den Passat zu haben –<br />

beides ist beim Passat mit dem V6 serienmäßig<br />

an Bord.<br />

DESIGNER-KOMBI: Peugeot 508 SW<br />

28 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


SPECIAL<br />

tierten Kastendesign, auch wenn der<br />

Fünftürer nun etwas rundlicher auftritt.<br />

Kia ersetzt das farblose Kleinwagen-<br />

Mauerblümchen Rio durch eine deutlich<br />

zeitgemäßer wirkende Neuauflage. Optisch<br />

hat der Fünftürer einen Sprung gemacht,<br />

trägt nun den Kühlergrill im Knochendesign,<br />

dynamische Linien und ein<br />

breites Heck. Der hochwertig wirkende<br />

Innenraum erreicht fast VW Polo-Niveau.<br />

Vier Motoren stehen zur Verfügung, von<br />

denen der sparsamste (70 PS) mit nur<br />

3,5 Litern Diesel auskommen soll.<br />

Mercedes krempelt seine Kompaktklasse<br />

um. Die A-Klasse wird zum sportlichen<br />

Steilheckmodell à la BMW 1er. Die<br />

in Frankfurt debütierenden Schwestermodelle<br />

der B-Klasse entwickeln sich<br />

konsequent zum familienfreundlichen<br />

Van. Das Platzangebot soll deutlich zulegen.<br />

Der Verbrauch sinkt durch den Einsatz<br />

neuer Vierzylinderbenziner und<br />

eines Doppelkupplungsgetriebes. Einer<br />

der exklusiven »Sterne« am Mercedes-<br />

Stand dürfte das 571 PS starke Cabrio SLS<br />

AMG Roadster mit »Stoff-Mütze« sein.<br />

Opel präsentiert sein neues Hybrid-<br />

Umweltauto Ampera auf Basis des Chevrolet<br />

Volt und setzt sich damit an die<br />

Spitze der deutschen E-Auto-Bewegung.<br />

Der Clou: Nach rund 40 bis 80 Kilometern<br />

rein elektrischer Fahrt sind noch<br />

einmal deutlich mehr als 400 Kilometer<br />

Reichweite drin. Ein kleiner Benziner<br />

lädt die Batterien während der Fahrt auf.<br />

Peugeot bastelt seit Jahren am Dieselhybrid.<br />

Nun feiern die ersten 508er Modelle<br />

mit der sparsamen Antriebstechnik<br />

IAA-Premiere. Dank der Hybridtechnik<br />

gibt es gar Allradantrieb: Während ein<br />

163-PS-Diesel die Vorderräder antreibt,<br />

wirkt ein Elektromotor auf die Hinterachse.<br />

Die Kombination soll einen Verbrauch<br />

von nur 4,2 Litern ermöglichen.<br />

Porsche vollzieht bei der Legende 911<br />

höchstens einmal pro Jahrzehnt einen<br />

Generationswechsel. Grund genug, auf<br />

die Premiere des Neuen mit dem Werkscode<br />

991 hinzufiebern. Äußerlich wurde<br />

wenig verändert. Unter dem Blech gibt<br />

es einen neuen Einstiegs-Boxer mit kleinerem<br />

Hubraum und weniger Durst,<br />

aber mehr Leistung. Der neue 911er besitzt<br />

zudem das weltweit erste manuelle<br />

Siebenganggetriebe für Pkw.<br />

Volkswagen lanciert mit dem Lupo-<br />

Nachfolger »Up« einen City-Flitzer, der<br />

sicherlich zu den wichtigsten IAA-Premieren<br />

gehört. Mit dem sparsamen<br />

Stadtauto will VW die Kleinstwagenklasse<br />

revolutionieren. Gestartet wird mit<br />

dem Zwei- und Viertürer, die von Dreizylindermotoren<br />

angetrieben werden.<br />

Mit der ebenfalls schon in Frankfurt gezeigten<br />

Erdgasversion will VW neue Maßstäbe<br />

beim CO 2 -Ausstoß setzen. &<br />

geot gut gelungen: Straffe Federung und<br />

ausgewogene Dämpfung statt Sänfte. Das<br />

Gefühl, in einem Auto mit französischem<br />

Charme zu sitzen, vermitteln aber eher<br />

Designlösungen und verarbeitete hochwertige<br />

Materialien. Bei der Komfort-Volllederausstattung<br />

gibt es jetzt beispielsweise<br />

feinstes weiches Nappaleder.<br />

Peugeot und sparsame HDi-Turbodieselmotoren<br />

sind längst eine überzeugende<br />

Einheit. Schon heute kündigt Peugeot<br />

einen 508 mit Hybrid4-Technologie an.<br />

2012 ist es so weit. Auf den Spartrip lässt<br />

sich aber auch mit einem Peugeot 508<br />

e-HDI FAP 110 gehen. Es lockt ein kombinierter<br />

Durchschnittsverbrauch von 4,4 l<br />

Diesel/100 km. Die Bezeichnung e-HDi<br />

steht für ein Stop&Start-System neuester<br />

RAUMTRANSPORTER: Opel Zafira<br />

Generation. Es kombiniert erstmals ein<br />

Dieselaggregat mit einem reversiblen<br />

Starter-Generator, der auch zur Rückgewinnung<br />

der Bremsenergie genutzt wird. Er<br />

lässt den Motor, über einen Zahnriemen<br />

mit ihm verbunden, binnen 400 Millisekunden<br />

starten. Das ist fast doppelt so schnell<br />

wie herkömmliches Motoranlassen.<br />

Maximale Flexibilität:<br />

Opel Zafira<br />

Eine echte Alternative zum klassischen<br />

Kombi mit viel Platz für Passagiere ist der<br />

Opel Zafira. Bei seiner Markteinführung<br />

1999 war er der erste Siebensitzer seiner<br />

Klasse und setzte Maßstäbe für voll integrierte<br />

Onboard-Flexibilität.<br />

Maximale Flexibilität ohne Sitzausbau ist<br />

auch die Visitenkarte des neuen Zafira<br />

Tourer. Die Opel-Ingenieure haben das ausgeklügelte<br />

Flex7-Sitzkonzept nochmals<br />

erheblich weiterentwickelt. Während sich<br />

die dritte Reihe weiterhin komplett im<br />

Boden des Kofferraums versenken lässt,<br />

gestalteten sie die zweite Sitzreihe vollständig<br />

neu. Statt einer Sitzbank befinden<br />

sich hier serienmäßig drei separate Einzelsitze,<br />

die sich flach umlegen lassen und<br />

somit eine ebene Ladefläche ermöglichen.<br />

Die drei Einzelsitze können unabhängig<br />

voneinander 210 Millimeter in Längsrichtung<br />

verschoben werden.<br />

Mit dem einzigartigen »Lounge-Sitzsystem«,<br />

das optional erhältlich ist, erleben<br />

die Passagiere in der zweiten Reihe<br />

großzügige Platzverhältnisse wie in einer<br />

Oberklasselimousine. Dank eines raffinierten<br />

Klapp- und Drehmechanismus’ bildet<br />

hier die Rückenlehne des mittleren Sitzes<br />

komfortable Armlehnen für die Passagiere<br />

auf den beiden äußeren Plätzen. Die<br />

Außensitze lassen sich um bis zu 280 Millimeter<br />

verschieben – 70 Millimeter mehr<br />

als bei der Standard-Bestuhlung und<br />

80 Millimeter mehr als im aktuellen Zafira.<br />

Eine weitere Neuheit in diesem Segment:<br />

Die Sitze gleiten 50 Millimeter in Richtung<br />

Fahrzeugmitte.<br />

Das Verschieben der Sitze in Längs- und<br />

Querrichtung bietet Komfort erster Klasse<br />

und vermittelt das einzigartige Gefühl, in<br />

einer »Lounge auf Rädern« zu reisen. Dabei<br />

genießen die Passagiere ein Maximum an<br />

Platz und Ergonomie. Durch die Betonung<br />

des individuellen Komfort-Faktors ist der<br />

neue Zafira Tourer weitaus mehr als »nur«<br />

ein Familien-Fahrzeug.<br />

Die Opel-Designer erhoben den flexiblen<br />

Innenraum zu einem Ort der Entspannung<br />

und Erholung in einer geräumigen Atmosphäre<br />

– ob beim Business-Trip oder auf einer<br />

langen Urlaubsreise.<br />

Dank des großzügigen Kabinenlayouts und<br />

des flexiblen Sitzkonzepts bietet der Zafira<br />

Tourer als Fünfsitzer 710 Liter Gepäckraumvolumen<br />

(plus 65 Liter). Das maximale<br />

Ladevolumen von 1.860 Litern erreicht<br />

der Opel-Fahrer durch Umklappen der zweiten<br />

Sitzreihe.<br />

Zum Verkaufsstart im Herbst bietet Opel<br />

den Zafira Tourer mit dem aus Astra und<br />

Insignia bekannten 2.0 CDTI-Common-Rail-<br />

Turbodieselmotor in drei Leistungsstufen<br />

an: 110 PS und 130 PS sowie 165 PS im<br />

überarbeiteten Top-Aggregat. Außerdem<br />

sind zwei hocheffiziente 1,4-Liter-Turbobenziner<br />

mit 120 PS und 140 PS erhältlich,<br />

die mit der neuen Start-Stopp-Automatik<br />

ausgerüstet vor allem im innerstädtischen<br />

Verkehr zusätzlich Kraftstoff sparen soll.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 29


KOLUMNE<br />

Es war einmal vor kurzer Zeit. Da<br />

haben Banker und andere Geldmanager<br />

solange hemmungslos<br />

mit fremdem Geld gezockt, bis sie kurz<br />

vor der Pleite waren. Weil der Staat aber<br />

Angst hatte, die Pleite so vieler Banken<br />

könnte Panik bei normalen Menschen<br />

auslösen, nahm er die Schulden der<br />

Zocker zunächst auf die eigene Kappe<br />

und verlangte von seinen Bürgern, dass<br />

sie auf lange Sicht für die Schulden der<br />

Zocker geradestehen. Weil er aber die<br />

Zocker weder einsperrte, noch ihnen das<br />

Zocken für die Zukunft verbot, gingen<br />

die Zocker sofort wieder zum Zocken,<br />

denn sie hatten ja nichts anderes gelernt.<br />

Nun aber fanden die Zocker, dass es an<br />

der Zeit sei, auf die Pleite der Staaten zu<br />

wetten, denn die Staaten hatten ja jetzt<br />

enorm hohe Schulden. Also nannte man<br />

die von den Zockern ausgelöste Krise von<br />

nun an »Staatsschuldenkrise« und alle<br />

»guten« Ökonomen und Medien machten<br />

schleunigst mit, weil sie ja schon immer<br />

gewusst hatten, dass alles Übel nur vom<br />

Staat kommen kann. Statt über Unternehmen<br />

begannen die Banker und die<br />

anderen Zocker mit den ihnen nahe stehenden<br />

Rating-Agenturen nun Urteile<br />

über Staaten zu fällen. Weil in den Regierungen<br />

der Staaten viele auch Verantwortung<br />

tragen, die weiter glaubten, dass die<br />

Märkte immer Recht haben, gerieten sie<br />

in Panik und begannen zu tun, was die<br />

Banken von ihnen verlangten, nämlich<br />

auf Teufel komm raus zu sparen.<br />

Doch die Banken und Rating-Agenturen<br />

wussten allerdings, dass Staaten gar<br />

nicht sparen können. Wenn Staaten sparen<br />

und auch alle anderen Bereiche der<br />

Volkswirtschaft sich mit Ausgaben zurückhalten,<br />

wie das im Sommer 2011 der<br />

Fall war, dann führt das Sparen des Staates<br />

immer dazu, dass auch die Einkommen<br />

der Unternehmen und der Privathaushalte<br />

sinken, wodurch die wieder<br />

weniger Steuern zahlen oder mehr Hilfen<br />

vom Staat brauchen, so dass am Ende<br />

die Defizite des Staates umso höher sind,<br />

je mehr er zu sparen versucht.<br />

Weil die Staaten aber an der Sisyphos-<br />

Arbeit, die Defizite zu reduzieren, permanent<br />

scheiterten, wurden sie von den<br />

Rating-Agenturen, Banken und sonstigen<br />

Geldanlegern immer kritischer beäugt,<br />

die Kreditwürdigkeit wurde immer mehr<br />

bezweifelt. Nach einer »verlorenen Dekade«<br />

wurden Staatsanleihen nur noch auf<br />

Ramschniveau bewertet und die Anleger<br />

weigerten sich, noch Geld zu leihen oder<br />

gaben es nur zu extrem hohen Zinsen.<br />

AUS GENFER SICHT<br />

Wie die Welt<br />

verrückt und wieder<br />

vernünftig wurde<br />

Von HEINER FLASSBECK, Genf<br />

Internet: www.flassbeck.com<br />

In dieser Lage geschah Außerordentliches.<br />

Da die Zentralbanken, die das<br />

Geld schaffen, es den Banken immer<br />

noch zu extrem niedrigen Zinsen gaben,<br />

fragten sich einige vernünftige Leute,<br />

wofür man eigentlich die Banken brauche,<br />

die vom Staat über die Zentralbank<br />

Geld für fast nichts erhalten, sich dann<br />

aber weigern, es dem Staat zu einem vernünftigen<br />

Zins zurückzugeben, weil die<br />

Staaten ja nicht kreditfähig wären, weil<br />

sie ja die Banken gerettet hatten.<br />

Also ging man allmählich dazu über,<br />

dass die Zentralbanken dem Staat das<br />

Geld, das sie sonst den Banken gegeben<br />

hätten, direkt zu geben und zwar zu einem<br />

sehr niedrigen Zins. Weil der Zins<br />

aber so niedrig war, gelang es den Staaten<br />

allmählich, ihre Schulden zu reduzieren,<br />

denn das geht überhaupt nur bei<br />

einem niedrigen Zins. Als man das eine<br />

Weile gemacht hatte, merkte man, dass<br />

das ganz unproblematisch ist und man<br />

die Banken mit ihren hohen Gebühren<br />

gar nicht braucht. Also gaben die Zentralbanken<br />

den Banken gar kein Geld mehr<br />

und was immer die Banken und ihre Rating-Agenturen<br />

für Einschätzungen abgaben,<br />

war den Staaten komplett egal.<br />

Da aber die Banken kaum noch normales<br />

Geschäft hatten, sondern immer<br />

mehr zockten, wurden die Bürger unru-<br />

hig und zogen ihr Geld von den Banken<br />

ab und legten es in staatlichen Kassen<br />

an, wo sie zwar keine Zinsen bekamen,<br />

ihr Geld aber sicher war, weil der Staat<br />

versprach, ihre Renten und Sozialversicherungen<br />

auch dann zu zahlen, wenn<br />

sie nicht mehr arbeiten können.<br />

In der nächsten Zockerkrise gingen<br />

dann alle Banken und Rating-Agenturen<br />

unter, aber es hat niemanden wirklich<br />

interessiert, denn man wusste ja jetzt,<br />

dass man diese Institutionen überhaupt<br />

nicht braucht. Nach dieser Zockerkrise<br />

war es dann auch mit den Krisen überhaupt<br />

vorbei, weil die Zocker ausgestorben<br />

waren. Die Menschen wussten, dass<br />

sie arbeiten müssen, um ein vernünftiges<br />

Einkommen zu erzielen, die Unternehmen<br />

wussten, dass man in richtige<br />

Anlagen investieren muss, um Gewinne<br />

zu machen und der Staat wusste, dass<br />

er auf Zocker keine Rücksicht zu nehmen<br />

braucht, sondern sich so verschuldet,<br />

dass die Wirtschaft fähig ist, Beschäftigung<br />

und Einkommen zu schaffen.<br />

Das gute Ende wäre aber nicht möglich<br />

gewesen, hätten nicht auf dem Höhepunkt<br />

der Krise alle Regierungen eine<br />

drastische Maßnahme durchgesetzt: Sie<br />

versetzten alle professionellen Ökonomen,<br />

die sich positiv zum staatlichen<br />

Sparen geäußert hatten, in den sofortigen<br />

Ruhestand, verbunden mit der Auflage,<br />

sich nie mehr zu wirtschaftlichen<br />

Themen öffentlich zu äußern, und sie<br />

verboten allen Medien, über komplexe<br />

wirtschaftliche Themen wie Konsolidierung<br />

von Staatshaushalten auch nur zu<br />

berichten. Auch PR-Agenturen und Lobbyistenvereinigungen<br />

wurde verboten,<br />

sich zu Themen zu äußern, die mit<br />

gesamtwirtschaftlichen Sachverhalten<br />

zu tun hatten. Internationale Konferenzen<br />

fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit<br />

statt, Wissenschaftstagungen<br />

wurden nur erlaubt, wenn eine kritische<br />

Masse von gesamtwirtschaftlich denkenden<br />

Ökonomen mit von der Partie war.<br />

Nur durch diese Einschränkung der<br />

Meinungsfreiheit war es möglich, die<br />

sinnlose Konfrontation über staatliche<br />

Schulden, die die Politik zuvor jahrelang<br />

blockiert hatte, zu vermeiden und zu einer<br />

sachgerechten Debatte zu kommen.<br />

Zugleich starteten die Regierungen eine<br />

Bildungskampagne, um den Bürgern in<br />

der Schule und an Universitäten binnen<br />

zehn Jahren so viel an gesamtwirtschaftlichen<br />

Zusammenhängen zu erklären,<br />

dass später Diskurse über diese Fragen<br />

wieder zugelassen werden könnten. &<br />

Foto: Torsten George<br />

30<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


VERANSTALTUNG<br />

POTSDAM<br />

TERMIN: 8. Sep. 2011<br />

DAUER: 14 - 20 Uhr<br />

ORT: Potsdam<br />

KOMMUNIKATION<br />

Die Umsetzung von Investitionsprojekten wird immer mehr zu einer großen<br />

Herausforderung für alle Beteiligten. Die halbtägige Veranstaltung QUO VADIS<br />

AKZEPTANZ? zeigt Planern, Investoren, politischen Akteuren und Medienvertretern<br />

Auswege aus diesem Dilemma auf.<br />

Besuchen Sie unsere Website: www.wbpr.de<br />

MODERATION<br />

Gerald Meyer<br />

(rbb)<br />

HÖHEPUNKTE<br />

EXPERTEN<br />

Keynote:<br />

Unternehmensstrategie und gesellschaftliche<br />

Akzeptanz von Investitionen am<br />

Beispiel der 50Hertz Transmission GmbH<br />

Vortrag:<br />

Erreichung gesellschaftlicher Akzeptanz<br />

bei der Einführung neuer Technologien<br />

und deren Umsetzung in die Praxis<br />

Beispiel:<br />

Das CCS-Projekt von Vattenfall – ein<br />

Erfahrungsbericht<br />

Podiumsdiskussion:<br />

„Technische Notwendigkeit kontra<br />

gesellschaftliche Akzeptanz - Trends und<br />

Perspektiven in Deutschland“<br />

Workshop 1:<br />

Moderne Projektplanung<br />

und Kommunikation<br />

14:10 Uhr<br />

14:40 Uhr<br />

15:00 Uhr<br />

15:30 Uhr<br />

Workshop 2:<br />

Instrumente und Maßnahmen der<br />

Akzeptanzkommunikation<br />

Boris Schucht<br />

(50Hertz Transmission GmbH)<br />

Dr. Wolfgang Rolland<br />

(Vattenfall Europe Carbon and Storage<br />

GmbH & Co. KG)<br />

Michael Schulze<br />

(wbpr_kommunikation)<br />

Weitere Experten:<br />

Dr. Manfred Wäsche (IHK Potsdam),<br />

Dr. Mathias Richter (Märkische Allgemeine Zeitung)<br />

Workshop 3:<br />

Den Bürgerdialog gestalten<br />

Experte: Rüdiger Hage, Geschäftsführer<br />

IPG Infrastruktur- und Projektentwicklungsgesellschaft<br />

mbH<br />

Experte: Dorothee Stacke, Referatsleiterin<br />

Strategische Kommunikation und<br />

Medien Ministerium für Wirtschaft und<br />

Europaangelegenheiten<br />

Experte: Mike Nagler, Initiator der erfolgreichen<br />

Leipziger Bürgerinitiative gegen<br />

Privatisierung städtischer Unternehmen<br />

ANMELDUNG<br />

per Fax an 0331 20166-99 . wbpr_kommunikation.<br />

Die Teilnahmegebühr beträgt 160,00 € zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer.<br />

Ja, ich melde mich hiermit verbindlich an. Workshop 1 Workshop 2 Workshop 3<br />

Name<br />

Firma<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Jarno Wittig<br />

(wbpr_kommunikation)<br />

0331 20166-0<br />

VERANSTALTER . ORGANISATION<br />

wbpr_kommunikation<br />

Parkstraße 2, 14469 Potsdam, www.wbpr.de


SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

Regionale Wachstumskerne<br />

Starke Standorte gefördert<br />

Neu ausgerichtete Förderpolitik des Landes Brandenburg beflügelt die Wirtschaft vor Ort<br />

Stärken stärken«. Das Motto, unter<br />

dem <strong>Mitte</strong> der 90er Jahre die Wirtschaftsförderung<br />

des Landes Brandenburg<br />

neu ausgerichtet wurde, hat<br />

sich bewährt. Die Konzentration von öffentlichen<br />

Fördermitteln auf 15 »Regionale<br />

Wachstumskerne« (RWK) führte in<br />

diesen Städten und Gemeinden zu überdurchnittlichem<br />

Wirtschaftswachstum,<br />

wie eine Evaluierung des Programms ergab.<br />

Vor diesem Hintergrund beschloss<br />

die Brandenburger Landesregierung im<br />

Februar 2011, die 2005 festgelegten RWK<br />

bis auf Weiteres beizubehalten und in<br />

drei Jahren erneut zu überprüfen.<br />

Anlass für die Einrichtung der Regionalen<br />

Wachstumskerne im Jahr 2005 war<br />

die in den kommenden Jahren absehbare<br />

Verringerung der Fördermittel von Bund<br />

und Europäischer Union. Weniger <strong>Mitte</strong>l<br />

sollten effizienter verteilt werden. Zugleich<br />

schälten sich neue Problemlagen<br />

heraus, wie demographische Entwicklung<br />

und ein absehbarer Fachkräftemangel,<br />

die besondere Maßnahmen erforderten.<br />

Auf der Grundlage ihrer wirtschaftlichen<br />

Profile und Zugehörigkeit<br />

zu bestimmten Branchenkompetenzfeldern<br />

wurden 15 Regionale Wachstumskerne<br />

mit 26 Städten und Gemeinden in<br />

allen Landesteilen festgelegt. Dabei handelt<br />

es sich um die Regionalen Wachstumskerne<br />

Brandenburg a. d. H., Cottbus,<br />

Eberswalde, Finsterwalde/Großräschen/Lauchhammer/Schwarzheide/<br />

Senftenberg/ (»Westlausitz«),<br />

Frankfurt (Oder)/Eisenhüttenstadt,<br />

Fürstenwalde,<br />

Luckenwalde, Ludwigsfelde,<br />

Neuruppin, Oranienburg/<br />

Hennigsdorf/Velten, Potsdam,<br />

Schwedt/Oder, Spremberg, Wildau/<br />

Königs Wusterhausen/Schönefeld<br />

(»Schönefelder Kreuz«) sowie Prignitz.<br />

Die RWK erstellten für ihre Gebiete<br />

Standortentwicklungskonzepte für den<br />

Ausbau der Infrastruktur, der Entwicklung<br />

von Gewerbegebieten, der Fachkräfteförderung,<br />

des Technologietransfers<br />

bis hin zu Vorhaben im Bereich der<br />

Kultur oder des Tourismus. Für diese insgesamt<br />

45 Maßnahmen erhalten sie eine<br />

erhöhte Förderquote seitens des Landes.<br />

Dabei sollen die Wachstumskerne auch<br />

auf die sie umgebenden Kommunen ausstrahlen<br />

und so als »Wirtschaftsmoto-<br />

ZUKUNFT Zu den RKW-Schwerpunkten gehört die Sicherung des Fachkräftenachwuchses.<br />

ren« ihrer Region fungieren. Die Entwicklung<br />

der RWK wird durch eine interministerielle<br />

Arbeitsgruppe »Integrierte<br />

Standortentwicklung« aller Landesministerien<br />

unter Führung der Staatskanzlei<br />

begleitet.<br />

2010 wurde eine Evaluierung der Arbeit<br />

der Regionalen Wachstumskerne<br />

vorgenommen. Untersucht wurde, welche<br />

Effekte bei drei zentralen Zielen –<br />

FÖRDERGEBIETE<br />

Die 15 Wachstumskerne in Brandenburg.<br />

Abwanderung verhindern, Arbeitsplätze<br />

schaffen, Ansiedlungsbedingungen verbessern<br />

– in den Wachstumskernen erreicht<br />

wurden. Nach dem Urteil der Gutachter<br />

haben sich die RWK bei den »für<br />

die wirtschaftliche Entwicklung maßgeblichen<br />

Indikatoren besser als der Landesdurchschnitt<br />

entwickelt«. Dies treffe<br />

vor allem für die Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten, der Arbeitsplatzdichte<br />

und den Pendlersalden<br />

zu. Lediglich bei der Bevölkerungsentwicklung<br />

rangieren die RWK unter dem<br />

Brandenburger <strong>Mitte</strong>lwert. Als Grund<br />

geben die Gutachter die Lage von mehrheitlich<br />

elf berlinfernen RWK an. In der<br />

Summe haben die Wachstumskerne<br />

»eine gute Entwicklung genommen«,<br />

ihren Förderstatus aktiv genutzt und<br />

verfügten über eine »hohe Arbeitsplatzzentralität«,<br />

urteilt die Studie. Die Regionalen<br />

Wachstumskerne seien »wirtschaftsstrukturelle<br />

Anker im Raum«.<br />

Aus ihrer Sonderstellung erwachsen<br />

den Regionalen Wachstumskernen allerdings<br />

auch besondere Verantwortungen,<br />

die in der nächsten Förderphase stärker<br />

zum Tragen kommen sollen. So sollen<br />

die RWK die Kooperation mit ihren Umland-Kommunen<br />

intensivieren. Die »Motorfunktion«<br />

soll auf die gesamte Region<br />

austrahlen, der kraftvolle Kern mithin<br />

nach außen wachsen.<br />

32 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

Matthias Platzeck, Ministerpräsident des Landes Brandenburg<br />

Erfolg ist das Ergebnis harter Arbeit<br />

Regionale Wachstumskerne bauen gezielt ihre Stärken aus und vernetzen wirtschaftliche Potenziale<br />

Foto: Staatskanzlei<br />

W&M: Herr Ministerpräsident, sieben Jahre<br />

Regionale Wachstumskerne in Brandenburg,<br />

haben sie dem Land Glück gebracht?<br />

PLATZECK: Glück ist für mich in diesem<br />

Zusammenhang nicht die richtige Kategorie.<br />

Wirtschaftlicher Erfolg ist das<br />

Ergebnis harter Arbeit, nicht nur der<br />

Landesregierung, sondern zuförderst der<br />

Unternehmer, der Mitarbeiter, der Gewerkschaften<br />

und vieler weiterer Akteure<br />

im Land. Richtig ist, die 2004 eingeleitete<br />

Neuausrichtung der Förderpolitik<br />

nach dem Prinzip »Stärken stärken« hat<br />

ein Umdenken und wichtige Impulse<br />

ausgelöst. Das wertvollste Ergebnis ist für<br />

mich, dass sich die Menschen überall im<br />

Land auf ihre eigenen Stärken und Potenziale<br />

besinnen und Ideen entwickeln. So<br />

haben alle Regionalen Wachstumskerne,<br />

kurz RWK, Standortentwicklungskonzepte<br />

erarbeitet und erste Maßnahmen<br />

auf den Weg gebracht, um ihre Kommunen<br />

voranzubringen. Orte außerhalb der<br />

RWK haben sich daran orientiert. Das<br />

heißt, ganz viele Regionen – und nicht<br />

nur RWK – haben in den vergangenen<br />

Jahren immer deutlicher ihre Stärken<br />

identifiziert und bauen diese gezielt aus.<br />

Heute sprechen alle von »integrierter<br />

Standortentwicklung«, bei der klassische<br />

Infrastrukturmaßnahmen, Fachkräfteförderung,<br />

Technologietransfer und die<br />

Entwicklung von Kultur und Tourismus<br />

zielgerichtet ineinandergreifen.<br />

W&M: Wie hat sich das auf die Strahlkraft<br />

des Wirtschaftsstandortes Brandenburg insgesamt<br />

niedergeschlagen?<br />

PLATZECK: Das alles hat dazu beigetragen,<br />

dass Brandenburg heute gut dasteht<br />

und ein moderner Produktions- und<br />

Dienstleistungsstandort mit zukunftsträchtigen<br />

Arbeitsplätzen ist. Brandenburg<br />

war 2010 und erneut 2011 dynamischstes<br />

Bundesland im Länderranking<br />

von »Wirtschaftswoche« und »Initiative<br />

Neue Soziale Marktwirtschaft«. Unser<br />

Land wurde vom EU-Ausschuss der Regionen<br />

zur »Europäischen Unternehmerregion<br />

2011« gekürt und wir konnten den<br />

»Leitstern« als bestes Bundesland für erneuerbare<br />

Energien verteidigen. Darüber<br />

hinaus ist Brandenburg von der EU als<br />

eine von drei europäischen Regionen als<br />

»Exzellenz-Region« ausgezeichnet worden.<br />

Das alles zeigt: Wir sind auf dem<br />

MATTHIAS PLATZECK<br />

Ministerpräsident von Brandenburg<br />

richtigen Weg – und manchmal haben<br />

wir sicherlich auch Glück...<br />

W&M: Vor einem Jahr wurden die geförderten<br />

Regionen evaluiert. Was sind Ihrer Meinung<br />

nach die wichtigsten Ergebnisse?<br />

PLATZECK: Es freut mich, dass die unabhängigen<br />

Gutachter zu dem Resultat kamen,<br />

dass die RWK – bei Unterschieden<br />

im Detail – eine gute Entwicklung genommen<br />

haben. Vor allem haben sie<br />

ihren Status genutzt, um den Standort<br />

voranzubringen. Wichtig ist auch, dass<br />

die RWK selbst ihre ganz spezifischen<br />

Strategien, Maßnahmen und Aktivitäten<br />

entwickeln, weil zuallererst die Entscheider<br />

vor Ort wissen, worauf es ankommt.<br />

Unsere Politik, an den regionalen Potenzialen<br />

unserer starken Standorte anzusetzen<br />

und diese gezielt zu entwickeln,<br />

hat also in den RWK Widerhall gefunden.<br />

Besonders gefreut hat mich, dass die<br />

Gutachter den RWK eine hohe Bedeutung<br />

für den Arbeitmarkt bescheinigten.<br />

Denn unsere Politik ist ja nicht Selbstzweck,<br />

sondern sie zielt darauf, den<br />

Menschen hier bei uns eine echte<br />

Perspektive, eben gute Arbeit mit guter<br />

Bezahlung zu ermöglichen.<br />

W&M: Sehen Sie also die neue Förderpolitik<br />

des Landes bestätigt?<br />

PLATZECK: Wenn Sie so wollen, wurde<br />

unsere vor sieben Jahren eingeleitete<br />

neue Förderpolitik durch die Evaluationsergebnisse<br />

vollauf bestätigt. Das ist<br />

für alle Beteiligten Ermutigung und Ansporn,<br />

diesen Weg weiterzugehen. Besonders<br />

wichtig ist mir dabei, dass die RWK<br />

auch ihr Umland im Blick haben und<br />

ihre Motorfunktion weiter stärken.<br />

W&M: Unlängst haben die Wachstumskerne<br />

mit einer Veranstaltungsreihe auf sich aufmerksam<br />

gemacht. Wird es 2011 weitere ähnliche<br />

landesweite Aktivitäten geben?<br />

PLATZECK: In der Veranstaltungsreihe<br />

»Starke Standorte« haben sich die RWK<br />

mit ihren spezifischen Stärken in den Regionen<br />

präsentiert. Damit wollten wir einen<br />

Rahmen und Impuls für stärkeres<br />

Standortmarketing vor Ort geben. Das ist<br />

aufgegangen. Die Wachstumskerne<br />

führen dies nun in Eigenregie weiter.<br />

W&M: Gibt es unter den Initiativen dieser<br />

Förderregionen ein Projekt, das Sie als Ministerpräsident<br />

besonders beeindruckt hat?<br />

PLATZECK: Mich beeindruckt, mit wie<br />

viel Initiative, Kreativität und Engagement<br />

die Beteiligten vor Ort ihren Standort<br />

voranbringen. Das spiegelt sich in<br />

den Präsentationen einzelner RWK in<br />

diesem Heft wieder. Dabei soll Noten verteilen<br />

nicht mein Job sein, aber lassen Sie<br />

mich ein paar Tendenzen skizzieren, die<br />

mir wichtig sind: In manchen RWK – so<br />

Neuruppin – wurde früh und systematisch<br />

begonnen, die Umlandgemeinden<br />

in die Standortentwicklung einzubeziehen.<br />

Andere – so Fürstenwalde – haben<br />

sich vorausschauend dem Thema Fachkräftesicherung<br />

zugewandt und dazu<br />

alle Akteure an einen Tisch gebracht.<br />

W&M: Sind enge Kooperation und Vernetzen<br />

stärkster Wesenszug der RKW?<br />

PLATZECK: Dort, wo mehrere Kommunen<br />

einen RWK bilden, wie Oranienburg-Hennigsdorf-Velten,<br />

wurde darauf<br />

gesetzt, die Zusammenarbeit zwischen<br />

den Orten systematisch zu organisieren<br />

und eine gemeinsame Strategie zu entwickeln.<br />

Auch das war richtig. Und ich<br />

fand es schon beeindruckend, wie in der<br />

Weltwirtschaftskrise schnell gute Projekte<br />

angeschoben werden konnten, als der<br />

Bund mit dem Zukunftsinvestitionsgesetz<br />

Geld zur Sicherung von Arbeitsplätzen<br />

zur Verfügung stellte. Auch diese<br />

bestandene Feuertaufe hat dazu beigetragen,<br />

dass unsere Regionalen Wachstumskerne<br />

inzwischen weit über die Landesgrenzen<br />

hinaus bekannte Beispiele<br />

für eine moderne Struktur- und Standortpolitik<br />

sind.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 33


SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

Regionaler Wachstumskern Schwedt/Oder<br />

Top-Infrastruktur an der Oder<br />

Als »Stadt voller Energie« konzentriert sich Schwedt auf die Entwicklung neuer Geschäftsfelder<br />

Eine Besonderheit des Regionalen<br />

Wachstumskerns Schwedt/Oder ist<br />

seine starke industrielle Ausprägung<br />

mit den Schwerpunkten Mineralöl<br />

und Biokraftstoffe sowie Papiererzeugung.<br />

Das vor einem halben Jahrhundert<br />

gegründete Erdölverarbeitungswerk ist<br />

als PCK Schwedt auch heute noch größter<br />

Arbeitgeber in der Stadt. Die Raffinerie<br />

versorgt weite Teile Ostdeutschlands<br />

mit Kraftstoffen. Nach der Wende siedelte<br />

sich eine zweite Papierfabrik an. Damit<br />

entwickelte sich Schwedt zu einem<br />

der größten Papierstandorte Deutschlands.<br />

Dritter und jüngster industrieller<br />

VOLLER ENERGIE Annekathrin Hoppe<br />

Trend sind die erneuerbaren Energien.<br />

Die im Industriepark errichtete Biogasanlage<br />

der VERBIO Vereinigte BioEnergie<br />

AG wird nach Fertigstellung der zweiten<br />

Ausbaustufe mit einer Produktionskapazität<br />

von 50 Mio. Kubikmeter Erdgas im<br />

Jahr die größte Anlage ihrer Art weltweit<br />

sein. Auch das technische Verfahren zur<br />

Umwandlung von agrarischen Reststoffen<br />

in Biokraftstoff ist eine Weltneuheit.<br />

»So wird Schwedt zu einem Energiestandort<br />

zwischen Tradition und Moderne«,<br />

hebt Annekathrin Hoppe hervor, Leiterin<br />

der städtischen Wirtschaftsförderung.<br />

Die Maßnahmen im Rahmen der<br />

Wachstumskern-Strategie wollen diese<br />

Potenziale festigen und um neue Elemente<br />

erweitern, insbesondere zur Fachkräftesicherung.<br />

Eine Stärkung des Logistikstandortes<br />

Schwedt wird durch den<br />

Gleisanschluss des Hafens an der Oder<br />

erreicht, der Ende August 2011 in Betrieb<br />

geht. Auch die Papierfabriken erhalten<br />

Anschlussgleise an den Hafen und<br />

können dadurch erhebliche Transporte<br />

von der Straße auf die Schiene verlagern.<br />

Annekathrin Hoppe ist gleichzeitig<br />

die Geschäftsführerin der städtischen<br />

Infrastrukturgesellschaft InfraSchwedt<br />

Infrastruktur und Service GmbH. Ihr Auftrag<br />

ist es, die Ansiedlungsakquise und<br />

das Standortmarketing zu verstärken.<br />

Die wichtigsten entscheidungsrelevanten<br />

Infos über Ansiedlungsflächen wurden<br />

jetzt von der ICU Investor Center<br />

Uckermark GmbH in einer Datenbank<br />

zusammengestellt. »Auf der Expo Real im<br />

Oktober in München werden wir gemeinsam<br />

mit der Stadt Schwedt/Oder die Internet-Version<br />

mit Videos von 13 für Investoren<br />

in Frage kommenden Flächen<br />

erstmals vorstellen«, kündigt ICU-Geschäftsführer<br />

Silvio Moritz an.<br />

Seit drei Jahren besteht in Schwedt/<br />

Oder eine Präsenzstelle der Fachhochschule<br />

Brandenburg und der Hochschule<br />

für nachhaltige Entwicklung Eberswalde<br />

(FH). Die akademischen Einrichtungen<br />

bieten Weiterbildungsleistungen<br />

für Unternehmen an und stehen auch<br />

für Technologietransfers bereit. Ein Fernstudiengang<br />

Betriebswirtschaftslehre<br />

wird angeboten. Auf diese Weise sollen<br />

Fachkräfte qualifiziert und in der Region<br />

gehalten werden.<br />

Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung<br />

des Qualifikations-Umfeldes ist das<br />

Haus der Bildung und Technologie, das<br />

derzeit in zentraler Lage entsteht. Hier<br />

sollen neben Bildung und Qualifizierung<br />

auch Angebote zu Technologie, Innovation<br />

und Unternehmensgründung gebündelt<br />

und ausgebaut werden. Auch die<br />

Präsenzstelle der FH wird hier Räume beziehen.<br />

Die Kontakte zur Universität im<br />

benachbarten polnischen Stettin können<br />

auf eine neue Basis gestellt werden.<br />

INTERVIEW<br />

JÜRGEN POLZEHL<br />

Bürgermeister<br />

von Schwedt/Oder<br />

W&M: Welche Auswirkungen hat der<br />

Status RWK auf die Stadt Schwedt/Oder?<br />

POLZEHL: Als einer von 15 Regionalen<br />

Wachstumskernen im Land Brandenburg<br />

wird unsere Stadt über die Landesgrenzen<br />

hinweg als ein entscheidender<br />

Wirtschaftsstandort wahrgenommen.<br />

Die Investition in den RWK<br />

Schwedt/Oder stärkt das wirtschaftliche<br />

Interesse und garantiert somit den<br />

zukunftsorientierten Ausbau unserer<br />

Region.<br />

W&M: Welche Branchen-Kompetenzfelder<br />

weist der RWK Schwedt/Oder auf?<br />

POLZEHL: Unsere Stadt weist durch die<br />

Branchen Mineralölwirtschaft und Biokraftstoffe,<br />

Papier, Metall und Logistik<br />

eine hohe Innovationskraft und Unternehmenskonzentration<br />

von maßgeblicher<br />

Bedeutung auf.<br />

W&M: Warum sollten sich Unternehmen<br />

in Schwedt/Oder ansiedeln?<br />

POLZEHL: Unsere Stadt bietet aufgrund<br />

ihrer hervorragend ausgebauten Infrastruktur<br />

interessierten Unternehmen<br />

optimale Möglichkeiten zur Neuansiedlung.<br />

Überzeugend ist auch der harmonisierende<br />

Bestand an weichen<br />

Standortfaktoren, insbesondere in den<br />

Bereichen Bildung, Freizeit und Kultur<br />

und Gesundheitswesen. Schwedt/Oder<br />

ist eine Stadt, in der es sich neben der<br />

Arbeit auch zu leben lohnt.<br />

34 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

Regionalmarke Uckermark<br />

Attraktive Nachbarschaft<br />

Die ICU Investor Center Uckermark GmbH holt kommunale Partner aus dem Umland ins RWK-Boot<br />

V<br />

erstärkt wird die gemeinsame<br />

Zusammenarbeit von der ICU Investor<br />

Center Uckermark GmbH<br />

mit Sitz in Schwedt/Oder, die sich neben<br />

der Akquise von auswärtigen Investoren<br />

auch um die Entwicklung einer charakteristischen<br />

»Regionalmarke UCKER-<br />

MARK« kümmert. Unter dieser Regionalmarke<br />

sind derzeit Leistungsträger im<br />

Landkreis aus sechs unterschiedlichen<br />

Bereichen (Wirtschaft, Landwirtschaft,<br />

Tourismus, Kommunen, Kultur/Freizeit/<br />

Sport und Natur/Landschaft) vereint.<br />

»Durch die Bündelung wird erstmals ein<br />

bereichsübergreifendes Management geschaffen,<br />

das zur Effizienzerhöhung und<br />

Informationserweiterung führt«, betont<br />

AUSBILDUNG Investition in die Zukunft.<br />

nehmend als einheitlicher Wirtschaftsraum<br />

versteht«, sagt ICU-Geschäftsführer<br />

Moritz. Höhepunkt der aktuellen Investoren-Werbung<br />

wird der Auftritt auf der<br />

Immobilien-Messe »Expo Real« im Oktober<br />

in München sein.<br />

So wie nach außen, wird auch im Innern<br />

die Wirtschaftskooperation verstärkt.<br />

Unter Nutzung von Fördermitteln<br />

der GRW-Maßnahme »Regionalbudget«<br />

haben die vier Städte Schwedt/Oder,<br />

Prenzlau, Templin und Angermünde zusammen<br />

mit dem Landkreis Uckermark<br />

eine Kooperationsvereinbarung zur<br />

Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft<br />

»Arbeitskreis Fachkräftesicherung« geschlossen.<br />

Die ersten drei gemeinsamen<br />

Projekte wollen den Innovationstransfer<br />

Deutschland/Polen mit einer Präsenzstelle<br />

in Stettin fördern sowie durch das<br />

Projekt »Berufsfelderkundung« und Maßnahmen<br />

zur betriebsnahen Weiterqualifizierung<br />

zur Fachkräftesicherung beitragen.<br />

»Beim Projekt Regionalbudget ist<br />

Schwedt/Oder auf die Nachbarstädte zugegangen«,<br />

berichtet die Leiterin der<br />

Wirtschaftsförderung in Templin, Dana<br />

Schöttler. »Für uns steht dabei der Aspekt<br />

der Fachkräfte im Vordergrund«. Weiterbildungsangebote<br />

sollen Berufserfahrene<br />

an den Standort binden und Betriebs-<br />

Praktika für Schüler Berufsneulingen<br />

den Start ins Arbeitsleben erleichtern.<br />

»Wir haben alle Firmen in unserer Stadt<br />

angeschrieben und eine Ausbildungsplatz-Übersicht<br />

erstellt«, so Frau Schöttler.<br />

»Die Nutznießer dieses Projekts werden<br />

die Schüler sein«, ist die Wirtschaftsförderin<br />

überzeugt.<br />

Auch in Prenzlau setzt man auf den<br />

Nutzen der regionalen Wirtschaftskooperation.<br />

»Wir haben uns in der Arbeitsgruppe<br />

darüber verständigt, wo uns am<br />

meisten der Schuh drückt«, sagt die Leiterin<br />

der Wirtschaftsförderung der Stadt<br />

Prenzlau, Silke Liebher. »Das Ergebnis<br />

war, dass uns in den nächsten Jahren viele<br />

Fachkräfte fehlen werden, wenn wir<br />

nichts unternehmen«. Die Erklärung zur<br />

Zusammenarbeit mit den Nachbarkommunen<br />

wurde sogar vom Prenzlauer<br />

Stadtparlament förmlich beschlossen.<br />

Frau Liebher: »Uns ist klar, dass die ökonomischen<br />

Strukturveränderungen von<br />

einer Stadt allein nicht zu bewältigen<br />

sind.« Erfolgreich ist in Prenzlau die erste<br />

Woche der »Berufsfelderkundung« verlaufen,<br />

die von Berufsbildungsvereinen<br />

für die achten Klassen der Oberschule angeboten<br />

wurde. »Diese Praxiswoche, mit<br />

der frühzeitige Kontakte zwischen<br />

Schülern und Betrieben hergestellt werden<br />

sollten«, so Prenzlaus Wirtschaftsförderin<br />

Liebher, »ist sehr gut angenommen<br />

worden«.<br />

Foto: ICU GmbH<br />

ICU-Geschäftsführer Silvio Moritz. »Auf<br />

diese Weise entsteht ein gestärkter<br />

Marktauftritt, so dass es zu einer erhöhten<br />

Wahrnehmung der Uckermark am<br />

Markt kommt«.<br />

Ein wichtiger Werbefaktor ist dabei<br />

der Regionale Wachstumskern in<br />

Schwedt/Oder. »Dass die Uckermark einen<br />

RWK mit einem Industrie-Highlight<br />

besitzt, ist für unsere Aktivitäten sehr<br />

hilfreich, da die Wachstumskerne generell<br />

eine erhöhte Beachtung finden.« Von<br />

13 Industrie- und Gewerbegebieten im<br />

Landkreis, die sich für Unternehmensansiedlungen<br />

besonders anbieten, hat das<br />

ICU Videofilme anfertigen lassen, die im<br />

Internet abrufbar sind. Zusammen mit<br />

der Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB)<br />

wird verstärkt überregional für die<br />

Uckermark geworben. »Dabei stellen wir<br />

uns als eine zentrale Region auf der<br />

Achse Berlin-Stettin dar, die sich nach<br />

Wegfall der Grenzschranken zu Polen zu-<br />

KERNINDUSTRIEGEBIET SCHWEDT Papierwerke und das PCK.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 35


SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

Regionaler Wachstumskern Oranienburg-Hennigsdorf-Velten<br />

Trio im starken Schulterschluss<br />

Die drei größten Städte des Landkreises Oberhavel bündeln Kapazitäten zu größtem Nutzen<br />

ierung. Die Diversifizierung trug dazu<br />

bei, dass sich die Zahl der Arbeitsplätze<br />

in den Jahren 2005 bis 2009 um gut sieben<br />

Prozent erhöhte (Landesdurchschnitt:<br />

5,6 Prozent). Auch die sechs Maßnahmen<br />

des RWK-Konzepts, von denen<br />

mittlerweile fünf umgesetzt wurden,<br />

hatten daran Anteil. Dabei handelt es<br />

sich um große Infrastrukturprojekte mit<br />

einem Gesamtvolumen von 25 Millionen<br />

Euro. Das größte unter ihnen ist – mit<br />

einem Volumen von 18 Millionen Euro –<br />

die Erschließung von ehemaligen Flächen<br />

des Hennigsdorfer Elektro-Stahlwerks<br />

(H.E.S.) zur Ansiedlung neuer Unternehmen.<br />

»Die Stadt hatte sich schon<br />

früher um dieses Projekt beworben, aber<br />

erst mit dem RWK kam es wirklich voran«,<br />

erklärt Sylvia Weise. Mittlerweile<br />

sind 70 Prozent der 17 Hektar großen<br />

Fläche an künftige Investoren vergeben<br />

oder optioniert: in der Regel auswärtige<br />

Unternehmen der Metall- und Biotech-<br />

Branche, die sich neu in Hennigsdorf ansiedeln.<br />

Ein Gutteil des Erfolges geht auch auf<br />

die straffe Organisationsform des Regio-<br />

STARKES TRIO Andreas Schulz, der Bürgermeister<br />

von Hennigsdorf (l.), Ines Hübner, die<br />

Bürgermeisterin von Velten, Hans-Joachim<br />

Laesicke, der Bürgermeister von Oranienburg.<br />

Die Bindestriche symbolisieren den<br />

Kooperationswillen – und inzwischen<br />

auch dessen Erfolg. O-H-V<br />

ist der Primus unter den 15 Brandenburger<br />

Wachstumskernen, wie die jüngste<br />

Evaluierung ergab. »Den größten Nutzen<br />

des Regionalen Wachstumskerns sehe<br />

ich in der engeren kommunalen Zusammenarbeit<br />

der drei Städte«, sagt Sylvia<br />

Weise, die als Geschäftsführerin der BBG<br />

Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft<br />

mbH in Hennigsdorf für die Koordination<br />

des RWK zuständig ist. Inzwischen<br />

erstrecke sich die Kooperation auch auf<br />

Bereiche jenseits der RWK-Kernanliegen<br />

Wirtschaftsförderung und Fachkräftebereitstellung.<br />

Die wirtschaftlichen Leitbranchen des<br />

RWK sind die Biotechnologie, Kunststoffe<br />

und Chemie, Logistik, Metall und<br />

Schienenverkehrstechnik, an jedem<br />

Standort mit jeweils eigener Akzentunalen<br />

Wachstumskerns zurück, wie die<br />

Stadtoberhäupter nach der RWK-Evaluierung<br />

betonten. Ines Hübner (Bürgermeisterin<br />

der Stadt Velten), Hans-Joachim<br />

Laesicke (Bürgermeister der Stadt<br />

Oranienburg) und Andreas Schulz (Bürgermeister<br />

der Stadt Hennigsdorf): »Es<br />

war richtig, von Anfang an auf eine klare,<br />

transparente und leistungsfähige<br />

Organisationsstruktur zu setzen. Damit<br />

ist es gelungen, ein breites Spektrum an<br />

Maßnahmen und Aktivitäten, umzusetze.<br />

Für die Vorhaben ist ein Höchstmaß<br />

an finanzieller und förderseitiger Unterstützung<br />

erreicht worden. Jede der drei<br />

Städte profitiert von der Zusammenarbeit.<br />

Die Ergebnisse der RWK-Evaluierung<br />

sind ein eindeutiges Signal für die intensive<br />

Fortsetzung der Zusammenarbeit<br />

der drei Städte sowie für die Ausweitung<br />

auf weitere Themenfelder.«<br />

So wurde von den drei Städten ein gemeinsames<br />

Klimaschutzkonzept entwickelt,<br />

wozu Fördermittel des Bundesumweltministeriums<br />

eingesetzt werden<br />

konnten. Das Konzept sieht vor, mit Maßnahmen<br />

zur Verbesserung der Energieeffizienz<br />

und durch die Investition in weitere<br />

CO 2 -sparende Energie- und Wärmeerzeugung<br />

die Emissionen bis zum<br />

Jahr 2015 noch einmal um mehr als zehn<br />

Prozent zu senken.<br />

SYLVIA WEISE Geschäftsführerin der BBG<br />

Ein besonderes Maßnahmenbündel<br />

zielt auf die Verbesserung der Fachkräftesituation.<br />

Dafür wurde 2010 das »FIB –<br />

Fachkräfteinformationsbüro Oberhavel«<br />

für einen Zeitraum von zunächst drei<br />

Jahren eingerichtet. Das Büro offeriert<br />

Beratungs- und Coachingangebote für<br />

Unternehmen in allen Fragen der Nachwuchs-,<br />

Fachkräfte- und Führungskräftesicherung.<br />

RWK-Managerin Weise: »Das<br />

FIB führt eigene Projekte im Übergang<br />

von Schule und Beruf durch und stellt<br />

für die Unternehmen – gemeinsam mit<br />

der Präsenzstelle der Fachhochschule<br />

Brandenburg in der Stadt Hennigsdorf –<br />

Kontakte zu Bildungsträgern, Hochschulen<br />

und wissenschaftlichen Einrichtungen<br />

her.« Fachliche Unterstützung geben<br />

die Bundesagentur für Arbeit, die IHK<br />

Potsdam, die Handwerkskammer Potsdam,<br />

der Landkreis Oberhavel und die<br />

Landesagentur für Struktur und Arbeit<br />

(LASA).<br />

36 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

Regionaler Wachstumskern Prignitz<br />

Prignitz: In bester Lage<br />

Mit der dreifachen Verkehrsanbindung durch Straße, Bahn und<br />

Wasserweg punktet die Region im Nordwesten Brandenburgs. Mit<br />

der neuen Autobahn 14 wird dieser Vorteil erheblich aufgewertet.<br />

V<br />

on der Prignitz aus ist ein Einzugsgebiet<br />

von zehn Millionen Menschen<br />

in weniger als zwei Stunden zu<br />

erreichen. Das macht die Region für das<br />

Transportgewerbe interessant, aber auch<br />

für andere Branchen.<br />

Für Udo Staeck, Bürgermeister der Gemeinde<br />

Karstädt, ist es deshalb von entscheidender<br />

Bedeutung, dass auch das<br />

größte Projekt auf der Aufgabenliste des<br />

RWK bald in Angriff genommen wird:<br />

der Bau der Autobahn A 14 zwischen<br />

Magdeburg und Schwerin. »Das ist für<br />

unsere Region eine Schlüsselmaßnahme«,<br />

betont Staeck. Mit der Schnellstraße,<br />

die 2015 fertiggestellt sein soll,<br />

wird die Nord-Süd-Erreichbarkeit der<br />

Prignitz deutlich erhöht. Anfang August<br />

gab Bundesverkehrsminister Ramsauer<br />

endlich „grünes Licht“ für den 155 Kilometer<br />

langen Autobahnneubau.<br />

Doch auch schon jetzt steckt viel Dynamik<br />

in der Wirtschaftsregion im Nordwesten<br />

Brandenburgs. Die Evaluierung<br />

der RWK attestierte der Prignitz, ihren<br />

Status als Wachstumskern seit 2005<br />

»sehr aktiv genutzt« zu haben. Für Wittenberges<br />

Bürgermeister Dr. Oliver Hermann<br />

ist das wichtigste Ergebnis des bisherigen<br />

RWK-Prozesses, dass eine »Bündelung<br />

der Kräfte in der Region« erreicht<br />

worden ist. Ein entscheidendes Erfolgsmoment<br />

sieht Hermann in der gelungenen<br />

Kooperation von Politik und Wirtschaft:<br />

»Es war für unseren Wachstumskern<br />

wichtig, von Anfang an die Vertreter<br />

der Wirtschaft mit im Boot zu haben«.<br />

Lutz Lange, Sprecher des RWK und<br />

Vorsitzender der Wirtschaftsinitiative<br />

Westprignitz e. V., hebt hervor, dass diese<br />

gleichberechtigte Beteiligung eines Unternehmerverbandes<br />

im Wachstumskern<br />

»einmalig in Brandenburg« ist. Auf diese<br />

Weise hat sich das »Gemeinschaftsgefühl<br />

in der Region« deutlich verstärkt. Das<br />

gemeinsame Handeln wird in der Lenkungsgruppe<br />

des RWK alle 14 Tage abgestimmt.<br />

»Durch die Kommunikation auf<br />

kurzem Wege kann auch viel schneller<br />

reagiert werden«, hat Lange festgestellt.<br />

Die Ausweisung als Wachstumskern<br />

wirkte als »Aufbruchssignal« für die regionale<br />

Wirtschaft, was sich etwa daran<br />

ablesen lässt, dass die Wirtschaftsinitiative<br />

Westprignitz ihre Mitgliederzahl von<br />

36 zu Beginn auf jetzt über 120 erhöhen<br />

konnte.<br />

Die strategischen Oberziele des RWK<br />

sind neben der Stärkung der wirtschaftlichen<br />

Potenziale auch die Erweiterung<br />

der touristischen Angebotspalette und<br />

der Ausbau einer hochwertigen Bildungslandschaft.<br />

Von Bedeutung ist darüber<br />

hinaus die Zusammenarbeit der<br />

Kommunen zur Sicherung der zentralen<br />

Versorgungsfunktionen für die Region.<br />

Sie hat zur Beteiligung an dem EU-Projekt<br />

»PEA – Public Energy Alternatives«<br />

geführt, mit dem Energiesparpotenziale<br />

im öffentlichen Raum ermittelt und besser<br />

nutzbar gemacht werden sollen. Wittenberges<br />

Bürgermeister Hermann ist<br />

sich sicher, dass der Zuschlag für das Energieprojekt<br />

auf die gemeinsame Antragstellung<br />

der Kommunen zurückzuführen<br />

ist: »Für sich alleine hätte das keine<br />

der drei Kommunen geschafft.« Die Energiesparmaßnahmen<br />

sollen zudem nicht<br />

auf den RWK beschränkt bleiben, wie<br />

Bürgermeister Staeck betont: »Wir haben<br />

den Anspruch auszustrahlen und wollen<br />

andere Gemeinden mitnehmen.«<br />

Großaufgabe Bildung und Fachkräftesicherung:<br />

Um die Ausbildungschancen<br />

zu verbessern und damit auch den Fachkräftebedarf<br />

in der Region zu sichern,<br />

wurde das »Prignitzer Netzwerk Schule-<br />

Wirtschaft« ins Leben gerufen. Erster<br />

Schritt ist, das Wissen der Schüler über<br />

die Arbeitswelt und ihre beruflichen<br />

Möglichkeiten, insbesondere in der Prignitz,<br />

zu erhöhen. Hierzu finanziert der<br />

RWK zwei Berufs- und Karriereplaner,<br />

die Projekte aus dem Bereich Schule-<br />

Wirtschaft organisieren und regelmäßig<br />

Sprechtage an den Schulen der Region<br />

durchführen.<br />

Von hoher wirtschaftlicher Bedeutung<br />

ist auch der Ausbau des Binnenhafens<br />

Wittenberge zum »trimodalen Umschlagknoten«<br />

an der Elbe. An je einer<br />

Lade- und Lösch-Pipeline kann im »Elbeport<br />

Wittenberge« Flüssiggut umgeschlagen<br />

werden. Mit seinem zweiten Anleger<br />

hat sich der Binnenhafen zum Multi-Purpose-Terminal<br />

entwickelt. Die Maßnahmen<br />

zahlen sich aus. So wäre ohne das<br />

Hafenprojekt beispielsweise der Verbleib<br />

eines Unternehmens der chemischen Industrie<br />

fraglich gewesen.<br />

Nach den Anfangserfolgen in Wirtschaft<br />

und Bildung wird verstärkt auch<br />

die Kooperation in anderen Bereichen gesucht,<br />

wie der Bürgermeister der Stadt<br />

Perleberg, Fred Fischer, berichtet. Die Zusammenarbeit<br />

erstreckt sich inzwischen<br />

auch auf die Bereiche Gesundheitsversorgung,<br />

Soziales, räumliche Entwicklung,<br />

Tourismus und Kultur. »Die Maßnahmen<br />

greifen relativ verzahnt ineinander«,<br />

stellt Fischer fest. Der Geist der Kooperation,<br />

freut sich Perlebergs Stadtoberhaupt,<br />

»verbreitet sich in unserem<br />

Wachstumskern auf immer mehr Feldern«.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 37


SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

Regionaler Wachstumskern Ludwigsfelde<br />

Ludwigsfelde bewegt<br />

Es läuft rund in Ludwigsfelde. Die größte Stadt im Landkreis Teltow-Fläming, direkt an der<br />

Autobahn gelegen, ist ein Schwergewicht im Verkehrsbereich. Luftfahrttechnik, Automotive und Logistik<br />

zählen zu den prägenden Branchenkompetenzfeldern des Regionalen Wachstumskerns Ludwigsfelde.<br />

Das Leitmotiv der Stadt lautet kurz und knapp: »Ludwigsfelde bewegt«.<br />

GUTE VERKEHRSANBINDUNG: Ludwigsfelde zieht Unternehmen an.<br />

Schon 1936 errichtete Daimler Benz<br />

hier ein Flugzeugmotorenwerk, in<br />

dem heute die Transporter vom Typ<br />

Sprinter und Vario produziert werden.<br />

Ebenfalls setzt MTU am Standort Triebwerke<br />

in Stand und Thyssen Krupp Umformtechnik<br />

produziert Karosserieteile<br />

für Fahrzeuge. 2006 kam ein Logistikzentrum<br />

von Volkswagen und jüngst von<br />

Siemens hinzu. Die gute Verkehrsanbindung,<br />

auch zum nahe gelegenen Großflughafen<br />

in Schönefeld, zieht weitere<br />

Unternehmen an.<br />

Allerdings achtet Ludwigsfelde verstärkt<br />

darauf, sich in seiner Wirtschaftsentwicklung<br />

nicht zu sehr von den dominanten<br />

Branchen abhängig zu machen.<br />

»Wir streben eine breitere Diversifizierung<br />

an«, sagt Wilfried Thielicke, der<br />

Wirtschaftsförderer der Stadt Ludwigsfelde.<br />

Metall und Ernährungswirtschaft<br />

sind weitere Kompetenzfelder, die bereits<br />

am Standort vertreten sind. »Wir<br />

sind aber offen für alle Branchen, die<br />

hierher passen«, betont Thielicke. Als<br />

Beispiel nennt er die modernen Energietechnologien.<br />

So ist Ludwigsfelde inzwischen<br />

eine ausgewählte Bioenergie-Region<br />

des Bundeslandwirtschaftsministeriums.<br />

Auch um Firmen mit einem erhöhtem<br />

Forschungs- und Entwicklungsanteil<br />

will man werben.<br />

Drei zentrale Maßnahmen setzt Ludwigsfelde<br />

im Rahmen des RWK-Programms<br />

um: die Unterstützung des städtischen<br />

Arbeitskreises zur Fachkräftesicherung<br />

der Zukunft, ein Kultur- und<br />

Bürgerhaus als »identitätsstiftende <strong>Mitte</strong><br />

im Stadtzentrum« sowie den Aufbau und<br />

die Entwicklung eines webbasierten<br />

kommunalen Geoportals. Die bisherige<br />

Entwicklung des Regionalen Wachstumskerns<br />

wird im Evaluierungsbericht von<br />

2010 positiv bewertet. »Der RWK Ludwigsfelde<br />

weist aufgrund seiner Arbeitsplatzzentralität<br />

und dynamischen Wirtschafts-<br />

und Beschäftigungsentwicklung<br />

eine wachsende Motorwirkung bzw. Ausstrahlkraft<br />

auf«, urteilten die Gutachter.<br />

Die Studie bescheinigte dem RWK die<br />

zweitbeste Beschäftigungsentwicklung<br />

aller brandenburgischen Wachstumskerne.<br />

Das Zentrum für Aus- und Weiterbildung<br />

Ludwigsfelde (ZAL) ist ein wichtiger<br />

Baustein zur Fachkräftesicherung. Es bietet<br />

einen Rundum-Service für Unternehmen<br />

und Arbeitskräfte.<br />

Was mit der Ansiedlung von Unternehmen<br />

bisher gelungen ist, will die<br />

Stadt künftig bei den Fachkräften fort-<br />

BRÜCKENFEST unter der BAB 10.<br />

setzen: Sie sollen nicht nur zu den Ludwigsfeldern<br />

Arbeitsplätzen einpendeln,<br />

sondern sich als Neu-Bürger dauerhaft<br />

niederlassen. »Ludwigsfelde soll nicht<br />

nur mit interessanten Jobs verbunden<br />

werden, sondern wir streben an, dass<br />

mehr Menschen hier leben wollen«, erklärt<br />

Thielicke. Etliche der weichen<br />

Standortfaktoren sind bereits vorhanden,<br />

wie ein sehr gutes Schulangebot<br />

und Betreuungsplätze im vorschulischen<br />

Bereich.<br />

Verstärkte Aktivitäten gelten in den<br />

kommenden Jahren dem Merkmal »Urbanität«,<br />

wozu ein Standortentwicklungskonzept<br />

sowie ein Einzelhandelsund<br />

Zentrenkonzept erstellt wurde. Maßnahmen<br />

in diesem Zusammenhang sind<br />

die Stärkung des Einzelhandels, die Aufwertung<br />

des öffentlichen Raumes durch<br />

einen »Aktiv-Stadtpark« an der Autobahn<br />

sowie die Profilierung des kulturellen<br />

Angebots durch die Sanierung des Kultur-<br />

und Bürgerhauses. Vor allem das<br />

Kulturhaus gilt als zentrales Projekt.<br />

»Unser Ziel«, betont Wirtschaftsförderer<br />

Thielicke, »ist die Ausrichtung auf eine<br />

nachhaltige Standortentwicklung«.<br />

38 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

Foto: Stadt Cottbus<br />

Regionaler Wachstumskern Cottbus<br />

Kreative Energie<br />

Die enge Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft sowie<br />

von Tradition und Moderne sind im Süden des Landes Brandenburg<br />

die entscheidenden Schlüssel für den ökonomischen Aufschwung.<br />

Nicht nur Fußball-Fans ist bekannt,<br />

dass Cottbus viel mit Energie<br />

zu tun hat. Die größte Stadt<br />

im Süden des Landes Brandenburg ist<br />

das Tor zur Braunkohleregion Lausitz<br />

und besitzt mit der Energiewirtschaft<br />

ein markantes Branchenkompetenzfeld.<br />

Auch wirtschaftliche Ansiedlungserfolge<br />

der letzten Jahre stehen in Zusammenhang<br />

mit diesem Energiestandort. Im<br />

Rahmen des Regionalen Wachstumskerns<br />

werden jedoch auch gezielt Infrastrukturen<br />

ausgebaut, mit denen die<br />

»kreative Energie in den Köpfen« besser<br />

genutzt werden.<br />

Das ist jetzt auch auf dem Industrieund<br />

Technologiepark im Norden der<br />

Stadt erlebbar: Im dort neu errichteten<br />

Technologie- und Forschungszentrum arbeiten<br />

schon seit Monaten kreative Köpfe<br />

aus dem IT- und Sensorikbereich. Wenige<br />

Gehminuten entfernt wird das Energiezentrum<br />

auf dem Campus der Brandenburgischen<br />

Technischen Universität<br />

Cottbus gerade im Rohbau errichtet.<br />

Forschen werden dort künftig die Nachwuchsforscher<br />

der Zukunft, denn<br />

nochmals einen Steinwurf entfernt wird<br />

ein Schulhaus für den Einzug des Max-<br />

Steenbeck-Gymnasiums saniert, einer<br />

international erfolgreichen Schule mit<br />

mathematisch-naturwissenschaftlicher<br />

Ausrichtung. Man spürt es: In Cottbus<br />

drehen sich Kräne für bauliche Investitionen<br />

in die junge Kreativität.<br />

Eine Gelegenheit, dieses Potenzial<br />

sehr unterhaltsam zu erkunden, ist die<br />

»Nacht der kreativen Köpfe«. Zur fünften<br />

Auflage dieser Entdeckungstour am 15.<br />

Oktober 2011 gibt es von 19 bis 24 Uhr an<br />

20 Veranstaltungsorten Vorträge, Workshops,<br />

Theater, Ausstellungen und vieles<br />

mehr. Ausgewählte Firmen und Institutionen<br />

öffnen ihre Pforten und widmen<br />

sich dem Jahresthema der Stadt »Wirtschaft<br />

und Ehrenamt«. Sie entführen in<br />

ihre Wissens-Welt und gestatten den<br />

berühmten Blick hinter die Kulissen.<br />

Kurz: eine Veranstaltung, die über Nacht<br />

klüger macht!<br />

Die »Nacht der kreativen Köpfe« begreift<br />

sich aber auch als Schulterschluss<br />

der »Macher«, möchte die innovativen<br />

Potenziale der Region aufzeigen um<br />

Ängsten und Szenarien, wie dem demographischen<br />

Wandel, Abwanderung und<br />

Fachkräftefragen kreative Antworten<br />

entgegenzusetzen.<br />

Gerade deshalb greifen die Veranstaltungsorte<br />

gern Themen wie Tradition<br />

und Moderne, Erhaltenswertes und Neuerungen,<br />

Jung und Alt oder das Miteinander<br />

der Generationen auf, entwickeln<br />

Perspektiven für die Region und testen<br />

Ideen oder neue kreative Wege.<br />

Mit dem intelligenten Routenplaner,<br />

der vom Fraunhofer-Anwendungszentrums<br />

für Logistiksystemplanung und<br />

Informationssysteme (ALI) entwickelt<br />

wurde, können die Besucher ihre individuelle<br />

Route vorab im Internet sowie<br />

am Abend selbst je nach Interessenlage<br />

planen und mit dem Shuttle-Bus sind<br />

alle Veranstaltungsorte bequem und zeitlich<br />

passend erreichbar.<br />

LABOR Hochspannung in der Technischen<br />

Universität.<br />

Das Ticket berechtigt zum Besuch der<br />

NdkK-Veranstaltungen und zur Nutzung<br />

des Shuttle-Busses sowie von Bus und<br />

Bahn von CottbusVerkehr am 15.10.2011<br />

in der Zeit von 15 bis 12 Uhr (16.10.2011).<br />

Ticketvorverkauf: Ab dem 01.09.2011 an<br />

allen bekannten CTS-Vorverkaufsstellen<br />

sowie online buchbar unter Eventim.<br />

MEINUNG<br />

HENDRIK FISCHER<br />

Leiter der<br />

interministeriellen<br />

Arbeitsgruppe<br />

integrierte Standortentwicklung<br />

(IMAG)<br />

Zusammenspiel<br />

der Kerngebiete<br />

auf gutem Weg<br />

Für den Leiter der interministeriellen<br />

Arbeitsgruppe integrierte Standortentwicklung<br />

(IMAG), Hendrik Fischer,<br />

ist die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit<br />

mit den 15 regionalen<br />

Wachstumskernen (RWK) notwendig,<br />

um diese im Land Brandenburg besonders<br />

geförderten Standorte weiter voranzubringen.<br />

Von den RWK erwarten<br />

er und die Experten dieses Gremiums,<br />

in den nächsten Jahren vor allem drei<br />

Dinge im Auge zu behalten:<br />

– die weitere Qualifizierung der<br />

strategischen Arbeit, die umfassende<br />

Kooperation mit ihren Umlandgemeinden<br />

und das Entwickeln und<br />

Umsetzen von strategischen Handlungsansätzen<br />

in den Themenfeldern<br />

Innovation und Fachkräftesicherung.<br />

– Auf dem Weg dorthin wird es wie<br />

in den vergangenen Jahren üblich<br />

jährliche Gesprächsrunden der IMAG<br />

mit den RWK geben. Dabei soll es<br />

dann besonders um die aktuelle wirtschaftlich<br />

Entwicklung am jeweiligen<br />

geförderten Standort, den Stand der<br />

Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen<br />

sowie Vorschläge für etwaige<br />

neue prioritäre Vorhaben gehen.<br />

– Die nächste Gesprächsserie startet<br />

schon im September. Ziemlich sicher<br />

ist, dass es bei vielen Terminen noch<br />

stärker um qualitative Aspekte der<br />

Weiterentwicklung gehen wird. Mit<br />

aktuell 133 Vorhaben ist inzwischen<br />

eine Zahl geförderter Maßnahmen<br />

erreicht, die eine noch stärkere Prioritätensetzung<br />

offensichtlich notwendig<br />

macht. Auf die Ergebnisse dieser<br />

Diskussionen darf man deshalb durchaus<br />

gespannt sein.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 39


SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

Beteiligte Wachstumskerne<br />

Weitere Wachstumskerne<br />

STADT COTTBUS<br />

Fachbereich Stadtentwicklung<br />

Frau Carola Neumann<br />

Karl-Marx-Straße 67, 03044 Cottbus<br />

Tel.: (03 55) 612-28 56<br />

E-Mail: carola.neumann@neumarkt.cottbus.de<br />

Internet: www.neumarkt.cottbus.de<br />

STADT LUDWIGSFELDE<br />

Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung<br />

Herrn Wilfried Thielicke<br />

Rathausstraße 3, 14974 Ludwigsfelde<br />

Tel.: (033 78) 82 7-110<br />

E-Mail: wilfried.thielicke@svludwigsfelde.brandemburg.de<br />

STADT BRANDENBURG AN DER HAVEL<br />

Amt für Wirtschaftsförderung und Tourismus<br />

Amtsleiter Hans-Joachim Freund<br />

www.stadt-brandenburg.de<br />

STADT EBERSWALDE<br />

Amt für Wirtschaftsförderung und Tourismus<br />

Amtsleiter Dr. Ronald Thiel<br />

www.eberswalde.de<br />

STADT FRANKFURT (ODER)<br />

Amt für Wirtschaftsförderung und Investitionen<br />

Abteilungsleiterin Wirtschaftsförderung<br />

Frau Bärbel Jegorow<br />

www.frankfurt-oder.de<br />

STADT SCHWEDT/ODER<br />

UND INVESTOR CENTER UCKERMARK<br />

Frau Hoppe<br />

Lindenallee 25–29<br />

16285 Schwedt<br />

Tel: (033 32) 44 62 06<br />

E-Mail: ahoppe@schwedt.de<br />

Internet: www.schwedt.de<br />

STADT FÜRSTENWALDE<br />

Wirtschaftsförderung und Tourismus<br />

Frau Andrea Schickert<br />

www.fuerstenwalde-spree.de<br />

STADT GROSSRÄSCHEN<br />

Wachstumskern Westlausitz<br />

Frau Wieduwilt<br />

www.wachstumskern-westlausitz.de<br />

REGIONALER WACHSTUMSKERN<br />

PERLEBERG-WITTENBERG-KARSTÄDT<br />

Koordinatorin Frau Annett Jura<br />

Laborstr. 1, 19322 Wittenberge<br />

Tel: (038 77) 984 271<br />

E-Mail: koordinatorin@wk-prignitz.de<br />

Internet: www.wachstumskern-prignitz.de<br />

RWK O-H-V<br />

c/o BBG Beteiligungs- und<br />

Beratungsgesellschaft mbH<br />

Frau Sylvia Weise<br />

Eduard-Maurer-Straße 13,<br />

16761 Hennigsdorf<br />

Tel: (033 02) 20 03 30<br />

E-Mail: info@rwk-ohv.de<br />

Internet: www.rwk-ohv.de<br />

STADT LUCKENWALDE<br />

Stabstelle Wirtschaftsförderung<br />

Frau Jutta Stohwasser<br />

www.luckenwalde.de<br />

INKOM NEURUPPIN – GESELLSCHAFT FÜR<br />

KOMMUNALE DIENSTLEISTUNGEN MBH<br />

Geschäftsführer Hans Schaefer<br />

www.inkom-neuruppin.de<br />

LANDESHAUPTSTADT POTSDAM<br />

Oberbürgermeister Jann Jakobs<br />

www.potsdam.de<br />

ALTSTADTSANIERUNGSGESELLSCHAFT<br />

SPREMBERG MBH<br />

Wirtschaftsförderung<br />

Frau Anja Beck<br />

www.stadt-spremberg.de<br />

Impressum<br />

STADT KÖNIGS WUSTERHAUSEN<br />

Bürgermeister Dr. Lutz Franzke<br />

www.stadt-kw.brandenburg.de<br />

Sonderveröffentlichung Regionale Wachstumskerne<br />

Eine Anzeigensonderveröffentlichung von<br />

Regionalen Wachstumskernen des Landes Brandenburg<br />

Verantwortlich für den Inhalt: Die beteiligten Regionalen<br />

Wachstumskerne<br />

Eine Produktion der Redaktion Sonderthemen<br />

für den Verlag Wirtschaft und Markt<br />

Redaktion: Manfred Ronzheimer<br />

Anzeigen: Michael Schulze (v. i. S. d. P.)<br />

Verlag: Wirtschaft & Markt Verlagsgesellschaft<br />

Druck: Möller Druck Berlin<br />

40 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


Die richtige Energie<br />

für die Zukunft<br />

Als eines der großen Energieunternehmen Deutschlands setzen wir uns<br />

für alles ein, was die Menschen in Brandenburg und Mecklenburg-<br />

Vorpommern nach vorne bringt. Wir unterstützen viele Projekte aus den<br />

Bereichen Wissenschaft, Forschung und Bildung und fördern den Ausbau<br />

erneuerbarer Energien.<br />

Ein Stück sichere Zukunft – entwickelt mit der richtigen Energie.<br />

Energie. Kommunikation. Mensch. | www.ewe.de


SPECIAL<br />

Anfang August liefen wieder einmal<br />

wenig verheißungsvolle Nachrichten<br />

aus dem deutschen Gesundheitssystem<br />

über die Agenturen: Auf dem<br />

Lande sterben die Hausärzte aus, so lautete<br />

– kurz gefasst – das aktuellste Horrorszenario<br />

aus dem an schlechten Neuigkeiten<br />

ohnehin nicht armen Gesundheitswesen.<br />

Wieder einmal droht ein<br />

Loch in der medizinischen Versorgung<br />

und im Reigen der rasch wechselnden<br />

Amtsinhaber im Bundesgesundheitsministerium<br />

ist es nun an Daniel Bahr,<br />

mit seinem Regierungsentwurf eines<br />

Versorgungsstrukturgesetzes, die ärztliche<br />

Grundversorgung in der Fläche zu<br />

sichern.<br />

Ein System von Anreizen und Sanktionen<br />

– so der Plan des FDP-Ministers – soll<br />

Ärzte aus überversorgten städtischen<br />

Zentren in die Peripherie locken. Die mit<br />

seinem Gesetz verbundenen Kosten bezifferte<br />

der liberale Gesundheitsminister<br />

auf maximal rund 320 Millionen Euro<br />

pro Jahr.<br />

Die Hausarztpraxis auf dem Land gilt<br />

wegen der vergleichsweise bescheidenen<br />

Verdienstmöglichkeiten bei gleichzeitig<br />

hohem Arbeitsaufwand als besonders<br />

unattraktiv für junge Ärzte. Nun sollen<br />

umzugswillige Mediziner in bis dato unterversorgten<br />

Gebieten von bestimmten<br />

Sparmaßnahmen ausgenommen werden.<br />

Auch die Residenzpflicht soll fallen<br />

– die Ärzte müssten dann nicht mehr am<br />

Standort ihrer Praxen leben.<br />

Fotos: PictureDisk<br />

BESSER ALS SEIN RUF<br />

Wenn es darum geht, den Ärztemangel<br />

auf dem flachen Land anschaulich zu illustrieren,<br />

schwärmen die Medien gerne<br />

nach Mecklenburg-Vorpommern aus. Ein<br />

naheliegender Reflex: Schließlich steht<br />

Deutschlands Nordosten ohnehin sinnbildlich<br />

für die Flucht vom Lande, für Abwanderung<br />

und siechende Infrastruktur<br />

in der Fläche. Und in Mecklenburg-Vorpommern<br />

gelten 85 Prozent der Landesfläche<br />

als »ländlicher Raum«, in dem<br />

trotz schrumpfender Einwohnerzahl immer<br />

noch mehr als zwei Drittel der Einwohner<br />

des Bundeslandes leben.<br />

Gegen das hartnäckige Klischee hilft<br />

es da wenig, dass erst in diesem Sommer<br />

der »Ärzteatlas 2011« des Wissenschaftlichen<br />

Instituts der AOK dem Land bescheinigte,<br />

im bundesweiten Vergleich<br />

der Ärzteversorgung keineswegs die rote<br />

Laterne, sondern einen soliden <strong>Mitte</strong>lplatz<br />

innezuhaben. Mit Blick auf die<br />

wahren Sorgenkinder Sachsen-Anhalt,<br />

Niedersachsen oder Brandenburg steht<br />

die Ostseeregion in der Versorgung mit<br />

Hausärzten vergleichsweise gut da. Anlass<br />

zur übertriebenen Sorglosigkeit bie-<br />

Gesundheitswirtschaft<br />

Jobmotor von morgen?<br />

Lange Zeit war die Gesundheitswirtschaft nur als Kostentreiber<br />

verschrien. Nun setzen immer mehr Regionen auch<br />

in Ostdeutschland auf die Branche als Wachstumsmarkt.<br />

Vor allem Mecklenburg-Vorpommern will sich bundesweit als<br />

führendes Gesundheitsland profilieren.<br />

tet die Statistik allerdings nicht. Auch<br />

zwischen Müritz und Ostsee ist die ungleiche<br />

regionale Verteilung der Arztpraxen<br />

zwischen Stadt und Land augenfällig.<br />

Auch droht die Überalterung der Gesellschaft<br />

gleich zweifach zur Belastung<br />

zu werden.<br />

Auf der einen Seite resultiert aus ihr<br />

in Zukunft ein weitaus höherer medizinischer<br />

Bedarf als bisher, auf der anderen<br />

Seite werden gerade in Ostdeutschland<br />

viele Ärzte in Zukunft altersbedingt<br />

ihre Praxen räumen. So manchem Hausarzt<br />

könnte bei der Suche nach einem<br />

Nachfolger unter den gegenwärtigen Bedingungen<br />

wenig Erfolg beschieden sein.<br />

GESUNDHEITSLAND NUMMER EINS<br />

Für die Miseren des Gesundheitssystems<br />

ist Mecklenburg-Vorpommern dennoch<br />

ein schlechtes Beispiel. Denn gerade hier<br />

hegt man im Gesundheitssektor große<br />

Pläne. Die Branche soll zwischen Rostock<br />

und Neubrandenburg zum Jobmotor der<br />

Zukunft avancieren. Mecklenburg-Vorpommern<br />

als Gesundheitsland Nummer<br />

eins in Deutschland – das ist erklärtes<br />

Ziel der Schweriner Regierung. Die Ge-<br />

42 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


SPECIAL<br />

WACHSTUM RUND UM DIE GESUNDHEIT<br />

Weiteres Wachstum wird gerade im zweiten<br />

Gesundheitsmarkt – den privat finanzierten<br />

Produkten und Dienstleistungen<br />

rund um die Gesundheit – erwartet.<br />

Dieser Markt – in der Definition nicht<br />

einheitlich abgegrenzt – reicht von frei<br />

verkäuflichen Arzneimitteln über den<br />

boomenden Fitness- und Wellnessmarkt,<br />

dem Gesundheitstourismus bis hin zu<br />

den Themen gesunde Ernährung und<br />

gesundes Wohnen. Im zweiten Gesundheitsmarkt<br />

werden bundesweit nach<br />

Angaben des Bundesgesundheitsministeriums<br />

knapp 55 Milliarden Euro ausgegeben.<br />

Das entspricht fast 20 Prozent der<br />

gesamten Konsumausgaben.<br />

Von diesem Trendmarkt will Mecklensundheitsbranche<br />

soll sich bis 2020 endgültig<br />

neben den traditionellen Standbeinen<br />

Schiffbau, Tourismus und<br />

Ernährungswirtschaft als feste Säule im<br />

Branchenmix etabliert haben.<br />

In den vergangenen zehn Jahren ist<br />

man an der Ostseeküste bei der Umsetzung<br />

dieser Vision bereits ein gutes<br />

Stück vorangekommen. Ein durchschnittliches<br />

jährliches Umsatzwachstum<br />

von 2,7 Prozent verzeichnet die<br />

Branche im Nordosten. Dies ist der zweithöchste<br />

Wert aller Bundesländer nach<br />

Berlin. Die Zahl der Beschäftigten stieg<br />

nach Erhebungen der NORD/LB zwischen<br />

1999 und 2008 jährlich durchschnittlich<br />

um etwa 1,3 Prozent. Schon jetzt ist die<br />

Gesundheitswirtschaft beschäftigungspolitisch<br />

bedeutsamer als etwa der Handel<br />

oder das verarbeitende Gewerbe. Der<br />

Anteil der Branche an der Bruttowertschöpfung<br />

des Landes liegt bei 13,7 Prozent.<br />

Damit belegt Mecklenburg-Vorpommern<br />

den Spitzenplatz.<br />

MEHR ALS NUR GRUNDVERSORGUNG<br />

Wobei zum besseren Verständnis festgehalten<br />

werden muss: Die Gesundheitswirtschaft<br />

ist mehr als der klassische erste<br />

Gesundheitsmarkt – also die über die<br />

gesetzliche und die privaten Krankenund<br />

Pflegeversicherungen finanzierte<br />

medizinische Grundversorgung von niedergelassenen<br />

Ärzten und in Kliniken.<br />

Von herausragender Bedeutung ist vor<br />

allem auch die Vorleistungs- und Zulieferindustrie,<br />

dazu zählen die pharmazeutische<br />

Industrie, die Medizin- und<br />

Gerontotechnik, die Bio- und Gentechnologie<br />

sowie das Gesundheitshandwerk<br />

und der medizinische Handel.<br />

burg-Vorpommern in den kommenden<br />

Jahren mit wachsendem Anteil profitieren.<br />

Frühzeitig hat man deshalb im<br />

Lande begonnen, die vorhandenen Kräfte<br />

zu bündeln. So dient beispielsweise<br />

ein alljährlicher Ideenwettbewerb Gesundheitswirtschaft<br />

des Schweriner<br />

Wirtschaftsministeriums dazu, innovative<br />

Ideen in der Branche zu fördern und<br />

Existenzgründungen zu befördern. Eine<br />

der treibenden Kräfte im Land beim weiteren<br />

Aufbau der Gesundheitswirtschaft<br />

ist die BioCon Valley GmbH. Als zentraler<br />

Ansprechpartner für Medizintechnik,<br />

Biotechnologie und Biowissenschaften<br />

versucht BioCon Valley die vorhandenen<br />

Kompetenzen in der heterogenen Gesundheitswirtschaft,<br />

sei es in Unternehmen<br />

– rund 120 sind es mittlerweile im<br />

Bereich Life Sciences –, Universitäten,<br />

Hochschulen oder Forschungseinrichtungen<br />

zu vernetzen. Denn Voraussetzung<br />

für ein erfolgreiches »Gesundheitsland«<br />

ist es, dass Touristiker, Mediziner<br />

und die Ernährungswirtschaft ihre Produkte<br />

und Dienstleistungen koordinieren.<br />

In einigen Regionen wird dieser Weg<br />

bereits beschritten. Rügen etwa vermarktet<br />

sich bundesweit im Zusammenspiel<br />

von Medizin und Touristik als »Gesund-


SPECIAL<br />

Foto: privat<br />

INTERVIEW<br />

ANDREAS SZUR, Senior<br />

Projektmanager und Leiter<br />

Gesundheitswirtschaft<br />

der BioCon Valley GmbH.<br />

Eckpfeiler der Wirtschaft<br />

W&M: Herr Szur, Mecklenburg-Vorpommern<br />

will sich als Gesundheitsland etablieren. Wie<br />

weit ist das Land bereits vorangekommen?<br />

SZUR: Die Gesundheitsbranche ist bereits<br />

jetzt ein strukturpolitischer Eckpfeiler<br />

und Jobmotor für Mecklenburg-<br />

Vorpommern. Sowohl der Umsatz mit<br />

rund vier Milliarden Euro als auch die<br />

mittlerweile zirka 100.000 Arbeitsplätze<br />

– das entspricht etwa 15 Prozent der Erwerbstätigen<br />

insgesamt – sind für eine<br />

strukturschwache Region wie Mecklenburg-<br />

Vorpommern unverzichtbar. Im<br />

Krisenjahr 2009 konnten wir beispielsweise<br />

einen Zuwachs von 3.000 sozialversicherungspflichtigen<br />

Beschäftigungsverhältnissen<br />

verzeichnen, was<br />

für die Stabilität der Branche spricht.<br />

W&M: Wo liegen die besonderen Stärken?<br />

SZUR: Infrastrukturell gesehen ist Mecklenburg-Vorpommern<br />

in den Bereichen<br />

Rehabilitation mit über 60 Kliniken,<br />

Gesundheitstourismus mit 58 Kur- und<br />

Erholungsorten und in der Ernährungswirtschaft<br />

besonders gut aufgestellt.<br />

Medizintechnik und Biotechnologie<br />

haben sich entgegen dem Bundestrend<br />

positiv gestaltet.<br />

W&M: Wo sind neue Arbeitsplätze denkbar?<br />

SZUR: Ich möchte als ein Beispiel den<br />

Bereich »Gesundes Altern« nennen. Hier<br />

gibt es noch vielschichtige Potenziale für<br />

den Arbeitsmarkt, etwa für das Handwerk<br />

durch den Umbau und Neubau von<br />

barrierearmen und altersgerechten Immobilien,<br />

für die Immobilienwirtschaft<br />

selbst, aber auch im Bereich der haushaltsnahen<br />

Dienstleistungen. Eine weitere<br />

Herausforderung für den Arbeitsmarkt<br />

besteht darin, den Fachkräftebedarf<br />

in der Pflegewirtschaft abzudecken.<br />

W&M: Ist die negative demografische Entwicklung<br />

dabei ein Hindernis?<br />

SZUR: Dies ist eine große Herausforderung<br />

für alle Branchen im Land. Dennoch<br />

überwiegen die Chancen, da wir<br />

in Mecklenburg-Vorpommern einen Bevölkerungszuwachs<br />

in der Kohorte der<br />

über 55jährigen zu verzeichnen haben.<br />

Diese Klientel ist finanzstark, erwirbt<br />

zum überwiegenden Teil Wohneigentum<br />

und ist bereit, auch Geld in die eigene<br />

Gesunderhaltung zu investieren,<br />

was für unsere Branche gut ist.<br />

heitsinsel«. BioCon Valley hat mit dem<br />

Verbund »ScanBalt« im Bereich Forschung<br />

und Entwicklung den Bogen zu<br />

den Nachbarländern in Skandinavien<br />

geschlagen. Zudem ist bei BioCon Valley<br />

das Projektbüro Gesundheitswirtschaft<br />

des Landes angesiedelt, das als Anlaufstelle<br />

für die Akteure der Branche dient<br />

(siehe Interview). Die Branche umfasst in<br />

MV rund 7.000 private Unternehmen und<br />

öffentliche Einrichtungen.<br />

Mit dem Masterplan Gesundheitswirtschaft<br />

2020 hat die Schweriner Landesregierung<br />

fünf Feldern definiert, in denen<br />

die Gesundheitswirtschaft im Land gezielt<br />

gefördert werden soll: Dazu zählen<br />

die Biotechnologie, Medizintechnik und<br />

die pharmazeutischen Industrie unter<br />

dem Dachbegriff Life Sciences, die Gesundheitsdienstleistungen,<br />

das »Gesunde<br />

Altern«, der Gesundheitstourismus sowie<br />

die Ernährungswirtschaft.<br />

GESUNDHEITSTOURISMUS IM FOKUS<br />

Prädestiniert für die Rolle des »Platzhirschen«<br />

ist Mecklenburg-Vorpommern vor<br />

allem im Gesundheitstourismus. Dass<br />

dieser längst kein Nischenmarkt mehr<br />

ist, belegen Untersuchungen des Qualitätsmonitors<br />

Deutschland-Tourismus.<br />

Nach dessen Zahlen klassifizierten im<br />

Jahr 2007/2008 bzw. im Untersuchungszeitraum<br />

2008/2009 rund 16 beziehungsweise<br />

17 Prozent aller deutschen Urlauber<br />

ihre Reise als Gesundheitsurlaub<br />

oder als Kur. Nach Angaben des Tourismusverbandes<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

e. V. waren 2009 etwa 21 Prozent<br />

der Urlauber in Mecklenburg-Vorpommern<br />

Wellness-Gäste. Im Winterhalbjahr<br />

erreicht dieser Wert gar die 50-Prozent-<br />

Marke. Eine Studie der Forschungsgemeinschaft<br />

Urlaub und Reisen schließlich<br />

prognostiziert, dass sich die Zahl der<br />

Gesundheitstouristen von vier Millionen<br />

im Jahr 2009 auf sieben Millionen bis<br />

zum Jahr 2020 vergrößern wird – sei es<br />

ARBEITSMARKT<br />

Jobmotor Gesundheitsbranche<br />

Beschäftigungsentwicklung in der Gesundheitswirtschaft<br />

(Angaben in Prozent; 1999 = 100)<br />

Prozent<br />

110<br />

105<br />

100<br />

95<br />

■ Mecklenburg-Vorpommern<br />

■ Ostdeutschland ■ Westdeutschland<br />

zur Prävention, Gesundheitsförderung,<br />

Rehabilitation oder zur medical wellness,<br />

einer Mischform aus medizinischer<br />

Betreuung und Erholungsurlaub.<br />

ANGEBOTE AUFEINANDER ABSTIMMEN<br />

Ein wirtschaftlicher Selbstläufer ist der<br />

vermeintliche Megatrend aber nicht.<br />

Dazu ist der Gesundheitstourismus als<br />

Phänomen noch zu stark im Wandel begriffen.<br />

Eine hohe Hürde stellt die Fachkräftesicherung<br />

dar. Mecklenburg-Vorpommern<br />

will sich deshalb auch als Ausund<br />

Weiterbildungsstandort für die<br />

Branche positionieren.<br />

Neben dem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein<br />

der Bevölkerung wird künftig<br />

das Thema der alternden Gesellschaft<br />

dominieren. Wer im Markt zu den Gewinnern<br />

gehören will, muss seine Angebote<br />

auf diese sich ändernden Rahmenbedingungen<br />

umstellen und entsprechend<br />

vermarkten – auch international.<br />

Der ärztliche verordnete Kuraufenthalt<br />

ist dabei nur noch ein Teilsegment<br />

der Gesundheitsreisen. Immer mehr<br />

Menschen nehmen eigenes Geld in die<br />

Hand, um Urlaub und Gesundheitsvorsorge<br />

zu verbinden. Aus dem rein anbieterorientierten<br />

Markt der Kurorte und<br />

Heilbäder wird sich mehr und mehr ein<br />

von Selbstzahlern bestimmter Nachfragemarkt<br />

entwickeln. Für einzelne Regionen<br />

die Chance, sich mit Spezialisierungen<br />

Alleinstellungsmerkmale in einem<br />

stark umkämpften Wettbewerb zu sichern.<br />

Solche Spezialisierungen können<br />

z. B. in Angeboten für chronisch Erkrankte<br />

bestehen. Reisen, die auf die Bedürfnisse<br />

von Herz- oder Diabeteskranken,<br />

Allergikern oder Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten<br />

zielen, gelten<br />

als vielversprechendes Marktsegment,<br />

wenn es gelingt, die nötigen Therapieformen<br />

mit den traditionellen Erholungsurlaub<br />

zu verknüpfen.<br />

Matthias Salm<br />

&<br />

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />

Quelle: NORD/LB<br />

44 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


REPORT<br />

Fotos: DPA/ZB (2), T. George<br />

haben, innen allerdings voluminöser gebaut<br />

werden. Das würde den Innenhof<br />

kleiner machen. Immerhin gibt es einen<br />

Hof. Pläne, das Haus völlig zu überwölben,<br />

wurden vor einigen Jahren fallen gelassen.<br />

Gebaut wird mit der Maßgabe, dass<br />

ein Parlament dort einzieht, das – in Zukunft<br />

womöglich – von den Bürgern eines<br />

gemeinsamen Bundeslandes Berlin-<br />

Brandenburg gewählt wird. Das wäre<br />

dann größer als das 88-Personen-Parlament<br />

im heutigen Brandenburg. Bis es eines<br />

Tages soweit sein sollte, wird der den<br />

Berlinern vorbehaltene Bereich dem Lan-<br />

Die städtische Perle Potsdam wird<br />

seit nunmehr 20 Jahren baulich<br />

veredelt. Mit dem Neubau des<br />

Landtags wird jetzt eine Art innerstädtischer<br />

Schlussstein gesetzt. »Das hat etwas<br />

Unverrückbares, von jetzt an geht es<br />

nur noch vorwärts«, sagte bei Baubeginn<br />

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias<br />

Platzeck (SPD). Im Potsdamer Stadtführer<br />

sind auf dem Stadtareal 16 Schlösser<br />

oder »schlossartige Gebäude« ausgewiesen.<br />

Das 17. ist im Entstehen.<br />

Gegenwärtig sind die Grundierungsarbeiten<br />

abgeschlossen und die ersten<br />

Wände erheben sich über dem Erdboden.<br />

So schnell nun der Bau voran geht, so<br />

kurvenreich war der Weg, den ein Projekt<br />

genommen hat, für das der Landtag<br />

2005 grünes Licht gab. Schwer kriegszerstört<br />

wurden die Ruinen des barocken<br />

Potsdamer Stadtschlosses zu DDR-Zeiten<br />

abgetragen, was, »in Verantwortung der<br />

SED« geschah, wie Finanzminister Helmuth<br />

Markov (Linke) anmerkte. Zwar verzögerte<br />

sich der Baustart ein wenig, weil<br />

die Dauer der archäologischen Arbeiten,<br />

der notwendigen Straßenverlegung und<br />

der Verlegung von Zuleitungen falsch<br />

eingeschätzt war. Doch werde man sich<br />

noch in 100 Jahren an einem schönen Gebäude<br />

erfreuen, für dessen werkgetreue<br />

Barockfassade der Software-Milliardär<br />

Hasso Plattner 20 Millionen Euro gespendet<br />

hatte, rühmt Markov.<br />

Noch in den neunziger Jahren war es<br />

in der Stadt mit großer SPD- und Linken-<br />

Mehrheit völlig undenkbar, dass sich<br />

eine Mehrheit für eine Schlosskopie finden<br />

würde – eine Umfrage unter den<br />

Potsdamern 2004 hatte zwar noch keine<br />

Mehrheit für die Schlossvariante ermitteln<br />

können, doch hatte keine der angebotenen<br />

Alternativ-Standorte für den<br />

neuen Landtag auch nur halb so viele Befürworter.<br />

Die Baukosten des in öffentlich-privater<br />

Partnerschaft (ÖPP) errichteten<br />

Gebäudes wurden auf 120 Millionen<br />

Euro veranschlagt.<br />

Errichtet wird ein modernes Parlament,<br />

ein Bürogebäude, das mit einer barocken<br />

Fassade versehen wird. So wird es<br />

sein: Außen erweckt das Haus den Eindruck,<br />

drei königliche Etagen zu besitzen,<br />

in Wirklichkeit werden es fünf sein.<br />

Parlamentarier und Landtagsangestellte<br />

sitzen in schlichten Büros. Zwischen Fassade<br />

und eigentlichem Haus wird eine<br />

Lücke klaffen. Ein Anliegen der Stiftung<br />

Preußische Schlösser und Gärten ist es,<br />

die in Potsdam unter Obhut der Stiftung<br />

deponierten Teile der alten Stadtschlossfassade<br />

dem Neubau einzupassen.<br />

Den Bauplänen zufolge wird das Gebäude<br />

außen die Kubatur und auch die<br />

Fassade des historischen Stadtschlosses<br />

Landtagsneubau in Potsdam<br />

Unverrückbarer Fakt<br />

Der brandenburgische Landtag erhält ein neues Domizil. Auf dem<br />

Areal des alten Stadtschlosses entsteht ein modernes Gebäude mit<br />

historischer Fassade. Zu den Projektkritikern zählen auch Berliner.<br />

ANSICHTSSACHE: Der künftige Landtag.<br />

desrechnungshof (LRH) als Domizil dienen.<br />

Das läuft nicht konfliktfrei. Der Präsident<br />

des Landesrechnungshofes Thomas<br />

Apelt kritisierte vor geraumer Zeit,<br />

dass seine Behörde in unangemessener<br />

Nähe zu den Abgeordneten und mit<br />

ihnen unter einem Dach unterkommen<br />

solle, wo außerdem zu wenig Platz für<br />

alle sei. Die Fraktionschefin der CDU,<br />

Saskia Ludwig, plädierte für Umplanung.<br />

SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher<br />

wollte den Fortgang aber nicht gefährden.<br />

Wenn es um die Frage der gemeinsamen<br />

Toilettenbenutzung gehe, dann<br />

sollte sich die Abtrennung des LRH-Bereiches<br />

»organisieren lassen«.<br />

Hinzu kommt, dass Berlin bereits die<br />

kalte Schulter gezeigt hat. Selbst wenn in<br />

Zukunft die Vereinigung der beiden Länder<br />

gelingen sollte – dessen Parlament<br />

werde in Berlin unterkommen und zwar<br />

im Preußischen Abgeordnetenhaus, stellte<br />

der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses<br />

Walter Momper in einem Brief<br />

an Landtagspräsident Fritsch (beide SPD)<br />

klar. Das gemeinsame Parlament in Potsdam<br />

war eine Vereinbarung vor dem ersten<br />

Versuch, beide Länder zu fusionieren.<br />

Er scheiterte 1996 am Nein der Brandenburger.<br />

Nun fühlt sich auch Berlin an<br />

die alten Verträge nicht mehr gebunden.<br />

46 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


REPORT<br />

Insofern wird es wohl einen anderen<br />

Akt des guten Willens auch nicht geben.<br />

Als in den sechziger Jahren die Ruine des<br />

Schlosses abgerissen wurde, transportierte<br />

man Sandsteinfiguren nach Berlin,<br />

zur Humboldt-Universität, die damals gerade<br />

rekonstruiert worden war. Es handelt<br />

sich um acht so genannte Attika-<br />

Figuren, die 1966 als Dauerleihgabe des<br />

damaligen Betriebes Schlösser und Gärten<br />

von Sanssouci auf die Seitenflügel<br />

der Universität gestellt worden sind. Die<br />

Rückführung dieser acht Skulpturen von<br />

Berlin auf den Landtagsneubau in Potsdam<br />

ist offen. Die Schlösserstiftung hat<br />

mit dem Berliner Denkmalamt und dem<br />

Präsidenten der Humboldt-Universität<br />

dazu Gespräche geführt. Dabei seien<br />

»nachvollziehbare konservatorische und<br />

denkmalpflegerische Argumente vorgebracht<br />

worden, die gegen eine Verbringung<br />

der Skulpturen auf den Landtagsneubau<br />

sprechen«, hieß es.<br />

Auf dem Dach des neuen Landtags in<br />

der Form des Potsdamer Stadtschlosses<br />

sollen insgesamt 150 Postamente für<br />

Figuren und Vasen errichtet werden. Einige<br />

dieser Sockel könnten auch zwei Figuren<br />

tragen. Somit sei sichergestellt,<br />

dass alle 76 ursprünglichen Attika-Figuren<br />

wiedererrichtet werden können. In<br />

den Bauplänen sind diese Figuren aber<br />

nicht enthalten. Das Land hofft an dieser<br />

Stelle auf die Initiative privater Spender.<br />

Der neue Landtag auf dem Potsdamer<br />

Alten Markt soll in jeder Hinsicht behindertengerecht<br />

errichtet werden. Für gehbehinderte<br />

Menschen wird es Fahrstühle<br />

und Aufzüge geben, die Zugänge zu allen<br />

öffentlichen Bereichen seien behindertengerecht<br />

geplant. Hörbehinderte Menschen<br />

könnten mit einem Audio-System<br />

rechnen. Im Innenhof des Landtags wird<br />

ein modernes Leitsystem gebaut.<br />

Eine Bewohnerin des historischen<br />

Knobelsdorffschen Stadtschlosses, an<br />

dessen Stelle der Neubau nun entsteht,<br />

lebt noch. Ingrid Semmrich war Kind des<br />

damaligen Schlossführers und erlebte<br />

im Weinkeller des Schlosses die Bombennacht<br />

im April 1945, in der mit der Residenzstadt<br />

Potsdam auch ihr Stadtschloss<br />

in Schutt und Asche sank. Vor dem Hintergrund<br />

des damals Erlebten freue sie<br />

sich, dass nun der Landtag das Areal bezieht,<br />

sagte sie bei der Grundsteinlegung.<br />

Ihre Geschichte nahm Landtagspräsident<br />

Gunter Fritsch (SPD) zum Anlass,<br />

darauf hinzuweisen, dass nach dem<br />

Ersten Weltkrieg das Schloss eben kein<br />

Fürstenhof mehr war, sondern ein öffentliches<br />

Gebäude, in dem Behörden untergebracht<br />

waren und auch die Potsdamer<br />

Stadtverordnetenversammlung.<br />

Matthias Krauß<br />

NACHGEFRAGT BEIM MINISTER<br />

Zeitverzug und zähes Verhandeln<br />

Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Die Linke) ist von<br />

Amts wegen Bauherr des neuen Landtags. W&M sprach mit ihm<br />

über Mehrkosten, öffentlich-private Partnerschaft und Bauaufträge.<br />

In Potsdam lässt sich die größte Baustelle<br />

der brandenburgischen Landeshauptstadt<br />

nicht mehr übersehen.<br />

Der Neubau des Landtages, der an historischer<br />

Stelle entsteht, nimmt Form an.<br />

Eine Musterfassade wurde errichtet. Im<br />

Herbst 2013 ist der Einzug der Abgeordneten<br />

geplant.<br />

Doch die Vorfreude wird getrübt. Mit<br />

dem Baufortschritt wuchern die Kosten.<br />

Anfang 2011 geisterte die Summe von<br />

15 Millionen Euro Mehrkosten durch den<br />

brandenburgischen Blätterwald, das wäre<br />

eine enorme Belastung für das hochverschuldete<br />

Bundesland.<br />

MARKOV: Abgeordnete haben entschieden.<br />

Der brandenburgische Finanzminister<br />

Helmuth Markov (Die Linke) will diese<br />

Summe nicht bestätigen: »Es gibt ein<br />

internes, vertrauliches Papier, in dem<br />

alle möglichen Risiken benannt sind.<br />

Wir haben auch ein Worst-Case-Szenario<br />

erarbeitet, ein solcher Fall ist aber sehr<br />

selten. Dass es bei der Durchführung von<br />

Bauprojekten in öffentlich-privater Partnerschaft<br />

zu unterschiedlichen Auffassungen<br />

kommt, was vertraglich geschuldete<br />

Leistungen sind und was nicht, das<br />

ist natürlich.« Zudem sei der Baugrund<br />

schwierig zu beurteilen gewesen, es seien<br />

Torflinsen aufgetreten, die man nicht<br />

vorhersehen konnte.<br />

Darüber hinaus sind architektonische<br />

Denkmäler gefunden worden, die zu bergen<br />

waren. Diese Unwägbarkeiten haben<br />

zu Zeitverzögerungen geführt, die Geld<br />

kosten. »Mit der ausführenden Baufirma,<br />

der BAM Deutschland AG, befinden wir<br />

uns in Verhandlungen darüber, wer welche<br />

Mehrkosten übernimmt und was ge-<br />

schuldete Leistungen sind. Diese Verhandlungen<br />

dauern an und sind intern.<br />

Wenn wir zu einem Ergebnis gekommen<br />

sind, werden wir das auch kundtun.«<br />

Erhebliche Zusatzkosten würde auch<br />

eine veränderte Größe des bereits begonnenen<br />

Landtagsneubaus verursachen,<br />

die von der Opposition mehrfach gefordert<br />

wurde (s. nebenstehenden Beitrag).<br />

Markov sieht da seine Hände gebunden:<br />

»Es gibt einen Beschluss des Landtages,<br />

den Bau in dieser Größe und in diesem<br />

Umfang zu realisieren.« Da er selbst kein<br />

Abgeordneter des Landtages sei, müsse<br />

derjenige, der die Absicht hegt, den Bau<br />

umzugestalten und zu verkleinern, dies<br />

im Landtag beantragen, um einen solchen<br />

Beschluss herbeizuführen. Das<br />

wäre dann der Auftrag an das Finanzministerium,<br />

neu zu planen und mit der<br />

BAM neu zu verhandeln.<br />

Allerdings: »Wir bauen ihn ja schon«,<br />

so Markov, »eine neue Planung würde erhebliche<br />

Mehrkosten verursachen. Deswegen<br />

halte ich eine solche Forderung<br />

schlicht für unrealistisch und nicht<br />

durchführbar. Aber das entscheide nicht<br />

ich, das entscheidet der Landtag.« Nicht<br />

müde wird er zu betonen, dass es keineswegs<br />

ein Schloss sei, was da in Potsdams<br />

<strong>Mitte</strong> entsteht: »Wir bauen kein<br />

Schloss, sondern ein Landtagsgebäude.«<br />

Es habe lange genug gedauert, bis sich<br />

dieser Gedanke auch in der politischen<br />

Landschaft durchgesetzt habe.<br />

Kritik am Bauprojekt und der Durchführung<br />

kommt auch aus den Reihen<br />

der brandenburgischen Wirtschaft, die<br />

sich zu wenig berücksichtigt sieht. Minister<br />

Markov weist die Kritik zurück. Beim<br />

Landtagsneubau kämen regionale Betriebe<br />

»in nicht geringer Zahl« zum Zuge. Es<br />

sei aber ein Nachteil von ÖPP-Projekten,<br />

dass der Partner, der das Ausschreibungsverfahren<br />

gewinnt, dann freie Wahl bei<br />

der Vergabe der Aufträge habe. »Wir haben<br />

keinen Einfluss darauf, an wen die<br />

Aufträge vergeben werden. Das ist der<br />

Unterschied zu öffentlichen Bauprojekten,<br />

wie dem Flughafenbau in Schönefeld,<br />

wo regionale Firmen in weit größerem<br />

Umfang zum Zuge gekommen sind.«<br />

Ulrike Borrmann<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 47


W&M-SERVICE<br />

AKTUELL<br />

SOLI-ZUSCHLAG<br />

Keine Steuer für<br />

die Ewigkeit<br />

Die Festsetzung des Solidaritätszuschlags<br />

zur Einkommen-<br />

und Körperschaftsteuer<br />

ist verfassungsgemäß.<br />

Dies hat der Bundesfinanzhof in<br />

gleich zwei Fällen für den Zeitraum<br />

bis 2007 entschieden (Az.<br />

II R 50/09 und II R 52/10). Das<br />

Jahr 2007 bezieht sich dabei auf<br />

das in der Klage konkret abgehandelte<br />

Jahr der Steuerfestsetzung.<br />

Auch nach einer Laufzeit<br />

von zu diesem Zeitpunkt 13 Jahren<br />

diene der Steueraufschlag<br />

noch zur Deckung des besonderen<br />

Finanzbedarfs des Bundes<br />

aus den Kosten der Wiederherstellung<br />

der deutschen Einheit.<br />

Zu einer Ewigkeitssteuer dürfe<br />

der Solidaritätszuschlag allerdings<br />

nicht werden, mahnten<br />

die Richter. Sie betonten, eine<br />

solche Abgabe dürfe nur zur<br />

Finanzierung eines konkreten<br />

Mehrbedarfs des Bundes erhoben<br />

werden. Ist dieser Zweck erreicht,<br />

könnte es gegen das<br />

Grundgesetz verstoßen, wenn<br />

der Soli-Zuschlag anschließend<br />

zur Deckung einer dauerhaften<br />

Finanzierungslücke verwendet<br />

wird. Die Richter erachteten<br />

aber weder eine konkrete zeitliche<br />

Begrenzung noch eine genaue<br />

Beschreibung der Verwendung<br />

der <strong>Mitte</strong>l als notwendig.<br />

Die klagende Rechtsanwältin<br />

werde zudem nicht dadurch<br />

benachteiligt, dass der Solidaritätszuschlag<br />

bei Gewerbetreibenden<br />

nach der Einkommensteuer<br />

bemessen werde, die<br />

zuvor bereits um pauschal anzurechnende<br />

Gewerbesteuer gemindert<br />

sei. Die Klägerin will<br />

sich damit nicht zufrieden geben<br />

und den Schritt zum Bundesverfassungsgericht<br />

wagen.<br />

Der Soli-Zuschlag beträgt 5,5<br />

Prozent zur Einkommen- und<br />

Körperschaftsteuer und fließt<br />

ausschließlich dem Bund zu. Im<br />

Jahr 2010 waren dies 11, 7 Milliarden<br />

Euro, für 2011 rechnen<br />

Steuerschätzer mit einem Aufkommen<br />

von 12,2 Milliarden.<br />

IM<br />

UMSATZSTEUER<br />

Grenze der<br />

Besteuerung<br />

Auf die Verwendung eines<br />

Gegenstandes des Unternehmens<br />

für private Zwecke<br />

fällt Umsatzsteuer an.<br />

Allerdings wird die Umsatzsteuer<br />

nicht erhoben, wenn es<br />

sich um einen Kleinunternehmer<br />

handelt. Bei Kleinunternehmern<br />

darf der Umsatz zuzüglich<br />

der darauf entfallenden<br />

Steuer im abgelaufenen<br />

Jahr nicht über 17.500 Euro<br />

gelegen haben und im laufenden<br />

Kalenderjahr 50.000 Euro<br />

voraussichtlich nicht überschreiten.<br />

Strittig ist, wie sich<br />

die private Nutzung eines betrieblichen<br />

Fahrzeugs auf die<br />

Berechnung des Gesamtumsatzes<br />

auswirkt. Das FG Berlin-Brandenburg<br />

(Az. 5 K 5162/<br />

10) befand, dass die Nutzung<br />

außer Betracht zu bleiben<br />

hat, wenn der Unternehmer<br />

bereits beim Erwerb Kleinunternehmer<br />

war und deshalb<br />

keine Vorsteuer geltend machen<br />

konnte. Nur solche privaten<br />

Nutzungen sind Teil der<br />

gesamten Umsätze, für die<br />

der Unternehmer zum Vorsteuerabzug<br />

berechtigt sei.<br />

UNTERNEHMEN<br />

WINDPARKS<br />

Abschreibung<br />

einheitlich<br />

Sichere EInnahmequelle des Bundes<br />

Ein Windpark besteht aus<br />

selbständigen Wirtschaftsgütern,<br />

die aber einheitlich<br />

abzuschreiben sind.<br />

Das hat der BFH entschieden<br />

(Az. IV R 46/09 und IV R 15/09).<br />

Als jeweils selbständige Wirtschaftsgüter<br />

werden demnach<br />

gewertet: jede einzelne<br />

Windkraftanlage mit Turm,<br />

Rotor sowie Generatorgondel<br />

inklusive aller mechanischen<br />

und elektrischen Bauteile, des<br />

Weiteren die mehrere Windkraftanlagen<br />

verbindende<br />

<strong>Mitte</strong>lspannungsverkabelung<br />

inklusive der Übergabestation<br />

zum Hochspannungsnetz sowie<br />

die Zuwegung. Diese Bestandteile<br />

weisen zwar unterschiedliche<br />

Nutzungsdauern<br />

auf, sind aber laut BFH<br />

wegen ihrer technischen Abstimmung<br />

aufeinander und<br />

der gemeinsamen Bau- und<br />

Betriebsgenehmigung einheitlich<br />

abzuschreiben. Maßgeblich<br />

sei die Nutzungsdauer<br />

der Windkraftanlagen. Diese<br />

betrug in den vom BFH<br />

entschiedenen Fällen zwölf<br />

beziehungsweise 16 Jahre.<br />

SOLI-ZUSCHLAG<br />

Das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag in Milliarden Euro:<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011*<br />

* Schätzung Quelle: BMF<br />

STEUERN SPAREN<br />

W&M-Tipp für die PRAXIS<br />

Rechtsstreit – Kosten<br />

steuerlich abziehbar<br />

Der BFH hat entschieden, dass die<br />

Kosten eines Zivilrechtsprozesses<br />

bei der Einkommensteuer geltend<br />

gemacht werden können.<br />

Damit wichen die obersten Finanzrichter<br />

von ihrer bisherigen Rechtsprechung<br />

ab. Die Kosten können<br />

nun unabhängig vom Gegenstand<br />

des Prozesses als außergewöhnliche<br />

Belastungen steuerlich berücksichtigt<br />

werden. Nach Paragraf 33<br />

Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes,<br />

so erläutert der Bundesfinanzhof<br />

sein Urteil (Az. VI R 42/ 10),<br />

können bei der Berechnung des zu<br />

versteuernden Einkommens außergewöhnliche<br />

Belastungen abgezogen<br />

werden. Als außergewöhnliche<br />

Belastungen gelten zwangsläufig<br />

entstehende größere Aufwendungen,<br />

die ähnliche Aufwendungen<br />

der Mehrzahl der Steuerpflichtigen<br />

unter sonst gleichen Umständen<br />

weit übersteigen. Bisher fielen Kosten<br />

eines Zivilprozesses nur bei<br />

Rechtsstreitigkeiten mit existenzieller<br />

Bedeutung für den Steuerpflichtigen<br />

in diese Kategorie. Jetzt hat<br />

das Gericht die steuerliche Anerkennung<br />

auf alle Zivilrechtsprozesskosten<br />

ausgeweitet. Einzige<br />

Einschränkung: Unausweichlich seien<br />

derartige Aufwendungen nur,<br />

wenn die Prozessführung hinreichende<br />

Aussicht auf Erfolg biete<br />

und nicht mutwillig erscheine. Im<br />

entschiedenen Fall ging es um eine<br />

Arbeitnehmerin, die arbeitsunfähig<br />

geworden war. Nachdem ihr Arbeitgeber<br />

nach sechs Wochen seine<br />

Gehaltszahlungen einstellte, nahm<br />

die Frau ihre Krankentagegeldversicherung<br />

in Anspruch. Nach rund<br />

einem halben Jahr wurde zusätzlich<br />

zur Arbeitsunfähigkeit auch eine<br />

Berufsunfähigkeit festgestellt. Die<br />

Krankenversicherung stellte die<br />

Zahlung von Krankentagegeld daraufhin<br />

ein. Die Klage dagegen blieb<br />

erfolglos, produzierte aber Kosten<br />

von 10.000 Euro, die sie steuerlich<br />

geltend machte. Das Finanzgericht<br />

hatte wegen intakter Familien- und<br />

Vermögensverhältnisse zunächst<br />

keine existenzielle Bedeutung des<br />

Prozesses gesehen.<br />

W&M-TIPP<br />

Die Neuregelung gilt auch für<br />

Steuerzahler, die bereits in den<br />

vergangenen Jahren einen Zivilprozess<br />

vor Gericht bestritten haben.<br />

Sie könnten nun noch rückwirkend<br />

Einspruch gegen ihren<br />

Steuerbescheid einlegen.<br />

48 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


W&M-SERVICE<br />

ÜBUNGSLEITER<br />

Verluste aus<br />

Nebentätigkeit<br />

Umstritten ist, wie Aufwendungen<br />

aus einer nebenberuflichen<br />

Übungsleitertätigkeit<br />

anzurechnen sind.<br />

Im Streitfall war der Kläger<br />

nebenberuflich als Tanzsportübungsleiter<br />

tätig. Solche<br />

Einnahmen sind bis insgesamt<br />

2.100 Euro steuerfrei. Wenn<br />

die Einnahmen den Betrag<br />

übersteigen, dürfen Ausgaben<br />

allerdings nur insoweit abgezogen<br />

werden, als der steuerfreie<br />

Betrag überschritten<br />

wird. Der Kläger bezog Einnahmen<br />

von 1.128 Euro und hatte<br />

Ausgaben von 2.417,30 Euro.<br />

Den Verlust wollte er geltend<br />

machen, das Finanzamt lehnte<br />

aber ab, da seine Einnahmen<br />

steuerfrei seien. Das FG Rheinland-Pfalz<br />

(Az. 2 K 1996/10)<br />

legte die Zielsetzung des Gesetzes<br />

zugunsten des Klägers<br />

aus. Zugelassen wurde ein Verlust<br />

in Höhe von 1.289,30 Euro<br />

(Einnahmen von 1.128 Euro<br />

abzüglich der Ausgaben von<br />

2.417,30 Euro).<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

Wer Familienangehörige im Alter betreuen<br />

muss, stößt rasch an die Grenzen. Oft reichen<br />

die Zahlungen der Pflegeversicherung oder<br />

sonstiger Zuschussträger nicht aus, um die<br />

Lasten zu tragen. Dann mag die steuerliche<br />

Beteiligung an den Kosten ein Trost sein. Tatsache<br />

ist, dass sich hiermit die Finanzgerichte immer<br />

mehr beschäftigen müssen: So hatte das<br />

FG Köln 2009 (Az. 8 K 1337/08) entschieden,<br />

dass krankheitsbedingte Heimunterbringungskosten<br />

grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung<br />

geltend gemacht werden können. Es<br />

war damit von der bisherigen Rechtsprechung<br />

des BFH (Az.III R 12/07) abgewichen, nämlich<br />

die Kosten für eine Heimunterbringung nur bei<br />

Vorliegen zusätzlicher Pflegekosten sowie der<br />

Schwerbehinderten-Merkzeichen »H« oder »Bl«<br />

PRIVAT<br />

KINDERGELD<br />

Praktikum<br />

mit Vergütung<br />

Die Vergütung für ein Praktikum<br />

während des Studiums<br />

kann für den Bezug des<br />

Kindergelds schädlich sein.<br />

Der BFH (Az. III R 28/09) hat<br />

entschieden, dass sich die Vergütung<br />

für ein Studenten-Praktikum<br />

für den Bezug des Kindergelds<br />

nachteilig auswirken<br />

kann. Sie darf nicht um die<br />

Kosten für Miete und Verpflegungsmehraufwand<br />

gekürzt<br />

werden, wenn gleichzeitig der<br />

Wohnsitz am Studienort aufgegeben<br />

wird. Derartige Aufwendungen<br />

für die auswärtige<br />

Unterbringung des Kindes in<br />

Ausbildung seien durch den<br />

Jahresgrenzbetrag für eigene<br />

Einkünfte und Bezüge des Kindes<br />

(gegenwärtig 8.004 Euro)<br />

abgegolten. Im Streitfall hatte<br />

der Student ein Praktikum in<br />

den USA absolviert. Die Vergütung<br />

und weitere Einkünfte<br />

überstiegen den Grenzbetrag.<br />

Anspruch auf Kindergeld hätte<br />

nur bestanden, wenn die Kosten<br />

anerkannt worden wären.<br />

Pflegekosten und Steuern – neu rechnen!<br />

PFLEGEKOSTEN<br />

Versicherung<br />

angerechnet<br />

Von KARL-HEINZ BADURA<br />

Wirtschaftsjournalist und Finanzrichter,<br />

Nörvenich<br />

Der BFH entschied, dass Leistungen<br />

aus einer ergänzenden<br />

Pflegekrankenversicherung<br />

anzurechnen sind.<br />

In dem Urteil (Az. VI R 8/10)<br />

heißt es, dass Aufwendungen<br />

wegen Pflegebedürftigkeit nur<br />

insoweit als außergewöhnliche<br />

Belastungen zu berücksichtigen<br />

sind, als die Pflegekosten<br />

die Leistungen der Pflegepflichtversicherung<br />

und das<br />

aus einer ergänzenden Pflegekrankenversicherung<br />

bezogene<br />

Pflegetagegeld übersteigen.<br />

Der Kläger bezog Leistungen<br />

aus der Pflegepflichtversicherung<br />

und einer privaten Pflegezusatzversicherung.<br />

Die Pflegeaufwendungen<br />

gab er als außergewöhnliche<br />

Belastungen<br />

an, ohne jedoch die Leistungen<br />

der Zusatzversicherung gegenzurechnen.<br />

Dem widersprach<br />

der BFH. Außergewöhnliche Belastungen<br />

seien nur insoweit<br />

abziehbar, als der Steuerpflichtige<br />

die Kosten endgültig selbst<br />

trage (s.a. Kommentar).<br />

anzuerkennen – ein Urteil, das der BFH (Az.<br />

VI R 38/09) 2010 bestätigte. Geklagt hatte<br />

eine betreute 74-jährige Rentnerin, die nach<br />

einer stationären psychiatrischen Behandlung<br />

auf ärztliche Empfehlung in einem Heim untergebracht<br />

wurde, ohne dass Pflegeaufwendungen<br />

angefallen waren. Der BFH erkannte nunmehr<br />

die Miet- und Verpflegungskosten des<br />

Heims abzüglich einer Haushaltsersparnis als<br />

außergewöhnliche Belastung an. Indes: In<br />

einem jüngeren Beschluss (Az. VI R 8/10) entschied<br />

der BFH, dass Aufwendungen wegen<br />

Pflegebedürftigkeit nur insoweit zu berücksichtigen<br />

sind, als sie die Leistungen der<br />

Pflegepflichtversicherung und das aus einer<br />

ergänzenden Pflegekrankenversicherung<br />

bezogene Pflege-(tage-)geld übersteigen.<br />

➔Steuern KOMPAKT<br />

KÜNSTLER<br />

Oper mit Steuerpflicht<br />

Die Inszenierung einer Oper durch<br />

einen selbständig tätigen Regisseur<br />

gegen Honorar ist nicht von der<br />

Steuer befreit.<br />

Zwar sind die Umsätze der Theater,<br />

Orchester und weiterer Einrichtungen<br />

des Bundes, der Länder, der Gemeinden<br />

oder der Gemeindeverbände<br />

steuerfrei und dies gilt auch für ähnliche<br />

Einrichtungen anderer Unternehmer,<br />

wenn sie anerkannt gleichartige<br />

kulturelle Aufgaben erfüllen. Diese<br />

Steuerfreiheit reklamierte auch der<br />

Regisseur der Opernaufführung für<br />

sich, zumal ihm die zuständige Behörde<br />

die Erfüllung einer gleichartigen<br />

kulturellen Aufgabe zuerkannt hatte.<br />

Dies allerdings verneinten sowohl die<br />

Finanzbehörden als auch der Bundesfinanzhof<br />

(Az. XI R 44/08).<br />

ABGELTUNGSTEUER<br />

Freibetrag ungenutzt<br />

Laut einer aktuellen Forsa-Studie<br />

hat es fast jeder siebte Deutsche<br />

bisher versäumt, einen Freistellungsauftrag<br />

einzurichten.<br />

Auf Kurserträge, Dividenden und<br />

Zinsen müssen Anleger grundsätzlich<br />

25 Prozent Abgeltungsteuer zahlen.<br />

Die Bank führt diese Steuer automatisch<br />

an das Finanzamt ab – außer, es<br />

liegt ein Freistellungsauftrag vor. Für<br />

Alleinstehende liegt der Freibetrag bei<br />

801 Euro, Ehepaaren gesteht der<br />

Staat die doppelte Summe zu. Laut<br />

Studie wissen vor allem Schüler und<br />

Studenten nicht um diese Möglichkeit,<br />

Geld zu sparen. Ähnlich unwissend<br />

sind Anleger unter 30 Jahren.<br />

STEUERSCHULDEN<br />

Berufliches Aus<br />

Wer hohe Steuerschulden hat, kann<br />

dadurch seine Gewerbeerlaubnis verlieren.<br />

Das entschied das Oberverwaltungsgericht<br />

Rheinland-Pfalz.<br />

Nach Ansicht der Richter zeigt sich<br />

bei hohen Steuerschulden, dass der<br />

Gewerbetreibende unzuverlässig ist.<br />

Damit erfüllt er einen der wesentlichen<br />

Gründe, nach denen laut Gewerbeordnung<br />

die Gewerbeerlaubnis<br />

versagt werden kann (Az. 6 A 10676/<br />

10).<br />

Im vorliegenden Fall hatte ein Gastwirt<br />

Insolvenz anmelden müssen. Er<br />

wollte aber seine Schankerlaubnis<br />

behalten und sah in seinen wirtschaftlichen<br />

Schwierigkeiten kein Zeichen<br />

von Unzuverlässigkeit. Damit<br />

stieß er beim Gericht allerdings auf<br />

taube Ohren.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 49


W&M-SERVICE<br />

DAS<br />

THEMA<br />

INTERNET<br />

Wachsende<br />

Kriminalität<br />

Mit der wachsenden Nutzung<br />

des Internets steigt auch die<br />

Kriminalität und somit die<br />

Zahl der Betroffenen.<br />

Das zeigen eine Umfrage des<br />

Branchenverbandes BITKOM sowie<br />

das Lagebild »Cybercrime<br />

2010« des Bundeskriminalamtes<br />

(BKA). Im Jahr 2010 wurden<br />

demnach in der Polizeilichen<br />

Kriminalstatistik rund 250.000<br />

Fälle von Internet-Kriminalität<br />

registriert. Im Vergleich zum<br />

Vorjahr bedeutete dies eine<br />

Zunahme von 20 Prozent. Im<br />

Visier der Täter steht die Identität<br />

der Internet-Nutzer, die die<br />

Täter für ihre kriminellen Geschäftsmodelle<br />

missbrauchen.<br />

Laut einer aktuellen BITKOM-<br />

Umfrage haben 70 Prozent aller<br />

deutschen Internet-Nutzer ab<br />

14 Jahren schon einmal negative<br />

Erfahrungen im Web gemacht.<br />

Viren und andere Schadprogramme<br />

stehen dabei für<br />

47 Prozent der User an erster<br />

Stelle. Jeder Siebte fühlte sich<br />

von einem Geschäftspartner<br />

betrogen, beispielsweise bei Online-Auktionen.<br />

Nahezu verdoppelt hat sich die<br />

Zahl der User, deren Zugangsdaten<br />

zu Plattformen, E-Mail-<br />

Diensten, Auktionshäusern<br />

oder zum Online-Banking ausspioniert<br />

wurden. Vor einem<br />

Jahr waren es noch rund 3,7<br />

Millionen, nun sind es knapp<br />

sieben Millionen.<br />

Laut Umfrage hat auch die<br />

Angst vor Internet-Kriminalität<br />

stark zugelegt. Fühlten sich<br />

2010 noch 75 Prozent aller User<br />

bedroht, sind es inzwischen<br />

85 Prozent. Einen Betrug beim<br />

Online-Banking fürchten 37<br />

Prozent der Befragten. Noch<br />

stärker stieg die gefühlte Bedrohung<br />

durch das Ausspähen und<br />

den Missbrauch persönlicher<br />

Daten. Paradox: Trotz der gestiegenen<br />

Angst vernachlässigen<br />

aber noch immer viele Nutzer<br />

die Grundregeln der Internet-<br />

Sicherheit.<br />

BETRIEBSRAT<br />

Pflicht zur<br />

Abmeldung<br />

IM UNTERNEHMEN<br />

Ein Betriebsratsmitglied,<br />

das während der Arbeit<br />

Betriebsratsaufgaben erledigt,<br />

muss sich abmelden.<br />

Zweck der Meldepflicht ist es,<br />

dem Arbeitgeber die Überbrückung<br />

des Arbeitsausfalls<br />

zu ermöglichen. Daher besteht<br />

keine vorherige Meldepflicht<br />

in Fällen, in denen<br />

eine vorübergehende Umorganisation<br />

der Arbeitseinteilung<br />

nicht ernsthaft in Betracht<br />

kommt. Entscheidend<br />

sind die Umstände des Einzelfalls<br />

wie z. B. die Art der Arbeitsaufgabe<br />

und die voraussichtliche<br />

Dauer der Arbeitsunterbrechung.<br />

In Fällen, in denen sich das<br />

Betriebsratsmitglied nicht<br />

vorher abmeldet, ist es verpflichtet,<br />

dem Arbeitgeber<br />

auf dessen Verlangen nachträglich<br />

die Gesamtdauer der<br />

in einem bestimmten Zeitraum<br />

geleisteten Betriebsratstätigkeit<br />

mitzuteilen. Damit<br />

scheiterte die Klage eines Betriebsrats<br />

vor dem BAG (Az. 7<br />

ABR 135/ 09), der sich gerichtlich<br />

eine generelle Verneinung<br />

der Abmeldepflicht bestätigen<br />

lassen wollte.<br />

ARBEITSVERTRAG<br />

Frage falsch<br />

beantwortet<br />

Die falsche Beantwortung<br />

einer Frage bei der Einstellung<br />

kann als arglistige<br />

Täuschung gelten.<br />

Das setzt voraus, dass die Täuschung<br />

für den Abschluss des<br />

Arbeitsvertrags ursächlich<br />

war. Wirkt sich die Täuschung<br />

im Arbeitsverhältnis<br />

weiterhin aus, kann zudem<br />

eine Kündigung gerechtfertigt<br />

sein. Ein Softwareunternehmen<br />

scheiterte dennoch<br />

mit der Anfechtung und Kündigung<br />

des Arbeitsvertrags einer<br />

Außendienstmitarbeiterin.<br />

Die Klägerin hatte bei der<br />

Einstellung die Frage nach<br />

einer Schwerbehinderung<br />

verneint. Diese Täuschung<br />

war jedoch nicht ursächlich<br />

für den Abschluss des Arbeitsvertrags.<br />

Das Unternehmen<br />

hat ausdrücklich erklärt, sie<br />

hätte die Klägerin auch dann<br />

eingestellt, wenn diese die<br />

Frage wahrheitsgemäß beantwortet<br />

hätte. Auch das Argument,<br />

die Anfechtung und<br />

Kündigung sei gerechtfertigt,<br />

weil die Arbeitnehmerin das<br />

Unternehmen über ihre Ehrlichkeit<br />

getäuscht habe, zog<br />

nicht (BAG, Az. 2 AZR 396/10).<br />

Das Internet als Tatort<br />

Persönliche Erfahrung der Internet-Nutzer (Angaben in Prozent)<br />

Infektion des PCs mit<br />

Schadprogrammen<br />

Betrug durch<br />

Geschäftspartner<br />

WEB-KRIMINALITÄT<br />

Zugangsdaten<br />

ausspioniert<br />

2011<br />

2010<br />

2009<br />

2011<br />

2010<br />

2009<br />

2011<br />

2010<br />

2009<br />

0 10 20 30 40 50<br />

Quelle: BITKOM, Forsa (2011); Basis: Internet-Nutzer ab 14 Jahren<br />

URTEIL AKTUELL<br />

Der Fall und DIE FOLGEN<br />

Formulare aus<br />

dem Internet<br />

DER FALL: Der Kläger hatte<br />

von einem privaten Verkäufer<br />

einen gebrauchten Pkw zum<br />

Preis von 6.900 Euro erworben.<br />

Als Kaufvertrag hatte der Verkäufer<br />

ein Formular aus dem<br />

Internet verwendet. Darin hieß<br />

es: »Der Verkäufer übernimmt<br />

für die Beschaffenheit des verkauften<br />

Kfz keine Gewährleistung«.<br />

Einige Monate nach<br />

dem Kauf stellte der Kläger<br />

einen schweren Unfallschaden<br />

am Auto fest. Er verlangte vom<br />

Verkäufer, der von dem Vorschaden<br />

keine Kenntnis hatte,<br />

die Rückabwicklung des Kaufgeschäfts.<br />

Der Verkäufer berief<br />

sich dagegen auf den vereinbarten<br />

Gewährleistungsausschluss.<br />

DAS URTEIL: Das Oberlandesgericht<br />

Oldenburg (Az. 6 U<br />

14/11) entschied, dass der konkret<br />

vereinbarte Gewährleistungsausschluss<br />

unwirksam<br />

sei. Bei den Kaufvertragsklauseln<br />

aus dem Internet handele<br />

es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

(AGB),<br />

weil diese für eine Vielzahl verschiedener<br />

Verwendungsmöglichkeiten<br />

vorformuliert seien.<br />

Für das Kaufgeschäft gelten<br />

aber die strengen Wirksamkeitsvoraussetzungen<br />

gemäß<br />

Paragraf 309 Nr. 7 a und b des<br />

BGB.<br />

Danach muss ein wirksamer<br />

Gewährleistungsausschluss<br />

eine Einschränkung für grob<br />

fahrlässige oder vorsätzliche<br />

Pflichtverletzungen sowie hinsichtlich<br />

möglicher Körperschäden<br />

enthalten. Da diese<br />

notwendigen Einschränkungen<br />

im konkreten Fall fehlten,<br />

sei der vereinbarte Gewährleistungsausschluss<br />

insgesamt<br />

nicht wirksam.<br />

DIE FOLGEN: Formulare im<br />

Internet geben juristischen<br />

Laien eine erste Orientierung.<br />

Von einer Verwendung ohne<br />

vorherige juristische Prüfung<br />

ist jedoch abzuraten.<br />

50 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


W&M-SERVICE<br />

ORGELMUSIK<br />

Lärm statt<br />

Kunstgenuss<br />

Eine Grundstückseigentümerin<br />

hat gegen die<br />

Orgelmusik des benachbarten<br />

Doms geklagt.<br />

»Musik wird oft nicht schön<br />

gefunden, weil sie stets mit<br />

Geräusch verbunden.« Was<br />

schon Wilhelm Busch wusste,<br />

wollte sich eine Grundstückseigentümerin<br />

gerichtlich bestätigen<br />

lassen. Sie wohnt seit<br />

1972 in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

des Domes im niedersächsischen<br />

Verden und<br />

fühlte sich von der Domorgel<br />

mehr und mehr belästigt. Das<br />

OLG Celle (Az. 4 U 199/09) befand,<br />

dass es bei der Frage nach<br />

einer wesentlichen Lärmbeeinträchtigung<br />

nicht auf das subjektive<br />

Empfinden der Klägerin,<br />

sondern auf das eines<br />

Durchschnittsmenschen unter<br />

Würdigung anderer öffentlicher<br />

und privater Belange ankomme.<br />

Außerdem kam das<br />

Gericht zu dem Schluss, dass<br />

Orgelmusik kein besonders<br />

unangenehmes Geräusch sei.<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

RECHT IM ALLTAG<br />

AUSKUNFTEIEN<br />

Unzureichende<br />

Informationen<br />

Der Verbraucherzentrale<br />

Bundesverband klagt, dass<br />

Daten von Auskunfteien<br />

oft unzureichend sind.<br />

Das ergab eine nichtrepräsentative<br />

Online-Befragung des<br />

Verbraucherzentrale Bundesverbandes<br />

(vzbv), an der sich<br />

1.531 Betroffene beteiligten.<br />

Seit dem 1. April 2010 haben<br />

Verbraucher das Recht, von<br />

Auskunfteien einmal im Jahr<br />

kostenlos zu erfahren, welche<br />

Daten über sie gespeichert<br />

sind und wie diese bei Bonitätsbewertungen<br />

(Scoring) verwendet<br />

werden. 75 Prozent der<br />

Umfrage-Teilnehmer gaben an,<br />

auf ihre Anfrage eine Auskunft<br />

erhalten zu haben. Allerdings<br />

war diese häufig wenig informativ.<br />

So kritisierten 60 Prozent<br />

der Befragten, dass die<br />

Antworten für sie unverständlich<br />

gewesen seien. 51 Prozent<br />

entdeckten zudem in den übermittelten<br />

Datenbeständen<br />

falsche oder veraltete Informationen.<br />

Wenn der Flieger am Boden bleibt<br />

HANDY<br />

Sperre war<br />

nicht zulässig<br />

Ein Mobilfunkanbieter<br />

darf den Handy-Anschluss<br />

nicht aus einem geringfügigen<br />

Anlass sperren.<br />

Der beklagte Mobilfunkdienstleister<br />

hatte in den AGB eine<br />

Reihe von Gründen genannt,<br />

die das Unternehmen berechtigt<br />

hätten, den Anschluss sofort,<br />

ohne Ankündigung und<br />

ohne zeitliche Begrenzung zu<br />

sperren. Eine sofortige Sperrung<br />

drohte Kunden bereits,<br />

wenn sie mit einem kleinen<br />

Betrag in Zahlungsverzug gerieten<br />

oder ihr eingeräumtes<br />

Kreditlimit überschritten. Dagegen<br />

klagte der Verbraucherzentrale<br />

Bundesverband, der<br />

die Klauseln für unverhältnismäßig<br />

und überzogen erachtete.<br />

Der BGH (Az. III ZR 157/10)<br />

schloss sich der Auffassung<br />

überwiegend an und untersagte<br />

acht der neun strittigen<br />

Klauseln in den AGB. Nur die<br />

missbräuchliche Nutzung des<br />

Anschlusses rechtfertige eine<br />

vollständige Sperre.<br />

Von MATTHIAS SALM,<br />

Wirtschaftsjournalist, Berlin<br />

Die Medien hatten schon das Chaos gewittert –<br />

ausgerechnet in der Reisezeit drohten die Fluglotsen<br />

Anfang August mit Streik. Doch die Bilder<br />

gestrandeter Urlauber an den deutschen<br />

Flughäfen blieben aus, eine Schlichtung in letzter<br />

Minute legte den möglichen Streik zunächst<br />

einmal auf Eis. Kommt es dennoch dazu, dass<br />

der geplante Flug platzt, ist es gut zu wissen,<br />

welche Rechte die Passagiere in solchen Fällen<br />

haben. Diese sind in der Fluggastrechte-Verordnung<br />

der EU geregelt. Bei Pauschalreisen sind<br />

auch die reiserechtlichen Bestimmungen im<br />

Bürgerlichen Gesetzbuch zu beachten. Die Fluggastrechte-Verordnung<br />

findet Anwendung bei<br />

Fluggesellschaften aus der EU. Bei Fluggesellschaften<br />

außerhalb der EU gilt die Fluggastrechte-Verordnung,<br />

wenn sich der Abflugort innerhalb<br />

der EU befindet. Bei einzeln gebuchten<br />

Tickets – also keine Pauschalreisen – gilt: Ab<br />

zwei Stunden Verspätung muss die Fluggesellschaft<br />

die Passagiere mit Essen und Trinken<br />

versorgen. Kostenlos sind zwei Telefonate,<br />

Faxe oder E-Mails. Falls notwendig fällt auch<br />

die Übernahme einer Hotelunterbringung und<br />

des Transfers vom Flughafen zum Hotel an.<br />

Aber Vorsicht: Nicht selbst das Hotel buchen,<br />

dies ist Aufgabe der Fluggesellschaft. Einen Anspruch<br />

auf eine zusätzliche Ausgleichszahlung<br />

(z. B. aufgrund eines versäumten Geschäftstermins),<br />

der einem Flugpassagier bei einer Annullierung<br />

zustehen würde, lehnen die Fluggesellschaften<br />

bei einem Streik aber meist ab, da<br />

sie diesen als »außergewöhnlichen Umstand«<br />

werten, für den sie nicht verantwortlich sind.<br />

➔<br />

Recht KOMPAKT<br />

KÜNDIGUNG<br />

Der Ehegatte als Bote<br />

Ein Kündigungsschreiben kann auch<br />

dem Ehepartner des gekündigten<br />

Mitarbeiters ausgehändigt werden,<br />

befand das Bundesarbeitsgericht.<br />

Das Schreiben gerät auf diese Weise<br />

in den Machtbereich der gekündigten<br />

Ehefrau, so das Urteil (Az. 6 AZR<br />

687/09). Für die Einhaltung der Frist<br />

komme es darauf an, wann mit der<br />

Kenntnisnahme der Gekündigten zu<br />

rechnen sei. In diesem Fall, wenn der<br />

Ehemann nach seiner Arbeit nach<br />

Hause fahre.<br />

SCHLÖSSER<br />

Fotos unerwünscht<br />

Die Stiftung »Preußische Schlösser<br />

und Gärten« darf die gewerbliche<br />

Nutzung von Fotos ihrer Gebäude<br />

und Gartenanlagen untersagen.<br />

Dies gilt, wenn die Stiftung Eigentümerin<br />

der Objekte ist und die Aufnahmen<br />

von ihren Grundstücken aus<br />

hergestellt wurden. Die Stiftung war<br />

gegen eine Fotoagentur und die<br />

Betreiber von Internetplattformen<br />

vorgegangen, die die Aufnahmen vermarktet<br />

hatten (BGH, Az. VZR 44/10,<br />

45/10 und 46/10).<br />

ATOMKRAFT<br />

Unerlaubte Werbung<br />

Mit den positiven Umwelteigenschaften<br />

von Windkrafträdern darf<br />

nicht für die Qualitäten von Atomkraftwerken<br />

geworben werden.<br />

Die Werbung für die Umwelteigenschaften<br />

von Atomkraftwerken mit<br />

Fotos von Windrädern stellt eine irreführende<br />

geschäftliche Handlung<br />

dar. Das hat das Landgericht Berlin<br />

(Az. 91 O 35/11) entschieden und<br />

damit eine zuvor erlassene einstweilige<br />

Verfügung im Wesentlichen<br />

bestätigt, mit der einem Verein und<br />

anderen Personen untersagt worden<br />

ist, eine Werbeanzeige mit einem<br />

entsprechenden Bild zu verbreiten.<br />

Auf dem Bild war das Kernkraftwerk<br />

Unterweser zu sehen, davor vier<br />

Windkraftanlagen eines von der Antragstellerin<br />

hergestellten Modells.<br />

Überschrieben war die Anzeige mit<br />

der Schlagzeile »Klimaschützer unter<br />

sich. Kernkraftwerk Unterweser und<br />

Windenergie: CO 2 -Ausstoss = Null«.<br />

Dies stelle, so das Landgericht Berlin,<br />

eine unzulässige Vereinnahmung<br />

der guten Eigenschaften von Windenergie<br />

zu Gunsten von Kernkraftwerken<br />

dar, die durch die verfassungsrechtlich<br />

garantierte Meinungsfreiheit<br />

nicht gerechtfertigt sei. Nun muss<br />

das Kammergericht entscheiden.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 51


W&M-SERVICE<br />

DAS<br />

THEMA<br />

INTERVIEW<br />

Fotos: Archiv, Hamburger Friedhof Ohlsdorf<br />

BESTATTUNG<br />

Der Tod ist<br />

nicht umsonst<br />

Verstirbt ein Angehöriger,<br />

stehen die Betroffenen vor<br />

vielen Aufgaben, aber auch<br />

vor hohen Kosten.<br />

Den Ratgeber »Was tun, wenn<br />

jemand stirbt« hat der Bundesverband<br />

der Verbraucherzentralen<br />

herausgebracht. Darin<br />

wird vorgerechnet, dass hohe<br />

Kosten auf die Hinterbliebenen<br />

zukommen können. So liegt<br />

der Preis für eine einfache Beerdigung<br />

zwischen 2.500 und<br />

4.000 Euro, der Durchschnitt<br />

beträgt 5.000 Euro. Auch Ausgaben<br />

bis zu 10.000 Euro sind<br />

keine Seltenheit. Die Preisspanne<br />

ergibt sich durch Qualitäts-<br />

und Leistungsunterschiede<br />

bei der gewünschten<br />

Bestattungsform. Zu den Kosten<br />

zählen etwa: die Trauer-<br />

DIE LETZTE RUHE ist teuer.<br />

feierlichkeiten inklusive Kleidung,<br />

Anzeigen, Einladungen<br />

und Blumen. Auch der Bestatter<br />

verlangt Honorar – für die<br />

Abwicklung von Formalitäten,<br />

den Sarg, das Herrichten und<br />

Überführen des Toten. Die<br />

Kommunen verlangen eine<br />

Grabnutzungsgebühr sowie<br />

Bestattungsgebühren. Auch<br />

ein Grabstein und spätere<br />

Grabpflege sind einzukalkulieren.<br />

Möglichkeiten der Bestattungsvorsorge:<br />

Private Versicherungen<br />

bieten Sterbegeldpolicen<br />

an. Beim Bestatter<br />

kann zu Lebzeiten ein Bestattungsvorsorgevertrag<br />

mit<br />

Treuhandkonto abgeschlossen<br />

werden, in dem Details der<br />

Beerdigung festgelegt sind.<br />

CHEMIE<br />

Kessel stehen<br />

unter Dampf<br />

Die deutsche Chemische<br />

Industrie erreichte im ersten<br />

Halbjahr 2011 einen beachtlichen<br />

Umsatzanstieg.<br />

Der Umsatz wuchs im Vergleich<br />

zum Vorjahr um zwölf<br />

Prozent auf 90,5 Milliarden<br />

Euro. Der Verband der Chemischen<br />

Industrie (VCI) prognostiziert<br />

der Branche nach der<br />

Rekordnachfrage im ersten<br />

Halbjahr eine erfolgreiche<br />

zweite Jahreshälfte mit guten<br />

Geschäften im In- und Ausland.<br />

Allein bis Juni 2011 stieg<br />

die Produktion der Chemieindustrie<br />

um 6,5 Prozent im<br />

Vergleich zum Vorjahreszeitraum.<br />

Die Mitarbeiterzahl ist<br />

ebenfalls seit 2010 um zwei<br />

Prozent gestiegen. Bei den Investitionen<br />

wird ein Anstieg<br />

um zehn Prozent erwartet.<br />

Dementsprechend gut läuft<br />

es beim Chemieriesen BASF:<br />

Die Analysten der Deutschen<br />

Bank raten zum Kauf der Aktie<br />

(WKN BASF11). Die Experten<br />

von UniCredit Research<br />

sind positiv gestimmt für den<br />

im Freiverkehr notierten Wert<br />

Syngenta (WKN 580 854).<br />

AKTIENMARKT<br />

BAUSTOFFE<br />

Auf festem<br />

Zement gebaut<br />

Der inländische Zementverbrauch<br />

soll 2011 klar<br />

ansteigen – um etwa sechs<br />

Prozent gegenüber 2010.<br />

Bereits in den ersten vier Monaten<br />

des laufenden Jahres<br />

verzeichnete die Zementbranche<br />

ein Nachfrageplus von 28<br />

Prozent im Vergleich zum<br />

Vorjahr, das entspricht 1,5<br />

Millionen Tonnen. Laut Bundesverband<br />

der Deutschen Zementindustrie<br />

könne die Zementindustrie<br />

zudem von<br />

witterungsbedingten Nachholeffekten<br />

aus 2010 profitieren.<br />

Für den Wohnungsbau<br />

werden in diesem Jahr deutliche<br />

Zuwächse mit einer gesteigerten<br />

Zementnachfrage<br />

zwischen acht und zwölf Prozent<br />

erwartet. Das gilt auch<br />

für den Industriebau, bei dem<br />

die Branche mit konjunkturbedingten<br />

Zuwächsen um<br />

neun Prozent rechnet.<br />

Über die Aktie von HeidelbergCement<br />

(WKN 604 700)<br />

haben die Experten von Independent<br />

Research und WestLB<br />

ein entsprechend einhelliges<br />

Urteil: »Kaufen«.<br />

DAX BÖRSENSTARS<br />

+<br />

WKN 766403 Volkswagen VZ + 40,10%<br />

WKN 519000 BMW + 32,33%<br />

WKN BASF11 BASF + 13,89%<br />

WKN 623100 Infineon + 13,71%<br />

WKN 648300 Linde + 12,03%<br />

Volkswagen: Der Automobil-Riese überzeugte Börsianer zuletzt durch gute Ergebnisse in<br />

den vergangenen Monaten und durch eine gute Gesamt-Positionierung.<br />

Kurs-Performance 1 Jahr; Schluss: 09.08.2011<br />

DAX BÖRSENFLOPS<br />

–<br />

WKN 803200 Commerzbank - 62,71%<br />

WKN 703712 RWE - 48,66%<br />

WKN 514000 Deutsche Bank - 39,19%<br />

WKN ENAG99 E.ON - 33,54%<br />

WKN 725750 Metro - 25,97%<br />

Commerzbank: Die zweitgrößte deutsche Privatbank belasten griechische Staatsanleihen<br />

durch hohe Abschreibungen. Der Gewinn im II. Quartal fiel nur mager aus.<br />

Kurs-Performance 1 Jahr; Schluss: 09.08.2011<br />

Quelle: W&M, ohne Gewähr<br />

ANDREAS<br />

VARNAVIDES<br />

Vorstandsmitglied<br />

der UBS<br />

Deutschland AG<br />

Kapitalerhalt gefragt<br />

W&M: Herr Varnavides, was hat<br />

sich auf dem Markt für institutionelle<br />

Anlagelösungen seit 2007 verändert?<br />

VARNAVIDES: Früher waren<br />

vor allem chancenorientierte<br />

Investments aktuell. Das erforderte<br />

den »Alpha-Manager«,<br />

der durch seine Kenntnis in<br />

Einzelmärkten Erträge generiert.<br />

Heute steht dagegen die<br />

Frage nach Kapitalerhalt und<br />

Risikomanagement noch vor<br />

den Renditechancen. Laufende<br />

taktische Gewichtung unterschiedlicher<br />

Anlage-Klassen<br />

innerhalb des Portfolios hat an<br />

Bedeutung gewonnen. Häufig<br />

wird auch keine Benchmark<br />

mehr zur Bewertung herangezogen,<br />

sondern ein definierter<br />

Mindestbetrag angestrebt.<br />

W&M: Konkurriert die Fondsbranche<br />

nicht zunehmend auch mit<br />

passiven Produkten?<br />

VARNAVIDES: Aus meiner<br />

Sicht sind diese eher Teil der<br />

Fondsbranche. ETFs lassen sich<br />

z. B. sehr aktiv in die Portfolio-<br />

Aufteilung einbinden, vor allem<br />

beim Investment in effiziente<br />

Märkte.<br />

W&M: Wie hat sich die Nachfrage<br />

nach den unterschiedlichen Anlage-Klassen<br />

entwickelt?<br />

VARNAVIDES: Aktien verlieren<br />

seit Jahren an Bedeutung. Für<br />

klassische europäische Rentenstrategien<br />

haben viele Fondsanbieter<br />

zudem hausinterne<br />

Kompetenz aufgebaut. Deshalb<br />

fordern die Nachfrager stärker<br />

sogenannte Spread-Produkte,<br />

also Schuldverschreibungen<br />

mit interessanten Renditeaufschlägen<br />

– wie Corporate<br />

Bonds, High Yields und Obligationen<br />

aus den Schwellenländern.<br />

Auch Anlagesegmente<br />

wie Immobilien oder Infrastruktur,<br />

die stabile Cashflows<br />

versprechen, erleben Zuwächse.<br />

All diese Märkte erfordern<br />

aber eine hohe Expertise und<br />

spezialisierte Asset-Manager.<br />

52 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11<br />

.


GELD & ANLAGE<br />

KBC<br />

Anlegen gegen<br />

den Strom<br />

Die Fondsgesellschaft KBC<br />

Asset Management fährt<br />

mit zwei neuen Fonds unterschiedliche<br />

Strategien.<br />

Laut Anbieter orientiert sich<br />

der »KBC Equity Fund Euro<br />

Non Cyclicals« an defensiven,<br />

vom allgemeinen Wirtschaftszyklus<br />

unabhängigen Sektoren<br />

wie den Bereichen Versorgung,<br />

Nahrungsmittel<br />

und Gesundheitswesen. Europäische<br />

Werte dieser Sektoren<br />

sind mit mindestens 75<br />

Prozent im Portfolio vertreten.<br />

Der »KBC Equity Fund<br />

Indus-trials & Infrastructure«<br />

mit Schwerpunkt auf Ausbau<br />

und Erneuerung der Infrastruktur<br />

investiere mindestens<br />

75 Prozent der Anlagen<br />

in den weltweiten Industriesektor.<br />

Beide Fonds kommen<br />

ohne Referenzindex aus und<br />

werden aktiv verwaltet.<br />

WWKN Euro Non Cyclicals:<br />

A1JG8S, WKN Industrials &<br />

Infrastr.: A1JFVV<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

Am 5. August hat die Fußball-Bundesliga ihre<br />

49. Saison angepfiffen. Vom einstigen Motto<br />

»Elf Freunde müsst ihr sein« ist nicht mehr viel<br />

übrig geblieben. Spitzenfußball ist schon lange<br />

eine reine Kommerz-Veranstaltung. Anleger, die<br />

daran teilhaben wollen, sollten ihr Engagement<br />

mit Bedacht wählen. Beim Fußball sind es eher<br />

die Ausrüster, die ihren Schnitt machen. Die<br />

Vereine hingegen sind selten die Gewinner. In<br />

Deutschland gibt es nur einen börsennotierten<br />

Club: Borussia Dortmund. Zwar stieg die Aktie<br />

in der Meistersaison 2010/2011 um weit über<br />

100 Prozent, langfristig betrachtet jedoch sieht<br />

die Performance eher traurig aus. Im Oktober<br />

2000 zu einem Emissionspreis von elf Euro<br />

gestartet, sitzen Erstzeichner noch immer auf<br />

einem kräftigen Minus. Im europäischen Ausland<br />

sind börsennotierte Fußball-Clubs zwar<br />

SCHRODERS<br />

Der europäische<br />

Kern zählt<br />

Der Vermögensverwalter<br />

Schroders investiert mit<br />

einem Aktienfonds vor<br />

allem in europäische Werte.<br />

Die Strategie des »Schroder ISF<br />

European Equity Focus« hat vor<br />

allem solche europäischen<br />

Titel im Blick, die vom Wachstum<br />

in den Schwellenländern<br />

profitieren. Denn das Fondsmanagement<br />

geht von einer<br />

anhaltenden Erholung der<br />

europäischen Wirtschaft aus.<br />

Neben Werten von Kernstaaten<br />

wie Frankreich, den skandinavischen<br />

Ländern und Deutschland<br />

setze das Management<br />

außerdem auf unterbewertete<br />

Aktien, deren Renditepotenzial<br />

unterschätzt werde. Unabhängig<br />

von einem Vergleichsindex<br />

unterliege der Fonds<br />

keinen Beschränkungen hinsichtlich<br />

Branchen, Ländern<br />

oder Unternehmensgröße. Das<br />

Portfolio sei dabei stark konzentriert<br />

auf 30 bis 35 Titel.<br />

WKN: A1H7MB<br />

Von GERD RÜCKEL,<br />

CEFA-Wertpapieranalyst, Frankfurt/M.<br />

Auf Sportartikler setzen statt auf Sportvereine<br />

FRANKFURT-TRUST<br />

Hauptsache<br />

Konsum<br />

Ein Fonds von Frankfurt-<br />

Trust Asset Management<br />

setzt auf wachsenden Konsum<br />

in Schwellenländern.<br />

Der Fonds »FT Emerging<br />

ConsumerDemand« investiert<br />

in Konsumwerte aus den<br />

Schwellenländern genauso<br />

wie in Konsumunternehmen<br />

der Industrieländer, die mehr<br />

als 30 Prozent ihres Umsatzes<br />

in den aufstrebenden Märkten<br />

machen. Denn in Schwellenländern<br />

steige mit dem Wohlstand<br />

auch die Nachfrage<br />

nach Basis- und Luxuskonsumgütern.<br />

Immerhin soll<br />

der Anteil dieser Märkte am<br />

Welt-Sozialprodukt laut Weltbank<br />

in den nächsten Jahren<br />

von 25 auf 50 Prozent anwachsen.<br />

Die etwa 40 Titel im<br />

Portfolio seien je hälftig auf<br />

Schwellenländer und Industrieländer<br />

verteilt. Dadurch<br />

sei der Fonds eher für risikoscheue<br />

Anleger geeignet.<br />

WKN: A1JGVL<br />

keine Seltenheit, eine langfristig erfolgreiche<br />

Fußball-Aktie ist dennoch schwer zu finden. Ob<br />

Juventus Turin, AS Rom oder die Tottenham<br />

Hotspurs: Mit Ausnahme kurzer Zwischenhochs<br />

entwickeln sich die Kurse dieser Papiere<br />

fast ausnahmslos gen Süden. Während TV-<br />

Gelder und Zuschauereinnahmen relativ vernünftig<br />

zu kalkulieren sind, fehlt bei Transfers<br />

und internationalen Wettbewerben die Planungssicherheit.<br />

Im hochemotionalen Fußball-<br />

Geschäft ist es schwierig, Fans und Investoren<br />

gleichermaßen gerecht zu werden. Anders sieht<br />

es bei den Sportartikelherstellern aus. Sie verdienen<br />

in ihrem »Brot- und Buttergeschäft« gutes<br />

Geld. Aktien etwa von Puma und Adidas<br />

eignen sich somit durchaus als langfristige Investition.<br />

Fußball-Aktien hingegen bieten allenfalls<br />

Potenzial für kurzfristige Spekulationen.<br />

<br />

Messe für<br />

GENUSS,<br />

LEBENSART<br />

UND AMBIENTE<br />

ANMELDESCHLUSS:<br />

7. Oktober 2011<br />

4.-6. NOVEMBER<br />

Metropolis Halle® | POTSDAM<br />

WWW.SALON-SANSSOUCI.DE<br />

parallel:<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11<br />

53


PORTRÄT<br />

Fotos: H. Lachmann, R. Wolf-Götz<br />

Was eine echte Thüringer Rostbratwurst<br />

ist, hat die EU über<br />

gestrenge Normen festgelegt. Sie<br />

muss mindestens 15 cm lang und mittelfein<br />

gefleischert sein, wahlweise darf sie<br />

roh oder gebrüht in einem engen Naturdarm<br />

stecken, doch die würzige Geschmacksnote<br />

muss sie klar als Thüringer<br />

Produkt ausweisen. Mehr als die<br />

Hälfte der verwendeten Rohstoffe haben<br />

darum aus Thüringen zu stammen.<br />

Exakt seit dem 6. Januar 2004 wird die<br />

Thüringer Rostbratwurst als regionales<br />

Produkt ähnlich streng geschützt wie<br />

französischer Cognac, Schwarzwälder<br />

Schinken oder Sherry aus Spanien.<br />

Die älteste bekannte urkundliche Erwähnung<br />

einer Bratwurst findet sich<br />

übrigens im Thüringischen Staatsarchiv<br />

Rudolstadt in der Abschrift einer Propstei-Rechnung<br />

des Arnstädter Jungfrauenklosters<br />

von 1404. Das älteste bekannte<br />

Rezept lässt sich im Staatsarchiv Weimar<br />

nachlesen. Es geht auf die »Ordnung für<br />

das Fleischerhandwerk zu Weimar, Jena<br />

und Buttstädt« vom 2. Juli 1613 zurück.<br />

Dass zur Herstellung von Thüringer<br />

Bratwurst fein gehacktes Schweinefleisch<br />

benötigt wird, eventuell auch entsehntes<br />

Kalb- oder Rindfleisch, welches<br />

dann mit Salz und Pfeffer sowie Kümmel,<br />

Majoran und Knoblauch nach speziellen<br />

Hausrezepten abschmeckt, gut<br />

vermengt und in einen sehr feinen<br />

Schweinedarm oder Schafsaitling gefüllt<br />

wird – all dies weiß Harald Puhlfürß seit<br />

seiner Kindheit. Denn der 45-Jährige entstammt<br />

in vierter Generation einer Fleischerdynastie<br />

in Jena-Lichtenhain. Auch<br />

er erlernte dieses Handwerk.<br />

Da sich der Familienbetrieb in einem<br />

Wohngebiet befand, musste 1999 der<br />

Standort gewechselt werden. Zusammen<br />

mit seinem Vater Wolfgang beteiligte<br />

sich Puhlfürß – mittlerweile selbst Fleischermeister<br />

– an einer Genossenschaft.<br />

Fortan handelte er auch mit Wurst- und<br />

Fleischwaren, die andernorts produziert<br />

wurden. Und ab 2004 wagte er sich gar in<br />

ein Metier, über das manch konventioneller<br />

Fleischermeister bis heute die<br />

Nase rümpft – den Online-Handel. Auf<br />

die Idee gebracht hatten ihn Experten<br />

der Intershop AG in Jena.<br />

Mit der Zeit kamen weitere Vertriebsschienen<br />

hinzu. Puhlfürß etablierte in<br />

Jenas Gewerbegebiet Tatzendpromenade<br />

einen »Schlemmertreff«, in dem Internet-Muffel<br />

einkaufen können. Daneben<br />

rollte er mit einem Verkaufswagen bei<br />

diversen Festen und Veranstaltungen vor.<br />

»Als kulinarischer Botschafter Thüringens«,<br />

erzählt er. Seine mobile Theke fiel<br />

dabei durch besondere Raffinessen auf:<br />

Im selben Anhänger werden sowohl fri-<br />

Thüringer Spezialitäten<br />

Auf Schlemmerkurs<br />

Würste und viele andere Köstlichkeiten »Made in Thuringia« gibt<br />

es auch online. Dank eines speziellen Internet-Shops. Die Betreiber<br />

aus Jena sehen sich als kulinarische Botschafter ihrer Heimat.<br />

sche Roster gebrutzelt als auch Bier gezapft.<br />

Irgendwann ging es ihm um mehr<br />

als die Wurst. Zur Roster gesellten sich<br />

peu à peu weitere Spezialitäten »Made in<br />

Thuringia«. Vor allem die Apoldaer<br />

Brauerei sei bis heute ein wichtiger Partner,<br />

freut er sich. Gemeinsam suche man<br />

nun verstärkt die Öffentlichkeit.<br />

Doch ein Fleischermeister ist nicht<br />

zwingend auch Marketing-Profi. So besann<br />

sich Puhlfürß seines alten Freundes<br />

Gerd-Uwe Hoffmann. Man kannte sich<br />

aus gemeinsamen Vorwendezeiten in einer<br />

Sportkompanie. Werbefachmann<br />

Hoffmann, der von Sachsen-Anhalt aus<br />

eine große norddeutsche Biermarke im<br />

Osten erfolgreich vermarktete, war sofort<br />

begeistert. Die vielseitigen lukullischen<br />

Angebote aus Thüringen in einem<br />

Internetshop an in- und ausländische<br />

Kunden zu bringen, reizte ihn.<br />

Sie entwickelten Strategien und Konzepte<br />

und gründeten im April in Jena die<br />

Schlemmertreff Thüringen GmbH. Der<br />

Schlemmershop im Netz www.thueringer-schlemmertreff.de<br />

ist seit Jahresbeginn<br />

2011 online. »Die Idee hat sich zu<br />

einem erfolgreichen Geschäft gemausert.<br />

Über 3.300 Kunden hat der Schlemmertreff<br />

im Internet bereits«, freut sich<br />

Puhlfürß und verweist neben der »einzigartigen<br />

Frische und handwerklichen<br />

Qualität« der Produkte vor allem auf den<br />

temporären Handelsaspekt: »Heute bestellt<br />

und morgen geliefert.«<br />

Wer die Seite anklickt, kann neben<br />

Original Thüringer Rostbratwurst eine<br />

bunte Vielfalt landestypischer kulinarischer<br />

Köstlichkeiten bestellen – wahlweise<br />

frisch, im Glas oder im opulenten Präsentkorb.<br />

Um die Palette zu erweitern,<br />

wird an einem Netzwerk einheimischer<br />

Spezialitätenhersteller gestrickt, das derweil<br />

elf Partner umfasst.<br />

Durchschnittlich 300 Schlemmerpakete<br />

– teils stilvoll verpackt in kleinen<br />

hölzernen Kisten – versenden die Mitarbeiter<br />

monatlich. »Tendenz steigend«,<br />

freut sich Chefvermarkter Hoffmann. Bestellungen<br />

kämen inzwischen auch aus<br />

Frankreich, Italien oder den Benelux-<br />

Staaten.<br />

54 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


PORTRÄT<br />

TEAM: H. Puhlfürß und G.-U. Hoffmann (r.)<br />

linaritäten beitragen. Sie wurde bereits<br />

zweimal Juniorenweltmeisterin, holte<br />

2010 in der deutschen Freistilstaffel<br />

EM-Gold und kehrte jüngst von der<br />

Schwimm-WM in Shanghai edelmetalldekoriert<br />

zurück: Als Schlussschwimmerin<br />

hatte sie das deutsche 4x100m-Freistil-Quartett<br />

zu Bronze gekrault.<br />

Puhlfürß und Hoffman stellen ihr florierendes<br />

Unternehmen derzeit auf mehrere<br />

Standbeine. Neben dem Internetshop<br />

und den mobilen Promotion-Touren<br />

als »Botschafter Thüringens« wollen<br />

sie das Label künftig auch auf Franchise-<br />

Basis grenzüberschreitend vermarkten.<br />

Auch hierbei denken sie nicht daran,<br />

kleine Brötchen zu backen. »In jeder<br />

europäischen Metropole, von Stockholm<br />

bis Paris, soll es künftig eine ›Botschaft<br />

Thüringens‹ geben«, schwärmt Puhlfürß.<br />

Eingebettet in ein nobles Verkaufsumfeld<br />

würden die Dependancen beste<br />

Chancen haben, sich zu etablieren.<br />

Harald Lachmann<br />

&<br />

Altenburger Senf<br />

Würzig bis frivol<br />

Helga und Karl Jungbeck haben mit kreativen Mischungen und<br />

Variationen den gewöhnlichen Senf zum Luxusprodukt gemacht.<br />

Helga Jungbeck ist in Stimmung.<br />

Sie steht hinter ihrem Stand, den<br />

sie auf der Thüringer Touristikmesse<br />

im Foyer des Kongresshauses in<br />

Altenburg aufgebaut hat, und wirbt für<br />

ihren »Altenburger Senf«. Vor allem die<br />

neuen Sorten preist sie an und reicht<br />

kleine Löffel zur Kostprobe. Darunter die<br />

Sansibar-Honig-Dill-Senfsoße, benannt<br />

nach der Sylter Promi-Kneipe, und der<br />

Feigen-Konfitüren-Senf mit dem Konterfei<br />

von Starkoch Johann Lafer auf dem<br />

Etikett. »Der Renner ist unser Liebessenf,«<br />

ruft sie und reicht einem der interessierten<br />

Standbesucher das Glas mit der<br />

giftig rosa Paste. »Aber nicht zuviel, sonst<br />

kann ich für nichts garantieren«, warnt<br />

sie verschmitzt lächelnd.<br />

Auch die Kostproben des zweiten Verkaufsschlagers<br />

dieser Saison, des blaugrünen<br />

»Trabi-Senf«, begleitet die kräftig<br />

gebaute Thüringerin mit humorvoll verkaufsfördernden<br />

Sprüchen. Wer sich<br />

nicht entscheiden kann zwischen »Liebes-,<br />

Erotik- oder Trabisenf«, dem empfiehlt<br />

die temperamentvolle Mittfünfzigerin<br />

den gemischten Dreierpack.<br />

Als Karl Jungbeck im Mai 1992 seine<br />

ersten eigenen Senfmischungen zusammenrührte,<br />

war der Erfolg nicht vorgezeichnet.<br />

Eher war der Handelsvertreter<br />

entmutigt worden, als er im Auftrag einer<br />

ostbayerischen Gewürzfabrik mit<br />

Senfkörnern und Würzmitteln gleich<br />

nach der Wende im ostdeutschen Lebensmittelhandel<br />

Geschäfte machen wollte.<br />

»Hier kaufen die Leute ihren Bautz’ner<br />

für 29 Pfennige und sonst keinen Senf«,<br />

bekam der inzwischen 65-Jährige immer<br />

wieder zu hören. Dennoch wollte der Gewürzvertreter<br />

seinen Senf dazugeben<br />

und ließ sich 1991 den Firmennamen<br />

»Altenburger Senf« schützen.<br />

Zunächst beschränkte sich das Sortiment<br />

auf die klassischen Geschmacksrichtungen<br />

»scharf« und »mittelscharf«.<br />

Sein erster Abnehmer war ein Altenburger<br />

Imbisshändler. Glücklicherweise<br />

kaufte der gleich einen 10-Kilo-Eimer, sodass<br />

der Tagesumsatz von 4,30 Mark gesichert<br />

war. Nach und nach baute Jungbeck<br />

seine Senffabrik auf. Dafür suchte<br />

er über die Agentur für Arbeit geeignete<br />

Mitarbeiter. Zwar hatte Jungbeck damals<br />

noch keinen »Liebessenf« im Sortiment.<br />

Doch die für ihn zuständige Arbeitsver-<br />

Kulinarisch Flagge zeigen die Thüringer<br />

aber nicht nur virtuell – und längst<br />

nicht nur in Thüringen. So tritt das junge<br />

Unternehmen auch als Sponsor und<br />

Caterer bei bedeutenden Sportereignissen<br />

auf, zum Beispiel beim Schwimmweltcup<br />

in Berlin, beim Fußball-Supercup<br />

des DFB für »Alte Herren« in Weimar,<br />

oder eben auch zur bundesweiten Hausmesse<br />

der renommierten Handelskette<br />

InterSport in Heilbronn.<br />

Als Markenbotschafterin für den<br />

»Thüringer Schlemmertreff« konnte das<br />

Unternehmen die erfolgreiche Schwimmerin<br />

Daniela Schreiber gewinnen. Sie<br />

trainiert beim SV Halle, Hoffman kennt<br />

sie aus seinem früheren Wirkungskreis.<br />

Die 22-jährige Blondine wird dank ihrer<br />

sportlichen Meriten einiges zu einer<br />

größeren Bekanntheit der Thüringer Kumittlerin<br />

konnte er ebenfalls für sich<br />

und seinen Senf gewinnen.<br />

Gemeinsam brachten Karl und Helga<br />

Jungbeck die neue Altenburger Senffabrik<br />

auf Erfolgskurs. Sukzessive erweiterten<br />

sie das Sortiment auf 300 Sorten. Darunter<br />

Klassiker wie Bauern-, Knoblauchoder<br />

Honigsenf und Besonderes wie den<br />

»Köstritzer-Schwarzbier-Senf«. Die Mitarbeiterzahl<br />

wuchs von drei auf 26.<br />

ALLES SENF: Spezialladen in Altenburg<br />

Im ersten, 2004 in der Altenburger Innenstadt<br />

gegründeten »Weltmeister-Senfladen«<br />

ist auch der preisgünstige Bautz’-<br />

ner Senf zu entdecken. Die eigenen<br />

Luxussorten sind deutlich teurer. Das<br />

sieht die Chefin gelassen: »Wir produzieren<br />

Qualität. Die Massenware ist kein<br />

Konkurrent.« Damit meint die Senfhändlerin<br />

das traditionelle Herstellungsverfahren,<br />

die Verwendung von Wasser aus<br />

eigenem Brunnen sowie naturbelassenen<br />

Zutaten. In der neuen »Senfonie« ist<br />

Discount-Ware nicht zu sehen. In dem<br />

vor einem Jahr eröffneten Kochstudio,<br />

wo Besucher die breite Palette an Senfsorten<br />

beim Kochkurs kennen lernen,<br />

erfahren diese alles rund um die Senfherstellung.<br />

Einen zweiten in Eigenregie geführten<br />

Senfladen, neben einigen Franchise-<br />

Nehmern, hat Jungbeck in Dresden eingerichtet.<br />

Direkt neben dem berühmten<br />

Milchladen in der Neustadt. Ein Riesencoup.<br />

Manche Busgruppe, die aussteigt,<br />

um den Milchladen zu besichtigen, lande<br />

schon mal versehentlich im Senfgeschäft,<br />

erzählt Helga Jungbeck.<br />

Renate Wolf-Götz<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 55


UV-AKTUELL<br />

GESCHÄFTSSTELLEN<br />

der Unternehmerverbände<br />

Unternehmerverband Berlin e.V.<br />

Präsident: Armin Pempe<br />

Hauptgeschäftsführer: Andreas Jonderko<br />

Geschäftsstelle:<br />

Ingrid Wachter (Sekretariat)<br />

Frankfurter Alllee 202, 10365 Berlin<br />

Tel.: (030) 981 85 00, 981 85 01<br />

Fax: (030) 982 72 39<br />

E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />

Unternehmerverband Brandenburg e.V.<br />

Präsident: Eberhard Walter<br />

Hauptgeschäftsstelle Cottbus:<br />

Roland Kleint<br />

Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />

Tel.: (03 55) 226 58, Fax: 226 59<br />

E-Mail: uv-brandenburg-cbs@t-online.de<br />

Bezirksgeschäftsstelle Potsdam:<br />

Bezirksgeschäftsführer: Hans-D. Metge<br />

Hegelallee 35, 14467 Potsdam<br />

Tel.: (03 31) 81 03 06<br />

Fax: (03 31) 817 08 35<br />

Geschäftsstelle Frankfurt (Oder):<br />

Geschäftsführer: Detlef Rennspieß<br />

Perleberger Str. 2, 15234 Frankfurt (O.)<br />

Tel.: (03 35) 400 74 56<br />

Mobil: (01 73) 633 34 67<br />

Unternehmerverband Rostock und<br />

Umgebung e.V.<br />

Präsident: Frank Haacker<br />

Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />

Geschäftsstelle:<br />

Wilhelm-Külz-Platz 4, 18055 Rostock<br />

Tel.: (03 81) 242 58 -0, 242 58 -11<br />

Fax: 242 58 18<br />

Regionalbüro Güstrow:<br />

Am Augraben 2, 18273 Güstrow<br />

Tel.: (038 43) 23 61 12, Fax: 23 61 17<br />

Unternehmerverband Norddeutschland<br />

Mecklenburg-Schwerin e.V.<br />

Präsident: Rolf Paukstat<br />

Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />

Geschäftsstelle:<br />

Brunnenstraße 32, 19053 Schwerin<br />

Tel.: (03 85) 56 93 33, Fax: 56 85 01<br />

Unternehmerverband Thüringen e.V.<br />

Präsident: Peter Baum<br />

Geschäftsstelle:<br />

IHK Erfurt<br />

Arnstädter Str. 34, 99099 Erfurt<br />

Tel.: (03 681) 42 00 50, Fax: 42 00 60<br />

Unternehmerverband Vorpommern e.V.<br />

Präsident: Gerold Jürgens<br />

Leiter d. Geschäftsst.: Wolfgang Kastirr<br />

Geschäftsstelle:<br />

Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />

Tel.: (038 34) 83 58 23, Fax: 83 58 25<br />

Unternehmerverband Sachsen e.V.<br />

Präsident: Hartmut Bunsen<br />

Vizepräs.: Dr. W. Zill, Dr. M. Reuschel,<br />

U. Hintzen<br />

Geschäftsführer: Rüdiger Lorch<br />

www.uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Chemnitz:<br />

Leiterin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />

Neefestraße 88, 09116 Chemnitz<br />

Tel.: (03 71) 49 51 29 12, Fax: -16<br />

E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Dresden:<br />

Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck<br />

Antonstraße 37, 01097 Dresden<br />

Tel.: (03 51) 899 64 67, Fax 899 67 49<br />

E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Leipzig:<br />

Leiterin: Silvia Müller<br />

Riesaer Straße 72 – 74, 04328 Leipzig<br />

Tel.: (03 41) 257 91-20, Fax: -80<br />

E-Mail: leipzig@uv-sachsen.org<br />

Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e.V.<br />

Präsident: Jürgen Sperlich<br />

Geschäftsstelle Halle/Saale<br />

Berliner Str. 130, 06258 Schkopau<br />

Tel.: (0345) 78 23 09 24<br />

Fax: (0345) 78 23 467<br />

UV SACHSEN<br />

Mitglied im<br />

Beirat<br />

Sachsens Staatsministerin<br />

für Soziales und Verbraucherschutz<br />

Christine Clauß<br />

hat einen Gleichstellungsbeirat<br />

ins Leben gerufen.<br />

Auf Vorschlag ihres Ministeriums<br />

wurde Gabriele Hofmann-Hunger,<br />

Leiterin der<br />

Repräsentanz Südwestsachsen<br />

des Unternehmerverbandes,<br />

als Mitglied in den Beirat berufen.<br />

Das Gremium, in dem<br />

Vereinigungen, Verbände und<br />

Wissenschaftler zu Wort kommen<br />

sollen, hat die Aufgabe,<br />

zur Verwirklichung der Chancengleichheit<br />

von Männern<br />

und Frauen in Staat, Wirtschaft<br />

und Gesellschaft beizutragen.<br />

UV-Repräsentantin<br />

Hofmann-Hunger schlug vor,<br />

die Perspektiven für Jugendliche<br />

ohne Berufsabschluss in<br />

der Privatwirtschaft und die<br />

Unterstützung für KMU bei<br />

der Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie sowie Pflege und<br />

Beruf in den <strong>Mitte</strong>lpunkt der<br />

nächsten Sitzungen zu stellen.<br />

UV BRANDENBURG<br />

Repräsentanz<br />

verstärkt<br />

Der Verbandsbezirk Potsdam<br />

hat kürzlich seine<br />

Stadtrepräsentanten für<br />

den Bereich Berlin vorgestellt.<br />

Die fünf Unternehmerinnen<br />

und Unternehmer werden<br />

zukünftig die Interessen Berliner<br />

Unternehmen in Brandenburg<br />

vertreten. Dr. Burkhardt<br />

Greiff, Mitglied der<br />

Geschäftsleitung der REMON-<br />

DIS GmbH & Co. KG für die<br />

Region Ost und Mitglied des<br />

Präsidiums im Unternehmerverband<br />

Brandenburg, skizzierte<br />

die Ziele und Entwicklungsmöglichkeiten<br />

der<br />

Berliner Repräsentanz. Der<br />

Verband müsse hier sichtbarer<br />

werden und seinen Bekanntheitsgrad<br />

in der Region<br />

erhöhen. Dazu werden die<br />

Vertreter einen Standpunkt<br />

zu Berliner Schwerpunktthemen<br />

entwickeln und diesen<br />

auch artikulieren, so Greiff.<br />

Es soll der Fachkräftebedarf<br />

gesichert, günstige Rahmenbedingungen<br />

für Industrieansiedlungen<br />

geschaffen<br />

und der Wirtschaftsstandort<br />

Berlin insgesamt und mit<br />

Brückenfunktion in Richtung<br />

Osteuropa vorangebracht<br />

werden. Er plädiere außerdem<br />

dafür, dass Berlin und<br />

Brandenburg ihre Zusammenarbeit<br />

weiter verstärken<br />

und schneller zusammenwachsen<br />

sollten.<br />

Hans-Dietrich Metge, Bezirksgeschäftsführer<br />

des Verbandsbezirks<br />

Potsdam ergänzt:<br />

»Viele Berliner Unternehmen<br />

haben den Wunsch,<br />

mit ihren Interessen auch in<br />

Brandenburg wahrgenommen<br />

zu werden. Der UV Brandenburg<br />

kann hier mit<br />

seinen guten Kontakten zu<br />

den Entscheidern im Land<br />

eine Brücke bauen.«<br />

Umgekehrt gilt das auch für<br />

die Brandenburger Firmen in<br />

Berlin. Neben Dr. Burkhardt<br />

Greiff und Harri Brauer nehmen<br />

die fünf neuen Stadtrepräsentanten<br />

Birgit Dürsch<br />

(Pepcomm GmbH), Hagen<br />

Atzrodt (EUROSOLVENT Inkasso<br />

GmbH & Co. KG), Dr. Joachim<br />

Feske (Audita GmbH<br />

+ TERMINE+<br />

TERMINE<br />

UV Vorpommern<br />

3. September, 10 bis 16 Uhr<br />

»Der Ball ist bunt« – Eine Aktion<br />

für Demokratie in Vorpommern,<br />

Volksstadion Greifswald<br />

UV Thüringen<br />

22. September, 19 Uhr<br />

Vortrag Matthias Wierlacher,<br />

Vorstandsvorsitzender Thüringer<br />

Aufbaubank: Ausgewählte<br />

Förderprogramme für den<br />

Thüringer <strong>Mitte</strong>lstand, Radisson<br />

BLU Hotel Erfurt<br />

UV Rostock<br />

8. Oktober, 10 bis 18 Uhr<br />

Pendleraktionstag zur<br />

Gewinnung von Fach- und<br />

Nachwuchskräften,<br />

Universitätsplatz Rostock<br />

Steuerberatungsgesellschaft),<br />

Lorenz Mayr (Mayr – Kanzlei<br />

für Arbeitsrecht) und Markus<br />

Weyh (AIOS GmbH) nun diese<br />

Interessenvertretung wahr.<br />

UV SCHWERIN<br />

Kontakte zu<br />

US-Firmen<br />

Die amerikanische Generalkonsulin<br />

Inmi Kim<br />

Patterson begrüßte im Juni<br />

eine hochrangig besetzte<br />

Wirtschaftsdelegation aus<br />

dem US-Bundesstaat<br />

Washington und Vertreter<br />

der norddeutschen Wirtschaft<br />

zu Gesprächen in<br />

Hamburg.<br />

Für den UV Norddeutschland<br />

Mecklenburg-Schwerin<br />

nahmen Präsident Rolf Paukstat,<br />

Vizepräsident Karl-Heinz<br />

GESPRÄCHE: Garbe (l.) und Paukstat<br />

(r.) mit US-Generalkonsulin Patterson<br />

Garbe und Hauptgeschäftsführer<br />

Wolfgang Schröder die Gelegenheit<br />

wahr, zahlreiche Kontakte<br />

zu US-Unternehmen aus den<br />

Bereichen Biotechnologie, Automotive<br />

und Luftfahrt zu knüpfen.<br />

Die Washingtoner Gouverneurin<br />

Christin O’Grady Gregoire<br />

hob die Bedeutung ihres<br />

Bundesstaates als wirtschaftliches<br />

Schwergewicht im Staatenverbund<br />

der USA heraus.<br />

Dafür sind unter anderem<br />

Microsoft mit Sitz in Seattle und<br />

der Flugzeughersteller Boeing<br />

verantwortlich, der dort zwei<br />

große Standorte betreibt.<br />

O’Grady Gregoire warb für Investitionen<br />

aus dem Bereich der erneuerbaren<br />

Energien in ihrem<br />

Bundesstaat, denn die USA habe<br />

die grünen Technologien als<br />

Wachstumsmotor der kommenden<br />

Jahre ausgemacht.<br />

56 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


W&M-PRIVAT<br />

LEUTE & LEUTE<br />

NACHLESE<br />

English at Work<br />

Das Deutsche, so<br />

schwärmte Jean Paul,<br />

sei die Orgel unter den<br />

Sprachen. Mag sein. Sobald<br />

der Deutsche sich hinters<br />

Lenkrad seines Automobils<br />

klemmt und als Teilnehmer<br />

am Straßenverkehr mit uniformierten<br />

Vertreterinnen<br />

und Vertretern der Staatsmacht<br />

kommuniziert, stellt<br />

sich allerdings raus, dass er<br />

mehr Schimpfwörter auf der<br />

Pfanne hat als das dreiunddreißigbändige<br />

Wörterbuch<br />

der Brüder Grimm.<br />

Polizisten, die sich für<br />

Halbgötter aus Flensburg halten,<br />

sollten daher immer auf<br />

eine geballte Ladung einschlägiger<br />

Schmeicheleinheiten gefasst<br />

sein. Witzbold ist noch<br />

das schlichteste der Komplimente<br />

und auch das preisgünstigste.<br />

Es kostet laut Bußgeldkatalog<br />

nur 300 Euro. Der<br />

Wichser läuft entschieden<br />

stärker ins Geld und ist unter<br />

1.000 Euro nicht zu haben,<br />

ebenso der Raubritter, das<br />

Bullenschwein und der Trottel<br />

in Uniform. Cholerische<br />

Falschparker, die Politessen<br />

bei der Ausübung ihres Dienstes<br />

beleidigen möchten, sollten<br />

sich für die Schlampe<br />

(1.900 Euro) gegen die alte Sau<br />

(2.500 Euro) entscheiden und<br />

die finanzielle Differenz der<br />

dritten Welt als Spende überweisen.<br />

Karrikatur und Zeichnung: Rainer Schwalme<br />

Gesäßhusten<br />

und Arschfax<br />

Ernst Röhl versucht,<br />

die Sprache der Jugend<br />

zu sprechen<br />

Verbalinjurien wie diese,<br />

Beleidigungen, Kränkungen<br />

und »Ausdrücke« üben auf die<br />

Phantasie der deutschen Jugend<br />

einen mordsmäßigen<br />

Zauber aus. So erklärt es sich,<br />

dass die Schule zum Bildungsschuppen<br />

geworden ist, die<br />

Diskothek zum Zappelbunker,<br />

das Solarium zu Münzmallorca,<br />

der bleiche Teint<br />

des Computerfreaks zur Bildschirmbräune,<br />

das so genannte<br />

Public Viewing zum Rudelgucken,<br />

der Nordic Walker<br />

zur Stockente, der Blumenstrauß<br />

zum Heuchlerbesen,<br />

der Hängebusen zum Knieschoner,<br />

der USB-Stick zum<br />

Datenzäpfchen, die Blitzeraufnahme<br />

bei Geschwindigkeitsübertretungen<br />

zum Zielfoto<br />

und die geräuschvoll entweichende<br />

Blähung zum Gesäßhusten.<br />

Schnell fertig ist<br />

die Jugend mit dem Wort<br />

(Schiller).<br />

Bereits zum dritten Mal<br />

rief der Langenscheidt Verlag<br />

gemeinsam mit der Jugendzeitschrift<br />

»Spiesser« zur<br />

Wahl eines Jugendworts des<br />

Jahres auf. Unter die Top Five<br />

kamen ein »aufgetakeltes<br />

Mädchen in viel zu enger Kleidung«<br />

– die Speckbarbie und<br />

ein »Unterhosenetikett, das<br />

hinten aus der Hose raus<br />

hängt« – das Arschfax.<br />

Zeitungsschreiberlinge<br />

wissen mehr. Sie behaupten,<br />

die unreife Jugend nenne die<br />

reifere Jugend gern Gammelfleisch<br />

und die Ü30-Fete Gammelfleischparty,<br />

die Rente<br />

Abwrackprämie, die Apotheken-Umschau<br />

Rentner-Bravo<br />

und die Polizei Trachtengruppe.<br />

Verdächtig bloß, dass man<br />

diesen pubertären Slang in<br />

freier Wildbahn so selten<br />

hört. Umso öfter liest man<br />

ihn, und zwar in einer Zeitung<br />

mit extra fetten Überschriften.<br />

Könnte es sein, dass<br />

diese »Jugendsprache« nichts<br />

anderes ist als das krankhafte<br />

Blabla der Journalistendarsteller<br />

vom Springer-Verlag?!<br />

Mit einer Ausnahme vielleicht.<br />

Ein kleines, aber feines<br />

Verb setzte sich 2009 sogar als<br />

Jugendwort des Jahres durch.<br />

Es lautet: Hartzen.<br />

&<br />

Hand aufs Herz, verehrter leidlich<br />

oder auch solide des Englischen<br />

kundiger W&M-Leser:<br />

Wussten Sie<br />

wirklich, wie<br />

man den richtigen<br />

Ton anschlägt,<br />

wenn<br />

man auf einer<br />

internationalen<br />

Messe mit<br />

einem potenziellen britischen<br />

Geschäftspartner ins Gespräch<br />

kommen will? War Ihnen immer<br />

schon klar, wohin mit Ihren<br />

Emotionen beim Abfassen einer<br />

E-Mail?<br />

Und gaben Ihnen ihre Vorkenntnisse<br />

genug Sicherheit, Unzufriedenheit<br />

mit einer Dienstleistung<br />

taktvoll und effizient auszudrücken<br />

– auf Englisch, versteht<br />

sich – und der Gefahr zu entgehen,<br />

mit deutscher Plumpheit<br />

in herumstehende Fettnäpfchen<br />

zu treten?<br />

13 Jahre lang hat Ihnen auf dieser<br />

Seite in dieser Randspalte<br />

Chris van Niekerk Sprachlektionen<br />

aus dem weiten Kommunikationsspektrum<br />

von Smalltalk<br />

bis Business English erteilt. Belehrungen<br />

nicht ausgenommen.<br />

Jetzt wissen wir auch mehr von<br />

den Schwierigkeiten bei Übersetzungen<br />

aus der englischen<br />

Arbeitswelt und warum Leading<br />

und Management nicht dasselbe<br />

sind.<br />

Chris van Niekerk, Sonnyboy aus<br />

dem sonnigen Südafrika, exerziert<br />

sein fehlerfreies Deutsch<br />

hauptberuflich bei der English at<br />

Work Language School GmbH,<br />

einer Tochter der britischen<br />

English at Work School Ltd., am<br />

Standort Dresden. In Deutschland<br />

ist die renommierte Sprachtrainingsfirma<br />

auch in Berlin,<br />

Leipzig, Düsseldorf, Frankfurt<br />

am Main, Hamburg, Hannover,<br />

München, Nürnberg und Stuttgart<br />

vertreten. Ihre Kundschaft<br />

findet sie bei Großunternehmen<br />

ebenso wie in kleinen und mittelständischen<br />

Unternehmen<br />

und unter berufstätigen Einzelpersonen.<br />

Für jeden Lernenden<br />

wird eine genaue Bedarfsanalyse<br />

angefertigt, wozu er die<br />

Sprache braucht. Chris van<br />

Niekerk hat dies bei seinen<br />

Kolumnen für W&M stets berücksichtigt.<br />

Wofür wir ihm an<br />

dieser Stelle noch einmal ausdrücklich<br />

danke sagen wollen.<br />

Peter Jacobs<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 09/11 57


KOLUMNE<br />

Europa – trotz Eurokrise!<br />

Man braucht eine wachsende Europa-Müdigkeit<br />

nicht durch<br />

Umfragen zu beweisen: Wahlergebnisse<br />

genügen. Während der letzten<br />

Jahre haben europakritische Parteien<br />

insbesondere im wirtschaftlich erfolgreicheren<br />

Norden Europas beachtliche Erfolge<br />

errungen. Ob kürzlich die »Wahren<br />

Finnen« oder die streng rechtsgerichtete<br />

Partei von Wilders in den Niederlanden;<br />

ob ein dänisches Parlament am ungehinderten<br />

Grenzübergang »Schengen«<br />

bastelt oder eine Marie Le Pen in Frankreich<br />

den EU-Ausstieg befürwortet.<br />

Die Kräfte der Globalisierung haben<br />

zu erheblichen sozialen Verwerfungen in<br />

den Mitgliedstaaten der EU geführt.<br />

Ganze Branchen wurden dem europäischen<br />

Kontinent entzogen und der aus<br />

Asien wirkende Lohndruck hat zu Einkommenseinbußen<br />

und wachsender Ungleichheit<br />

in unseren Breiten geführt.<br />

Das schafft Unruhe, Unwillen, Frust und<br />

politischen Zorn. Dieser trifft zwar noch<br />

immer in erster Linie die nationalen Regierungen,<br />

aber die europäischen Institutionen<br />

sind dann immer auch ein bequemer<br />

Sündenbock.<br />

Es gibt jedoch für die miese Europastimmung<br />

auch europäische Ursachen.<br />

Während der vergangenen Jahre – man<br />

müsste vermutlich Jahrzehnte sagen –<br />

haben die europäischen Institutionen<br />

immer mehr an sich gezogen. Aber gerade<br />

in Europa muss der Aufbau von unten<br />

nach oben erfolgen. Ein föderal organisierter<br />

Staat – und nur als solcher wären<br />

»Vereinigte Staaten von Europa« überhaupt<br />

denkbar – lebt von den Unterschieden<br />

seiner Mitglieder und von der Kreativität<br />

des dezentralen Wettbewerbs. Aber<br />

schon seit ihren Anfängen hat man für<br />

angeblich notwendige Gleichheit die Besonderheiten<br />

der Mitgliedstaaten allzu<br />

oft ohne Grund geopfert. Ich werde nie<br />

vergessen, wie ich in den 70er Jahren bei<br />

Brüsseler Verhandlungen als zuständiger<br />

Staatsminister für Europafragen die Studieninhalte<br />

und Länge des Ingenieurstudiums<br />

vereinheitlichen sollte – angeblich<br />

wegen des »gefährlichen« Wettbewerbs<br />

junger britischer Ingenieure,<br />

die nach kürzerem Studium sich dennoch<br />

– wie ihre deutschen Kollegen – »Ingenieure«<br />

nennen wollten. Warum, so<br />

argumentierte ich damals, kann man<br />

dieses Urteil nicht denjenigen überlassen,<br />

die diese Ingenieure später einstellen?<br />

Warum sollen nicht Prüfungen am<br />

ZUR SACHE<br />

Betrachtung<br />

zur wirtschaftlichen Lage<br />

Von Dr. Klaus von Dohnanyi<br />

Ort ermitteln, ob ein kürzeres Studium<br />

am spezifischen Arbeitsplatz ausreicht?<br />

Am Ende wurde das Verfahren gegenseitiger<br />

Anerkennung zwar wohl zur Regel,<br />

aber die Kommission verteidigte immer<br />

wieder sterile europäische Gleichheit.<br />

Den Menschen, die ja gerne europäische<br />

Bürger sind, können wir aber auf<br />

die Dauer das vielstimmige Theater um<br />

viele überflüssige, von Brüssel angestoßenen<br />

Regeln nicht zumuten. Jedenfalls<br />

nicht, bevor in den großen Fragen Europas<br />

eindeutig mehr Gemeinschaft besteht.<br />

Was sollen die Menschen, zum<br />

Beispiel, denken, wenn Frankreich und<br />

Großbritannien auf eigene Faust einen<br />

Krieg gegen Libyen führen, aber in der<br />

Europäischen Union langer Streit über<br />

einheitliche Biozeichen oder Kalorienhinweise<br />

auf den Lebensmittelverpackungen<br />

geführt wird?<br />

Es gibt zwar Bemühungen – insbesondere<br />

vonseiten der deutschen Regierung<br />

– die Einmischung in nationale Politik-<br />

bereiche zu begrenzen. »Subsidiarität«<br />

heißt das Ziel. Oder: In erster Linie sollen<br />

die Mitgliedstaaten zuständig bleiben, es<br />

sei denn, es wird nachgewiesen, dass es<br />

ohne europäische Gleichheit nicht geht.<br />

Ich bin sicher, wenn wir das Gefühl<br />

der Menschen für die Bedeutung der europäischen<br />

Integration wieder stärken<br />

wollen, dann müssen wir das Prinzip der<br />

Subsidiarität nicht nur in Worten hochhalten,<br />

sondern in Taten durchsetzen.<br />

Dafür wäre es nach nun über 50 Jahren<br />

EU-Erfahrung notwendig sich hinzusetzen<br />

und noch einmal, ganz von vorn,<br />

zu definieren, was von Brüssel, und warum<br />

gerade das, bestimmt werden sollte.<br />

Wenn man hier Einigung erzielt hat, sollte<br />

es einen großen Kehraus überflüssiger<br />

Projekte – und ihrer Bürokraten – geben.<br />

Das wäre die eine Seite: Die Rückbesinnung<br />

darauf, dass die Mitgliedstaaten<br />

die Gemeinschaft ausmachen und nicht<br />

umgekehrt. Die andere Seite, die mindestens<br />

ebenso bedeutsam für eine Wiederbelebung<br />

des Europagedanken wäre,<br />

wurde durch das Euro-Problem deutlich:<br />

Dort, wo sich Mitgliedstaaten an die Gemeinschaft<br />

gebunden haben, dort muss<br />

sicher sein, dass jeder sich an die nun<br />

gemeinsam beschlossenen Regeln hält.<br />

Und es muss im Falle eines Regelverstoßes<br />

auch entsprechende Sanktionen<br />

(Strafen!) geben.<br />

Letzteres war bisher schwer durchzusetzen;<br />

die »nationale Souveränität« wollte<br />

solche Eingriffe nicht erdulden. Aber<br />

hier ist die Eurokrise eine Mahnung. Hätte<br />

eine starke europäische Institution die<br />

volkswirtschaftlichen Daten Griechenlands,<br />

Spaniens, Irlands oder Portugals<br />

eingehend und unabhängig prüfen können,<br />

dann wäre mindestens Griechenland<br />

die Tür zum Euro nicht zugänglich<br />

gewesen. Und hätte dann die Europäische<br />

Zentralbank (die heute faule Schulden<br />

aufkaufen muss!) zum Beispiel das<br />

Recht, jede Aufnahme von Schulden jenseits<br />

der Maastricht-Kriterien zu untersagen,<br />

hätten wir das griechische Problem<br />

auch nicht.<br />

Europa kann integriert werden. Aber<br />

nicht durch immer mehr zentralistische<br />

Eingriffe, sondern durch klare Rahmenbedingungen,<br />

Transparenz der Datenlage<br />

und Sanktionen gegen Verstöße dieser<br />

Vereinbarungen. Wir sollten jetzt<br />

nicht leichtfertig einem neuen Zentralismus,<br />

sondern eher sanktionsbewehrten<br />

Rahmenregelungen Vorrang geben. &<br />

58 WIRTSCHAFT & MARKT 09/11


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