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WIRTSCHAFT+MARKT Wende - Aufbruch (Vorschau)

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25. Jahrgang | Heft 5 | Oktober/November 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

<strong>Wende</strong><br />

<strong>Aufbruch</strong><br />

Blühende Landschaften?


Foto: Getty Images<br />

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W+M Editorial | 3<br />

Die Macher des <strong>Aufbruch</strong>s<br />

Mit dem Herzen dabei<br />

Foto: Torsten George, Titel: Kathi/J. Schlüter (Thiele), Staatskanzlei Brandenburg (Stolpe), Rotkäppchen/U. Ehmann (Heise), T. Schwandt (Gustke), MOZ (Mangelsdorf ), T. Wranik (Garkisch)<br />

Wir befinden uns<br />

im Herbst eines<br />

wirklich bedeutungsschweren<br />

Gedenkjahres:<br />

Hundert Jahre<br />

Ausbruch des Ersten Weltkriegs,<br />

75 Jahre Beginn<br />

des Zweiten Weltkriegs, 70<br />

Jahre Landung der Alliierten<br />

– all diese Jahrestage<br />

wurden in den vergangenen<br />

Wochen und Monaten<br />

auf vielfältige Weise gewürdigt.<br />

Jetzt steuert Deutschland auf den letzten<br />

großen Erinnerungstag des Jahres 2014<br />

zu, der im Unterschied zu den vorher genannten<br />

Ereignissen ohne Blutvergießen<br />

und Gewalt verlief und ungeachtet dessen<br />

bis heute historische Tragweite hat: Am<br />

8. November jährt sich zum 25. Mal der<br />

Fall der Mauer in der ehemaligen DDR. Die<br />

Öffnung der Grenzen war ein Höhepunkt<br />

der friedlichen Revolution, in deren Folge<br />

vier Monate später demokratische Wahlen<br />

stattfanden und im Herbst 1990 dann die<br />

Wiedervereinigung Deutschlands vollzogen<br />

wurde.<br />

Die <strong>Wende</strong> vor 25 Jahren stellte fast die<br />

gesamte berufstätige Bevölkerung in Ostdeutschland<br />

vor fundamentale Herausforderungen.<br />

Da nahezu alle Institutionen,<br />

Behörden, Verwaltungen, Kombinate,<br />

Genossenschaften und volkseigenen<br />

Betriebe abgewickelt, geschlossen oder<br />

zumindest dramatisch heruntergefahren<br />

wurden, mussten sich rund 90 Prozent<br />

der Menschen im arbeitsfähigen Alter beruflich<br />

neu orientieren. So etwas hat es<br />

in der jüngeren Geschichte noch nie gegeben.<br />

Der Prozess der Umstellung von<br />

erlebter sozialistischer Planwirtschaft<br />

hin zur Marktwirtschaft in der größer<br />

gewordenen Bundesrepublik lief nicht<br />

ohne Probleme ab. Es gab Menschen, die<br />

nie wieder Fuß fassten, es gab Enttäuschte<br />

und Zurückgelassene.<br />

Aber mehr noch gab<br />

es überall in den neuen<br />

Ländern Menschen, die<br />

die Ärmel aufkrempelten,<br />

die ins kalte Wasser<br />

des Unternehmertums<br />

sprangen, sich selbstständig<br />

machten und<br />

oft eigene Unternehmen<br />

gründeten. Entstanden<br />

ist ein grundsolider<br />

Mittelstand, der<br />

heute das Rückgrat der<br />

ostdeutschen Wirtschaft bildet, der für<br />

stabile Beschäftigung und Steuereinnahmen<br />

der Kommunen sorgt.<br />

Karsten Hintzmann<br />

Chefredakteur<br />

KH@wundm.info<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> würdigt die Leistungen<br />

der ostdeutschen Unternehmer<br />

mit einer ausführlichen Titelgeschichte,<br />

die sich über 36 Seiten erstreckt. Stellvertretend<br />

für die vielen Firmengründer<br />

zwischen Wismar und Suhl stellen wir „25<br />

Macher des wirtschaftlichen <strong>Aufbruch</strong>s“<br />

vor. Bewusst haben wir uns für eine Mischung<br />

aus prominenten und eher unbekannten<br />

Persönlichkeiten entschieden.<br />

Wir wollten kein Ranking, sondern die<br />

Breite des Spektrums abbilden. Eines haben<br />

alle vorgestellten Personen gemein:<br />

Sie haben sich aktiv für den wirtschaftlichen<br />

Aufschwung in Ostdeutschland eingesetzt<br />

– jeder an seinem Platz, sei es in<br />

Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung<br />

oder in der Politik.<br />

Der ersten Unternehmergeneration der<br />

Nachwendezeit ist es maßgeblich zu verdanken,<br />

dass man heute vielerorts die<br />

vom früheren Bundeskanzler Helmut<br />

Kohl beschworenen „blühenden Landschaften“<br />

tatsächlich antrifft. Allerdings<br />

ist der Prozess des <strong>Aufbruch</strong>s und der Angleichung<br />

der Verhältnisse zwischen West<br />

und Ost noch lange nicht abgeschlossen.<br />

Dafür braucht es unverändert einen langen<br />

Atem.<br />

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www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


4 | W+M Inhalt<br />

56<br />

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50<br />

IAA in Hannover<br />

60<br />

Golfen unterm Wind<br />

42 Die digitale Fabrik<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


W+M Inhalt | 5<br />

W+M Titelthema<br />

25 Jahre <strong>Wende</strong> – 25 Jahre wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong> 6 – 41<br />

W+M Titelthema<br />

25 Macher des <strong>Aufbruch</strong>s in den neuen Ländern<br />

Peter-Michael Diestel – Tatbeteiligter der <strong>Wende</strong> 6<br />

Bert Sieber – Experte für Transformatoren aller Art 10<br />

Tino Ecke – Mit Schlagkraft im Wald 10<br />

Helga Schadock – Orthopädietechnische Hilfen aus Vogelsdorf 10<br />

Martin Bergmann – Modernste Umwelttechnik aus Sachsen 11<br />

Peter Müller – Ein Mann mit dem richtigen Riecher 11<br />

Gunter Heise – Rotkäppchen-Sekt auf Siegeszug 12<br />

Dietmar Enderlein – Leitwolf in zwei Systemen 14<br />

Christoph Links – Der Longseller-Stratege 16<br />

Manfred Stolpe – Ein Ministerpräsident zieht Bilanz 18<br />

Franz-Lorenz Lill – Feuerwehrmann für Osteuropa 22<br />

Peter Rost – Drucken in Großformat 22<br />

Petra Quermann – Bewahrt das Erbe ihres Vaters 22<br />

Stephan Garkisch – Spitzenkoch aus Ostberlin 23<br />

Thomas Jahnecke – Spezialist für Hörgeräte 23<br />

Peter Meyer – Das Unternehmen Puhdys 24<br />

Rainer Thiele – Kathi-Backmischungen überall gefragt 26<br />

Thomas Grabbe – Verkauft Güstrows schönsten Schmuck 28<br />

Walter Botschatzki – Mit dem Multicar hinaus in die Welt 30<br />

Stephan Gustke – Erfolgreiche Logistik aus dem Norden 31<br />

Thomas Süß – Zwischen Baufirma und Yachthafen 32<br />

Frank Mangelsdorf – Geschichte hautnah erlebt 34<br />

Holger Raithel – Tradition ohne Kaffeekannen 36<br />

Martin Röder – Mit Gelenkwellen auf den Weltmarkt 38<br />

Hans-Peter Urban – Adlershofer Fernsehretter 40<br />

Analyse des <strong>Aufbruch</strong>s: ifo-Chef Joachim Ragnitz 41<br />

W+M Länderreport<br />

Sachsen-Anhalt: Die digitale Fabrik 42<br />

W+M Politik<br />

Energiewende und Versorgungssicherheit:<br />

Interview mit Bernd Dubberstein, E.DIS-Vorstandschef 44<br />

Der Osten und die Energiewende:<br />

Gespräch mit Tim Hartmann, enviaM-Vorstandsvorsitzender 46<br />

ifo-Geschäftsklimaindex für Ostdeutschland 48<br />

W+M Ratgeber<br />

Automobil: Ausblick auf die IAA in Hannover 50<br />

Steuern und Finanzen 52<br />

Literatur: Die ostdeutsche Bestsellerliste für Wirtschaftsliteratur 54<br />

Büro: Günstige Versandhändler für Büromaterialien 56<br />

W+M Netzwerk<br />

Impressionen vom Ostdeutschen Energieforum 58<br />

Ostsee-Meeting auf der Traditionsrennbahn in Bad Doberan 59<br />

UV Business Challenge: Golfen unterm Wind 60<br />

VBKI-Sommerfest: Aufmarsch der Kronprinzen 61<br />

VBIW: Aktuelles aus dem Verein 62<br />

Neues aus den Unternehmerverbänden 64<br />

6-41<br />

Macher des <strong>Aufbruch</strong>s<br />

W+M Die letzte Seite<br />

Ausblick und Personenregister 66<br />

W+M Weitere Beiträge<br />

Editorial 3<br />

Impressum 43<br />

Dieser Ausgabe von <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> liegt die Sonderausgabe<br />

W+M Exklusiv Vorpommern bei.<br />

Teilen der Auflage liegen Beilagen der Zentralkonsum eG und des<br />

Steigenberger Hotels Zur Sonne Rostock bei.<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


6 | W+M Titelthema<br />

Auf holprigen Wegen zu blühenden<br />

Landschaften<br />

Die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern aus Sicht von<br />

Dr. Peter-Michael Diestel<br />

Meine persönliche Situation in den Jahren 1989/90 ist in etwa mit der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

in Ostdeutschland zu vergleichen – unberechenbar, explosiv und außerordentlich dynamisch.<br />

Nur habe ich vielleicht etwas mehr von den wirtschaftlichen Ergebnissen meiner Tätigkeit<br />

festhalten können.<br />

Peter-Michael Diestel<br />

auf seinem Landsitz<br />

in Mecklenburg.<br />

Eingangs ist die Feststellung unerlässlich,<br />

dass der Weg hin zur Marktwirtschaft<br />

und zur rigorosen Veränderung<br />

der sozialistischen Wirtschaftsstrukturen<br />

alternativlos richtig war.<br />

Hinterher sind alle klüger und die Zahl<br />

der „Besserwisser“ und „Bessermacher“<br />

nimmt im Nachhinein utopische Dimensionen<br />

an. In den Monaten, in welchen ich<br />

als Stellvertreter des Ministerpräsidenten<br />

Lothar de Maizière und als Innenminister<br />

Verantwortung trug, sind mir die Dimensionen<br />

des Wandels deutlich geworden.<br />

Eine umfassende wirtschaftspolitische<br />

und finanzpolitische Gesetzgebung<br />

schuf die Grundlage für die notwendigen<br />

Veränderungen. Der Rechtsangleichungsprozess<br />

zweier unterschiedlicher Wirtschaftsordnungen<br />

erschien mir damals<br />

zunächst unverständlich und unlösbar.<br />

Auf beiden Seiten gab es keine vorbereiteten<br />

Konzepte für eine einheitliche<br />

Wirtschafts- und Wirtschaftsrechtsordnung.<br />

Kluge Wegbegleiter wie der damalige<br />

Ministerpräsident Lothar de Maizière,<br />

sein Finanzstaatssekretär Walter Siegert,<br />

aber auch Detlev Karsten Rohwedder erklärten<br />

mir die Entwicklungsrichtungen.<br />

Ich habe immer eifrig und verständnisvoll<br />

genickt, jedoch wenig verstanden.<br />

Auf jeden Fall entschloss ich mich in dieser<br />

Zeit, mein stärkeres Bein, also mein<br />

Sprungbein, für das anwaltliche Leben<br />

zu nutzen und konnte mit Gleichgesinnten<br />

Anwaltskanzleien in Leipzig, Berlin,<br />

Rostock, Potsdam, Güstrow und Zislow<br />

am Plauer See aufbauen. So war ich praktisch<br />

immer dabei, konnte Einiges erleben<br />

und jetzt darüber reden.<br />

Schwierigkeiten der ersten Stunden<br />

In den frühen 1990er Jahren erlebten<br />

wir einen riesigen Abwanderungsprozess<br />

leistungsfähiger, in der Regel junger<br />

Menschen von Ost nach West. Im gleichen<br />

Zuge kamen aus dem Westen häufig<br />

diejenigen in den Osten, die in ihrer<br />

Heimat übrig waren bzw. dort nichts geworden<br />

sind. Eine außerordentlich widersprüchliche<br />

Entwicklung.<br />

Bei den zahlreichen Privatisierungsverhandlungen<br />

in den Gliederungen der damaligen<br />

Treuhandanstalt ist mir die Atmosphäre<br />

noch in guter Erinnerung. Der<br />

im Westen dreimal gescheiterte Scharlatan<br />

trat im dunklen maßgeschneiderten<br />

Anzug mit Schlips und goldener Krawattennadel<br />

elegant auf und stach zumeist<br />

den ostdeutschen „Präsent 20“-Anzugträger<br />

in den Bewerbungsgesprächen<br />

und Ausschreibungen aus. Der Erstgenannte<br />

hatte fast immer hochglänzende<br />

Konzept unterlagen in krokodilledernen<br />

Aktenkoffern dabei. Die Orts- und Branchenkenntnis<br />

bei dem ostdeutschen Privatisierungsbewerber<br />

fand leider bei den<br />

Foto (auch Titel): Susann Welscher<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 7<br />

Peter-Michael Diestel (M.) im Kreis<br />

der letzten DDR-Regierung.<br />

Foto: Privat<br />

Entscheidungsträgern kaum Berücksichtigung.<br />

Dennoch: Der Weg der Privatisierung<br />

der ostdeutschen Unternehmen war in der<br />

vorliegenden Art und Weise – trotz der zahlreichen<br />

negativen Ergebnisse, trotz teilweise<br />

krimineller Verwerfungen – der einzig<br />

Richtige. Wirtschaftshistorische Dimensionen<br />

und die Verdienste der Treuhandanstalt<br />

und ihrer Gliederungen sind mit einem komplizierten,<br />

fast negativen Image in die Geschichte<br />

eingegangen. Das ist falsch und<br />

bedarf der Korrektur. Insbesondere wenn<br />

man die Privatisierungsprozesse in anderen<br />

ehemals sozialistischen Ländern vergleicht,<br />

könnte man zu der Erkenntnis kommen, dass<br />

sich die Privatisierungsprozesse in Ostdeutschland<br />

mustergültig vollzogen haben.<br />

Jeder Anfang ist schwer<br />

Die von unserem Kanzleiverbund betreuten<br />

mittelständischen Unternehmen arbeiten<br />

allesamt in gesellschaftsrechtlichen Strukturen,<br />

die es vor 1990 nicht gab. Von einer<br />

ostdeutschen Großindustrie kann man nicht<br />

sprechen, weil es sie nicht oder nicht mehr<br />

gibt, was für unsere Region – betrachtet man<br />

die beiden letzten Jahrhunderte – untypisch<br />

ist. Deshalb waren die zahlreichen gesellschaftsrechtlichen<br />

Aus- und Umgliederungen,<br />

GmbH-Gründungen, Gründungen von<br />

Aktiengesellschaften und anderen Rechtsformen<br />

und deren rechtliche Begleitung für<br />

die ortsansässige Anwaltschaft ein umfangreicher<br />

Teil des Broterwerbs. Ich habe es immer<br />

für bemerkenswert gehalten, welche Persönlichkeiten<br />

als Geschäftsführer und Vorstände<br />

erfolgreich waren und welche nicht.<br />

Unnütze Differenzierungen zwischen den<br />

Gesellschaftern haben Unternehmen in der<br />

Regel zurückgeworfen und häufig zähe, aufwändige<br />

Rechtsstreite nach sich gezogen.<br />

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass<br />

der ostdeutsche „Alpharüde“ in Kombination<br />

mit dem „Pfennigfuchser“ aus dem Westen<br />

ein erfolgreiches Team bildeten. Hier<br />

möchte ich mein pauschales Anfangsurteil<br />

etwas revidieren: Ich habe im Laufe der letzten<br />

zweieinhalb Jahrzehnte viele hochinteressante<br />

Unternehmerpersönlichkeiten aus<br />

den alten Bundesländern kennengelernt, die<br />

sich im Osten engagieren. Der liebe Gott hat<br />

uns also auch ganz helle Köpfe aus dem Westen<br />

rübergeschickt. Einige zu nennen sei mir<br />

hier gestattet.<br />

Franz-Josef Wernze, Steuerberater aus Nordrhein-Westfalen,<br />

baute aus Teilen der Abteilung<br />

Rechnungsführung und Statistik eines<br />

DDR-Ministeriums eine Steuer- und Wirtschaftsberatungsstruktur<br />

auf, die heute zu<br />

den bedeutendsten in ganz Deutschland gehört.<br />

Franz-Josef Wernze hat die Menschen<br />

so akzeptiert, wie sie sind und hat Partnerschaften<br />

im klassischen und edlen Sinne zu<br />

hunderten begründet. Er hat vermieden, seinen<br />

Mitstreitern zu erklären, wo rechts oder<br />

links ist und wo das Licht angeht. Auf diese<br />

Weise hat er Konzernstrukturen geschaffen,<br />

an denen man nicht vorbeikommt, wenn<br />

man in den fünf neuen Bundesländern erfolgreich<br />

sein will.<br />

Darüber hinaus ist er ein Chef, der fast alle<br />

Mitarbeiter persönlich kennt, was ich bei einigen<br />

tausend Angestellten für bemerkenswert<br />

halte. Eine gewisse Abneigung hegt der<br />

Unternehmer gegen Rechtsanwälte, die bei<br />

kühnen Projekten wohl immer im Wege stehen.<br />

Seit 1990 gründete Christoph Kroschke im<br />

Osten Deutschlands zahlreiche Unternehmungen<br />

und schuf damit hunderte Arbeitsplätze.<br />

Die Privatisierung des veralteten Kfz-<br />

Zulassungswesens und damit verbundene<br />

Dienstleistungen waren Gegenstand seiner<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


8 | W+M Titelthema<br />

unternehmerischen Tätigkeit. Schon lange<br />

vor der <strong>Wende</strong> galten die Kroschke-Brüder<br />

aus Braunschweig bundesweit als erfolgreiche<br />

Unternehmer. Deshalb ist es ein glücklicher<br />

Umstand, dass sich Christoph Kroschke<br />

auch im Osten Deutschlands sozialisieren<br />

ließ.<br />

Ulrich Marseille ist Betreiber diverser Kliniken<br />

und Altenheime. Den hellwachen und außerordentlich<br />

beweglichen Unternehmer aus<br />

Hamburg habe ich in den 1990er Jahren kennengelernt.<br />

Im Bereich des ostdeutschen Gesundheitswesens,<br />

insbesondere in der Altenpflege,<br />

gründete er zahlreiche Unternehmen<br />

und gab damit tausenden Menschen stabile<br />

Arbeitsplätze und soziale Sicherheit. Gelegentlich<br />

denkt man nicht so schnell wie er<br />

oder ist nicht in der Lage, festgelegte Dinge<br />

in der gewünschten Geschwindigkeit umzusetzen.<br />

Dann erlebt man einen begnadeten<br />

Polterkopf. Na und? Man kann ja auch für die<br />

Heilsarmee arbeiten. Auch wenn die deutsche<br />

Medienwelt ein zwiespältiges Verhältnis<br />

zum Unternehmer Ulrich Marseille hat,<br />

ich mag ihn, weil ich ihn kenne und weil ich<br />

seine Lebensleistung schätze. Es ist gut, dass<br />

er den Osten für sich entdeckt hat.<br />

Ich könnte diese Aufzählung noch eine Weile<br />

fortsetzen und käme dabei zwangsläufig ins<br />

Schwelgen. Aber ich muss noch über meine<br />

zahlreichen ostdeutschen Mandanten, Unternehmer<br />

und Freunde reden, die es wesentlich<br />

schwerer hatten, erfolgreiche Unternehmen<br />

aufzubauen und denen dies trotzdem<br />

gelungen ist.<br />

DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel (l.) mit Wolfgang Schäuble<br />

(M.) im Sommer vor der deutschen Wiedervereinigung.<br />

So denke ich mit großem Respekt an Prof.<br />

Dietmar Enderlein, Militärarzt, NVA-Offizier<br />

und erfolgreicher Unternehmer, der mit großer<br />

Willensstärke einen Klinikkonzern, die<br />

MEDIGREIF-Unternehmensgruppe, geschaffen<br />

hat und auf diese Weise über die Jahre<br />

tausenden Menschen soziale Sicherheit vermitteln<br />

konnte.<br />

Jahrelang hatte ich die Aufgabe, das Unternehmerehepaar<br />

Dr. Barbara und Dr. Wolfgang<br />

Neubert beim Aufbau eines Konzerns im Gesundheitsbereich<br />

mit Sitz in Bad Wilsnack<br />

(Prignitz) zu begleiten. Gerade in diesem Fall<br />

verwunderte mich, mit welcher Geschwindigkeit<br />

praktizierende Ärzte sich erfolgreich<br />

in wirtschaftliche Kategorien einarbeiten<br />

konnten und zu erfolgreichen Unternehmern<br />

wurden. Die KMG-Kliniken entwickelten<br />

sich in den letzten Jahrzehnten so<br />

zu einem in Ostdeutschland beachteten und<br />

geschätzten Konzern.<br />

Auch diese Liste kann fortgeführt werden<br />

und sie bestätigt, dass sich die wirtschaftliche<br />

Entwicklung in Ostdeutschland holprig<br />

und schwer, jedoch kontinuierlich und<br />

positiv vollzogen hat. Wenn man zurückblickt,<br />

bleiben erfahrungsgemäß immer nur<br />

die erfolgreichen Unternehmen in der Erinnerung<br />

haften. Vergessen habe ich die agilen<br />

Unternehmer nicht, die aufgrund der<br />

politischen Entwicklung im Solarbereich<br />

gescheitert sind, vergessen habe ich nicht<br />

die zahlreichen Unternehmer, die ihre Investition<br />

nicht im Verhältnis zu dem eigenen<br />

wirtschaftlichen Aufkommen gesetzt<br />

haben, und vergessen habe ich auch nicht<br />

jene ostdeutschen Unternehmer, deren Verwaltungsgebäude,<br />

Pkw und sonstige Aufwendungen<br />

folgerichtig zu einem negativen Ergebnis<br />

führen mussten.<br />

Peter-Michael Diestel (r.) als Präsident des<br />

FC Hansa Rostock mit Trainer Frank Pagelsdorf.<br />

Ja, der Weg in den letzten 25 Jahren hat die<br />

ostdeutsche Wirtschaft grundlegend verändert.<br />

Es gab Kämpfe und viele von uns haben<br />

diese nicht überstanden. Es gab Verwerfungen<br />

und geradlinige Entwicklungen. Der Weg<br />

der ostdeutschen Wirtschaft ist für mich klar<br />

vorgezeichnet, er führt in „blühende Landschaften“,<br />

die man sehen kann, wenn man sie<br />

sehen will. Ich gebe zu, dass man die Brille<br />

vorher putzen muss.<br />

W+M<br />

Fotos: Privat<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 9<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


10 | W+M Titelthema<br />

Der Transformator<br />

Seit seinem 16. Lebensjahr dreht<br />

sich bei Bert Sieber (53) beruflich<br />

alles um Transformatoren. Zunächst<br />

absolvierte der im früheren<br />

Karl-Marx-Stadt geborene Sieber<br />

eine Elektromonteur-Lehre, anschließend<br />

studierte er erfolgreich<br />

Elektrotechnik. Im Berliner Transformatorenwerk<br />

(TRO) machte der<br />

junge Elektroingenieur schnell Karriere:<br />

Nachdem er an vielen Orten<br />

der DDR Transformatoren installiert hatte, durfte er auch im Nahen<br />

und Mittleren Osten Elektroanlagen montieren.<br />

Dem mit der Deutschen Einheit einhergehenden Zusammenbruch<br />

des TRO kam Sieber mit einer beruflichen Neuorientierung zuvor. Er<br />

wechselte für ein Jahr zum Branchenriesen ABB und baute dort den<br />

Vertrieb von Transformatoren für Ostdeutschland auf. Die neuen Regeln<br />

der Marktwirtschaft begriff Sieber schnell. Bereits im November<br />

1991 gab er seinen Angestellten-Job auf, machte sich mit einigen<br />

seiner alten TRO-Kollegen selbstständig und gründete die IFT Ingenieurbüro<br />

Bert Sieber GmbH. Anfangs in einer Bürogemeinschaft<br />

mit einem Branchenexperten aus dem Westteil Berlins, verkaufte er<br />

neue und gebrauchte Transformatoren. Im Laufe der Jahre liefen die<br />

Geschäfte kontinuierlich erfolgreicher, so dass Sieber im Jahr 2007<br />

in Dahlewitz im Berliner Speckgürtel ein 6.000 Quadratmeter großes<br />

Grundstück mit zwei Betriebshallen erwarb. Dort repariert sein<br />

inzwischen zwölfköpfiges Team gebrauchte Transformatoren und<br />

Schaltanlagen und baut maßgeschneiderte Anlagen für Kunden in<br />

aller Welt. Beim Rückblick auf die Firmenentwicklung sagt der heute<br />

53-Jährige: „Ich hätte nie gedacht, dass wir mit unserer Geschäfts idee<br />

über so viele Jahre Erfolg haben würden. Und dabei sind wir angesichts<br />

der Herausforderungen der eingeleiteten Energiewende noch<br />

lange nicht am Ziel.”<br />

KH<br />

Mit Schlagkraft im Wald<br />

Kaum 25 Jahre jung war Tino Ecke (47),<br />

als er 1992 sein Forstunternehmen gründete.<br />

Doch den zupackenden Landwirt<br />

aus dem thüringischen Remptendorf bei<br />

Schleiz, der bereits zu DDR-Zeiten in den<br />

Wald gewechselt war, zog es mit Macht<br />

in die Selbstständigkeit. Zunächst verdingte<br />

er sich bei Kommunen, Kirchen<br />

und privaten Waldbesitzern als Dienstleister.<br />

Er schlug Holz ein, fuhr es in Sägewerke,<br />

forstete auf, reparierte Wege, zäunte Schonungen ein, handelte<br />

Brennholz. Da er selbst 30 Hektar Wald besitzt und damit bestens<br />

weiß, wie schwer sich dieser in der gebotenen Nachhaltigkeit bewirtschaften<br />

lässt, betrieb er dabei nie Raubbau um des schnellen Gewinns<br />

wegen. Das sprach sich herum unter seinen Stammkunden, zu<br />

denen heute mehrere hundert Waldbesitzer gehören. So wuchs erst<br />

zügig die Nachfrage, dann der Umsatz und damit auch seine technische<br />

und personelle Schlagkraft. Heute besorgt er für das Gros seiner<br />

Kunden praktisch die gesamte forstliche Servicekette – vom noch<br />

stehenden Altbestand, den es zu durchforsten und gegebenenfalls<br />

zu ernten gilt, über den Abtransport bis zur Vermarktung über zahlreiche<br />

Sägewerke in Thüringen und Bayern.<br />

HL<br />

Orthopädietechnik aus Vogelsdorf<br />

Im VEB Intermed Export-Import, einem Außenhandelsbetrieb, der<br />

weltweit DDR-Medizintechnik verkaufte, hatte Helga Schadock bis<br />

1990 ihren Arbeitsplatz und vorher im humanmedizinischen Bereich.<br />

Die Abwicklungsphase überstand die gelernte Fachphysiotherapeutin<br />

und studierte Außenwirtschafterin ohne Blessuren. Die auf rehabilitative<br />

Hilfsmittel spezialisierte Firma Thomashilfen aus Bremerförde<br />

Fotos (auch Titel): Privat (oben), Hintzmann (unten rechts), Harald Lachmann (unten links)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 11<br />

betraute sie mit dem Aufbau eines Vertriebsnetzes in den neuen Ländern.<br />

Helga Schadock: „In dieser Zeit erfuhr ich eine sehr gediegene<br />

und freundliche Zusammenarbeit, speziell mit skandinavischen Unternehmen.”<br />

Eigentlich hätte es in diesen Bahnen weitergehen können.<br />

Aber bei einem Bankengespräch im Jahr 1994 wurde ihr nahegelegt,<br />

sich mit ihrer enormen Marktkenntnis und dem dichten Netz<br />

an Kontakten zu Herstellerfirmen von medizinischen Hilfsmitteln<br />

selbstständig zu machen. „Also gründete ich mit meinem Mann die<br />

Firma ots Schadock orthopädietechnische Hilfen GmbH”, so Schadock.<br />

Zum Firmensitz wurde die eigene Datsche in Vogelsdorf bei<br />

Berlin ausgebaut. Zu Beginn hatte die Firma drei Mitarbeiter. Inzwischen<br />

hat sich ots Schadock prächtig entwickelt – es gibt jetzt einen<br />

neuen, wesentlich größeren Firmensitz in Vogelsdorf und Filialen in<br />

Berlin und Brandenburg. „Wir arbeiten mit Kliniken, Ärzten, Hauskrankenpflegen<br />

und anderen medizinischen Dienstleistern auf den<br />

Gebieten Orthopädie-, Reha-Technik sowie Gesundheitsprävention<br />

zusammen.” Inzwischen hat Helga Schadock mit etwa 70 Jahren das<br />

Rentenalter erreicht und das operative Geschäft an ihren Sohn übergeben.<br />

Aber ans Aufhören denkt die in Zeulenroda aufgewachsene<br />

Unternehmerin nicht: „Als Gesellschafterin bringe ich weiterhin meine<br />

Ideen für den Erfolg der Firma ein.”<br />

KH<br />

Dr. Peter Müller (l.) und<br />

Sohn Dr. Stefan Müller.<br />

Fotos (auch Titel): Michael Sachsenweger (rechts), Harald Lachmann (links)<br />

Immer frisches Wasser<br />

Als junger Ingenieur machte<br />

Martin Bergmann (63) das<br />

Wasser zu seinem beruflichen<br />

Schwerpunkt. Eigentlich entstammte<br />

er aber einer Betonbauerdynastie.<br />

Da diese in der<br />

DDR enteignet wurde, studierte<br />

er in Dresden Wasserversorgung<br />

und Abwasserbehandlung.<br />

Doch mit der <strong>Wende</strong> bekam<br />

er die elterliche Firma zurück.<br />

Er verdiente auch schnell<br />

gut am Aufbauboom, errichtete<br />

gar ein komplett neues Werk<br />

in Penig bei Chemnitz – und konnte doch nicht vom Wasser lassen.<br />

Zunächst ging es nur um mehr Absatz für Schachtteile aus seiner Betonproduktion,<br />

als er begann, mit alten Studienfreunden über zeitgemäße<br />

Wasseraufbereitung zu fachsimpeln. Doch dann ersannen sie<br />

ein vollbiologisches Klärverfahren, wie es die Welt noch nicht kannte.<br />

So liefen seine Anlagen, für die er nun eine zweite Firma gründete,<br />

bald auch in Kanada, China, Saudi-Arabien sowie halb Europa. Um<br />

die 30.000 sind es bereits. Und die Bergmann Gruppe, die nun als AG<br />

firmiert, wuchs weiter – etwa um einen speziellen Umwelttechnikzweig.<br />

Da er inzwischen das operative Geschäft in jüngere Hände<br />

gab, verfeinert er hier nun mit Experten der Technischen Universität<br />

in Chemnitz, Cottbus und Dresden diese Verfahren.<br />

HL<br />

Der richtige Riecher<br />

Chemiker Dr. Peter Müller hat 1992 den richtigen Riecher, gründet<br />

mit einem Ex-Kollegen Miltitz Aromatics (MA). In Bitterfeld, ein Jahrhundert<br />

lang Inbegriff stinkender Chemieabgase. Nun statt Braunkohletagebau<br />

Erholungsgebiet mit See. Wer heute einen Parfumflacon<br />

öffnet, könnte einen Hauch Bitterfeld spüren. Feinste Düfte von<br />

Miltitz Aromatics, die die Welt erobern.<br />

Möglich durch Lothar Domröse, Generalleutnant a. D. der Bundeswehr<br />

aus Bonn. Zwar ohne Ahnung von Riechstoffen, kennt er jedoch<br />

einen Privatbank-Inhaber und lädt ihn nach Bitterfeld. Peter Müller<br />

will 350.000 D-Mark für die Firmengründung, der Banker Sicherheit<br />

– und kriegt vom General: „Mein Wort!“ So einigt man sich.<br />

MA geht in die Nische, forscht, um bekannte Substanzen effektiver<br />

herzustellen, Verfahren zu optimieren. Topnote ist das hier kreierte<br />

Hydroxyambran mit dem Ambra-Duft. „Da sind wir Weltmarktführer.“<br />

Ambra, eine krankhafte Ausscheidung des Pottwals, ist selten<br />

und teuer wie Gold. Das baut MA nach.<br />

Peter Müller ist jetzt 65, Sohn Stefan sein Nachfolger. MA hat 50 Mitarbeiter,<br />

produziert über 50 Duft- und Aromastoffe, Jahresumsatz elf<br />

Millionen Euro. Der Rat des Seniors: „Wenn etwas schiefgeht, aufstehen,<br />

weitermachen.“<br />

DM<br />

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12 | W+M Titelthema<br />

Mut zu Mumm<br />

Abfüllanlage für Rotkäppchen Sekt in Freyburg.<br />

Von Haus aus bodenständiger Ingenieur, gelang Gunter Heise (63) – einst Technischer Leiter des<br />

VEB Rotkäppchen-Sektkellerei Freyburg – ab 1993 ein doppeltes Husarenstück: Erst privatisierte er<br />

erfolgreich die Traditionsmarke Ost, dann kaufte er nach und nach die westdeutsche Konkurrenz<br />

auf.<br />

Von Harald Lachmann<br />

Geborene Ostdeutsche ab einem gewissen<br />

Alter können sich noch gut erinnern:<br />

Seine Arbeit suchte man sich<br />

nach Lage der Wohnung, denn die war schwerer<br />

zu finden als eine gute Stelle. Gunter Heise,<br />

der in Laucha im heutigen Burgenlandkreis<br />

aufwuchs, tat es ebenso. Nach dem Studium<br />

der Verarbeitungs- und Verfahrenstechnik<br />

in Dresden hatte er die Wahl: lieber die<br />

Fabrik für Fruchtsäfte, die fast vor der Tür<br />

des elterlichen Hauses lag, oder die Sektkellerei<br />

im zehn Autominuten entfernten Freyburg.<br />

Die kannte damals schon jedes Kind,<br />

auch wenn ihre Produkte im Osten mittlerweile<br />

als Bückware galten. Immerhin war sie<br />

schon fast hundert Jahre alt, als er 1951 als<br />

Sohn eines Bäckers zur Welt kam.<br />

Heise entschied sich für die Schaumweine<br />

und traf damit 1973 eine Entscheidung, deren<br />

ganze Tragweite da noch niemand erahnen<br />

konnte. Fünf Jahre später wurde der junge<br />

Diplomingenieur zunächst einmal Technischer<br />

Leiter der Kellerei und blieb dies auch<br />

bis zur <strong>Wende</strong>. Doch obwohl er diese im Grunde<br />

begrüßte, schlug sie ihm zugleich auf den<br />

Magen: Den Fall der Mauer begossen die Ossis<br />

lieber mit Sektmarken, die sie zuvor meist<br />

nur aus der Westwerbung kannten. So geriet<br />

ausgerechnet der Dezember 1989 zum umsatzschwächsten<br />

Monat des Jahres.<br />

Und es ging weiter talwärts. Anno 1991 – Heise<br />

war inzwischen Geschäftsführer der von<br />

der Treuhand verwalteten Sektkellerei – verkaufte<br />

Rotkäppchen statt einst 15 Millionen<br />

Flaschen im Jahr gerade noch eine Million.<br />

Für den eher öffentlichkeitsscheuen Mann,<br />

der mit 18 noch ein guter Fußballspieler werden<br />

wollte, eröffneten sich plötzlich triste<br />

berufliche Alternativen: „Imbissverkäufer<br />

oder am Empfang in der Zahnarztpraxis<br />

meiner Frau“, gestand er mal in einem Interview.<br />

Doch so leicht gab der damals 40-Jährige<br />

nicht auf. Mit dem Wissen, dass halt jeder<br />

im Osten die Marke kannte, machte er seinen<br />

Leuten Mut: „Wir können es schaffen, denn<br />

unser Produkt ist gut!“ Nur musste man halt<br />

dazu mit der Zeit gehen und sich neue Märkte<br />

erschließen.<br />

Einer der ersten Schritte, die dann seinerseits<br />

folgten, war sicher der schwerste. Denn<br />

er verschuldete sich tief, um gemeinsam mit<br />

Jutta Polomski, Lutz Lange und Ulrich Wiegel,<br />

seinen damaligen Mitstreitern in der Geschäftsleitung,<br />

im Rahmen eines Management-Buy-out<br />

42 Prozent des Kaufpreises von<br />

Rotkäppchen aufzubringen. Die restlichen<br />

58 Prozent steuerte die Familie des Spirituosenunternehmers<br />

Harald Eckes-Chantré bei.<br />

Es war bereits der zweite Versuch einer Privatisierung,<br />

nachdem in einer ersten Run-<br />

Foto: Rotkäppchen-Sektkellerei<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 13<br />

de namhafte Westkonkurrenten statt solider<br />

Gebote nur dumme Sprüche abgeliefert hatten:<br />

Rotkäppchen klinge nicht wie Sekt sondern<br />

„wie der Kindersaft Rotbäckchen“. Oder<br />

auch: Mit diesem Namen könne man höchstens<br />

„Märchenspiele veranstalten“, erinnert<br />

sich Heise.<br />

Fotos: Rotkäppchen-Sektkellerei/Ulrich Ehmann (unten), Rotkäppchen-Sektkellerei (oben)<br />

Mithin wurde die Traditionsmarke zunächst<br />

zu einem Sanierungsfall, an den er bis heute<br />

höchst ungern zurückdenkt. Denn dazu<br />

musste er zunächst 300 seiner 360 Kollegen<br />

kündigen. Lange laborierte der sensible Manager,<br />

der zu seinen Stärken neben Visionen<br />

und Durchsetzungsvermögen auch ein „Gespür<br />

für Menschen“ zählt, daran. Denn viele<br />

jener, die es traf, wie auch deren Angehörige<br />

wechselten fortan die Straßenseite,<br />

wenn er des Weges kam: „Hier kennt eben<br />

jeder jeden ...“<br />

Umso mehr freut es Heise, dass ihm mancher,<br />

der ihn damals verdammte, heute nun anerkennend<br />

zunickt. Denn mit einem Husarenstück<br />

– dem Kauf der westdeutschen Marken<br />

Mumm, Jules Mumm und MM Extra – schnallte<br />

2001 nicht nur der Firmenabsatz auf einen<br />

Schlag um zwei Drittel in die Höhe. Auch die<br />

Zahl der Beschäftigten, die heute vom sachsen-anhaltischen<br />

Hauptsitz geführt wurden,<br />

stieg auf rund 550 an nun vier Standorten –<br />

gut 120 allein in Freyburg.<br />

Gunter Heise in der Sektkellerei.<br />

Im Jahr 2004 besuchte Angela Merkel<br />

die Rotkäppchen-Sektkellerei.<br />

Mithin gelang es Heise, der ab 1993 geschäftsführender<br />

Gesellschafter war, Rotkäppchen<br />

so nachhaltig zu modernisieren,<br />

dass der einstige Sanierungsfall binnen weniger<br />

Jahre nicht nur zum deutschen Branchenprimus<br />

aufstieg, sondern auch weltweit<br />

zur Nummer zwei am Sektmarkt. Gut<br />

jede zweite Flasche des prickelnden Getränks,<br />

die der deutsche Einzelhandel an<br />

den Kunden bringt, stammt inzwischen aus<br />

dem Sekthaus Rotkäppchen-Mumm – wozu<br />

inzwischen auch die Marke Geldermann gehört.<br />

Und was oft vergessen wird: Seit 2007<br />

ist auch die Doppelkorn-Destillerie Nordbrand<br />

Nordhausen eine hundertprozentige<br />

Tochter der Freyburger, Rotkäppchen-Mumm<br />

somit auch nationaler Marktführer bei Spirituosen.<br />

2009 gliederte die<br />

ostdeutsche Gruppe schließlich<br />

auch noch die Weinmarke<br />

Blanchet der Mainzer Racke<br />

GmbH in ihr Imperium ein.<br />

So betrug der Umsatz der Firmengruppe<br />

2013 gut 823 Millionen<br />

Euro.<br />

Späte Genugtuung wurde dem<br />

traditionsreichen Sektstandort<br />

Freyburg überdies schon<br />

2006 zuteil: In diesem Jahr<br />

holte Gunter Heise auch den<br />

Markennamen Kloss & Foerster<br />

an die Unstrut zurück.<br />

Denn auf die Brüder Moritz und Julius Kloss<br />

sowie deren Freund Carl Foerster ging die<br />

Gründung der Freyburger Kellerei anno 1856<br />

zurück. Der letzte private Eigentümer Günther<br />

Kloss, ein Urenkel der Dynastie, war indes<br />

nach dem Krieg enteignet worden, woraufhin<br />

er in Rüdesheim die Sektkellerei Kloss<br />

& Foerster neu gründete. Danach befragt,<br />

warum er dies tat, gestand Heise seinerzeit:<br />

„Das war eine emotionale Entscheidung, keine<br />

betriebswirtschaftliche.“ Sekt habe eben<br />

auch „sehr viel mit Gefühlen zu tun“.<br />

Inzwischen lassen sich für die Freyburger<br />

in deutschen Sektkelchen praktisch kaum<br />

mehr Marktgewinne erzielen. Wenn die Rotkäppchen-Mumm<br />

Sektkellereien GmbH weiter<br />

wachsend will, muss sie stärker nach China,<br />

Russland oder Amerika expandieren. Dieser<br />

Prozess ist nun auch seit zwei Jahren angestoßen.<br />

Doch zeitgleich gab Gunter Heise die<br />

Geschäftsführung in jüngere Hände. Zwar ist<br />

sein Nachfolger Christof Queisser kein Ostdeutscher,<br />

doch der inzwischen 63-jährige<br />

Mutmacher aus Laucha – wo übrigens mit<br />

Turnvater Friedrich Ludwig Jahn zuvor schon<br />

ein Visionär zur Welt kam – ging nicht ganz<br />

von Bord. Er leitet nun einen neu geschaffenen<br />

dreiköpfigen Beirat, der ähnlich einem<br />

Aufsichtsrat die Arbeit der Geschäftsführung<br />

kontrolliert.<br />

W+M<br />

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14 | W+M Titelthema<br />

Leitwolf in zwei Systemen<br />

Dietmar Enderlein zählte zu den ranghöchsten Militärärzten in der DDR. Er war Kommandeur an<br />

der Militärmedizinischen Sektion in Greifswald. Nach der <strong>Wende</strong> baute er mit der MEDIGREIF GmbH<br />

ein kleines Klinikimperium im Nordosten Deutschlands auf. Aktuell beschäftigt die Unternehmensgruppe<br />

mehr als 600 Mitarbeiter. MEDIGREIF unterhält fünf Rehabilitationskliniken in Greifswald<br />

und auf der Insel Usedom mit insgesamt 540 Betten.<br />

Von Karsten Hintzmann<br />

Ende der 1980er Jahre näherte sich Dietmar<br />

Enderlein gerade dem Höhepunkt seiner<br />

ersten beruflichen Laufbahn: Als Professor<br />

und Oberst der Nationalen Volksarmee<br />

(NVA) leitete er die Militärmedizinische Sektion<br />

in Greifswald, an der seinerzeit sämtliche Armeeärzte<br />

ausgebildet wurden. Der im Jahr 1943<br />

in Plauen geborene Enderlein war somit einer<br />

der ranghöchsten Militärärzte der DDR. Der Zusammenbruch<br />

der DDR verhinderte allerdings<br />

die Krönung seiner militärischen Laufbahn –<br />

er stand kurz davor, zum General befördert zu<br />

werden. Im Rückblick war dies sicher das kleinere<br />

Übel. Viel schwerer wog, dass ihm quasi<br />

über Nacht seine berufliche Existenz komplett<br />

entzogen war. Die NVA wurde abgewickelt. Die<br />

Bundeswehr hatte keinerlei Interesse an der Militärmedizinischen<br />

Sektion in Greifswald. Dietmar<br />

Enderlein und seine Kollegen standen plötzlich<br />

ohne Perspektive da.<br />

Dietmar Enderlein und Tochter Katja in<br />

Dubai. Er hat sie bereits eng in die Leitung<br />

des Unternehmens einbezogen.<br />

Doch Trübsal zu blasen kam für Dietmar Enderlein<br />

nicht in Frage. Schon am 15. März 1990 – in<br />

der für fast alle DDR-Bürger unübersichtlichen<br />

Phase zwischen Mauerfall und deutscher Einheit<br />

– legte er den Grundstein für seine neue Existenz:<br />

Er gründete die auf medizinische Dienstleistungen<br />

spezialisierte MEDIGREIF GmbH, mit<br />

der er ein Gesundheits- und Sozialzentrum auf<br />

dem Gelände der ehemaligen Militärmedizinischen<br />

Sektion an der Pappelallee errichten wollte.<br />

Den Pachtvertrag dafür handelte er mit dem<br />

letzten DDR-Verteidigungsminister Rainer Eppelmann<br />

aus. Um das notwendige Startkapital<br />

in Höhe von 50.000 Mark der DDR aufbringen zu<br />

können, verkaufte er das seit 1978 von der Familie<br />

gehegte Wochenendgrundstück – inklusive<br />

Massivhaus – in der Bungalowsiedlung „Am Boddenblick“<br />

in Loissin. Im Rat des Kreises beantragte<br />

er schließlich die Eintragung seines Un-<br />

Foto (auch Titel): Privat<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 15<br />

Fotos: Privat (oben), Medigreif (unten)<br />

ternehmens im Handelsregister. Nach Zahlung<br />

von 220 Mark Verwaltungsgebühr erfolgte<br />

die gewünschte Registrierung. Es war die<br />

allererste Firmenneugründung in Greifswald<br />

und Umgebung seit der <strong>Wende</strong>.<br />

Die Gründungsphase beschreibt Enderlein<br />

heute so: „Die größte Hürde war der Start.<br />

Außer der Gründung der Firma, einem Bleistift<br />

und einem weißen Blatt Papier besaß<br />

die Firma nichts. Der doppelte Salto aus einer<br />

ehemaligen militärischen Einrichtung in<br />

das Zivilleben und aus der Planwirtschaft in<br />

die Marktwirtschaft hat von allen höchste<br />

Anstrengung und Motivation verlangt. Dabei<br />

haben wir in den ersten drei Jahren so<br />

viel an neuen Erkenntnissen hinzugewonnen,<br />

wie in den darauffolgenden 20 Jahren<br />

nicht. Hinzu kam, dass die Firma mit einem<br />

rasanten Wachstum Kapital benötigte, ohne<br />

selbst welches zu besitzen.“<br />

Die erste Etappe war für den Jungunternehmer<br />

Enderlein auch aus einem weiteren<br />

Grund alles andere als einfach. Bürgerbewegte,<br />

der Runde Tisch und zunehmend auch die<br />

regionalen Medien witterten Unregelmäßigkeiten.<br />

Woher hatte dieser Mann nur so viel<br />

Geld, dass er geradewegs vom NVA-Offizier<br />

zum Unternehmer mutieren konnte? Gerüchte,<br />

er habe Schwarzgeld aus geheimen SED-<br />

Kanälen erhalten, machten die Runde und<br />

das Leben der Familie Enderlein in Greifswald<br />

ungemütlich. Frühere Freunde und Bekannte<br />

wandten sich ab und es gab sogar Morddrohungen.<br />

Die Ermittlungen gegen Dietmar Enderlein<br />

und sein Unternehmen und die damit<br />

verbundenen Anfeindungen endeten endgültig<br />

erst im Jahr 1998 – mit dem lupenreinen<br />

Urteil, dass alle Vorwürfe gegen Enderlein<br />

substanzlos waren und er daher Anspruch<br />

Dietmar Enderlein<br />

während einer<br />

Weiterbildung auf der<br />

Militärakademie.<br />

auf Schadenersatz hatte. „Es<br />

war wirklich eine harte Zeit“,<br />

blickt Dietmar Enderlein zurück,<br />

„aber ich habe keinen<br />

Moment daran gedacht, aufzugeben.“<br />

Stattdessen reagierte Enderlein<br />

auf den Gegenwind Anfang<br />

der 90er Jahre auf seine<br />

ganz persönliche Art: Von seinen Ideen<br />

besessen, fügte er Puzzle für Puzzle in das<br />

Unternehmenskonstrukt. Er gründete unter<br />

anderem eine Berufsfachschule, ein Wissenschaftszentrum,<br />

die private Akademie für<br />

Management und Computerbildung, eine Vermögens-<br />

und Verwaltungsgesellschaft, eröffnete<br />

ein Ärztehaus mit 19 Praxen und orthopädische<br />

Werkstätten, rekonstruierte ein Laborgebäude<br />

und übernahm die Inselklinik<br />

Heringsdorf vom Landkreis Wolgast. Dietmar<br />

Enderlein und seine Mitstreiter legten zwei<br />

Immobilienfonds auf, bauten ein Mehrzweckgebäude<br />

und das Parkhotel auf dem Gelände<br />

der Pappelallee, nahmen ein ambulantes OP-<br />

Zentrum in Betrieb, eröffneten eine Schule<br />

für Physiotherapie in Zinnowitz, das SINUS-<br />

Gesundheitszentrum und das Zentrum für<br />

Ambulante Rehabilitation. Die Inselklinik<br />

in Heringsdorf wurde mit dem Neubau der<br />

Häuser Gothensee und Kulm erheblich aufgewertet<br />

und das Krankenhaus Boizenburg<br />

übernommen. All diese Projekte wurden bis<br />

1998 realisiert.<br />

Inzwischen hatte man in den etablierten<br />

bundesdeutschen Wirtschaftskreisen längst<br />

Notiz vom aufstrebenden Ost-Unternehmer<br />

Enderlein genommen – 1994 zog er unter den<br />

skeptischen Blicken einzelner Finanzmanager<br />

in den Beirat der Commerzbank ein.<br />

Leitwolf Enderlein blieb rastlos und realisierte<br />

weiter unzählige Projekte. Er baute und<br />

eröffnete die Parkklinik in Greifswald und<br />

dehnte seinen Wirkungskreis von Mecklenburg-Vorpommern<br />

auf Sachsen-Anhalt aus.<br />

In Gommern, Burg, Zerbst und Neindorf übernahm<br />

er Krankenhäuser, investierte kräftig<br />

und machte sie zu Leuchttürmen der regionalen<br />

medizinischen Versorgung. Beim<br />

späteren Verkauf der Einrichtungen an den<br />

Marktriesen „Rhön-Kliniken“ zahlte sich dieses<br />

Engagement finanziell spürbar aus. Mit<br />

den erfreulich hohen Erlösen konnten neue<br />

Vorhaben in Mecklenburg-Vorpommern angeschoben<br />

und in bereits bestehende Unternehmungen<br />

investiert werden.<br />

Inzwischen ist Dietmar Enderlein 71 Jahre<br />

alt und somit im Rentenalter. Aber er denkt<br />

nicht daran, jetzt schon die Hände in den<br />

Schoß zu legen. Allerdings ist er zu sehr Stratege<br />

und Realist, um die Zukunft seines Lebenswerkes<br />

dem Zufall zu überlassen. Für ihn<br />

ist klar, wer den „Laden“ einmal übernehmen<br />

soll – Tochter Katja Enderlein, die er Schritt<br />

für Schritt in zentrale Führungsaufgaben des<br />

Unternehmens eingebunden hat. W+M<br />

Ministerpräsident<br />

Harald Ringstorff<br />

zu Besuch bei<br />

MEDIGREIF.<br />

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16 | W+M Titelthema<br />

Der Longseller-Stratege<br />

Erfolgreiche Verlagsarbeit braucht einen langen Atem. Christoph Links, 1989 einer der ersten<br />

privaten Verlagsgründer der untergehenden DDR, setzt auf klares Profil, Entscheidungsfreiheit<br />

und Verlässlichkeit gegenüber Autoren, Mitarbeitern, Unterstützern, Buchhändlern und Lesern.<br />

Von Constance Treuber<br />

Achtzehn Prozent pro Jahr sind eine<br />

schöne Rendite. Treue Darlehensgeber<br />

des Berliner Ch. Links Verlags<br />

können sie mittlerweile auch in Regalmetern<br />

messen, denn sie wird in Form von Büchern<br />

ausgezahlt, im Wert des Ladenpreises der<br />

Neuerscheinungen eines Jahres. Von ihren<br />

Einlagen von jeweils 2.500 Euro profitieren<br />

sie lieber geistig als finanziell und erhalten<br />

dabei ein Projekt am Leben, das im Spätherbst<br />

1989 seinen Anfang nahm.<br />

Am 1. Dezember 1989 hatte der Philosoph<br />

und Lateinamerikanist Christoph Links –<br />

seinerzeit Mitarbeiter des Aufbau-Verlags,<br />

zuvor außenpolitischer Redakteur der Berliner<br />

Zeitung, nebenberuflich Sachbuchautor<br />

und Literaturrezensent – beim Kulturministerium<br />

der DDR den Antrag auf Registrierung<br />

eines Verlags gestellt. Auf den Bescheid<br />

hin, dass ein neues Mediengesetz in Vorbereitung<br />

und eine Lizenz künftig nicht mehr<br />

nötig sei, wurde die private Verlagsgründung<br />

noch vor Weihnachten bekannt gegeben und<br />

kurz nach Neujahr notariell besiegelt. Damit<br />

gehörte Christoph Links zu den ersten drei<br />

Jungverlegern der in den letzten Zügen liegenden<br />

DDR. Er steckte sein Autorenhonorar<br />

für ein Sachbuch über Nicaragua in die<br />

GmbH, ein Freund beteiligte sich mit derselben<br />

Summe.<br />

Doch mit 20.000 Mark der DDR kamen die<br />

beiden Gesellschafter nicht weit. So etablierte<br />

sich von Anfang an jenes Modell von<br />

50 Freunden des Hauses, eine wirtschaftliche<br />

Konstruktion, die bis heute trägt. „Wir<br />

haben viele kleine Partner, die sich für unser<br />

Projekt begeistern und uns in Ruhe arbeiten<br />

lassen“, sagt Christoph Links. „Keinen<br />

großen Mitgesellschafter, der sich in unsere<br />

Entscheidungen einmischt, keine Bank,<br />

die uns erpressen könnte. Nur dass wir unsere<br />

Unterstützer zunächst stille Teilhaber<br />

nannten, weil wir von konkreten kapitalistischen<br />

Geschäftsformen kaum Ahnung hatten,<br />

wäre uns 17 Jahre später beinahe auf die<br />

Füße gefallen. Nach der dritten Tiefenprüfung<br />

durch das Finanzamt sollten wir plötzlich<br />

für mehrere Jahre Kapitalertragssteuer<br />

nachzahlen.“ Mit Unterstützung des Berliner<br />

Senats, der das Modell als bedeutsam, originell<br />

und empfehlenswert auch für andere<br />

Unternehmen der Kultur- und Medienbranche<br />

erkannte, wurde das Unheil abgewendet.<br />

Die falschen stillen Teilhaber wurden<br />

zu korrekten Darlehensgebern ernannt, die<br />

sie faktisch ja auch immer waren.<br />

Christoph Links: seit 25 Jahren<br />

Verleger aus Leidenschaft.<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014<br />

Zum Jubiläum erscheint nun der Band „Einmischung<br />

erwünscht – 25 Jahre Ch. Links<br />

Verlag“, in der fortlaufenden Zählung der<br />

Titel mit der Nummer 800. An 25 Beispielen<br />

wird da exemplarisch erzählt, wie Bücher<br />

entstehen und in die Gesellschaft hineinwirken.<br />

Sachbücher, genau gesagt, denn bei<br />

diesem Segment ist Christoph Links kompromisslos<br />

geblieben: „Wir haben mit DDR-Geschichte,<br />

die nach wie vor zu unseren Kernkompetenzen<br />

gehört, begonnen, sind dann<br />

thematisch zu einem Verlag für deutsche, europäische<br />

und internationale Zeitgeschichte<br />

gewachsen und haben auch anspruchsvolle<br />

Ratgeber zur Lebenshilfe im Programm.“<br />

„Einmischung erwünscht“ wartet mit Büchern<br />

über Scientology, Opfer der stalinistischen<br />

Säuberungen, deutsche Kolonial-<br />

Foto (auch Titel): Ch. Links Verlag


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 17<br />

geschichte und die CDU-Spendenaffäre auf,<br />

mit Reiseführern in die Historie ausgewählter<br />

Orte, Einblicken in österreichische, israelische<br />

und nordeuropäische Lebenswelten,<br />

mit literarischen Reportagen und Porträts,<br />

einem preisgekrönten Bild-Text-Band<br />

über den Naturschutz in Deutschland und einem<br />

umfassenden Sammelwerk über Alltag<br />

und Herrschaft in der DDR. Ganz oben auf<br />

den Bestsellerlisten ist noch kein Titel gelandet,<br />

dafür bringt der Verlag historische<br />

Standardwerke wie „Chronik des Mauerfalls“<br />

oder „Chronik der <strong>Wende</strong>“ kontinuierlich in<br />

immer neuen Auflagen heraus.<br />

Seit 1990 erschienen im Ch. Links Verlag 800 Titel.<br />

Erste Adresse:<br />

Zunächst fand die<br />

Verlagsarbeit in<br />

Links‘ Privatwohnung<br />

statt.<br />

„Dass ich selbst schreibe, hat mir immer geholfen,<br />

wie ein Autor für unsere Autoren zu<br />

denken und in ihrem Sinne zu handeln“, sagt<br />

der Verleger. „Nicht als Unternehmer, der in<br />

erster Linie Geld verdienen will, sondern als<br />

Dienstleister, der Büchern zu öffentlicher<br />

Wirksamkeit verhilft.“ Dazu gehören ein sehr<br />

gründliches Lektorat, die gewissenhafte Arbeit<br />

am Text, der bei Bedarf nicht nur sprachliche<br />

Verbesserung erfahren, sondern auch<br />

inhaltlich angereichert werden soll und, bei<br />

heiklen Themen, juristisch wasserdicht abgesichert<br />

werden muss – worüber Links abenteuerliche<br />

Geschichten erzählen kann: „In<br />

solchen Fällen darf man sich nicht wegducken,<br />

sondern muss für seine Autoren einstehen<br />

und streiten.“ Man braucht einen langen<br />

Atem, aber wenn sich derlei Engagement<br />

mit der Zeit herumspricht, kann es vorkommen,<br />

dass eines Tages ein Nobelpreisträger<br />

vor der Tür steht und sein nächstes Buch im<br />

Ch. Links Verlag herausbringen will. Aus der<br />

Zusammenarbeit mit Günter Grass sind inzwischen<br />

drei Titel hervorgegangen.<br />

heimischen Wohnzimmer in der Gethsemanestraße<br />

residierte, drei Mitarbeiter geleistet;<br />

heute sind es zwölf Festangestellte, die<br />

mit Enthusiasmus von der Kulturbrauerei in<br />

Prenzlauer Berg aus operieren. Jahr für Jahr<br />

geht der Ch. Links Verlag mit 170 bis 200 Lesungen<br />

und anderen Veranstaltungen zu seinen<br />

Lesern.<br />

Fotos: Ch. Links Verlag<br />

Von Anfang an legte Links Wert auf einen<br />

gut organisierten Vertrieb in Deutschland<br />

(vor allem im Westen, wo sich die Kaufkraft<br />

konzentriert), Österreich und der Schweiz,<br />

auf eine offensive Auslandslizenzpolitik mit<br />

Verkäufen von Brasilien bis Japan und eine<br />

starke Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Bei<br />

jährlich rund 90.000 Neuerscheinungen und<br />

fast zwei Millionen lieferbaren Titeln auf dem<br />

deutschen Buchmarkt kann man, wenn nicht<br />

mit viel Geld, nur mit vollem persönlichen<br />

Einsatz auf sich aufmerksam machen. Den<br />

haben vor 25 Jahren, als der Verlag noch im<br />

In all den Jahren hat der Verlag schwarze<br />

Zahlen geschrieben, wenn auch meist bescheidene.<br />

2013 betrug der Gewinn bei einem<br />

Umsatz von etwa 1,4 Millionen knapp<br />

10.000 Euro. Jeder Euro, so Christoph Links,<br />

fließe in den Verlag zurück und trage zu jenem<br />

langsamen, soliden Wachstum bei, das<br />

die Gesellschafter mit Bedacht anstreben. In<br />

einigen Jahren will er das Tagesgeschäft an<br />

die nächste Generation übergeben und wieder<br />

mehr selbst schreiben. Verkaufen wird er<br />

den Verlag auf keinen Fall. Er favorisiert die<br />

Longseller-Strategie.<br />

W+M<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


18 | W+M Titelthema<br />

„Die Ostdeutschen haben die Ärmel<br />

hochgekrempelt und angepackt“<br />

Brandenburgs langjähriger Ministerpräsident Dr. h. c. Manfred Stolpe<br />

über <strong>Wende</strong> und <strong>Aufbruch</strong> in den neuen Bundesländern<br />

Manfred Stolpe (r.) beim Richtfest eines<br />

Klärwerkes in Brandenburg.<br />

Ein viertel Jahrhundert Mauerfall, ein<br />

viertel Jahrhundert deutsche Wiedervereinigung<br />

– es stehen große Jubiläen<br />

vor der Tür. Was 1989 mit dem „Sturm<br />

auf die Mauer“ begann, führte 1990 quasi<br />

im „Sturzflug in die Deutsche Einheit“. Es<br />

gab nur ein kleines zeithistorisches Fenster,<br />

um die Deutsche Einheit zu realisieren.<br />

So überschlugen sich die politischen Ereignisse,<br />

und das Leben Millionen Ostdeutscher<br />

nahm eine schlagartige <strong>Wende</strong>.<br />

Eines der zentralen Motive für Unzufriedenheit<br />

und Aufbegehren in den letzten Jahren<br />

der DDR waren die wirtschaftlichen Verhältnisse.<br />

Versorgungsmängel nicht nur bei<br />

Wohnungen oder Kraftfahrzeugen, sondern<br />

selbst bei alltäglichen Dingen wie Südfrüchten<br />

und Kleidung waren allgegenwärtig. Der<br />

desolate Zustand von Infrastruktur, Wohnungswesen<br />

und Umwelt war für jeden sichtbar,<br />

ebenso der Verschleiß der Produktionskapazitäten.<br />

Kurzum: Die DDR war 1989/90<br />

nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich<br />

am Ende.<br />

Ohne Reformen ging es nicht<br />

Reformen waren also bitter nötig. Und dass<br />

es nicht dabei bleiben sollte, machte die Sache<br />

ungleich komplizierter. Die Wiedervereinigung<br />

bahnte sich an. Und plötzlich standen<br />

wir vor der enormen Herausforderung,<br />

die maroden Strukturen in eine gänzlich<br />

neue Wirtschaftsordnung zu überführen.<br />

Der 1. Juli 1990 war der Tag, an dem die<br />

Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion<br />

in Kraft trat. Schon seit einigen Monaten<br />

hatten die Bürger der DDR die Chance, Valutakonten<br />

einzurichten. Ab dem 1. Juli war<br />

die D-Mark dann offizielles Zahlungsmittel,<br />

und die Ostdeutschen hielten nun endlich<br />

die erhoffte „harte“ Währung in ihren<br />

Händen. Der Realisierung ihrer Träume von<br />

m oderner Elektronik, von schicken Autos<br />

und exotischen Urlauben schien also nichts<br />

mehr im Wege zu stehen. Doch genau in diese<br />

Stimmung hinein bahnten sich neue Erfahrungen<br />

wie „Abwicklung“ und „Massenentlassung“<br />

den Weg. Und zur Euphorie gesellten<br />

sich handfeste Zukunftsängste.<br />

Bundesregierung und Treuhand fuhren im<br />

Hinblick auf die ehemaligen Staatsbetriebe<br />

der DDR zunächst einen radikalen Kurs. „Privatisieren,<br />

privatisieren, privatisieren“ lau-<br />

Foto: Staatskanzlei Brandenburg<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 19<br />

tete das Motto. Und dafür gab es natürlich<br />

Gründe. Denn jeder Ökonom wird sagen: Ineffiziente<br />

und veraltete Produktionsstrukturen,<br />

die künstlich am Leben gehalten werden,<br />

sind volkswirtschaftlicher Ballast. Das<br />

Problem aber war, dass nun West-Konzerne<br />

auf den Plan traten, die häufig gar nicht daran<br />

dachten, die Standorte zu modernisieren<br />

und marktfähig zu machen. Sie wollten sie<br />

übernehmen, um sie stillzulegen.<br />

Ich habe heute noch die Beschäftigten vor<br />

Augen, die um ihre Arbeitsplätze kämpften.<br />

Halb Premnitz etwa stritt für den Erhalt des<br />

ehemaligen VEB Friedrich Engels, bis heute<br />

bekannt als „Märkische Faser“. Wochenlang<br />

wurde das Betriebsgelände besetzt. Und<br />

an anderen Industriestätten der ehemaligen<br />

DDR spielten sich ganz ähnliche Szenen ab.<br />

Viele kluge Leute sagten mir damals: „Mach<br />

dir nichts draus. Es kommt was Neues“. Aber<br />

ich hatte da große Zweifel. Für mich war klar,<br />

wenn es so weiter gegangen wäre, hätte das<br />

bei uns in Brandenburg einen wirtschaftlichen<br />

Kahlschlag bedeutet. Und von diesem<br />

Kahlschlag hätte sich die Region nicht so<br />

schnell erholt.<br />

Kampf um industrielle Kerne<br />

Meine Überzeugung: Wir mussten<br />

unsere industriellen Kerne halten,<br />

wir mussten für sie kämpfen. Das<br />

waren wir den Beschäftigten schuldig<br />

– aber auch allen anderen Brandenburgern.<br />

Denn eine industrielle<br />

Basis war unersetzlich für die zukünftige<br />

Entwicklung einer gesunden<br />

Wirtschaftsstruktur. Und das<br />

konnte schließlich auch die Treuhand<br />

einsehen.<br />

waren es Einzelpersonen, die eine nicht zu<br />

unterschätzende Rolle spielten. Einzelpersonen,<br />

die den Osten kannten, die eine persönliche<br />

Bindung hierhin hatten. Etwa Edgar<br />

Most, der letzte Vizepräsident der DDR-<br />

Staatsbank, der nun für die Deutsche Bank<br />

in Verantwortung stand. Oder auch Werner<br />

Niefer, Vorstand der Mercedes-Benz AG. Unter<br />

ihm stieg Mercedes gleich zu Beginn der<br />

90er Jahre am ehemaligen IFA-Standort Ludwigsfelde<br />

ein. Und das war für die weitere<br />

wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs<br />

einer der ganz großen Glücksfälle.<br />

Entscheider wie Most und Niefer kannten<br />

Land und Leute. Sie hatten Vertrauen. Und<br />

sie waren bereit, das Risiko auf sich zu nehmen,<br />

in brandenburgische Standorte zu investieren.<br />

Manches Vertrauen hingegen<br />

musste erst aufgebaut werden.<br />

Als der italienische Stahl-Gigant RIVA in<br />

Hennigsdorf und Brandenburg/Havel einstieg,<br />

schlugen ihm von Seiten der Belegschaft<br />

Misstrauen und Vorurteile entgegen.<br />

Aber ich erinnere mich noch gut an die bewegenden<br />

Worte, die Konzernchef Emilio Riva<br />

Jahre später an seine Angestellten richtete.<br />

In einer seiner letzten Reden sagte er mit<br />

Tränen in den Augen: „Wenn ich könnte, würde<br />

ich euch alle mit nach Italien nehmen.“<br />

Mit der Zeit waren Konzernführung und Belegschaft<br />

also immer enger zusammengerückt.<br />

Sie waren am Ende ein Herz und eine<br />

Seele.<br />

An diesen Beispielen wird gut ersichtlich,<br />

dass der Auf- und Umbruch nach 1990 eben<br />

nicht nur eine politische und eine wirtschaftliche,<br />

sondern auch eine mentale Dimension<br />

hatte. Der Weg zu guten und sicheren<br />

Arbeitsplätzen war lang und steinig.<br />

Phasenweise wäre jede dritte Erwerbsperson<br />

ohne Beschäftigung gewesen, wenn vieles<br />

nicht durch Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsmaßnahmen<br />

abgefedert worden<br />

wäre. Viele Abschlüsse aus Ostzeiten hatten<br />

ihren Wert verloren. Und so war es kein Wunder,<br />

dass Unsicherheit und Zukunftsängste,<br />

ja auch Misstrauen gegenüber Neuem, in den<br />

1990er Jahren allgegenwärtig waren.<br />

Enormer Pioniergeist<br />

Eines jedoch stimmte nicht: die „Mär vom<br />

faulen Ostdeutschen“. Das war – man muss<br />

es so deutlich sagen – nichts anderes als Verleumdung!<br />

Denn die meisten Menschen ha-<br />

Foto: Staatskanzlei Brandenburg<br />

Ihre neue Strategie hieß nun: „Erst<br />

marktfähig machen, dann privatisieren“.<br />

Das war ungemein wichtig.<br />

Aber für eine erfolgreiche Zukunft<br />

unserer industriellen Kerne<br />

war noch eine zweite Komponente<br />

entscheidend – das Vertrauen von<br />

Investoren und Banken. Und hier<br />

Sozialdemokraten unter sich:<br />

Manfred Stolpe, Walter Momper<br />

und Johannes Rau (v. l. n. r.).<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


20 | W+M Titelthema<br />

ben auch in schwierigen Zeiten die Hoffnung<br />

nicht verloren. Sie haben sich weitergebildet.<br />

Sie haben hinzugelernt. Sie haben die Ärmel<br />

hochgekrempelt und angepackt, wo sie es nur<br />

konnten.<br />

Gerade der unternehmerische Pioniergeist<br />

der Brandenburger war enorm. Deshalb gab<br />

es in der Wirtschaftspolitik unseres Landes<br />

neben dem Erhalt der industriellen Kerne<br />

schon früh ein zweites, übergeordnetes<br />

Ziel: Die Förderung des Mittelstands. Und das<br />

sollte sich bezahlt machen. Schließlich sind<br />

es gerade die kleinen und mittleren Betriebe,<br />

die seit 1990 entscheidend zum Wohlstand in<br />

Brandenburg beitragen.<br />

Besonders das Handwerk ist voll mit Aufsteiger-Geschichten.<br />

Ich denke da an Metallbau<br />

Windeck in der Nähe von Brandenburg/Havel<br />

oder an die Bäckerei Dreißig, die einst<br />

mit zwei Mitarbeitern in Guben begann und<br />

heute vom Berliner Umland bis nach Bautzen<br />

ein dichtes Netz an Filialen unterhält. Unternehmen<br />

wie diese – und das waren nicht wenige<br />

– haben früh die Chancen ergriffen, die<br />

ihnen der wirtschaftliche Umbruch bot. Sie<br />

haben den Umbruch zum <strong>Aufbruch</strong> gemacht.<br />

Sie haben ihren Betrieb ausgebaut und Arbeitsplätze<br />

geschaffen. Und davon profitiert<br />

unser Land bis heute.<br />

So sehr ich mich schon damals über solche<br />

Erfolgsgeschichten gefreut habe – entscheidend<br />

war es, gute Startchancen für alle Wirtschaftszweige<br />

und alle Regionen zu schaffen.<br />

Wirtschaftsförderung mit der „Gießkanne“<br />

war also durchaus wörtlich zu verstehen.<br />

Wir wollten, dass die Strukturen, die es noch<br />

gab, nicht verdorrten. Und wir wollten, dass<br />

Neues entstehen konnte.<br />

Neues Motto: „Stärken stärken“<br />

Landesvater Stolpe (2. v. r.) machte auch als Koch eine gute Figur.<br />

Mit der Zeit kristallisierten sich die wirtschaftlichen<br />

Stärken in unserem Land immer<br />

deutlicher heraus. Und es war keine Abkehr<br />

von unserem Förderverständnis, sondern<br />

dessen Weiterentwicklung unter veränderten<br />

Rahmenbedingungen, dass die Landesregierung<br />

ihre Wirtschaftsförderung ab 2004<br />

grundlegend umstellte. Das Motto hieß fortan<br />

„Stärken stärken“. Es wurden „Regionale<br />

Wachstumskerne“ und „Branchenkompetenzfelder“,<br />

später dann „Cluster“, bestimmt.<br />

Und mittlerweile punktet der Wirtschaftsstandort<br />

Brandenburg europaweit mit herausragenden<br />

Förderbedingungen.<br />

Vor diesem Hintergrund hat die brandenburgische<br />

Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten<br />

noch einmal einen gehörigen Schub erfahren.<br />

Sie hat dabei in hohem Maße von der<br />

sehr guten Kommunikations- und Verkehrsinfrastruktur<br />

profitiert, die wir seit Beginn<br />

der 1990er Jahre aufbauen konnten. Und sie<br />

hat ebenso von der hohen Qualität märkischer<br />

Produktionsstandorte profitiert. Denn<br />

entgegen meinen anfänglichen Befürchtungen,<br />

war Brandenburg nie „Auffanglager“ für<br />

ausrangierte Technik aus dem Westen, sondern<br />

schon Ende der 1990er Jahre auf technologischem<br />

Top-Level. Auch die Ausrichtung<br />

auf kleinere und mittlere Betriebe sollte sich<br />

bezahlt machen. Unser starker Mittelstand<br />

schafft heute die Basis für einen breit verteilten<br />

Wohlstand in diesem Land. Er war zudem<br />

entscheidend für die Stabilität der märkischen<br />

Wirtschaft während der letzten Wirtschafts-<br />

und Finanzkrise.<br />

Heute steht Brandenburg exzellent da. Wir<br />

müssen dankbar sein für die Solidarität aus<br />

dem Westen, für den Aufbau Ost. Aber wir<br />

können auch zufrieden mit dem sein, was<br />

wir hier in Brandenburg gemeinsam aufgebaut<br />

haben. Der Aufholprozess gegenüber<br />

den Westländern ist noch nicht abgeschlossen.<br />

Aber Brandenburg ist heute so stark,<br />

dass ich sage: Eine Sonderförderung sollte<br />

nicht mehr pauschal nach Himmelsrichtung,<br />

sondern nach dem tatsächlichen Bedarf<br />

erfolgen.<br />

Eine Arbeitslosenquote von derzeit knapp<br />

neun Prozent, mehrfache Auszeichnungen<br />

für besondere wirtschaftliche Dynamik – davon<br />

konnten wir in den 1990er Jahren nur<br />

träumen. Heute ist es in Brandenburg Realität.<br />

Und ich sehe das als Bestätigung für eine<br />

gemeinsame Kraftanstrengung, die wir Brandenburger<br />

– die Selbstständigen und Unternehmer,<br />

die Beschäftigten und die Politiker<br />

– gemeinsam erbracht haben. Ich sehe das<br />

als Lohn für einen steinigen und schwierigen,<br />

am Ende aber erfolgreichen Weg des<br />

wirtschaftlichen <strong>Aufbruch</strong>s! W+M<br />

Foto: Staatskanzlei Brandenburg<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


8. enviaM-ENERGIEKONVENT<br />

„ENERGIEWENDE 2.0 – NEUSTART ODER WEITER SO?“<br />

Mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hat die große Koalition<br />

ein erstes wichtiges Vorhaben zur Fortführung der Energiewende in Deutschland<br />

umgesetzt. Sind die Erwartungen auf Seiten der Wirtschaft und Endverbraucher<br />

damit erfüllt? Sind weitere Maßnahmen notwendig? Und in welchem Maße ist<br />

Ostdeutschland davon betroffen?<br />

Prominente Teilnehmer diskutieren diese Fragen beim 8. enviaM-Energiekonvent.<br />

Unsere Gäste sind unter anderem Iris Gleicke (MdB, Staatssekretärin im<br />

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie Ostbeauftragte<br />

der Bundesregierung), Dr. Hubertus Burkhart (Vorsitzender<br />

des Vorstands der Kübler & Niethammer Papierfabrik<br />

Kriebstein AG), Dr. Hermann Falk (Geschäftsführer des<br />

Bundesverbands erneuerbare Energien e. V.) und<br />

Johannes Kempmann (Präsident des Bundesverbandes<br />

der Energie- und Wasserwirtschaft).<br />

Wir laden Sie herzlich ein, mit unserem Vorstandsvorsitzenden<br />

Tim Hartmann und unseren Gästen am<br />

13. Oktober 2014 in Leipzig zu diskutieren. Gern senden<br />

wir Ihnen Ihre persönliche Einladung zu. Sprechen Sie uns<br />

an – telefonisch unter 0371 482 - 2971 oder per E-Mail unter<br />

energiekonvent@enviaM.de. Wir freuen uns auf Sie!<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


22 | W+M Titelthema<br />

Feuerwehrmann für Osteuropa<br />

Der gebürtige Potsdamer Franz-Lorenz<br />

Lill (60) ist so etwas wie ein Feuerwehrmann<br />

für kriselnde Unternehmen<br />

in Osteuropa. Dank seiner Managementerfahrungen<br />

im post-sowjetischen<br />

Bereich, gekoppelt mit<br />

stabilen Netzwerken vor Ort, hat er<br />

schon diversen Firmen zurück in die<br />

Erfolgsspur verholfen. Darüber hinaus<br />

berät er deutsche Unternehmen bei<br />

der Markterschließung in Zentralasien,<br />

schwerpunktmäßig auf den Gebieten<br />

Logistik, Eisenbahn-, Gas- und Wehrtechnik. Derzeit pendelt er für<br />

mehrere Auftraggeber zwischen Kasachstan und Tallin, wo er einen<br />

neuen Auftrag für ein deutsches Unternehmen realisiert.<br />

Vor 25 Jahren hatte sich eine derartige Berufsperspektive nicht angedeutet.<br />

Lill war Oberstleutnant der NVA am Standort Strausberg<br />

und avancierte kurz vor dem Fall der Mauer im September 1989 zum<br />

ersten und letzten Sprecher der Luftstreitkräfte der NVA. Nach der<br />

deutschen Einheit ging es für ihn mit einer Rückstufung zum Major<br />

zunächst bei der Bundeswehr weiter. 1992 wechselte er zum Bad Reichenhaller<br />

Wehrtechnikunternehmen Buck, das im uckermärkischen<br />

Ort Pinnow eine ehemalige DDR-Raketenschmiede zu einem Munitionsentsorgungsbetrieb<br />

umfunktioniert hatte. Nach dem Konkurs<br />

von Buck 1998 wagte Lill den Sprung in die Selbständigkeit und profiliert<br />

sich seither als Unternehmensberater zwischen St. Petersburg<br />

und Astana.<br />

KH<br />

Drucken in Großformat<br />

Peter Rost (58) wäre gern Schiffbauer<br />

geworden, hat aber Sportwissenschaften<br />

studiert. Er war Leistungssportler<br />

und musste im Streit<br />

seine Stelle als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der Berliner Humboldt-Uni<br />

verlassen. Noch vor dem<br />

Ende der DDR arbeitslos, absolvierte<br />

Peter Rost eine Siebdrucker-Lehre.<br />

Heute betreibt der 58-Jährige gemeinsam<br />

mit seiner Lebenspartnerin<br />

eine eigene Firma im Gründer- und Technologiezentrum Adlershof.<br />

Die „Rost: Werbetechnik“ ist ein leistungsfähiges mittelständisches<br />

Unternehmen für Großformatdruck, Werbetechnik und Messebau.<br />

In Berlin-Friedrichshagen baute er 1990 seine erste eigene Siebdruckerei<br />

in einer verwahrlosten Altbauwohnung auf, später zog er in<br />

die leer stehende Werkstatt einer Großgärtnerei im benachbarten<br />

Schöneiche. Als 1997 wegen eines Zahlungsausfalls das finanzielle<br />

Aus drohte, half ihm die Handwerkskammer Frankfurt (Oder) aus<br />

der Krise. Rost sagt: „Den Betriebsberater, der mich damals gerettet<br />

hat, habe ich heute noch.“ Er war es auch, der ihn schließlich überzeugte,<br />

2007 mit einem Neubau noch einmal durchzustarten. 1,3 Millionen<br />

Euro hat er in die großzügige Halle mit Photovoltaik-Anlage,<br />

umweltgerechter Heizung und neuem Maschinenpark investiert. 17<br />

Mitarbeiter zählt die Firma heute.<br />

TM<br />

Bewahrt das Erbe ihres Vaters<br />

Dem gestandenen Leser ist der Name Quermann noch ein Begriff:<br />

Petra Quermann (55) ist die Tochter des wohl berühmtesten DDR-<br />

Showmasters und Talenteförderers – Heinz Quermann (unter anderem<br />

TV-Shows wie „Zwischen Frühstück und Gänsebraten“ und<br />

„Herzklopfen kostenlos“). Lange Jahre bewunderte sie ihren in ganz<br />

Deutschland populären Vater einfach nur. Und baute sich ihr Leben<br />

jenseits des Rampenlichts auf. Da der Traum, als Stewardess schon<br />

zu DDR-Zeiten die Welt bereisen zu können, aus gesundheitlichen<br />

Gründen platzte, ließ sich Petra Quermann zunächst zur Sekretärin<br />

bei der DDR-Fluggesellschaft Interflug ausbilden. Es folgten Stationen<br />

in der Gastronomie und nach der <strong>Wende</strong> in der Spielwaren-,<br />

Immobilien- und Modebranche. Ende 2010 gab sie ihren Managerjob<br />

in einem Modeunternehmen auf, um Zeit zu haben, den 90. Geburtstag<br />

ihres Vaters vorzubereiten. Es sollte eine medial stark beachtete<br />

Würdigung des Nestors der DDR-Fernsehunterhaltung werden.<br />

Sie war überwältigt von der positiven Resonanz des Publikums<br />

und entwickelte daraus eine Geschäftsidee. Seither absolviert Petra<br />

Quermann pro Jahr rund 150 Veranstaltungen in Seniorenclubs und<br />

-heimen, Pflegeeinrichtungen, Mehrgenerationenhäusern und urigen<br />

Kneipen mit ihrer vielseitigen Heinz-Quermann-Show. Ihr Motto:<br />

„Solange das Publikum meines 2003 verstorbenen Vaters noch<br />

da ist, möchte ich diesem Publikum mit der Erinnerung an ihn Freude<br />

schenken.“<br />

KH<br />

Fotos (auch Titel): Hintzmann (oben links), Tomas Morgenstern (unten links), Privat (Mitte)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 23<br />

Köstlichkeiten aus dem „Bieberbau”<br />

„Man kann kein Restaurant eröffnen,<br />

wenn man nicht kochen kann“, behauptet<br />

Stephan Garkisch (43), Koch und<br />

Inhaber des Restaurants „Bieberbau“<br />

in Berlin-Wilmersdorf. Die Wandreliefs<br />

im ehemaligen Schauraum des Stuckateurmeisters<br />

Richard Bieber verleihen<br />

dem Restaurant eine eindrucksvolle Kulisse.<br />

Dass der gebürtige Thüringer einmal<br />

zu den besten Köchen der Hauptstadt<br />

gehören würde, hätte er nie gedacht.<br />

Sein Lebenslauf ist keineswegs<br />

geradlinig verlaufen. Garkisch lernt zunächst<br />

Uhrmacher in Berlin. Wie schon<br />

in der Schule hinterfragt er auch während<br />

der Lehre kritisch das DDR-System<br />

und eckt an. Als 18-Jähriger besucht er im<br />

September 1989 Verwandte in Westberlin<br />

und bleibt dort. Er genießt die neue<br />

Freiheit in vollen Zügen. Den Tag der<br />

Maueröffnung verschläft er, der Tag danach<br />

löst bei ihm Freudentränen aus. Um<br />

seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitet<br />

er in einer Speditionsfirma und ab<br />

1993 als Barkeeper und Kellner. Hier wird auch sein Interesse für die<br />

Gastronomie geweckt. Ab 1997 lernt er das Kochen im Berliner Restaurant<br />

„Altes Zollhaus“ beim Meisterkoch Herbert Beltle. Doch erst<br />

ab dem Jahr 2000 im „Strahlenberger Hof“ in Schriesheim bei Heidelberg<br />

fühlt sich Stephan Garkisch durch seinen Mentor, Sterne koch<br />

Jürgen Schneider, zum Kochen berufen. 2003 wird er Inhaber des<br />

denkmalgeschützten Restaurants „Bieberbau“. Gäste und Kritiker<br />

sind sich einig: „Erstklassiges Essen, hoher Grad an Kochkunst, Kreativität<br />

und Qualität“ urteilt beispielsweise der Michelin Guide 2014.<br />

Seine Frau Anne hat sich von der Leidenschaft ihres Mannes anstecken<br />

lassen. Die studierte Geografin bildet sich weiter und ist seit<br />

2006 Sommelière im „Bieberbau“. BP<br />

Fotos: Privat (oben), Thomas Wranik (unten, auch Titel)<br />

Gutes Hören muss kein Luxus sein<br />

„Die größten Wunder findet<br />

man im Hören.“ Mit diesem Satz<br />

beschreibt Thomas Jahnecke<br />

(44), was für die meisten von<br />

uns selbstverständlich ist –<br />

gut zu hören. Seit fast 20 Jahren<br />

ist die Welt des Hörens seine<br />

größte Herausforderung. Im<br />

östlichen Norden geboren und<br />

aufgewachsen, sucht er sofort<br />

nach der <strong>Wende</strong> neue berufliche<br />

Chancen im westlichen Süden.<br />

Jahnecke lernt Hörgeräteakustiker, absolviert seine Meisterprüfung<br />

in Heilbronn und arbeitet zunächst als Angestellter. 1999 macht<br />

er sich selbständig. Inzwischen hat er zwölf Mitarbeiter und fünf Geschäfte,<br />

eines davon seit 2010 in der Berliner Giesebrechtstraße. Als<br />

er sich 2005 entschließt, die Preise von Hörgeräten aller Hersteller auf<br />

seiner Internetseite zu veröffentlichen, erntet er viel Kritik und Unverständnis<br />

bei seinen Mitbewerbern. Ein Hörgerätehersteller beliefert<br />

ihn kurzerhand nicht mehr mit Hörgeräten. Das Kartellamt schreitet<br />

ein und gibt ihm Recht. „Intransparenz schadet der Branche, denn es<br />

geht hier schließlich um Medizinprodukte und nicht um Luxusuhren“,<br />

sagt Jahnecke. „Die Akzeptanz von Hörgeräten in der Gesellschaft<br />

hat sich heute deutlich durch digitale Mikroprozessoren mit Millionen<br />

von Rechenoperationen pro Sekunde und einem tollen Design<br />

verbessert.“ Nicht zuletzt aber auch durch faire Preise. Inzwischen arbeiten<br />

viele seiner Kollegen kundenorientierter und heben sich so<br />

von gängigen Praktiken ab. Jahnecke wird bis heute angefeindet,<br />

obwohl sich seine Internetseite www.hoergeraetepreise.de als eine<br />

Art Referenz in der Hörgeräte-Branche etabliert hat. Für ihn bleibt es<br />

selbstverständlich, seine Kunden, die bundesweit zu ihm kommen,<br />

über Hersteller und Preise zu informieren, denn „gutes Hören muss<br />

kein Luxus sein“.<br />

BP<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


24 | W+M Titelthema<br />

Noch keine Lust auf Rockerrente<br />

Peter Meyer erklärt, wie die Kultband Puhdys als Unternehmen funktioniert<br />

Peter Meyer bei der Arbeit.<br />

Eigentlich bin ich eine Kuh. Bemerkt<br />

habe ich das vor vielen Jahren, als ich<br />

Milch in meinem Bett gefunden hatte.<br />

Aber viel wichtiger ist das mit der Mentalität.<br />

Kühe stehen völlig unbeweglich im strömenden<br />

Regen auf der Wiese. Kommt man<br />

Stunden später wieder vorbei, und es regnet<br />

noch immer, stehen die Kühe genauso wie<br />

vorher rum. Das bin ich! Und das hat mir im<br />

Leben sehr oft geholfen.“<br />

Zu einer derartigen Selbstreflektion ist nur<br />

jemand fähig, der sich nicht für den Nabel<br />

der Welt hält, über sich lachen kann und<br />

mit einer reichlichen Portion Tiefenentspannung<br />

ausgestattet ist. Das trifft auf Peter<br />

Meyer – 74 Jahre jung, studierter Lehrer und<br />

seit rund fünf Jahrzenten praktizierender<br />

Musiker – mit Sicherheit zu.<br />

45 Jahre tourt Meyer mit seinen Kollegen der<br />

ostdeutschen Kult-Band Puhdys mittlerweile<br />

durch deutsche Lande und die Welt. Seit<br />

1969 absolvierten die Puhdys mehr als 4.000<br />

Konzerte und verkauften gut 22 Millionen<br />

Tonträger. Mit zahllosen Hits (unter anderem<br />

„Alt wie ein Baum“, „Geh zu ihr“, „Lebenszeit“,<br />

„Rockerrente“ und „Hey, wir woll‘n die<br />

Eisbär‘n sehn“) sammelten sie zahllose Musikpreise<br />

ein und waren vor der <strong>Wende</strong> zwölf<br />

Mal beliebteste Rockband der DDR.<br />

Auch heute ist die Band stark gefragt, absolviert<br />

rund 80 Konzerte pro Jahr. Die politische<br />

<strong>Wende</strong> in der damaligen DDR hatte die<br />

populäre Band – im Vergleich zu vielen anderen<br />

Künstlern – wirtschaftlich kaum getroffen.<br />

Peter Meyer: „Das Ende der DDR ging<br />

seinerzeit mit unserer ersten Auflösung einher.<br />

Im Jahr 1988 hatten wir beschlossen,<br />

uns nach rund 20 Jahren zu trennen. Wir<br />

hatten alles erreicht, 20 Länder bereist, 15<br />

Millionen Platten verkauft und alles drehte<br />

sich nur noch im Kreis. Also veranstalteten<br />

wir von Mai bis November 1989 eine Goodbye-Tour<br />

durch Deutschland, gemeinsam mit<br />

den „Lords“, die vor 80.000 Fans auf dem<br />

Berliner August-Bebel-Platz begann und mit<br />

einem Konzert in Freiberg endete.“<br />

Als die Mauer aufging und die Menschen<br />

plötzlich nichts mehr mit Ostmusik am Hut<br />

hatten, fielen die Puhdys nicht in ein berufliches<br />

Loch. Schließlich hatten sie sich<br />

selbst eine künstlerische Pause verordnet.<br />

Diese sollte jedoch nur kurz sein. Peter Meyer:<br />

„1991 gab es zunehmend Anfragen an<br />

uns. Und sicher auch ökonomische Gründe,<br />

die Arbeit wieder aufzunehmen. Aber<br />

am meisten reizte es uns, uns in der neuen<br />

Zeit auszuprobieren und zu behaupten. Wir<br />

hatten ja Erfahrungen mit dem Westen, weil<br />

wir dort schon seit 1975 spielen konnten.“<br />

1992 starteten die Puhdys dann tatsächlich<br />

in die neue Zeit.<br />

Für Meyer und seine Kollegen bedurfte es<br />

zum Neustart keiner großen Umstellungen.<br />

„Wir waren schon immer – auch im Osten –<br />

ein kleiner marktwirtschaftlich aufgestellter<br />

Betrieb“, blickt Meyer zurück. „Wir hatten<br />

in unserem damaligen Bassisten Harry<br />

Jeske einen cleveren Burschen, der alles besorgte,<br />

was es eigentlich nicht gab. Er war<br />

ein guter Organisator und Geschäftsmann,<br />

der die wichtigen Kontakte knüpfte und der<br />

schon zu DDR-Zeiten Extra-Gagen bei großen<br />

Konzerten für uns herausholte.“<br />

Dennoch gab es auch Momente, in denen<br />

Meyer und Kollegen der alten Zeit nachtrauerten.<br />

„Als die Mauer noch stand, waren wir<br />

für die Medien in ganz Deutschland interessanter<br />

als heute. Dabei hatten wir in West-<br />

Berlin immer mehr Fans als in Ost-Berlin“,<br />

so Meyer. Die Band hat sich inzwischen mit<br />

dem Zustand arrangiert, in den neuen Ländern<br />

unverändert Begeisterung auszulösen,<br />

Foto: Susann Welscher<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 25<br />

Die Puhdys in Aktion.<br />

während es im Westen in Sachen Bekanntheit<br />

„noch ein paar schwarze Löcher“ gibt.<br />

bende Worte: „Er ist ein wichtiger Teil unseres<br />

Erfolgs.“<br />

Fotos (auch Titel): Susann Welscher<br />

Bei aller Popularität haben sich die gereiften<br />

Recken Peter „Eingehängt“ Meyer (Keyboard),<br />

Dieter „Maschine“ Birr (70, Gesang<br />

und Gitarre), Dieter „Quaster“ Hertrampf (69,<br />

Gitarre), Klaus Scharfschwerdt (60, Schlagzeug)<br />

und Peter „Bimbo“ Rasym (61, Bass)<br />

für eine neuerliche Abschiedstour entschieden,<br />

die bis zum kommenden Jahr geplant<br />

ist. „Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen,<br />

dass auch wir nicht jünger werden.“ Allerdings<br />

will sich Meyer ausdrücklich nicht<br />

darauf festlegen, dass nach dem Ende der<br />

Abschiedstour auch tatsächlich mit der Musik<br />

Schluss ist.<br />

Auf das Geheimnis der langjährigen erfolgreichen<br />

Gemeinsamkeit und Existenz als<br />

Band angesprochen, sagt Peter Meyer mit<br />

dem ihm eigenen sarkastisch angehauchten<br />

Humor: „Man muss einige Dinge zwingend<br />

berücksichtigen: Man sollte nicht gemeinsam<br />

in den Urlaub fahren, nicht zusammen<br />

einkaufen und niemals ernsthaft miteinander<br />

reden.“ Um die nötige Distanz zu wahren,<br />

fahren die Puhdys nie mit einem Bus<br />

zum Konzert – sie reisen stets getrennt an.<br />

Auf eine klare Hierarchie haben die Bandmitglieder<br />

bewusst verzichtet. „Einen Chef<br />

haben wir nicht, aber ‚Maschine‘ ist der Kreativste.“<br />

Peter Meyer selbst sieht sich intern<br />

als Psychologe und Vermittler: „Früher habe<br />

ich mit meiner Art die Kommunisten verarscht,<br />

jetzt muss ich mich um andere Problemchen<br />

kümmern.“ Für den langjährigen<br />

Manager der Band, Rolf Hennig, findet Keyboarder<br />

Meyer übrigens ausschließlich lo-<br />

Ihre Erfahrungen haben die Alt-Rocker mittlerweile<br />

an ihre musizierenden Kinder weitergegeben,<br />

die in diversen Bands bereits eigene<br />

Erfolge feiern konnten. Allerdings gehen<br />

die „Puhdys-Erben“ mitunter Wege, die<br />

Peter Meyer den Kopf schütteln lassen: „Es<br />

ist ganz normal, dass die heutige Generation<br />

eine andere Sicht der Dinge hat. Aber<br />

uns war damals zunächst wichtig, erst einmal<br />

die ökonomische Basis für unsere Band<br />

zu schaffen. Als die stand, haben wir uns<br />

um Bekanntheit und Fernsehauftritte gekümmert.<br />

Heute werden Titel über Titel produziert<br />

in der Hoffnung, dass ein Song mal<br />

funktioniert. Das ist recht riskant.“<br />

Spricht man mit Peter Meyer, gewinnt man<br />

nicht den Eindruck, dass sich die Puhdys<br />

demnächst von der Bühne verabschieden<br />

und ins Rockerrentner-Dasein zurückziehen<br />

werden. Meyer lächelt verschmitzt: „Unser<br />

Problem ist es, dass uns die Ideen einfach<br />

nicht ausgehen wollen. Sie waren und sind<br />

der Antrieb für unser Tun.“<br />

Karsten Hintzmann<br />

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26 | W+M Titelthema<br />

Optimist in jeder Lebenslage<br />

Kathi revolutionierte das Backen. In der DDR enteignet, während der <strong>Wende</strong> wieder privatisiert.<br />

Rainer Thiele kämpfte hart um den Familienbetrieb. Und schaffte ein ostdeutsches<br />

Märchen. Nach Fast-Pleite und Herzinfarkt.<br />

Von Dana Micke<br />

Der Oetker an der Saale wird er im Westen<br />

genannt. Von wegen! Dr. Oetker<br />

kam mit Backmischungen für den<br />

Endverbraucher 1972 auf den Markt, Kathi<br />

1951. Ihr Slogan: „Mit Ei und Fett verrührt<br />

sofort backfertig“. Na, noch Wasser dazu.<br />

Längst ist Kathi in Halle wieder Marktführer<br />

für Backmischungen im Osten, deutschlandweit<br />

die Nummer drei.<br />

Rainer Thiele mit Kurt Thiele, Vater und<br />

Firmengründer, Anfang der 1950er Jahre.<br />

Rainer Thiele (M.) mit Schwiegertochter Susen und Sohn Marco vor den<br />

Ölbildern der Firmengründer Käthe und Kurt Thiele.<br />

Mit dem Tortenmehl hat alles begonnen. In<br />

der Nachkriegszeit, in der der Hunger regierte.<br />

Und mit Käthe Thiele. Als sie 1949 ein Rezept<br />

für „gestreckte Leberwurst“ als Brotaufstrich<br />

entwickelt, ahnt sie nicht, dass sie<br />

den Grundstein für ein Unternehmen legt.<br />

Kreiert dann Kuchen- und Kloßmehle, kochfertige<br />

Suppen und Soßen. Das war nicht das<br />

Ding von Ehemann Kurt, er war eher der geborene<br />

Manager. So gründete das Ehepaar<br />

1951 eine Firma. Aus Ka-ethe Thi-ele wird<br />

Kathi – zunächst mit dem Zusatz Nährmittelfabrik<br />

Kurt Thiele, nach der <strong>Wende</strong> Kathi<br />

Rainer Thiele GmbH. Benannt nach dem einzigen<br />

Sohn, der zweiten Generation im Familienbetrieb.<br />

Jahrgang 1943, hat Rainer Thiele das Auf<br />

und Ab Kathis miterlebt. Macher, Tüftler,<br />

Optimist – das ist er. Und im Reden schwer<br />

zu bremsen. Wenn es um die Firmengeschichte<br />

geht, sowieso nicht. Im „Kathineum“<br />

lebt sie auf Fotos und Werbeplakaten.<br />

Im Büro, eine Etage drüber, geht‘s zur Sache:<br />

Leckerer Kuchen wird serviert. Kalorienbomben?<br />

„Die Dosis macht das Gift, so<br />

Paracelsus.“ Sagt‘s lächelnd und meint Disziplin,<br />

Verantwortungsbewusstsein. Werte,<br />

die er seinen Kindern vorlebt. Die dritte<br />

Generation im Familienbetrieb: Sohn Marco<br />

ist Geschäftsführer, Stiefbruder Thomas für<br />

die Produktion zuständig, Marcos Frau Susen<br />

für PR und Marketing. Und der „Alte“?<br />

Ist Beiratsvorsitzender, berät mit Lebenserfahrung.<br />

Stark ist er, durch Niederlagen. Kathis Zäsuren,<br />

die macht er an Jahreszahlen fest.<br />

1957 erzwingt die DDR eine Staatsbeteiligung.<br />

1965 darf Kathi nicht mehr in den<br />

Westen exportieren. 1969 muss auf eine Artikelgruppe<br />

zurückgefahren werden, die<br />

Backmischungen. Technik, Rohstoffe und<br />

Rezepturen für die Suppen- und die Saucenherstellung<br />

gehen „gratis“ an die vom Staat<br />

zugewiesenen volkseigenen Großbetriebe.<br />

1972 dann „der schrecklichste Moment in<br />

meinem Leben“. Rainer Thiele schluchzt<br />

plötzlich, wischt die Tränen weg. Die „freiwillige<br />

Betriebsübergabe“, wie es im SED-<br />

Jargon hieß. „Drei Männer betraten unange-<br />

Fotos: Dana Micke (oben), Kathi (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 27<br />

Copyright: Kathi<br />

meldet unser Büro. Sagte der Eine: ‚Wir enteignen<br />

euch jetzt.‘“ Aus. Vorbei. Kathi wird<br />

Volkseigener Betrieb. „VEB – Vatis ehemaliger<br />

Betrieb“, buchstabiert Rainer Thiele bitter.<br />

Nur der Markenname Kathi bleibt, den<br />

ließ der Vater 1951 warenzeichlich schützen.<br />

Sohn Thiele wird zunächst Betriebsdirektor.<br />

Bis 1976, als irgendwem aufstößt, dass<br />

er nicht Genosse ist. In die SED soll er. Will<br />

er aber nicht. Wird zum NVA-Reservedienst<br />

abkommandiert. Als er nach sechs Monaten<br />

heimkehrt, ist „mein Name aus dem Handelsregister<br />

gestrichen, mein Auto konfisziert,<br />

mein Gehalt gekürzt, mein Büro geräumt,<br />

ein neuer Chef da“.<br />

Rainer Thiele kommt in einem Kombinat unter.<br />

Nachdem er in den 1960er Jahren das<br />

Fernstudium Wirtschaftswissenschaften absolviert<br />

hat, beginnt er 1983 mit einem zweiten:<br />

Markt- und Bedarfsforschung. Da fädelt<br />

Franz Josef Strauß den Milliardenkredit für<br />

die DDR ein – das Land bewegt sich auf die<br />

Pleite zu! „Wenn es mal wirklich anders kommen<br />

sollte“, sagt er sich, „musst du wenigstens<br />

theoretisch wissen, wie die Marktwirtschaft<br />

funktioniert.“<br />

1989 der Mauerfall. Die Eltern sind bereits<br />

tot. Am Sterbebett hat Rainer Thiele seiner<br />

Mutter versprochen, „unseren Betrieb zurückzuholen“.<br />

Im Februar 1990 stellt er den<br />

Reprivatisierungsantrag. In der Treuhand<br />

trifft ihn fast der Schlag. „Für mich zuständig<br />

waren zwei Männer, die uns 1972 enteignet<br />

hatten!“ Die Ex-Genossen sabotieren<br />

das Vorhaben. Trotzdem: Im Juni 1991 wird<br />

Kathi wieder Familienbesitz. Rainer Thiele<br />

will das feiern – Herzinfarkt!<br />

Als er halbwegs erholt in den Betrieb zurückkehrt,<br />

ist der Westprodukt-Hype in vollem<br />

Gange. Die Ostler backen mit Dr. Oetker, den<br />

sie aus dem Westfernsehen kennen. Kathis<br />

Umsätze sind eingebrochen, von 137 Beschäftigten<br />

noch 37 übrig. Trotzdem: Kathi<br />

kennt jeder im Osten. Rainer Thiele rechnet<br />

mit der Besinnung aufs Altbewährte. Aber<br />

wann? Um die Maschinen auslasten, seine<br />

Leute bezahlen zu können, produziert und<br />

vertreibt er für eine große westdeutsche Firma<br />

andere Waren. Das bringt<br />

Zeit, Geld und Ansehen bei<br />

den Banken. Seit 1992 hat<br />

Kathi hier zwölf Millionen<br />

Euro investiert.<br />

So ist das heute: Die Gebäude<br />

strahlen in den Unternehmensfarben<br />

Rot und Gelb.<br />

Hochmodern sind Mischtröge,<br />

Anlagen und Verpackungsmaschinen.<br />

90 Mitarbeiter<br />

fertigen über 70 Sorten<br />

Backmischungen, von<br />

der Händel-Torte über Schoko-<br />

und Nusskuchen bis hin<br />

zu Pizzateig und Muffins.<br />

Jahresumsatz fast 30 Millionen<br />

Euro, Tendenz steigend.<br />

Mit „German Streusel“ nimmt<br />

Kathi nun auch den US-Markt<br />

ins Visier.<br />

Das aber ist der Part von<br />

Marco Thiele, seit 2009 Geschäftsführer<br />

und zum Gespräch<br />

dazugekommen. Doch<br />

wie ging es damals weiter?<br />

„Mit mühsamem Klinkenputzen.<br />

Vater klapperte die<br />

Handelsketten ab. Aber er<br />

wurde anfangs oft nur belächelt.“<br />

Optimismus, Engagement,<br />

Qualitätsbewusstsein<br />

– das schätzt er so an ihm.<br />

Rainer Thiele schwört von jeher<br />

auf die eigene Marke, die<br />

Produktion namenloser Massenware<br />

ist tabu. Und sagt:<br />

„Da, wo Kathi draufsteht, ist<br />

auch Kathi drin! Wir haben<br />

uns nicht in die Arme eines großen Investors<br />

geworfen. Und nie auf die ostdeutsche<br />

Tränendrüse gedrückt.“<br />

Käthe Thieles alte Rezepte lagern im Panzerschrank.<br />

„Man weiß ja nie! Russland, die<br />

Ukraine, der Handelskrieg mit der EU.“ Ist<br />

er nicht Optimist? „Eben. Ich schaue nach<br />

vorn“, sagt er. Und ist enttäuscht von dem<br />

„Wust an Reglementierungen. Ludwig Erhard<br />

Verpackung aus den 1950er Jahren.<br />

würde sich im Grabe umdrehen, wüsste er,<br />

was von der sozialen Marktwirtschaft übrig<br />

geblieben ist.“<br />

Haben Vater und Sohn noch Lebensträume?<br />

„Ja. Dass sich Kathi behauptet“, so Marco<br />

Thiele. Der „Alte“ aber „will Deutschlands<br />

Nummer eins werden“. Sagt‘s augenzwinkernd<br />

und dann ernst: „Dass sich Kathi zur<br />

nationalen Marke etabliert.“ W+M<br />

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28 | W+M Titelthema<br />

Güstrows schönster Schmuck<br />

Thomas Grabbe zieht mit seinem Juwelierhaus zahlungskräftige<br />

Uhren- und Schmuckliebhaber aus dem ganzen Norden an<br />

Thomas Grabbe besitzt das vermutlich<br />

schönste Geschäft in der Güstrower Innenstadt.<br />

Am Pferdemarkt 6 betreibt<br />

er in dritter Generation das „Juwelierhaus<br />

Grabbe“. Auf zwei elegant eingerichteten Etagen<br />

empfängt er seine Kunden. Verkaufsgespräche<br />

führt er gern im Obergeschoss, das<br />

er als Lounge eingerichtet hat – mit weißen<br />

Ledersofas und edlen Vitrinen für seine<br />

ständig wechselnden Ausstellungen. Heute<br />

verkauft der 48-jährige, gebürtige Güstrower<br />

Uhren der teuersten Marken und luxuriösen<br />

Schmuck. Das klingt ganz selbstverständlich,<br />

ist es aber nicht. Thomas Grabbe<br />

musste einen langen, harten und risikoreichen<br />

Weg zurücklegen, bis er es in die Beletage<br />

der deutschen Juwelierhäuser schaffte.<br />

Uhren sind sein Leben:<br />

Thomas Grabbe.<br />

„Angefangen hat alles in den 1950er Jahren,<br />

da begann mein Großvater in der Ausbildungswerkstatt<br />

für Juweliere<br />

ein paar Häuser<br />

weiter, am Markt 4. Später<br />

übernahm er das Geschäft<br />

von seinem Chef.<br />

Meine Mutter führte die<br />

Goldschmiedewerkstatt<br />

durch die schwierigen<br />

1970er und 1980er Jahre“,<br />

so Thomas Grabbe.<br />

Schwierig deshalb, weil<br />

der chronische Mangel<br />

an Gold und Edelsteinen<br />

keinen regulären<br />

Geschäftsbetrieb zuließ. „Damals gab es<br />

Gold nur auf strenge Zuteilung – pro Arbeitsplatz<br />

50 Gramm pro Jahr. Wir waren zu dritt<br />

und erhielten also 150 Gramm. Damit konnten<br />

nur Kleinstreparaturen gemacht werden.“<br />

Der Materialmangel wirkte sich auf die Ladenöffnungszeiten<br />

aus: Nur einmal pro Jahr<br />

wurde der Juwelierladen für Reparaturannahmen<br />

geöffnet. Darüber hinaus konnten<br />

jeweils freitags reparierte Schmuckstücke –<br />

nach vorheriger Benachrichtigung – abgeholt<br />

werden. Thomas Grabbe: „An Neuanfertigungen<br />

war seinerzeit nicht zu denken, es<br />

sei denn, die Kunden brachten das Material<br />

selbst mit.“<br />

Für treue Kunden veranstaltet<br />

Thomas Grabbe noble Veranstaltungen,<br />

wie Poloturniere am Ostseestrand.<br />

In der <strong>Wende</strong>zeit befand sich Thomas Grabbe<br />

mitten in der Meisterausbildung zum Goldschmied,<br />

die er 1991 abschloss. Unmittelbar<br />

danach übernahm er den kleinen und mühsam<br />

über die DDR-Zeit geretteten Familienbetrieb.<br />

„Da wir bis dahin nie Ware aus eigener<br />

Produktion hatten, musste ich aus dem<br />

Handwerksgeschäft ein Handelsgeschäft machen“,<br />

erinnert sich Grabbe. Also verkauft er<br />

zunächst Schmuck in erschwinglichen Preisbereichen.<br />

„Eines Tages kam ein Vertreter des<br />

Uhrenherstellers Maurice Lacroix in den Laden<br />

und ermunterte mich, Uhren ins Sortiment<br />

zu nehmen. Kurze Zeit später verkaufte<br />

ich die erste Uhr für 4.000 D-Mark – so etwas<br />

Teures ging zuvor nie über meinen Ladentisch.“<br />

Dieser anfängliche Verkaufserfolg entfachte<br />

beim Jungunternehmer Grabbe Lust und<br />

Elan, weitere hochwertige Uhrenmarken ins<br />

Fotos: Peter-Paul Reinmuth (oben, auch Titel), Grabbe (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 29<br />

Fotos: NOMOS Glashütte (oben), IWC (Mitte), Glashütte Original (unten)<br />

Sortiment zu nehmen. „Doch das war gar nicht so einfach, weil<br />

die Hersteller elitäre Ansprüche an die Ausstattung der Verkaufsräume<br />

hatten.“ Grabbe reagierte, übernahm die Geschäftsräume<br />

am Pferdemarkt 6, baute aufwendig um. Zu Glashütte<br />

Original, Ebel und Chopard gesellten sich nun auch Uhren von<br />

Breitling und IWC.<br />

Schnell tat sich ein neues Problem auf. Es fehlte an zahlungskräftiger<br />

Kundschaft. Allein vom Güstrower Umfeld konnte<br />

Grabbe nicht leben. Fortan packte er jedes zweite Wochenende<br />

seine schönsten Exponate ein und präsentierte sie und sich auf<br />

hochkarätigen Veranstaltungen – bei Bällen, Kundenevents in<br />

Autohäusern oder am Rande von Golfturnieren. „So habe ich<br />

die Marke Grabbe auch außerhalb Güstrows positioniert. Hätte<br />

ich das nicht getan, wäre ich längst pleite“, resümiert Grabbe.<br />

Diese Positionierung dauerte mehrere Jahre. „Bis zum Ende der<br />

1990er Jahre war es finanziell sehr schwer, da ich die Ware natürlich<br />

zeitnah bezahlen musste. Ich habe mich durchgekämpft<br />

und gespart wo ich konnte. Bis 2001 fuhr ich einen Fiat Punto,<br />

weil jede eingenommene Mark sofort ins Sortiment floss.“ Viele<br />

Uhrenhersteller honorierten Grabbes Engagement und drückten<br />

bei überschrittenen Zahlungsfristen auch mal ein Auge zu.<br />

Inzwischen ist Grabbe etabliert, er beschäftigt acht Mitarbeiter,<br />

darunter zwei Goldschmiedemeister. Seine Kunden kommen aus<br />

ganz Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, aber auch<br />

aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin. „Ein Vorteil für<br />

mich gegenüber der Konkurrenz in den großen Städten ist die<br />

Wertschätzung meiner Arbeit durch die Uhrenhersteller. Die<br />

drückt sich dadurch aus, dass sie mir mitunter größere Kontingente<br />

an limitierten Uhren zur Verfügung stellen, die sich oft<br />

leichter verkaufen lassen. Heute bin ich in der Lage, wirklich<br />

alles liefern zu können, auch Exponate, die es auf dem deutschen<br />

Markt nur ganz selten gibt“, so Grabbe.<br />

Aber Grabbe ist keiner, der sich auf dem Erfolg ausruht. Er bleibt<br />

am Ball und nah bei seinen Kunden. So kreiert er eigene Veranstaltungen<br />

– Weihnachtsfeiern, Golf- und Poloturniere und<br />

sogar eine Schleppjagd. Als Stargäste für das gutbetuchte Publikum<br />

zieht er dann auch mal Manfred Krug, Uschi Brüning,<br />

Alfons Schuhbeck oder Klaus Maria Brandauer aus dem Hut.<br />

„Mit diesen Events möchte ich meinen Kunden für ihre Treue<br />

danken und dafür, dass sie oft den weiten Weg nach Güstrow<br />

auf sich nehmen.“<br />

Uhren sind für Grabbe nicht Protzobjekte oder nutzloser Luxus.<br />

„Eine schöne Uhr steigert die Lebensfreude und wirkt dadurch<br />

in gewisser Weise gesundheitsfördernd. Zudem sind gute<br />

Uhren in unserer unsicheren Zeit eine sichere Wertanlage, die<br />

der nächsten Generation vererbt werden kann.“<br />

Karsten Hintzmann<br />

Uhrenempfehlungen von Thomas Grabbe<br />

Designklassiker<br />

Feinste Handarbeit aus Glashütte (Sachsen).<br />

Sie steht für NOMOS Glashütte: die Tangente.<br />

Jene runde Uhr mit den vielen rechten<br />

Winkeln, dieses Meisterstück an Geradlinigkeit,<br />

verkörpert die Glashütter Manufaktur,<br />

wirkt wie ein Logo für die Marke.<br />

Und seit 1992 schon läuft und läuft<br />

und läuft sie: Mehr als jede andere Uhr<br />

von NOMOS Glashütte hat sich dieses<br />

Modell die Bezeichnung „Designklassiker“<br />

verdient. Form und Qualität sind vielfach<br />

preisgekrönt.<br />

Preis: ab 1.320 €<br />

Für IWC-Einsteiger<br />

IWC ist eine weltweit anerkannte und geschätzte<br />

Manufaktur aus der Schweiz. Die Portofino<br />

Chronograph bringt eine sportliche<br />

Note in die Portofino-Familie. Ihre<br />

markanten Chronographendrücker<br />

erinnern an das Cockpit italienischer<br />

Sportwagen aus den 1960er-Jahren.<br />

Die Uhr mit gewölbtem Saphirglas<br />

und applizierten römischen Ziffern wird<br />

vom bewährten Automatikaufzug Kaliber<br />

75320 mit 44 Stunden Gangreserve angetrieben.<br />

Preis: ca. 5.200 €<br />

Spitzenklasse<br />

Der Senator Observer von Glashütte Original<br />

ist der perfekte Einstieg in die große Welt<br />

der Komplikationen. Also in die höchste<br />

Uhrmacherklasse. Das in Glashütte<br />

entwickelte und patentierte Panoramadatum<br />

ist in meinen Augen das<br />

Sinnvollste, womit eine hochwertige<br />

Armbanduhr ausgestattet sein<br />

sollte. Hervorragend ablesbar und<br />

optisch perfekt gelungen. Der neue<br />

Observer ist sowohl mit dem hellen,<br />

als auch mit dem anthrazitfarbenen Zifferblatt<br />

eine Uhr, die dem Träger jeden<br />

Tag Freude schenkt und die sehr werthaltig<br />

ist.<br />

Preis: ca. 9.500 €<br />

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30 | W+M Titelthema<br />

Er machte den Multicar weltmarktfähig<br />

Mit Walter Botschatzki startete das Unternehmen aus Waltershausen nach der <strong>Wende</strong> durch<br />

Der neue Multicar M27<br />

aus Waltershausen.<br />

Walter<br />

Botschatzki.<br />

Chef, Sie trauen sich<br />

was!“ Oft hörte Walter<br />

Botschatzki 1990<br />

diese Worte seiner Mitarbeiter.<br />

Denn der Betriebsdirektor<br />

des VEB<br />

Fahrzeugwerk Waltershausen,<br />

in dem der<br />

wendige Multicar entstand,<br />

unterschied sich<br />

in diesen Monaten auffallend<br />

von den meisten seiner Kollegen im<br />

IFA-Kombinat. Während sich andere „treiben<br />

ließen und auf Investoren warteten“, habe<br />

er „ein bisschen vorausgedacht“, erinnert<br />

sich der 70-Jährige. Ganz Ingenieur fragte<br />

er sich vom ersten Moment an: Wie machen<br />

wir unser Gefährt weltmarktfähig? Er wusste,<br />

dass es, auch wenn 80 Prozent in den Export<br />

gingen, in der aktuellen Version keine<br />

Zukunft hat. Es bedurfte neuer Zusatzfunktionen<br />

und eines moderneren Innenlebens.<br />

So schrieb er couragiert westliche Ausrüster<br />

an – und die reagierten auch, waren ihrerseits<br />

am ostdeutschen Markt interessiert.<br />

So schickte Rexroth Hydraulik, lieferte VW-<br />

Motoren, um den damaligen M25 zeitgemäß<br />

aufzupeppen.<br />

Und während andere Fahrzeughersteller im<br />

Osten ihre Direktoren in die Wüste schickten,<br />

trug es der Betriebsrat sogar mit, als Botschatzki<br />

und Manfred Windus – sein ebenfalls<br />

ostdeutscher Partner in der Geschäftsleitung<br />

– tausend der 1.200 Beschäftigten<br />

entlassen mussten. Nicht zuletzt seine<br />

menschliche Umsicht wie eine stets berechenbare<br />

Geradlinigkeit beeindruckten hierbei.<br />

„Man weiß immer, woran man bei ihm<br />

ist, kann sich auf ihn verlassen“, so die Arbeitnehmervertretung.<br />

So überlebte Multicar<br />

als einzige IFA-Marke.<br />

Dennoch war es nicht der Wunsch des damaligen<br />

Mittvierzigers, Unternehmer zu werden.<br />

Erst 1986 war er gegen anfängliches<br />

Sträuben vom Karosseriebau Aschersleben,<br />

wo er Technischer Direktor war, nach Waltershausen<br />

gewechselt. Und nun suchte auch<br />

er zunächst Käufer für die Multicar-Schmiede.<br />

Doch alle Großen, auch Mercedes-Benz,<br />

winkten ab. „Es hieß, mehr als 400 Wagen<br />

pro Jahr lassen sich nicht absetzen“, grinst<br />

er heute. Denn nun sind es jährlich 1.600<br />

Fahrzeuge, die immer stärker auch im Westen<br />

Käufer finden. Das Multitalent war bald<br />

in 15 Varianten zu haben, vom Ladekran bis<br />

zum Silostreugerät. Und der Kunde bekam<br />

stets „seine ganz individuelle Problemlösung<br />

– was er nicht brauchte, ließen wir weg“, so<br />

Botschatzki. Damit kostete die Basisversion<br />

halt nur die Hälfte eines Unimog. Rund<br />

70 Aufbauten bestellt das Multicar-Werk, das<br />

heute zur Hako-Gruppe gehört, übrigens im<br />

Thüringer Umland.<br />

Doch zunächst benötigte das Werk 1991 Geld,<br />

wenigstens zwölf Millionen Euro. Und neben<br />

der Beteiligungsgesellschaft der Deutschen<br />

Bank, die an das Konzept glaubte, sowie einem<br />

Waggonbauer aus Hannover erwarben<br />

auch Botschatzki und Windus je 10,5 Prozent<br />

– der Gegenwert eines properen Eigenheims.<br />

Die beiden Ostdeutschen wagten ein<br />

klassisches Management-Buy-out. Woher der<br />

Mut kam? Botschatzki schmunzelt: Er sei früher<br />

Wasserballer gewesen, Teamplayer also.<br />

Sicher könne man hier „leicht unter Wasser<br />

geraten – aber nur wenn man weniger Luft<br />

als der Gegner“ habe … Er hatte sie, auch<br />

als langjähriger Präsident des Verbandes der<br />

Wirtschaft Thüringens. Inzwischen agiert er<br />

im (Un)Ruhestand – etwa als Chef des Thüringer<br />

Schlitten- und Bobsportverbandes.<br />

Harald Lachmann<br />

Fotos: Hako-Gruppe (oben), Harald Lachmann (unten, auch Titel)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 31<br />

Liebe zum Lkw<br />

nicht geerbt<br />

Eine unverhoffte Chance ergab sich 1989 – der<br />

Rostocker Stephan Gustke wechselte in den Ein-<br />

Lkw-Transportbetrieb der Familie und entwickelte<br />

diesen zur Logistikfirma.<br />

Die frühen Lkw der Gustkes sind geschichtsbeladen. Das erste<br />

Fahrzeug nach Kriegsende war ein übrig gebliebener Wehrmacht-Lkw.<br />

„Mit dem ist mein Großvater neu gestartet, nachdem<br />

die Russen 1945 die zwei letzten Lastzüge seines Fuhrunternehmens<br />

beschlagnahmt hatten“, greift Stephan Gustke weit zurück in<br />

die Annalen der Rostocker Spedition Heinrich Gustke GmbH. Großvater<br />

Heinrich hatte 1933 in der Hansestadt seine Transportfirma<br />

gegründet. Stephan Gustke erzählt davon mit dem zeitlich bedingten<br />

Abstand des Enkels.<br />

Heinrich Gustke arbeitete in der jungen DDR mit ihrer politischen<br />

Doktrin des Volkseigentums als selbstfahrender Unternehmer. Viele<br />

Widrigkeiten waren zu umkurven. „Es war schwierig, an Aufträge zu<br />

kommen, da der Staat überall die Hand drauf hatte“, ergänzt Manfred<br />

Gustke. Der heute 75-Jährige hatte die Firma 1970 vom Gründer<br />

übernommen und unterstützt noch immer seinen Sohn Stephan<br />

in der Geschäftsführung. „Als kleiner Fuhrbetrieb wurden wir eher<br />

geduldet.“ Mit einem auffällig weiß-grün gestylten W50-Lkw, den er<br />

1983 schrottreif gekauft und aufwändig flottgemacht hatte, war er<br />

selbst jahrelang in der Republik unterwegs.<br />

Foto: Thomas Schwandt<br />

Stephan Gustke hört den Vater gern von früher erzählen. Dessen Faible<br />

für Lkw teilt er nicht. Er lernte in den 80er Jahren Tischler und<br />

machte seinen Meister. Doch mit der <strong>Wende</strong> 1989 in der DDR lenkte er<br />

beruflich um. „Das Unternehmen war da und plötzlich hatten wir die<br />

Chance, daraus mehr zu machen“, begründet er seinen Sinneswandel.<br />

Von Anfang an war klar, es nicht bei einem reinen Transportbetrieb<br />

zu belassen. „Ich wollte eine Spedition begründen. Dabei hatte<br />

ich gar keine Ahnung, wie das funktioniert, Güter disponieren,<br />

umladen, einlagern.“ Zufällig lernten Gustkes in den <strong>Wende</strong>jahren<br />

den Hamburger Spediteur Günter Dicks kennen. Dieser bot „ganz uneigennützig<br />

seine Hilfe“ an beim Start in die Marktwirtschaft. Bis<br />

1994 arbeitete Stephan Gustke bei Dicks und lernte, von Hamburg<br />

aus die Fahrten der wachsenden eigenen Lkw-Flotte zu dirigieren.<br />

Der erste neue Gustke-Lkw war ein Renault.<br />

Nach der Rückkehr an die Warnow beschleunigte Stephan Gustke den<br />

Ausbau der Spedition. Im Güterverkehrszentrum (GVZ) nahe Rostock<br />

Stemmt die Zukunft der Firma:<br />

Geschäftsführer Stephan Gustke.<br />

investierte der Familienbetrieb zwei Millionen D-Mark in eine Lagerhalle,<br />

Bürotrakt und Freiflächen. Der Fuhrpark ist bis dato auf 100<br />

Lkw gewachsen. Anders als für Vater Manfred sei für ihn ein Lkw nur<br />

ein „Ladegefäß“, offenbart der 46-Jährige freimütig. Die Konkurrenz<br />

auf der Straße ist zuletzt immer härter geworden. Auch deshalb sieht<br />

Stephan Gustke die Zukunft des Traditionsunternehmens verstärkt in<br />

der Logistik. Bereits in der Lager- und Entsorgungslogistik gut aufgestellt,<br />

kamen zuletzt ein Logistik-Terminal und ein Freilager im GVZ<br />

hinzu, das von lokalen Windkraftanlagenbauern genutzt wird. Seit<br />

zwei Jahrzehnten wirkt der Chef daran mit, dass sich die Transportfirma<br />

Gustke in dritter Generation zu einem führenden Logistikunternehmen<br />

in Norddeutschland gewandelt hat. Mit 210 Beschäftigten<br />

und einem Jahresumsatz von 16 Millionen Euro. Thomas Schwandt<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


32 | W+M Titelthema<br />

„Nichts ist selbstverständlich!”<br />

Mit diesem Motto hat Thomas Süß – Bauunternehmer und Betreiber<br />

eines Yachthafenresorts – Erfolg<br />

Vater 2012 mit 68 Jahren aus dem Unternehmen<br />

zurückzog, führte Thomas Süß die Firmengruppe<br />

zu 100 Prozent weiter. Fast wie<br />

selbstverständlich. So einfach wie hier die<br />

Nachfolge geklärt wurde, soll es auch künftig<br />

gehen. Thomas Süß hat mit seiner heute<br />

18-jährigen Tochter aus der geschiedenen<br />

Ehe vereinbart, dass sie zu seinem 50. Geburtstag,<br />

also in fünf Jahren, Bescheid gibt,<br />

ob sie die Nachfolge antreten will.<br />

Thomas Süß ist<br />

fast immer unterwegs.<br />

Thomas Süß ist eigentlich ein Glückspilz.<br />

Statt nach der Schule zu studieren,<br />

lernte er Ofensetzer und Fliesenleger<br />

– ein begehrter Beruf zu DDR-Zeiten<br />

mit besten Verdienstaussichten. Es geht ihm<br />

gut. Der Vater macht sich 1988, noch zu DDR-<br />

Zeiten, mit einer Straßen- und Tiefbau-Firma<br />

selbstständig, das war damals nicht so<br />

einfach. Er überredete seinen Sohn mitzumachen<br />

und Thomas macht, was Vater sagt<br />

und ist damit schon vor der <strong>Wende</strong> selbstständig.<br />

Die <strong>Wende</strong> selbst erlebt er während<br />

seiner Wehrpflicht als Grenzer bei der NVA in<br />

Eisenach, wo es nach dem Mauerfall plötzlich<br />

nichts mehr zu bewachen gab. Er wird deshalb<br />

schon nach zwölf statt 18 Monaten wieder<br />

nach Hause geschickt. So viel Glück hat<br />

nicht jeder gehabt, aber Thomas Süß verlässt<br />

sich nicht auf das Glück.<br />

Sein Lebensmotto lautet: „Nichts ist selbstverständlich!“<br />

Und damit fährt er gut. Im<br />

Jahr 1990 hat die Baufirma neben Vater und<br />

Sohn fünf Mitarbeiter. Umsatz etwa 500.000<br />

D-Mark. Heute beschäftigt Thomas Süß in<br />

seiner Gruppe 150 feste Mitarbeiter und<br />

macht einen Umsatz von rund 20 Millionen<br />

Euro. Aus dem einstigen Kleinunternehmen<br />

sind die Süß Bau GmbH, die BBI Service-<br />

Gesellschaft und das SBS Yachthafenresort<br />

Fleesensee entstanden. Nichts ist selbstverständlich.<br />

Nach Eintritt in die Firma des Vaters<br />

machte Thomas Süß eine fachspezifische<br />

Ausbildung als Fernstudium. Als sich sein<br />

Der heute 45-Jährige hat klare Vorstellungen<br />

und ist erfolgreich. Große Fehler meint<br />

er nicht gemacht zu haben, und aus den vielen<br />

kleinen habe er gelernt. Seine Prinzipien<br />

sind Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Zuverlässigkeit<br />

im Großen wie im Kleinen sowie<br />

eine enge Zusammenarbeit zwischen der<br />

Unternehmensführung und den Mitarbeitern.<br />

Ob er sich als ostdeutscher Unternehmer<br />

fühlt, kann er nicht sagen. Er ist Sachse<br />

und Leipziger, dazu steht er. Mit dem Ossi-<br />

Wessi-Gerede will er nichts zu tun haben. Er<br />

sieht sich als Unternehmer in einer gesellschaftlichen<br />

Verantwortung, die sich aber<br />

vornehmlich auf seine Mitarbeiter, deren Familien<br />

und die Unternehmensstandorte bezieht.<br />

Mit den Erscheinungen, dass Leute nur<br />

noch Spaß anstelle von Verantwortung wollen,<br />

hat er ein Problem. Er ist eben Unternehmer.<br />

Frank Nehring<br />

Das Yachthafenresort Fleesensee.<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


MESSEN & VERANSTALTUNGEN 2014/2015<br />

03.10. – 05.10. 2014<br />

modell-hobby-spiel<br />

Ausstellung für Modellbau, Modelleisenbahn,<br />

kreatives Gestalten und Spiel<br />

www.modell-hobby-spiel.de<br />

24.10. – 26.10. 2014<br />

Designers’ Open<br />

Design Festival Leipzig<br />

www.designersopen.de<br />

27.10. – 29.10. 2014<br />

new mobility<br />

Mobilität neu denken<br />

www.new-mobility-leipzig.de<br />

27.10. – 29.10. 2014<br />

euregia<br />

Kommunal- und Regionalentwicklung in Europa –<br />

Fachmesse und Kongress<br />

www.euregia-leipzig.de<br />

04.11. 2014<br />

Absolventenmesse Mitteldeutschland<br />

www.absolventenmesse-mitteldeutschland.de<br />

06.11. – 08.11. 2014<br />

denkmal<br />

Europäische Messe für Denkmalpfl ege,<br />

Restaurierung und Altbausanierung<br />

www.denkmal-leipzig.de<br />

* nur für Fachbesucher · **Gastveranstaltung<br />

Auszug · Änderungen vorbehalten<br />

19.11. – 23.11. 2014<br />

Touristik & Caravaning International Leipzig**<br />

www.touristikundcaravaning.de<br />

27.01. – 29.01. 2015<br />

TerraTec<br />

Internationale Fachmesse für Umwelttechnik und<br />

-dienstleistungen<br />

www.terratec-leipzig.de<br />

27.01. – 29.01. 2015<br />

enertec<br />

Internationale Fachmesse für Energieerzeugung,<br />

Energieverteilung und -speicherung<br />

www.enertec-leipzig.de<br />

24.02. – 27.02. 2015<br />

Intec<br />

Internationale Fachmesse für Werkzeugmaschinen,<br />

Fertigungs- und Automatisierungstechnik<br />

www.messe-intec.de<br />

24.02. – 27.02. 2015<br />

Z<br />

Internationale Zuliefermesse für Teile,<br />

Komponenten, Module und Technologien<br />

www.zuliefermesse.de<br />

28.02. – 02.03. 2015<br />

CADEAUX Leipzig*<br />

Fachmesse für Geschenk- und Wohntrends<br />

www.cadeaux-leipzig.de<br />

www.leipziger-messe.de


34 | W+M Titelthema<br />

Deutsche Geschichte hautnah erlebt<br />

Frank Mangelsdorf ist am 9. November 1989 unmittelbar dabei, als – eher unbeabsichtigt –<br />

deutsche Geschichte geschrieben wird. Der damals 32 Jahre alte Redakteur der überregionalen<br />

DDR-Tageszeitung „Der Morgen“ nimmt an der legendären Pressekonferenz in Berlin teil, in der<br />

Politbüromitglied Günther Schabowski in holprigen Sätzen die Öffnung der Grenzen und die sofortige<br />

Reisefreiheit für alle DDR-Bürger verkündet.<br />

Von Karsten Hintzmann<br />

Frank Mangelsdorf bei einer Redaktionskonferenz der MOZ.<br />

Damals haben wir gar nicht sofort die<br />

Tragweite von Schabowskis Worten realisiert“,<br />

erinnert sich Mangelsdorf.<br />

„Das SED-Politbüro tagte in diesen Wochen<br />

permanent und jeden Tag fand eine Pressekonferenz<br />

statt, wo die neuesten Informationen<br />

aus dem Führungsgremium verkündet<br />

wurden. Als ich dann mit der Nachricht<br />

in die Redaktion kam, dass die Grenzen geöffnet<br />

werden, wurde im Spätdienst der Redaktion<br />

zunächst niemand atemlos. Der Spätdienstchef<br />

wollte erst mal abwarten, was die<br />

staatliche Nachrichtenagentur ‚ADN‘ dazu<br />

verlautbarte. Es herrschte damals eine große<br />

Agenturgläubigkeit.“<br />

Den Abend der Grenzöffnung verbringt er,<br />

genau wie die meisten anderen Redakteure,<br />

im Westteil Berlins. Mangelsdorf: „Am nächsten<br />

Morgen trafen wir uns alle wieder in der<br />

Redaktion – übernächtigt und von den neuen<br />

Entwicklungen elektrisiert. Wir schrieben<br />

eine große Geschichte über das in der<br />

Nacht Erlebte.“<br />

An Schlaf war auch in den folgenden Wochen<br />

kaum zu denken. Mangelsdorf und seine Kollegen<br />

wollten die spannende Zeit in all ihren<br />

Facetten abbilden. „Es herrschte eine wahnsinnige<br />

<strong>Aufbruch</strong>sstimmung, erstmals konnten<br />

wir in unserem Beruf frei von Tabus arbeiten“,<br />

sagt Mangelsdorf, der in Leipzig Journalismus<br />

studiert hatte und seit 1983 stellvertretender<br />

Nachrichtenchef beim „Morgen“<br />

war.<br />

Die politische <strong>Wende</strong> in der DDR deutete sich<br />

spätestens am 7. Oktober 1989 an, als sich<br />

die Gründung der DDR zum 40. Mal jährte.<br />

„Die Szenerie war gespenstisch – vor dem<br />

Palast der Republik riefen die Menschen<br />

‚Gorbi, Gorbi‘, während sich Honecker im<br />

Saal feiern ließ. Es war das letzte Aufbäumen,<br />

zehn Tage später wurde Honecker abgesetzt“,<br />

beschreibt Mangelsdorf die damaligen<br />

Ereignisse.<br />

Für den Ost-Berliner Journalisten Mangelsdorf<br />

boten sich durch den gesellschaftlichen<br />

Umbruch in der DDR plötzlich neue berufliche<br />

Perspektiven: „Ich war im Sommer 1990<br />

in der ARD-Sendung ‚Presseclub‘. Nach der<br />

Sendung sprach mich der Chefredakteur der<br />

Tageszeitung ‚Die Welt‘ an und bot mir einen<br />

Job an. Ich überlegte kurz und unterschrieb<br />

dann einen Arbeitsvertrag zum 1. September<br />

1990.“ Frank Mangelsdorf war der erste<br />

Journalist aus dem „Morgen“-Team, der zum<br />

Foto: MOZ<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 35<br />

Axel-Springer-Verlag wechselte. Ihm sollten<br />

nach der Einstellung des „Morgen” im Frühjahr<br />

1991 etliche Kollegen folgen.<br />

Bei seinem neuen Arbeitgeber wurde Mangelsdorf<br />

zunächst DDR-Korrespondent, nach<br />

der deutschen Wiedervereinigung dann Berichterstatter<br />

für die neuen Bundesländer.<br />

„Was mich besonders überraschte und positiv<br />

berührte, war die große Kollegialität im Korrespondentenbüro<br />

der ‚Welt‘. Die neuen Kollegen<br />

nahmen mich sofort als einen der ihren<br />

auf“, sagt er. Bis heute erinnert sich Mangelsdorf<br />

gern an diese umtriebige Zeit, in der<br />

er über die gesellschaftlichen Umbrüche zwischen<br />

Rostock und Gera, über Politbüro- und<br />

Mauerschützenprozesse berichtete.<br />

In den Folgejahren setzte sich Mangelsdorfs<br />

Weg fort. Als die „Welt“ 1993 mit ihrer<br />

Stammredaktion von Bonn nach Berlin umzog,<br />

berief die Chefredaktion Mangelsdorf<br />

zum Leiter der Berlin-Redaktion. Er war somit<br />

der erste „Ossi“, der es bei Springer zum<br />

Ressortleiter brachte.<br />

Anderthalb Jahre später warb ihn der Berliner<br />

„Tagesspiegel“ ab. Dort arbeitete er bis<br />

1997 als Ressortleiter für die Region Berlin-Brandenburg.<br />

Dann kam erneut der<br />

Springer-Verlag zum<br />

Zuge – Mangelsdorf<br />

übernahm für vier<br />

Jahre die Leitung<br />

der Lokalredaktion<br />

der „Berliner Morgenpost“.<br />

Nach einem<br />

einjährigen Intermezzo<br />

als Leiter<br />

des Parlamentsbüros<br />

der „Ostseezeitung“<br />

heuerte er schließlich<br />

im Jahr 2002<br />

als Chefredakteur<br />

Frank Mangelsdorf (r.) interviewte 1988 den Ständigen Vertreter<br />

der BRD in der DDR, Hans Otto Bräutigam (l.).<br />

bei der „Märkischen Oderzeitung“ (MOZ) in<br />

Frankfurt (Oder) an. Bis heute steht er an der<br />

Spitze dieses vorrangig in Ost- und Nordbrandenburg<br />

verbreiteten Regionalblattes mit 16<br />

Lokalteilen und ist somit einer der dienstältesten<br />

Chefredakteure in den neuen Bundesländern.<br />

Bei seinem Amtsantritt in der Stadt<br />

an der Grenze zu Polen spürte er schnell, dass<br />

sich die Stimmungslage der Menschen hier<br />

stark von der Euphorie in der Berliner Metropole<br />

unterschied. „Ich war betroffen – in<br />

dieser quasi vor den Toren Berlins gelegenen<br />

Region herrschte eine fast bedrückende<br />

Stimmung. Das Versprechen von den ‚blühenden<br />

Landschaften‘ hatte sich in Frankfurt<br />

und Umgebung eher nicht erfüllt. Viele<br />

Träume vom Wirtschaftsaufschwung, wie<br />

etwa die Projekte Chipfabrik oder Solar-City<br />

waren geplatzt und die Menschen entsprechend<br />

ernüchtert.“<br />

Vor diesem Hintergrund ist es für Mangelsdorf<br />

nicht leicht, den Kurs der MOZ als regionale<br />

Qualitätszeitung zu halten. „Sicher,<br />

auch unsere Auflage sinkt. Aber moderat.<br />

Diese durchaus erfreuliche Entwicklung hat<br />

einen Grund: Wir sind immer nah bei unseren<br />

Lesern und konzentrieren uns mit journalistischer<br />

Qualität aufs Kerngeschäft. Der Leser<br />

erfährt durch uns, was in seinem Ort, in seiner<br />

Region, in Berlin und Brandenburg passiert.<br />

Dieses Credo zieht sich durch das ganze<br />

Blatt. Daher haben wir wohl auch eine größere<br />

Akzeptanz als mancher Mitbewerber“,<br />

bilanziert Mangelsdorf.<br />

Fotos: MOZ (unten), Privat (oben)<br />

Frank<br />

Mangelsdorf im<br />

Gespräch mit<br />

dem langjährigen<br />

Brandenburger<br />

Ministerpräsidenten<br />

Matthias<br />

Platzeck und<br />

dessen Ehefrau.<br />

Im Gegensatz zu anderen schreibenden Zeitgenossen<br />

glaubt Chefredakteur Mangelsdorf<br />

fest an die Zukunft der Printmedien: „Wir<br />

beobachten gerade einen Kulturwandel. Das<br />

Internet boomt, überschüttet uns mit Nachrichten,<br />

und gleichzeitig werden die Zeitungen<br />

totgesagt. Aber die Zeitung wird überleben,<br />

solange sie Qualitätsjournalismus bietet.<br />

Sie muss nur tagtäglich mit fundierter<br />

Arbeit und sauber recherchierten Nachrichten,<br />

Kommentaren und Hintergrundbeiträgen<br />

den Nachweis erbringen, dass sie gebraucht<br />

wird.“<br />

W+M<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


36 | W+M Titelthema<br />

KAHLA touch!<br />

Das Porzellan mit der<br />

samtweichen<br />

Oberflächengestaltung.<br />

KAHLA: Innovative Porzellan-<br />

Tradition ohne Kaffeekannen<br />

Holger Raithel ist 42 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Jena. Bereits mit drei Jahren<br />

will er Erfinder werden. Heute leitet er die KAHLA Thüringen Porzellan GmbH mit dem Anspruch,<br />

innovativster Porzellanhersteller Deutschlands zu sein. In diesem Jahr feiert KAHLA 170<br />

Jahre Firmengeschichte und den 20. Geburtstag seit der Neugründung. Von Frank Nehring<br />

Den Mauerfall vor 25 Jahren erlebt Holger Raithel als 17-Jähriger<br />

wie so viele grenznahe Franken durch den endlosen Strom<br />

der DDR-Bürger in ihren Trabis, die endlich den Westen erkunden<br />

wollen. Er nimmt das damals unfassbare Ereignis in unmittelbarer<br />

Umgebung wahr.<br />

Nicht weniger, aber auch<br />

nicht mehr.<br />

Dagegen startet Vater Gün t her<br />

Raithel zu dieser Zeit noch<br />

einmal richtig durch. Er erwirbt<br />

KAHLA, den einstigen<br />

Porzellanriesen aus DDR-Tagen,<br />

der nur zwei Jahre nach<br />

erfolgter Privatisierung pleite<br />

gegangen war. Sohn Holger<br />

Raithel zollt seinem Vater<br />

heute großen Respekt.<br />

„Es gehörte schon viel Mut<br />

dazu. Mehr noch, neben der<br />

vielen Arbeit gab es das volle<br />

finanzielle Risiko, sich in<br />

einem Unternehmen zu engagieren,<br />

dem alle Märkte weggebrochen<br />

waren, das über veraltete Anlagen und Technik verfügte,<br />

keine spannenden Produkte hatte und dem jede Idee für eine Perspektive<br />

fehlte.“<br />

Holger Raithel (l.) mit seinen Eltern Rositta und Günther Raithel.<br />

Günther Raithel hat nicht nur eine Idee, sondern auch die so wichtige<br />

Branchenkenntnis. Über 30 Jahre war er bei Rosenthal Porzellan,<br />

zuletzt als Vorstand für Personal und Werke. So verfügt er über<br />

das Wissen und die Erfahrung, das Potenzial der 300 verbliebenen<br />

KAHLA-Mitarbeiter zu erkennen und sich mit ihnen zu arrangieren.<br />

15 Jahre nach der <strong>Wende</strong> kommt Sohn Holger Raithel ins Spiel. Er<br />

hat erfolgreich Physik studiert und komplexe Erfahrungen als Unternehmensberater<br />

gesammelt. Jetzt spürt er – nach Jahren des Angestelltendaseins<br />

– den Wunsch nach Selbstverwirklichung, hat Lust<br />

auf mehr Verantwortung. 2004 ist er reif für KAHLA. Für seinen<br />

Einstieg bei KAHLA hat er klare Vorstellungen: „Ich beginne als Assistent<br />

der Geschäftsleitung, verschaffe mir einen Überblick, steige<br />

in Projekte ein und will dann die volle Verantwortung.“ Die Familie,<br />

allen voran der von den Mitarbeitern<br />

verehrte Günther<br />

Raithel, stimmt dem zu. So<br />

wird Holger Raithel im April<br />

2005 Geschäftsführender<br />

Gesellschafter. Klug genug,<br />

Erreichtes nicht infrage<br />

zu stellen, bringt der damals<br />

33-Jährige mit seiner analytischen<br />

Art, der Kreativität<br />

des Physikers und seinen persönlichen<br />

Erfahrungen den<br />

Turbo in die Entwicklung von<br />

KAHLA. „Wir wollen das innovativste<br />

Unternehmen der<br />

deutschen Porzellanindustrie<br />

sein“, verkündet Raithel<br />

und macht Ernst damit. Für<br />

Innovationen sind Produktneuheiten<br />

wichtig und Traditionsbrüche<br />

erlaubt. „Wir waren die ersten, die keine Kaffeekannen<br />

mehr herstellten und damit auf vollstes Unverständnis im Handel<br />

trafen, waren es doch gerade die Kannen, die das Service und seine<br />

Form bestimmten. Aber wer braucht im Zeitalter von Kaffeemaschinen<br />

noch Kaffeekannen?“ Die Erweiterung des Geschäftsfelds Haushaltsporzellan<br />

um die Bereiche Hotellerie/Gastronomie sowie Artvertising<br />

für Industriekunden werden beschleunigt. Tolle Produktideen,<br />

wie das individuell beschreibbare Porzellan (Note), das nicht<br />

mehr klappernde, rutschfeste Geschirr (Magic Grip) und die nie zu<br />

heiße Teetasse (touch!) sind beste Beispiele für die neue Strategie.<br />

Mit Holger Raithel an der Spitze ist die Unternehmensnachfolge bei<br />

KAHLA gelungen. Und der gebürtige Franke versteht sich heute ganz<br />

selbstverständlich als ostdeutscher Unternehmer.<br />

W+M<br />

Fotos: Kahla<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 37<br />

Weil Sie wissen, was in Ihrer Firma<br />

am wichtigsten ist.<br />

Die Versicherungen<br />

der Sparkassen<br />

Wir beraten Sie und helfen Ihnen mit unseren Produkten dabei, Ihre Fachkräfte und Spezialisten zu motivieren und<br />

langfristig zu binden. Informieren Sie sich in einer unserer Geschäftsstellen. Wenn’s um Geld geht – Sparkasse.<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


38 | W+M Titelthema<br />

Gelenkwellen in alle Welt<br />

Nach der <strong>Wende</strong> galt das Gelenkwellenwerk Stadtilm als nicht privatisierbar. Martin Röder hat es<br />

dennoch gewagt. Heute exportiert sein Unternehmen in 48 Länder. Eine Thüringer Erfolgsgeschichte.<br />

Von Matthias Salm<br />

Martin Röder sitzt wieder einmal auf<br />

gepackten Koffern. Sein Reiseziel<br />

diesmal: die USA. „Flughafen, Hotel,<br />

Firmenbesuch, dann geht es weiter in die<br />

nächste Stadt“, schildert der 63-jährige Unternehmer<br />

sein dicht gedrängtes Programm,<br />

bei dem er aber bei aller Terminhatz immer<br />

versucht, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch<br />

zu kommen, um ein Gefühl für Land<br />

und Leute zu entwickeln. Weitere geplante<br />

Reisen nach Japan, eventuell Russland oder<br />

China füllen Röders Terminkalender bis zum<br />

Ende des Jahres. Auch in Zeiten weltumspannender<br />

multimedialer Vernetzung weiß der<br />

eingefleischte Mittelständler den Wert persönlicher<br />

Kontakte im Geschäftsleben weiterhin<br />

zu schätzen. Und nicht nur er: „Die<br />

japanischen Kunden beispielsweise“, so seine<br />

Erfahrung, „wollen einmal im Jahr den<br />

Chef sehen.“<br />

Der Chef – das ist an der Spitze der Gelenkwellenwerk<br />

Stadtilm GmbH (GEWES) seit 1994<br />

Martin Röder. „Ein bisschen blauäugig vielleicht,<br />

aber auch getragen von der Euphorie<br />

jener Zeit“, so bewertet der erfolgreiche<br />

Mittelständler rückblickend seinen Kraftakt,<br />

das Gelenkwellenwerk in Stadtilm vier<br />

Jahre nach der Deutschen Einheit vor dem<br />

sicheren Aus zu retten. Denn eigentlich hatte<br />

Röder mit der Privatisierung eines nahe gelegenen<br />

Landtechnikbetriebes schon seine<br />

Aufgabe gefunden. Als der damalige Betriebsleiter<br />

der GEWES ihn eindringlich um<br />

Hilfe bat, kam Röder dennoch nicht umhin,<br />

jenes Werk zu übernehmen, bei dem viele andere<br />

Interessenten zuvor schon alleine wegen<br />

der schieren Größe mit rund 1.800 Mitarbeitern<br />

abgewunken hatten.<br />

Entscheidung mit Risiko<br />

Es wird wohl jene motivierende Mischung aus<br />

persönlichem Ehrgeiz, <strong>Aufbruch</strong>stimmung<br />

und Heimatverbundenheit gewesen sein,<br />

die Röder zu diesem Wagnis verleitet hat.<br />

Mittelständler mit Leib und Seele:<br />

GEWES-Chef Martin Röder.<br />

Schließlich bestimmte die Gelenkwellenproduktion<br />

das Leben in der thüringischen<br />

Kleinstadt, seit das Werk im Kriegsjahr 1942<br />

hierhin verlegt wurde. Zu DDR-Zeiten entwickelten<br />

und produzierten die Stadtilmer<br />

Gelenkwellen für Nutzfahrzeuge, Busse und<br />

Traktoren. Auch zu jener Zeit pflegten die<br />

Thüringer schon ihre internationalen Kontakte.<br />

So sorgten beispielsweise in finnischen<br />

Traktoren Gelenkwellen von der Ilm<br />

für den nötigen Antrieb.<br />

Eine Million D-Mark musste Röder bei der Privatisierung<br />

als Kaufpreis aufbringen, weitere<br />

rund 7,8 Millionen D-Mark flossen in die anschließende<br />

Modernisierung. „In der ersten<br />

Zeit haben wir vor allem Kosten produziert“,<br />

erinnert sich der GEWES-Geschäftsführer an<br />

die schwierigen Startbedingungen. Dank der<br />

Einkaufsoffensive Ost der damaligen Bun-<br />

Vollautomatische<br />

Produktion bei der<br />

GEWES GmbH.<br />

Fotos (auch Titel): GEWES GmbH<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 39<br />

Foto: GEWES GmbH<br />

desregierung gelang es Röder aber schnell,<br />

erste Beziehungen zu Automobilherstellern<br />

wie Daimler und Opel, ebenso wie zur<br />

Deutschen Bahn AG zu knüpfen. In den Folgejahren<br />

hat sich das Kundenspektrum kontinuierlich<br />

erweitert. Zu den Herstellern von<br />

Nutz- oder Schienenfahrzeugen gesellte sich<br />

die Schiffbauindustrie, später der Maschinenbau.<br />

Gelenkwellen aus Stadtilm kommen<br />

heute so auch in Walzanlagen und Papiermaschinen<br />

zum Einsatz.<br />

Insgesamt fertigen die mittlerweile wieder<br />

400 Mitarbeiter der GEWES Gelenkwellen,<br />

Doppelgelenkwellen, Antriebswellen und<br />

Präzisionsdrehteile für über 500 Kunden<br />

weltweit. Mit den thüringischen Qualitätsprodukten<br />

rollen die Züge der chinesischen<br />

Staatsbahn durch das Reich der Mitte, laufen<br />

Pumpen in der US-amerikanischen Ölindustrie<br />

auf Hochtouren und werden in Japan<br />

Schiffe angetrieben. Eine ständige innovative<br />

Weiterentwicklung der Produkte ist<br />

dabei oberste Maxime der GEWES: „Die leistungsstärkste<br />

Gelenkwelle, die wir gegenwärtig<br />

bauen, hat einen Antrieb von 600.000<br />

Newtonmetern“, erklärt Röder, „aber derzeit<br />

arbeiten wir an einem Antrieb von 750.000<br />

Newtonmetern.“<br />

Qualität setzt dich durch<br />

Dass Röder trotz aller Rastlosigkeit in sich zu<br />

ruhen scheint, mag in seinen festen Überzeugungen<br />

begründet sein. Eine davon: Qualität<br />

setzt sich durch – nicht ohne Stolz verweist<br />

der GEWES-Chef darauf, dass sein Unternehmen<br />

bei Kunden wie der Deutschen Bahn AG<br />

oder der Rolls Royce Group als Q1-Lieferant<br />

gelistet ist. Für Röder der wesentliche Grund,<br />

warum sich der Thüringer Mittelständler im<br />

weltweiten Wettbewerb gegen preiswertere<br />

Konkurrenz aus Fernost bisher stets behaupten<br />

konnte.<br />

Dass man bei allen Erfolgen gerade im Auslandsgeschäft<br />

immer wieder Rückschläge<br />

einkalkulieren muss, will der mehrfach, unter<br />

anderem mit dem Bundesverdienstkreuz<br />

oder dem Großen Preis des Mittelstandes,<br />

ausgezeichnete Familienunternehmer aber<br />

nicht verhehlen. Gerade erst erlebt Röder<br />

wieder die Fährnisse des Exporthandels am<br />

eigenen Leib: Die Lieferungen nach Russland<br />

liegen wegen der politischen Großwetterlage<br />

auf Eis – ein Fehler, wie es Röder aus unternehmerischer<br />

Sicht bewertet, denn Russland<br />

sei wie der arabische Raum, China, Brasilien<br />

oder Südafrika ein Zukunftsmarkt, nicht nur<br />

für sein Unternehmen.<br />

Der Region verpflichtet<br />

Bei aller Internationalität: Röder ist 1994 angetreten,<br />

um Arbeitsplätze in seiner Heimatregion<br />

zu sichern. Daran hat sich auch mehr<br />

als 20 Jahre nach der Privatisierung nichts<br />

geändert. „Einen besseren Standort kann ich<br />

mir nicht vorstellen“, lautet Röders Bekenntnis<br />

zur Mitte Deutschlands. Anwandlungen,<br />

wie andere Mittelständler Teile der Produktion<br />

ins Ausland zu verlegen, haben ihn folglich<br />

nie überkommen. „Damit schwäche ich<br />

nur die Region“, wehrt Röder ab. Den Lohn<br />

dieser Standorttreue erfährt er schließlich<br />

täglich im Unternehmen, in dem die Fluktuation<br />

der Mitarbeiter äußerst gering ist.<br />

„Die Mitarbeiter drehen sich nicht ab, wenn<br />

der Chef durch die Produktion geht, wie es<br />

in manch anderem Unternehmen zu beobachten<br />

ist“, freut sich Röder über das gute Betriebsklima,<br />

das die GEWES seit Jahren auszeichnet.<br />

Auch wenn die Nachfolge in der Familie bereits<br />

geregelt wurde – beide Schwiegersöhne<br />

sind schon in leitender Funktion im Unternehmen<br />

tätig –, steht der Ruhestand für<br />

den umtriebigen 63-Jährigen noch nicht zur<br />

Debatte. Schließlich ist Röders Rat über das<br />

Unternehmen hinaus gefragt – was sich vor<br />

allem an seinen zahlreichen Ehrenämtern ablesen<br />

lässt. Aber auch hier verfolgt Röder ein<br />

ehrgeiziges Ziel: „Jedes Jahr ein Ehrenamt<br />

abgeben – das habe ich meiner Frau versprochen.“<br />

W+M<br />

Qualität für den Weltmarkt –<br />

made in Thüringen.<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


40 | W+M Titelthema<br />

Der Retter des Fernsehens in<br />

Berlin-Adlershof<br />

Hans-Peter Urban ist es nicht nur maßgeblich zu verdanken, dass der Fernsehstandort Berlin-<br />

Adlers hof heute zu den modernsten TV-Zentren Deutschlands zählt, sondern dass überhaupt<br />

noch bewegte Bilder auf dem Gelände des ehemaligen DDR-Fernsehens im Südosten Berlins<br />

produziert werden.<br />

Von Karsten Hintzmann<br />

Am Ende seines ersten Berufslebens war<br />

der gebürtige Zeitzer Hans-Peter Urban<br />

45 Jahre alt. Nach einem erfolgreichen<br />

Nachrichtentechnik-Studium hatte<br />

er in Adlershof das Fernsehhandwerk von<br />

der Pike auf gelernt und es bis zum Chef der<br />

Studiotechnik des DDR-Fernsehens gebracht,<br />

dem die gesamte Technik und alle Liegenschaften<br />

des Staatssenders unterstanden.<br />

Dann wurde Urban im Jahr 1990, wie der gesamte<br />

Deutsche Fernsehfunk, vom „Rundfunkbeauftragten<br />

der neuen Bundesländer“,<br />

dem Münchner Rudolf Mühlfenzl abgewickelt.<br />

Hans-Peter Urban erinnert sich bis<br />

heute gut daran, was er Mühlfenzl zum Abschied<br />

mit auf den Weg gab: „Ich werde in<br />

Adlershof wieder Fernsehen machen, ob Ihr<br />

das wollt oder nicht!“<br />

Dieses Versprechen sollte für Urban zur inneren<br />

Richtschnur werden. Zunächst zog es<br />

ihn jedoch nach Hamburg, er stieg dort bei<br />

Studio Hamburg als Planungsingenieur in<br />

einem angeschlossenen Planungsbüro ein.<br />

Sein Team baute fast alle Landesfunkhäuser<br />

und die Zentrale des neu entstehenden<br />

Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) auf.<br />

Dabei kamen Hans-Peter Urban alte Kontakte<br />

aus DDR-Zeiten zugute, denn beim MDR waren<br />

viele Ex-Kollegen aus Adlershof untergekommen.<br />

Die Zufriedenheit beim MDR über<br />

die qualitativ hochwertige Aufbauarbeit von<br />

Urbans Mannschaft beförderten den schnellen<br />

Aufstieg in Hans-Peter Urbans zweitem<br />

Berufsleben – bereits nach zwei Jahren<br />

wurde er Geschäftsführer. In der Folge plante<br />

Urban die technischen Einrichtungen der<br />

Fernsehsender Arte, VOX<br />

und RTL sowie SAT.1.<br />

„Das waren wirklich intensive<br />

und gute Jahre.<br />

Doch irgendwann erinnerte<br />

ich mich an mein<br />

altes Versprechen und<br />

in Hamburg gab es zum<br />

Glück kluge Leute, die<br />

wussten, welche Bedeutung<br />

Berlin in der deutschen<br />

Medienlandschaft<br />

erlangen würde“, so<br />

Hans-Peter Urban. Also<br />

ging er im Jahr 1997<br />

zurück nach Berlin. Er<br />

wurde Vorsitzender der<br />

Geschäftsführung der Berlin-Brandenburg<br />

Media GmbH, einer 100-prozentigen Tochter<br />

von Studio Hamburg. Eine seiner ersten<br />

Amtshandlungen bestand darin, Grundstücke<br />

auf dem Gelände des früheren DDR-Fernsehfunks<br />

zu kaufen. „Wir mussten nicht bei<br />

null anfangen, da die alten Fernsehstudios<br />

von der Abrisswut der Nachwendezeit verschont<br />

geblieben und somit gute Produktionsbedingungen<br />

vorhanden waren“, erinnert<br />

sich Urban. Allerdings waren noch ideologische<br />

Hürden zu überspringen. „Es gab erhebliche<br />

Vorbehalte gegenüber Adlershof.<br />

Anfangs wollte niemand dort produzieren, wo<br />

früher Karl-Eduard von Schnitzlers ‚Schwarzer<br />

Kanal‘ gedreht worden war.“<br />

Fernsehmacher<br />

Hans-Peter Urban<br />

im Gespräch mit<br />

Sabine Christiansen.<br />

Zwei Ereignisse verhalfen Adlershof schließlich<br />

zum nachhaltigen TV-Comeback: Urban<br />

gelang es, im Jahr 2002 das erste TV-Duell<br />

von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und<br />

CSU-Herausforderer Edmund Stoiber nach<br />

Adlershof zu holen. Wenig später zeigte sich<br />

dann auch noch Filmproduzent Bernd Eichinger<br />

begeistert von der Studiolandschaft in<br />

Adlershof. Dort hatte er maßgeblich den<br />

Streifen „Resident Evil“ gedreht. Gegenüber<br />

der Süddeutschen Zeitung schwärmte Eichinger,<br />

er habe zwar schon auf der ganzen Welt<br />

gearbeitet, nirgends jedoch unter so professionellen<br />

Bedingungen wie in Adlershof. Hans-<br />

Peter Urban: „Das war die Generalzündung<br />

für Adlershof.“<br />

Seither wurde weiter in Adlershof investiert,<br />

so dass es heute der modernste und größte<br />

Fernsehproduktionsstandort in Deutschland<br />

ist. Hans-Peter Urban, inzwischen 70 Jahre<br />

alt, hat diese Entwicklung bis Ende 2011 geleitet.<br />

W+M<br />

Foto: Privat<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 41<br />

Ostdeutschland 25 Jahre<br />

nach dem Mauerfall:<br />

Immer mehr<br />

Licht, immer<br />

weniger Schatten<br />

Foto: ifo Dresden, Graphik: Peter Menne<br />

Betrachtet man heute Fotos aus der untergegangenen<br />

DDR, so mag man kaum<br />

glauben, dass diese Bilder erst 25 Jahre<br />

alt sind. Grautöne und Freudlosigkeit dominieren:<br />

Verfall allerorten, hart der Alltag,<br />

perpektivlos die Zukunft – wie anders sieht<br />

es doch heute aus! Tatsächlich gibt es inzwischen<br />

die „blühenden Landschaften“ in den<br />

neuen Ländern, und es sind nicht zuvorderst<br />

Disteln, die da auf aufgelassenen Industriebrachen<br />

blühen.<br />

Die statistischen Fakten bestätigen diese<br />

Einschätzung: Die wirtschaftliche Leistungskraft<br />

(gemessen am preisbereinigten<br />

Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigem)<br />

liegt heute rund doppelt so hoch wie im Jahr<br />

1991, die verfügbaren Haushaltseinkommen<br />

je Einwohner sind seither sogar um mehr als<br />

110 Prozent gestiegen.<br />

Weniger günstig<br />

ist die Situati-<br />

on am Arbeitsmarkt;<br />

dennoch<br />

ist<br />

auch<br />

hier eine Ent-<br />

spannung fest-<br />

zustellen. Denn<br />

die Arbeitslosen-<br />

quote ist seit ih-<br />

rem<br />

Höchststand<br />

von knapp 20 Prozent<br />

im Jahr 2005 auf<br />

inzwischen nur<br />

noch rund<br />

zehn<br />

Prozent gefallen, das Beschäftigungsniveau<br />

nähert sich – auf die Zahl der Einwohner bezogen<br />

– wieder dem Wert des Jahres 1991<br />

und überschreitet diesen vereinzelt sogar<br />

bereits. Hinzu kommen die unübersehbaren<br />

Erfolge bei der Sanierung der Infrastruktur,<br />

dem Wiederaufbau der Städte und der Verbesserung<br />

der Umweltqualität. Und auch ein<br />

Vergleich mit anderen Ländern im Osten Europas,<br />

die von einem ähnlichen Ausgangsniveau<br />

gestartet sind, zeigt eindrücklich, dass<br />

der „Aufbau Ost“ als Erfolgsgeschichte gewertet<br />

werden muss.<br />

Unbestritten ist: Es sind Fehler bei der Erneuerung<br />

der Wirtschaftsstruktur in Ostdeutschland<br />

gemacht worden, die bis heute nachwirken.<br />

Auch deswegen haben sich nicht alle<br />

hochfliegenden Erwartungen der Anfangsjahre<br />

tatsächlich erfüllen können. Auch ist<br />

der Abstand bei wichtigen Kenngrößen zwischen<br />

Ost- und Westdeutschland immer noch<br />

groß, aber dies relativiert sich, wenn man die<br />

aggregierte Ebene verlässt und „ähnliche“<br />

Regionen in Ost und West betrachtet: Richtiger<br />

Vergleichsmaßstab für Ostdeutschland<br />

als Ganzes ist ja nicht „der Westen“ mit seinen<br />

Zentren wirtschaftlicher Aktivität vor<br />

allem in Bayern und Baden-Württemberg;<br />

sinnvoller erscheint vielmehr ein Vergleich<br />

mit strukturschwächeren Ländern und Regionen<br />

in Westdeutschland, und gemessen<br />

hieran ist der verbleibende Rückstand des<br />

Ostens nur noch gering. Es gibt sogar eine<br />

ganze Reihe von Landkreisen in Ostdeutschland,<br />

die hinsichtlich Wirtschaftskraft und<br />

Arbeitsmarktsituation heute besser dastehen<br />

als die schwächeren Landkreise in Westdeutschland<br />

– manches spricht dafür, dass<br />

der Aufholprozess hier auch in Zukunft weitergeht.<br />

Und es gibt Unternehmen, die in ihrem<br />

Marktsegment inzwischen zu den etablierten<br />

Weltmarktführern zählen und auf stabilem<br />

Wachstumskurs sind. Wer hätte sich<br />

das vor 25 Jahren vorstellen können?<br />

Erreicht worden ist dies zum einen durch das<br />

Engagement der Menschen in Ostdeutschland,<br />

zum anderen aber auch durch die beispiellose<br />

finanzielle Unterstützung aus den<br />

alten Bundesländern. Damit der Erfolgsfaden<br />

nicht abreißt, ist beides auch weiterhin erforderlich;<br />

Schlüssel für eine fortgesetzt positive<br />

Entwicklung ist dabei Forschung und<br />

Innovation. Erst wenn in einigen Jahren der<br />

Solidarpakt II endgültig ausläuft, werden die<br />

ostdeutschen Länder auf eigenen Füßen stehen<br />

müssen – sie werden es dann aber sicherlich<br />

auch können.<br />

Prof. Dr. Joachim Ragnitz<br />

Prof. Dr. Joachim Ragnitz<br />

Seit 2007 ist der 1960 in Nordhorn (Niedersachsen)<br />

geborene Joachim Ragnitz<br />

stellvertretender Geschäftsführer der<br />

Nie derlassung Dresden des ifo-Instituts<br />

für Wirtschaftsforschung. Zudem ist er<br />

Lehrbeauftragter an der Technischen Universität<br />

Dresden, wo er 2011 zum Honorarprofessor<br />

ernannt wurde.<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


42 | W+M Länderreport<br />

Forscher am Fraunhofer IFF programmieren für das Unternehmen SM Calvörde<br />

die Steuerung einer Punktschweißmaschine am virtuellen Modell.<br />

Auf dem Weg zur digitalen Fabrik<br />

Die Produktion der Zukunft muss intelligent, wandelbar, effizient und nachhaltig sein. Das intelligente<br />

Werk leistet Pionierarbeit. Mit Chancen auch für Sachsen-Anhalt.<br />

Von Dana Micke<br />

In der intelligenten Fabrik der Zukunft sprechen<br />

Maschinen miteinander, Förderbänder<br />

denken mit und Produkte finden wie von<br />

selbst den besten Weg durch die Produktion.<br />

So vereinfacht sagt das niemand, aber so<br />

muss man sich das vorstellen. Das Werkstück<br />

soll „mitdenken“. Es kennt seine Konfiguration<br />

und seinen Empfänger. Es löst Materialbestellungen<br />

ebenso aus, wie es sich zum richtigen<br />

Auftraggeber lotst. Hochentwickelte<br />

Software arbeitet mit Hightech-Maschinen.<br />

Zusammen treffen sie Entscheidungen und<br />

minimieren menschliche Fehlerquellen. Von<br />

einem neuen industriellen Zeitalter ist die<br />

Rede, von der Industrie 4.0, die die virtuelle<br />

mit der realen Fertigungswelt verbindet. Das<br />

bedeutet die völlige Umkehrung der bisherigen<br />

Produktionslogik, die Maschinen vernetzen<br />

sich untereinander, und das Ganze passiert<br />

nicht mehr zentral gesteuert, sondern<br />

völlig autonom.<br />

Eine digitale Fabrik – und der Mensch als<br />

„Problemlöser“ mittendrin. „Wir befinden<br />

uns auf einem guten Weg, die digitale Fabrik<br />

Wirklichkeit werden zu lassen“, sagt Professor<br />

Michael Schenk, Leiter des Fraunhofer-<br />

Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung<br />

IFF. Das Magdeburger Forschungsinstitut<br />

entwickelt bereits seit Jahren erfolgreich<br />

digitale Technologien für den Einsatz im gesamten<br />

Produktionsprozess. „Gemeinsam mit<br />

vielen Unternehmen konnten wir so bereits<br />

große Fortschritte bei der Etablierung von<br />

Methoden, Technologien und Anwendungen<br />

der digitalen Fabrik erzielen. Im Ergebnis<br />

führt das stets zu immensen Produktivitäts-<br />

und Effizienzfortschritten in den Betrieben“,<br />

so Professor Schenk.<br />

Innovativ. Kompetent. Engagiert. Das ist<br />

der Anspruch des Fraunhofer IFF. Hier zwei<br />

„Kostproben“:<br />

Falls Erdgasbohrungen verwässern, strömt<br />

kein Gas mehr heraus. Abhilfe schafft eine<br />

mobile Freiförderanlage, wie sie von der<br />

Fangmann Energy Services GmbH & Co. KG<br />

Foto: Fraunhofer IFF<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Sachsen-Anhalt | 43<br />

in Salzwedel eingesetzt wird. Doch sie zu bedienen,<br />

ist nicht ungefährlich. Wie aber kann<br />

man Mitarbeiter sicher anlernen? In digitalen<br />

Lernmodulen wird das Montieren und Bedienen<br />

der Anlage trainiert, ohne sich und<br />

die teure Technik zu gefährden. Forscher des<br />

Fraunhofer IFF haben zu diesem Zweck eine<br />

virtuell-interaktive Lernanwendung erstellt.<br />

Geschäftsführer Steffan Gerdes ist begeistert:<br />

„Die Qualifizierung unserer Mitarbeiter<br />

erreicht jetzt eine neue Qualität.“ Durch die<br />

dreidimensionale Darstellung können sie in<br />

die Anlage quasi hineintauchen und realistisch<br />

trainieren.<br />

Im Sondermaschinenbau ist die Programmierung<br />

und Vorabsimulation von komplexen<br />

Maschinenabläufen eine große Herausforderung.<br />

Das Unternehmen Sondermaschinenbau<br />

Calvörde, spezialisiert auf<br />

Schweißanlagen für Großbauteile im Schienenfahrzeugbau,<br />

hat dafür das Fraunhofer<br />

IFF ins Boot geholt. Die Fraunhofer-Spezialisten<br />

haben dabei geholfen, eine komplexe<br />

Punktschweißmaschine mit bis zu 16 CNC-<br />

Achsen in kürzester Zeit vorab virtuell in Betrieb<br />

zu nehmen. Mit deren Digital-Engineering-Werkzeugen<br />

konnten die Anlagenbauer<br />

die Maschine noch vor dem Bau über eine reale<br />

Steuerung programmieren und den komplexen<br />

Anlagenlauf in Echtzeit virtuell 1:1<br />

simulieren. Das ermöglicht neben dem Test<br />

des Anlagenbauers auch dem späteren Betreiber<br />

realitätsgetreue Trockenübungen, ohne<br />

dabei Maschine oder Material zu gefährden.<br />

Professor<br />

Michael Schenk,<br />

Institutsleiter des<br />

Fraunhofer IFF in<br />

Magdeburg.<br />

Wie intelligente Logistik funktionieren<br />

kann, sieht man in Haldensleben. Jedenfalls<br />

da, wo Hermes Fulfilment einen Großteil<br />

des Distanzhandels der Otto Group, aber auch<br />

externer Kunden logistisch abwickelt: Das<br />

automatische Retourenlager (ARL) im Versandzentrum<br />

– das größte seiner Art weltweit<br />

– verfügt über 175.000 Wannenplätze<br />

für etwa eine Million Artikel. Die Wannen<br />

mit als neuwertig beurteilter Ware werden<br />

sowohl automatisch eingelagert als auch automatisch<br />

zum Arbeitsplatz des Kommissionierers<br />

gebracht. Dafür gibt es 840 Shuttles,<br />

die sich auf 30 Gassen mit je 28 Ebenen verteilen.<br />

Stündlich werden bis zu 15.000 Wannen<br />

bewegt. Die Kommissionierleistung liegt<br />

bei rund 200.000 Teilen am Tag. Das ARL ist<br />

das Herzstück des Retourenmanagementsystems,<br />

für das Hermes Fulfilment 2013 den<br />

Innovationspreis Logistik des Vereins Deutscher<br />

Ingenieure erhalten hat.<br />

Fotos: Fraunhofer IFF (oben), Hermes Fulfilment (unten)<br />

Hermes Fulfilment Haldensleben:<br />

Das Automatische Retourenlager im Versandzentrum verfügt über<br />

175.000 Wannenplätze für etwa eine Million Artikel.<br />

Impressum<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />

Das ostdeutsche Unternehmermagazin<br />

Ausgabe 5/2014<br />

Redaktionsschluss: 09.09.2014<br />

Verlag: Verlag Frank Nehring GmbH<br />

Zimmerstraße 56, 10117 Berlin<br />

Tel.: 030 479071-0<br />

Fax: 030 479071-20<br />

www.NehringVerlag.DE<br />

Verlagsleiter: Dr. Robert Nehring<br />

Herausgeber/Geschäftsführer: Frank Nehring<br />

Tel.: 030 479071-11, FN@NehringVerlag.DE<br />

(Alleiniger Inhaber und Gesellschafter, Wohnort Berlin)<br />

Chefredakteur: Karsten Hintzmann<br />

Tel.: 030 479071-24, KH@wundm.info<br />

Redaktion: Janine Pirk-Schenker<br />

Tel.: 030 479071-21, JP@wundm.info<br />

Anja Strebe, Anke Templiner<br />

Autoren: Harald Lachmann, Dana Micke, Tomas<br />

Morgenstern, Bärbel Petersen, Matthias Salm,<br />

Thomas Schwandt, Constanze Treuber, Klaus George<br />

Abo- und Anzeigenverwaltung; Vertrieb:<br />

Tobias Meier, Tel.: 030 479071-28<br />

TM@NehringVerlag.DE<br />

Die globale Wirtschaft ist auf dem Weg zu Industrie<br />

4.0. Die intelligente Fabrik leistet dabei<br />

Pionierarbeit.<br />

W+M<br />

Erscheinungsweise, Einzelverkaufs- und Abonnementpreis:<br />

Die Zeitschrift <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint zweimonatlich. Als<br />

Magazin der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände<br />

Ostdeutschlands und Berlin erhalten die Mitglieder die Zeitschrift im<br />

Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelpreis: 3,50 €, Jahresabonnement<br />

(Inland): 20 € inkl. MwSt. und Versand, Jahresabonnement (Ausland):<br />

20 € inkl. MwSt. zzgl. Versand.<br />

Layout & Design: Drechsel Kommunikations-Design,<br />

www.drechsel-berlin.com<br />

Druck: möller Druck und Verlag GmbH, ISSN 0863-5323<br />

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Kopien nur mit vorheriger<br />

schriftlicher Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete<br />

Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernehmen<br />

wir keine Haftung.<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


44 | W+M Politik<br />

Netze – Rückgrat<br />

der Energiewende<br />

E.DIS-Vorstandschef Bernd Dubberstein<br />

über Energiewende, Netzausbau und Versorgungssicherheit<br />

W+M: Herr Dubberstein, worin besteht die Hauptaufgabe Ihres Unternehmens<br />

als regionaler Strom- und Gasnetzbetreiber in Brandenburg<br />

und Mecklenburg-Vorpommern?<br />

E.DIS-Vorstandschef Bernd Dubberstein.<br />

Bernd Dubberstein: Im Gegensatz zu unserer Ursprungsaufgabe, das<br />

E.DIS-Netzgebiet mit Strom zu versorgen, der überwiegend in großen<br />

Kraftwerken erzeugt wurde, sammeln wir inzwischen zunehmend dezentral<br />

erzeugte grüne Energie ein und transportieren sie mehrheitlich<br />

zur Hochspannungsautobahn in Richtung West- und Süddeutschland.<br />

W+M: Das heißt, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern kann<br />

die dezentral erzeugte Energie aus Wind und Sonne nicht gänzlich verbraucht<br />

werden?<br />

Bernd Dubberstein: Im Unterschied zum rasanten Ausbau von Windkraft-<br />

und Photovoltaik-Anlagen im Zuge der Energiewende stagniert<br />

der Energieverbrauch in unserem strukturschwachen Netzgebiet. Bereits<br />

heute ist die installierte EEG*-Leistung dreimal so hoch wie die<br />

maximale Netzlast.<br />

W+M: Was geschieht, um den Überschuss dezentral erzeugten Stroms<br />

dorthin zu transportieren, wo er durch die Abschaltung von Kernkraftwerken<br />

vermehrt benötigt wird?<br />

Bernd Dubberstein: Um den dezentral erzeugten Strom aufnehmen<br />

und weiter transportieren zu können, wenden wir mittelfristig 50 Prozent<br />

unseres Investitionsvolumens für die Integration der EEG-Anlagen<br />

ins Netz auf. Zur Zeit müssen wir bereits an mindestens zwei von drei<br />

Tagen EEG-Strom aus unserem Netz rückspeisen. Tendenz steigend. Inzwischen<br />

treten dabei auch Netzengpässe auf. Während wir 2013 insgesamt<br />

fünfhundert Mal eingreifen mussten, war das in diesem Jahr bis<br />

Ende Mai bereits vierhundert Mal notwendig.<br />

W+M: Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2025 den Anteil von grüner<br />

Energie an der bundesweiten Stromversorgung auf 40 bis 45 Prozent<br />

zu steigern. Wie ist der Stand im Netzgebiet der E.DIS?<br />

* Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />

Bernd Dubberstein: In unserem Netzgebiet wurden 2013 bereits 91<br />

Prozent des verbrauchten Stroms dezentral erzeugt, 80 Prozent aus regenerativen<br />

Quellen. Wir gehen auf Grund der vorliegenden Anträge zum<br />

Bau weiterer Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen davon aus, dass bereits<br />

2015 unser Netzgebiet im rechnerischen Durchschnitt zu hundert<br />

Prozent mit grünem Strom versorgt werden kann.<br />

W+M: Gelingt es E.DIS, mit der forcierten Erzeugung grüner Energie<br />

im Netzausbau Schritt zu halten?<br />

Bernd Dubberstein: Wir kommen derzeit mit dem Ausbau unserer<br />

Netze noch nicht so schnell voran wie es erforderlich wäre, obwohl<br />

E.DIS seit 1999 in den Aus- und Umbau der Strom- und Gasnetze etwa<br />

2,3 Milliarden Euro investiert hat. So wurden bis heute 17.100 Kilometer<br />

Niederspannungs-, 11.700 Kilometer Mittelspannungs- und 780 Kilometer<br />

Hochspannungsleitungen gebaut beziehungsweise erneuert.<br />

W+M: Was haben sie mittelfristig vor, um die Überkapazitäten an<br />

dezentral erzeugtem Strom möglichst verlustfrei in den Westen und<br />

Süden der Republik transportieren zu können?<br />

Bernd Dubberstein: Wir werden in den nächsten Jahren neun neue<br />

Netzverknüpfungspunkte zum Übertragungsnetz bauen, um den in den<br />

Zur Person<br />

Bernd Dubberstein (57) ist Vorstandsvorsitzender der E.DIS AG<br />

und verantwortlich für das Netz des Unternehmens. Der gebürtige<br />

Mecklenburger und diplomierte Ingenieur für Elektrotechnik<br />

war bis zu seiner Berufung zum Vorstandschef der E.DIS AG Vertriebsvorstand<br />

für eine E.ON-Regionalgesellschaft und Mitglied<br />

der Geschäftsleitung der E.ON Russia, der E.ON Kraftwerksgesellschaft<br />

in Russland.<br />

Foto: Torsten George<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Energiewende | 45<br />

Regionen erzeugten EEG-Strom über kurze Leitungsstrecken abführen<br />

zu können. Speziell in den Regionen Prignitz, Oderland und Fläming<br />

werden zusätzlich 110-Kilovolt-Erdkabel verlegt, um den Strom von<br />

den entstehenden „Wind”-Umspannwerken zu den Netzverknüpfungspunkten<br />

transportieren zu können. Insgesamt sind 13 Hochspannungsund<br />

37 Umspannungswerks-Projekte bereits im Bau oder im Stadium<br />

der Projektierung.<br />

W+M: Inwieweit berücksichtigt die Reform des Erneuerbare-Energien-<br />

Gesetzes die damit verbundenen hohen Infrastrukturkosten für Stromaufnahme<br />

und Transport und die damit verbundenen hohen Netzentgelte<br />

in ihrem Netzgebiet im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnitt?<br />

Bernd Dubberstein: Die EEG-Novelle regelt den Ausbau Erneuerbarer<br />

Energien, nicht aber die notwendige Synchronisation des Zubaus<br />

mit dem Netzausbau. Doch wir erwarten, dass die Politik in weiteren<br />

Schritten die Rahmenbedingungen für die Integration der Erneuerbaren<br />

anpassen wird.<br />

W+M: Was wünschen sie sich als Netzbetreiber?<br />

Foto: E.DIS<br />

Bernd Dubberstein: Die Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte für<br />

volatile Erzeuger. Auf jeden Fall aber eine faire Verteilung von gebietsstrukturellen<br />

Sonderlasten im Zuge der Energiewende, wovon E.DIS in<br />

hohem Maße betroffen ist.<br />

W+M: Wie wirkt sich das auf den Strompreis für ihre Kundschaft aus?<br />

Bernd Dubberstein: Obwohl die Bundesnetzagentur uns wiederholt<br />

einen Effizienzwert von 100 Prozent bescheinigt hat, liegt das Netzentgelt<br />

in unseren Netzgebiet deutlich über dem Durchschnitt der Republik.<br />

Das benachteiligt die ortsansässige Wirtschaft im Vergleich zu anderen<br />

Standorten in Deutschland.<br />

W+M: Was sind die Ursachen?<br />

Bernd Dubberstein: Die Höhe der Netzentgelte resultiert im Wesentlichen<br />

aus höheren Aufwendungen für Stromaufnahme und -transport<br />

infolge eines überdurchschnittlichen EEG-Anteils sowie aus einem strukturbedingt<br />

geringen Netzabsatz.<br />

W+M: Wie kann die Effizienz des Netzes weiter gesteigert werden?<br />

Bernd Dubberstein: Natürlich ist es unser Ziel, die Effizienz noch zu<br />

steigern. Man muss aber auch bedenken, dass wir bereits zu 100 Prozent<br />

effizient sind. Dennoch versuchen wir über verschiedene Maßnahmen<br />

hier noch weiter voran zu kommen.<br />

W+M: Gibt es zum Ausbau der Netze, dem Rückgrat der Energiewende,<br />

eine wirtschaftlich vertretbare Alternative?<br />

Bernd Dubberstein: Mit Blick auf die aktuellen Aufgaben muss ich<br />

da mit einem klaren „Nein” antworten. Stromspeicher sind heute leider<br />

weder technisch noch wirtschaftlich eine ernsthafte Alternative.<br />

Sie stecken noch in den Kinderschuhen.<br />

W+M: Gibt es eine kritische Grenze für den weiteren Ausbau der grünen<br />

Energie?<br />

Bernd Dubberstein: Diese Grenzen werden durch die Erneuerbaren<br />

selbst bestimmt. Durch die Eigenschaften, die der Grünstrom heute<br />

und in Zukunft hat. Da er heute nicht wirklich speicherbar und damit<br />

nicht kontinuierlich lieferbar ist, verträgt das Stromsystem der Gegenwart<br />

nur bestimmte Mengen in dieser Qualität. Je mehr der Grünstrom<br />

künftig kann, je zuverlässiger und verbrauchsorientierter seine Einspeisung<br />

wird, desto mehr verschwinden diese Grenzen. Oberstes Ziel<br />

muss im Interesse aller Kunden bleiben, dass das Gesamtsystem Stromversorgung<br />

jederzeit funktionsfähig bleibt.<br />

W+M: Herr Dubberstein, können Sie sich vorstellen, dass Deutschland<br />

eines fernen Tages ausschließlich mit grünem Strom versorgt werden<br />

kann?<br />

Bernd Dubberstein: Eines fernen Tages ja! Für eine längere Übergangszeit<br />

werden wir aber einen signifikanten Anteil konventioneller Erzeugung<br />

brauchen, um die kontinuierliche Stromversorgung zu sichern.<br />

Interview: Klaus George<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


46 | W+M Politik<br />

enviaM-Vorstandsvorsitzender Tim Hartmann:<br />

„Der Osten braucht für die weitere<br />

Energiewende eine unüberhörbare<br />

gemeinsame Stimme“<br />

Ostdeutschlands größter Regionalversorger ist die envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM) in<br />

Chemnitz. Das Unternehmen, das zum RWE-Konzern gehört und an dem auch über 650 ostdeutsche<br />

Kommunen beteiligt sind, beliefert zwischen Küste und Erzgebirge 1,4 Millionen Kunden mit<br />

Strom, Gas und Wärme. Neuer Vorstandsvorsitzender ist seit Juli Tim Hartmann (45). Eines seiner<br />

ersten Interviews gab er <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>.<br />

W+M: Herr Hartmann, was unterscheidet<br />

den Energienutzer Ost von jenem im Westen?<br />

Tim Hartmann: Ostdeutsche verbrauchen<br />

weniger Energie und sind gleichzeitig auch<br />

preissensibler. Das liegt sicher an der noch<br />

niedrigeren Kaufkraft, auch der Ausstattungsgrad<br />

mit elektrischen Geräten ist wohl<br />

noch geringer.<br />

W+M: enviaM tut viel für das gesellschaftliche<br />

Leben. So sponsern Sie unter anderem<br />

Fußball im Osten, konkret Aue und Cottbus.<br />

Was motiviert Sie hierzu?<br />

Tim Hartmann: Sicher nicht der Effekt von<br />

Bandenwerbung. Ich denke, unsere Marke<br />

ist bekannt. Fußballsponsoring bedeutet für<br />

uns Unterstützung für die Region, in der wir<br />

und von der wir leben. Wir hängen davon ab,<br />

wie sich diese Region als lebenswerter Wirtschaftsstandort<br />

entwickelt. Damit besitzt<br />

ihre Attraktivität und ihre positive Entwicklung<br />

einen sehr hohen Stellenwert auch für<br />

unser Gedeihen als Unternehmen.<br />

W+M: Region – das heißt hier ganz konkret<br />

auch Braunkohle. Sie spielt eine wichtige<br />

Rolle im Energiemix, gerät aber zunehmend<br />

politisch unter Druck. Ein Widerspruch?<br />

Zur Person<br />

Tim Hartmann stammt aus Westfalen, lebte indes kaum dort, sondern im Rheinland, an<br />

der Küste, in Bayern, den USA, die letzten sechs Jahre im Saarland sowie einige Zeit auch<br />

in Frankreich. Von hier stammt auch seine Frau, mit der der 45-jährige Hobbysegler zwei<br />

erwachsene Töchter hat. Den Osten kennt der studierte Kaufmann bereits seit 2000, als<br />

er erst für die RWE Holding in den Verkauf von VEAG und Laubag eingebunden war und<br />

danach mit den kommunalen Anteilseignern in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />

und Thüringen die Fusion von envia und MEAG verhandelte. Hartmann ist auch Vorsitzender<br />

der Geschäftsführung der MITGAS Mitteldeutsche Gasversorgung GmbH in Kabelsketal<br />

bei Halle.<br />

Tim Hartmann: Ohne Frage! Wir sind in<br />

den letzten Jahren hervorragend mit diesem<br />

Mix gefahren, haben auch deshalb einen<br />

sehr leistungsfähigen Energiemarkt in<br />

einem der letzten Industrieländer Westeuropas.<br />

Braunkohle ist derzeit die wahre Basis<br />

der Energiewirtschaft, nicht zuletzt als Kostenfaktor.<br />

Mittlerweile merken wir ja auch,<br />

dass die Energiewende richtig kostet. Darüber<br />

hinaus bildet Braunkohle gerade im Osten<br />

einen ganz wesentlichen Arbeitsplatzfaktor.<br />

So empfinde ich schon Unbehagen,<br />

wenn plötzlich auf jenen, die täglich unsere<br />

Energieversorgung in den Tagebauen sichern,<br />

aus politischem Kalkül herumgehackt wird.<br />

W+M: Woher rührt das?<br />

enviaM-Vorstandsvorsitzender<br />

Tim Hartmann.<br />

Tim Hartmann: Die Energiewirtschaft hängt<br />

heute in einem Maße – wie wir es bisher nicht<br />

kannten – von politischen Rahmenbedingungen<br />

ab, in die fast täglich eingegriffen wird.<br />

Die Leichtigkeit, mit der das geschieht, besorgt<br />

uns schon. Selbst die Physik biegt man<br />

sich dann gleich mehrfach zurecht. Das kann<br />

nicht funktionieren! Wenn wir die Energiewende<br />

wollen, die ich vorbehaltlos unterstütze,<br />

müssen wir auch wissen, dass wir konventionelle<br />

Kraftwerke als Brückentechnologie<br />

brauchen. Wir haben keine großen Speicher,<br />

Foto: Anke Jacob<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Energiewende | 47<br />

um in Phasen, da das Netz an seine Grenzen<br />

kommt, Energie zu puffern. Und selbst<br />

wenn, könnten sie Deutschlands Bedarf nicht<br />

für mehrere Tage decken. Es war auch schon<br />

einmal politischer Konsens, dass wir mit dem<br />

Zeitpunkt, da wir aus der Kernenergie aussteigen,<br />

für einige Jahre mehr CO 2 -Ausstoß<br />

haben.<br />

W+M: Was fordern Sie in diesem Zusammenhang<br />

von der Bundespolitik?<br />

Tim Hartmann: Wir brauchen einen Rahmen,<br />

der längerfristig Gültigkeit behält.<br />

Denn bei 20- bis 30-jährigen Amortisationszyklen<br />

– bei Kraftwerken, aber auch im<br />

Netz – können wir nicht im Jahresrhythmus<br />

in die Substanz eingreifen. Das verträgt keine<br />

Branche. Aber bereits in jener Woche im<br />

Juni, als die jüngste EEG*-Novelle beschlossen<br />

wurde, verkündete die Bundeskanzlerin,<br />

man werde noch in dieser Legislaturperiode<br />

das Gesetz erneut anfassen. Wo gab es das<br />

schon einmal?<br />

W+M: Wie bewerten Sie den aktuellen Stand<br />

der Energiewende im Osten?<br />

Tim Hartmann: Hier sind wir sehr weit. Wir<br />

erzeugen teilweise schon mehr Ökostrom,<br />

als verbraucht werden kann. Die Reserven<br />

im Netz sind aber aufgebraucht. Der Zubau<br />

der Erneuerbaren Ernergien darf deshalb<br />

dem Netzausbau nicht weiter vorauseilen.<br />

Es ist auch im volkswirtschaftlichen Interesse,<br />

diesen Prozess zu verlangsamen, um<br />

ihn besser koordinieren zu können. Zweitens<br />

müssen wir stärker die Kosten der Energiewende<br />

im Auge behalten. Diese wurden lange<br />

Zeit unterschätzt. Um das System im Lot<br />

zu halten, bedarf es künftig anderer Anreize.<br />

W+M: Sind diese Kosten gerade im Osten<br />

noch zu händeln?<br />

Tim Hartmann: Wir müssen uns schon fragen:<br />

Welches Preisschild hat die Energiewende?<br />

Viel volkswirtschaftliches Vermögen ist<br />

bislang zum Beispiel in chinesische Photovoltaikmodule<br />

geflossen. Die Folgekosten,<br />

* Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />

gerade auch im Netz, werden aber<br />

immer stärker der Allgemeinheit<br />

aufgebürdet. Wir müssen hier zwingend<br />

ein Systemoptimum hinbekommen.<br />

Hinzu kommt die Versorgungssicherheit,<br />

gerade in den Ostländern.<br />

Denn wenn hier das Angebot<br />

an regenerativer Energie die<br />

Nachfrage massiv übersteigt, benötige<br />

ich eine grundsätzlich andere<br />

Netztopologie. 2010 mussten wir 16<br />

Mal ins Netz eingreifen, in diesem<br />

Jahr bereits über 160 Mal. Das zeigt<br />

die Dimension.<br />

W+M: Was kostete enviaM der bisherige<br />

Netzausbau?<br />

Tim Hartmann: Jährlich 250 bis<br />

300 Millionen Euro. Denn der Ausbau der<br />

Übertragungsnetze, also jener oft zitierten<br />

Nord-Süd-Trassen, ist nur ein kleiner Teil. Der<br />

viel größere Aufwand liegt im engmaschigen<br />

Verteilnetz, damit die Erzeuger ihren Windoder<br />

Sonnenstrom erst einmal bei uns einspeisen<br />

können.<br />

W+M: Wird enviaM auf absehbare Zeit die<br />

Strompreise anheben?<br />

Tim Hartmann: Das kann Ihnen im Moment<br />

so genau keiner sagen. Die Strombeschaffung<br />

ist derzeit – auch wegen einiger Effekte des<br />

EEG – etwas günstiger. Doch längerfristig<br />

fehlen in dieser Rechnung natürlich die<br />

Kosten für den Netzausbau. Und ebenso die<br />

Kosten für einen künftigen Kapazitätsmarkt,<br />

den wir nach meiner Überzeugung bald vorhalten<br />

müssen – nämlich wenn es mal tagelang<br />

windstill und wolkenverhangen ist. All<br />

das wirkt sich preiserhöhend aus.<br />

W+M: Am 13. Oktober lädt enviaM zum<br />

bereits 8. Energiekonvent nach Leipzig. Worum<br />

geht es konkret?<br />

Tim Hartmann: Unter der Überschrift „Energiewende<br />

2.0: Neustart oder weiter so?“ lassen<br />

wir wieder Vertreter aus Politik, Wirtschaft<br />

und Verbänden zu Wort kommen. So<br />

begrüßen wir neben Staatssekretärin Iris<br />

enviaM-Chef Tim Hartmann im Gespräch<br />

mit W+M-Verleger Frank Nehring (r.) und<br />

Autor Harald Lachmann (l.).<br />

Gleicke vom Bundeswirtschaftsministerium<br />

mit Dr. Hermann Falk auch den Geschäftsführer<br />

des Bundesverbandes Erneuerbare<br />

Energie. Ebenfalls im Podium sitzen der<br />

neue Präsident des Bundesverbands der Energie-<br />

und Wasserwirtschaft (BDEW) Johannes<br />

Kempmann sowie der Vorstandsvorsitzende<br />

der Kübler & Niethammer Papierfabrik Kriebstein<br />

AG Dr. Hubertus Burkhart. Ganz wichtig<br />

wird es diesmal sein, stärker eine gemeinsame<br />

Betroffenheit des Ostens in Energiefragen<br />

herauszustellen.<br />

W+M: Fehlt es an dieser Gemeinsamkeit?<br />

Tim Hartmann: Ich vermisse eine Interessenvertretung,<br />

die nicht nur druckvoller,<br />

sondern auch besser abgestimmt und<br />

erkennbar gleichgerichtet agiert. In Berlin<br />

hat man oft den Eindruck, dass 16 Energiewenden<br />

stattfinden. Und beim Aushandeln<br />

dieser Interessenbalance ist mir die ostdeutsche<br />

Lobby noch viel zu wenig hörbar.<br />

Nach meiner Beobachtung wird die akute Betroffenheit<br />

des Ostens bisher nicht adäquat<br />

wahrgenommen. Dabei haben wir hier doch<br />

genügend gemeinsame Interessen und Probleme,<br />

um eine einheitliche Linie zu verfechten.<br />

Eben hier erwarte ich mir einiges vom 8.<br />

Energiekonvent.<br />

Interview: Frank Nehring, Harald Lachmann<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


48 | W+M Politik<br />

ifo Geschäftsklima Ostdeutschland im Juli 2014<br />

Geopolitische Spannungen trüben die<br />

Stimmung der ostdeutschen Unternehmen<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

-5<br />

-10<br />

-15<br />

-20<br />

-25<br />

-30<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

-10<br />

-20<br />

-30<br />

-40<br />

-50<br />

ifo Geschäftsklima und ifo Beschäftigungsbarometer für<br />

die gewerbliche Wirtschaft* Ostdeutschlands<br />

ifo Geschäftsklima<br />

ifo Beschäftigungsbarometer<br />

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014<br />

Saisonbereinigte Saldenwerte in Prozentpunkten<br />

Quelle: ifo Konjunkturtest 07/2014 ©<br />

ifo Geschäftsklima für die einzelnen Wirtschaftsbereiche<br />

in Ostdeutschland<br />

Handel<br />

Bauhauptgewerbe<br />

Verarbeitendes Gewerbe<br />

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014<br />

Saisonbereinigte Saldenwerte in Prozentpunkten<br />

Quelle: ifo Konjunkturtest 07/2014 ©<br />

Das ifo Geschäftsklima für die gewerbliche<br />

Wirtschaft* Ostdeutschlands hat<br />

sich im Juli spürbar eingetrübt. Die<br />

befragten ostdeutschen Unternehmen<br />

stufen ihre aktuelle Geschäftslage<br />

als weniger gut ein im Vergleich<br />

zum Juni 2014. Auch die zukünftige<br />

Geschäftsentwicklung wird insgesamt<br />

als ungünstiger bewertet. Nun<br />

kann auch die ostdeutsche Wirtschaft<br />

sich den erneut aufflammenden geopolitischen<br />

Spannungen nicht weiter<br />

entziehen. Zudem verschlechtern sich<br />

abermals die Vorzeichen für den ostdeutschen<br />

Arbeitsmarkt. Das ifo Beschäftigungsbarometer<br />

hat auch im<br />

Juli seinen trendmäßigen Rückgang<br />

fortgesetzt. Die befragten ostdeutschen<br />

Unternehmen wollen ihre Mitarbeiterzahl<br />

in den kommenden drei<br />

Monaten kräftiger reduzieren als noch<br />

in den vergangenen Monaten.<br />

Im Einklang mit der gewerblichen<br />

Wirtschaft Ostdeutschlands sind auch<br />

die Klimaindikatoren im Verarbeitenden<br />

Gewerbe und Bauhauptgewerbe<br />

gesunken. Die beiden ostdeutschen<br />

Handelsstufen hingegen zeigen eine<br />

andere Entwicklung. Sowohl im Großals<br />

auch im Einzelhandel der ostdeutschen<br />

Bundesländer hat sich das Geschäftsklima<br />

verbessert.<br />

Robert Lehmann und<br />

Prof. Joachim Ragnitz<br />

*Unter gewerblicher Wirtschaft wird die Aggregation<br />

aus Verarbeitendem Gewerbe, Bauhauptgewerbe<br />

sowie Groß- und Einzelhandel<br />

verstanden.<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


02<br />

4<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

W+M Abo | 49<br />

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Thüringer Wirtschaftsminister<br />

im Schattenkabinett der SPD<br />

„Bei Innovationen<br />

wird nicht gekürzt“<br />

Forschungsministerin Wanka zur<br />

Förderung in den neuen Ländern<br />

Wahlversprechen<br />

jetzt einlösen !<br />

Kurzporträts von allen 130 Abgeordneten<br />

aus den neuen Ländern<br />

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tradition<br />

Bernburger erobern<br />

den Weltmarkt<br />

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Ausbildung zwischen<br />

Licht und Schatten<br />

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Altmaier und Rösler in<br />

Leipziger Denkfabrik<br />

1 9 4 0 7 9 9 0 3 5 0 1<br />

einblicke+<br />

aussichten<br />

Schwarzer Schatz<br />

in der Lausitz<br />

ideen+<br />

impulse<br />

Weniger Geld aus<br />

Brüssel – was nun?<br />

unternehmen+<br />

verband<br />

Rostocker mischt<br />

Tourismusmarkt auf<br />

<br />

<br />

Länderreport<br />

Die Folgen der Flut<br />

in Sachsen-Anhalt<br />

Netzwerk<br />

Unternehmerball<br />

in Leipzig<br />

Ratgeber<br />

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und Kultur<br />

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Was bringt das<br />

Superwahljahr 2014?<br />

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So senkt man Risiken<br />

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in Potsdam<br />

Interview mit Brandenburgs Ministerpräsident:<br />

Dietmar Woidke spricht über Ziele,<br />

Energiewende und Länderehe<br />

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Energiewende<br />

auf dem<br />

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Im<br />

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<strong>Aufbruch</strong><br />

Blühende Landschaften?<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4 / 2014


50 | W+M Ratgeber<br />

Nutzfahrzeuge vom Lkw über Busse<br />

bis zum Transporter sind die Stars auf<br />

der IAA in Hannover.<br />

65. IAA Nutzfahrzeuge in Hannover<br />

Mehr als 300 Weltpremieren<br />

Vom 25. September bis 2. Oktober findet in Hannover die 65. IAA Nutzfahrzeuge statt. Auf der<br />

weltweit größten und wichtigsten Leitmesse für Mobilität, Transport und Logistik präsentieren<br />

über 2.000 Aussteller auf 265.000 Quadratmetern die Neuheiten und Klassiker auf dem Nutzfahrzeugemarkt.<br />

Von Janine Pirk-Schenker<br />

Am 25. September 2014 wird die Nutzfahrzeugmesse<br />

IAA in Hannover von<br />

Bundesverkehrsminister Alexander<br />

Dobrindt offiziell eröffnet. Mit über 2.000<br />

Ausstellern aus 45 Ländern weist die Messe<br />

die zweitstärkste Beteiligung seit ihrem Bestehen<br />

– also seit 22 Jahren – auf. Vor allem<br />

Effizienz und Vernetzung sind Themen, die<br />

auf der Messe im Vordergrund stehen.<br />

Effizienz<br />

Mit den modernen Euro-VI-Fahrzeugen hat<br />

sich das Nutzfahrzeug endgültig aus der<br />

Schadstoffecke verabschiedet: Gegenüber<br />

dem bisherigen Euro-V-Standard heißt das:<br />

80 Prozent weniger Stickoxid-Emissionen<br />

und rund zwei Drittel weniger Feinstaubpartikel.<br />

Bemerkenswert ist, dass es den<br />

Herstellern und Zulieferern, die sich auf der<br />

IAA präsentieren, gelungen ist, dennoch den<br />

Kraftstoffverbrauch und damit die CO 2 -Emissionen<br />

bei den neuen Fahrzeugen konstant<br />

zu halten oder sogar leicht zu senken. Das<br />

war ein technologischer Kraftakt mit einem<br />

hohen Investitionsaufwand. Es spricht für<br />

sich, wenn ein moderner 40-Tonner mit einer<br />

Nutzlast von rund 28 Tonnen heute als „Ein-<br />

Liter-Auto“ bezeichnet werden kann – bezogen<br />

auf den Spritverbrauch pro Tonne Nutzlast<br />

und 100 Kilometern.<br />

Vernetzung<br />

Das Nutzfahrzeug der Zukunft wird „always<br />

online“ sein – mit anderen Fahrzeugen, dem<br />

Transportunternehmen und auch den Kunden<br />

ständig in Kontakt. Das voll automatisierte<br />

Fahren wird zwar erst auf mittlere Sicht<br />

auf breiter Front umgesetzt werden, doch bereits<br />

heute ist die Entwicklung deutlich erkennbar:<br />

Die bestehenden Assistenzsyste-<br />

Foto: IAA<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Auto | 51<br />

Zukunft bewegen<br />

25. SEPTEMBER –<br />

02. OKTOBER 2014<br />

HANNOVER<br />

Hyundai wird auf der Messe seinen Transporter<br />

H350 erstmals öffentlich vorstellen.<br />

Opel stellt auf der Leitmesse seinen Opel<br />

Vivaro als Combi vor.<br />

me (Adaptive Geschwindigkeitsregelung, Abstandswarner,<br />

Bremsassistent und Spurhalteassistent)<br />

können konsequent erweitert<br />

und ausgebaut werden. Der nächste Schritt<br />

wird das teil-automatisierte Fahren sein, das<br />

den Fahrer bei Routineaufgaben entlastet,<br />

ihn vor Gefahren warnt und so die Unfallzahlen<br />

weiter nach unten treibt.<br />

Auch der Logistik bietet die Vernetzung enorme<br />

Chancen. Die Lieferkette und Transportprozesse<br />

werden noch transparenter. Spediteure<br />

und Fuhrunternehmen können durch<br />

die fortschreitende Vernetzung der Fahrzeuge<br />

noch stärker ihr eigentliches Transportgeschäft<br />

optimieren.<br />

Zahlreiche Weltpremieren<br />

Bereits über 300 Weltpremieren haben die<br />

Aussteller für die Messe angemeldet. Zu sehen<br />

sind außerdem zahlreiche Sonderschauen<br />

und -aktionen sowie 55 Fahrzeuge, die<br />

für Probefahrten im öffentlichen Straßenverkehr<br />

bereit stehen, und 23 elektrisch betriebene<br />

Fahrzeuge. Auf der Innovationsbühne<br />

auf dem Freigelände nördlich von Halle 26<br />

IAA Nutzfahrzeuge<br />

25.09. – 02.10.2014<br />

tgl. 9:00 – 18:00 Uhr<br />

Deutsche Messe<br />

Hermesallee<br />

30521 Hannover<br />

Tagesticket werktags 22,- €<br />

Tagestickets am Wochenende 13,- €<br />

Dauerticket 69,- €<br />

www.iaa.de<br />

werden zudem Nutzfahrzeuge in Aktion zu<br />

erleben sein. In Halle 22 kommen Oldtimer-<br />

Liebhaber und US-Fans auf ihre Kosten: Zahlreiche<br />

historische Lkw, Omnibusse, Baumaschinen<br />

und Anhänger werden neben spektakulären<br />

US-Trucks präsentiert. Etwa 30 Fachveranstaltungen<br />

runden das Angebot der IAA<br />

Nutzfahrzeuge ab.<br />

W+M<br />

Fotos/Graphik: Hyundai (oben links), Opel (oben Mitte), IAA (oben rechts und unten)<br />

Historische Fahrzeuge finden die<br />

Besucher in Halle 22.<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


52 | W+M Ratgeber<br />

Rating bietet<br />

Potenzial<br />

In unserer Beratungspraxis stellen wir immer<br />

wieder fest, dass Begriffe wie Rating<br />

und Basel III für mittelständische Unternehmen<br />

noch wenig greifbar sind. Bekannt ist<br />

zwar, das Basel III schlussendlich zu einer<br />

Verteuerung der Unternehmensfinanzierung<br />

führt, andererseits mildert ein gutes<br />

Rating den Zinsaufschlag.<br />

Für Unternehmer gilt es daher, das Rating<br />

positiv zu beeinflussen. Das sind nicht nur<br />

harte Kennziffern, sondern auch die weichen<br />

Faktoren der Unternehmensführung.<br />

Oftmals sind es die kleinen Details, die dann<br />

für mehr Liquidität im Unternehmen sorgen.<br />

Die Sozietät bdp Bormann, Demant & Partner<br />

mit ihren Büros in Berlin und Dresden<br />

begleitet die Leser von <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />

in diesem Jahr bei Finanzierungs- und Steuerthemen.<br />

Scheuen Sie sich nicht, uns zu fragen,<br />

was Sie bewegt. Wir freuen uns auf Sie.<br />

Ihr Michael Bormann<br />

bdp.Berlin@bdp-team.de<br />

Wenn sich das<br />

Wege zur Verbesserung des Ratings<br />

Hauptsächlich wird das Rating durch das sogenannte quantitative Rating bestimmt,<br />

also eine Analyse der harten Kennziffern der Unternehmensbilanz.<br />

Ziel ist dabei auch eine Plausibilisierung der Planungsrechnung. Wie die Standardbewertung<br />

anhand der wesentlichen Kennziffernanalyse aussieht, zeigt<br />

die nachfolgende Tabelle.<br />

1 2 3 4 5<br />

Eigenkapitalquote > 30 % 20-30 % 15-20 % 10-15 % 5-10 %<br />

Working Capital Ratio > 150 % 130-150 % 120-130 % 110-120 % 100-110 %<br />

Gesamtkapitalumschlag > 5 mal 4-5 mal 3-4 mal 2-3 mal 1-2 mal<br />

Gesamtkapitalrentabilität > 15 % 10-15 % 8-10 % 5-8 % < 5 %<br />

Schuldentilgungsdauer < 2 Jahre 2-4 Jahre 4-6 Jahre 6-8 Jahre 8-10 Jahre<br />

Anlagendeckung > 150 % 125-150 % 110-125 % 105-110 % 100-105%<br />

Wo gibt es Ansätze zur Verbesserung des Ratings?<br />

Beim Working-Capital stellt sich die Frage, ob das Umlaufvermögen ausreicht,<br />

die entsprechenden Verbindlichkeiten zu bedienen. Verbesserungsmöglichkeiten<br />

bestehen darin, Umschuldungen in langfristige Verbindlichkeiten vorzunehmen<br />

und kurzfristige Verbindlichkeiten abzulösen.<br />

Auch der Gesamtkapitalumschlag ist eine wichtige Kennziffer, die darüber<br />

Auskunft gibt, welche Produktivität das eingesetzte Kapital erzielt. Verbesserungen<br />

können zum Beispiel durch Sale-and-lease-back (Verkauf und Zurückleasen<br />

einer Maschine oder Immobilie) erreicht werden. Es stellt sich etwa<br />

bei Restrukturierungen die wichtige Frage, ob wirklich sämtliches Anlagevermögen<br />

noch notwendig ist. Dies bringt oft heilige Kühe des Unternehmers in<br />

den Fokus: Von der geliebten und technisch anspruchsvollen großen Druckpresse<br />

oder einigen Lkw des Fuhrparks trennt er sich nur allzu ungern. Dennoch<br />

lautet die erste Devise, die Auslastung zu messen. Eine nur zu 20 Prozent<br />

ausgelastete Maschine frisst trotzdem 100 Prozent Kapitaldienst und setzt in<br />

der Regel auch noch eine personelle Besetzung voraus.<br />

Foto: Maximus256/Shutterstock<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Steuern und Finanzen | 53<br />

Aufpolieren lohnt<br />

Die Gesamtkapitalrentabilität gibt Aufschluss darüber, ob das Fremdkapital eine<br />

ausreichende Produktivität erreicht. Hier sind insbesondere Maßnahmen zur Bilanzsummenverkürzung,<br />

aber auch zur deutlichen Rentabilitätssteigerung gefragt,<br />

die sich unmittelbar in der Umsatzrentabilität niederschlagen.<br />

Die Schuldentilgungsdauer zeigt wiederum an, in welchem Zeitrahmen durch operative<br />

Tätigkeit das Unternehmen in der Lage ist, seine Schulden zu tilgen. Verbessernde<br />

Restrukturierungsmaßnahmen bestehen hier im harten Lagerabbau, Veräußern<br />

oder Outsourcing von Anlagevermögen und in einem verbesserten Debitorenmanagement.<br />

Insgesamt ist die Schuldentilgungsdauer eine wichtige Kennziffer, die<br />

zeigt, wie weit das Unternehmen in der Lage ist, Liquidität und Ertrag zu verbessern.<br />

Ganzheitliche Unternehmensführung verbessert<br />

das qualitative Rating<br />

Die Finanzinstitutionen haben ein hohes Interesse daran, dass die Bonität des Kreditnehmers<br />

so genau wie möglich und fair beurteilt wird. Dabei spielt die Analyse<br />

und Bewertung von quantitativen und qualitativen Ratingfaktoren die entscheidende<br />

Rolle. Den Ratschlag, das Rating zu verbessern, empfinden die meisten Unternehmer<br />

als einen von den Banken auferlegten Zwang. Dabei übersehen sie aber,<br />

dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit qualitativem Rating bedeutet, das Unternehmen<br />

und seine Führung ganzheitlich zu betrachten. Jede relevante Verbesserung<br />

hierbei ist Folge eines optimierten Managements. Und das ist nicht nur ein<br />

notwendiges Übel, damit das Unternehmen sich den Banken als vertrauenswürdiger<br />

Schuldner präsentieren kann. Von einer professionellen Unternehmensführung<br />

profitiert zuallererst das Unternehmen selbst: Ein besser und ganzheitlich geführtes<br />

Unternehmen entwickelt sich weiter. Und diese Weiterentwicklung wird sich<br />

unweigerlich bei der nächsten Auswertung der harten Zahlen auch in verbesserten<br />

Ergebnissen und damit verbessertem Rating niederschlagen.<br />

Fazit: Der Schlüssel für ein profitables Unternehmen mit gutem Rating liegt in einer<br />

stetigen und ganzheitlichen Verbesserung des Managements, sich ganzheitlich<br />

und systematisch in der Breite aller Aufgaben besser aufzustellen.<br />

Ausreichende<br />

Leistungsbeschreibung<br />

in einer Rechnung<br />

Das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung<br />

ist Grundvoraussetzung für einen Vorsteuerabzug.<br />

Die Einhaltung der formalen Voraussetzungen<br />

ist bei den Finanzamtsprüfungen<br />

ein Schwerpunkt geworden. Neben weiteren<br />

Voraussetzungen muss auch eine hinreichende<br />

Leistungsbeschreibung erfolgen. Allgemeine<br />

Angaben wie Malerarbeiten, Trockenbauarbeiten,<br />

Beratung und ähnliches reichen nicht.<br />

Weiterhin war streitig, ob bei Bezug auf einen<br />

Vertrag, in dem die Leistungen beschrieben<br />

sind, dieser der Rechnung beigefügt sein<br />

muss. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil<br />

vom 16.01.2014 verneint. Die reine Angabe von<br />

„laut Vertrag“ oder „laut mündlicher Vereinbarung“<br />

reicht nicht. (BFH: VR 28/13)<br />

Haftung eines<br />

Wirtschaftsprüfers für<br />

fehlerhaftes Testat<br />

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil<br />

vom 24.04.2014 entschieden, dass ein Haftungsanspruch<br />

gegen den Wirtschaftsprüfer<br />

besteht, wenn dieser ein Testat über eine fehlerhafte<br />

Gewinnprognose erstellt, das in einem<br />

Wertpapierprospekt aufgenommen wird. Es besteht<br />

ein Anspruch nach den Grundsätzen eines<br />

Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.<br />

Der klagende Anleger hatte die Wertpapiere in<br />

Aussicht auf die im Prospekt auf Grundlage der<br />

Gewinnprognose ausgewiesenen zukünftigen<br />

Ausschüttungen erworben. Aufgrund einer Insolvenz<br />

kam es nicht dazu. Der BGH führt aus,<br />

dass das grob fahrlässig erstellte Testat kausal<br />

für die Anlageentscheidung war. Der Wirtschaftsprüfer<br />

haftet daher. (III ZR 156/13)<br />

Für den redaktionellen Inhalt der Seiten 52/53 zeichnet die Sozietät bdp Bormann, Demant & Partner Berlin verantwortlich.<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


54 | W+M Ratgeber Literatur<br />

W+M präsentiert:<br />

Die ostdeutsche Bestsellerliste für<br />

Wirtschaftsliteratur<br />

Die ostdeutsche Bestsellerliste für Wirtschaftsliteratur wird aus<br />

den Verkaufszahlen der größten Buchhandlungen in Brandenburg,<br />

Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen<br />

erstellt. Beteiligt haben sich:<br />

Hugendubel Cottbus, Mauerstraße 8, 03046 Cottbus<br />

Hugendubel Erfurt, Anger 62, 99084 Erfurt<br />

Hugendubel Greifswald, Markt 20–21, 17489 Greifswald<br />

Hugendubel Leipzig, Petersstraße 12–14, 04109 Leipzig<br />

Hugendubel Potsdam, Stern-Center 1, 14480 Potsdam<br />

Hugendubel Schwerin, Marienplatz 3, 19053 Schwerin<br />

Ulrich-von-Hutten-Buchhandlung, Logenstraße 8, 15230 Frankfurt/O.<br />

Die Teilnahme steht weiteren Buchhandlungen offen. Schreiben Sie<br />

bei Interesse eine E-Mail an JP@wundm.info.<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Advertorial | 55<br />

M-V – High Tech for the Sky<br />

Ulrich Scheib (l.) nahm von<br />

Harry Glawe, Minister für Wirtschaft,<br />

Bau und Tourismus, den Preis als<br />

„Unternehmer des Jahres 2014“ entgegen.<br />

Foto: Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern<br />

Ein Flugzeug der Lufthansa wurde so benannt<br />

– Mecklenburg-Vorpommern. Die Luft- und<br />

Raumfahrt begann schon vor rund 100 Jahren<br />

in Mecklenburg-Vorpommern mit den Flugversuchen<br />

der Gebrüder Lilienthal, Ernst Heinkel<br />

und Ludwig Bölkow.<br />

Zu den Stadtstaaten Hamburg und Bremen,<br />

die führend auf dem Gebiet des Flugzeugbaus<br />

sind, erobert sich Mecklenburg-Vorpommern<br />

immer mehr seinen Platz bei der Fertigung<br />

von hochwertigen Flugzeugteilen. So liefern<br />

Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern<br />

für Airbus unter anderem Türschließsysteme,<br />

Beleuchtungselemente, Kabelbäume,<br />

Cabin Crew Trainer, Door Trainer, Spezialschläuche<br />

und tausende von speziellen Bauteilen.<br />

Firmen aus Mecklenburg-Vorpommern beschichten<br />

Flugzeugteile, produzieren spezielle<br />

Transportvorrichtungen. Spezialisten befassen<br />

sich mit der Auswertung von Satellitendaten<br />

und der Entwicklung hochspezialisierter<br />

Systeme für die Luft-und Raumfahrt.<br />

Im Bereich der Luftfahrt bietet die AMAS<br />

GmbH Kunden ein breites Produktspektrum,<br />

von Fertigungsmitteln über Transportvorrichtungen,<br />

Fertigungsanlagen von Flugzeugkomponenten<br />

bis hin zur kompletten<br />

Endmontage von Flugzeugen. Gerade im<br />

Bereich der Luftfahrt konnte sie ihre Kunden<br />

immer wieder durch sehr spezielle und individuelle<br />

Lösungen von ihrer Leistungsfähigkeit<br />

überzeugen.<br />

Das Projekt SEA-GATE ist ein Anwendungsbeispiel<br />

für das europäische Satellitensystem<br />

Galileo. In Mecklenburg-Vorpommern<br />

werden die Signale für die maritime Anwendung<br />

im Rostocker Hafen getestet. Aufgrund<br />

der vielseitigen Aktivitäten rund um das maritime<br />

Testbed und den angesiedelten Engineering-Dienstleistern<br />

wurde im November<br />

2007 im Technologiepark Rostock das „Zentrum<br />

für Luft- und Raumfahrt“ an den Start<br />

geschickt. In dem 2010 vom Wirtschaftsministerium<br />

Mecklenburg-Vorpommern initiierten<br />

Netzwerk „Luft- und Raumfahrt für Mecklenburg<br />

Vorpommern“, unter dem Dach von<br />

Hanse-Aerospace e. V., als Projektträger in Kooperation<br />

mit „Invest in MV“, haben sich über<br />

30 Unternehmen vernetzt, um ihre Kompetenzen<br />

zu bündeln.<br />

Die RST Rostock System-Technik GmbH,<br />

eine Tochterfirma von Airbus Defence and<br />

Space, ist im Juni mit dem Landespreis des<br />

Wirtschaftsministeriums „Unternehmer des<br />

Jahres 2014“ in der Kategorie Unternehmensentwicklung<br />

ausgezeichnet worden. Die RST<br />

GmbH bietet Systemlösungen für die zivile<br />

Luft- und Raumfahrt an und entwickelt spezielle<br />

Ausrüstungen für diese Branche, unter<br />

anderem Trainingssysteme für Cabin Crews.<br />

Ein weiteres Mitglied ist die Aero Coating<br />

GmbH aus Wismar, Lukaswiese 8. In der technisch<br />

und technologisch hochmodern eingerichteten<br />

Produktionsstätte versteht sich das<br />

Team der Aero-Coating GmbH als professioneller<br />

Dienstleister für seine Kunden, speziell<br />

in der Luftfahrt. Das bedeutet für die Firma,<br />

Kundenbauteile in kürzester Frist mit unterschiedlichsten<br />

funktionellen Qualitätsoberflächen<br />

zu veredeln.<br />

Garantie zur Erfüllung dieses hohen Anspruches<br />

sind in erster Linie die Mitarbeiter mit ihrem<br />

Fachwissen und ihrer Einsatzbereitschaft.<br />

Das Wissen um die Verantwortung für die zur<br />

Bearbeitung überlassenen Kundenbauteile ist<br />

Motivation, allen Anforderungen mit der notwendigen<br />

Sorgfalt und Effektivität gerecht<br />

zu werden.<br />

Hanse-Aerospace e. V.<br />

Branchennetzwerk Luft- und Raumfahrt<br />

Frau Sandra Wandt<br />

Friedrich-Barnewitz-Straße 9<br />

18119 Rostock-Warnemünde<br />

Tel.: 0381 77868151<br />

E-Mail: s.wandt@hanse-aeropace.net<br />

AN AIRBUS DS COMPANY<br />

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56 | W+M Ratgeber<br />

Günstig online ordern<br />

Die Beschaffung von Bürobedarf im Internet<br />

Onlineshopping ist im privaten Bereich gang und gäbe. Auch für den gewerblichen Einkauf<br />

von Bürobedarf gibt es bereits zahlreiche Shops und Portale, die die Beschaffung vereinfachen<br />

können.<br />

Von Anke Templiner<br />

Beinahe jedes Unternehmen benötigt immer wieder einmal Kopierpapier,<br />

Ordner, Schreibgeräte, Ablagekörbe usw. Bürobedarf wird<br />

aber längst nicht mehr per Telefon oder Fax bestellt, sondern komfortabel<br />

über das Internet geordert. Für die Onlinebeschaffung von<br />

Bürobedarf gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sie kann beispielsweise<br />

über etablierte Bürobedarfshändler, die inzwischen über einen<br />

Onlineshop verfügen, über Onlinehändler, die sich auf die Bürobedarfsbeschaffung<br />

spezialisiert haben, oder über große Onlineportale,<br />

die Bürobedarfsprodukte neben vielen anderen Sortimenten anbieten,<br />

erfolgen. In unserer Übersicht wurden neun Anbieter ausgewählt,<br />

die diese Bandbreite widerspiegeln.<br />

Abgefragt wurden kaufentscheidende Kriterien wie Lieferzeiten, Versandkosten<br />

sowie Bezahl- und Rückgabemöglichkeiten und Kriterien<br />

wie Artikelanzahl und integrierte Eigenmarken/Markenshops, die zeigen,<br />

in welchem Spektrum sich ein Onlineshop bewegt. Alle aufgeführten<br />

Shops bieten übrigens nicht nur Bürobedarf, sondern meist<br />

auch Bürotechnik und Büromöbel.<br />

Kleinere, spezialisierte Bürobedarfshändler sind beispielsweise BBV-<br />

Domke und memo. BBV-Domke konzentriert sich auf Frankiersysteme<br />

und Zubehör, memo auf nachhaltige Produkte. Das Unternehmen<br />

hat aufgrund seines ganzheitlichen Angebots von geprüften umweltund<br />

sozialverträglichen Büromaterialien eine Alleinstellung am Markt.<br />

Zu den größeren Onlinehändlern gehören Printus, Mercateo, Büromarkt<br />

Böttcher, officio, OTTO Office und Viking. Sie warten mit 20.000<br />

bis 30.000 Produkten allein für den Bereich Bürobedarf auf. Einige von<br />

Portal/Onlinehändler BBV-Domke Büromarkt Böttcher memo Mercateo<br />

Anzahl der bestellbaren Bürobedarfsartikel ca. 14.000 ca. 30.000 ca. 8.000 über 17.000<br />

Kunden: privat und/oder gewerblich gewerblich privat und gewerblich privat und gewerblich gewerblich<br />

Integrierte Markenshops nein nein ja (memo Markenshop) ja<br />

Eigenmarken ja ja (BB-Office) ja ja (Eigenmarken der<br />

Vorlieferanten)<br />

Lieferzeiten in Stunden 24 24 24 48<br />

Versandkosten (inkl. MwSt.) 6,80 € 3,56 € 4,95 € bis 50 € Warenwert; 2,95 € bis<br />

200 € Warenwert; ab 200 € Warenwert<br />

versandkostenfrei<br />

1,90 € bis 60 €<br />

Warenwert; darüber<br />

versandkostenfrei<br />

Bestellvarianten außer online Tel., Fax, Post Tel., Fax, E-Mail Tel., Fax, E-Mail, Post Post, E-Mail, Fax sowie<br />

Schnittstellen zu Waren -<br />

wirtschafts- und<br />

SRM-Systemen<br />

Bezahlmöglichkeiten<br />

Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />

Nachnahme, PayPal<br />

Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />

Nachnahme, PayPal, Kreditkarte,<br />

Sofortüberweisung<br />

Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />

Nachnahme<br />

Vorkasse, Rechnung,<br />

Bankeinzug, Leasing und<br />

Finanzierung mit flexiblen<br />

Zahlungszielen<br />

Rückgabefrist in Tagen individuell 14 30 unterschiedlich<br />

Besonderheiten<br />

(Umweltfreundlichkeit, Serviceangebote etc.)<br />

umweltfreundliches Sortiment, Happy<br />

Hour, Neukundenrabatt, persönliche<br />

Beratung, Leasingmöglichkeiten,<br />

Existenzgründerrabatt<br />

„Green“ gekennzeichnete<br />

Re cyc ling artikel, Montage- und<br />

Lieferservice, Themenshops,<br />

Staffelpreise und Wochenaktionen<br />

gesamtes Sortiment nach<br />

umwelt- und sozial verträglichen<br />

sowie nach qualitativen<br />

Kriterien geprüft, Mehrweg-<br />

Versandsystem „memo Box”,<br />

memo „Wertstoff-Box“-System<br />

umfangreiches<br />

E-Procurement-System<br />

(elektronischer Einkauf),<br />

weitere beschaffungsnahe<br />

Dienstleistungen<br />

Webadresse www.bbv-shop.de www.bueromarkt-ag.de www.memo.de www.mercateo.com<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Büro | 57<br />

ihnen, wie officio, sind als „Pure Player“ ausschließlich im Vertriebskanal<br />

Internet tätig, andere vertreiben auch noch parallel über stationäre<br />

Geschäfte und Kataloge. Das mit Amazon vergleichbare Onlineportal<br />

Rakuten, das 7.000 Händler auf einem Marktplatz vereint,<br />

führt Büroprodukte nur als einen Teil im Gesamtsortiment.<br />

Alle Anbieter dieser Übersicht stellen neben einem großen Sortiment<br />

qualitativ hochwertiger Artikel, einer schnellen, korrekten Lieferung,<br />

einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, vielfältigen Zahlungsmöglichkeiten<br />

sowie einem freundlichen und gut erreichbaren Kundenservice<br />

als wichtiges Kriterium mehrheitlich eine gute Usability in den<br />

Vordergrund. Das heißt, der Kunde soll eine übersichtliche Website<br />

vorfinden und mit einfachen Auswahlmöglichkeiten schnell zu seinen<br />

Bei der Wahl des Onlineshops sollte man neben den<br />

Preisen auch auf die Serviceleistungen und die<br />

Usability (Nutzerfreundlichkeit) achten.<br />

Kriterien für Usability:<br />

• übersichtliche, nachvollziehbare und schnell geladene Produktpräsentation<br />

auf der Webseite,<br />

• eine intuitive Bedienung, leichte Orientierung und Suche über<br />

einfache Funktionen sowie<br />

• ein unkomplizierter und transparenter Check-Out-Prozess mit<br />

Warenkorb und Bestellabschluss<br />

gesuchten Produkten gelangen.<br />

Außerdem soll eine leichte Bedienung<br />

möglich sein, um ihm das<br />

Einkaufen sowie das Bezahlen so<br />

einfach wie möglich zu machen.<br />

Das Gütesiegel „Trusted Shops“<br />

tragen allein in Deutschland<br />

über 14.000 Internethändler.<br />

Diese Serviceaspekte werden in<br />

Zukunft auch zum klaren Differenzierungsmerkmal<br />

von Onlineshops,<br />

wie die kürzlich erschienene<br />

Studie „Erfolgsfaktoren im E-Commerce – Deutschlands Top Onlineshops<br />

Vol. 3“ der Abteilung E-Commerce-Center (ECC) Köln beim<br />

IFH Institut für Handelsforschung herausstellte: Bei der Bestellung im<br />

Onlineshop ist besonders wichtig, dass Kunden bei Fragen oder Problemen<br />

mit dem Händler in Kontakt treten können. Fehlt ein qualifizierter<br />

Ansprechpartner, lässt dies die Konsumenten bei einem Einkauf<br />

im Internet zögern.<br />

Darüber hinaus helfen Gütesiegel wie das von „Trusted Shops“, vertrauenswürdige<br />

Onlineshops zu erkennen. Alle Unternehmen mit<br />

diesem Siegel erfüllen vielfältige Standards bezüglich Seriosität, Datenschutz<br />

und Liefersicherheit. Weitere gängige Siegel sind beispielsweise<br />

Safer Shopping, EHI, Norton Secured und Trustpilot.<br />

W+M<br />

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der<br />

Redaktion des Magazins Das Büro.<br />

officio OTTO Office Printus Rakuten Viking<br />

ca. 32.000 ca. 20.000 ca. 27.000 ca. 350.000 13.175 (Deutschland)<br />

privat und gewerblich privat und gewerblich gewerblich privat und gewerblich privat und gewerblich<br />

ja (z. B. Durable, Bisley, Veloflex) ja nein ja ja (z. B. Apple, HP, Post-it, Canon)<br />

ja<br />

ja (in den Kategorien Budget, ja nein ja<br />

Standard, Premium und Umwelt)<br />

artikelabhängig (1 bis 21 Tage) 24 (bei Bestellung Mo bis Fr bis 17:00<br />

Uhr)<br />

bei Bestellungen bis 17:00 Uhr am<br />

nächsten Werktag<br />

händlerabhängig 24<br />

4,50 € bis 75 € Warenwert 4,52 € bis 53 € Warenwert, 1,82 €<br />

ab 53 € Warenwert<br />

keine händlerabhängig 2,95 € bis 49 € Warenwert;<br />

kostenfrei über 49 € Warenwert<br />

Fax, E-Mail, Post Tel., Fax, E-Mail, Post Tel., Fax Tel. Tel., Fax, E-Mail<br />

Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />

PayPal, Kreditkarte, Sofortüberweisung<br />

Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />

PayPal, Kreditkarte<br />

Rechnung, Bankeinzug<br />

Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />

PayPal, Kreditkarte, Sofortüberweisung,<br />

GiroPay, Klarna<br />

Rechnung, Bankeinzug,<br />

Kreditkarte, Paypal<br />

14 30 30 14 30<br />

Sonderbeschaffungen, Individualisierungen,<br />

Rakuten Superpunkte<br />

Abonnementfunktion<br />

Dankeschön-Präsente bei Bestellungen<br />

ab einem Warenwert von<br />

89,25 €<br />

soziales Engagement (langjährige<br />

Partnerschaft mit den SOS Kinderdörfern)<br />

www.officio.de www.otto-office.com www.printus.de www.rakuten.de www.viking.de<br />

authorisierter Apple-Händler, Green<br />

Shop, CO 2-neutrale Auslieferung<br />

Foto: Windorias/pixelio.de<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


58 | W+M Netzwerk<br />

3. Ostdeutsches Energieforum in Leipzig<br />

Masterplan zur Gestaltung der<br />

Energiewende gefordert<br />

300 Experten diskutierten unlängst auf dem 3.<br />

Ostdeutschen Energieforum über die Konsequenzen<br />

der Energiewende. Allgemeiner Appell<br />

an die Politik: Elektrizität müsse bezahlbar bleiben.<br />

Die Veranstalter des Forums präsentierten<br />

einen Katalog mit ihren Forderungen zur künftigen<br />

Energiepolitik und forderten zugleich einen<br />

verbindlichen Masterplan zur weiteren Gestaltung<br />

des Generationsprojekts Energiewende.<br />

Dieser müsse vor allem nachvollziehbare Schritte<br />

mit abrechenbaren Jahresplänen enthalten.<br />

An dem zweitägigen Forum, das gemeinsam von<br />

der IHK zu Leipzig und der Interessengemeinschaft<br />

der Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />

und Berlin ausgerichtet wurde, nahmen<br />

Experten aus der Energiewirtschaft und anderen<br />

Branchen teil. Mit dabei waren unter anderem<br />

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich<br />

sowie Christian Lindner, Bundesvorsitzender der<br />

FDP.<br />

W+M<br />

Frank Nehring und<br />

Anja Strebe von<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>.<br />

Sachsens Ministerpräsident<br />

Stanislaw Tillich sprach über<br />

die Auswirkungen der Energiepolitik<br />

des Bundes auf den<br />

Freistaat Sachsen.<br />

Das Ostdeutsche Energieforum am 3. und<br />

4. September in Leipzig erfreute sich einem<br />

regen Zuspruch.<br />

Steffen Heller (l., Geschäftsführer UV<br />

Brandenburg-Berlin) im Gespräch mit Lutz<br />

Götze (Expense Reduction Analysts).<br />

Christian Lindner (FDP) sprach<br />

sich für mehr Marktwirtschaft<br />

und eine Reform der Energiewende<br />

aus.<br />

Hartmut Bunsen (r.,<br />

Präsident UV Sachsen)<br />

im angeregten<br />

Gespräch mit Dr.<br />

Urban Rid (Leiter<br />

Abteilung Energie<br />

BMWi).<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014<br />

Uwe Albrecht<br />

(Bürgermeister für<br />

Wirtschaft Leipzig),<br />

MdB Bettina Kudla,<br />

Harmut Bunsen und<br />

Carsten Bödecker<br />

(Leiter BMW-Niederlassung<br />

Leipzig)<br />

(v. l. n. r.).<br />

Jürgen Zeibig<br />

(ZEIBINA),<br />

Dr. Andreas<br />

Reichel (Vorstandsmitglied<br />

E.DIS) und Carsten<br />

Ziegler (Leiter<br />

Vorstandsbüro<br />

E.DIS) (v. l. n. r.).<br />

Fotos: UV Sachsen


Gesellschaft | 59<br />

Ostsee-Meeting auf der Traditionsrennbahn in Bad Doberan<br />

Pferde, Wetten und tolle Hüte<br />

Vom 14. bis 17. August 2014 fand in Bad Doberan auf Europas ältester<br />

Galopprennbahn zum 22. Mal das Lübzer Pils-Ostsee-Meeting statt.<br />

Die Rennpreise für die 32 Galopp- und vier Bauern-Rennen lagen bei<br />

stattlichen 180.000 Euro. Gute Laune, Freude an den Pferden und am<br />

Wetten hatten die Besucher an allen Tagen. Selbst der Donnerstag<br />

war für einen Wochentag ordentlich besucht. Von Vorteil, wenn man<br />

Urlaubsregion ist. Ein besonderes Kompliment an die Damen, die sich<br />

den Hut nicht nehmen ließen und insbesondere am Freitag, dem Ladies<br />

Day, von mutig über handwerklich geschickt bis hin zu sehr kreativ<br />

ihre Kopfbedeckungen zur Schau stellten. Dr. Wolfgang Rühle,<br />

Präsident des Doberaner Rennvereins, zog ein erfreuliches Fazit: „Ein<br />

voller Erfolg unserer gemeinsamen Aktivitäten. Rennverein und Organisator<br />

Treffpunkt GmbH erhielten rundum positives Feedback.“W+M<br />

Ladies Day: Glückwunsch<br />

zu diesen<br />

Hüten.<br />

Großer<br />

Andrang<br />

an allen<br />

Tagen.<br />

Die Galopper auf der Zielgraden.<br />

Fotos: Joachim Kloock<br />

Gute Laune und<br />

Picknickstimmung.<br />

Bei bestem Wetter am Start.<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


60 | W+M Netzwerk<br />

3. Business Challenge der<br />

Unternehmerverbände<br />

Golfen unterm Wind<br />

Auf einem der schönsten Golfplätze Norddeutschlands,<br />

dem Golfpark Strelasund, luden<br />

die Unternehmerverbände Vorpommern,<br />

Rostock-Mittleres Mecklenburg und<br />

Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin<br />

zur dritten UV Business Challenge. Die Beteiligung<br />

am vorgabewirksamen Turnier<br />

war enorm – rund 50 Golfer freuten sich auf<br />

ein schönes Spiel. Und die Bedingungen auf<br />

dem 18-Loch-Platz in der Gemeinde Süderholz<br />

hätten nicht besser sein können: trockenes<br />

Wetter, viel Wind und sogar Sonne.<br />

Gleichzeitig wurden die knapp 20 Golfinteressierten<br />

ohne Platzreife in einem Schnupperkurs<br />

an den Golfsport herangeführt. Dank<br />

zahlreicher Sponsoren konnten am Abend<br />

einige attraktive Preise vergeben werden.<br />

Dabei fiel der Name Martin Scholtys gleich<br />

drei Mal. Der Spieler vom Golfclub Schloss<br />

Teschow gewann neben dem „1. Bruttopreis“<br />

auch die Preise für „Nearest to the Pin“ und<br />

„Longest Drive“. Der Preis der Redaktion<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> ging an den besten<br />

Schnupperer Gunnar Wobig.<br />

W+M<br />

Gruppenfoto vor dem Start des Turniers.<br />

Gerold Jürgens (r.),<br />

Präsident des UV<br />

Vorpommern, hat<br />

den Überblick.<br />

So ein Golfturnier macht hungrig.<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014<br />

Die Teilnehmer<br />

des Turniers<br />

hatten sichtlich<br />

Spaß.<br />

Frank Haacker (l.), Präsident des<br />

UV Rostock, mit seinen Mitspielern.<br />

Ein guter Schwung<br />

entscheidet.<br />

Gerold Jürgens zeichnet den Hauptgewinner<br />

des Turniers Martin Scholtys (l.) aus.<br />

Der Flight mit <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>-<br />

Verleger Frank Nehring.<br />

Fotos: UV Schwerin/Wolfgang Schröder, UV Vorpommern/Johannes Tolxdorff


Gesellschaft | 61<br />

Ausgelassene Stimmung im Kronprinzenpalais.<br />

VBKI feiert Sommerfest der Wirtschaft<br />

Berliner Kronprinzen<br />

im Kronprinzenpalais<br />

Mehr als 1.000 Gäste waren der Einladung des Verbandes Berliner Kaufleute und Industrieller<br />

(VBKI) zum traditionellen Sommerfest der Wirtschaft ins Kronprinzenpalais<br />

Unter den Linden gefolgt. Bei spätsommerlichem Wetter wurde Netzwerkarbeit betrieben,<br />

getanzt und gefeiert. Eine pikante Note erfuhr der gesellige Abend durch die<br />

Anwesenheit gleich mehrerer SPD-Spitzenpolitiker: Neben dem Regierenden Bürgermeister<br />

Klaus Wowereit, der wenige Tage zuvor seinen Rücktritt angekündigt hatte,<br />

stellten sich auch die drei „Kronprinzen“ für die Wowereit-Nachfolge – Senator Michael<br />

Müller, SPD-Fraktionschef Raed Saleh und SPD-Landesvorsitzender Jan Stöß – den<br />

Berliner Unternehmern vor.<br />

Der scheidende Regierungschef Wowereit hob das große Engagement der Unternehmerschaft<br />

für Berlin hervor. Darüber hinaus lobte er die Entscheidung des VBKI, das<br />

Sommerfest „im Osten der Stadt“ durchzuführen.<br />

VBKI-Präsident und Gastgeber Markus Voigt sagte: „Wir wollen als starke Stimme der<br />

Wirtschaft in Berlin und über Berlin hinaus Impulse geben und mitgestalten. Unternehmerische<br />

Verantwortung bedeutet jedoch auch gesellschaftliche Verantwortung.“<br />

W+M<br />

TV-Star Ulla<br />

Kock am Brink.<br />

Arbeitssenatorin<br />

Dilek Kolat.<br />

VBKI-Präsident Markus Voigt, Ehefrau<br />

Mirijam, Senator Michael Müller, Ehefrau<br />

Claudia und SPD-Fraktionschef Raed<br />

Saleh (v. l. n. r.).<br />

Fotos: Schroewig News & Images/Eva Oertwig<br />

VBKI-Geschäftsführer<br />

Udo Marin und Ehefrau<br />

Manuela (l.), der Regierende<br />

Bürgermeister<br />

Berlins Klaus Wowereit<br />

(M.), VBKI-Präsident Markus<br />

Voigt und Ehefrau<br />

Mirijam (r.).<br />

Grünen-<br />

Fraktionschefin<br />

Ramona Pop (r.)<br />

im angeregten<br />

Gespräch.<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


62 | W+M Netzwerk<br />

In diesen Behältern wird Wasserstoff für verschiedene<br />

Anwendungen bereitgehalten. Im Hintergrund die Biogasanlage.<br />

Das weltweit erste Hybridkraftwerk<br />

Die vom VBIW-Vorsitzenden Dr. Norbert Mertzsch angestoßene Diskussion über die Speicherung erneuerbarer<br />

Energien hält an. In diesem Zusammenhang besuchten weitere Mitglieder des VBIW das<br />

Hybridkraftwerk der ENERTRAG AG bei Prenzlau. Hier wird aus überschüssigem Windstrom Wasserstoff<br />

hergestellt.<br />

Von Rudolf Miethig (VBIW)<br />

Dauerthal (Uckermark). Sven Pyka von ENERTRAG führte die Mitglieder<br />

des VBIW durch die Anlagen des Unternehmens und erklärte<br />

den Arbeitsprozess: Strom aus Windkraftanlagen wird ins Netz eingespeist<br />

und/oder zur Elektrolyse von Wasser benutzt. Dann wird der<br />

entstehende Sauerstoff abgelassen, der Wasserstoff wird zunächst<br />

gespeichert und kann dann auf verschiedene Weise zur Energieerzeugung<br />

benutzt werden.<br />

Dies kann zum Einen durch die Rückverstromung in einem Blockheizkraftwerk<br />

geschehen. Das ist in der Anlage bei Prenzlau zwar<br />

möglich, wird aber nicht praktiziert, weil die geringen Mengen des<br />

erzeugten Stroms ins Netz eingespeist werden können und das Kraftwerk<br />

dafür die günstigere Einspeisevergütung erhält. Zum Anderen<br />

kann der Wasserstoff aber auch an Wasserstoff-Tankstellen abgegeben<br />

werden, etwa für Brennstoffzellen-Autos. Eine weitere Möglichkeit<br />

ist die Abgabe in das vorhandene Erdgasnetz. Derzeit dürfen<br />

zwei Prozent Wasserstoff zum Erdgas hinzugefügt werden. Das<br />

reicht für das Pilotprojekt bei Prenzlau aus, nicht aber für eine großtechnische<br />

Lösung des Speicherproblems,<br />

für welche sich die Ingenieure<br />

des VBIW besonders interessieren.<br />

Der zweite Energielieferant im Hybridkraftwerk<br />

ist eine Biogasanlage. Daran<br />

angeschlossen ist ein Blockheizkraftwerk,<br />

welches Strom ans Netz<br />

und Fernwärme an ein Prenzlauer<br />

Wohngebiet liefert.<br />

In einer spannenden Diskussion mit<br />

Mit Windstrom wird im<br />

Elektrolyseur Wasser in<br />

Sauerstoff und Wasserstoff<br />

aufgespaltet.<br />

Sven Pyka wurden weitere Möglichkeiten<br />

der Entwicklung erörtert. Die Anlage<br />

in Prenzlau ist nur ein Prototyp,<br />

der veranschaulichen soll, was prinzipiell<br />

möglich ist. Einig war man sich darin, dass das vorhandene Erdgasnetz<br />

umfassender genutzt werden sollte. Die schnellste Lösung<br />

wäre die Zulassung eines höheren Anteils an Wasserstoff im Erdgas<br />

durch die Netzbetreiber. Bei der Verwendung von Erdgas als Kraftstoff<br />

für Kraftfahrzeuge ist die zulässige Wasserstoffkonzentration<br />

derzeit allerdings auf zwei Volumenprozent durch die entsprechende<br />

DIN-Norm begrenzt. Die Technische Universität Graz konnte aber<br />

zeigen, dass auch bei größeren Zumischungen von Wasserstoff weniger<br />

Schadstoffe erzeugt werden als bei reinem Erdgas oder Benzin.<br />

Am liebsten aber würden die Netzbetreiber Methan aufnehmen, das<br />

ohnehin den Hauptbestandteil des natürlichen Erdgases bildet. Wasserstoff<br />

könnte gemeinsam mit CO 2 zu Methan reformiert werden.<br />

Das könnte dann zu 100 Prozent in das Erdgasnetz eingeleitet werden.<br />

CO 2 ist zwar im Überfluss in den Abgasen der Kraftwerke vorhanden<br />

und sollte sogar unterirdisch verpresst werden, doch seine<br />

Abscheidung ist sehr teuer.<br />

Als weiterer Ansatz wurde die biologische Methanisierung in die<br />

Diskussion eingebracht: Die Forschung arbeitet daran, Biogas und<br />

Wasserstoff mit Hilfe hochspezialisierter Mikroorganismen zu Methan<br />

umzuwandeln. Das so erzeugte synthetische Methan ist im<br />

Gegensatz zum natürlichen Erdgas klimaneutral. Seit 2013 betreibt<br />

der Autobauer Audi eine solche Power-to-Gas-Anlage in Werlte (Emsland).<br />

Die Nutzung von Erdgasfahrzeugen könnte auf diese Weise<br />

ausgeweitet werden, denn deren Technik wird bereits beherrscht;<br />

sie werden serienmäßig hergestellt, sind alltagstauglich und weitere<br />

Erdgastankstellen können am vorhandenen Leitungsnetz errichtet<br />

werden. Dagegen hält Pyka den großflächigen Einsatz von<br />

batterie-elektrischen Fahrzeugen auch deshalb nicht für umsetzbar,<br />

da bei gleichzeitigem Anschließen der Autos an die Ladestationen<br />

in der Zeitspanne nach Feierabend das Stromnetz hoffnungslos<br />

überlastet wäre.<br />

Fotos: ENERTRAG AG<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


VBIW | 63<br />

„Feuer breitet sich nicht aus, hast du Minimax im Haus“<br />

Fotos: Joergens.mi/Wikimedia Commons (oben links), Zwager/Wikimedia Commons (oben rechts), Prof. Dietmar Linke (Leibniz-Sozietät) (unten)<br />

Neuruppin. Unter diesem Slogan brachte der Berliner Unternehmer<br />

Wilhelm Graaff den ersten alltagstauglichen Handfeuerlöscher<br />

auf den Markt, der von den Käufern bald „Spitztüte“ genannt wurde.<br />

1905 wurde der Betrieb nach Neuruppin verlagert und produziert<br />

seitdem Feuerlöscher, zunächst unter dem weltweit bekannten<br />

Demonstration einer Fettexplosion: Ein Liter Wasser wurde<br />

auf einen Liter brennendes Speisefett gegossen.<br />

Berlin. Anlässlich des Leibniz-Tages 2014 verlieh die Leibniz-Sozietät<br />

der Wissenschaften zu Berlin e. V. dem VBIW den Samuel-Mitja-<br />

Rapoport-Kooperationspreis. Den Preis nahmen Dr. Norbert Mertzsch<br />

und Jutta Scheer (Vorsitzender und Zweite Vorsitzende des VBIW) vom<br />

Präsidenten der Leibniz-Sozietät<br />

Professor Dr. Gerhard<br />

Banse entgegen.<br />

Die Leibniz-Sozietät steht<br />

in der Tradition und Nachfolge<br />

der im Jahre 1700 in<br />

Berlin gegründeten Brandenburgischen<br />

Sozietät der<br />

Wissenschaften. Ihr Zweck<br />

VBIW mit Samuel-Mitja-Rapoport- Kooperationspreis ausgezeichnet<br />

VBIW-Vorsitzender<br />

Dr. Norbert Mertzsch<br />

bei seinen Dankesworten.<br />

Markennamen Minimax. Nach Enteignung des<br />

Neuruppiner Werks wurde in Westdeutschland<br />

ein neues Minimax-Werk gegründet. Aber auch<br />

in Neuruppin wurden bis heute weiter Feuerlöscher<br />

produziert, der dortige Betrieb gehört<br />

als FLN Feuerlöschgeräte Neuruppin Vertriebs-<br />

GmbH zum Tyco-Konzern. Dessen Produkte tragen<br />

den Markennamen „neuruppin“.<br />

Ingenieure des VBIW haben die Produktionsstätte<br />

besucht und erfuhren dabei, dass<br />

FLN etwa 60 verschiedene Typen an Feuerlöschern<br />

produziert, wobei das neueste Produkt<br />

der Wassernebellöscher ist. Er wirft kleinste<br />

Wassertröpfchen von 0,06 bis 0,08 Millimeter<br />

Durchmesser etwa drei bis fünf Meter weit aus<br />

und ist auch bei Fettbränden einsetzbar. Der<br />

Wassernebel schützt zusätzlich vor Hitzestrahlung.<br />

Folgeschäden durch Löschmitteleinwirkung<br />

sind zudem extrem reduziert.<br />

Die gefürchtete Fettexplosion entsteht, weil<br />

Wasser, schwerer als Fett, unter dieses absinkt,<br />

sich durch die Hitze blitzartig ausdehnt und<br />

das darüber liegende Fett explosionsartig ausstößt.<br />

Fettbrände mussten bisher mit Decken oder speziellen Feuerlöschern<br />

mit verseifendem Löschmittel bekämpft werden. Jetzt<br />

gibt es den Wassernebellöscher, der A-Brände (feste Stoffe), kleine<br />

B-Brände (flüssige oder flüssig werdende Stoffe) und F-Brände (Öle<br />

oder Fette) löschen kann.<br />

Dr. Norbert Mertzsch (VBIW)<br />

ist die „selbstlose Pflege<br />

und Förderung der Wissenschaften<br />

in der Tradition<br />

von Gottfried Wilhelm Leibniz<br />

im Interesse der Allgemeinheit“,<br />

so die Satzung der Sozietät.<br />

Der Rapoport-Preis wurde<br />

2012 erstmals für die Beförderung<br />

der Kooperation zwischen Wissenschaft<br />

einerseits und Wirtschaft,<br />

Politik oder wissenschaftlichen Organisationen<br />

andererseits vergeben.<br />

Samuel Mitja Rapoport (1912–2004)<br />

war erster Präsident der Leibniz-Sozietät<br />

und nachfolgend Ehrenpräsident.<br />

VBIW – Verein Brandenburgischer<br />

Ingenieure und Wirtschaftler e. V.<br />

Landesgeschäftsstelle: Fürstenwalder Str. 46,<br />

15234 Frankfurt (Oder), Tel.: 0335 8692151<br />

E-Mail: buero.vbiw@t-online.de<br />

Internet: www.vbiw-ev.de<br />

„Spitztüte“<br />

von Minimax.<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


64 | W+M Netzwerk<br />

UV Sachsen<br />

Kupfer weiht Gründerzeithaus ein<br />

Solares Bauen im Bereich Neubau<br />

ist in Deutschland zur Zeit zwar eher<br />

noch selten, aber auf dem Vormarsch.<br />

Die energetische Sanierung von Altbauten<br />

mit Solarenergie hingegen<br />

ist Neuland. Den Solarpionieren der<br />

FASA AG, einem langjährigen Mitglied<br />

des UV Sachsen, ist es gelungen,<br />

ein denkmalgeschütztes Gebäude<br />

aus dem Jahr 1906 derart komplex<br />

zu sanieren, dass dieses kumuliert einen<br />

solaren Deckungsgrad von etwa<br />

90 Prozent aufweist. Zur Einweihung<br />

des Gründerzeithauses in der Chemnitzer<br />

Kanalstraße reiste eigens der<br />

UV Brandenburg-Berlin<br />

Seit dem Inkrafttreten des Freihandels<br />

abkommens zwischen der<br />

Schweiz und China am 1. Juli 2014<br />

hat sich der chinesische Markt für<br />

Schweizer Unternehmen geöffnet.<br />

Mit einem Exportvolumen deutscher<br />

Unternehmen nach China in Höhe<br />

von über 67 Milliarden Euro im Jahr<br />

2013 ist dies ein interessanter Weg,<br />

den die Europäische Union nicht bietet.<br />

Deshalb sollen auch deutsche Firmen<br />

von der Schweizer Lösung profitieren.<br />

Der Ansatz besteht darin, deutsche<br />

Produkte mit einer Veredelungsstufe<br />

Sächsische Staatsminister für Umwelt<br />

und Landwirtschaft Frank Kupfer<br />

in die Industriestadt und lobte die<br />

solare Vision sowie den Mut von Ullrich<br />

Hintzen, Vorstand der FASA AG.<br />

„Ich bin gern nach Chemnitz gekommen.<br />

Zwar waren wegen des Denkmalschutzes<br />

hier die Möglichkeiten<br />

bei der Sanierung eingeschränkt.<br />

Das Vorhaben zeigt jedoch, dass es<br />

mit viel Erfindergeist möglich ist, dort<br />

Solarenergie sehr effektiv für die Versorgung<br />

mit Heizenergie und Warmwasser<br />

zu nutzen”, führte Kupfer in<br />

seiner Rede aus.<br />

Von Deutschland über die Schweiz zollfrei nach China<br />

Fritz Burkhalter von BNPO (Mitglied des UV Brandenburg-Berlin) über die<br />

Vorteile des Schweizer Freihandelsabkommens mit China für deutsche Unternehmen:<br />

in der Schweiz und unter Einhaltung<br />

des internationalen Handelsrechts<br />

mit der Zollpräferenz nach China zu<br />

exportieren. Für die Veredelung bietet<br />

sich in Uri ein Industriegebiet an,<br />

welches über vorteilhafte Verkehrsanbindungen,<br />

mögliche Kooperationspartner<br />

vor Ort und vorhandene<br />

Gebäude und Flächen verfügt<br />

und sich somit als Zweitproduktionsstandort<br />

anbietet. Ein Gewinn<br />

für deutsche Unternehmen Dank<br />

der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit<br />

– eine Wertschöpfung in<br />

Deutschland sowie in der Schweiz.<br />

Termine<br />

UV Brandenburg-Berlin<br />

06.10.2014: 8:00 Uhr „Potsdamer Gespräche“, VCAT Consulting<br />

GmbH, August-Bebel-Str. 26-53, 14482 Potsdam<br />

07.10.2014: 09:00 – 14:00 Uhr Wissenschaft trifft innovative Unternehmen,<br />

Universität Potsdam, Campus Golm, Karl-Liebknecht-Str.<br />

24-25, 14476 Potsdam<br />

14.10.2014: 16:00 – 20:00 Uhr Landesarbeitskreis Innovative<br />

Technologien: „Innovative Lösungen für wirtschaftliche und zuverlässige<br />

Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr“, Stadler Pankow,<br />

Lessingstraße 102, 13158 Berlin<br />

15.10.2014: 18:30 – 20:30 Uhr BER BusinessClub<br />

17.10.2014: 10:00 – 14:00 Uhr Mitgliederversammlung des UV<br />

Brandenburg, pentahotel Berlin-Potsdam, Warthestraße 20, 14513<br />

Teltow<br />

23.10.2014: 18:00 – 20:00 Uhr, Unternehmertreff Königs Wusterhausen,<br />

Thema „Was passiert, wenn mir was passiert?“, Hotel<br />

Residenz am Motzener See, Töpchiner Straße 4, 15741 Mittenwalde<br />

OT Motzen<br />

03.11.2014: 18:00 Uhr „Potsdamer Gespräche“, VCAT Consulting<br />

GmbH, August-Bebel-Str. 26-53, 14482 Potsdam<br />

13.11.2014: 18:00 – 20:30 Uhr Treffpunkt Wirtschaft – Unternehmerseminar:<br />

Neues aus dem Arbeitsrecht, Kanzlei Goldenstein &<br />

Partner, Hegelallee 1, 14467 Potsdam<br />

UV Rostock-Mittleres Mecklenburg<br />

08.10.2014: 18:00 Uhr Rostocker Wirtschaftsrunde, Rathaushalle<br />

Rostock, Neuer Markt 1, 18055 Rostock<br />

15.10.2014: 18:00 Uhr CSR-Abschlussveranstaltung<br />

17.-18.10.2014: „Wirtschaft trifft Medien“, Schloss Gamehl, Gamehl<br />

26, 23970 Gamehl<br />

05.11.2014: 18:00 Uhr Unternehmerlounge „Über den Dächern<br />

der Hansestadt“<br />

06.11.2014: UV-Branchentag Rostock, Aus und Weiterbildung<br />

20.11.2014: 19:00 Uhr „Warnemünder Gespräche“, Café Ringelnatz,<br />

Alexandrinenstraße 60, 18119 Rostock<br />

26.11.2014: Parlamentarischer Abend, Berlin<br />

UV Sachsen<br />

02.10.2014: Arbeitskreis International: Türkei<br />

06.10.2014: 16:30 – 19:00 Uhr Jahresveranstaltung der sächsischen<br />

Allianz „Arbeit und Behinderung“, Thema: „Menschen mit<br />

Behinderungen – Fachkräfte für Ihr Unternehmen“<br />

27.10.2014: 19:30 Uhr Gemeinsames Unternehmertreffen der<br />

UV-Repräsentanz Südwestsachsen und des Hintergrundmagazins<br />

Sachsen, Thema: „Regionales Saisongeschäft oder doch ernst zu<br />

nehmender Wirtschaftsfaktor? – Tourismus in Sachsen“<br />

06.11.2014: 16:30 – 19:00 Uhr, „Wirtschafts- und Sozialgespräch I“,<br />

Thema: „Familiengerechte Arbeitszeitmodelle fest verankern!“<br />

11.11.2014: 6. Leipziger Personalforum des UV Sachsen, der IHK<br />

zu Leipzig, der HWK zu Leipzig und des Zentrums für Aus- und<br />

Weiterbildung Leipzig<br />

15.11.2014: 20:00 Uhr 24. Sächsischer Unternehmerball, Motto<br />

„Sachsen tanzt Samba“, Hotel The Westin Leipzig, Gerberstraße 15,<br />

04105 Leipzig<br />

UV Thüringen<br />

17.11.2014: 18:00 Uhr 10. Erfurter Technologie Dialog, ComCenter<br />

Erfurt, Juri-Gagarin-Ring 37, 99084 Erfurt<br />

20.11.2014: Betriebsbesichtigung Bauerfeind AG, Triebeser Straße<br />

16, 07937 Zeulenroda-Triebes<br />

Veränderungen von Themen, Terminen und Ver an staltungsorten<br />

können nicht ausgeschlossen werden.<br />

Foto: UV Sachsen<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Unternehmerverbände | 65<br />

Foto: Angelika Heim<br />

UV Rostock-Mittleres Mecklenburg<br />

Hanse Sail Business Forum 2014<br />

Mehr als 200 Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Politik waren Anfang August<br />

der Einladung des Initiativkreises der Wirtschaft<br />

– bestehend aus dem Rostocker Unternehmerverband,<br />

der IHK zu Rostock und<br />

der Handwerkskammer Ostmecklenburg-<br />

Vorpommern – zum 14. Hanse Sail Business<br />

Forum in das Steigenberger Hotel Sonne<br />

gefolgt.<br />

Die wichtigste Wirtschaftskonferenz am<br />

Vorabend der Hanse Sail widmete sich in<br />

diesem Jahr dem Thema „Grüne Technologien<br />

aus Mecklenburg-Vorpommern für die<br />

Energiewende in Europa“. Im Fokus standen<br />

dabei Analyse, Bewertung und Ausblick<br />

zur Entwicklung grüner Technologien<br />

im europäischen Kontext. Ina-Maria Ulbrich,<br />

Staatssekretärin im Ministerium für<br />

Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung<br />

Mecklenburg-Vorpommern, plädierte<br />

in ihrer Rede für mehr Akzeptanz zum<br />

Ausbau der erneuerbaren Energien, der<br />

auch den Ausbau der Netze<br />

bedingt. In einer Videobotschaft<br />

grüßte EU-Kommissar<br />

für Energie, Günther<br />

Oettinger, die Teilnehmer.<br />

Uwe Beckmeyer, Parlamentarischer<br />

Staatssekretär<br />

beim Bundesminister für<br />

Wirtschaft und Energie beleuchtete<br />

in seinem Vortrag<br />

die „Nachhaltigkeit als Innovationstreiber“.<br />

Unternehmerverbände Mecklenburg-Vorpommerns<br />

Integration von Arbeitnehmern mit Zugangshemmnissen<br />

In Mecklenburg-Vorpommern<br />

neigt sich das XENOS-<br />

Projekt „Brücken für Vielfalt<br />

und Beschäftigung in MV“<br />

dem Ende. Ziel des Projektes<br />

ist es, einerseits Arbeitnehmer<br />

mit Zugangshemmnissen<br />

zum Arbeitsmarkt zu vermitteln<br />

und andererseits nachhaltige Lösungsansätze<br />

für die Integration dieser zu<br />

entwickeln. Um letzteres Ziel zu erreichen,<br />

führen die Unternehmerverbände Schwerin,<br />

Rostock und Vorpommern insgesamt<br />

1.000 Sensibilisierungsgespräche mit Arbeitgebern<br />

im ganzen Land. Im Rahmen<br />

dieser Gespräche wird auf das bestehende<br />

Potenzial verwiesen, gleichzeitig aber<br />

auch Problemfelder und Hinderungsgründe<br />

einer Anstellung sowie diesbezügliche<br />

Lösungsansätze abgefragt.<br />

Der einmalige Umfang der Befragung<br />

– verteilt über ganz<br />

Mecklenburg-Vorpommern,<br />

unterschiedlichste Branchen<br />

und Betriebsgrößen (nach<br />

Quote) – sorgen für eine Übertragbarkeit<br />

der Ergebnisse.<br />

Die Befragungen werden anschließend<br />

durch ein wissenschaftliches Institut ausgewertet<br />

und in Form einer Broschüre den<br />

Entscheidungsträgern des Landes zur Verfügung<br />

gestellt, um so Anregungen für die<br />

Schaffung notwendiger Rahmenbedingungen<br />

zu geben. Die Broschüre wird im vierten<br />

Quartal 2014 erscheinen. Bei Interesse<br />

können Sie sich an die Unternehmerverbände<br />

in Mecklenburg-Vorpommern<br />

wenden.<br />

GESCHÄFTSSTELLEN<br />

Unternehmerverband Berlin e. V.<br />

Präsident: Armin Pempe<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Hauptgeschäftsführer: Andreas Jonderko<br />

Frankfurter Allee 202, 10365 Berlin<br />

Tel.: +49 30 9818500<br />

Fax: +49 30 9827239<br />

E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />

Internet: www.uv-berlin.de<br />

Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V.<br />

Präsident: Eberhard Walter<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Geschäftsführer: Steffen Heller<br />

Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />

Tel.: +49 355 22658<br />

Fax: +49 355 22659<br />

E-Mail: cottbus@uv-brandenburg-berlin.de<br />

Internet: www.uv-brandenburg-berlin.de<br />

Bezirksgeschäftsstelle Potsdam<br />

Jägerstraße 18, 14467 Potsdam<br />

Tel.: +49 331 810306<br />

Fax: +49 331 8170835<br />

E-Mail: potsdam@uv-brandenburg-berlin.de<br />

Repräsentanz Frankfurt Oder<br />

Repräsentant: Detlef Rennspieß<br />

Perleberger Straße 2, 15234 Frankfurt Oder<br />

Tel.: +49 335 4007458<br />

Fax: +49 335 4007457<br />

E-Mail: detlef.rennspiess@signal-iduna.net<br />

Unternehmerverband Norddeutschland Mecklenburg-<br />

Schwerin e. V.<br />

Präsident: Rolf Paukstat<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />

Gutenbergstraße 1, 19061 Schwerin<br />

Tel.: +49 385 569333<br />

Fax: +49 385 568501<br />

E-Mail: mecklenburg@uv-mv.de<br />

Internet: mecklenburg.uv-mv.de<br />

Unternehmerverband Rostock-Mittleres Mecklenburg e. V.<br />

Präsident: Frank Haacker<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />

Wilhelm-Külz-Platz 4<br />

18055 Rostock<br />

Tel.: +49 381 242580<br />

Fax: +49 381 2425818<br />

E-Mail: info@rostock.uv-mv.de<br />

Internet: www.uv-mv.de<br />

Unternehmerverband Sachsen e. V.<br />

Präsident: Hartmut Bunsen<br />

Geschäftsführer: Lars Schaller<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Bergweg 7, 04356 Leipzig<br />

Tel.: +49 341 52625844<br />

Fax: +49 341 52625833<br />

E-Mail: info@uv-sachsen.org<br />

Internet: www.uv-sachsen.de<br />

Geschäftsstelle Chemnitz<br />

Repräsentantin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />

Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />

Tel.: +49 371 49512912<br />

Fax: +49 371 49512916<br />

E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Dresden<br />

Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck<br />

Semperstraße 2b, 01069 Dresden<br />

Tel.: +49 351 8996467<br />

Fax: +49 351 8996749<br />

E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />

Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e. V.<br />

Präsident: Jürgen Sperlich<br />

Geschäftsführer: Dr. Andreas Golbs<br />

Geschäftsstelle Halle/Saale<br />

Berliner Straße 130, 06258 Schkopau<br />

Tel.: +49 345 78230924<br />

Fax: +49 345 7823467<br />

Unternehmerverband Thüringen e. V.<br />

Präsident: Jens Wenzke<br />

c/o IHK Erfurt – Abteilung Standortpolitik<br />

Arnstädter Str. 34, 99096 Erfurt<br />

Tel.: +49 361 4930811<br />

Fax: +49 361 4930826<br />

E-Mail: info@uv-thueringen.de<br />

Internet: www.uv-thueringen.de<br />

Unternehmerverband Vorpommern e. V.<br />

Präsident: Gerold Jürgens<br />

Geschäftsstelle<br />

Geschäftsstellenleiter: Steffen Hellmuth<br />

Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />

Tel.: +49 3834 835823<br />

Fax: +49 3834 835825<br />

E-Mail: uv-vorpommern@t-online.de<br />

Internet: vorpommern.uv-mv.de<br />

www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


66 | W+M Die letzte Seite<br />

Ausblick auf die nächste Ausgabe<br />

Wie kommt der Mittelstand an Geld?<br />

Viele mittelständische Unternehmen leiden<br />

darunter, nicht schnell genug auf Marktveränderungen<br />

reagieren und investieren<br />

zu können, weil ihnen dafür der finanzielle<br />

Spielraum fehlt. Dabei bieten zahlreiche Kreditinstitute<br />

interessante Programme, speziell<br />

für kleine und mittlere Unternehmen, an.<br />

In der Titelgeschichte der nächsten Ausgabe<br />

befasst sich <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> umfassend<br />

mit dem Thema Mittelstandsfinanzierung.<br />

Wir geben Einblick in konkrete Förderprogramme<br />

ausgewählter Bankhäuser und<br />

sprechen mit Experten darüber, wie Mittelständler<br />

an diesen Programmen partizipieren<br />

können. Da etliche mittelständische Unternehmen<br />

aus den neuen Ländern bereits<br />

auf internationalen Märkten agieren oder<br />

sich dort absehbar engagieren wollen, stellen<br />

wir Möglichkeiten der soliden Außenhandelsfinanzierung<br />

vor.<br />

Die letzte Ausgabe des Jahres nutzen wir ferner<br />

dazu, eine Zwischenbilanz zu ziehen: Wie<br />

lief 2014 aus Sicht der ostdeutschen Unternehmen?<br />

Was hat die schwarz-rote Bundesregierung<br />

im ersten Amtsjahr für den Mittelstand<br />

und die deutsche Wirtschaft insgesamt<br />

getan?<br />

Darüber hinaus lesen Sie interessante Länderreports<br />

und einen ausführlichen Ratgeberteil.<br />

Die nächste Ausgabe von<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint am<br />

27. November 2014.<br />

Personenregister<br />

Albrecht, Uwe 58<br />

Arnold, Frank 54<br />

Banse, Gerhard 63<br />

Baumeister, Roy 54<br />

Beckmeyer, Uwe 65<br />

Beltle, Herbert 23<br />

Bergmann, Martin 11<br />

Bieber, Richard 23<br />

Birr, Dieter 25<br />

Bödecker, Carsten 58<br />

Bormann, Michael 52<br />

Botschatzki, Walter 30<br />

Bräutigam, Hans Otto 35<br />

Brandauer, Klaus Maria 29<br />

Brüning, Uschi 29<br />

Bunsen, Hartmut 58<br />

Burkhalter, Fritz 64<br />

Burkhart, Hubertus 47<br />

de Maizière, Lothar 6<br />

Christiansen, Sabine 40<br />

Dicks, Günter 31<br />

Diestel, Peter-Michael 6-8<br />

Domröse, Lothar 11<br />

Dubberstein, Bernd 44/45<br />

Ecke, Tino 10<br />

Eckes-Chantré, Harald 12<br />

Eichinger, Bernd 40<br />

Enderlein, Dietmar 8, 14/15<br />

Enderlein, Katja 14/15<br />

Eppelmann, Rainer 14<br />

Erhard, Ludwig 27<br />

Falk, Hermann 47<br />

Ferris, Timothy 54<br />

Foerster, Carl 13<br />

Friedrich, Marc 54<br />

Garkisch, Anne 23<br />

Garkisch, Stephan 23<br />

Gerdes, Steffan 43<br />

Gleicke, Iris 47<br />

Götze, Lutz 58<br />

Graaf, Wilhelm 63<br />

Grabbe, Thomas 28/29<br />

Gustke, Heinrich 31<br />

Gustke, Manfred 31<br />

Gustke, Stephan 31<br />

Haacker, Frank 60<br />

Hartmann, Tim 46/47<br />

Heise, Gunter 12/13<br />

Heller, Steffen 58<br />

Hennig, Rolf 25<br />

Hertrampf, Dieter 25<br />

Hintzen, Ulrich 64<br />

Honecker, Erich 34<br />

Jahn, Friedrich Ludwig 13<br />

Jahnecke, Thomas 23<br />

Jeske, Harry 24<br />

Jürgens, Gerold 60<br />

Kahnemann, Daniel 54<br />

Kempmann, Johannes 47<br />

Kloss, Günther 13<br />

Kloss, Julius 13<br />

Kloss, Moritz 13<br />

Kock am Brink, Ulla 61<br />

Kohl, Helmut 3<br />

Kolat, Dilek 61<br />

Kroschke, Christoph 7/8<br />

Krug, Manfred 29<br />

Kudla, Bettina 58<br />

Kupfer, Frank 64<br />

Lange, Lutz 12<br />

Lehmann, Robert 48<br />

Leibnitz,<br />

Gottfried Wilhelm 63<br />

Leipold, Dieter 54<br />

Lill, Franz-Lorenz 22<br />

Lindner, Christian 58<br />

Links, Christoph 16/17<br />

Maier, Michael 54<br />

Mangelsdorf, Frank 34/35<br />

Marin, Manuela 61<br />

Marin, Udo 61<br />

Marseille, Ulrich 8<br />

Merkel, Angela 13<br />

Mertzsch, Norbert 62/63<br />

Meyer, Peter 24/25<br />

Momper, Walter 19<br />

Most, Edgar 19<br />

Mühlfenzl, Rudolf 40<br />

Müller, Claudia 61<br />

Müller, Michael 61<br />

Müller, Peter 11<br />

Müller, Stefan 11<br />

Neubert, Barbara 8<br />

Neubert, Wolfgang 8<br />

Niefer, Werner 19<br />

Oettinger, Günther 65<br />

Pagelsdorf, Frank 8<br />

Piketty, Thomas 54<br />

Platzeck, Matthias 35<br />

Polomski, Jutta 12<br />

Pop, Ramona 61<br />

Pyka, Sven 62<br />

Queisser, Christof 13<br />

Quermann, Heinz 22<br />

Quermann, Petra 22<br />

Ragnitz, Joachim 41, 48<br />

Raithel, Günther 36<br />

Raithel, Holger 36<br />

Raithel, Rositta 36<br />

Rapoport, Samuel Mitja 63<br />

Rasym, Peter 25<br />

Rau, Johannes 19<br />

Reichel, Andreas 58<br />

Rid, Urban 58<br />

Ringstorff, Harald 15<br />

Riva, Emilio 19<br />

Röder, Martin 38/39<br />

Rohwedder,<br />

Detlev Karsten 6<br />

Rost, Peter 22<br />

Rühle, Wolfgang 59<br />

Saleh, Raed 61<br />

Schabow ski, Günther 34<br />

Schadock, Helga 10<br />

Scharfschwerdt, Klaus 25<br />

Schäuble, Wolfgang 8<br />

Scheer, Jutta 63<br />

Schenk, Michael 42<br />

Schneider, Jürgen 23<br />

Scholtys, Martin 60<br />

Schröder, Gerhard 40<br />

Schuhbeck, Alfons 29<br />

Sieber, Bert 10<br />

Siegert, Walter 6<br />

Stoiber, Edmund 40<br />

Stolpe, Manfred 18-20<br />

Stöß, Jan 61<br />

Strauß, Franz Josef 27<br />

Süß, Thomas 32<br />

Taleb, Nassim Nicholas 54<br />

Thiele, Käthe 26/27<br />

Thiele, Kurt 26<br />

Thiele, Marco 26/27<br />

Thiele, Rainer 26/27<br />

Thiele, Susen 26<br />

Thiele, Thomas 26<br />

Tierney, John 54<br />

Tillich, Stanislaw 58<br />

Ulbrich, Ina-Maria 65<br />

Urban, Hans-Peter 40<br />

Voigt, Markus 61<br />

Voigt, Mirijam 61<br />

von Schnitzler,<br />

Karl Eduard 40<br />

Wehrle, Martin 54<br />

Weik, Matthias 54<br />

Wernze, Franz-Josef 7<br />

Wiegel, Ulrich 12<br />

Windus, Manfred 30<br />

Wobig, Gunnar 60<br />

Wowereit, Klaus 61<br />

Zeibig, Jürgen 58<br />

Ziegler, Carsten 58<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014


Sachsen | 67<br />

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68 | W+M Länderreport<br />

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<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014

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