WIRTSCHAFT+MARKT Wende - Aufbruch (Vorschau)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
25. Jahrgang | Heft 5 | Oktober/November 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>Wende</strong><br />
<strong>Aufbruch</strong><br />
Blühende Landschaften?
Foto: Getty Images<br />
Gutes Geld für gute Ideen<br />
Wir fördern Existenzgründer.<br />
Wenn Sie in Brandenburg mit Mut und Können etwas unternehmen möchten,<br />
dann unterstützen wir Sie umfassend. Wir bieten Ihnen nicht nur Fördermittel<br />
und Finanzierungen zu attraktiven Konditionen, sondern auch unser ganzes<br />
Wissen und die Erfahrung von mehr als 20 Jahren Wirtschaftsförderung. Wir<br />
sind die Förderbank Brandenburgs. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf.<br />
www.ilb.de
W+M Editorial | 3<br />
Die Macher des <strong>Aufbruch</strong>s<br />
Mit dem Herzen dabei<br />
Foto: Torsten George, Titel: Kathi/J. Schlüter (Thiele), Staatskanzlei Brandenburg (Stolpe), Rotkäppchen/U. Ehmann (Heise), T. Schwandt (Gustke), MOZ (Mangelsdorf ), T. Wranik (Garkisch)<br />
Wir befinden uns<br />
im Herbst eines<br />
wirklich bedeutungsschweren<br />
Gedenkjahres:<br />
Hundert Jahre<br />
Ausbruch des Ersten Weltkriegs,<br />
75 Jahre Beginn<br />
des Zweiten Weltkriegs, 70<br />
Jahre Landung der Alliierten<br />
– all diese Jahrestage<br />
wurden in den vergangenen<br />
Wochen und Monaten<br />
auf vielfältige Weise gewürdigt.<br />
Jetzt steuert Deutschland auf den letzten<br />
großen Erinnerungstag des Jahres 2014<br />
zu, der im Unterschied zu den vorher genannten<br />
Ereignissen ohne Blutvergießen<br />
und Gewalt verlief und ungeachtet dessen<br />
bis heute historische Tragweite hat: Am<br />
8. November jährt sich zum 25. Mal der<br />
Fall der Mauer in der ehemaligen DDR. Die<br />
Öffnung der Grenzen war ein Höhepunkt<br />
der friedlichen Revolution, in deren Folge<br />
vier Monate später demokratische Wahlen<br />
stattfanden und im Herbst 1990 dann die<br />
Wiedervereinigung Deutschlands vollzogen<br />
wurde.<br />
Die <strong>Wende</strong> vor 25 Jahren stellte fast die<br />
gesamte berufstätige Bevölkerung in Ostdeutschland<br />
vor fundamentale Herausforderungen.<br />
Da nahezu alle Institutionen,<br />
Behörden, Verwaltungen, Kombinate,<br />
Genossenschaften und volkseigenen<br />
Betriebe abgewickelt, geschlossen oder<br />
zumindest dramatisch heruntergefahren<br />
wurden, mussten sich rund 90 Prozent<br />
der Menschen im arbeitsfähigen Alter beruflich<br />
neu orientieren. So etwas hat es<br />
in der jüngeren Geschichte noch nie gegeben.<br />
Der Prozess der Umstellung von<br />
erlebter sozialistischer Planwirtschaft<br />
hin zur Marktwirtschaft in der größer<br />
gewordenen Bundesrepublik lief nicht<br />
ohne Probleme ab. Es gab Menschen, die<br />
nie wieder Fuß fassten, es gab Enttäuschte<br />
und Zurückgelassene.<br />
Aber mehr noch gab<br />
es überall in den neuen<br />
Ländern Menschen, die<br />
die Ärmel aufkrempelten,<br />
die ins kalte Wasser<br />
des Unternehmertums<br />
sprangen, sich selbstständig<br />
machten und<br />
oft eigene Unternehmen<br />
gründeten. Entstanden<br />
ist ein grundsolider<br />
Mittelstand, der<br />
heute das Rückgrat der<br />
ostdeutschen Wirtschaft bildet, der für<br />
stabile Beschäftigung und Steuereinnahmen<br />
der Kommunen sorgt.<br />
Karsten Hintzmann<br />
Chefredakteur<br />
KH@wundm.info<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> würdigt die Leistungen<br />
der ostdeutschen Unternehmer<br />
mit einer ausführlichen Titelgeschichte,<br />
die sich über 36 Seiten erstreckt. Stellvertretend<br />
für die vielen Firmengründer<br />
zwischen Wismar und Suhl stellen wir „25<br />
Macher des wirtschaftlichen <strong>Aufbruch</strong>s“<br />
vor. Bewusst haben wir uns für eine Mischung<br />
aus prominenten und eher unbekannten<br />
Persönlichkeiten entschieden.<br />
Wir wollten kein Ranking, sondern die<br />
Breite des Spektrums abbilden. Eines haben<br />
alle vorgestellten Personen gemein:<br />
Sie haben sich aktiv für den wirtschaftlichen<br />
Aufschwung in Ostdeutschland eingesetzt<br />
– jeder an seinem Platz, sei es in<br />
Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung<br />
oder in der Politik.<br />
Der ersten Unternehmergeneration der<br />
Nachwendezeit ist es maßgeblich zu verdanken,<br />
dass man heute vielerorts die<br />
vom früheren Bundeskanzler Helmut<br />
Kohl beschworenen „blühenden Landschaften“<br />
tatsächlich antrifft. Allerdings<br />
ist der Prozess des <strong>Aufbruch</strong>s und der Angleichung<br />
der Verhältnisse zwischen West<br />
und Ost noch lange nicht abgeschlossen.<br />
Dafür braucht es unverändert einen langen<br />
Atem.<br />
UNSER GESCHENKDIENST –<br />
VERSAND WELTWEIT!<br />
Seit 1927 ist Lebkuchen-Schmidt<br />
Garant für erstklassige Lebkuchenund<br />
Gebäckspezialitäten.<br />
Unser kompetentes Team berät Sie gerne.<br />
Sie suchen aus und lassen uns die Empfänger-<br />
Adressen zukommen.<br />
Die ganze Abwicklung übernehmen wir.<br />
Von „A“ wie „Adressaufkleber“ bis „Z“ wie<br />
„Zollformalitäten“. Weltweit versenden wir Ihre<br />
Präsente zuverlässig und bruchsicher verpackt.<br />
Nürnberger Elisen-Schatulle 2014<br />
Vertrauen Sie uns Ihre Weihnachtsaktion<br />
an – wir freuen uns auf Sie!<br />
PER TELEFON:<br />
0911 / 89 66 430<br />
PER FAX:<br />
0911 / 89 20 844<br />
PER INTERNET:<br />
lebkuchen-schmidt.com<br />
E-Mail: info@lebkuchen-schmidt.com<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
4 | W+M Inhalt<br />
56<br />
Günstig<br />
online ordern<br />
50<br />
IAA in Hannover<br />
60<br />
Golfen unterm Wind<br />
42 Die digitale Fabrik<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
W+M Inhalt | 5<br />
W+M Titelthema<br />
25 Jahre <strong>Wende</strong> – 25 Jahre wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong> 6 – 41<br />
W+M Titelthema<br />
25 Macher des <strong>Aufbruch</strong>s in den neuen Ländern<br />
Peter-Michael Diestel – Tatbeteiligter der <strong>Wende</strong> 6<br />
Bert Sieber – Experte für Transformatoren aller Art 10<br />
Tino Ecke – Mit Schlagkraft im Wald 10<br />
Helga Schadock – Orthopädietechnische Hilfen aus Vogelsdorf 10<br />
Martin Bergmann – Modernste Umwelttechnik aus Sachsen 11<br />
Peter Müller – Ein Mann mit dem richtigen Riecher 11<br />
Gunter Heise – Rotkäppchen-Sekt auf Siegeszug 12<br />
Dietmar Enderlein – Leitwolf in zwei Systemen 14<br />
Christoph Links – Der Longseller-Stratege 16<br />
Manfred Stolpe – Ein Ministerpräsident zieht Bilanz 18<br />
Franz-Lorenz Lill – Feuerwehrmann für Osteuropa 22<br />
Peter Rost – Drucken in Großformat 22<br />
Petra Quermann – Bewahrt das Erbe ihres Vaters 22<br />
Stephan Garkisch – Spitzenkoch aus Ostberlin 23<br />
Thomas Jahnecke – Spezialist für Hörgeräte 23<br />
Peter Meyer – Das Unternehmen Puhdys 24<br />
Rainer Thiele – Kathi-Backmischungen überall gefragt 26<br />
Thomas Grabbe – Verkauft Güstrows schönsten Schmuck 28<br />
Walter Botschatzki – Mit dem Multicar hinaus in die Welt 30<br />
Stephan Gustke – Erfolgreiche Logistik aus dem Norden 31<br />
Thomas Süß – Zwischen Baufirma und Yachthafen 32<br />
Frank Mangelsdorf – Geschichte hautnah erlebt 34<br />
Holger Raithel – Tradition ohne Kaffeekannen 36<br />
Martin Röder – Mit Gelenkwellen auf den Weltmarkt 38<br />
Hans-Peter Urban – Adlershofer Fernsehretter 40<br />
Analyse des <strong>Aufbruch</strong>s: ifo-Chef Joachim Ragnitz 41<br />
W+M Länderreport<br />
Sachsen-Anhalt: Die digitale Fabrik 42<br />
W+M Politik<br />
Energiewende und Versorgungssicherheit:<br />
Interview mit Bernd Dubberstein, E.DIS-Vorstandschef 44<br />
Der Osten und die Energiewende:<br />
Gespräch mit Tim Hartmann, enviaM-Vorstandsvorsitzender 46<br />
ifo-Geschäftsklimaindex für Ostdeutschland 48<br />
W+M Ratgeber<br />
Automobil: Ausblick auf die IAA in Hannover 50<br />
Steuern und Finanzen 52<br />
Literatur: Die ostdeutsche Bestsellerliste für Wirtschaftsliteratur 54<br />
Büro: Günstige Versandhändler für Büromaterialien 56<br />
W+M Netzwerk<br />
Impressionen vom Ostdeutschen Energieforum 58<br />
Ostsee-Meeting auf der Traditionsrennbahn in Bad Doberan 59<br />
UV Business Challenge: Golfen unterm Wind 60<br />
VBKI-Sommerfest: Aufmarsch der Kronprinzen 61<br />
VBIW: Aktuelles aus dem Verein 62<br />
Neues aus den Unternehmerverbänden 64<br />
6-41<br />
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s<br />
W+M Die letzte Seite<br />
Ausblick und Personenregister 66<br />
W+M Weitere Beiträge<br />
Editorial 3<br />
Impressum 43<br />
Dieser Ausgabe von <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> liegt die Sonderausgabe<br />
W+M Exklusiv Vorpommern bei.<br />
Teilen der Auflage liegen Beilagen der Zentralkonsum eG und des<br />
Steigenberger Hotels Zur Sonne Rostock bei.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
6 | W+M Titelthema<br />
Auf holprigen Wegen zu blühenden<br />
Landschaften<br />
Die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern aus Sicht von<br />
Dr. Peter-Michael Diestel<br />
Meine persönliche Situation in den Jahren 1989/90 ist in etwa mit der wirtschaftlichen Entwicklung<br />
in Ostdeutschland zu vergleichen – unberechenbar, explosiv und außerordentlich dynamisch.<br />
Nur habe ich vielleicht etwas mehr von den wirtschaftlichen Ergebnissen meiner Tätigkeit<br />
festhalten können.<br />
Peter-Michael Diestel<br />
auf seinem Landsitz<br />
in Mecklenburg.<br />
Eingangs ist die Feststellung unerlässlich,<br />
dass der Weg hin zur Marktwirtschaft<br />
und zur rigorosen Veränderung<br />
der sozialistischen Wirtschaftsstrukturen<br />
alternativlos richtig war.<br />
Hinterher sind alle klüger und die Zahl<br />
der „Besserwisser“ und „Bessermacher“<br />
nimmt im Nachhinein utopische Dimensionen<br />
an. In den Monaten, in welchen ich<br />
als Stellvertreter des Ministerpräsidenten<br />
Lothar de Maizière und als Innenminister<br />
Verantwortung trug, sind mir die Dimensionen<br />
des Wandels deutlich geworden.<br />
Eine umfassende wirtschaftspolitische<br />
und finanzpolitische Gesetzgebung<br />
schuf die Grundlage für die notwendigen<br />
Veränderungen. Der Rechtsangleichungsprozess<br />
zweier unterschiedlicher Wirtschaftsordnungen<br />
erschien mir damals<br />
zunächst unverständlich und unlösbar.<br />
Auf beiden Seiten gab es keine vorbereiteten<br />
Konzepte für eine einheitliche<br />
Wirtschafts- und Wirtschaftsrechtsordnung.<br />
Kluge Wegbegleiter wie der damalige<br />
Ministerpräsident Lothar de Maizière,<br />
sein Finanzstaatssekretär Walter Siegert,<br />
aber auch Detlev Karsten Rohwedder erklärten<br />
mir die Entwicklungsrichtungen.<br />
Ich habe immer eifrig und verständnisvoll<br />
genickt, jedoch wenig verstanden.<br />
Auf jeden Fall entschloss ich mich in dieser<br />
Zeit, mein stärkeres Bein, also mein<br />
Sprungbein, für das anwaltliche Leben<br />
zu nutzen und konnte mit Gleichgesinnten<br />
Anwaltskanzleien in Leipzig, Berlin,<br />
Rostock, Potsdam, Güstrow und Zislow<br />
am Plauer See aufbauen. So war ich praktisch<br />
immer dabei, konnte Einiges erleben<br />
und jetzt darüber reden.<br />
Schwierigkeiten der ersten Stunden<br />
In den frühen 1990er Jahren erlebten<br />
wir einen riesigen Abwanderungsprozess<br />
leistungsfähiger, in der Regel junger<br />
Menschen von Ost nach West. Im gleichen<br />
Zuge kamen aus dem Westen häufig<br />
diejenigen in den Osten, die in ihrer<br />
Heimat übrig waren bzw. dort nichts geworden<br />
sind. Eine außerordentlich widersprüchliche<br />
Entwicklung.<br />
Bei den zahlreichen Privatisierungsverhandlungen<br />
in den Gliederungen der damaligen<br />
Treuhandanstalt ist mir die Atmosphäre<br />
noch in guter Erinnerung. Der<br />
im Westen dreimal gescheiterte Scharlatan<br />
trat im dunklen maßgeschneiderten<br />
Anzug mit Schlips und goldener Krawattennadel<br />
elegant auf und stach zumeist<br />
den ostdeutschen „Präsent 20“-Anzugträger<br />
in den Bewerbungsgesprächen<br />
und Ausschreibungen aus. Der Erstgenannte<br />
hatte fast immer hochglänzende<br />
Konzept unterlagen in krokodilledernen<br />
Aktenkoffern dabei. Die Orts- und Branchenkenntnis<br />
bei dem ostdeutschen Privatisierungsbewerber<br />
fand leider bei den<br />
Foto (auch Titel): Susann Welscher<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 7<br />
Peter-Michael Diestel (M.) im Kreis<br />
der letzten DDR-Regierung.<br />
Foto: Privat<br />
Entscheidungsträgern kaum Berücksichtigung.<br />
Dennoch: Der Weg der Privatisierung<br />
der ostdeutschen Unternehmen war in der<br />
vorliegenden Art und Weise – trotz der zahlreichen<br />
negativen Ergebnisse, trotz teilweise<br />
krimineller Verwerfungen – der einzig<br />
Richtige. Wirtschaftshistorische Dimensionen<br />
und die Verdienste der Treuhandanstalt<br />
und ihrer Gliederungen sind mit einem komplizierten,<br />
fast negativen Image in die Geschichte<br />
eingegangen. Das ist falsch und<br />
bedarf der Korrektur. Insbesondere wenn<br />
man die Privatisierungsprozesse in anderen<br />
ehemals sozialistischen Ländern vergleicht,<br />
könnte man zu der Erkenntnis kommen, dass<br />
sich die Privatisierungsprozesse in Ostdeutschland<br />
mustergültig vollzogen haben.<br />
Jeder Anfang ist schwer<br />
Die von unserem Kanzleiverbund betreuten<br />
mittelständischen Unternehmen arbeiten<br />
allesamt in gesellschaftsrechtlichen Strukturen,<br />
die es vor 1990 nicht gab. Von einer<br />
ostdeutschen Großindustrie kann man nicht<br />
sprechen, weil es sie nicht oder nicht mehr<br />
gibt, was für unsere Region – betrachtet man<br />
die beiden letzten Jahrhunderte – untypisch<br />
ist. Deshalb waren die zahlreichen gesellschaftsrechtlichen<br />
Aus- und Umgliederungen,<br />
GmbH-Gründungen, Gründungen von<br />
Aktiengesellschaften und anderen Rechtsformen<br />
und deren rechtliche Begleitung für<br />
die ortsansässige Anwaltschaft ein umfangreicher<br />
Teil des Broterwerbs. Ich habe es immer<br />
für bemerkenswert gehalten, welche Persönlichkeiten<br />
als Geschäftsführer und Vorstände<br />
erfolgreich waren und welche nicht.<br />
Unnütze Differenzierungen zwischen den<br />
Gesellschaftern haben Unternehmen in der<br />
Regel zurückgeworfen und häufig zähe, aufwändige<br />
Rechtsstreite nach sich gezogen.<br />
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass<br />
der ostdeutsche „Alpharüde“ in Kombination<br />
mit dem „Pfennigfuchser“ aus dem Westen<br />
ein erfolgreiches Team bildeten. Hier<br />
möchte ich mein pauschales Anfangsurteil<br />
etwas revidieren: Ich habe im Laufe der letzten<br />
zweieinhalb Jahrzehnte viele hochinteressante<br />
Unternehmerpersönlichkeiten aus<br />
den alten Bundesländern kennengelernt, die<br />
sich im Osten engagieren. Der liebe Gott hat<br />
uns also auch ganz helle Köpfe aus dem Westen<br />
rübergeschickt. Einige zu nennen sei mir<br />
hier gestattet.<br />
Franz-Josef Wernze, Steuerberater aus Nordrhein-Westfalen,<br />
baute aus Teilen der Abteilung<br />
Rechnungsführung und Statistik eines<br />
DDR-Ministeriums eine Steuer- und Wirtschaftsberatungsstruktur<br />
auf, die heute zu<br />
den bedeutendsten in ganz Deutschland gehört.<br />
Franz-Josef Wernze hat die Menschen<br />
so akzeptiert, wie sie sind und hat Partnerschaften<br />
im klassischen und edlen Sinne zu<br />
hunderten begründet. Er hat vermieden, seinen<br />
Mitstreitern zu erklären, wo rechts oder<br />
links ist und wo das Licht angeht. Auf diese<br />
Weise hat er Konzernstrukturen geschaffen,<br />
an denen man nicht vorbeikommt, wenn<br />
man in den fünf neuen Bundesländern erfolgreich<br />
sein will.<br />
Darüber hinaus ist er ein Chef, der fast alle<br />
Mitarbeiter persönlich kennt, was ich bei einigen<br />
tausend Angestellten für bemerkenswert<br />
halte. Eine gewisse Abneigung hegt der<br />
Unternehmer gegen Rechtsanwälte, die bei<br />
kühnen Projekten wohl immer im Wege stehen.<br />
Seit 1990 gründete Christoph Kroschke im<br />
Osten Deutschlands zahlreiche Unternehmungen<br />
und schuf damit hunderte Arbeitsplätze.<br />
Die Privatisierung des veralteten Kfz-<br />
Zulassungswesens und damit verbundene<br />
Dienstleistungen waren Gegenstand seiner<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
8 | W+M Titelthema<br />
unternehmerischen Tätigkeit. Schon lange<br />
vor der <strong>Wende</strong> galten die Kroschke-Brüder<br />
aus Braunschweig bundesweit als erfolgreiche<br />
Unternehmer. Deshalb ist es ein glücklicher<br />
Umstand, dass sich Christoph Kroschke<br />
auch im Osten Deutschlands sozialisieren<br />
ließ.<br />
Ulrich Marseille ist Betreiber diverser Kliniken<br />
und Altenheime. Den hellwachen und außerordentlich<br />
beweglichen Unternehmer aus<br />
Hamburg habe ich in den 1990er Jahren kennengelernt.<br />
Im Bereich des ostdeutschen Gesundheitswesens,<br />
insbesondere in der Altenpflege,<br />
gründete er zahlreiche Unternehmen<br />
und gab damit tausenden Menschen stabile<br />
Arbeitsplätze und soziale Sicherheit. Gelegentlich<br />
denkt man nicht so schnell wie er<br />
oder ist nicht in der Lage, festgelegte Dinge<br />
in der gewünschten Geschwindigkeit umzusetzen.<br />
Dann erlebt man einen begnadeten<br />
Polterkopf. Na und? Man kann ja auch für die<br />
Heilsarmee arbeiten. Auch wenn die deutsche<br />
Medienwelt ein zwiespältiges Verhältnis<br />
zum Unternehmer Ulrich Marseille hat,<br />
ich mag ihn, weil ich ihn kenne und weil ich<br />
seine Lebensleistung schätze. Es ist gut, dass<br />
er den Osten für sich entdeckt hat.<br />
Ich könnte diese Aufzählung noch eine Weile<br />
fortsetzen und käme dabei zwangsläufig ins<br />
Schwelgen. Aber ich muss noch über meine<br />
zahlreichen ostdeutschen Mandanten, Unternehmer<br />
und Freunde reden, die es wesentlich<br />
schwerer hatten, erfolgreiche Unternehmen<br />
aufzubauen und denen dies trotzdem<br />
gelungen ist.<br />
DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel (l.) mit Wolfgang Schäuble<br />
(M.) im Sommer vor der deutschen Wiedervereinigung.<br />
So denke ich mit großem Respekt an Prof.<br />
Dietmar Enderlein, Militärarzt, NVA-Offizier<br />
und erfolgreicher Unternehmer, der mit großer<br />
Willensstärke einen Klinikkonzern, die<br />
MEDIGREIF-Unternehmensgruppe, geschaffen<br />
hat und auf diese Weise über die Jahre<br />
tausenden Menschen soziale Sicherheit vermitteln<br />
konnte.<br />
Jahrelang hatte ich die Aufgabe, das Unternehmerehepaar<br />
Dr. Barbara und Dr. Wolfgang<br />
Neubert beim Aufbau eines Konzerns im Gesundheitsbereich<br />
mit Sitz in Bad Wilsnack<br />
(Prignitz) zu begleiten. Gerade in diesem Fall<br />
verwunderte mich, mit welcher Geschwindigkeit<br />
praktizierende Ärzte sich erfolgreich<br />
in wirtschaftliche Kategorien einarbeiten<br />
konnten und zu erfolgreichen Unternehmern<br />
wurden. Die KMG-Kliniken entwickelten<br />
sich in den letzten Jahrzehnten so<br />
zu einem in Ostdeutschland beachteten und<br />
geschätzten Konzern.<br />
Auch diese Liste kann fortgeführt werden<br />
und sie bestätigt, dass sich die wirtschaftliche<br />
Entwicklung in Ostdeutschland holprig<br />
und schwer, jedoch kontinuierlich und<br />
positiv vollzogen hat. Wenn man zurückblickt,<br />
bleiben erfahrungsgemäß immer nur<br />
die erfolgreichen Unternehmen in der Erinnerung<br />
haften. Vergessen habe ich die agilen<br />
Unternehmer nicht, die aufgrund der<br />
politischen Entwicklung im Solarbereich<br />
gescheitert sind, vergessen habe ich nicht<br />
die zahlreichen Unternehmer, die ihre Investition<br />
nicht im Verhältnis zu dem eigenen<br />
wirtschaftlichen Aufkommen gesetzt<br />
haben, und vergessen habe ich auch nicht<br />
jene ostdeutschen Unternehmer, deren Verwaltungsgebäude,<br />
Pkw und sonstige Aufwendungen<br />
folgerichtig zu einem negativen Ergebnis<br />
führen mussten.<br />
Peter-Michael Diestel (r.) als Präsident des<br />
FC Hansa Rostock mit Trainer Frank Pagelsdorf.<br />
Ja, der Weg in den letzten 25 Jahren hat die<br />
ostdeutsche Wirtschaft grundlegend verändert.<br />
Es gab Kämpfe und viele von uns haben<br />
diese nicht überstanden. Es gab Verwerfungen<br />
und geradlinige Entwicklungen. Der Weg<br />
der ostdeutschen Wirtschaft ist für mich klar<br />
vorgezeichnet, er führt in „blühende Landschaften“,<br />
die man sehen kann, wenn man sie<br />
sehen will. Ich gebe zu, dass man die Brille<br />
vorher putzen muss.<br />
W+M<br />
Fotos: Privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 9<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
10 | W+M Titelthema<br />
Der Transformator<br />
Seit seinem 16. Lebensjahr dreht<br />
sich bei Bert Sieber (53) beruflich<br />
alles um Transformatoren. Zunächst<br />
absolvierte der im früheren<br />
Karl-Marx-Stadt geborene Sieber<br />
eine Elektromonteur-Lehre, anschließend<br />
studierte er erfolgreich<br />
Elektrotechnik. Im Berliner Transformatorenwerk<br />
(TRO) machte der<br />
junge Elektroingenieur schnell Karriere:<br />
Nachdem er an vielen Orten<br />
der DDR Transformatoren installiert hatte, durfte er auch im Nahen<br />
und Mittleren Osten Elektroanlagen montieren.<br />
Dem mit der Deutschen Einheit einhergehenden Zusammenbruch<br />
des TRO kam Sieber mit einer beruflichen Neuorientierung zuvor. Er<br />
wechselte für ein Jahr zum Branchenriesen ABB und baute dort den<br />
Vertrieb von Transformatoren für Ostdeutschland auf. Die neuen Regeln<br />
der Marktwirtschaft begriff Sieber schnell. Bereits im November<br />
1991 gab er seinen Angestellten-Job auf, machte sich mit einigen<br />
seiner alten TRO-Kollegen selbstständig und gründete die IFT Ingenieurbüro<br />
Bert Sieber GmbH. Anfangs in einer Bürogemeinschaft<br />
mit einem Branchenexperten aus dem Westteil Berlins, verkaufte er<br />
neue und gebrauchte Transformatoren. Im Laufe der Jahre liefen die<br />
Geschäfte kontinuierlich erfolgreicher, so dass Sieber im Jahr 2007<br />
in Dahlewitz im Berliner Speckgürtel ein 6.000 Quadratmeter großes<br />
Grundstück mit zwei Betriebshallen erwarb. Dort repariert sein<br />
inzwischen zwölfköpfiges Team gebrauchte Transformatoren und<br />
Schaltanlagen und baut maßgeschneiderte Anlagen für Kunden in<br />
aller Welt. Beim Rückblick auf die Firmenentwicklung sagt der heute<br />
53-Jährige: „Ich hätte nie gedacht, dass wir mit unserer Geschäfts idee<br />
über so viele Jahre Erfolg haben würden. Und dabei sind wir angesichts<br />
der Herausforderungen der eingeleiteten Energiewende noch<br />
lange nicht am Ziel.”<br />
KH<br />
Mit Schlagkraft im Wald<br />
Kaum 25 Jahre jung war Tino Ecke (47),<br />
als er 1992 sein Forstunternehmen gründete.<br />
Doch den zupackenden Landwirt<br />
aus dem thüringischen Remptendorf bei<br />
Schleiz, der bereits zu DDR-Zeiten in den<br />
Wald gewechselt war, zog es mit Macht<br />
in die Selbstständigkeit. Zunächst verdingte<br />
er sich bei Kommunen, Kirchen<br />
und privaten Waldbesitzern als Dienstleister.<br />
Er schlug Holz ein, fuhr es in Sägewerke,<br />
forstete auf, reparierte Wege, zäunte Schonungen ein, handelte<br />
Brennholz. Da er selbst 30 Hektar Wald besitzt und damit bestens<br />
weiß, wie schwer sich dieser in der gebotenen Nachhaltigkeit bewirtschaften<br />
lässt, betrieb er dabei nie Raubbau um des schnellen Gewinns<br />
wegen. Das sprach sich herum unter seinen Stammkunden, zu<br />
denen heute mehrere hundert Waldbesitzer gehören. So wuchs erst<br />
zügig die Nachfrage, dann der Umsatz und damit auch seine technische<br />
und personelle Schlagkraft. Heute besorgt er für das Gros seiner<br />
Kunden praktisch die gesamte forstliche Servicekette – vom noch<br />
stehenden Altbestand, den es zu durchforsten und gegebenenfalls<br />
zu ernten gilt, über den Abtransport bis zur Vermarktung über zahlreiche<br />
Sägewerke in Thüringen und Bayern.<br />
HL<br />
Orthopädietechnik aus Vogelsdorf<br />
Im VEB Intermed Export-Import, einem Außenhandelsbetrieb, der<br />
weltweit DDR-Medizintechnik verkaufte, hatte Helga Schadock bis<br />
1990 ihren Arbeitsplatz und vorher im humanmedizinischen Bereich.<br />
Die Abwicklungsphase überstand die gelernte Fachphysiotherapeutin<br />
und studierte Außenwirtschafterin ohne Blessuren. Die auf rehabilitative<br />
Hilfsmittel spezialisierte Firma Thomashilfen aus Bremerförde<br />
Fotos (auch Titel): Privat (oben), Hintzmann (unten rechts), Harald Lachmann (unten links)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 11<br />
betraute sie mit dem Aufbau eines Vertriebsnetzes in den neuen Ländern.<br />
Helga Schadock: „In dieser Zeit erfuhr ich eine sehr gediegene<br />
und freundliche Zusammenarbeit, speziell mit skandinavischen Unternehmen.”<br />
Eigentlich hätte es in diesen Bahnen weitergehen können.<br />
Aber bei einem Bankengespräch im Jahr 1994 wurde ihr nahegelegt,<br />
sich mit ihrer enormen Marktkenntnis und dem dichten Netz<br />
an Kontakten zu Herstellerfirmen von medizinischen Hilfsmitteln<br />
selbstständig zu machen. „Also gründete ich mit meinem Mann die<br />
Firma ots Schadock orthopädietechnische Hilfen GmbH”, so Schadock.<br />
Zum Firmensitz wurde die eigene Datsche in Vogelsdorf bei<br />
Berlin ausgebaut. Zu Beginn hatte die Firma drei Mitarbeiter. Inzwischen<br />
hat sich ots Schadock prächtig entwickelt – es gibt jetzt einen<br />
neuen, wesentlich größeren Firmensitz in Vogelsdorf und Filialen in<br />
Berlin und Brandenburg. „Wir arbeiten mit Kliniken, Ärzten, Hauskrankenpflegen<br />
und anderen medizinischen Dienstleistern auf den<br />
Gebieten Orthopädie-, Reha-Technik sowie Gesundheitsprävention<br />
zusammen.” Inzwischen hat Helga Schadock mit etwa 70 Jahren das<br />
Rentenalter erreicht und das operative Geschäft an ihren Sohn übergeben.<br />
Aber ans Aufhören denkt die in Zeulenroda aufgewachsene<br />
Unternehmerin nicht: „Als Gesellschafterin bringe ich weiterhin meine<br />
Ideen für den Erfolg der Firma ein.”<br />
KH<br />
Dr. Peter Müller (l.) und<br />
Sohn Dr. Stefan Müller.<br />
Fotos (auch Titel): Michael Sachsenweger (rechts), Harald Lachmann (links)<br />
Immer frisches Wasser<br />
Als junger Ingenieur machte<br />
Martin Bergmann (63) das<br />
Wasser zu seinem beruflichen<br />
Schwerpunkt. Eigentlich entstammte<br />
er aber einer Betonbauerdynastie.<br />
Da diese in der<br />
DDR enteignet wurde, studierte<br />
er in Dresden Wasserversorgung<br />
und Abwasserbehandlung.<br />
Doch mit der <strong>Wende</strong> bekam<br />
er die elterliche Firma zurück.<br />
Er verdiente auch schnell<br />
gut am Aufbauboom, errichtete<br />
gar ein komplett neues Werk<br />
in Penig bei Chemnitz – und konnte doch nicht vom Wasser lassen.<br />
Zunächst ging es nur um mehr Absatz für Schachtteile aus seiner Betonproduktion,<br />
als er begann, mit alten Studienfreunden über zeitgemäße<br />
Wasseraufbereitung zu fachsimpeln. Doch dann ersannen sie<br />
ein vollbiologisches Klärverfahren, wie es die Welt noch nicht kannte.<br />
So liefen seine Anlagen, für die er nun eine zweite Firma gründete,<br />
bald auch in Kanada, China, Saudi-Arabien sowie halb Europa. Um<br />
die 30.000 sind es bereits. Und die Bergmann Gruppe, die nun als AG<br />
firmiert, wuchs weiter – etwa um einen speziellen Umwelttechnikzweig.<br />
Da er inzwischen das operative Geschäft in jüngere Hände<br />
gab, verfeinert er hier nun mit Experten der Technischen Universität<br />
in Chemnitz, Cottbus und Dresden diese Verfahren.<br />
HL<br />
Der richtige Riecher<br />
Chemiker Dr. Peter Müller hat 1992 den richtigen Riecher, gründet<br />
mit einem Ex-Kollegen Miltitz Aromatics (MA). In Bitterfeld, ein Jahrhundert<br />
lang Inbegriff stinkender Chemieabgase. Nun statt Braunkohletagebau<br />
Erholungsgebiet mit See. Wer heute einen Parfumflacon<br />
öffnet, könnte einen Hauch Bitterfeld spüren. Feinste Düfte von<br />
Miltitz Aromatics, die die Welt erobern.<br />
Möglich durch Lothar Domröse, Generalleutnant a. D. der Bundeswehr<br />
aus Bonn. Zwar ohne Ahnung von Riechstoffen, kennt er jedoch<br />
einen Privatbank-Inhaber und lädt ihn nach Bitterfeld. Peter Müller<br />
will 350.000 D-Mark für die Firmengründung, der Banker Sicherheit<br />
– und kriegt vom General: „Mein Wort!“ So einigt man sich.<br />
MA geht in die Nische, forscht, um bekannte Substanzen effektiver<br />
herzustellen, Verfahren zu optimieren. Topnote ist das hier kreierte<br />
Hydroxyambran mit dem Ambra-Duft. „Da sind wir Weltmarktführer.“<br />
Ambra, eine krankhafte Ausscheidung des Pottwals, ist selten<br />
und teuer wie Gold. Das baut MA nach.<br />
Peter Müller ist jetzt 65, Sohn Stefan sein Nachfolger. MA hat 50 Mitarbeiter,<br />
produziert über 50 Duft- und Aromastoffe, Jahresumsatz elf<br />
Millionen Euro. Der Rat des Seniors: „Wenn etwas schiefgeht, aufstehen,<br />
weitermachen.“<br />
DM<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
12 | W+M Titelthema<br />
Mut zu Mumm<br />
Abfüllanlage für Rotkäppchen Sekt in Freyburg.<br />
Von Haus aus bodenständiger Ingenieur, gelang Gunter Heise (63) – einst Technischer Leiter des<br />
VEB Rotkäppchen-Sektkellerei Freyburg – ab 1993 ein doppeltes Husarenstück: Erst privatisierte er<br />
erfolgreich die Traditionsmarke Ost, dann kaufte er nach und nach die westdeutsche Konkurrenz<br />
auf.<br />
Von Harald Lachmann<br />
Geborene Ostdeutsche ab einem gewissen<br />
Alter können sich noch gut erinnern:<br />
Seine Arbeit suchte man sich<br />
nach Lage der Wohnung, denn die war schwerer<br />
zu finden als eine gute Stelle. Gunter Heise,<br />
der in Laucha im heutigen Burgenlandkreis<br />
aufwuchs, tat es ebenso. Nach dem Studium<br />
der Verarbeitungs- und Verfahrenstechnik<br />
in Dresden hatte er die Wahl: lieber die<br />
Fabrik für Fruchtsäfte, die fast vor der Tür<br />
des elterlichen Hauses lag, oder die Sektkellerei<br />
im zehn Autominuten entfernten Freyburg.<br />
Die kannte damals schon jedes Kind,<br />
auch wenn ihre Produkte im Osten mittlerweile<br />
als Bückware galten. Immerhin war sie<br />
schon fast hundert Jahre alt, als er 1951 als<br />
Sohn eines Bäckers zur Welt kam.<br />
Heise entschied sich für die Schaumweine<br />
und traf damit 1973 eine Entscheidung, deren<br />
ganze Tragweite da noch niemand erahnen<br />
konnte. Fünf Jahre später wurde der junge<br />
Diplomingenieur zunächst einmal Technischer<br />
Leiter der Kellerei und blieb dies auch<br />
bis zur <strong>Wende</strong>. Doch obwohl er diese im Grunde<br />
begrüßte, schlug sie ihm zugleich auf den<br />
Magen: Den Fall der Mauer begossen die Ossis<br />
lieber mit Sektmarken, die sie zuvor meist<br />
nur aus der Westwerbung kannten. So geriet<br />
ausgerechnet der Dezember 1989 zum umsatzschwächsten<br />
Monat des Jahres.<br />
Und es ging weiter talwärts. Anno 1991 – Heise<br />
war inzwischen Geschäftsführer der von<br />
der Treuhand verwalteten Sektkellerei – verkaufte<br />
Rotkäppchen statt einst 15 Millionen<br />
Flaschen im Jahr gerade noch eine Million.<br />
Für den eher öffentlichkeitsscheuen Mann,<br />
der mit 18 noch ein guter Fußballspieler werden<br />
wollte, eröffneten sich plötzlich triste<br />
berufliche Alternativen: „Imbissverkäufer<br />
oder am Empfang in der Zahnarztpraxis<br />
meiner Frau“, gestand er mal in einem Interview.<br />
Doch so leicht gab der damals 40-Jährige<br />
nicht auf. Mit dem Wissen, dass halt jeder<br />
im Osten die Marke kannte, machte er seinen<br />
Leuten Mut: „Wir können es schaffen, denn<br />
unser Produkt ist gut!“ Nur musste man halt<br />
dazu mit der Zeit gehen und sich neue Märkte<br />
erschließen.<br />
Einer der ersten Schritte, die dann seinerseits<br />
folgten, war sicher der schwerste. Denn<br />
er verschuldete sich tief, um gemeinsam mit<br />
Jutta Polomski, Lutz Lange und Ulrich Wiegel,<br />
seinen damaligen Mitstreitern in der Geschäftsleitung,<br />
im Rahmen eines Management-Buy-out<br />
42 Prozent des Kaufpreises von<br />
Rotkäppchen aufzubringen. Die restlichen<br />
58 Prozent steuerte die Familie des Spirituosenunternehmers<br />
Harald Eckes-Chantré bei.<br />
Es war bereits der zweite Versuch einer Privatisierung,<br />
nachdem in einer ersten Run-<br />
Foto: Rotkäppchen-Sektkellerei<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 13<br />
de namhafte Westkonkurrenten statt solider<br />
Gebote nur dumme Sprüche abgeliefert hatten:<br />
Rotkäppchen klinge nicht wie Sekt sondern<br />
„wie der Kindersaft Rotbäckchen“. Oder<br />
auch: Mit diesem Namen könne man höchstens<br />
„Märchenspiele veranstalten“, erinnert<br />
sich Heise.<br />
Fotos: Rotkäppchen-Sektkellerei/Ulrich Ehmann (unten), Rotkäppchen-Sektkellerei (oben)<br />
Mithin wurde die Traditionsmarke zunächst<br />
zu einem Sanierungsfall, an den er bis heute<br />
höchst ungern zurückdenkt. Denn dazu<br />
musste er zunächst 300 seiner 360 Kollegen<br />
kündigen. Lange laborierte der sensible Manager,<br />
der zu seinen Stärken neben Visionen<br />
und Durchsetzungsvermögen auch ein „Gespür<br />
für Menschen“ zählt, daran. Denn viele<br />
jener, die es traf, wie auch deren Angehörige<br />
wechselten fortan die Straßenseite,<br />
wenn er des Weges kam: „Hier kennt eben<br />
jeder jeden ...“<br />
Umso mehr freut es Heise, dass ihm mancher,<br />
der ihn damals verdammte, heute nun anerkennend<br />
zunickt. Denn mit einem Husarenstück<br />
– dem Kauf der westdeutschen Marken<br />
Mumm, Jules Mumm und MM Extra – schnallte<br />
2001 nicht nur der Firmenabsatz auf einen<br />
Schlag um zwei Drittel in die Höhe. Auch die<br />
Zahl der Beschäftigten, die heute vom sachsen-anhaltischen<br />
Hauptsitz geführt wurden,<br />
stieg auf rund 550 an nun vier Standorten –<br />
gut 120 allein in Freyburg.<br />
Gunter Heise in der Sektkellerei.<br />
Im Jahr 2004 besuchte Angela Merkel<br />
die Rotkäppchen-Sektkellerei.<br />
Mithin gelang es Heise, der ab 1993 geschäftsführender<br />
Gesellschafter war, Rotkäppchen<br />
so nachhaltig zu modernisieren,<br />
dass der einstige Sanierungsfall binnen weniger<br />
Jahre nicht nur zum deutschen Branchenprimus<br />
aufstieg, sondern auch weltweit<br />
zur Nummer zwei am Sektmarkt. Gut<br />
jede zweite Flasche des prickelnden Getränks,<br />
die der deutsche Einzelhandel an<br />
den Kunden bringt, stammt inzwischen aus<br />
dem Sekthaus Rotkäppchen-Mumm – wozu<br />
inzwischen auch die Marke Geldermann gehört.<br />
Und was oft vergessen wird: Seit 2007<br />
ist auch die Doppelkorn-Destillerie Nordbrand<br />
Nordhausen eine hundertprozentige<br />
Tochter der Freyburger, Rotkäppchen-Mumm<br />
somit auch nationaler Marktführer bei Spirituosen.<br />
2009 gliederte die<br />
ostdeutsche Gruppe schließlich<br />
auch noch die Weinmarke<br />
Blanchet der Mainzer Racke<br />
GmbH in ihr Imperium ein.<br />
So betrug der Umsatz der Firmengruppe<br />
2013 gut 823 Millionen<br />
Euro.<br />
Späte Genugtuung wurde dem<br />
traditionsreichen Sektstandort<br />
Freyburg überdies schon<br />
2006 zuteil: In diesem Jahr<br />
holte Gunter Heise auch den<br />
Markennamen Kloss & Foerster<br />
an die Unstrut zurück.<br />
Denn auf die Brüder Moritz und Julius Kloss<br />
sowie deren Freund Carl Foerster ging die<br />
Gründung der Freyburger Kellerei anno 1856<br />
zurück. Der letzte private Eigentümer Günther<br />
Kloss, ein Urenkel der Dynastie, war indes<br />
nach dem Krieg enteignet worden, woraufhin<br />
er in Rüdesheim die Sektkellerei Kloss<br />
& Foerster neu gründete. Danach befragt,<br />
warum er dies tat, gestand Heise seinerzeit:<br />
„Das war eine emotionale Entscheidung, keine<br />
betriebswirtschaftliche.“ Sekt habe eben<br />
auch „sehr viel mit Gefühlen zu tun“.<br />
Inzwischen lassen sich für die Freyburger<br />
in deutschen Sektkelchen praktisch kaum<br />
mehr Marktgewinne erzielen. Wenn die Rotkäppchen-Mumm<br />
Sektkellereien GmbH weiter<br />
wachsend will, muss sie stärker nach China,<br />
Russland oder Amerika expandieren. Dieser<br />
Prozess ist nun auch seit zwei Jahren angestoßen.<br />
Doch zeitgleich gab Gunter Heise die<br />
Geschäftsführung in jüngere Hände. Zwar ist<br />
sein Nachfolger Christof Queisser kein Ostdeutscher,<br />
doch der inzwischen 63-jährige<br />
Mutmacher aus Laucha – wo übrigens mit<br />
Turnvater Friedrich Ludwig Jahn zuvor schon<br />
ein Visionär zur Welt kam – ging nicht ganz<br />
von Bord. Er leitet nun einen neu geschaffenen<br />
dreiköpfigen Beirat, der ähnlich einem<br />
Aufsichtsrat die Arbeit der Geschäftsführung<br />
kontrolliert.<br />
W+M<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
14 | W+M Titelthema<br />
Leitwolf in zwei Systemen<br />
Dietmar Enderlein zählte zu den ranghöchsten Militärärzten in der DDR. Er war Kommandeur an<br />
der Militärmedizinischen Sektion in Greifswald. Nach der <strong>Wende</strong> baute er mit der MEDIGREIF GmbH<br />
ein kleines Klinikimperium im Nordosten Deutschlands auf. Aktuell beschäftigt die Unternehmensgruppe<br />
mehr als 600 Mitarbeiter. MEDIGREIF unterhält fünf Rehabilitationskliniken in Greifswald<br />
und auf der Insel Usedom mit insgesamt 540 Betten.<br />
Von Karsten Hintzmann<br />
Ende der 1980er Jahre näherte sich Dietmar<br />
Enderlein gerade dem Höhepunkt seiner<br />
ersten beruflichen Laufbahn: Als Professor<br />
und Oberst der Nationalen Volksarmee<br />
(NVA) leitete er die Militärmedizinische Sektion<br />
in Greifswald, an der seinerzeit sämtliche Armeeärzte<br />
ausgebildet wurden. Der im Jahr 1943<br />
in Plauen geborene Enderlein war somit einer<br />
der ranghöchsten Militärärzte der DDR. Der Zusammenbruch<br />
der DDR verhinderte allerdings<br />
die Krönung seiner militärischen Laufbahn –<br />
er stand kurz davor, zum General befördert zu<br />
werden. Im Rückblick war dies sicher das kleinere<br />
Übel. Viel schwerer wog, dass ihm quasi<br />
über Nacht seine berufliche Existenz komplett<br />
entzogen war. Die NVA wurde abgewickelt. Die<br />
Bundeswehr hatte keinerlei Interesse an der Militärmedizinischen<br />
Sektion in Greifswald. Dietmar<br />
Enderlein und seine Kollegen standen plötzlich<br />
ohne Perspektive da.<br />
Dietmar Enderlein und Tochter Katja in<br />
Dubai. Er hat sie bereits eng in die Leitung<br />
des Unternehmens einbezogen.<br />
Doch Trübsal zu blasen kam für Dietmar Enderlein<br />
nicht in Frage. Schon am 15. März 1990 – in<br />
der für fast alle DDR-Bürger unübersichtlichen<br />
Phase zwischen Mauerfall und deutscher Einheit<br />
– legte er den Grundstein für seine neue Existenz:<br />
Er gründete die auf medizinische Dienstleistungen<br />
spezialisierte MEDIGREIF GmbH, mit<br />
der er ein Gesundheits- und Sozialzentrum auf<br />
dem Gelände der ehemaligen Militärmedizinischen<br />
Sektion an der Pappelallee errichten wollte.<br />
Den Pachtvertrag dafür handelte er mit dem<br />
letzten DDR-Verteidigungsminister Rainer Eppelmann<br />
aus. Um das notwendige Startkapital<br />
in Höhe von 50.000 Mark der DDR aufbringen zu<br />
können, verkaufte er das seit 1978 von der Familie<br />
gehegte Wochenendgrundstück – inklusive<br />
Massivhaus – in der Bungalowsiedlung „Am Boddenblick“<br />
in Loissin. Im Rat des Kreises beantragte<br />
er schließlich die Eintragung seines Un-<br />
Foto (auch Titel): Privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 15<br />
Fotos: Privat (oben), Medigreif (unten)<br />
ternehmens im Handelsregister. Nach Zahlung<br />
von 220 Mark Verwaltungsgebühr erfolgte<br />
die gewünschte Registrierung. Es war die<br />
allererste Firmenneugründung in Greifswald<br />
und Umgebung seit der <strong>Wende</strong>.<br />
Die Gründungsphase beschreibt Enderlein<br />
heute so: „Die größte Hürde war der Start.<br />
Außer der Gründung der Firma, einem Bleistift<br />
und einem weißen Blatt Papier besaß<br />
die Firma nichts. Der doppelte Salto aus einer<br />
ehemaligen militärischen Einrichtung in<br />
das Zivilleben und aus der Planwirtschaft in<br />
die Marktwirtschaft hat von allen höchste<br />
Anstrengung und Motivation verlangt. Dabei<br />
haben wir in den ersten drei Jahren so<br />
viel an neuen Erkenntnissen hinzugewonnen,<br />
wie in den darauffolgenden 20 Jahren<br />
nicht. Hinzu kam, dass die Firma mit einem<br />
rasanten Wachstum Kapital benötigte, ohne<br />
selbst welches zu besitzen.“<br />
Die erste Etappe war für den Jungunternehmer<br />
Enderlein auch aus einem weiteren<br />
Grund alles andere als einfach. Bürgerbewegte,<br />
der Runde Tisch und zunehmend auch die<br />
regionalen Medien witterten Unregelmäßigkeiten.<br />
Woher hatte dieser Mann nur so viel<br />
Geld, dass er geradewegs vom NVA-Offizier<br />
zum Unternehmer mutieren konnte? Gerüchte,<br />
er habe Schwarzgeld aus geheimen SED-<br />
Kanälen erhalten, machten die Runde und<br />
das Leben der Familie Enderlein in Greifswald<br />
ungemütlich. Frühere Freunde und Bekannte<br />
wandten sich ab und es gab sogar Morddrohungen.<br />
Die Ermittlungen gegen Dietmar Enderlein<br />
und sein Unternehmen und die damit<br />
verbundenen Anfeindungen endeten endgültig<br />
erst im Jahr 1998 – mit dem lupenreinen<br />
Urteil, dass alle Vorwürfe gegen Enderlein<br />
substanzlos waren und er daher Anspruch<br />
Dietmar Enderlein<br />
während einer<br />
Weiterbildung auf der<br />
Militärakademie.<br />
auf Schadenersatz hatte. „Es<br />
war wirklich eine harte Zeit“,<br />
blickt Dietmar Enderlein zurück,<br />
„aber ich habe keinen<br />
Moment daran gedacht, aufzugeben.“<br />
Stattdessen reagierte Enderlein<br />
auf den Gegenwind Anfang<br />
der 90er Jahre auf seine<br />
ganz persönliche Art: Von seinen Ideen<br />
besessen, fügte er Puzzle für Puzzle in das<br />
Unternehmenskonstrukt. Er gründete unter<br />
anderem eine Berufsfachschule, ein Wissenschaftszentrum,<br />
die private Akademie für<br />
Management und Computerbildung, eine Vermögens-<br />
und Verwaltungsgesellschaft, eröffnete<br />
ein Ärztehaus mit 19 Praxen und orthopädische<br />
Werkstätten, rekonstruierte ein Laborgebäude<br />
und übernahm die Inselklinik<br />
Heringsdorf vom Landkreis Wolgast. Dietmar<br />
Enderlein und seine Mitstreiter legten zwei<br />
Immobilienfonds auf, bauten ein Mehrzweckgebäude<br />
und das Parkhotel auf dem Gelände<br />
der Pappelallee, nahmen ein ambulantes OP-<br />
Zentrum in Betrieb, eröffneten eine Schule<br />
für Physiotherapie in Zinnowitz, das SINUS-<br />
Gesundheitszentrum und das Zentrum für<br />
Ambulante Rehabilitation. Die Inselklinik<br />
in Heringsdorf wurde mit dem Neubau der<br />
Häuser Gothensee und Kulm erheblich aufgewertet<br />
und das Krankenhaus Boizenburg<br />
übernommen. All diese Projekte wurden bis<br />
1998 realisiert.<br />
Inzwischen hatte man in den etablierten<br />
bundesdeutschen Wirtschaftskreisen längst<br />
Notiz vom aufstrebenden Ost-Unternehmer<br />
Enderlein genommen – 1994 zog er unter den<br />
skeptischen Blicken einzelner Finanzmanager<br />
in den Beirat der Commerzbank ein.<br />
Leitwolf Enderlein blieb rastlos und realisierte<br />
weiter unzählige Projekte. Er baute und<br />
eröffnete die Parkklinik in Greifswald und<br />
dehnte seinen Wirkungskreis von Mecklenburg-Vorpommern<br />
auf Sachsen-Anhalt aus.<br />
In Gommern, Burg, Zerbst und Neindorf übernahm<br />
er Krankenhäuser, investierte kräftig<br />
und machte sie zu Leuchttürmen der regionalen<br />
medizinischen Versorgung. Beim<br />
späteren Verkauf der Einrichtungen an den<br />
Marktriesen „Rhön-Kliniken“ zahlte sich dieses<br />
Engagement finanziell spürbar aus. Mit<br />
den erfreulich hohen Erlösen konnten neue<br />
Vorhaben in Mecklenburg-Vorpommern angeschoben<br />
und in bereits bestehende Unternehmungen<br />
investiert werden.<br />
Inzwischen ist Dietmar Enderlein 71 Jahre<br />
alt und somit im Rentenalter. Aber er denkt<br />
nicht daran, jetzt schon die Hände in den<br />
Schoß zu legen. Allerdings ist er zu sehr Stratege<br />
und Realist, um die Zukunft seines Lebenswerkes<br />
dem Zufall zu überlassen. Für ihn<br />
ist klar, wer den „Laden“ einmal übernehmen<br />
soll – Tochter Katja Enderlein, die er Schritt<br />
für Schritt in zentrale Führungsaufgaben des<br />
Unternehmens eingebunden hat. W+M<br />
Ministerpräsident<br />
Harald Ringstorff<br />
zu Besuch bei<br />
MEDIGREIF.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
16 | W+M Titelthema<br />
Der Longseller-Stratege<br />
Erfolgreiche Verlagsarbeit braucht einen langen Atem. Christoph Links, 1989 einer der ersten<br />
privaten Verlagsgründer der untergehenden DDR, setzt auf klares Profil, Entscheidungsfreiheit<br />
und Verlässlichkeit gegenüber Autoren, Mitarbeitern, Unterstützern, Buchhändlern und Lesern.<br />
Von Constance Treuber<br />
Achtzehn Prozent pro Jahr sind eine<br />
schöne Rendite. Treue Darlehensgeber<br />
des Berliner Ch. Links Verlags<br />
können sie mittlerweile auch in Regalmetern<br />
messen, denn sie wird in Form von Büchern<br />
ausgezahlt, im Wert des Ladenpreises der<br />
Neuerscheinungen eines Jahres. Von ihren<br />
Einlagen von jeweils 2.500 Euro profitieren<br />
sie lieber geistig als finanziell und erhalten<br />
dabei ein Projekt am Leben, das im Spätherbst<br />
1989 seinen Anfang nahm.<br />
Am 1. Dezember 1989 hatte der Philosoph<br />
und Lateinamerikanist Christoph Links –<br />
seinerzeit Mitarbeiter des Aufbau-Verlags,<br />
zuvor außenpolitischer Redakteur der Berliner<br />
Zeitung, nebenberuflich Sachbuchautor<br />
und Literaturrezensent – beim Kulturministerium<br />
der DDR den Antrag auf Registrierung<br />
eines Verlags gestellt. Auf den Bescheid<br />
hin, dass ein neues Mediengesetz in Vorbereitung<br />
und eine Lizenz künftig nicht mehr<br />
nötig sei, wurde die private Verlagsgründung<br />
noch vor Weihnachten bekannt gegeben und<br />
kurz nach Neujahr notariell besiegelt. Damit<br />
gehörte Christoph Links zu den ersten drei<br />
Jungverlegern der in den letzten Zügen liegenden<br />
DDR. Er steckte sein Autorenhonorar<br />
für ein Sachbuch über Nicaragua in die<br />
GmbH, ein Freund beteiligte sich mit derselben<br />
Summe.<br />
Doch mit 20.000 Mark der DDR kamen die<br />
beiden Gesellschafter nicht weit. So etablierte<br />
sich von Anfang an jenes Modell von<br />
50 Freunden des Hauses, eine wirtschaftliche<br />
Konstruktion, die bis heute trägt. „Wir<br />
haben viele kleine Partner, die sich für unser<br />
Projekt begeistern und uns in Ruhe arbeiten<br />
lassen“, sagt Christoph Links. „Keinen<br />
großen Mitgesellschafter, der sich in unsere<br />
Entscheidungen einmischt, keine Bank,<br />
die uns erpressen könnte. Nur dass wir unsere<br />
Unterstützer zunächst stille Teilhaber<br />
nannten, weil wir von konkreten kapitalistischen<br />
Geschäftsformen kaum Ahnung hatten,<br />
wäre uns 17 Jahre später beinahe auf die<br />
Füße gefallen. Nach der dritten Tiefenprüfung<br />
durch das Finanzamt sollten wir plötzlich<br />
für mehrere Jahre Kapitalertragssteuer<br />
nachzahlen.“ Mit Unterstützung des Berliner<br />
Senats, der das Modell als bedeutsam, originell<br />
und empfehlenswert auch für andere<br />
Unternehmen der Kultur- und Medienbranche<br />
erkannte, wurde das Unheil abgewendet.<br />
Die falschen stillen Teilhaber wurden<br />
zu korrekten Darlehensgebern ernannt, die<br />
sie faktisch ja auch immer waren.<br />
Christoph Links: seit 25 Jahren<br />
Verleger aus Leidenschaft.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014<br />
Zum Jubiläum erscheint nun der Band „Einmischung<br />
erwünscht – 25 Jahre Ch. Links<br />
Verlag“, in der fortlaufenden Zählung der<br />
Titel mit der Nummer 800. An 25 Beispielen<br />
wird da exemplarisch erzählt, wie Bücher<br />
entstehen und in die Gesellschaft hineinwirken.<br />
Sachbücher, genau gesagt, denn bei<br />
diesem Segment ist Christoph Links kompromisslos<br />
geblieben: „Wir haben mit DDR-Geschichte,<br />
die nach wie vor zu unseren Kernkompetenzen<br />
gehört, begonnen, sind dann<br />
thematisch zu einem Verlag für deutsche, europäische<br />
und internationale Zeitgeschichte<br />
gewachsen und haben auch anspruchsvolle<br />
Ratgeber zur Lebenshilfe im Programm.“<br />
„Einmischung erwünscht“ wartet mit Büchern<br />
über Scientology, Opfer der stalinistischen<br />
Säuberungen, deutsche Kolonial-<br />
Foto (auch Titel): Ch. Links Verlag
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 17<br />
geschichte und die CDU-Spendenaffäre auf,<br />
mit Reiseführern in die Historie ausgewählter<br />
Orte, Einblicken in österreichische, israelische<br />
und nordeuropäische Lebenswelten,<br />
mit literarischen Reportagen und Porträts,<br />
einem preisgekrönten Bild-Text-Band<br />
über den Naturschutz in Deutschland und einem<br />
umfassenden Sammelwerk über Alltag<br />
und Herrschaft in der DDR. Ganz oben auf<br />
den Bestsellerlisten ist noch kein Titel gelandet,<br />
dafür bringt der Verlag historische<br />
Standardwerke wie „Chronik des Mauerfalls“<br />
oder „Chronik der <strong>Wende</strong>“ kontinuierlich in<br />
immer neuen Auflagen heraus.<br />
Seit 1990 erschienen im Ch. Links Verlag 800 Titel.<br />
Erste Adresse:<br />
Zunächst fand die<br />
Verlagsarbeit in<br />
Links‘ Privatwohnung<br />
statt.<br />
„Dass ich selbst schreibe, hat mir immer geholfen,<br />
wie ein Autor für unsere Autoren zu<br />
denken und in ihrem Sinne zu handeln“, sagt<br />
der Verleger. „Nicht als Unternehmer, der in<br />
erster Linie Geld verdienen will, sondern als<br />
Dienstleister, der Büchern zu öffentlicher<br />
Wirksamkeit verhilft.“ Dazu gehören ein sehr<br />
gründliches Lektorat, die gewissenhafte Arbeit<br />
am Text, der bei Bedarf nicht nur sprachliche<br />
Verbesserung erfahren, sondern auch<br />
inhaltlich angereichert werden soll und, bei<br />
heiklen Themen, juristisch wasserdicht abgesichert<br />
werden muss – worüber Links abenteuerliche<br />
Geschichten erzählen kann: „In<br />
solchen Fällen darf man sich nicht wegducken,<br />
sondern muss für seine Autoren einstehen<br />
und streiten.“ Man braucht einen langen<br />
Atem, aber wenn sich derlei Engagement<br />
mit der Zeit herumspricht, kann es vorkommen,<br />
dass eines Tages ein Nobelpreisträger<br />
vor der Tür steht und sein nächstes Buch im<br />
Ch. Links Verlag herausbringen will. Aus der<br />
Zusammenarbeit mit Günter Grass sind inzwischen<br />
drei Titel hervorgegangen.<br />
heimischen Wohnzimmer in der Gethsemanestraße<br />
residierte, drei Mitarbeiter geleistet;<br />
heute sind es zwölf Festangestellte, die<br />
mit Enthusiasmus von der Kulturbrauerei in<br />
Prenzlauer Berg aus operieren. Jahr für Jahr<br />
geht der Ch. Links Verlag mit 170 bis 200 Lesungen<br />
und anderen Veranstaltungen zu seinen<br />
Lesern.<br />
Fotos: Ch. Links Verlag<br />
Von Anfang an legte Links Wert auf einen<br />
gut organisierten Vertrieb in Deutschland<br />
(vor allem im Westen, wo sich die Kaufkraft<br />
konzentriert), Österreich und der Schweiz,<br />
auf eine offensive Auslandslizenzpolitik mit<br />
Verkäufen von Brasilien bis Japan und eine<br />
starke Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Bei<br />
jährlich rund 90.000 Neuerscheinungen und<br />
fast zwei Millionen lieferbaren Titeln auf dem<br />
deutschen Buchmarkt kann man, wenn nicht<br />
mit viel Geld, nur mit vollem persönlichen<br />
Einsatz auf sich aufmerksam machen. Den<br />
haben vor 25 Jahren, als der Verlag noch im<br />
In all den Jahren hat der Verlag schwarze<br />
Zahlen geschrieben, wenn auch meist bescheidene.<br />
2013 betrug der Gewinn bei einem<br />
Umsatz von etwa 1,4 Millionen knapp<br />
10.000 Euro. Jeder Euro, so Christoph Links,<br />
fließe in den Verlag zurück und trage zu jenem<br />
langsamen, soliden Wachstum bei, das<br />
die Gesellschafter mit Bedacht anstreben. In<br />
einigen Jahren will er das Tagesgeschäft an<br />
die nächste Generation übergeben und wieder<br />
mehr selbst schreiben. Verkaufen wird er<br />
den Verlag auf keinen Fall. Er favorisiert die<br />
Longseller-Strategie.<br />
W+M<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
18 | W+M Titelthema<br />
„Die Ostdeutschen haben die Ärmel<br />
hochgekrempelt und angepackt“<br />
Brandenburgs langjähriger Ministerpräsident Dr. h. c. Manfred Stolpe<br />
über <strong>Wende</strong> und <strong>Aufbruch</strong> in den neuen Bundesländern<br />
Manfred Stolpe (r.) beim Richtfest eines<br />
Klärwerkes in Brandenburg.<br />
Ein viertel Jahrhundert Mauerfall, ein<br />
viertel Jahrhundert deutsche Wiedervereinigung<br />
– es stehen große Jubiläen<br />
vor der Tür. Was 1989 mit dem „Sturm<br />
auf die Mauer“ begann, führte 1990 quasi<br />
im „Sturzflug in die Deutsche Einheit“. Es<br />
gab nur ein kleines zeithistorisches Fenster,<br />
um die Deutsche Einheit zu realisieren.<br />
So überschlugen sich die politischen Ereignisse,<br />
und das Leben Millionen Ostdeutscher<br />
nahm eine schlagartige <strong>Wende</strong>.<br />
Eines der zentralen Motive für Unzufriedenheit<br />
und Aufbegehren in den letzten Jahren<br />
der DDR waren die wirtschaftlichen Verhältnisse.<br />
Versorgungsmängel nicht nur bei<br />
Wohnungen oder Kraftfahrzeugen, sondern<br />
selbst bei alltäglichen Dingen wie Südfrüchten<br />
und Kleidung waren allgegenwärtig. Der<br />
desolate Zustand von Infrastruktur, Wohnungswesen<br />
und Umwelt war für jeden sichtbar,<br />
ebenso der Verschleiß der Produktionskapazitäten.<br />
Kurzum: Die DDR war 1989/90<br />
nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich<br />
am Ende.<br />
Ohne Reformen ging es nicht<br />
Reformen waren also bitter nötig. Und dass<br />
es nicht dabei bleiben sollte, machte die Sache<br />
ungleich komplizierter. Die Wiedervereinigung<br />
bahnte sich an. Und plötzlich standen<br />
wir vor der enormen Herausforderung,<br />
die maroden Strukturen in eine gänzlich<br />
neue Wirtschaftsordnung zu überführen.<br />
Der 1. Juli 1990 war der Tag, an dem die<br />
Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion<br />
in Kraft trat. Schon seit einigen Monaten<br />
hatten die Bürger der DDR die Chance, Valutakonten<br />
einzurichten. Ab dem 1. Juli war<br />
die D-Mark dann offizielles Zahlungsmittel,<br />
und die Ostdeutschen hielten nun endlich<br />
die erhoffte „harte“ Währung in ihren<br />
Händen. Der Realisierung ihrer Träume von<br />
m oderner Elektronik, von schicken Autos<br />
und exotischen Urlauben schien also nichts<br />
mehr im Wege zu stehen. Doch genau in diese<br />
Stimmung hinein bahnten sich neue Erfahrungen<br />
wie „Abwicklung“ und „Massenentlassung“<br />
den Weg. Und zur Euphorie gesellten<br />
sich handfeste Zukunftsängste.<br />
Bundesregierung und Treuhand fuhren im<br />
Hinblick auf die ehemaligen Staatsbetriebe<br />
der DDR zunächst einen radikalen Kurs. „Privatisieren,<br />
privatisieren, privatisieren“ lau-<br />
Foto: Staatskanzlei Brandenburg<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 19<br />
tete das Motto. Und dafür gab es natürlich<br />
Gründe. Denn jeder Ökonom wird sagen: Ineffiziente<br />
und veraltete Produktionsstrukturen,<br />
die künstlich am Leben gehalten werden,<br />
sind volkswirtschaftlicher Ballast. Das<br />
Problem aber war, dass nun West-Konzerne<br />
auf den Plan traten, die häufig gar nicht daran<br />
dachten, die Standorte zu modernisieren<br />
und marktfähig zu machen. Sie wollten sie<br />
übernehmen, um sie stillzulegen.<br />
Ich habe heute noch die Beschäftigten vor<br />
Augen, die um ihre Arbeitsplätze kämpften.<br />
Halb Premnitz etwa stritt für den Erhalt des<br />
ehemaligen VEB Friedrich Engels, bis heute<br />
bekannt als „Märkische Faser“. Wochenlang<br />
wurde das Betriebsgelände besetzt. Und<br />
an anderen Industriestätten der ehemaligen<br />
DDR spielten sich ganz ähnliche Szenen ab.<br />
Viele kluge Leute sagten mir damals: „Mach<br />
dir nichts draus. Es kommt was Neues“. Aber<br />
ich hatte da große Zweifel. Für mich war klar,<br />
wenn es so weiter gegangen wäre, hätte das<br />
bei uns in Brandenburg einen wirtschaftlichen<br />
Kahlschlag bedeutet. Und von diesem<br />
Kahlschlag hätte sich die Region nicht so<br />
schnell erholt.<br />
Kampf um industrielle Kerne<br />
Meine Überzeugung: Wir mussten<br />
unsere industriellen Kerne halten,<br />
wir mussten für sie kämpfen. Das<br />
waren wir den Beschäftigten schuldig<br />
– aber auch allen anderen Brandenburgern.<br />
Denn eine industrielle<br />
Basis war unersetzlich für die zukünftige<br />
Entwicklung einer gesunden<br />
Wirtschaftsstruktur. Und das<br />
konnte schließlich auch die Treuhand<br />
einsehen.<br />
waren es Einzelpersonen, die eine nicht zu<br />
unterschätzende Rolle spielten. Einzelpersonen,<br />
die den Osten kannten, die eine persönliche<br />
Bindung hierhin hatten. Etwa Edgar<br />
Most, der letzte Vizepräsident der DDR-<br />
Staatsbank, der nun für die Deutsche Bank<br />
in Verantwortung stand. Oder auch Werner<br />
Niefer, Vorstand der Mercedes-Benz AG. Unter<br />
ihm stieg Mercedes gleich zu Beginn der<br />
90er Jahre am ehemaligen IFA-Standort Ludwigsfelde<br />
ein. Und das war für die weitere<br />
wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs<br />
einer der ganz großen Glücksfälle.<br />
Entscheider wie Most und Niefer kannten<br />
Land und Leute. Sie hatten Vertrauen. Und<br />
sie waren bereit, das Risiko auf sich zu nehmen,<br />
in brandenburgische Standorte zu investieren.<br />
Manches Vertrauen hingegen<br />
musste erst aufgebaut werden.<br />
Als der italienische Stahl-Gigant RIVA in<br />
Hennigsdorf und Brandenburg/Havel einstieg,<br />
schlugen ihm von Seiten der Belegschaft<br />
Misstrauen und Vorurteile entgegen.<br />
Aber ich erinnere mich noch gut an die bewegenden<br />
Worte, die Konzernchef Emilio Riva<br />
Jahre später an seine Angestellten richtete.<br />
In einer seiner letzten Reden sagte er mit<br />
Tränen in den Augen: „Wenn ich könnte, würde<br />
ich euch alle mit nach Italien nehmen.“<br />
Mit der Zeit waren Konzernführung und Belegschaft<br />
also immer enger zusammengerückt.<br />
Sie waren am Ende ein Herz und eine<br />
Seele.<br />
An diesen Beispielen wird gut ersichtlich,<br />
dass der Auf- und Umbruch nach 1990 eben<br />
nicht nur eine politische und eine wirtschaftliche,<br />
sondern auch eine mentale Dimension<br />
hatte. Der Weg zu guten und sicheren<br />
Arbeitsplätzen war lang und steinig.<br />
Phasenweise wäre jede dritte Erwerbsperson<br />
ohne Beschäftigung gewesen, wenn vieles<br />
nicht durch Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsmaßnahmen<br />
abgefedert worden<br />
wäre. Viele Abschlüsse aus Ostzeiten hatten<br />
ihren Wert verloren. Und so war es kein Wunder,<br />
dass Unsicherheit und Zukunftsängste,<br />
ja auch Misstrauen gegenüber Neuem, in den<br />
1990er Jahren allgegenwärtig waren.<br />
Enormer Pioniergeist<br />
Eines jedoch stimmte nicht: die „Mär vom<br />
faulen Ostdeutschen“. Das war – man muss<br />
es so deutlich sagen – nichts anderes als Verleumdung!<br />
Denn die meisten Menschen ha-<br />
Foto: Staatskanzlei Brandenburg<br />
Ihre neue Strategie hieß nun: „Erst<br />
marktfähig machen, dann privatisieren“.<br />
Das war ungemein wichtig.<br />
Aber für eine erfolgreiche Zukunft<br />
unserer industriellen Kerne<br />
war noch eine zweite Komponente<br />
entscheidend – das Vertrauen von<br />
Investoren und Banken. Und hier<br />
Sozialdemokraten unter sich:<br />
Manfred Stolpe, Walter Momper<br />
und Johannes Rau (v. l. n. r.).<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
20 | W+M Titelthema<br />
ben auch in schwierigen Zeiten die Hoffnung<br />
nicht verloren. Sie haben sich weitergebildet.<br />
Sie haben hinzugelernt. Sie haben die Ärmel<br />
hochgekrempelt und angepackt, wo sie es nur<br />
konnten.<br />
Gerade der unternehmerische Pioniergeist<br />
der Brandenburger war enorm. Deshalb gab<br />
es in der Wirtschaftspolitik unseres Landes<br />
neben dem Erhalt der industriellen Kerne<br />
schon früh ein zweites, übergeordnetes<br />
Ziel: Die Förderung des Mittelstands. Und das<br />
sollte sich bezahlt machen. Schließlich sind<br />
es gerade die kleinen und mittleren Betriebe,<br />
die seit 1990 entscheidend zum Wohlstand in<br />
Brandenburg beitragen.<br />
Besonders das Handwerk ist voll mit Aufsteiger-Geschichten.<br />
Ich denke da an Metallbau<br />
Windeck in der Nähe von Brandenburg/Havel<br />
oder an die Bäckerei Dreißig, die einst<br />
mit zwei Mitarbeitern in Guben begann und<br />
heute vom Berliner Umland bis nach Bautzen<br />
ein dichtes Netz an Filialen unterhält. Unternehmen<br />
wie diese – und das waren nicht wenige<br />
– haben früh die Chancen ergriffen, die<br />
ihnen der wirtschaftliche Umbruch bot. Sie<br />
haben den Umbruch zum <strong>Aufbruch</strong> gemacht.<br />
Sie haben ihren Betrieb ausgebaut und Arbeitsplätze<br />
geschaffen. Und davon profitiert<br />
unser Land bis heute.<br />
So sehr ich mich schon damals über solche<br />
Erfolgsgeschichten gefreut habe – entscheidend<br />
war es, gute Startchancen für alle Wirtschaftszweige<br />
und alle Regionen zu schaffen.<br />
Wirtschaftsförderung mit der „Gießkanne“<br />
war also durchaus wörtlich zu verstehen.<br />
Wir wollten, dass die Strukturen, die es noch<br />
gab, nicht verdorrten. Und wir wollten, dass<br />
Neues entstehen konnte.<br />
Neues Motto: „Stärken stärken“<br />
Landesvater Stolpe (2. v. r.) machte auch als Koch eine gute Figur.<br />
Mit der Zeit kristallisierten sich die wirtschaftlichen<br />
Stärken in unserem Land immer<br />
deutlicher heraus. Und es war keine Abkehr<br />
von unserem Förderverständnis, sondern<br />
dessen Weiterentwicklung unter veränderten<br />
Rahmenbedingungen, dass die Landesregierung<br />
ihre Wirtschaftsförderung ab 2004<br />
grundlegend umstellte. Das Motto hieß fortan<br />
„Stärken stärken“. Es wurden „Regionale<br />
Wachstumskerne“ und „Branchenkompetenzfelder“,<br />
später dann „Cluster“, bestimmt.<br />
Und mittlerweile punktet der Wirtschaftsstandort<br />
Brandenburg europaweit mit herausragenden<br />
Förderbedingungen.<br />
Vor diesem Hintergrund hat die brandenburgische<br />
Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten<br />
noch einmal einen gehörigen Schub erfahren.<br />
Sie hat dabei in hohem Maße von der<br />
sehr guten Kommunikations- und Verkehrsinfrastruktur<br />
profitiert, die wir seit Beginn<br />
der 1990er Jahre aufbauen konnten. Und sie<br />
hat ebenso von der hohen Qualität märkischer<br />
Produktionsstandorte profitiert. Denn<br />
entgegen meinen anfänglichen Befürchtungen,<br />
war Brandenburg nie „Auffanglager“ für<br />
ausrangierte Technik aus dem Westen, sondern<br />
schon Ende der 1990er Jahre auf technologischem<br />
Top-Level. Auch die Ausrichtung<br />
auf kleinere und mittlere Betriebe sollte sich<br />
bezahlt machen. Unser starker Mittelstand<br />
schafft heute die Basis für einen breit verteilten<br />
Wohlstand in diesem Land. Er war zudem<br />
entscheidend für die Stabilität der märkischen<br />
Wirtschaft während der letzten Wirtschafts-<br />
und Finanzkrise.<br />
Heute steht Brandenburg exzellent da. Wir<br />
müssen dankbar sein für die Solidarität aus<br />
dem Westen, für den Aufbau Ost. Aber wir<br />
können auch zufrieden mit dem sein, was<br />
wir hier in Brandenburg gemeinsam aufgebaut<br />
haben. Der Aufholprozess gegenüber<br />
den Westländern ist noch nicht abgeschlossen.<br />
Aber Brandenburg ist heute so stark,<br />
dass ich sage: Eine Sonderförderung sollte<br />
nicht mehr pauschal nach Himmelsrichtung,<br />
sondern nach dem tatsächlichen Bedarf<br />
erfolgen.<br />
Eine Arbeitslosenquote von derzeit knapp<br />
neun Prozent, mehrfache Auszeichnungen<br />
für besondere wirtschaftliche Dynamik – davon<br />
konnten wir in den 1990er Jahren nur<br />
träumen. Heute ist es in Brandenburg Realität.<br />
Und ich sehe das als Bestätigung für eine<br />
gemeinsame Kraftanstrengung, die wir Brandenburger<br />
– die Selbstständigen und Unternehmer,<br />
die Beschäftigten und die Politiker<br />
– gemeinsam erbracht haben. Ich sehe das<br />
als Lohn für einen steinigen und schwierigen,<br />
am Ende aber erfolgreichen Weg des<br />
wirtschaftlichen <strong>Aufbruch</strong>s! W+M<br />
Foto: Staatskanzlei Brandenburg<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
8. enviaM-ENERGIEKONVENT<br />
„ENERGIEWENDE 2.0 – NEUSTART ODER WEITER SO?“<br />
Mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hat die große Koalition<br />
ein erstes wichtiges Vorhaben zur Fortführung der Energiewende in Deutschland<br />
umgesetzt. Sind die Erwartungen auf Seiten der Wirtschaft und Endverbraucher<br />
damit erfüllt? Sind weitere Maßnahmen notwendig? Und in welchem Maße ist<br />
Ostdeutschland davon betroffen?<br />
Prominente Teilnehmer diskutieren diese Fragen beim 8. enviaM-Energiekonvent.<br />
Unsere Gäste sind unter anderem Iris Gleicke (MdB, Staatssekretärin im<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie Ostbeauftragte<br />
der Bundesregierung), Dr. Hubertus Burkhart (Vorsitzender<br />
des Vorstands der Kübler & Niethammer Papierfabrik<br />
Kriebstein AG), Dr. Hermann Falk (Geschäftsführer des<br />
Bundesverbands erneuerbare Energien e. V.) und<br />
Johannes Kempmann (Präsident des Bundesverbandes<br />
der Energie- und Wasserwirtschaft).<br />
Wir laden Sie herzlich ein, mit unserem Vorstandsvorsitzenden<br />
Tim Hartmann und unseren Gästen am<br />
13. Oktober 2014 in Leipzig zu diskutieren. Gern senden<br />
wir Ihnen Ihre persönliche Einladung zu. Sprechen Sie uns<br />
an – telefonisch unter 0371 482 - 2971 oder per E-Mail unter<br />
energiekonvent@enviaM.de. Wir freuen uns auf Sie!<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
22 | W+M Titelthema<br />
Feuerwehrmann für Osteuropa<br />
Der gebürtige Potsdamer Franz-Lorenz<br />
Lill (60) ist so etwas wie ein Feuerwehrmann<br />
für kriselnde Unternehmen<br />
in Osteuropa. Dank seiner Managementerfahrungen<br />
im post-sowjetischen<br />
Bereich, gekoppelt mit<br />
stabilen Netzwerken vor Ort, hat er<br />
schon diversen Firmen zurück in die<br />
Erfolgsspur verholfen. Darüber hinaus<br />
berät er deutsche Unternehmen bei<br />
der Markterschließung in Zentralasien,<br />
schwerpunktmäßig auf den Gebieten<br />
Logistik, Eisenbahn-, Gas- und Wehrtechnik. Derzeit pendelt er für<br />
mehrere Auftraggeber zwischen Kasachstan und Tallin, wo er einen<br />
neuen Auftrag für ein deutsches Unternehmen realisiert.<br />
Vor 25 Jahren hatte sich eine derartige Berufsperspektive nicht angedeutet.<br />
Lill war Oberstleutnant der NVA am Standort Strausberg<br />
und avancierte kurz vor dem Fall der Mauer im September 1989 zum<br />
ersten und letzten Sprecher der Luftstreitkräfte der NVA. Nach der<br />
deutschen Einheit ging es für ihn mit einer Rückstufung zum Major<br />
zunächst bei der Bundeswehr weiter. 1992 wechselte er zum Bad Reichenhaller<br />
Wehrtechnikunternehmen Buck, das im uckermärkischen<br />
Ort Pinnow eine ehemalige DDR-Raketenschmiede zu einem Munitionsentsorgungsbetrieb<br />
umfunktioniert hatte. Nach dem Konkurs<br />
von Buck 1998 wagte Lill den Sprung in die Selbständigkeit und profiliert<br />
sich seither als Unternehmensberater zwischen St. Petersburg<br />
und Astana.<br />
KH<br />
Drucken in Großformat<br />
Peter Rost (58) wäre gern Schiffbauer<br />
geworden, hat aber Sportwissenschaften<br />
studiert. Er war Leistungssportler<br />
und musste im Streit<br />
seine Stelle als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter an der Berliner Humboldt-Uni<br />
verlassen. Noch vor dem<br />
Ende der DDR arbeitslos, absolvierte<br />
Peter Rost eine Siebdrucker-Lehre.<br />
Heute betreibt der 58-Jährige gemeinsam<br />
mit seiner Lebenspartnerin<br />
eine eigene Firma im Gründer- und Technologiezentrum Adlershof.<br />
Die „Rost: Werbetechnik“ ist ein leistungsfähiges mittelständisches<br />
Unternehmen für Großformatdruck, Werbetechnik und Messebau.<br />
In Berlin-Friedrichshagen baute er 1990 seine erste eigene Siebdruckerei<br />
in einer verwahrlosten Altbauwohnung auf, später zog er in<br />
die leer stehende Werkstatt einer Großgärtnerei im benachbarten<br />
Schöneiche. Als 1997 wegen eines Zahlungsausfalls das finanzielle<br />
Aus drohte, half ihm die Handwerkskammer Frankfurt (Oder) aus<br />
der Krise. Rost sagt: „Den Betriebsberater, der mich damals gerettet<br />
hat, habe ich heute noch.“ Er war es auch, der ihn schließlich überzeugte,<br />
2007 mit einem Neubau noch einmal durchzustarten. 1,3 Millionen<br />
Euro hat er in die großzügige Halle mit Photovoltaik-Anlage,<br />
umweltgerechter Heizung und neuem Maschinenpark investiert. 17<br />
Mitarbeiter zählt die Firma heute.<br />
TM<br />
Bewahrt das Erbe ihres Vaters<br />
Dem gestandenen Leser ist der Name Quermann noch ein Begriff:<br />
Petra Quermann (55) ist die Tochter des wohl berühmtesten DDR-<br />
Showmasters und Talenteförderers – Heinz Quermann (unter anderem<br />
TV-Shows wie „Zwischen Frühstück und Gänsebraten“ und<br />
„Herzklopfen kostenlos“). Lange Jahre bewunderte sie ihren in ganz<br />
Deutschland populären Vater einfach nur. Und baute sich ihr Leben<br />
jenseits des Rampenlichts auf. Da der Traum, als Stewardess schon<br />
zu DDR-Zeiten die Welt bereisen zu können, aus gesundheitlichen<br />
Gründen platzte, ließ sich Petra Quermann zunächst zur Sekretärin<br />
bei der DDR-Fluggesellschaft Interflug ausbilden. Es folgten Stationen<br />
in der Gastronomie und nach der <strong>Wende</strong> in der Spielwaren-,<br />
Immobilien- und Modebranche. Ende 2010 gab sie ihren Managerjob<br />
in einem Modeunternehmen auf, um Zeit zu haben, den 90. Geburtstag<br />
ihres Vaters vorzubereiten. Es sollte eine medial stark beachtete<br />
Würdigung des Nestors der DDR-Fernsehunterhaltung werden.<br />
Sie war überwältigt von der positiven Resonanz des Publikums<br />
und entwickelte daraus eine Geschäftsidee. Seither absolviert Petra<br />
Quermann pro Jahr rund 150 Veranstaltungen in Seniorenclubs und<br />
-heimen, Pflegeeinrichtungen, Mehrgenerationenhäusern und urigen<br />
Kneipen mit ihrer vielseitigen Heinz-Quermann-Show. Ihr Motto:<br />
„Solange das Publikum meines 2003 verstorbenen Vaters noch<br />
da ist, möchte ich diesem Publikum mit der Erinnerung an ihn Freude<br />
schenken.“<br />
KH<br />
Fotos (auch Titel): Hintzmann (oben links), Tomas Morgenstern (unten links), Privat (Mitte)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 23<br />
Köstlichkeiten aus dem „Bieberbau”<br />
„Man kann kein Restaurant eröffnen,<br />
wenn man nicht kochen kann“, behauptet<br />
Stephan Garkisch (43), Koch und<br />
Inhaber des Restaurants „Bieberbau“<br />
in Berlin-Wilmersdorf. Die Wandreliefs<br />
im ehemaligen Schauraum des Stuckateurmeisters<br />
Richard Bieber verleihen<br />
dem Restaurant eine eindrucksvolle Kulisse.<br />
Dass der gebürtige Thüringer einmal<br />
zu den besten Köchen der Hauptstadt<br />
gehören würde, hätte er nie gedacht.<br />
Sein Lebenslauf ist keineswegs<br />
geradlinig verlaufen. Garkisch lernt zunächst<br />
Uhrmacher in Berlin. Wie schon<br />
in der Schule hinterfragt er auch während<br />
der Lehre kritisch das DDR-System<br />
und eckt an. Als 18-Jähriger besucht er im<br />
September 1989 Verwandte in Westberlin<br />
und bleibt dort. Er genießt die neue<br />
Freiheit in vollen Zügen. Den Tag der<br />
Maueröffnung verschläft er, der Tag danach<br />
löst bei ihm Freudentränen aus. Um<br />
seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitet<br />
er in einer Speditionsfirma und ab<br />
1993 als Barkeeper und Kellner. Hier wird auch sein Interesse für die<br />
Gastronomie geweckt. Ab 1997 lernt er das Kochen im Berliner Restaurant<br />
„Altes Zollhaus“ beim Meisterkoch Herbert Beltle. Doch erst<br />
ab dem Jahr 2000 im „Strahlenberger Hof“ in Schriesheim bei Heidelberg<br />
fühlt sich Stephan Garkisch durch seinen Mentor, Sterne koch<br />
Jürgen Schneider, zum Kochen berufen. 2003 wird er Inhaber des<br />
denkmalgeschützten Restaurants „Bieberbau“. Gäste und Kritiker<br />
sind sich einig: „Erstklassiges Essen, hoher Grad an Kochkunst, Kreativität<br />
und Qualität“ urteilt beispielsweise der Michelin Guide 2014.<br />
Seine Frau Anne hat sich von der Leidenschaft ihres Mannes anstecken<br />
lassen. Die studierte Geografin bildet sich weiter und ist seit<br />
2006 Sommelière im „Bieberbau“. BP<br />
Fotos: Privat (oben), Thomas Wranik (unten, auch Titel)<br />
Gutes Hören muss kein Luxus sein<br />
„Die größten Wunder findet<br />
man im Hören.“ Mit diesem Satz<br />
beschreibt Thomas Jahnecke<br />
(44), was für die meisten von<br />
uns selbstverständlich ist –<br />
gut zu hören. Seit fast 20 Jahren<br />
ist die Welt des Hörens seine<br />
größte Herausforderung. Im<br />
östlichen Norden geboren und<br />
aufgewachsen, sucht er sofort<br />
nach der <strong>Wende</strong> neue berufliche<br />
Chancen im westlichen Süden.<br />
Jahnecke lernt Hörgeräteakustiker, absolviert seine Meisterprüfung<br />
in Heilbronn und arbeitet zunächst als Angestellter. 1999 macht<br />
er sich selbständig. Inzwischen hat er zwölf Mitarbeiter und fünf Geschäfte,<br />
eines davon seit 2010 in der Berliner Giesebrechtstraße. Als<br />
er sich 2005 entschließt, die Preise von Hörgeräten aller Hersteller auf<br />
seiner Internetseite zu veröffentlichen, erntet er viel Kritik und Unverständnis<br />
bei seinen Mitbewerbern. Ein Hörgerätehersteller beliefert<br />
ihn kurzerhand nicht mehr mit Hörgeräten. Das Kartellamt schreitet<br />
ein und gibt ihm Recht. „Intransparenz schadet der Branche, denn es<br />
geht hier schließlich um Medizinprodukte und nicht um Luxusuhren“,<br />
sagt Jahnecke. „Die Akzeptanz von Hörgeräten in der Gesellschaft<br />
hat sich heute deutlich durch digitale Mikroprozessoren mit Millionen<br />
von Rechenoperationen pro Sekunde und einem tollen Design<br />
verbessert.“ Nicht zuletzt aber auch durch faire Preise. Inzwischen arbeiten<br />
viele seiner Kollegen kundenorientierter und heben sich so<br />
von gängigen Praktiken ab. Jahnecke wird bis heute angefeindet,<br />
obwohl sich seine Internetseite www.hoergeraetepreise.de als eine<br />
Art Referenz in der Hörgeräte-Branche etabliert hat. Für ihn bleibt es<br />
selbstverständlich, seine Kunden, die bundesweit zu ihm kommen,<br />
über Hersteller und Preise zu informieren, denn „gutes Hören muss<br />
kein Luxus sein“.<br />
BP<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
24 | W+M Titelthema<br />
Noch keine Lust auf Rockerrente<br />
Peter Meyer erklärt, wie die Kultband Puhdys als Unternehmen funktioniert<br />
Peter Meyer bei der Arbeit.<br />
Eigentlich bin ich eine Kuh. Bemerkt<br />
habe ich das vor vielen Jahren, als ich<br />
Milch in meinem Bett gefunden hatte.<br />
Aber viel wichtiger ist das mit der Mentalität.<br />
Kühe stehen völlig unbeweglich im strömenden<br />
Regen auf der Wiese. Kommt man<br />
Stunden später wieder vorbei, und es regnet<br />
noch immer, stehen die Kühe genauso wie<br />
vorher rum. Das bin ich! Und das hat mir im<br />
Leben sehr oft geholfen.“<br />
Zu einer derartigen Selbstreflektion ist nur<br />
jemand fähig, der sich nicht für den Nabel<br />
der Welt hält, über sich lachen kann und<br />
mit einer reichlichen Portion Tiefenentspannung<br />
ausgestattet ist. Das trifft auf Peter<br />
Meyer – 74 Jahre jung, studierter Lehrer und<br />
seit rund fünf Jahrzenten praktizierender<br />
Musiker – mit Sicherheit zu.<br />
45 Jahre tourt Meyer mit seinen Kollegen der<br />
ostdeutschen Kult-Band Puhdys mittlerweile<br />
durch deutsche Lande und die Welt. Seit<br />
1969 absolvierten die Puhdys mehr als 4.000<br />
Konzerte und verkauften gut 22 Millionen<br />
Tonträger. Mit zahllosen Hits (unter anderem<br />
„Alt wie ein Baum“, „Geh zu ihr“, „Lebenszeit“,<br />
„Rockerrente“ und „Hey, wir woll‘n die<br />
Eisbär‘n sehn“) sammelten sie zahllose Musikpreise<br />
ein und waren vor der <strong>Wende</strong> zwölf<br />
Mal beliebteste Rockband der DDR.<br />
Auch heute ist die Band stark gefragt, absolviert<br />
rund 80 Konzerte pro Jahr. Die politische<br />
<strong>Wende</strong> in der damaligen DDR hatte die<br />
populäre Band – im Vergleich zu vielen anderen<br />
Künstlern – wirtschaftlich kaum getroffen.<br />
Peter Meyer: „Das Ende der DDR ging<br />
seinerzeit mit unserer ersten Auflösung einher.<br />
Im Jahr 1988 hatten wir beschlossen,<br />
uns nach rund 20 Jahren zu trennen. Wir<br />
hatten alles erreicht, 20 Länder bereist, 15<br />
Millionen Platten verkauft und alles drehte<br />
sich nur noch im Kreis. Also veranstalteten<br />
wir von Mai bis November 1989 eine Goodbye-Tour<br />
durch Deutschland, gemeinsam mit<br />
den „Lords“, die vor 80.000 Fans auf dem<br />
Berliner August-Bebel-Platz begann und mit<br />
einem Konzert in Freiberg endete.“<br />
Als die Mauer aufging und die Menschen<br />
plötzlich nichts mehr mit Ostmusik am Hut<br />
hatten, fielen die Puhdys nicht in ein berufliches<br />
Loch. Schließlich hatten sie sich<br />
selbst eine künstlerische Pause verordnet.<br />
Diese sollte jedoch nur kurz sein. Peter Meyer:<br />
„1991 gab es zunehmend Anfragen an<br />
uns. Und sicher auch ökonomische Gründe,<br />
die Arbeit wieder aufzunehmen. Aber<br />
am meisten reizte es uns, uns in der neuen<br />
Zeit auszuprobieren und zu behaupten. Wir<br />
hatten ja Erfahrungen mit dem Westen, weil<br />
wir dort schon seit 1975 spielen konnten.“<br />
1992 starteten die Puhdys dann tatsächlich<br />
in die neue Zeit.<br />
Für Meyer und seine Kollegen bedurfte es<br />
zum Neustart keiner großen Umstellungen.<br />
„Wir waren schon immer – auch im Osten –<br />
ein kleiner marktwirtschaftlich aufgestellter<br />
Betrieb“, blickt Meyer zurück. „Wir hatten<br />
in unserem damaligen Bassisten Harry<br />
Jeske einen cleveren Burschen, der alles besorgte,<br />
was es eigentlich nicht gab. Er war<br />
ein guter Organisator und Geschäftsmann,<br />
der die wichtigen Kontakte knüpfte und der<br />
schon zu DDR-Zeiten Extra-Gagen bei großen<br />
Konzerten für uns herausholte.“<br />
Dennoch gab es auch Momente, in denen<br />
Meyer und Kollegen der alten Zeit nachtrauerten.<br />
„Als die Mauer noch stand, waren wir<br />
für die Medien in ganz Deutschland interessanter<br />
als heute. Dabei hatten wir in West-<br />
Berlin immer mehr Fans als in Ost-Berlin“,<br />
so Meyer. Die Band hat sich inzwischen mit<br />
dem Zustand arrangiert, in den neuen Ländern<br />
unverändert Begeisterung auszulösen,<br />
Foto: Susann Welscher<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 25<br />
Die Puhdys in Aktion.<br />
während es im Westen in Sachen Bekanntheit<br />
„noch ein paar schwarze Löcher“ gibt.<br />
bende Worte: „Er ist ein wichtiger Teil unseres<br />
Erfolgs.“<br />
Fotos (auch Titel): Susann Welscher<br />
Bei aller Popularität haben sich die gereiften<br />
Recken Peter „Eingehängt“ Meyer (Keyboard),<br />
Dieter „Maschine“ Birr (70, Gesang<br />
und Gitarre), Dieter „Quaster“ Hertrampf (69,<br />
Gitarre), Klaus Scharfschwerdt (60, Schlagzeug)<br />
und Peter „Bimbo“ Rasym (61, Bass)<br />
für eine neuerliche Abschiedstour entschieden,<br />
die bis zum kommenden Jahr geplant<br />
ist. „Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen,<br />
dass auch wir nicht jünger werden.“ Allerdings<br />
will sich Meyer ausdrücklich nicht<br />
darauf festlegen, dass nach dem Ende der<br />
Abschiedstour auch tatsächlich mit der Musik<br />
Schluss ist.<br />
Auf das Geheimnis der langjährigen erfolgreichen<br />
Gemeinsamkeit und Existenz als<br />
Band angesprochen, sagt Peter Meyer mit<br />
dem ihm eigenen sarkastisch angehauchten<br />
Humor: „Man muss einige Dinge zwingend<br />
berücksichtigen: Man sollte nicht gemeinsam<br />
in den Urlaub fahren, nicht zusammen<br />
einkaufen und niemals ernsthaft miteinander<br />
reden.“ Um die nötige Distanz zu wahren,<br />
fahren die Puhdys nie mit einem Bus<br />
zum Konzert – sie reisen stets getrennt an.<br />
Auf eine klare Hierarchie haben die Bandmitglieder<br />
bewusst verzichtet. „Einen Chef<br />
haben wir nicht, aber ‚Maschine‘ ist der Kreativste.“<br />
Peter Meyer selbst sieht sich intern<br />
als Psychologe und Vermittler: „Früher habe<br />
ich mit meiner Art die Kommunisten verarscht,<br />
jetzt muss ich mich um andere Problemchen<br />
kümmern.“ Für den langjährigen<br />
Manager der Band, Rolf Hennig, findet Keyboarder<br />
Meyer übrigens ausschließlich lo-<br />
Ihre Erfahrungen haben die Alt-Rocker mittlerweile<br />
an ihre musizierenden Kinder weitergegeben,<br />
die in diversen Bands bereits eigene<br />
Erfolge feiern konnten. Allerdings gehen<br />
die „Puhdys-Erben“ mitunter Wege, die<br />
Peter Meyer den Kopf schütteln lassen: „Es<br />
ist ganz normal, dass die heutige Generation<br />
eine andere Sicht der Dinge hat. Aber<br />
uns war damals zunächst wichtig, erst einmal<br />
die ökonomische Basis für unsere Band<br />
zu schaffen. Als die stand, haben wir uns<br />
um Bekanntheit und Fernsehauftritte gekümmert.<br />
Heute werden Titel über Titel produziert<br />
in der Hoffnung, dass ein Song mal<br />
funktioniert. Das ist recht riskant.“<br />
Spricht man mit Peter Meyer, gewinnt man<br />
nicht den Eindruck, dass sich die Puhdys<br />
demnächst von der Bühne verabschieden<br />
und ins Rockerrentner-Dasein zurückziehen<br />
werden. Meyer lächelt verschmitzt: „Unser<br />
Problem ist es, dass uns die Ideen einfach<br />
nicht ausgehen wollen. Sie waren und sind<br />
der Antrieb für unser Tun.“<br />
Karsten Hintzmann<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
26 | W+M Titelthema<br />
Optimist in jeder Lebenslage<br />
Kathi revolutionierte das Backen. In der DDR enteignet, während der <strong>Wende</strong> wieder privatisiert.<br />
Rainer Thiele kämpfte hart um den Familienbetrieb. Und schaffte ein ostdeutsches<br />
Märchen. Nach Fast-Pleite und Herzinfarkt.<br />
Von Dana Micke<br />
Der Oetker an der Saale wird er im Westen<br />
genannt. Von wegen! Dr. Oetker<br />
kam mit Backmischungen für den<br />
Endverbraucher 1972 auf den Markt, Kathi<br />
1951. Ihr Slogan: „Mit Ei und Fett verrührt<br />
sofort backfertig“. Na, noch Wasser dazu.<br />
Längst ist Kathi in Halle wieder Marktführer<br />
für Backmischungen im Osten, deutschlandweit<br />
die Nummer drei.<br />
Rainer Thiele mit Kurt Thiele, Vater und<br />
Firmengründer, Anfang der 1950er Jahre.<br />
Rainer Thiele (M.) mit Schwiegertochter Susen und Sohn Marco vor den<br />
Ölbildern der Firmengründer Käthe und Kurt Thiele.<br />
Mit dem Tortenmehl hat alles begonnen. In<br />
der Nachkriegszeit, in der der Hunger regierte.<br />
Und mit Käthe Thiele. Als sie 1949 ein Rezept<br />
für „gestreckte Leberwurst“ als Brotaufstrich<br />
entwickelt, ahnt sie nicht, dass sie<br />
den Grundstein für ein Unternehmen legt.<br />
Kreiert dann Kuchen- und Kloßmehle, kochfertige<br />
Suppen und Soßen. Das war nicht das<br />
Ding von Ehemann Kurt, er war eher der geborene<br />
Manager. So gründete das Ehepaar<br />
1951 eine Firma. Aus Ka-ethe Thi-ele wird<br />
Kathi – zunächst mit dem Zusatz Nährmittelfabrik<br />
Kurt Thiele, nach der <strong>Wende</strong> Kathi<br />
Rainer Thiele GmbH. Benannt nach dem einzigen<br />
Sohn, der zweiten Generation im Familienbetrieb.<br />
Jahrgang 1943, hat Rainer Thiele das Auf<br />
und Ab Kathis miterlebt. Macher, Tüftler,<br />
Optimist – das ist er. Und im Reden schwer<br />
zu bremsen. Wenn es um die Firmengeschichte<br />
geht, sowieso nicht. Im „Kathineum“<br />
lebt sie auf Fotos und Werbeplakaten.<br />
Im Büro, eine Etage drüber, geht‘s zur Sache:<br />
Leckerer Kuchen wird serviert. Kalorienbomben?<br />
„Die Dosis macht das Gift, so<br />
Paracelsus.“ Sagt‘s lächelnd und meint Disziplin,<br />
Verantwortungsbewusstsein. Werte,<br />
die er seinen Kindern vorlebt. Die dritte<br />
Generation im Familienbetrieb: Sohn Marco<br />
ist Geschäftsführer, Stiefbruder Thomas für<br />
die Produktion zuständig, Marcos Frau Susen<br />
für PR und Marketing. Und der „Alte“?<br />
Ist Beiratsvorsitzender, berät mit Lebenserfahrung.<br />
Stark ist er, durch Niederlagen. Kathis Zäsuren,<br />
die macht er an Jahreszahlen fest.<br />
1957 erzwingt die DDR eine Staatsbeteiligung.<br />
1965 darf Kathi nicht mehr in den<br />
Westen exportieren. 1969 muss auf eine Artikelgruppe<br />
zurückgefahren werden, die<br />
Backmischungen. Technik, Rohstoffe und<br />
Rezepturen für die Suppen- und die Saucenherstellung<br />
gehen „gratis“ an die vom Staat<br />
zugewiesenen volkseigenen Großbetriebe.<br />
1972 dann „der schrecklichste Moment in<br />
meinem Leben“. Rainer Thiele schluchzt<br />
plötzlich, wischt die Tränen weg. Die „freiwillige<br />
Betriebsübergabe“, wie es im SED-<br />
Jargon hieß. „Drei Männer betraten unange-<br />
Fotos: Dana Micke (oben), Kathi (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 27<br />
Copyright: Kathi<br />
meldet unser Büro. Sagte der Eine: ‚Wir enteignen<br />
euch jetzt.‘“ Aus. Vorbei. Kathi wird<br />
Volkseigener Betrieb. „VEB – Vatis ehemaliger<br />
Betrieb“, buchstabiert Rainer Thiele bitter.<br />
Nur der Markenname Kathi bleibt, den<br />
ließ der Vater 1951 warenzeichlich schützen.<br />
Sohn Thiele wird zunächst Betriebsdirektor.<br />
Bis 1976, als irgendwem aufstößt, dass<br />
er nicht Genosse ist. In die SED soll er. Will<br />
er aber nicht. Wird zum NVA-Reservedienst<br />
abkommandiert. Als er nach sechs Monaten<br />
heimkehrt, ist „mein Name aus dem Handelsregister<br />
gestrichen, mein Auto konfisziert,<br />
mein Gehalt gekürzt, mein Büro geräumt,<br />
ein neuer Chef da“.<br />
Rainer Thiele kommt in einem Kombinat unter.<br />
Nachdem er in den 1960er Jahren das<br />
Fernstudium Wirtschaftswissenschaften absolviert<br />
hat, beginnt er 1983 mit einem zweiten:<br />
Markt- und Bedarfsforschung. Da fädelt<br />
Franz Josef Strauß den Milliardenkredit für<br />
die DDR ein – das Land bewegt sich auf die<br />
Pleite zu! „Wenn es mal wirklich anders kommen<br />
sollte“, sagt er sich, „musst du wenigstens<br />
theoretisch wissen, wie die Marktwirtschaft<br />
funktioniert.“<br />
1989 der Mauerfall. Die Eltern sind bereits<br />
tot. Am Sterbebett hat Rainer Thiele seiner<br />
Mutter versprochen, „unseren Betrieb zurückzuholen“.<br />
Im Februar 1990 stellt er den<br />
Reprivatisierungsantrag. In der Treuhand<br />
trifft ihn fast der Schlag. „Für mich zuständig<br />
waren zwei Männer, die uns 1972 enteignet<br />
hatten!“ Die Ex-Genossen sabotieren<br />
das Vorhaben. Trotzdem: Im Juni 1991 wird<br />
Kathi wieder Familienbesitz. Rainer Thiele<br />
will das feiern – Herzinfarkt!<br />
Als er halbwegs erholt in den Betrieb zurückkehrt,<br />
ist der Westprodukt-Hype in vollem<br />
Gange. Die Ostler backen mit Dr. Oetker, den<br />
sie aus dem Westfernsehen kennen. Kathis<br />
Umsätze sind eingebrochen, von 137 Beschäftigten<br />
noch 37 übrig. Trotzdem: Kathi<br />
kennt jeder im Osten. Rainer Thiele rechnet<br />
mit der Besinnung aufs Altbewährte. Aber<br />
wann? Um die Maschinen auslasten, seine<br />
Leute bezahlen zu können, produziert und<br />
vertreibt er für eine große westdeutsche Firma<br />
andere Waren. Das bringt<br />
Zeit, Geld und Ansehen bei<br />
den Banken. Seit 1992 hat<br />
Kathi hier zwölf Millionen<br />
Euro investiert.<br />
So ist das heute: Die Gebäude<br />
strahlen in den Unternehmensfarben<br />
Rot und Gelb.<br />
Hochmodern sind Mischtröge,<br />
Anlagen und Verpackungsmaschinen.<br />
90 Mitarbeiter<br />
fertigen über 70 Sorten<br />
Backmischungen, von<br />
der Händel-Torte über Schoko-<br />
und Nusskuchen bis hin<br />
zu Pizzateig und Muffins.<br />
Jahresumsatz fast 30 Millionen<br />
Euro, Tendenz steigend.<br />
Mit „German Streusel“ nimmt<br />
Kathi nun auch den US-Markt<br />
ins Visier.<br />
Das aber ist der Part von<br />
Marco Thiele, seit 2009 Geschäftsführer<br />
und zum Gespräch<br />
dazugekommen. Doch<br />
wie ging es damals weiter?<br />
„Mit mühsamem Klinkenputzen.<br />
Vater klapperte die<br />
Handelsketten ab. Aber er<br />
wurde anfangs oft nur belächelt.“<br />
Optimismus, Engagement,<br />
Qualitätsbewusstsein<br />
– das schätzt er so an ihm.<br />
Rainer Thiele schwört von jeher<br />
auf die eigene Marke, die<br />
Produktion namenloser Massenware<br />
ist tabu. Und sagt:<br />
„Da, wo Kathi draufsteht, ist<br />
auch Kathi drin! Wir haben<br />
uns nicht in die Arme eines großen Investors<br />
geworfen. Und nie auf die ostdeutsche<br />
Tränendrüse gedrückt.“<br />
Käthe Thieles alte Rezepte lagern im Panzerschrank.<br />
„Man weiß ja nie! Russland, die<br />
Ukraine, der Handelskrieg mit der EU.“ Ist<br />
er nicht Optimist? „Eben. Ich schaue nach<br />
vorn“, sagt er. Und ist enttäuscht von dem<br />
„Wust an Reglementierungen. Ludwig Erhard<br />
Verpackung aus den 1950er Jahren.<br />
würde sich im Grabe umdrehen, wüsste er,<br />
was von der sozialen Marktwirtschaft übrig<br />
geblieben ist.“<br />
Haben Vater und Sohn noch Lebensträume?<br />
„Ja. Dass sich Kathi behauptet“, so Marco<br />
Thiele. Der „Alte“ aber „will Deutschlands<br />
Nummer eins werden“. Sagt‘s augenzwinkernd<br />
und dann ernst: „Dass sich Kathi zur<br />
nationalen Marke etabliert.“ W+M<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
28 | W+M Titelthema<br />
Güstrows schönster Schmuck<br />
Thomas Grabbe zieht mit seinem Juwelierhaus zahlungskräftige<br />
Uhren- und Schmuckliebhaber aus dem ganzen Norden an<br />
Thomas Grabbe besitzt das vermutlich<br />
schönste Geschäft in der Güstrower Innenstadt.<br />
Am Pferdemarkt 6 betreibt<br />
er in dritter Generation das „Juwelierhaus<br />
Grabbe“. Auf zwei elegant eingerichteten Etagen<br />
empfängt er seine Kunden. Verkaufsgespräche<br />
führt er gern im Obergeschoss, das<br />
er als Lounge eingerichtet hat – mit weißen<br />
Ledersofas und edlen Vitrinen für seine<br />
ständig wechselnden Ausstellungen. Heute<br />
verkauft der 48-jährige, gebürtige Güstrower<br />
Uhren der teuersten Marken und luxuriösen<br />
Schmuck. Das klingt ganz selbstverständlich,<br />
ist es aber nicht. Thomas Grabbe<br />
musste einen langen, harten und risikoreichen<br />
Weg zurücklegen, bis er es in die Beletage<br />
der deutschen Juwelierhäuser schaffte.<br />
Uhren sind sein Leben:<br />
Thomas Grabbe.<br />
„Angefangen hat alles in den 1950er Jahren,<br />
da begann mein Großvater in der Ausbildungswerkstatt<br />
für Juweliere<br />
ein paar Häuser<br />
weiter, am Markt 4. Später<br />
übernahm er das Geschäft<br />
von seinem Chef.<br />
Meine Mutter führte die<br />
Goldschmiedewerkstatt<br />
durch die schwierigen<br />
1970er und 1980er Jahre“,<br />
so Thomas Grabbe.<br />
Schwierig deshalb, weil<br />
der chronische Mangel<br />
an Gold und Edelsteinen<br />
keinen regulären<br />
Geschäftsbetrieb zuließ. „Damals gab es<br />
Gold nur auf strenge Zuteilung – pro Arbeitsplatz<br />
50 Gramm pro Jahr. Wir waren zu dritt<br />
und erhielten also 150 Gramm. Damit konnten<br />
nur Kleinstreparaturen gemacht werden.“<br />
Der Materialmangel wirkte sich auf die Ladenöffnungszeiten<br />
aus: Nur einmal pro Jahr<br />
wurde der Juwelierladen für Reparaturannahmen<br />
geöffnet. Darüber hinaus konnten<br />
jeweils freitags reparierte Schmuckstücke –<br />
nach vorheriger Benachrichtigung – abgeholt<br />
werden. Thomas Grabbe: „An Neuanfertigungen<br />
war seinerzeit nicht zu denken, es<br />
sei denn, die Kunden brachten das Material<br />
selbst mit.“<br />
Für treue Kunden veranstaltet<br />
Thomas Grabbe noble Veranstaltungen,<br />
wie Poloturniere am Ostseestrand.<br />
In der <strong>Wende</strong>zeit befand sich Thomas Grabbe<br />
mitten in der Meisterausbildung zum Goldschmied,<br />
die er 1991 abschloss. Unmittelbar<br />
danach übernahm er den kleinen und mühsam<br />
über die DDR-Zeit geretteten Familienbetrieb.<br />
„Da wir bis dahin nie Ware aus eigener<br />
Produktion hatten, musste ich aus dem<br />
Handwerksgeschäft ein Handelsgeschäft machen“,<br />
erinnert sich Grabbe. Also verkauft er<br />
zunächst Schmuck in erschwinglichen Preisbereichen.<br />
„Eines Tages kam ein Vertreter des<br />
Uhrenherstellers Maurice Lacroix in den Laden<br />
und ermunterte mich, Uhren ins Sortiment<br />
zu nehmen. Kurze Zeit später verkaufte<br />
ich die erste Uhr für 4.000 D-Mark – so etwas<br />
Teures ging zuvor nie über meinen Ladentisch.“<br />
Dieser anfängliche Verkaufserfolg entfachte<br />
beim Jungunternehmer Grabbe Lust und<br />
Elan, weitere hochwertige Uhrenmarken ins<br />
Fotos: Peter-Paul Reinmuth (oben, auch Titel), Grabbe (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 29<br />
Fotos: NOMOS Glashütte (oben), IWC (Mitte), Glashütte Original (unten)<br />
Sortiment zu nehmen. „Doch das war gar nicht so einfach, weil<br />
die Hersteller elitäre Ansprüche an die Ausstattung der Verkaufsräume<br />
hatten.“ Grabbe reagierte, übernahm die Geschäftsräume<br />
am Pferdemarkt 6, baute aufwendig um. Zu Glashütte<br />
Original, Ebel und Chopard gesellten sich nun auch Uhren von<br />
Breitling und IWC.<br />
Schnell tat sich ein neues Problem auf. Es fehlte an zahlungskräftiger<br />
Kundschaft. Allein vom Güstrower Umfeld konnte<br />
Grabbe nicht leben. Fortan packte er jedes zweite Wochenende<br />
seine schönsten Exponate ein und präsentierte sie und sich auf<br />
hochkarätigen Veranstaltungen – bei Bällen, Kundenevents in<br />
Autohäusern oder am Rande von Golfturnieren. „So habe ich<br />
die Marke Grabbe auch außerhalb Güstrows positioniert. Hätte<br />
ich das nicht getan, wäre ich längst pleite“, resümiert Grabbe.<br />
Diese Positionierung dauerte mehrere Jahre. „Bis zum Ende der<br />
1990er Jahre war es finanziell sehr schwer, da ich die Ware natürlich<br />
zeitnah bezahlen musste. Ich habe mich durchgekämpft<br />
und gespart wo ich konnte. Bis 2001 fuhr ich einen Fiat Punto,<br />
weil jede eingenommene Mark sofort ins Sortiment floss.“ Viele<br />
Uhrenhersteller honorierten Grabbes Engagement und drückten<br />
bei überschrittenen Zahlungsfristen auch mal ein Auge zu.<br />
Inzwischen ist Grabbe etabliert, er beschäftigt acht Mitarbeiter,<br />
darunter zwei Goldschmiedemeister. Seine Kunden kommen aus<br />
ganz Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, aber auch<br />
aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin. „Ein Vorteil für<br />
mich gegenüber der Konkurrenz in den großen Städten ist die<br />
Wertschätzung meiner Arbeit durch die Uhrenhersteller. Die<br />
drückt sich dadurch aus, dass sie mir mitunter größere Kontingente<br />
an limitierten Uhren zur Verfügung stellen, die sich oft<br />
leichter verkaufen lassen. Heute bin ich in der Lage, wirklich<br />
alles liefern zu können, auch Exponate, die es auf dem deutschen<br />
Markt nur ganz selten gibt“, so Grabbe.<br />
Aber Grabbe ist keiner, der sich auf dem Erfolg ausruht. Er bleibt<br />
am Ball und nah bei seinen Kunden. So kreiert er eigene Veranstaltungen<br />
– Weihnachtsfeiern, Golf- und Poloturniere und<br />
sogar eine Schleppjagd. Als Stargäste für das gutbetuchte Publikum<br />
zieht er dann auch mal Manfred Krug, Uschi Brüning,<br />
Alfons Schuhbeck oder Klaus Maria Brandauer aus dem Hut.<br />
„Mit diesen Events möchte ich meinen Kunden für ihre Treue<br />
danken und dafür, dass sie oft den weiten Weg nach Güstrow<br />
auf sich nehmen.“<br />
Uhren sind für Grabbe nicht Protzobjekte oder nutzloser Luxus.<br />
„Eine schöne Uhr steigert die Lebensfreude und wirkt dadurch<br />
in gewisser Weise gesundheitsfördernd. Zudem sind gute<br />
Uhren in unserer unsicheren Zeit eine sichere Wertanlage, die<br />
der nächsten Generation vererbt werden kann.“<br />
Karsten Hintzmann<br />
Uhrenempfehlungen von Thomas Grabbe<br />
Designklassiker<br />
Feinste Handarbeit aus Glashütte (Sachsen).<br />
Sie steht für NOMOS Glashütte: die Tangente.<br />
Jene runde Uhr mit den vielen rechten<br />
Winkeln, dieses Meisterstück an Geradlinigkeit,<br />
verkörpert die Glashütter Manufaktur,<br />
wirkt wie ein Logo für die Marke.<br />
Und seit 1992 schon läuft und läuft<br />
und läuft sie: Mehr als jede andere Uhr<br />
von NOMOS Glashütte hat sich dieses<br />
Modell die Bezeichnung „Designklassiker“<br />
verdient. Form und Qualität sind vielfach<br />
preisgekrönt.<br />
Preis: ab 1.320 €<br />
Für IWC-Einsteiger<br />
IWC ist eine weltweit anerkannte und geschätzte<br />
Manufaktur aus der Schweiz. Die Portofino<br />
Chronograph bringt eine sportliche<br />
Note in die Portofino-Familie. Ihre<br />
markanten Chronographendrücker<br />
erinnern an das Cockpit italienischer<br />
Sportwagen aus den 1960er-Jahren.<br />
Die Uhr mit gewölbtem Saphirglas<br />
und applizierten römischen Ziffern wird<br />
vom bewährten Automatikaufzug Kaliber<br />
75320 mit 44 Stunden Gangreserve angetrieben.<br />
Preis: ca. 5.200 €<br />
Spitzenklasse<br />
Der Senator Observer von Glashütte Original<br />
ist der perfekte Einstieg in die große Welt<br />
der Komplikationen. Also in die höchste<br />
Uhrmacherklasse. Das in Glashütte<br />
entwickelte und patentierte Panoramadatum<br />
ist in meinen Augen das<br />
Sinnvollste, womit eine hochwertige<br />
Armbanduhr ausgestattet sein<br />
sollte. Hervorragend ablesbar und<br />
optisch perfekt gelungen. Der neue<br />
Observer ist sowohl mit dem hellen,<br />
als auch mit dem anthrazitfarbenen Zifferblatt<br />
eine Uhr, die dem Träger jeden<br />
Tag Freude schenkt und die sehr werthaltig<br />
ist.<br />
Preis: ca. 9.500 €<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
30 | W+M Titelthema<br />
Er machte den Multicar weltmarktfähig<br />
Mit Walter Botschatzki startete das Unternehmen aus Waltershausen nach der <strong>Wende</strong> durch<br />
Der neue Multicar M27<br />
aus Waltershausen.<br />
Walter<br />
Botschatzki.<br />
Chef, Sie trauen sich<br />
was!“ Oft hörte Walter<br />
Botschatzki 1990<br />
diese Worte seiner Mitarbeiter.<br />
Denn der Betriebsdirektor<br />
des VEB<br />
Fahrzeugwerk Waltershausen,<br />
in dem der<br />
wendige Multicar entstand,<br />
unterschied sich<br />
in diesen Monaten auffallend<br />
von den meisten seiner Kollegen im<br />
IFA-Kombinat. Während sich andere „treiben<br />
ließen und auf Investoren warteten“, habe<br />
er „ein bisschen vorausgedacht“, erinnert<br />
sich der 70-Jährige. Ganz Ingenieur fragte<br />
er sich vom ersten Moment an: Wie machen<br />
wir unser Gefährt weltmarktfähig? Er wusste,<br />
dass es, auch wenn 80 Prozent in den Export<br />
gingen, in der aktuellen Version keine<br />
Zukunft hat. Es bedurfte neuer Zusatzfunktionen<br />
und eines moderneren Innenlebens.<br />
So schrieb er couragiert westliche Ausrüster<br />
an – und die reagierten auch, waren ihrerseits<br />
am ostdeutschen Markt interessiert.<br />
So schickte Rexroth Hydraulik, lieferte VW-<br />
Motoren, um den damaligen M25 zeitgemäß<br />
aufzupeppen.<br />
Und während andere Fahrzeughersteller im<br />
Osten ihre Direktoren in die Wüste schickten,<br />
trug es der Betriebsrat sogar mit, als Botschatzki<br />
und Manfred Windus – sein ebenfalls<br />
ostdeutscher Partner in der Geschäftsleitung<br />
– tausend der 1.200 Beschäftigten<br />
entlassen mussten. Nicht zuletzt seine<br />
menschliche Umsicht wie eine stets berechenbare<br />
Geradlinigkeit beeindruckten hierbei.<br />
„Man weiß immer, woran man bei ihm<br />
ist, kann sich auf ihn verlassen“, so die Arbeitnehmervertretung.<br />
So überlebte Multicar<br />
als einzige IFA-Marke.<br />
Dennoch war es nicht der Wunsch des damaligen<br />
Mittvierzigers, Unternehmer zu werden.<br />
Erst 1986 war er gegen anfängliches<br />
Sträuben vom Karosseriebau Aschersleben,<br />
wo er Technischer Direktor war, nach Waltershausen<br />
gewechselt. Und nun suchte auch<br />
er zunächst Käufer für die Multicar-Schmiede.<br />
Doch alle Großen, auch Mercedes-Benz,<br />
winkten ab. „Es hieß, mehr als 400 Wagen<br />
pro Jahr lassen sich nicht absetzen“, grinst<br />
er heute. Denn nun sind es jährlich 1.600<br />
Fahrzeuge, die immer stärker auch im Westen<br />
Käufer finden. Das Multitalent war bald<br />
in 15 Varianten zu haben, vom Ladekran bis<br />
zum Silostreugerät. Und der Kunde bekam<br />
stets „seine ganz individuelle Problemlösung<br />
– was er nicht brauchte, ließen wir weg“, so<br />
Botschatzki. Damit kostete die Basisversion<br />
halt nur die Hälfte eines Unimog. Rund<br />
70 Aufbauten bestellt das Multicar-Werk, das<br />
heute zur Hako-Gruppe gehört, übrigens im<br />
Thüringer Umland.<br />
Doch zunächst benötigte das Werk 1991 Geld,<br />
wenigstens zwölf Millionen Euro. Und neben<br />
der Beteiligungsgesellschaft der Deutschen<br />
Bank, die an das Konzept glaubte, sowie einem<br />
Waggonbauer aus Hannover erwarben<br />
auch Botschatzki und Windus je 10,5 Prozent<br />
– der Gegenwert eines properen Eigenheims.<br />
Die beiden Ostdeutschen wagten ein<br />
klassisches Management-Buy-out. Woher der<br />
Mut kam? Botschatzki schmunzelt: Er sei früher<br />
Wasserballer gewesen, Teamplayer also.<br />
Sicher könne man hier „leicht unter Wasser<br />
geraten – aber nur wenn man weniger Luft<br />
als der Gegner“ habe … Er hatte sie, auch<br />
als langjähriger Präsident des Verbandes der<br />
Wirtschaft Thüringens. Inzwischen agiert er<br />
im (Un)Ruhestand – etwa als Chef des Thüringer<br />
Schlitten- und Bobsportverbandes.<br />
Harald Lachmann<br />
Fotos: Hako-Gruppe (oben), Harald Lachmann (unten, auch Titel)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 31<br />
Liebe zum Lkw<br />
nicht geerbt<br />
Eine unverhoffte Chance ergab sich 1989 – der<br />
Rostocker Stephan Gustke wechselte in den Ein-<br />
Lkw-Transportbetrieb der Familie und entwickelte<br />
diesen zur Logistikfirma.<br />
Die frühen Lkw der Gustkes sind geschichtsbeladen. Das erste<br />
Fahrzeug nach Kriegsende war ein übrig gebliebener Wehrmacht-Lkw.<br />
„Mit dem ist mein Großvater neu gestartet, nachdem<br />
die Russen 1945 die zwei letzten Lastzüge seines Fuhrunternehmens<br />
beschlagnahmt hatten“, greift Stephan Gustke weit zurück in<br />
die Annalen der Rostocker Spedition Heinrich Gustke GmbH. Großvater<br />
Heinrich hatte 1933 in der Hansestadt seine Transportfirma<br />
gegründet. Stephan Gustke erzählt davon mit dem zeitlich bedingten<br />
Abstand des Enkels.<br />
Heinrich Gustke arbeitete in der jungen DDR mit ihrer politischen<br />
Doktrin des Volkseigentums als selbstfahrender Unternehmer. Viele<br />
Widrigkeiten waren zu umkurven. „Es war schwierig, an Aufträge zu<br />
kommen, da der Staat überall die Hand drauf hatte“, ergänzt Manfred<br />
Gustke. Der heute 75-Jährige hatte die Firma 1970 vom Gründer<br />
übernommen und unterstützt noch immer seinen Sohn Stephan<br />
in der Geschäftsführung. „Als kleiner Fuhrbetrieb wurden wir eher<br />
geduldet.“ Mit einem auffällig weiß-grün gestylten W50-Lkw, den er<br />
1983 schrottreif gekauft und aufwändig flottgemacht hatte, war er<br />
selbst jahrelang in der Republik unterwegs.<br />
Foto: Thomas Schwandt<br />
Stephan Gustke hört den Vater gern von früher erzählen. Dessen Faible<br />
für Lkw teilt er nicht. Er lernte in den 80er Jahren Tischler und<br />
machte seinen Meister. Doch mit der <strong>Wende</strong> 1989 in der DDR lenkte er<br />
beruflich um. „Das Unternehmen war da und plötzlich hatten wir die<br />
Chance, daraus mehr zu machen“, begründet er seinen Sinneswandel.<br />
Von Anfang an war klar, es nicht bei einem reinen Transportbetrieb<br />
zu belassen. „Ich wollte eine Spedition begründen. Dabei hatte<br />
ich gar keine Ahnung, wie das funktioniert, Güter disponieren,<br />
umladen, einlagern.“ Zufällig lernten Gustkes in den <strong>Wende</strong>jahren<br />
den Hamburger Spediteur Günter Dicks kennen. Dieser bot „ganz uneigennützig<br />
seine Hilfe“ an beim Start in die Marktwirtschaft. Bis<br />
1994 arbeitete Stephan Gustke bei Dicks und lernte, von Hamburg<br />
aus die Fahrten der wachsenden eigenen Lkw-Flotte zu dirigieren.<br />
Der erste neue Gustke-Lkw war ein Renault.<br />
Nach der Rückkehr an die Warnow beschleunigte Stephan Gustke den<br />
Ausbau der Spedition. Im Güterverkehrszentrum (GVZ) nahe Rostock<br />
Stemmt die Zukunft der Firma:<br />
Geschäftsführer Stephan Gustke.<br />
investierte der Familienbetrieb zwei Millionen D-Mark in eine Lagerhalle,<br />
Bürotrakt und Freiflächen. Der Fuhrpark ist bis dato auf 100<br />
Lkw gewachsen. Anders als für Vater Manfred sei für ihn ein Lkw nur<br />
ein „Ladegefäß“, offenbart der 46-Jährige freimütig. Die Konkurrenz<br />
auf der Straße ist zuletzt immer härter geworden. Auch deshalb sieht<br />
Stephan Gustke die Zukunft des Traditionsunternehmens verstärkt in<br />
der Logistik. Bereits in der Lager- und Entsorgungslogistik gut aufgestellt,<br />
kamen zuletzt ein Logistik-Terminal und ein Freilager im GVZ<br />
hinzu, das von lokalen Windkraftanlagenbauern genutzt wird. Seit<br />
zwei Jahrzehnten wirkt der Chef daran mit, dass sich die Transportfirma<br />
Gustke in dritter Generation zu einem führenden Logistikunternehmen<br />
in Norddeutschland gewandelt hat. Mit 210 Beschäftigten<br />
und einem Jahresumsatz von 16 Millionen Euro. Thomas Schwandt<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
32 | W+M Titelthema<br />
„Nichts ist selbstverständlich!”<br />
Mit diesem Motto hat Thomas Süß – Bauunternehmer und Betreiber<br />
eines Yachthafenresorts – Erfolg<br />
Vater 2012 mit 68 Jahren aus dem Unternehmen<br />
zurückzog, führte Thomas Süß die Firmengruppe<br />
zu 100 Prozent weiter. Fast wie<br />
selbstverständlich. So einfach wie hier die<br />
Nachfolge geklärt wurde, soll es auch künftig<br />
gehen. Thomas Süß hat mit seiner heute<br />
18-jährigen Tochter aus der geschiedenen<br />
Ehe vereinbart, dass sie zu seinem 50. Geburtstag,<br />
also in fünf Jahren, Bescheid gibt,<br />
ob sie die Nachfolge antreten will.<br />
Thomas Süß ist<br />
fast immer unterwegs.<br />
Thomas Süß ist eigentlich ein Glückspilz.<br />
Statt nach der Schule zu studieren,<br />
lernte er Ofensetzer und Fliesenleger<br />
– ein begehrter Beruf zu DDR-Zeiten<br />
mit besten Verdienstaussichten. Es geht ihm<br />
gut. Der Vater macht sich 1988, noch zu DDR-<br />
Zeiten, mit einer Straßen- und Tiefbau-Firma<br />
selbstständig, das war damals nicht so<br />
einfach. Er überredete seinen Sohn mitzumachen<br />
und Thomas macht, was Vater sagt<br />
und ist damit schon vor der <strong>Wende</strong> selbstständig.<br />
Die <strong>Wende</strong> selbst erlebt er während<br />
seiner Wehrpflicht als Grenzer bei der NVA in<br />
Eisenach, wo es nach dem Mauerfall plötzlich<br />
nichts mehr zu bewachen gab. Er wird deshalb<br />
schon nach zwölf statt 18 Monaten wieder<br />
nach Hause geschickt. So viel Glück hat<br />
nicht jeder gehabt, aber Thomas Süß verlässt<br />
sich nicht auf das Glück.<br />
Sein Lebensmotto lautet: „Nichts ist selbstverständlich!“<br />
Und damit fährt er gut. Im<br />
Jahr 1990 hat die Baufirma neben Vater und<br />
Sohn fünf Mitarbeiter. Umsatz etwa 500.000<br />
D-Mark. Heute beschäftigt Thomas Süß in<br />
seiner Gruppe 150 feste Mitarbeiter und<br />
macht einen Umsatz von rund 20 Millionen<br />
Euro. Aus dem einstigen Kleinunternehmen<br />
sind die Süß Bau GmbH, die BBI Service-<br />
Gesellschaft und das SBS Yachthafenresort<br />
Fleesensee entstanden. Nichts ist selbstverständlich.<br />
Nach Eintritt in die Firma des Vaters<br />
machte Thomas Süß eine fachspezifische<br />
Ausbildung als Fernstudium. Als sich sein<br />
Der heute 45-Jährige hat klare Vorstellungen<br />
und ist erfolgreich. Große Fehler meint<br />
er nicht gemacht zu haben, und aus den vielen<br />
kleinen habe er gelernt. Seine Prinzipien<br />
sind Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Zuverlässigkeit<br />
im Großen wie im Kleinen sowie<br />
eine enge Zusammenarbeit zwischen der<br />
Unternehmensführung und den Mitarbeitern.<br />
Ob er sich als ostdeutscher Unternehmer<br />
fühlt, kann er nicht sagen. Er ist Sachse<br />
und Leipziger, dazu steht er. Mit dem Ossi-<br />
Wessi-Gerede will er nichts zu tun haben. Er<br />
sieht sich als Unternehmer in einer gesellschaftlichen<br />
Verantwortung, die sich aber<br />
vornehmlich auf seine Mitarbeiter, deren Familien<br />
und die Unternehmensstandorte bezieht.<br />
Mit den Erscheinungen, dass Leute nur<br />
noch Spaß anstelle von Verantwortung wollen,<br />
hat er ein Problem. Er ist eben Unternehmer.<br />
Frank Nehring<br />
Das Yachthafenresort Fleesensee.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
MESSEN & VERANSTALTUNGEN 2014/2015<br />
03.10. – 05.10. 2014<br />
modell-hobby-spiel<br />
Ausstellung für Modellbau, Modelleisenbahn,<br />
kreatives Gestalten und Spiel<br />
www.modell-hobby-spiel.de<br />
24.10. – 26.10. 2014<br />
Designers’ Open<br />
Design Festival Leipzig<br />
www.designersopen.de<br />
27.10. – 29.10. 2014<br />
new mobility<br />
Mobilität neu denken<br />
www.new-mobility-leipzig.de<br />
27.10. – 29.10. 2014<br />
euregia<br />
Kommunal- und Regionalentwicklung in Europa –<br />
Fachmesse und Kongress<br />
www.euregia-leipzig.de<br />
04.11. 2014<br />
Absolventenmesse Mitteldeutschland<br />
www.absolventenmesse-mitteldeutschland.de<br />
06.11. – 08.11. 2014<br />
denkmal<br />
Europäische Messe für Denkmalpfl ege,<br />
Restaurierung und Altbausanierung<br />
www.denkmal-leipzig.de<br />
* nur für Fachbesucher · **Gastveranstaltung<br />
Auszug · Änderungen vorbehalten<br />
19.11. – 23.11. 2014<br />
Touristik & Caravaning International Leipzig**<br />
www.touristikundcaravaning.de<br />
27.01. – 29.01. 2015<br />
TerraTec<br />
Internationale Fachmesse für Umwelttechnik und<br />
-dienstleistungen<br />
www.terratec-leipzig.de<br />
27.01. – 29.01. 2015<br />
enertec<br />
Internationale Fachmesse für Energieerzeugung,<br />
Energieverteilung und -speicherung<br />
www.enertec-leipzig.de<br />
24.02. – 27.02. 2015<br />
Intec<br />
Internationale Fachmesse für Werkzeugmaschinen,<br />
Fertigungs- und Automatisierungstechnik<br />
www.messe-intec.de<br />
24.02. – 27.02. 2015<br />
Z<br />
Internationale Zuliefermesse für Teile,<br />
Komponenten, Module und Technologien<br />
www.zuliefermesse.de<br />
28.02. – 02.03. 2015<br />
CADEAUX Leipzig*<br />
Fachmesse für Geschenk- und Wohntrends<br />
www.cadeaux-leipzig.de<br />
www.leipziger-messe.de
34 | W+M Titelthema<br />
Deutsche Geschichte hautnah erlebt<br />
Frank Mangelsdorf ist am 9. November 1989 unmittelbar dabei, als – eher unbeabsichtigt –<br />
deutsche Geschichte geschrieben wird. Der damals 32 Jahre alte Redakteur der überregionalen<br />
DDR-Tageszeitung „Der Morgen“ nimmt an der legendären Pressekonferenz in Berlin teil, in der<br />
Politbüromitglied Günther Schabowski in holprigen Sätzen die Öffnung der Grenzen und die sofortige<br />
Reisefreiheit für alle DDR-Bürger verkündet.<br />
Von Karsten Hintzmann<br />
Frank Mangelsdorf bei einer Redaktionskonferenz der MOZ.<br />
Damals haben wir gar nicht sofort die<br />
Tragweite von Schabowskis Worten realisiert“,<br />
erinnert sich Mangelsdorf.<br />
„Das SED-Politbüro tagte in diesen Wochen<br />
permanent und jeden Tag fand eine Pressekonferenz<br />
statt, wo die neuesten Informationen<br />
aus dem Führungsgremium verkündet<br />
wurden. Als ich dann mit der Nachricht<br />
in die Redaktion kam, dass die Grenzen geöffnet<br />
werden, wurde im Spätdienst der Redaktion<br />
zunächst niemand atemlos. Der Spätdienstchef<br />
wollte erst mal abwarten, was die<br />
staatliche Nachrichtenagentur ‚ADN‘ dazu<br />
verlautbarte. Es herrschte damals eine große<br />
Agenturgläubigkeit.“<br />
Den Abend der Grenzöffnung verbringt er,<br />
genau wie die meisten anderen Redakteure,<br />
im Westteil Berlins. Mangelsdorf: „Am nächsten<br />
Morgen trafen wir uns alle wieder in der<br />
Redaktion – übernächtigt und von den neuen<br />
Entwicklungen elektrisiert. Wir schrieben<br />
eine große Geschichte über das in der<br />
Nacht Erlebte.“<br />
An Schlaf war auch in den folgenden Wochen<br />
kaum zu denken. Mangelsdorf und seine Kollegen<br />
wollten die spannende Zeit in all ihren<br />
Facetten abbilden. „Es herrschte eine wahnsinnige<br />
<strong>Aufbruch</strong>sstimmung, erstmals konnten<br />
wir in unserem Beruf frei von Tabus arbeiten“,<br />
sagt Mangelsdorf, der in Leipzig Journalismus<br />
studiert hatte und seit 1983 stellvertretender<br />
Nachrichtenchef beim „Morgen“<br />
war.<br />
Die politische <strong>Wende</strong> in der DDR deutete sich<br />
spätestens am 7. Oktober 1989 an, als sich<br />
die Gründung der DDR zum 40. Mal jährte.<br />
„Die Szenerie war gespenstisch – vor dem<br />
Palast der Republik riefen die Menschen<br />
‚Gorbi, Gorbi‘, während sich Honecker im<br />
Saal feiern ließ. Es war das letzte Aufbäumen,<br />
zehn Tage später wurde Honecker abgesetzt“,<br />
beschreibt Mangelsdorf die damaligen<br />
Ereignisse.<br />
Für den Ost-Berliner Journalisten Mangelsdorf<br />
boten sich durch den gesellschaftlichen<br />
Umbruch in der DDR plötzlich neue berufliche<br />
Perspektiven: „Ich war im Sommer 1990<br />
in der ARD-Sendung ‚Presseclub‘. Nach der<br />
Sendung sprach mich der Chefredakteur der<br />
Tageszeitung ‚Die Welt‘ an und bot mir einen<br />
Job an. Ich überlegte kurz und unterschrieb<br />
dann einen Arbeitsvertrag zum 1. September<br />
1990.“ Frank Mangelsdorf war der erste<br />
Journalist aus dem „Morgen“-Team, der zum<br />
Foto: MOZ<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 35<br />
Axel-Springer-Verlag wechselte. Ihm sollten<br />
nach der Einstellung des „Morgen” im Frühjahr<br />
1991 etliche Kollegen folgen.<br />
Bei seinem neuen Arbeitgeber wurde Mangelsdorf<br />
zunächst DDR-Korrespondent, nach<br />
der deutschen Wiedervereinigung dann Berichterstatter<br />
für die neuen Bundesländer.<br />
„Was mich besonders überraschte und positiv<br />
berührte, war die große Kollegialität im Korrespondentenbüro<br />
der ‚Welt‘. Die neuen Kollegen<br />
nahmen mich sofort als einen der ihren<br />
auf“, sagt er. Bis heute erinnert sich Mangelsdorf<br />
gern an diese umtriebige Zeit, in der<br />
er über die gesellschaftlichen Umbrüche zwischen<br />
Rostock und Gera, über Politbüro- und<br />
Mauerschützenprozesse berichtete.<br />
In den Folgejahren setzte sich Mangelsdorfs<br />
Weg fort. Als die „Welt“ 1993 mit ihrer<br />
Stammredaktion von Bonn nach Berlin umzog,<br />
berief die Chefredaktion Mangelsdorf<br />
zum Leiter der Berlin-Redaktion. Er war somit<br />
der erste „Ossi“, der es bei Springer zum<br />
Ressortleiter brachte.<br />
Anderthalb Jahre später warb ihn der Berliner<br />
„Tagesspiegel“ ab. Dort arbeitete er bis<br />
1997 als Ressortleiter für die Region Berlin-Brandenburg.<br />
Dann kam erneut der<br />
Springer-Verlag zum<br />
Zuge – Mangelsdorf<br />
übernahm für vier<br />
Jahre die Leitung<br />
der Lokalredaktion<br />
der „Berliner Morgenpost“.<br />
Nach einem<br />
einjährigen Intermezzo<br />
als Leiter<br />
des Parlamentsbüros<br />
der „Ostseezeitung“<br />
heuerte er schließlich<br />
im Jahr 2002<br />
als Chefredakteur<br />
Frank Mangelsdorf (r.) interviewte 1988 den Ständigen Vertreter<br />
der BRD in der DDR, Hans Otto Bräutigam (l.).<br />
bei der „Märkischen Oderzeitung“ (MOZ) in<br />
Frankfurt (Oder) an. Bis heute steht er an der<br />
Spitze dieses vorrangig in Ost- und Nordbrandenburg<br />
verbreiteten Regionalblattes mit 16<br />
Lokalteilen und ist somit einer der dienstältesten<br />
Chefredakteure in den neuen Bundesländern.<br />
Bei seinem Amtsantritt in der Stadt<br />
an der Grenze zu Polen spürte er schnell, dass<br />
sich die Stimmungslage der Menschen hier<br />
stark von der Euphorie in der Berliner Metropole<br />
unterschied. „Ich war betroffen – in<br />
dieser quasi vor den Toren Berlins gelegenen<br />
Region herrschte eine fast bedrückende<br />
Stimmung. Das Versprechen von den ‚blühenden<br />
Landschaften‘ hatte sich in Frankfurt<br />
und Umgebung eher nicht erfüllt. Viele<br />
Träume vom Wirtschaftsaufschwung, wie<br />
etwa die Projekte Chipfabrik oder Solar-City<br />
waren geplatzt und die Menschen entsprechend<br />
ernüchtert.“<br />
Vor diesem Hintergrund ist es für Mangelsdorf<br />
nicht leicht, den Kurs der MOZ als regionale<br />
Qualitätszeitung zu halten. „Sicher,<br />
auch unsere Auflage sinkt. Aber moderat.<br />
Diese durchaus erfreuliche Entwicklung hat<br />
einen Grund: Wir sind immer nah bei unseren<br />
Lesern und konzentrieren uns mit journalistischer<br />
Qualität aufs Kerngeschäft. Der Leser<br />
erfährt durch uns, was in seinem Ort, in seiner<br />
Region, in Berlin und Brandenburg passiert.<br />
Dieses Credo zieht sich durch das ganze<br />
Blatt. Daher haben wir wohl auch eine größere<br />
Akzeptanz als mancher Mitbewerber“,<br />
bilanziert Mangelsdorf.<br />
Fotos: MOZ (unten), Privat (oben)<br />
Frank<br />
Mangelsdorf im<br />
Gespräch mit<br />
dem langjährigen<br />
Brandenburger<br />
Ministerpräsidenten<br />
Matthias<br />
Platzeck und<br />
dessen Ehefrau.<br />
Im Gegensatz zu anderen schreibenden Zeitgenossen<br />
glaubt Chefredakteur Mangelsdorf<br />
fest an die Zukunft der Printmedien: „Wir<br />
beobachten gerade einen Kulturwandel. Das<br />
Internet boomt, überschüttet uns mit Nachrichten,<br />
und gleichzeitig werden die Zeitungen<br />
totgesagt. Aber die Zeitung wird überleben,<br />
solange sie Qualitätsjournalismus bietet.<br />
Sie muss nur tagtäglich mit fundierter<br />
Arbeit und sauber recherchierten Nachrichten,<br />
Kommentaren und Hintergrundbeiträgen<br />
den Nachweis erbringen, dass sie gebraucht<br />
wird.“<br />
W+M<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
36 | W+M Titelthema<br />
KAHLA touch!<br />
Das Porzellan mit der<br />
samtweichen<br />
Oberflächengestaltung.<br />
KAHLA: Innovative Porzellan-<br />
Tradition ohne Kaffeekannen<br />
Holger Raithel ist 42 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Jena. Bereits mit drei Jahren<br />
will er Erfinder werden. Heute leitet er die KAHLA Thüringen Porzellan GmbH mit dem Anspruch,<br />
innovativster Porzellanhersteller Deutschlands zu sein. In diesem Jahr feiert KAHLA 170<br />
Jahre Firmengeschichte und den 20. Geburtstag seit der Neugründung. Von Frank Nehring<br />
Den Mauerfall vor 25 Jahren erlebt Holger Raithel als 17-Jähriger<br />
wie so viele grenznahe Franken durch den endlosen Strom<br />
der DDR-Bürger in ihren Trabis, die endlich den Westen erkunden<br />
wollen. Er nimmt das damals unfassbare Ereignis in unmittelbarer<br />
Umgebung wahr.<br />
Nicht weniger, aber auch<br />
nicht mehr.<br />
Dagegen startet Vater Gün t her<br />
Raithel zu dieser Zeit noch<br />
einmal richtig durch. Er erwirbt<br />
KAHLA, den einstigen<br />
Porzellanriesen aus DDR-Tagen,<br />
der nur zwei Jahre nach<br />
erfolgter Privatisierung pleite<br />
gegangen war. Sohn Holger<br />
Raithel zollt seinem Vater<br />
heute großen Respekt.<br />
„Es gehörte schon viel Mut<br />
dazu. Mehr noch, neben der<br />
vielen Arbeit gab es das volle<br />
finanzielle Risiko, sich in<br />
einem Unternehmen zu engagieren,<br />
dem alle Märkte weggebrochen<br />
waren, das über veraltete Anlagen und Technik verfügte,<br />
keine spannenden Produkte hatte und dem jede Idee für eine Perspektive<br />
fehlte.“<br />
Holger Raithel (l.) mit seinen Eltern Rositta und Günther Raithel.<br />
Günther Raithel hat nicht nur eine Idee, sondern auch die so wichtige<br />
Branchenkenntnis. Über 30 Jahre war er bei Rosenthal Porzellan,<br />
zuletzt als Vorstand für Personal und Werke. So verfügt er über<br />
das Wissen und die Erfahrung, das Potenzial der 300 verbliebenen<br />
KAHLA-Mitarbeiter zu erkennen und sich mit ihnen zu arrangieren.<br />
15 Jahre nach der <strong>Wende</strong> kommt Sohn Holger Raithel ins Spiel. Er<br />
hat erfolgreich Physik studiert und komplexe Erfahrungen als Unternehmensberater<br />
gesammelt. Jetzt spürt er – nach Jahren des Angestelltendaseins<br />
– den Wunsch nach Selbstverwirklichung, hat Lust<br />
auf mehr Verantwortung. 2004 ist er reif für KAHLA. Für seinen<br />
Einstieg bei KAHLA hat er klare Vorstellungen: „Ich beginne als Assistent<br />
der Geschäftsleitung, verschaffe mir einen Überblick, steige<br />
in Projekte ein und will dann die volle Verantwortung.“ Die Familie,<br />
allen voran der von den Mitarbeitern<br />
verehrte Günther<br />
Raithel, stimmt dem zu. So<br />
wird Holger Raithel im April<br />
2005 Geschäftsführender<br />
Gesellschafter. Klug genug,<br />
Erreichtes nicht infrage<br />
zu stellen, bringt der damals<br />
33-Jährige mit seiner analytischen<br />
Art, der Kreativität<br />
des Physikers und seinen persönlichen<br />
Erfahrungen den<br />
Turbo in die Entwicklung von<br />
KAHLA. „Wir wollen das innovativste<br />
Unternehmen der<br />
deutschen Porzellanindustrie<br />
sein“, verkündet Raithel<br />
und macht Ernst damit. Für<br />
Innovationen sind Produktneuheiten<br />
wichtig und Traditionsbrüche<br />
erlaubt. „Wir waren die ersten, die keine Kaffeekannen<br />
mehr herstellten und damit auf vollstes Unverständnis im Handel<br />
trafen, waren es doch gerade die Kannen, die das Service und seine<br />
Form bestimmten. Aber wer braucht im Zeitalter von Kaffeemaschinen<br />
noch Kaffeekannen?“ Die Erweiterung des Geschäftsfelds Haushaltsporzellan<br />
um die Bereiche Hotellerie/Gastronomie sowie Artvertising<br />
für Industriekunden werden beschleunigt. Tolle Produktideen,<br />
wie das individuell beschreibbare Porzellan (Note), das nicht<br />
mehr klappernde, rutschfeste Geschirr (Magic Grip) und die nie zu<br />
heiße Teetasse (touch!) sind beste Beispiele für die neue Strategie.<br />
Mit Holger Raithel an der Spitze ist die Unternehmensnachfolge bei<br />
KAHLA gelungen. Und der gebürtige Franke versteht sich heute ganz<br />
selbstverständlich als ostdeutscher Unternehmer.<br />
W+M<br />
Fotos: Kahla<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 37<br />
Weil Sie wissen, was in Ihrer Firma<br />
am wichtigsten ist.<br />
Die Versicherungen<br />
der Sparkassen<br />
Wir beraten Sie und helfen Ihnen mit unseren Produkten dabei, Ihre Fachkräfte und Spezialisten zu motivieren und<br />
langfristig zu binden. Informieren Sie sich in einer unserer Geschäftsstellen. Wenn’s um Geld geht – Sparkasse.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
38 | W+M Titelthema<br />
Gelenkwellen in alle Welt<br />
Nach der <strong>Wende</strong> galt das Gelenkwellenwerk Stadtilm als nicht privatisierbar. Martin Röder hat es<br />
dennoch gewagt. Heute exportiert sein Unternehmen in 48 Länder. Eine Thüringer Erfolgsgeschichte.<br />
Von Matthias Salm<br />
Martin Röder sitzt wieder einmal auf<br />
gepackten Koffern. Sein Reiseziel<br />
diesmal: die USA. „Flughafen, Hotel,<br />
Firmenbesuch, dann geht es weiter in die<br />
nächste Stadt“, schildert der 63-jährige Unternehmer<br />
sein dicht gedrängtes Programm,<br />
bei dem er aber bei aller Terminhatz immer<br />
versucht, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch<br />
zu kommen, um ein Gefühl für Land<br />
und Leute zu entwickeln. Weitere geplante<br />
Reisen nach Japan, eventuell Russland oder<br />
China füllen Röders Terminkalender bis zum<br />
Ende des Jahres. Auch in Zeiten weltumspannender<br />
multimedialer Vernetzung weiß der<br />
eingefleischte Mittelständler den Wert persönlicher<br />
Kontakte im Geschäftsleben weiterhin<br />
zu schätzen. Und nicht nur er: „Die<br />
japanischen Kunden beispielsweise“, so seine<br />
Erfahrung, „wollen einmal im Jahr den<br />
Chef sehen.“<br />
Der Chef – das ist an der Spitze der Gelenkwellenwerk<br />
Stadtilm GmbH (GEWES) seit 1994<br />
Martin Röder. „Ein bisschen blauäugig vielleicht,<br />
aber auch getragen von der Euphorie<br />
jener Zeit“, so bewertet der erfolgreiche<br />
Mittelständler rückblickend seinen Kraftakt,<br />
das Gelenkwellenwerk in Stadtilm vier<br />
Jahre nach der Deutschen Einheit vor dem<br />
sicheren Aus zu retten. Denn eigentlich hatte<br />
Röder mit der Privatisierung eines nahe gelegenen<br />
Landtechnikbetriebes schon seine<br />
Aufgabe gefunden. Als der damalige Betriebsleiter<br />
der GEWES ihn eindringlich um<br />
Hilfe bat, kam Röder dennoch nicht umhin,<br />
jenes Werk zu übernehmen, bei dem viele andere<br />
Interessenten zuvor schon alleine wegen<br />
der schieren Größe mit rund 1.800 Mitarbeitern<br />
abgewunken hatten.<br />
Entscheidung mit Risiko<br />
Es wird wohl jene motivierende Mischung aus<br />
persönlichem Ehrgeiz, <strong>Aufbruch</strong>stimmung<br />
und Heimatverbundenheit gewesen sein,<br />
die Röder zu diesem Wagnis verleitet hat.<br />
Mittelständler mit Leib und Seele:<br />
GEWES-Chef Martin Röder.<br />
Schließlich bestimmte die Gelenkwellenproduktion<br />
das Leben in der thüringischen<br />
Kleinstadt, seit das Werk im Kriegsjahr 1942<br />
hierhin verlegt wurde. Zu DDR-Zeiten entwickelten<br />
und produzierten die Stadtilmer<br />
Gelenkwellen für Nutzfahrzeuge, Busse und<br />
Traktoren. Auch zu jener Zeit pflegten die<br />
Thüringer schon ihre internationalen Kontakte.<br />
So sorgten beispielsweise in finnischen<br />
Traktoren Gelenkwellen von der Ilm<br />
für den nötigen Antrieb.<br />
Eine Million D-Mark musste Röder bei der Privatisierung<br />
als Kaufpreis aufbringen, weitere<br />
rund 7,8 Millionen D-Mark flossen in die anschließende<br />
Modernisierung. „In der ersten<br />
Zeit haben wir vor allem Kosten produziert“,<br />
erinnert sich der GEWES-Geschäftsführer an<br />
die schwierigen Startbedingungen. Dank der<br />
Einkaufsoffensive Ost der damaligen Bun-<br />
Vollautomatische<br />
Produktion bei der<br />
GEWES GmbH.<br />
Fotos (auch Titel): GEWES GmbH<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 39<br />
Foto: GEWES GmbH<br />
desregierung gelang es Röder aber schnell,<br />
erste Beziehungen zu Automobilherstellern<br />
wie Daimler und Opel, ebenso wie zur<br />
Deutschen Bahn AG zu knüpfen. In den Folgejahren<br />
hat sich das Kundenspektrum kontinuierlich<br />
erweitert. Zu den Herstellern von<br />
Nutz- oder Schienenfahrzeugen gesellte sich<br />
die Schiffbauindustrie, später der Maschinenbau.<br />
Gelenkwellen aus Stadtilm kommen<br />
heute so auch in Walzanlagen und Papiermaschinen<br />
zum Einsatz.<br />
Insgesamt fertigen die mittlerweile wieder<br />
400 Mitarbeiter der GEWES Gelenkwellen,<br />
Doppelgelenkwellen, Antriebswellen und<br />
Präzisionsdrehteile für über 500 Kunden<br />
weltweit. Mit den thüringischen Qualitätsprodukten<br />
rollen die Züge der chinesischen<br />
Staatsbahn durch das Reich der Mitte, laufen<br />
Pumpen in der US-amerikanischen Ölindustrie<br />
auf Hochtouren und werden in Japan<br />
Schiffe angetrieben. Eine ständige innovative<br />
Weiterentwicklung der Produkte ist<br />
dabei oberste Maxime der GEWES: „Die leistungsstärkste<br />
Gelenkwelle, die wir gegenwärtig<br />
bauen, hat einen Antrieb von 600.000<br />
Newtonmetern“, erklärt Röder, „aber derzeit<br />
arbeiten wir an einem Antrieb von 750.000<br />
Newtonmetern.“<br />
Qualität setzt dich durch<br />
Dass Röder trotz aller Rastlosigkeit in sich zu<br />
ruhen scheint, mag in seinen festen Überzeugungen<br />
begründet sein. Eine davon: Qualität<br />
setzt sich durch – nicht ohne Stolz verweist<br />
der GEWES-Chef darauf, dass sein Unternehmen<br />
bei Kunden wie der Deutschen Bahn AG<br />
oder der Rolls Royce Group als Q1-Lieferant<br />
gelistet ist. Für Röder der wesentliche Grund,<br />
warum sich der Thüringer Mittelständler im<br />
weltweiten Wettbewerb gegen preiswertere<br />
Konkurrenz aus Fernost bisher stets behaupten<br />
konnte.<br />
Dass man bei allen Erfolgen gerade im Auslandsgeschäft<br />
immer wieder Rückschläge<br />
einkalkulieren muss, will der mehrfach, unter<br />
anderem mit dem Bundesverdienstkreuz<br />
oder dem Großen Preis des Mittelstandes,<br />
ausgezeichnete Familienunternehmer aber<br />
nicht verhehlen. Gerade erst erlebt Röder<br />
wieder die Fährnisse des Exporthandels am<br />
eigenen Leib: Die Lieferungen nach Russland<br />
liegen wegen der politischen Großwetterlage<br />
auf Eis – ein Fehler, wie es Röder aus unternehmerischer<br />
Sicht bewertet, denn Russland<br />
sei wie der arabische Raum, China, Brasilien<br />
oder Südafrika ein Zukunftsmarkt, nicht nur<br />
für sein Unternehmen.<br />
Der Region verpflichtet<br />
Bei aller Internationalität: Röder ist 1994 angetreten,<br />
um Arbeitsplätze in seiner Heimatregion<br />
zu sichern. Daran hat sich auch mehr<br />
als 20 Jahre nach der Privatisierung nichts<br />
geändert. „Einen besseren Standort kann ich<br />
mir nicht vorstellen“, lautet Röders Bekenntnis<br />
zur Mitte Deutschlands. Anwandlungen,<br />
wie andere Mittelständler Teile der Produktion<br />
ins Ausland zu verlegen, haben ihn folglich<br />
nie überkommen. „Damit schwäche ich<br />
nur die Region“, wehrt Röder ab. Den Lohn<br />
dieser Standorttreue erfährt er schließlich<br />
täglich im Unternehmen, in dem die Fluktuation<br />
der Mitarbeiter äußerst gering ist.<br />
„Die Mitarbeiter drehen sich nicht ab, wenn<br />
der Chef durch die Produktion geht, wie es<br />
in manch anderem Unternehmen zu beobachten<br />
ist“, freut sich Röder über das gute Betriebsklima,<br />
das die GEWES seit Jahren auszeichnet.<br />
Auch wenn die Nachfolge in der Familie bereits<br />
geregelt wurde – beide Schwiegersöhne<br />
sind schon in leitender Funktion im Unternehmen<br />
tätig –, steht der Ruhestand für<br />
den umtriebigen 63-Jährigen noch nicht zur<br />
Debatte. Schließlich ist Röders Rat über das<br />
Unternehmen hinaus gefragt – was sich vor<br />
allem an seinen zahlreichen Ehrenämtern ablesen<br />
lässt. Aber auch hier verfolgt Röder ein<br />
ehrgeiziges Ziel: „Jedes Jahr ein Ehrenamt<br />
abgeben – das habe ich meiner Frau versprochen.“<br />
W+M<br />
Qualität für den Weltmarkt –<br />
made in Thüringen.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
40 | W+M Titelthema<br />
Der Retter des Fernsehens in<br />
Berlin-Adlershof<br />
Hans-Peter Urban ist es nicht nur maßgeblich zu verdanken, dass der Fernsehstandort Berlin-<br />
Adlers hof heute zu den modernsten TV-Zentren Deutschlands zählt, sondern dass überhaupt<br />
noch bewegte Bilder auf dem Gelände des ehemaligen DDR-Fernsehens im Südosten Berlins<br />
produziert werden.<br />
Von Karsten Hintzmann<br />
Am Ende seines ersten Berufslebens war<br />
der gebürtige Zeitzer Hans-Peter Urban<br />
45 Jahre alt. Nach einem erfolgreichen<br />
Nachrichtentechnik-Studium hatte<br />
er in Adlershof das Fernsehhandwerk von<br />
der Pike auf gelernt und es bis zum Chef der<br />
Studiotechnik des DDR-Fernsehens gebracht,<br />
dem die gesamte Technik und alle Liegenschaften<br />
des Staatssenders unterstanden.<br />
Dann wurde Urban im Jahr 1990, wie der gesamte<br />
Deutsche Fernsehfunk, vom „Rundfunkbeauftragten<br />
der neuen Bundesländer“,<br />
dem Münchner Rudolf Mühlfenzl abgewickelt.<br />
Hans-Peter Urban erinnert sich bis<br />
heute gut daran, was er Mühlfenzl zum Abschied<br />
mit auf den Weg gab: „Ich werde in<br />
Adlershof wieder Fernsehen machen, ob Ihr<br />
das wollt oder nicht!“<br />
Dieses Versprechen sollte für Urban zur inneren<br />
Richtschnur werden. Zunächst zog es<br />
ihn jedoch nach Hamburg, er stieg dort bei<br />
Studio Hamburg als Planungsingenieur in<br />
einem angeschlossenen Planungsbüro ein.<br />
Sein Team baute fast alle Landesfunkhäuser<br />
und die Zentrale des neu entstehenden<br />
Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) auf.<br />
Dabei kamen Hans-Peter Urban alte Kontakte<br />
aus DDR-Zeiten zugute, denn beim MDR waren<br />
viele Ex-Kollegen aus Adlershof untergekommen.<br />
Die Zufriedenheit beim MDR über<br />
die qualitativ hochwertige Aufbauarbeit von<br />
Urbans Mannschaft beförderten den schnellen<br />
Aufstieg in Hans-Peter Urbans zweitem<br />
Berufsleben – bereits nach zwei Jahren<br />
wurde er Geschäftsführer. In der Folge plante<br />
Urban die technischen Einrichtungen der<br />
Fernsehsender Arte, VOX<br />
und RTL sowie SAT.1.<br />
„Das waren wirklich intensive<br />
und gute Jahre.<br />
Doch irgendwann erinnerte<br />
ich mich an mein<br />
altes Versprechen und<br />
in Hamburg gab es zum<br />
Glück kluge Leute, die<br />
wussten, welche Bedeutung<br />
Berlin in der deutschen<br />
Medienlandschaft<br />
erlangen würde“, so<br />
Hans-Peter Urban. Also<br />
ging er im Jahr 1997<br />
zurück nach Berlin. Er<br />
wurde Vorsitzender der<br />
Geschäftsführung der Berlin-Brandenburg<br />
Media GmbH, einer 100-prozentigen Tochter<br />
von Studio Hamburg. Eine seiner ersten<br />
Amtshandlungen bestand darin, Grundstücke<br />
auf dem Gelände des früheren DDR-Fernsehfunks<br />
zu kaufen. „Wir mussten nicht bei<br />
null anfangen, da die alten Fernsehstudios<br />
von der Abrisswut der Nachwendezeit verschont<br />
geblieben und somit gute Produktionsbedingungen<br />
vorhanden waren“, erinnert<br />
sich Urban. Allerdings waren noch ideologische<br />
Hürden zu überspringen. „Es gab erhebliche<br />
Vorbehalte gegenüber Adlershof.<br />
Anfangs wollte niemand dort produzieren, wo<br />
früher Karl-Eduard von Schnitzlers ‚Schwarzer<br />
Kanal‘ gedreht worden war.“<br />
Fernsehmacher<br />
Hans-Peter Urban<br />
im Gespräch mit<br />
Sabine Christiansen.<br />
Zwei Ereignisse verhalfen Adlershof schließlich<br />
zum nachhaltigen TV-Comeback: Urban<br />
gelang es, im Jahr 2002 das erste TV-Duell<br />
von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und<br />
CSU-Herausforderer Edmund Stoiber nach<br />
Adlershof zu holen. Wenig später zeigte sich<br />
dann auch noch Filmproduzent Bernd Eichinger<br />
begeistert von der Studiolandschaft in<br />
Adlershof. Dort hatte er maßgeblich den<br />
Streifen „Resident Evil“ gedreht. Gegenüber<br />
der Süddeutschen Zeitung schwärmte Eichinger,<br />
er habe zwar schon auf der ganzen Welt<br />
gearbeitet, nirgends jedoch unter so professionellen<br />
Bedingungen wie in Adlershof. Hans-<br />
Peter Urban: „Das war die Generalzündung<br />
für Adlershof.“<br />
Seither wurde weiter in Adlershof investiert,<br />
so dass es heute der modernste und größte<br />
Fernsehproduktionsstandort in Deutschland<br />
ist. Hans-Peter Urban, inzwischen 70 Jahre<br />
alt, hat diese Entwicklung bis Ende 2011 geleitet.<br />
W+M<br />
Foto: Privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Macher des <strong>Aufbruch</strong>s | 41<br />
Ostdeutschland 25 Jahre<br />
nach dem Mauerfall:<br />
Immer mehr<br />
Licht, immer<br />
weniger Schatten<br />
Foto: ifo Dresden, Graphik: Peter Menne<br />
Betrachtet man heute Fotos aus der untergegangenen<br />
DDR, so mag man kaum<br />
glauben, dass diese Bilder erst 25 Jahre<br />
alt sind. Grautöne und Freudlosigkeit dominieren:<br />
Verfall allerorten, hart der Alltag,<br />
perpektivlos die Zukunft – wie anders sieht<br />
es doch heute aus! Tatsächlich gibt es inzwischen<br />
die „blühenden Landschaften“ in den<br />
neuen Ländern, und es sind nicht zuvorderst<br />
Disteln, die da auf aufgelassenen Industriebrachen<br />
blühen.<br />
Die statistischen Fakten bestätigen diese<br />
Einschätzung: Die wirtschaftliche Leistungskraft<br />
(gemessen am preisbereinigten<br />
Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigem)<br />
liegt heute rund doppelt so hoch wie im Jahr<br />
1991, die verfügbaren Haushaltseinkommen<br />
je Einwohner sind seither sogar um mehr als<br />
110 Prozent gestiegen.<br />
Weniger günstig<br />
ist die Situati-<br />
on am Arbeitsmarkt;<br />
dennoch<br />
ist<br />
auch<br />
hier eine Ent-<br />
spannung fest-<br />
zustellen. Denn<br />
die Arbeitslosen-<br />
quote ist seit ih-<br />
rem<br />
Höchststand<br />
von knapp 20 Prozent<br />
im Jahr 2005 auf<br />
inzwischen nur<br />
noch rund<br />
zehn<br />
Prozent gefallen, das Beschäftigungsniveau<br />
nähert sich – auf die Zahl der Einwohner bezogen<br />
– wieder dem Wert des Jahres 1991<br />
und überschreitet diesen vereinzelt sogar<br />
bereits. Hinzu kommen die unübersehbaren<br />
Erfolge bei der Sanierung der Infrastruktur,<br />
dem Wiederaufbau der Städte und der Verbesserung<br />
der Umweltqualität. Und auch ein<br />
Vergleich mit anderen Ländern im Osten Europas,<br />
die von einem ähnlichen Ausgangsniveau<br />
gestartet sind, zeigt eindrücklich, dass<br />
der „Aufbau Ost“ als Erfolgsgeschichte gewertet<br />
werden muss.<br />
Unbestritten ist: Es sind Fehler bei der Erneuerung<br />
der Wirtschaftsstruktur in Ostdeutschland<br />
gemacht worden, die bis heute nachwirken.<br />
Auch deswegen haben sich nicht alle<br />
hochfliegenden Erwartungen der Anfangsjahre<br />
tatsächlich erfüllen können. Auch ist<br />
der Abstand bei wichtigen Kenngrößen zwischen<br />
Ost- und Westdeutschland immer noch<br />
groß, aber dies relativiert sich, wenn man die<br />
aggregierte Ebene verlässt und „ähnliche“<br />
Regionen in Ost und West betrachtet: Richtiger<br />
Vergleichsmaßstab für Ostdeutschland<br />
als Ganzes ist ja nicht „der Westen“ mit seinen<br />
Zentren wirtschaftlicher Aktivität vor<br />
allem in Bayern und Baden-Württemberg;<br />
sinnvoller erscheint vielmehr ein Vergleich<br />
mit strukturschwächeren Ländern und Regionen<br />
in Westdeutschland, und gemessen<br />
hieran ist der verbleibende Rückstand des<br />
Ostens nur noch gering. Es gibt sogar eine<br />
ganze Reihe von Landkreisen in Ostdeutschland,<br />
die hinsichtlich Wirtschaftskraft und<br />
Arbeitsmarktsituation heute besser dastehen<br />
als die schwächeren Landkreise in Westdeutschland<br />
– manches spricht dafür, dass<br />
der Aufholprozess hier auch in Zukunft weitergeht.<br />
Und es gibt Unternehmen, die in ihrem<br />
Marktsegment inzwischen zu den etablierten<br />
Weltmarktführern zählen und auf stabilem<br />
Wachstumskurs sind. Wer hätte sich<br />
das vor 25 Jahren vorstellen können?<br />
Erreicht worden ist dies zum einen durch das<br />
Engagement der Menschen in Ostdeutschland,<br />
zum anderen aber auch durch die beispiellose<br />
finanzielle Unterstützung aus den<br />
alten Bundesländern. Damit der Erfolgsfaden<br />
nicht abreißt, ist beides auch weiterhin erforderlich;<br />
Schlüssel für eine fortgesetzt positive<br />
Entwicklung ist dabei Forschung und<br />
Innovation. Erst wenn in einigen Jahren der<br />
Solidarpakt II endgültig ausläuft, werden die<br />
ostdeutschen Länder auf eigenen Füßen stehen<br />
müssen – sie werden es dann aber sicherlich<br />
auch können.<br />
Prof. Dr. Joachim Ragnitz<br />
Prof. Dr. Joachim Ragnitz<br />
Seit 2007 ist der 1960 in Nordhorn (Niedersachsen)<br />
geborene Joachim Ragnitz<br />
stellvertretender Geschäftsführer der<br />
Nie derlassung Dresden des ifo-Instituts<br />
für Wirtschaftsforschung. Zudem ist er<br />
Lehrbeauftragter an der Technischen Universität<br />
Dresden, wo er 2011 zum Honorarprofessor<br />
ernannt wurde.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
42 | W+M Länderreport<br />
Forscher am Fraunhofer IFF programmieren für das Unternehmen SM Calvörde<br />
die Steuerung einer Punktschweißmaschine am virtuellen Modell.<br />
Auf dem Weg zur digitalen Fabrik<br />
Die Produktion der Zukunft muss intelligent, wandelbar, effizient und nachhaltig sein. Das intelligente<br />
Werk leistet Pionierarbeit. Mit Chancen auch für Sachsen-Anhalt.<br />
Von Dana Micke<br />
In der intelligenten Fabrik der Zukunft sprechen<br />
Maschinen miteinander, Förderbänder<br />
denken mit und Produkte finden wie von<br />
selbst den besten Weg durch die Produktion.<br />
So vereinfacht sagt das niemand, aber so<br />
muss man sich das vorstellen. Das Werkstück<br />
soll „mitdenken“. Es kennt seine Konfiguration<br />
und seinen Empfänger. Es löst Materialbestellungen<br />
ebenso aus, wie es sich zum richtigen<br />
Auftraggeber lotst. Hochentwickelte<br />
Software arbeitet mit Hightech-Maschinen.<br />
Zusammen treffen sie Entscheidungen und<br />
minimieren menschliche Fehlerquellen. Von<br />
einem neuen industriellen Zeitalter ist die<br />
Rede, von der Industrie 4.0, die die virtuelle<br />
mit der realen Fertigungswelt verbindet. Das<br />
bedeutet die völlige Umkehrung der bisherigen<br />
Produktionslogik, die Maschinen vernetzen<br />
sich untereinander, und das Ganze passiert<br />
nicht mehr zentral gesteuert, sondern<br />
völlig autonom.<br />
Eine digitale Fabrik – und der Mensch als<br />
„Problemlöser“ mittendrin. „Wir befinden<br />
uns auf einem guten Weg, die digitale Fabrik<br />
Wirklichkeit werden zu lassen“, sagt Professor<br />
Michael Schenk, Leiter des Fraunhofer-<br />
Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung<br />
IFF. Das Magdeburger Forschungsinstitut<br />
entwickelt bereits seit Jahren erfolgreich<br />
digitale Technologien für den Einsatz im gesamten<br />
Produktionsprozess. „Gemeinsam mit<br />
vielen Unternehmen konnten wir so bereits<br />
große Fortschritte bei der Etablierung von<br />
Methoden, Technologien und Anwendungen<br />
der digitalen Fabrik erzielen. Im Ergebnis<br />
führt das stets zu immensen Produktivitäts-<br />
und Effizienzfortschritten in den Betrieben“,<br />
so Professor Schenk.<br />
Innovativ. Kompetent. Engagiert. Das ist<br />
der Anspruch des Fraunhofer IFF. Hier zwei<br />
„Kostproben“:<br />
Falls Erdgasbohrungen verwässern, strömt<br />
kein Gas mehr heraus. Abhilfe schafft eine<br />
mobile Freiförderanlage, wie sie von der<br />
Fangmann Energy Services GmbH & Co. KG<br />
Foto: Fraunhofer IFF<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Sachsen-Anhalt | 43<br />
in Salzwedel eingesetzt wird. Doch sie zu bedienen,<br />
ist nicht ungefährlich. Wie aber kann<br />
man Mitarbeiter sicher anlernen? In digitalen<br />
Lernmodulen wird das Montieren und Bedienen<br />
der Anlage trainiert, ohne sich und<br />
die teure Technik zu gefährden. Forscher des<br />
Fraunhofer IFF haben zu diesem Zweck eine<br />
virtuell-interaktive Lernanwendung erstellt.<br />
Geschäftsführer Steffan Gerdes ist begeistert:<br />
„Die Qualifizierung unserer Mitarbeiter<br />
erreicht jetzt eine neue Qualität.“ Durch die<br />
dreidimensionale Darstellung können sie in<br />
die Anlage quasi hineintauchen und realistisch<br />
trainieren.<br />
Im Sondermaschinenbau ist die Programmierung<br />
und Vorabsimulation von komplexen<br />
Maschinenabläufen eine große Herausforderung.<br />
Das Unternehmen Sondermaschinenbau<br />
Calvörde, spezialisiert auf<br />
Schweißanlagen für Großbauteile im Schienenfahrzeugbau,<br />
hat dafür das Fraunhofer<br />
IFF ins Boot geholt. Die Fraunhofer-Spezialisten<br />
haben dabei geholfen, eine komplexe<br />
Punktschweißmaschine mit bis zu 16 CNC-<br />
Achsen in kürzester Zeit vorab virtuell in Betrieb<br />
zu nehmen. Mit deren Digital-Engineering-Werkzeugen<br />
konnten die Anlagenbauer<br />
die Maschine noch vor dem Bau über eine reale<br />
Steuerung programmieren und den komplexen<br />
Anlagenlauf in Echtzeit virtuell 1:1<br />
simulieren. Das ermöglicht neben dem Test<br />
des Anlagenbauers auch dem späteren Betreiber<br />
realitätsgetreue Trockenübungen, ohne<br />
dabei Maschine oder Material zu gefährden.<br />
Professor<br />
Michael Schenk,<br />
Institutsleiter des<br />
Fraunhofer IFF in<br />
Magdeburg.<br />
Wie intelligente Logistik funktionieren<br />
kann, sieht man in Haldensleben. Jedenfalls<br />
da, wo Hermes Fulfilment einen Großteil<br />
des Distanzhandels der Otto Group, aber auch<br />
externer Kunden logistisch abwickelt: Das<br />
automatische Retourenlager (ARL) im Versandzentrum<br />
– das größte seiner Art weltweit<br />
– verfügt über 175.000 Wannenplätze<br />
für etwa eine Million Artikel. Die Wannen<br />
mit als neuwertig beurteilter Ware werden<br />
sowohl automatisch eingelagert als auch automatisch<br />
zum Arbeitsplatz des Kommissionierers<br />
gebracht. Dafür gibt es 840 Shuttles,<br />
die sich auf 30 Gassen mit je 28 Ebenen verteilen.<br />
Stündlich werden bis zu 15.000 Wannen<br />
bewegt. Die Kommissionierleistung liegt<br />
bei rund 200.000 Teilen am Tag. Das ARL ist<br />
das Herzstück des Retourenmanagementsystems,<br />
für das Hermes Fulfilment 2013 den<br />
Innovationspreis Logistik des Vereins Deutscher<br />
Ingenieure erhalten hat.<br />
Fotos: Fraunhofer IFF (oben), Hermes Fulfilment (unten)<br />
Hermes Fulfilment Haldensleben:<br />
Das Automatische Retourenlager im Versandzentrum verfügt über<br />
175.000 Wannenplätze für etwa eine Million Artikel.<br />
Impressum<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />
Das ostdeutsche Unternehmermagazin<br />
Ausgabe 5/2014<br />
Redaktionsschluss: 09.09.2014<br />
Verlag: Verlag Frank Nehring GmbH<br />
Zimmerstraße 56, 10117 Berlin<br />
Tel.: 030 479071-0<br />
Fax: 030 479071-20<br />
www.NehringVerlag.DE<br />
Verlagsleiter: Dr. Robert Nehring<br />
Herausgeber/Geschäftsführer: Frank Nehring<br />
Tel.: 030 479071-11, FN@NehringVerlag.DE<br />
(Alleiniger Inhaber und Gesellschafter, Wohnort Berlin)<br />
Chefredakteur: Karsten Hintzmann<br />
Tel.: 030 479071-24, KH@wundm.info<br />
Redaktion: Janine Pirk-Schenker<br />
Tel.: 030 479071-21, JP@wundm.info<br />
Anja Strebe, Anke Templiner<br />
Autoren: Harald Lachmann, Dana Micke, Tomas<br />
Morgenstern, Bärbel Petersen, Matthias Salm,<br />
Thomas Schwandt, Constanze Treuber, Klaus George<br />
Abo- und Anzeigenverwaltung; Vertrieb:<br />
Tobias Meier, Tel.: 030 479071-28<br />
TM@NehringVerlag.DE<br />
Die globale Wirtschaft ist auf dem Weg zu Industrie<br />
4.0. Die intelligente Fabrik leistet dabei<br />
Pionierarbeit.<br />
W+M<br />
Erscheinungsweise, Einzelverkaufs- und Abonnementpreis:<br />
Die Zeitschrift <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint zweimonatlich. Als<br />
Magazin der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände<br />
Ostdeutschlands und Berlin erhalten die Mitglieder die Zeitschrift im<br />
Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelpreis: 3,50 €, Jahresabonnement<br />
(Inland): 20 € inkl. MwSt. und Versand, Jahresabonnement (Ausland):<br />
20 € inkl. MwSt. zzgl. Versand.<br />
Layout & Design: Drechsel Kommunikations-Design,<br />
www.drechsel-berlin.com<br />
Druck: möller Druck und Verlag GmbH, ISSN 0863-5323<br />
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Kopien nur mit vorheriger<br />
schriftlicher Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete<br />
Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.<br />
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernehmen<br />
wir keine Haftung.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
44 | W+M Politik<br />
Netze – Rückgrat<br />
der Energiewende<br />
E.DIS-Vorstandschef Bernd Dubberstein<br />
über Energiewende, Netzausbau und Versorgungssicherheit<br />
W+M: Herr Dubberstein, worin besteht die Hauptaufgabe Ihres Unternehmens<br />
als regionaler Strom- und Gasnetzbetreiber in Brandenburg<br />
und Mecklenburg-Vorpommern?<br />
E.DIS-Vorstandschef Bernd Dubberstein.<br />
Bernd Dubberstein: Im Gegensatz zu unserer Ursprungsaufgabe, das<br />
E.DIS-Netzgebiet mit Strom zu versorgen, der überwiegend in großen<br />
Kraftwerken erzeugt wurde, sammeln wir inzwischen zunehmend dezentral<br />
erzeugte grüne Energie ein und transportieren sie mehrheitlich<br />
zur Hochspannungsautobahn in Richtung West- und Süddeutschland.<br />
W+M: Das heißt, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern kann<br />
die dezentral erzeugte Energie aus Wind und Sonne nicht gänzlich verbraucht<br />
werden?<br />
Bernd Dubberstein: Im Unterschied zum rasanten Ausbau von Windkraft-<br />
und Photovoltaik-Anlagen im Zuge der Energiewende stagniert<br />
der Energieverbrauch in unserem strukturschwachen Netzgebiet. Bereits<br />
heute ist die installierte EEG*-Leistung dreimal so hoch wie die<br />
maximale Netzlast.<br />
W+M: Was geschieht, um den Überschuss dezentral erzeugten Stroms<br />
dorthin zu transportieren, wo er durch die Abschaltung von Kernkraftwerken<br />
vermehrt benötigt wird?<br />
Bernd Dubberstein: Um den dezentral erzeugten Strom aufnehmen<br />
und weiter transportieren zu können, wenden wir mittelfristig 50 Prozent<br />
unseres Investitionsvolumens für die Integration der EEG-Anlagen<br />
ins Netz auf. Zur Zeit müssen wir bereits an mindestens zwei von drei<br />
Tagen EEG-Strom aus unserem Netz rückspeisen. Tendenz steigend. Inzwischen<br />
treten dabei auch Netzengpässe auf. Während wir 2013 insgesamt<br />
fünfhundert Mal eingreifen mussten, war das in diesem Jahr bis<br />
Ende Mai bereits vierhundert Mal notwendig.<br />
W+M: Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2025 den Anteil von grüner<br />
Energie an der bundesweiten Stromversorgung auf 40 bis 45 Prozent<br />
zu steigern. Wie ist der Stand im Netzgebiet der E.DIS?<br />
* Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />
Bernd Dubberstein: In unserem Netzgebiet wurden 2013 bereits 91<br />
Prozent des verbrauchten Stroms dezentral erzeugt, 80 Prozent aus regenerativen<br />
Quellen. Wir gehen auf Grund der vorliegenden Anträge zum<br />
Bau weiterer Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen davon aus, dass bereits<br />
2015 unser Netzgebiet im rechnerischen Durchschnitt zu hundert<br />
Prozent mit grünem Strom versorgt werden kann.<br />
W+M: Gelingt es E.DIS, mit der forcierten Erzeugung grüner Energie<br />
im Netzausbau Schritt zu halten?<br />
Bernd Dubberstein: Wir kommen derzeit mit dem Ausbau unserer<br />
Netze noch nicht so schnell voran wie es erforderlich wäre, obwohl<br />
E.DIS seit 1999 in den Aus- und Umbau der Strom- und Gasnetze etwa<br />
2,3 Milliarden Euro investiert hat. So wurden bis heute 17.100 Kilometer<br />
Niederspannungs-, 11.700 Kilometer Mittelspannungs- und 780 Kilometer<br />
Hochspannungsleitungen gebaut beziehungsweise erneuert.<br />
W+M: Was haben sie mittelfristig vor, um die Überkapazitäten an<br />
dezentral erzeugtem Strom möglichst verlustfrei in den Westen und<br />
Süden der Republik transportieren zu können?<br />
Bernd Dubberstein: Wir werden in den nächsten Jahren neun neue<br />
Netzverknüpfungspunkte zum Übertragungsnetz bauen, um den in den<br />
Zur Person<br />
Bernd Dubberstein (57) ist Vorstandsvorsitzender der E.DIS AG<br />
und verantwortlich für das Netz des Unternehmens. Der gebürtige<br />
Mecklenburger und diplomierte Ingenieur für Elektrotechnik<br />
war bis zu seiner Berufung zum Vorstandschef der E.DIS AG Vertriebsvorstand<br />
für eine E.ON-Regionalgesellschaft und Mitglied<br />
der Geschäftsleitung der E.ON Russia, der E.ON Kraftwerksgesellschaft<br />
in Russland.<br />
Foto: Torsten George<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Energiewende | 45<br />
Regionen erzeugten EEG-Strom über kurze Leitungsstrecken abführen<br />
zu können. Speziell in den Regionen Prignitz, Oderland und Fläming<br />
werden zusätzlich 110-Kilovolt-Erdkabel verlegt, um den Strom von<br />
den entstehenden „Wind”-Umspannwerken zu den Netzverknüpfungspunkten<br />
transportieren zu können. Insgesamt sind 13 Hochspannungsund<br />
37 Umspannungswerks-Projekte bereits im Bau oder im Stadium<br />
der Projektierung.<br />
W+M: Inwieweit berücksichtigt die Reform des Erneuerbare-Energien-<br />
Gesetzes die damit verbundenen hohen Infrastrukturkosten für Stromaufnahme<br />
und Transport und die damit verbundenen hohen Netzentgelte<br />
in ihrem Netzgebiet im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnitt?<br />
Bernd Dubberstein: Die EEG-Novelle regelt den Ausbau Erneuerbarer<br />
Energien, nicht aber die notwendige Synchronisation des Zubaus<br />
mit dem Netzausbau. Doch wir erwarten, dass die Politik in weiteren<br />
Schritten die Rahmenbedingungen für die Integration der Erneuerbaren<br />
anpassen wird.<br />
W+M: Was wünschen sie sich als Netzbetreiber?<br />
Foto: E.DIS<br />
Bernd Dubberstein: Die Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte für<br />
volatile Erzeuger. Auf jeden Fall aber eine faire Verteilung von gebietsstrukturellen<br />
Sonderlasten im Zuge der Energiewende, wovon E.DIS in<br />
hohem Maße betroffen ist.<br />
W+M: Wie wirkt sich das auf den Strompreis für ihre Kundschaft aus?<br />
Bernd Dubberstein: Obwohl die Bundesnetzagentur uns wiederholt<br />
einen Effizienzwert von 100 Prozent bescheinigt hat, liegt das Netzentgelt<br />
in unseren Netzgebiet deutlich über dem Durchschnitt der Republik.<br />
Das benachteiligt die ortsansässige Wirtschaft im Vergleich zu anderen<br />
Standorten in Deutschland.<br />
W+M: Was sind die Ursachen?<br />
Bernd Dubberstein: Die Höhe der Netzentgelte resultiert im Wesentlichen<br />
aus höheren Aufwendungen für Stromaufnahme und -transport<br />
infolge eines überdurchschnittlichen EEG-Anteils sowie aus einem strukturbedingt<br />
geringen Netzabsatz.<br />
W+M: Wie kann die Effizienz des Netzes weiter gesteigert werden?<br />
Bernd Dubberstein: Natürlich ist es unser Ziel, die Effizienz noch zu<br />
steigern. Man muss aber auch bedenken, dass wir bereits zu 100 Prozent<br />
effizient sind. Dennoch versuchen wir über verschiedene Maßnahmen<br />
hier noch weiter voran zu kommen.<br />
W+M: Gibt es zum Ausbau der Netze, dem Rückgrat der Energiewende,<br />
eine wirtschaftlich vertretbare Alternative?<br />
Bernd Dubberstein: Mit Blick auf die aktuellen Aufgaben muss ich<br />
da mit einem klaren „Nein” antworten. Stromspeicher sind heute leider<br />
weder technisch noch wirtschaftlich eine ernsthafte Alternative.<br />
Sie stecken noch in den Kinderschuhen.<br />
W+M: Gibt es eine kritische Grenze für den weiteren Ausbau der grünen<br />
Energie?<br />
Bernd Dubberstein: Diese Grenzen werden durch die Erneuerbaren<br />
selbst bestimmt. Durch die Eigenschaften, die der Grünstrom heute<br />
und in Zukunft hat. Da er heute nicht wirklich speicherbar und damit<br />
nicht kontinuierlich lieferbar ist, verträgt das Stromsystem der Gegenwart<br />
nur bestimmte Mengen in dieser Qualität. Je mehr der Grünstrom<br />
künftig kann, je zuverlässiger und verbrauchsorientierter seine Einspeisung<br />
wird, desto mehr verschwinden diese Grenzen. Oberstes Ziel<br />
muss im Interesse aller Kunden bleiben, dass das Gesamtsystem Stromversorgung<br />
jederzeit funktionsfähig bleibt.<br />
W+M: Herr Dubberstein, können Sie sich vorstellen, dass Deutschland<br />
eines fernen Tages ausschließlich mit grünem Strom versorgt werden<br />
kann?<br />
Bernd Dubberstein: Eines fernen Tages ja! Für eine längere Übergangszeit<br />
werden wir aber einen signifikanten Anteil konventioneller Erzeugung<br />
brauchen, um die kontinuierliche Stromversorgung zu sichern.<br />
Interview: Klaus George<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
46 | W+M Politik<br />
enviaM-Vorstandsvorsitzender Tim Hartmann:<br />
„Der Osten braucht für die weitere<br />
Energiewende eine unüberhörbare<br />
gemeinsame Stimme“<br />
Ostdeutschlands größter Regionalversorger ist die envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM) in<br />
Chemnitz. Das Unternehmen, das zum RWE-Konzern gehört und an dem auch über 650 ostdeutsche<br />
Kommunen beteiligt sind, beliefert zwischen Küste und Erzgebirge 1,4 Millionen Kunden mit<br />
Strom, Gas und Wärme. Neuer Vorstandsvorsitzender ist seit Juli Tim Hartmann (45). Eines seiner<br />
ersten Interviews gab er <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>.<br />
W+M: Herr Hartmann, was unterscheidet<br />
den Energienutzer Ost von jenem im Westen?<br />
Tim Hartmann: Ostdeutsche verbrauchen<br />
weniger Energie und sind gleichzeitig auch<br />
preissensibler. Das liegt sicher an der noch<br />
niedrigeren Kaufkraft, auch der Ausstattungsgrad<br />
mit elektrischen Geräten ist wohl<br />
noch geringer.<br />
W+M: enviaM tut viel für das gesellschaftliche<br />
Leben. So sponsern Sie unter anderem<br />
Fußball im Osten, konkret Aue und Cottbus.<br />
Was motiviert Sie hierzu?<br />
Tim Hartmann: Sicher nicht der Effekt von<br />
Bandenwerbung. Ich denke, unsere Marke<br />
ist bekannt. Fußballsponsoring bedeutet für<br />
uns Unterstützung für die Region, in der wir<br />
und von der wir leben. Wir hängen davon ab,<br />
wie sich diese Region als lebenswerter Wirtschaftsstandort<br />
entwickelt. Damit besitzt<br />
ihre Attraktivität und ihre positive Entwicklung<br />
einen sehr hohen Stellenwert auch für<br />
unser Gedeihen als Unternehmen.<br />
W+M: Region – das heißt hier ganz konkret<br />
auch Braunkohle. Sie spielt eine wichtige<br />
Rolle im Energiemix, gerät aber zunehmend<br />
politisch unter Druck. Ein Widerspruch?<br />
Zur Person<br />
Tim Hartmann stammt aus Westfalen, lebte indes kaum dort, sondern im Rheinland, an<br />
der Küste, in Bayern, den USA, die letzten sechs Jahre im Saarland sowie einige Zeit auch<br />
in Frankreich. Von hier stammt auch seine Frau, mit der der 45-jährige Hobbysegler zwei<br />
erwachsene Töchter hat. Den Osten kennt der studierte Kaufmann bereits seit 2000, als<br />
er erst für die RWE Holding in den Verkauf von VEAG und Laubag eingebunden war und<br />
danach mit den kommunalen Anteilseignern in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />
und Thüringen die Fusion von envia und MEAG verhandelte. Hartmann ist auch Vorsitzender<br />
der Geschäftsführung der MITGAS Mitteldeutsche Gasversorgung GmbH in Kabelsketal<br />
bei Halle.<br />
Tim Hartmann: Ohne Frage! Wir sind in<br />
den letzten Jahren hervorragend mit diesem<br />
Mix gefahren, haben auch deshalb einen<br />
sehr leistungsfähigen Energiemarkt in<br />
einem der letzten Industrieländer Westeuropas.<br />
Braunkohle ist derzeit die wahre Basis<br />
der Energiewirtschaft, nicht zuletzt als Kostenfaktor.<br />
Mittlerweile merken wir ja auch,<br />
dass die Energiewende richtig kostet. Darüber<br />
hinaus bildet Braunkohle gerade im Osten<br />
einen ganz wesentlichen Arbeitsplatzfaktor.<br />
So empfinde ich schon Unbehagen,<br />
wenn plötzlich auf jenen, die täglich unsere<br />
Energieversorgung in den Tagebauen sichern,<br />
aus politischem Kalkül herumgehackt wird.<br />
W+M: Woher rührt das?<br />
enviaM-Vorstandsvorsitzender<br />
Tim Hartmann.<br />
Tim Hartmann: Die Energiewirtschaft hängt<br />
heute in einem Maße – wie wir es bisher nicht<br />
kannten – von politischen Rahmenbedingungen<br />
ab, in die fast täglich eingegriffen wird.<br />
Die Leichtigkeit, mit der das geschieht, besorgt<br />
uns schon. Selbst die Physik biegt man<br />
sich dann gleich mehrfach zurecht. Das kann<br />
nicht funktionieren! Wenn wir die Energiewende<br />
wollen, die ich vorbehaltlos unterstütze,<br />
müssen wir auch wissen, dass wir konventionelle<br />
Kraftwerke als Brückentechnologie<br />
brauchen. Wir haben keine großen Speicher,<br />
Foto: Anke Jacob<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Energiewende | 47<br />
um in Phasen, da das Netz an seine Grenzen<br />
kommt, Energie zu puffern. Und selbst<br />
wenn, könnten sie Deutschlands Bedarf nicht<br />
für mehrere Tage decken. Es war auch schon<br />
einmal politischer Konsens, dass wir mit dem<br />
Zeitpunkt, da wir aus der Kernenergie aussteigen,<br />
für einige Jahre mehr CO 2 -Ausstoß<br />
haben.<br />
W+M: Was fordern Sie in diesem Zusammenhang<br />
von der Bundespolitik?<br />
Tim Hartmann: Wir brauchen einen Rahmen,<br />
der längerfristig Gültigkeit behält.<br />
Denn bei 20- bis 30-jährigen Amortisationszyklen<br />
– bei Kraftwerken, aber auch im<br />
Netz – können wir nicht im Jahresrhythmus<br />
in die Substanz eingreifen. Das verträgt keine<br />
Branche. Aber bereits in jener Woche im<br />
Juni, als die jüngste EEG*-Novelle beschlossen<br />
wurde, verkündete die Bundeskanzlerin,<br />
man werde noch in dieser Legislaturperiode<br />
das Gesetz erneut anfassen. Wo gab es das<br />
schon einmal?<br />
W+M: Wie bewerten Sie den aktuellen Stand<br />
der Energiewende im Osten?<br />
Tim Hartmann: Hier sind wir sehr weit. Wir<br />
erzeugen teilweise schon mehr Ökostrom,<br />
als verbraucht werden kann. Die Reserven<br />
im Netz sind aber aufgebraucht. Der Zubau<br />
der Erneuerbaren Ernergien darf deshalb<br />
dem Netzausbau nicht weiter vorauseilen.<br />
Es ist auch im volkswirtschaftlichen Interesse,<br />
diesen Prozess zu verlangsamen, um<br />
ihn besser koordinieren zu können. Zweitens<br />
müssen wir stärker die Kosten der Energiewende<br />
im Auge behalten. Diese wurden lange<br />
Zeit unterschätzt. Um das System im Lot<br />
zu halten, bedarf es künftig anderer Anreize.<br />
W+M: Sind diese Kosten gerade im Osten<br />
noch zu händeln?<br />
Tim Hartmann: Wir müssen uns schon fragen:<br />
Welches Preisschild hat die Energiewende?<br />
Viel volkswirtschaftliches Vermögen ist<br />
bislang zum Beispiel in chinesische Photovoltaikmodule<br />
geflossen. Die Folgekosten,<br />
* Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />
gerade auch im Netz, werden aber<br />
immer stärker der Allgemeinheit<br />
aufgebürdet. Wir müssen hier zwingend<br />
ein Systemoptimum hinbekommen.<br />
Hinzu kommt die Versorgungssicherheit,<br />
gerade in den Ostländern.<br />
Denn wenn hier das Angebot<br />
an regenerativer Energie die<br />
Nachfrage massiv übersteigt, benötige<br />
ich eine grundsätzlich andere<br />
Netztopologie. 2010 mussten wir 16<br />
Mal ins Netz eingreifen, in diesem<br />
Jahr bereits über 160 Mal. Das zeigt<br />
die Dimension.<br />
W+M: Was kostete enviaM der bisherige<br />
Netzausbau?<br />
Tim Hartmann: Jährlich 250 bis<br />
300 Millionen Euro. Denn der Ausbau der<br />
Übertragungsnetze, also jener oft zitierten<br />
Nord-Süd-Trassen, ist nur ein kleiner Teil. Der<br />
viel größere Aufwand liegt im engmaschigen<br />
Verteilnetz, damit die Erzeuger ihren Windoder<br />
Sonnenstrom erst einmal bei uns einspeisen<br />
können.<br />
W+M: Wird enviaM auf absehbare Zeit die<br />
Strompreise anheben?<br />
Tim Hartmann: Das kann Ihnen im Moment<br />
so genau keiner sagen. Die Strombeschaffung<br />
ist derzeit – auch wegen einiger Effekte des<br />
EEG – etwas günstiger. Doch längerfristig<br />
fehlen in dieser Rechnung natürlich die<br />
Kosten für den Netzausbau. Und ebenso die<br />
Kosten für einen künftigen Kapazitätsmarkt,<br />
den wir nach meiner Überzeugung bald vorhalten<br />
müssen – nämlich wenn es mal tagelang<br />
windstill und wolkenverhangen ist. All<br />
das wirkt sich preiserhöhend aus.<br />
W+M: Am 13. Oktober lädt enviaM zum<br />
bereits 8. Energiekonvent nach Leipzig. Worum<br />
geht es konkret?<br />
Tim Hartmann: Unter der Überschrift „Energiewende<br />
2.0: Neustart oder weiter so?“ lassen<br />
wir wieder Vertreter aus Politik, Wirtschaft<br />
und Verbänden zu Wort kommen. So<br />
begrüßen wir neben Staatssekretärin Iris<br />
enviaM-Chef Tim Hartmann im Gespräch<br />
mit W+M-Verleger Frank Nehring (r.) und<br />
Autor Harald Lachmann (l.).<br />
Gleicke vom Bundeswirtschaftsministerium<br />
mit Dr. Hermann Falk auch den Geschäftsführer<br />
des Bundesverbandes Erneuerbare<br />
Energie. Ebenfalls im Podium sitzen der<br />
neue Präsident des Bundesverbands der Energie-<br />
und Wasserwirtschaft (BDEW) Johannes<br />
Kempmann sowie der Vorstandsvorsitzende<br />
der Kübler & Niethammer Papierfabrik Kriebstein<br />
AG Dr. Hubertus Burkhart. Ganz wichtig<br />
wird es diesmal sein, stärker eine gemeinsame<br />
Betroffenheit des Ostens in Energiefragen<br />
herauszustellen.<br />
W+M: Fehlt es an dieser Gemeinsamkeit?<br />
Tim Hartmann: Ich vermisse eine Interessenvertretung,<br />
die nicht nur druckvoller,<br />
sondern auch besser abgestimmt und<br />
erkennbar gleichgerichtet agiert. In Berlin<br />
hat man oft den Eindruck, dass 16 Energiewenden<br />
stattfinden. Und beim Aushandeln<br />
dieser Interessenbalance ist mir die ostdeutsche<br />
Lobby noch viel zu wenig hörbar.<br />
Nach meiner Beobachtung wird die akute Betroffenheit<br />
des Ostens bisher nicht adäquat<br />
wahrgenommen. Dabei haben wir hier doch<br />
genügend gemeinsame Interessen und Probleme,<br />
um eine einheitliche Linie zu verfechten.<br />
Eben hier erwarte ich mir einiges vom 8.<br />
Energiekonvent.<br />
Interview: Frank Nehring, Harald Lachmann<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
48 | W+M Politik<br />
ifo Geschäftsklima Ostdeutschland im Juli 2014<br />
Geopolitische Spannungen trüben die<br />
Stimmung der ostdeutschen Unternehmen<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
-5<br />
-10<br />
-15<br />
-20<br />
-25<br />
-30<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
-10<br />
-20<br />
-30<br />
-40<br />
-50<br />
ifo Geschäftsklima und ifo Beschäftigungsbarometer für<br />
die gewerbliche Wirtschaft* Ostdeutschlands<br />
ifo Geschäftsklima<br />
ifo Beschäftigungsbarometer<br />
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014<br />
Saisonbereinigte Saldenwerte in Prozentpunkten<br />
Quelle: ifo Konjunkturtest 07/2014 ©<br />
ifo Geschäftsklima für die einzelnen Wirtschaftsbereiche<br />
in Ostdeutschland<br />
Handel<br />
Bauhauptgewerbe<br />
Verarbeitendes Gewerbe<br />
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014<br />
Saisonbereinigte Saldenwerte in Prozentpunkten<br />
Quelle: ifo Konjunkturtest 07/2014 ©<br />
Das ifo Geschäftsklima für die gewerbliche<br />
Wirtschaft* Ostdeutschlands hat<br />
sich im Juli spürbar eingetrübt. Die<br />
befragten ostdeutschen Unternehmen<br />
stufen ihre aktuelle Geschäftslage<br />
als weniger gut ein im Vergleich<br />
zum Juni 2014. Auch die zukünftige<br />
Geschäftsentwicklung wird insgesamt<br />
als ungünstiger bewertet. Nun<br />
kann auch die ostdeutsche Wirtschaft<br />
sich den erneut aufflammenden geopolitischen<br />
Spannungen nicht weiter<br />
entziehen. Zudem verschlechtern sich<br />
abermals die Vorzeichen für den ostdeutschen<br />
Arbeitsmarkt. Das ifo Beschäftigungsbarometer<br />
hat auch im<br />
Juli seinen trendmäßigen Rückgang<br />
fortgesetzt. Die befragten ostdeutschen<br />
Unternehmen wollen ihre Mitarbeiterzahl<br />
in den kommenden drei<br />
Monaten kräftiger reduzieren als noch<br />
in den vergangenen Monaten.<br />
Im Einklang mit der gewerblichen<br />
Wirtschaft Ostdeutschlands sind auch<br />
die Klimaindikatoren im Verarbeitenden<br />
Gewerbe und Bauhauptgewerbe<br />
gesunken. Die beiden ostdeutschen<br />
Handelsstufen hingegen zeigen eine<br />
andere Entwicklung. Sowohl im Großals<br />
auch im Einzelhandel der ostdeutschen<br />
Bundesländer hat sich das Geschäftsklima<br />
verbessert.<br />
Robert Lehmann und<br />
Prof. Joachim Ragnitz<br />
*Unter gewerblicher Wirtschaft wird die Aggregation<br />
aus Verarbeitendem Gewerbe, Bauhauptgewerbe<br />
sowie Groß- und Einzelhandel<br />
verstanden.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
02<br />
4<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
W+M Abo | 49<br />
W+M C H E F S A C H E<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
24. Jahrgang | Heft 2 | Juni/Juli 2013 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE SCHE<br />
UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
N ERMAG AZIN<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
24. Jahrgang | Heft 4 | September-November 2013 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
ERMAG AZIN<br />
24. Jahrgang | Heft 5-6 | Dez 2013/Jan 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
Machnig will<br />
neues Ostprogramm<br />
Thüringer Wirtschaftsminister<br />
im Schattenkabinett der SPD<br />
„Bei Innovationen<br />
wird nicht gekürzt“<br />
Forschungsministerin Wanka zur<br />
Förderung in den neuen Ländern<br />
Wahlversprechen<br />
jetzt einlösen !<br />
Kurzporträts von allen 130 Abgeordneten<br />
aus den neuen Ländern<br />
innovation+<br />
tradition<br />
Bernburger erobern<br />
den Weltmarkt<br />
einblicke+<br />
aussichten<br />
Ausbildung zwischen<br />
Licht und Schatten<br />
ideen +<br />
impulse<br />
Altmaier und Rösler in<br />
Leipziger Denkfabrik<br />
1 9 4 0 7 9 9 0 3 5 0 1<br />
einblicke+<br />
aussichten<br />
Schwarzer Schatz<br />
in der Lausitz<br />
ideen+<br />
impulse<br />
Weniger Geld aus<br />
Brüssel – was nun?<br />
unternehmen+<br />
verband<br />
Rostocker mischt<br />
Tourismusmarkt auf<br />
<br />
<br />
Länderreport<br />
Die Folgen der Flut<br />
in Sachsen-Anhalt<br />
Netzwerk<br />
Unternehmerball<br />
in Leipzig<br />
Ratgeber<br />
Recht, Finanzen<br />
und Kultur<br />
<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
25. Jahrgang | Heft 1 | Februar/März 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE E UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
25. Jahrgang | Heft 4 | August/September 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
Gründerzeit<br />
im Osten<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
25. Jahrgang | Heft 2 | April/Mai 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE T S UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
EHMER M N<br />
Titelthema<br />
Was bringt das<br />
Superwahljahr 2014?<br />
Ratgeber<br />
So senkt man Risiken<br />
im Außenhandel<br />
Netzwerk<br />
W+M-Medientreff<br />
in Potsdam<br />
Interview mit Brandenburgs Ministerpräsident:<br />
Dietmar Woidke spricht über Ziele,<br />
Energiewende und Länderehe<br />
25. Jahrgang | Heft 5 | Oktober/November 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>Wende</strong><br />
25. Jahrgang | Heft 3 | Juni/Juli 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
Tourismusboom<br />
stärkt<br />
Wirtschaft<br />
im Osten<br />
Sichern Sie<br />
sich Ihr Abo!<br />
www.WundM.info<br />
ationale Automobil-Ausstellung Personenkraftwagen · CeBIT · Internationale Grü<br />
ationale Funkausstellung · Frankfurter Buchmesse · Auto Mobil International · Ha<br />
erlin Air Show · Games Convention · ight+Buildung · Orgatec · Paperworld · Domo<br />
eizeit · interpack · photokina · ITB Internationale Tourismus-Börse · Leipziger Buc<br />
t · IMM Cologne · didacta · InnoTrans · IAA Internationale Automobil-Ausstellung P<br />
en · CeBIT · Internationale Grüne Woche · IFA Internationale Funkausstellung · Fra<br />
se Länderreport<br />
· Auto Mobil International · Hannover Messe · ILA Berlin Air Show · Games Conv<br />
ldung Brandenburgs · Orgatec · Paperworld · Domotex · Haus-Garten-Freizeit · interpack · photo<br />
nale Großprojekte Tourismus-Börse · Leipziger Buchmesse · hanseboot · IMM Cologne · didacta<br />
ationale Automobil-Ausstellung Personenkraftwage<br />
en · CeBIT · Internationale Grü<br />
ationale ale Funkausstellung · Frankfurter Buchmesse ·<br />
Auto Mobil International · Ha<br />
erlin Ratgeber Air Show · Games Convention · Light+Buildung · Orgatec · Paperworld · Dom<br />
eizeit Familienfreundliche<br />
it · interpack · photokina · ITB Internationale Tourismus-Börse · Leipziger Buc<br />
t · Unternehmen<br />
IMM Cologne · didacta · InnoTrans · IAA Internationale<br />
Automobil-Ausstellung P<br />
en · CeBIT · Internationale Grüne Woche · IFA Internationale Funkausstellung · Fra<br />
se · Auto Mobil International aional · Hannover Messe · ILA Berlin Air Show · Games Conv<br />
ldung International<br />
· Orgatec · Paperworld · Domotex · Haus-Garten-Freizeit · interpack · photo<br />
nale Die Tourismus-Börse Start-up-<br />
· Leipziger er Buchmesse · hanseboot · IMM Cologne · didacta<br />
ationale<br />
Hauptstadt<br />
Automobil-Ausstellung<br />
Berlin<br />
Personenkraftwagen · CeBIT · Internationale Grü<br />
ationale Funkausstellung · Frankfurter Buchmesse · Auto Mobil International · Ha<br />
erlin Air Show · Games Convention · ·Light+Buildung · Orgatec<br />
· Paperworld · Dom<br />
eizeit · interpack · photokina<br />
Messen<br />
· ITB Internationale Tourismus-Börse 2014:<br />
· Leipziger Buc<br />
t · IMM Cologne · didacta · InnoTrans · IAA Internationale Automobil-Ausstellung P<br />
en · CeBIT · Internationale Grüne Woche · IFA Internatio<br />
rnationale Funkausstellung · Fra<br />
se · Auto Mobil International Hier · Hannover Messe trifft e · ILA Berlin sich<br />
Air Show · Games Conv<br />
ldung · Orgatec · Paperworld · Domotex · Haus-Garten-Freizeit · interpack · photo<br />
nale Tourismus-Börse us-Börse · Leipziger Buchmesse · hanseboot · IMM Cologne · didacta<br />
ationale<br />
Automobil-Ausstellung der Personenkraftwagen Mittelstand<br />
en · CeBIT · Internationale Grü<br />
ationale Funkausstellung · Frankfurter Buchmesse · Auto Mobil International · Ha<br />
erlin Air Show · Games Convention · Light+Buildung · Orgatec · Paperworld · Dom<br />
Energiewende<br />
auf dem<br />
Prüfstand<br />
Im<br />
Interview:<br />
Christine<br />
Lieberknecht<br />
<strong>Aufbruch</strong><br />
Blühende Landschaften?<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4 / 2014
50 | W+M Ratgeber<br />
Nutzfahrzeuge vom Lkw über Busse<br />
bis zum Transporter sind die Stars auf<br />
der IAA in Hannover.<br />
65. IAA Nutzfahrzeuge in Hannover<br />
Mehr als 300 Weltpremieren<br />
Vom 25. September bis 2. Oktober findet in Hannover die 65. IAA Nutzfahrzeuge statt. Auf der<br />
weltweit größten und wichtigsten Leitmesse für Mobilität, Transport und Logistik präsentieren<br />
über 2.000 Aussteller auf 265.000 Quadratmetern die Neuheiten und Klassiker auf dem Nutzfahrzeugemarkt.<br />
Von Janine Pirk-Schenker<br />
Am 25. September 2014 wird die Nutzfahrzeugmesse<br />
IAA in Hannover von<br />
Bundesverkehrsminister Alexander<br />
Dobrindt offiziell eröffnet. Mit über 2.000<br />
Ausstellern aus 45 Ländern weist die Messe<br />
die zweitstärkste Beteiligung seit ihrem Bestehen<br />
– also seit 22 Jahren – auf. Vor allem<br />
Effizienz und Vernetzung sind Themen, die<br />
auf der Messe im Vordergrund stehen.<br />
Effizienz<br />
Mit den modernen Euro-VI-Fahrzeugen hat<br />
sich das Nutzfahrzeug endgültig aus der<br />
Schadstoffecke verabschiedet: Gegenüber<br />
dem bisherigen Euro-V-Standard heißt das:<br />
80 Prozent weniger Stickoxid-Emissionen<br />
und rund zwei Drittel weniger Feinstaubpartikel.<br />
Bemerkenswert ist, dass es den<br />
Herstellern und Zulieferern, die sich auf der<br />
IAA präsentieren, gelungen ist, dennoch den<br />
Kraftstoffverbrauch und damit die CO 2 -Emissionen<br />
bei den neuen Fahrzeugen konstant<br />
zu halten oder sogar leicht zu senken. Das<br />
war ein technologischer Kraftakt mit einem<br />
hohen Investitionsaufwand. Es spricht für<br />
sich, wenn ein moderner 40-Tonner mit einer<br />
Nutzlast von rund 28 Tonnen heute als „Ein-<br />
Liter-Auto“ bezeichnet werden kann – bezogen<br />
auf den Spritverbrauch pro Tonne Nutzlast<br />
und 100 Kilometern.<br />
Vernetzung<br />
Das Nutzfahrzeug der Zukunft wird „always<br />
online“ sein – mit anderen Fahrzeugen, dem<br />
Transportunternehmen und auch den Kunden<br />
ständig in Kontakt. Das voll automatisierte<br />
Fahren wird zwar erst auf mittlere Sicht<br />
auf breiter Front umgesetzt werden, doch bereits<br />
heute ist die Entwicklung deutlich erkennbar:<br />
Die bestehenden Assistenzsyste-<br />
Foto: IAA<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Auto | 51<br />
Zukunft bewegen<br />
25. SEPTEMBER –<br />
02. OKTOBER 2014<br />
HANNOVER<br />
Hyundai wird auf der Messe seinen Transporter<br />
H350 erstmals öffentlich vorstellen.<br />
Opel stellt auf der Leitmesse seinen Opel<br />
Vivaro als Combi vor.<br />
me (Adaptive Geschwindigkeitsregelung, Abstandswarner,<br />
Bremsassistent und Spurhalteassistent)<br />
können konsequent erweitert<br />
und ausgebaut werden. Der nächste Schritt<br />
wird das teil-automatisierte Fahren sein, das<br />
den Fahrer bei Routineaufgaben entlastet,<br />
ihn vor Gefahren warnt und so die Unfallzahlen<br />
weiter nach unten treibt.<br />
Auch der Logistik bietet die Vernetzung enorme<br />
Chancen. Die Lieferkette und Transportprozesse<br />
werden noch transparenter. Spediteure<br />
und Fuhrunternehmen können durch<br />
die fortschreitende Vernetzung der Fahrzeuge<br />
noch stärker ihr eigentliches Transportgeschäft<br />
optimieren.<br />
Zahlreiche Weltpremieren<br />
Bereits über 300 Weltpremieren haben die<br />
Aussteller für die Messe angemeldet. Zu sehen<br />
sind außerdem zahlreiche Sonderschauen<br />
und -aktionen sowie 55 Fahrzeuge, die<br />
für Probefahrten im öffentlichen Straßenverkehr<br />
bereit stehen, und 23 elektrisch betriebene<br />
Fahrzeuge. Auf der Innovationsbühne<br />
auf dem Freigelände nördlich von Halle 26<br />
IAA Nutzfahrzeuge<br />
25.09. – 02.10.2014<br />
tgl. 9:00 – 18:00 Uhr<br />
Deutsche Messe<br />
Hermesallee<br />
30521 Hannover<br />
Tagesticket werktags 22,- €<br />
Tagestickets am Wochenende 13,- €<br />
Dauerticket 69,- €<br />
www.iaa.de<br />
werden zudem Nutzfahrzeuge in Aktion zu<br />
erleben sein. In Halle 22 kommen Oldtimer-<br />
Liebhaber und US-Fans auf ihre Kosten: Zahlreiche<br />
historische Lkw, Omnibusse, Baumaschinen<br />
und Anhänger werden neben spektakulären<br />
US-Trucks präsentiert. Etwa 30 Fachveranstaltungen<br />
runden das Angebot der IAA<br />
Nutzfahrzeuge ab.<br />
W+M<br />
Fotos/Graphik: Hyundai (oben links), Opel (oben Mitte), IAA (oben rechts und unten)<br />
Historische Fahrzeuge finden die<br />
Besucher in Halle 22.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
52 | W+M Ratgeber<br />
Rating bietet<br />
Potenzial<br />
In unserer Beratungspraxis stellen wir immer<br />
wieder fest, dass Begriffe wie Rating<br />
und Basel III für mittelständische Unternehmen<br />
noch wenig greifbar sind. Bekannt ist<br />
zwar, das Basel III schlussendlich zu einer<br />
Verteuerung der Unternehmensfinanzierung<br />
führt, andererseits mildert ein gutes<br />
Rating den Zinsaufschlag.<br />
Für Unternehmer gilt es daher, das Rating<br />
positiv zu beeinflussen. Das sind nicht nur<br />
harte Kennziffern, sondern auch die weichen<br />
Faktoren der Unternehmensführung.<br />
Oftmals sind es die kleinen Details, die dann<br />
für mehr Liquidität im Unternehmen sorgen.<br />
Die Sozietät bdp Bormann, Demant & Partner<br />
mit ihren Büros in Berlin und Dresden<br />
begleitet die Leser von <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />
in diesem Jahr bei Finanzierungs- und Steuerthemen.<br />
Scheuen Sie sich nicht, uns zu fragen,<br />
was Sie bewegt. Wir freuen uns auf Sie.<br />
Ihr Michael Bormann<br />
bdp.Berlin@bdp-team.de<br />
Wenn sich das<br />
Wege zur Verbesserung des Ratings<br />
Hauptsächlich wird das Rating durch das sogenannte quantitative Rating bestimmt,<br />
also eine Analyse der harten Kennziffern der Unternehmensbilanz.<br />
Ziel ist dabei auch eine Plausibilisierung der Planungsrechnung. Wie die Standardbewertung<br />
anhand der wesentlichen Kennziffernanalyse aussieht, zeigt<br />
die nachfolgende Tabelle.<br />
1 2 3 4 5<br />
Eigenkapitalquote > 30 % 20-30 % 15-20 % 10-15 % 5-10 %<br />
Working Capital Ratio > 150 % 130-150 % 120-130 % 110-120 % 100-110 %<br />
Gesamtkapitalumschlag > 5 mal 4-5 mal 3-4 mal 2-3 mal 1-2 mal<br />
Gesamtkapitalrentabilität > 15 % 10-15 % 8-10 % 5-8 % < 5 %<br />
Schuldentilgungsdauer < 2 Jahre 2-4 Jahre 4-6 Jahre 6-8 Jahre 8-10 Jahre<br />
Anlagendeckung > 150 % 125-150 % 110-125 % 105-110 % 100-105%<br />
Wo gibt es Ansätze zur Verbesserung des Ratings?<br />
Beim Working-Capital stellt sich die Frage, ob das Umlaufvermögen ausreicht,<br />
die entsprechenden Verbindlichkeiten zu bedienen. Verbesserungsmöglichkeiten<br />
bestehen darin, Umschuldungen in langfristige Verbindlichkeiten vorzunehmen<br />
und kurzfristige Verbindlichkeiten abzulösen.<br />
Auch der Gesamtkapitalumschlag ist eine wichtige Kennziffer, die darüber<br />
Auskunft gibt, welche Produktivität das eingesetzte Kapital erzielt. Verbesserungen<br />
können zum Beispiel durch Sale-and-lease-back (Verkauf und Zurückleasen<br />
einer Maschine oder Immobilie) erreicht werden. Es stellt sich etwa<br />
bei Restrukturierungen die wichtige Frage, ob wirklich sämtliches Anlagevermögen<br />
noch notwendig ist. Dies bringt oft heilige Kühe des Unternehmers in<br />
den Fokus: Von der geliebten und technisch anspruchsvollen großen Druckpresse<br />
oder einigen Lkw des Fuhrparks trennt er sich nur allzu ungern. Dennoch<br />
lautet die erste Devise, die Auslastung zu messen. Eine nur zu 20 Prozent<br />
ausgelastete Maschine frisst trotzdem 100 Prozent Kapitaldienst und setzt in<br />
der Regel auch noch eine personelle Besetzung voraus.<br />
Foto: Maximus256/Shutterstock<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Steuern und Finanzen | 53<br />
Aufpolieren lohnt<br />
Die Gesamtkapitalrentabilität gibt Aufschluss darüber, ob das Fremdkapital eine<br />
ausreichende Produktivität erreicht. Hier sind insbesondere Maßnahmen zur Bilanzsummenverkürzung,<br />
aber auch zur deutlichen Rentabilitätssteigerung gefragt,<br />
die sich unmittelbar in der Umsatzrentabilität niederschlagen.<br />
Die Schuldentilgungsdauer zeigt wiederum an, in welchem Zeitrahmen durch operative<br />
Tätigkeit das Unternehmen in der Lage ist, seine Schulden zu tilgen. Verbessernde<br />
Restrukturierungsmaßnahmen bestehen hier im harten Lagerabbau, Veräußern<br />
oder Outsourcing von Anlagevermögen und in einem verbesserten Debitorenmanagement.<br />
Insgesamt ist die Schuldentilgungsdauer eine wichtige Kennziffer, die<br />
zeigt, wie weit das Unternehmen in der Lage ist, Liquidität und Ertrag zu verbessern.<br />
Ganzheitliche Unternehmensführung verbessert<br />
das qualitative Rating<br />
Die Finanzinstitutionen haben ein hohes Interesse daran, dass die Bonität des Kreditnehmers<br />
so genau wie möglich und fair beurteilt wird. Dabei spielt die Analyse<br />
und Bewertung von quantitativen und qualitativen Ratingfaktoren die entscheidende<br />
Rolle. Den Ratschlag, das Rating zu verbessern, empfinden die meisten Unternehmer<br />
als einen von den Banken auferlegten Zwang. Dabei übersehen sie aber,<br />
dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit qualitativem Rating bedeutet, das Unternehmen<br />
und seine Führung ganzheitlich zu betrachten. Jede relevante Verbesserung<br />
hierbei ist Folge eines optimierten Managements. Und das ist nicht nur ein<br />
notwendiges Übel, damit das Unternehmen sich den Banken als vertrauenswürdiger<br />
Schuldner präsentieren kann. Von einer professionellen Unternehmensführung<br />
profitiert zuallererst das Unternehmen selbst: Ein besser und ganzheitlich geführtes<br />
Unternehmen entwickelt sich weiter. Und diese Weiterentwicklung wird sich<br />
unweigerlich bei der nächsten Auswertung der harten Zahlen auch in verbesserten<br />
Ergebnissen und damit verbessertem Rating niederschlagen.<br />
Fazit: Der Schlüssel für ein profitables Unternehmen mit gutem Rating liegt in einer<br />
stetigen und ganzheitlichen Verbesserung des Managements, sich ganzheitlich<br />
und systematisch in der Breite aller Aufgaben besser aufzustellen.<br />
Ausreichende<br />
Leistungsbeschreibung<br />
in einer Rechnung<br />
Das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung<br />
ist Grundvoraussetzung für einen Vorsteuerabzug.<br />
Die Einhaltung der formalen Voraussetzungen<br />
ist bei den Finanzamtsprüfungen<br />
ein Schwerpunkt geworden. Neben weiteren<br />
Voraussetzungen muss auch eine hinreichende<br />
Leistungsbeschreibung erfolgen. Allgemeine<br />
Angaben wie Malerarbeiten, Trockenbauarbeiten,<br />
Beratung und ähnliches reichen nicht.<br />
Weiterhin war streitig, ob bei Bezug auf einen<br />
Vertrag, in dem die Leistungen beschrieben<br />
sind, dieser der Rechnung beigefügt sein<br />
muss. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil<br />
vom 16.01.2014 verneint. Die reine Angabe von<br />
„laut Vertrag“ oder „laut mündlicher Vereinbarung“<br />
reicht nicht. (BFH: VR 28/13)<br />
Haftung eines<br />
Wirtschaftsprüfers für<br />
fehlerhaftes Testat<br />
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil<br />
vom 24.04.2014 entschieden, dass ein Haftungsanspruch<br />
gegen den Wirtschaftsprüfer<br />
besteht, wenn dieser ein Testat über eine fehlerhafte<br />
Gewinnprognose erstellt, das in einem<br />
Wertpapierprospekt aufgenommen wird. Es besteht<br />
ein Anspruch nach den Grundsätzen eines<br />
Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.<br />
Der klagende Anleger hatte die Wertpapiere in<br />
Aussicht auf die im Prospekt auf Grundlage der<br />
Gewinnprognose ausgewiesenen zukünftigen<br />
Ausschüttungen erworben. Aufgrund einer Insolvenz<br />
kam es nicht dazu. Der BGH führt aus,<br />
dass das grob fahrlässig erstellte Testat kausal<br />
für die Anlageentscheidung war. Der Wirtschaftsprüfer<br />
haftet daher. (III ZR 156/13)<br />
Für den redaktionellen Inhalt der Seiten 52/53 zeichnet die Sozietät bdp Bormann, Demant & Partner Berlin verantwortlich.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
54 | W+M Ratgeber Literatur<br />
W+M präsentiert:<br />
Die ostdeutsche Bestsellerliste für<br />
Wirtschaftsliteratur<br />
Die ostdeutsche Bestsellerliste für Wirtschaftsliteratur wird aus<br />
den Verkaufszahlen der größten Buchhandlungen in Brandenburg,<br />
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen<br />
erstellt. Beteiligt haben sich:<br />
Hugendubel Cottbus, Mauerstraße 8, 03046 Cottbus<br />
Hugendubel Erfurt, Anger 62, 99084 Erfurt<br />
Hugendubel Greifswald, Markt 20–21, 17489 Greifswald<br />
Hugendubel Leipzig, Petersstraße 12–14, 04109 Leipzig<br />
Hugendubel Potsdam, Stern-Center 1, 14480 Potsdam<br />
Hugendubel Schwerin, Marienplatz 3, 19053 Schwerin<br />
Ulrich-von-Hutten-Buchhandlung, Logenstraße 8, 15230 Frankfurt/O.<br />
Die Teilnahme steht weiteren Buchhandlungen offen. Schreiben Sie<br />
bei Interesse eine E-Mail an JP@wundm.info.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Advertorial | 55<br />
M-V – High Tech for the Sky<br />
Ulrich Scheib (l.) nahm von<br />
Harry Glawe, Minister für Wirtschaft,<br />
Bau und Tourismus, den Preis als<br />
„Unternehmer des Jahres 2014“ entgegen.<br />
Foto: Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern<br />
Ein Flugzeug der Lufthansa wurde so benannt<br />
– Mecklenburg-Vorpommern. Die Luft- und<br />
Raumfahrt begann schon vor rund 100 Jahren<br />
in Mecklenburg-Vorpommern mit den Flugversuchen<br />
der Gebrüder Lilienthal, Ernst Heinkel<br />
und Ludwig Bölkow.<br />
Zu den Stadtstaaten Hamburg und Bremen,<br />
die führend auf dem Gebiet des Flugzeugbaus<br />
sind, erobert sich Mecklenburg-Vorpommern<br />
immer mehr seinen Platz bei der Fertigung<br />
von hochwertigen Flugzeugteilen. So liefern<br />
Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern<br />
für Airbus unter anderem Türschließsysteme,<br />
Beleuchtungselemente, Kabelbäume,<br />
Cabin Crew Trainer, Door Trainer, Spezialschläuche<br />
und tausende von speziellen Bauteilen.<br />
Firmen aus Mecklenburg-Vorpommern beschichten<br />
Flugzeugteile, produzieren spezielle<br />
Transportvorrichtungen. Spezialisten befassen<br />
sich mit der Auswertung von Satellitendaten<br />
und der Entwicklung hochspezialisierter<br />
Systeme für die Luft-und Raumfahrt.<br />
Im Bereich der Luftfahrt bietet die AMAS<br />
GmbH Kunden ein breites Produktspektrum,<br />
von Fertigungsmitteln über Transportvorrichtungen,<br />
Fertigungsanlagen von Flugzeugkomponenten<br />
bis hin zur kompletten<br />
Endmontage von Flugzeugen. Gerade im<br />
Bereich der Luftfahrt konnte sie ihre Kunden<br />
immer wieder durch sehr spezielle und individuelle<br />
Lösungen von ihrer Leistungsfähigkeit<br />
überzeugen.<br />
Das Projekt SEA-GATE ist ein Anwendungsbeispiel<br />
für das europäische Satellitensystem<br />
Galileo. In Mecklenburg-Vorpommern<br />
werden die Signale für die maritime Anwendung<br />
im Rostocker Hafen getestet. Aufgrund<br />
der vielseitigen Aktivitäten rund um das maritime<br />
Testbed und den angesiedelten Engineering-Dienstleistern<br />
wurde im November<br />
2007 im Technologiepark Rostock das „Zentrum<br />
für Luft- und Raumfahrt“ an den Start<br />
geschickt. In dem 2010 vom Wirtschaftsministerium<br />
Mecklenburg-Vorpommern initiierten<br />
Netzwerk „Luft- und Raumfahrt für Mecklenburg<br />
Vorpommern“, unter dem Dach von<br />
Hanse-Aerospace e. V., als Projektträger in Kooperation<br />
mit „Invest in MV“, haben sich über<br />
30 Unternehmen vernetzt, um ihre Kompetenzen<br />
zu bündeln.<br />
Die RST Rostock System-Technik GmbH,<br />
eine Tochterfirma von Airbus Defence and<br />
Space, ist im Juni mit dem Landespreis des<br />
Wirtschaftsministeriums „Unternehmer des<br />
Jahres 2014“ in der Kategorie Unternehmensentwicklung<br />
ausgezeichnet worden. Die RST<br />
GmbH bietet Systemlösungen für die zivile<br />
Luft- und Raumfahrt an und entwickelt spezielle<br />
Ausrüstungen für diese Branche, unter<br />
anderem Trainingssysteme für Cabin Crews.<br />
Ein weiteres Mitglied ist die Aero Coating<br />
GmbH aus Wismar, Lukaswiese 8. In der technisch<br />
und technologisch hochmodern eingerichteten<br />
Produktionsstätte versteht sich das<br />
Team der Aero-Coating GmbH als professioneller<br />
Dienstleister für seine Kunden, speziell<br />
in der Luftfahrt. Das bedeutet für die Firma,<br />
Kundenbauteile in kürzester Frist mit unterschiedlichsten<br />
funktionellen Qualitätsoberflächen<br />
zu veredeln.<br />
Garantie zur Erfüllung dieses hohen Anspruches<br />
sind in erster Linie die Mitarbeiter mit ihrem<br />
Fachwissen und ihrer Einsatzbereitschaft.<br />
Das Wissen um die Verantwortung für die zur<br />
Bearbeitung überlassenen Kundenbauteile ist<br />
Motivation, allen Anforderungen mit der notwendigen<br />
Sorgfalt und Effektivität gerecht<br />
zu werden.<br />
Hanse-Aerospace e. V.<br />
Branchennetzwerk Luft- und Raumfahrt<br />
Frau Sandra Wandt<br />
Friedrich-Barnewitz-Straße 9<br />
18119 Rostock-Warnemünde<br />
Tel.: 0381 77868151<br />
E-Mail: s.wandt@hanse-aeropace.net<br />
AN AIRBUS DS COMPANY<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
56 | W+M Ratgeber<br />
Günstig online ordern<br />
Die Beschaffung von Bürobedarf im Internet<br />
Onlineshopping ist im privaten Bereich gang und gäbe. Auch für den gewerblichen Einkauf<br />
von Bürobedarf gibt es bereits zahlreiche Shops und Portale, die die Beschaffung vereinfachen<br />
können.<br />
Von Anke Templiner<br />
Beinahe jedes Unternehmen benötigt immer wieder einmal Kopierpapier,<br />
Ordner, Schreibgeräte, Ablagekörbe usw. Bürobedarf wird<br />
aber längst nicht mehr per Telefon oder Fax bestellt, sondern komfortabel<br />
über das Internet geordert. Für die Onlinebeschaffung von<br />
Bürobedarf gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sie kann beispielsweise<br />
über etablierte Bürobedarfshändler, die inzwischen über einen<br />
Onlineshop verfügen, über Onlinehändler, die sich auf die Bürobedarfsbeschaffung<br />
spezialisiert haben, oder über große Onlineportale,<br />
die Bürobedarfsprodukte neben vielen anderen Sortimenten anbieten,<br />
erfolgen. In unserer Übersicht wurden neun Anbieter ausgewählt,<br />
die diese Bandbreite widerspiegeln.<br />
Abgefragt wurden kaufentscheidende Kriterien wie Lieferzeiten, Versandkosten<br />
sowie Bezahl- und Rückgabemöglichkeiten und Kriterien<br />
wie Artikelanzahl und integrierte Eigenmarken/Markenshops, die zeigen,<br />
in welchem Spektrum sich ein Onlineshop bewegt. Alle aufgeführten<br />
Shops bieten übrigens nicht nur Bürobedarf, sondern meist<br />
auch Bürotechnik und Büromöbel.<br />
Kleinere, spezialisierte Bürobedarfshändler sind beispielsweise BBV-<br />
Domke und memo. BBV-Domke konzentriert sich auf Frankiersysteme<br />
und Zubehör, memo auf nachhaltige Produkte. Das Unternehmen<br />
hat aufgrund seines ganzheitlichen Angebots von geprüften umweltund<br />
sozialverträglichen Büromaterialien eine Alleinstellung am Markt.<br />
Zu den größeren Onlinehändlern gehören Printus, Mercateo, Büromarkt<br />
Böttcher, officio, OTTO Office und Viking. Sie warten mit 20.000<br />
bis 30.000 Produkten allein für den Bereich Bürobedarf auf. Einige von<br />
Portal/Onlinehändler BBV-Domke Büromarkt Böttcher memo Mercateo<br />
Anzahl der bestellbaren Bürobedarfsartikel ca. 14.000 ca. 30.000 ca. 8.000 über 17.000<br />
Kunden: privat und/oder gewerblich gewerblich privat und gewerblich privat und gewerblich gewerblich<br />
Integrierte Markenshops nein nein ja (memo Markenshop) ja<br />
Eigenmarken ja ja (BB-Office) ja ja (Eigenmarken der<br />
Vorlieferanten)<br />
Lieferzeiten in Stunden 24 24 24 48<br />
Versandkosten (inkl. MwSt.) 6,80 € 3,56 € 4,95 € bis 50 € Warenwert; 2,95 € bis<br />
200 € Warenwert; ab 200 € Warenwert<br />
versandkostenfrei<br />
1,90 € bis 60 €<br />
Warenwert; darüber<br />
versandkostenfrei<br />
Bestellvarianten außer online Tel., Fax, Post Tel., Fax, E-Mail Tel., Fax, E-Mail, Post Post, E-Mail, Fax sowie<br />
Schnittstellen zu Waren -<br />
wirtschafts- und<br />
SRM-Systemen<br />
Bezahlmöglichkeiten<br />
Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />
Nachnahme, PayPal<br />
Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />
Nachnahme, PayPal, Kreditkarte,<br />
Sofortüberweisung<br />
Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />
Nachnahme<br />
Vorkasse, Rechnung,<br />
Bankeinzug, Leasing und<br />
Finanzierung mit flexiblen<br />
Zahlungszielen<br />
Rückgabefrist in Tagen individuell 14 30 unterschiedlich<br />
Besonderheiten<br />
(Umweltfreundlichkeit, Serviceangebote etc.)<br />
umweltfreundliches Sortiment, Happy<br />
Hour, Neukundenrabatt, persönliche<br />
Beratung, Leasingmöglichkeiten,<br />
Existenzgründerrabatt<br />
„Green“ gekennzeichnete<br />
Re cyc ling artikel, Montage- und<br />
Lieferservice, Themenshops,<br />
Staffelpreise und Wochenaktionen<br />
gesamtes Sortiment nach<br />
umwelt- und sozial verträglichen<br />
sowie nach qualitativen<br />
Kriterien geprüft, Mehrweg-<br />
Versandsystem „memo Box”,<br />
memo „Wertstoff-Box“-System<br />
umfangreiches<br />
E-Procurement-System<br />
(elektronischer Einkauf),<br />
weitere beschaffungsnahe<br />
Dienstleistungen<br />
Webadresse www.bbv-shop.de www.bueromarkt-ag.de www.memo.de www.mercateo.com<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Büro | 57<br />
ihnen, wie officio, sind als „Pure Player“ ausschließlich im Vertriebskanal<br />
Internet tätig, andere vertreiben auch noch parallel über stationäre<br />
Geschäfte und Kataloge. Das mit Amazon vergleichbare Onlineportal<br />
Rakuten, das 7.000 Händler auf einem Marktplatz vereint,<br />
führt Büroprodukte nur als einen Teil im Gesamtsortiment.<br />
Alle Anbieter dieser Übersicht stellen neben einem großen Sortiment<br />
qualitativ hochwertiger Artikel, einer schnellen, korrekten Lieferung,<br />
einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, vielfältigen Zahlungsmöglichkeiten<br />
sowie einem freundlichen und gut erreichbaren Kundenservice<br />
als wichtiges Kriterium mehrheitlich eine gute Usability in den<br />
Vordergrund. Das heißt, der Kunde soll eine übersichtliche Website<br />
vorfinden und mit einfachen Auswahlmöglichkeiten schnell zu seinen<br />
Bei der Wahl des Onlineshops sollte man neben den<br />
Preisen auch auf die Serviceleistungen und die<br />
Usability (Nutzerfreundlichkeit) achten.<br />
Kriterien für Usability:<br />
• übersichtliche, nachvollziehbare und schnell geladene Produktpräsentation<br />
auf der Webseite,<br />
• eine intuitive Bedienung, leichte Orientierung und Suche über<br />
einfache Funktionen sowie<br />
• ein unkomplizierter und transparenter Check-Out-Prozess mit<br />
Warenkorb und Bestellabschluss<br />
gesuchten Produkten gelangen.<br />
Außerdem soll eine leichte Bedienung<br />
möglich sein, um ihm das<br />
Einkaufen sowie das Bezahlen so<br />
einfach wie möglich zu machen.<br />
Das Gütesiegel „Trusted Shops“<br />
tragen allein in Deutschland<br />
über 14.000 Internethändler.<br />
Diese Serviceaspekte werden in<br />
Zukunft auch zum klaren Differenzierungsmerkmal<br />
von Onlineshops,<br />
wie die kürzlich erschienene<br />
Studie „Erfolgsfaktoren im E-Commerce – Deutschlands Top Onlineshops<br />
Vol. 3“ der Abteilung E-Commerce-Center (ECC) Köln beim<br />
IFH Institut für Handelsforschung herausstellte: Bei der Bestellung im<br />
Onlineshop ist besonders wichtig, dass Kunden bei Fragen oder Problemen<br />
mit dem Händler in Kontakt treten können. Fehlt ein qualifizierter<br />
Ansprechpartner, lässt dies die Konsumenten bei einem Einkauf<br />
im Internet zögern.<br />
Darüber hinaus helfen Gütesiegel wie das von „Trusted Shops“, vertrauenswürdige<br />
Onlineshops zu erkennen. Alle Unternehmen mit<br />
diesem Siegel erfüllen vielfältige Standards bezüglich Seriosität, Datenschutz<br />
und Liefersicherheit. Weitere gängige Siegel sind beispielsweise<br />
Safer Shopping, EHI, Norton Secured und Trustpilot.<br />
W+M<br />
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der<br />
Redaktion des Magazins Das Büro.<br />
officio OTTO Office Printus Rakuten Viking<br />
ca. 32.000 ca. 20.000 ca. 27.000 ca. 350.000 13.175 (Deutschland)<br />
privat und gewerblich privat und gewerblich gewerblich privat und gewerblich privat und gewerblich<br />
ja (z. B. Durable, Bisley, Veloflex) ja nein ja ja (z. B. Apple, HP, Post-it, Canon)<br />
ja<br />
ja (in den Kategorien Budget, ja nein ja<br />
Standard, Premium und Umwelt)<br />
artikelabhängig (1 bis 21 Tage) 24 (bei Bestellung Mo bis Fr bis 17:00<br />
Uhr)<br />
bei Bestellungen bis 17:00 Uhr am<br />
nächsten Werktag<br />
händlerabhängig 24<br />
4,50 € bis 75 € Warenwert 4,52 € bis 53 € Warenwert, 1,82 €<br />
ab 53 € Warenwert<br />
keine händlerabhängig 2,95 € bis 49 € Warenwert;<br />
kostenfrei über 49 € Warenwert<br />
Fax, E-Mail, Post Tel., Fax, E-Mail, Post Tel., Fax Tel. Tel., Fax, E-Mail<br />
Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />
PayPal, Kreditkarte, Sofortüberweisung<br />
Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />
PayPal, Kreditkarte<br />
Rechnung, Bankeinzug<br />
Vorkasse, Rechnung, Bankeinzug,<br />
PayPal, Kreditkarte, Sofortüberweisung,<br />
GiroPay, Klarna<br />
Rechnung, Bankeinzug,<br />
Kreditkarte, Paypal<br />
14 30 30 14 30<br />
Sonderbeschaffungen, Individualisierungen,<br />
Rakuten Superpunkte<br />
Abonnementfunktion<br />
Dankeschön-Präsente bei Bestellungen<br />
ab einem Warenwert von<br />
89,25 €<br />
soziales Engagement (langjährige<br />
Partnerschaft mit den SOS Kinderdörfern)<br />
www.officio.de www.otto-office.com www.printus.de www.rakuten.de www.viking.de<br />
authorisierter Apple-Händler, Green<br />
Shop, CO 2-neutrale Auslieferung<br />
Foto: Windorias/pixelio.de<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
58 | W+M Netzwerk<br />
3. Ostdeutsches Energieforum in Leipzig<br />
Masterplan zur Gestaltung der<br />
Energiewende gefordert<br />
300 Experten diskutierten unlängst auf dem 3.<br />
Ostdeutschen Energieforum über die Konsequenzen<br />
der Energiewende. Allgemeiner Appell<br />
an die Politik: Elektrizität müsse bezahlbar bleiben.<br />
Die Veranstalter des Forums präsentierten<br />
einen Katalog mit ihren Forderungen zur künftigen<br />
Energiepolitik und forderten zugleich einen<br />
verbindlichen Masterplan zur weiteren Gestaltung<br />
des Generationsprojekts Energiewende.<br />
Dieser müsse vor allem nachvollziehbare Schritte<br />
mit abrechenbaren Jahresplänen enthalten.<br />
An dem zweitägigen Forum, das gemeinsam von<br />
der IHK zu Leipzig und der Interessengemeinschaft<br />
der Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />
und Berlin ausgerichtet wurde, nahmen<br />
Experten aus der Energiewirtschaft und anderen<br />
Branchen teil. Mit dabei waren unter anderem<br />
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich<br />
sowie Christian Lindner, Bundesvorsitzender der<br />
FDP.<br />
W+M<br />
Frank Nehring und<br />
Anja Strebe von<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>.<br />
Sachsens Ministerpräsident<br />
Stanislaw Tillich sprach über<br />
die Auswirkungen der Energiepolitik<br />
des Bundes auf den<br />
Freistaat Sachsen.<br />
Das Ostdeutsche Energieforum am 3. und<br />
4. September in Leipzig erfreute sich einem<br />
regen Zuspruch.<br />
Steffen Heller (l., Geschäftsführer UV<br />
Brandenburg-Berlin) im Gespräch mit Lutz<br />
Götze (Expense Reduction Analysts).<br />
Christian Lindner (FDP) sprach<br />
sich für mehr Marktwirtschaft<br />
und eine Reform der Energiewende<br />
aus.<br />
Hartmut Bunsen (r.,<br />
Präsident UV Sachsen)<br />
im angeregten<br />
Gespräch mit Dr.<br />
Urban Rid (Leiter<br />
Abteilung Energie<br />
BMWi).<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014<br />
Uwe Albrecht<br />
(Bürgermeister für<br />
Wirtschaft Leipzig),<br />
MdB Bettina Kudla,<br />
Harmut Bunsen und<br />
Carsten Bödecker<br />
(Leiter BMW-Niederlassung<br />
Leipzig)<br />
(v. l. n. r.).<br />
Jürgen Zeibig<br />
(ZEIBINA),<br />
Dr. Andreas<br />
Reichel (Vorstandsmitglied<br />
E.DIS) und Carsten<br />
Ziegler (Leiter<br />
Vorstandsbüro<br />
E.DIS) (v. l. n. r.).<br />
Fotos: UV Sachsen
Gesellschaft | 59<br />
Ostsee-Meeting auf der Traditionsrennbahn in Bad Doberan<br />
Pferde, Wetten und tolle Hüte<br />
Vom 14. bis 17. August 2014 fand in Bad Doberan auf Europas ältester<br />
Galopprennbahn zum 22. Mal das Lübzer Pils-Ostsee-Meeting statt.<br />
Die Rennpreise für die 32 Galopp- und vier Bauern-Rennen lagen bei<br />
stattlichen 180.000 Euro. Gute Laune, Freude an den Pferden und am<br />
Wetten hatten die Besucher an allen Tagen. Selbst der Donnerstag<br />
war für einen Wochentag ordentlich besucht. Von Vorteil, wenn man<br />
Urlaubsregion ist. Ein besonderes Kompliment an die Damen, die sich<br />
den Hut nicht nehmen ließen und insbesondere am Freitag, dem Ladies<br />
Day, von mutig über handwerklich geschickt bis hin zu sehr kreativ<br />
ihre Kopfbedeckungen zur Schau stellten. Dr. Wolfgang Rühle,<br />
Präsident des Doberaner Rennvereins, zog ein erfreuliches Fazit: „Ein<br />
voller Erfolg unserer gemeinsamen Aktivitäten. Rennverein und Organisator<br />
Treffpunkt GmbH erhielten rundum positives Feedback.“W+M<br />
Ladies Day: Glückwunsch<br />
zu diesen<br />
Hüten.<br />
Großer<br />
Andrang<br />
an allen<br />
Tagen.<br />
Die Galopper auf der Zielgraden.<br />
Fotos: Joachim Kloock<br />
Gute Laune und<br />
Picknickstimmung.<br />
Bei bestem Wetter am Start.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
60 | W+M Netzwerk<br />
3. Business Challenge der<br />
Unternehmerverbände<br />
Golfen unterm Wind<br />
Auf einem der schönsten Golfplätze Norddeutschlands,<br />
dem Golfpark Strelasund, luden<br />
die Unternehmerverbände Vorpommern,<br />
Rostock-Mittleres Mecklenburg und<br />
Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin<br />
zur dritten UV Business Challenge. Die Beteiligung<br />
am vorgabewirksamen Turnier<br />
war enorm – rund 50 Golfer freuten sich auf<br />
ein schönes Spiel. Und die Bedingungen auf<br />
dem 18-Loch-Platz in der Gemeinde Süderholz<br />
hätten nicht besser sein können: trockenes<br />
Wetter, viel Wind und sogar Sonne.<br />
Gleichzeitig wurden die knapp 20 Golfinteressierten<br />
ohne Platzreife in einem Schnupperkurs<br />
an den Golfsport herangeführt. Dank<br />
zahlreicher Sponsoren konnten am Abend<br />
einige attraktive Preise vergeben werden.<br />
Dabei fiel der Name Martin Scholtys gleich<br />
drei Mal. Der Spieler vom Golfclub Schloss<br />
Teschow gewann neben dem „1. Bruttopreis“<br />
auch die Preise für „Nearest to the Pin“ und<br />
„Longest Drive“. Der Preis der Redaktion<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> ging an den besten<br />
Schnupperer Gunnar Wobig.<br />
W+M<br />
Gruppenfoto vor dem Start des Turniers.<br />
Gerold Jürgens (r.),<br />
Präsident des UV<br />
Vorpommern, hat<br />
den Überblick.<br />
So ein Golfturnier macht hungrig.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014<br />
Die Teilnehmer<br />
des Turniers<br />
hatten sichtlich<br />
Spaß.<br />
Frank Haacker (l.), Präsident des<br />
UV Rostock, mit seinen Mitspielern.<br />
Ein guter Schwung<br />
entscheidet.<br />
Gerold Jürgens zeichnet den Hauptgewinner<br />
des Turniers Martin Scholtys (l.) aus.<br />
Der Flight mit <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>-<br />
Verleger Frank Nehring.<br />
Fotos: UV Schwerin/Wolfgang Schröder, UV Vorpommern/Johannes Tolxdorff
Gesellschaft | 61<br />
Ausgelassene Stimmung im Kronprinzenpalais.<br />
VBKI feiert Sommerfest der Wirtschaft<br />
Berliner Kronprinzen<br />
im Kronprinzenpalais<br />
Mehr als 1.000 Gäste waren der Einladung des Verbandes Berliner Kaufleute und Industrieller<br />
(VBKI) zum traditionellen Sommerfest der Wirtschaft ins Kronprinzenpalais<br />
Unter den Linden gefolgt. Bei spätsommerlichem Wetter wurde Netzwerkarbeit betrieben,<br />
getanzt und gefeiert. Eine pikante Note erfuhr der gesellige Abend durch die<br />
Anwesenheit gleich mehrerer SPD-Spitzenpolitiker: Neben dem Regierenden Bürgermeister<br />
Klaus Wowereit, der wenige Tage zuvor seinen Rücktritt angekündigt hatte,<br />
stellten sich auch die drei „Kronprinzen“ für die Wowereit-Nachfolge – Senator Michael<br />
Müller, SPD-Fraktionschef Raed Saleh und SPD-Landesvorsitzender Jan Stöß – den<br />
Berliner Unternehmern vor.<br />
Der scheidende Regierungschef Wowereit hob das große Engagement der Unternehmerschaft<br />
für Berlin hervor. Darüber hinaus lobte er die Entscheidung des VBKI, das<br />
Sommerfest „im Osten der Stadt“ durchzuführen.<br />
VBKI-Präsident und Gastgeber Markus Voigt sagte: „Wir wollen als starke Stimme der<br />
Wirtschaft in Berlin und über Berlin hinaus Impulse geben und mitgestalten. Unternehmerische<br />
Verantwortung bedeutet jedoch auch gesellschaftliche Verantwortung.“<br />
W+M<br />
TV-Star Ulla<br />
Kock am Brink.<br />
Arbeitssenatorin<br />
Dilek Kolat.<br />
VBKI-Präsident Markus Voigt, Ehefrau<br />
Mirijam, Senator Michael Müller, Ehefrau<br />
Claudia und SPD-Fraktionschef Raed<br />
Saleh (v. l. n. r.).<br />
Fotos: Schroewig News & Images/Eva Oertwig<br />
VBKI-Geschäftsführer<br />
Udo Marin und Ehefrau<br />
Manuela (l.), der Regierende<br />
Bürgermeister<br />
Berlins Klaus Wowereit<br />
(M.), VBKI-Präsident Markus<br />
Voigt und Ehefrau<br />
Mirijam (r.).<br />
Grünen-<br />
Fraktionschefin<br />
Ramona Pop (r.)<br />
im angeregten<br />
Gespräch.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
62 | W+M Netzwerk<br />
In diesen Behältern wird Wasserstoff für verschiedene<br />
Anwendungen bereitgehalten. Im Hintergrund die Biogasanlage.<br />
Das weltweit erste Hybridkraftwerk<br />
Die vom VBIW-Vorsitzenden Dr. Norbert Mertzsch angestoßene Diskussion über die Speicherung erneuerbarer<br />
Energien hält an. In diesem Zusammenhang besuchten weitere Mitglieder des VBIW das<br />
Hybridkraftwerk der ENERTRAG AG bei Prenzlau. Hier wird aus überschüssigem Windstrom Wasserstoff<br />
hergestellt.<br />
Von Rudolf Miethig (VBIW)<br />
Dauerthal (Uckermark). Sven Pyka von ENERTRAG führte die Mitglieder<br />
des VBIW durch die Anlagen des Unternehmens und erklärte<br />
den Arbeitsprozess: Strom aus Windkraftanlagen wird ins Netz eingespeist<br />
und/oder zur Elektrolyse von Wasser benutzt. Dann wird der<br />
entstehende Sauerstoff abgelassen, der Wasserstoff wird zunächst<br />
gespeichert und kann dann auf verschiedene Weise zur Energieerzeugung<br />
benutzt werden.<br />
Dies kann zum Einen durch die Rückverstromung in einem Blockheizkraftwerk<br />
geschehen. Das ist in der Anlage bei Prenzlau zwar<br />
möglich, wird aber nicht praktiziert, weil die geringen Mengen des<br />
erzeugten Stroms ins Netz eingespeist werden können und das Kraftwerk<br />
dafür die günstigere Einspeisevergütung erhält. Zum Anderen<br />
kann der Wasserstoff aber auch an Wasserstoff-Tankstellen abgegeben<br />
werden, etwa für Brennstoffzellen-Autos. Eine weitere Möglichkeit<br />
ist die Abgabe in das vorhandene Erdgasnetz. Derzeit dürfen<br />
zwei Prozent Wasserstoff zum Erdgas hinzugefügt werden. Das<br />
reicht für das Pilotprojekt bei Prenzlau aus, nicht aber für eine großtechnische<br />
Lösung des Speicherproblems,<br />
für welche sich die Ingenieure<br />
des VBIW besonders interessieren.<br />
Der zweite Energielieferant im Hybridkraftwerk<br />
ist eine Biogasanlage. Daran<br />
angeschlossen ist ein Blockheizkraftwerk,<br />
welches Strom ans Netz<br />
und Fernwärme an ein Prenzlauer<br />
Wohngebiet liefert.<br />
In einer spannenden Diskussion mit<br />
Mit Windstrom wird im<br />
Elektrolyseur Wasser in<br />
Sauerstoff und Wasserstoff<br />
aufgespaltet.<br />
Sven Pyka wurden weitere Möglichkeiten<br />
der Entwicklung erörtert. Die Anlage<br />
in Prenzlau ist nur ein Prototyp,<br />
der veranschaulichen soll, was prinzipiell<br />
möglich ist. Einig war man sich darin, dass das vorhandene Erdgasnetz<br />
umfassender genutzt werden sollte. Die schnellste Lösung<br />
wäre die Zulassung eines höheren Anteils an Wasserstoff im Erdgas<br />
durch die Netzbetreiber. Bei der Verwendung von Erdgas als Kraftstoff<br />
für Kraftfahrzeuge ist die zulässige Wasserstoffkonzentration<br />
derzeit allerdings auf zwei Volumenprozent durch die entsprechende<br />
DIN-Norm begrenzt. Die Technische Universität Graz konnte aber<br />
zeigen, dass auch bei größeren Zumischungen von Wasserstoff weniger<br />
Schadstoffe erzeugt werden als bei reinem Erdgas oder Benzin.<br />
Am liebsten aber würden die Netzbetreiber Methan aufnehmen, das<br />
ohnehin den Hauptbestandteil des natürlichen Erdgases bildet. Wasserstoff<br />
könnte gemeinsam mit CO 2 zu Methan reformiert werden.<br />
Das könnte dann zu 100 Prozent in das Erdgasnetz eingeleitet werden.<br />
CO 2 ist zwar im Überfluss in den Abgasen der Kraftwerke vorhanden<br />
und sollte sogar unterirdisch verpresst werden, doch seine<br />
Abscheidung ist sehr teuer.<br />
Als weiterer Ansatz wurde die biologische Methanisierung in die<br />
Diskussion eingebracht: Die Forschung arbeitet daran, Biogas und<br />
Wasserstoff mit Hilfe hochspezialisierter Mikroorganismen zu Methan<br />
umzuwandeln. Das so erzeugte synthetische Methan ist im<br />
Gegensatz zum natürlichen Erdgas klimaneutral. Seit 2013 betreibt<br />
der Autobauer Audi eine solche Power-to-Gas-Anlage in Werlte (Emsland).<br />
Die Nutzung von Erdgasfahrzeugen könnte auf diese Weise<br />
ausgeweitet werden, denn deren Technik wird bereits beherrscht;<br />
sie werden serienmäßig hergestellt, sind alltagstauglich und weitere<br />
Erdgastankstellen können am vorhandenen Leitungsnetz errichtet<br />
werden. Dagegen hält Pyka den großflächigen Einsatz von<br />
batterie-elektrischen Fahrzeugen auch deshalb nicht für umsetzbar,<br />
da bei gleichzeitigem Anschließen der Autos an die Ladestationen<br />
in der Zeitspanne nach Feierabend das Stromnetz hoffnungslos<br />
überlastet wäre.<br />
Fotos: ENERTRAG AG<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
VBIW | 63<br />
„Feuer breitet sich nicht aus, hast du Minimax im Haus“<br />
Fotos: Joergens.mi/Wikimedia Commons (oben links), Zwager/Wikimedia Commons (oben rechts), Prof. Dietmar Linke (Leibniz-Sozietät) (unten)<br />
Neuruppin. Unter diesem Slogan brachte der Berliner Unternehmer<br />
Wilhelm Graaff den ersten alltagstauglichen Handfeuerlöscher<br />
auf den Markt, der von den Käufern bald „Spitztüte“ genannt wurde.<br />
1905 wurde der Betrieb nach Neuruppin verlagert und produziert<br />
seitdem Feuerlöscher, zunächst unter dem weltweit bekannten<br />
Demonstration einer Fettexplosion: Ein Liter Wasser wurde<br />
auf einen Liter brennendes Speisefett gegossen.<br />
Berlin. Anlässlich des Leibniz-Tages 2014 verlieh die Leibniz-Sozietät<br />
der Wissenschaften zu Berlin e. V. dem VBIW den Samuel-Mitja-<br />
Rapoport-Kooperationspreis. Den Preis nahmen Dr. Norbert Mertzsch<br />
und Jutta Scheer (Vorsitzender und Zweite Vorsitzende des VBIW) vom<br />
Präsidenten der Leibniz-Sozietät<br />
Professor Dr. Gerhard<br />
Banse entgegen.<br />
Die Leibniz-Sozietät steht<br />
in der Tradition und Nachfolge<br />
der im Jahre 1700 in<br />
Berlin gegründeten Brandenburgischen<br />
Sozietät der<br />
Wissenschaften. Ihr Zweck<br />
VBIW mit Samuel-Mitja-Rapoport- Kooperationspreis ausgezeichnet<br />
VBIW-Vorsitzender<br />
Dr. Norbert Mertzsch<br />
bei seinen Dankesworten.<br />
Markennamen Minimax. Nach Enteignung des<br />
Neuruppiner Werks wurde in Westdeutschland<br />
ein neues Minimax-Werk gegründet. Aber auch<br />
in Neuruppin wurden bis heute weiter Feuerlöscher<br />
produziert, der dortige Betrieb gehört<br />
als FLN Feuerlöschgeräte Neuruppin Vertriebs-<br />
GmbH zum Tyco-Konzern. Dessen Produkte tragen<br />
den Markennamen „neuruppin“.<br />
Ingenieure des VBIW haben die Produktionsstätte<br />
besucht und erfuhren dabei, dass<br />
FLN etwa 60 verschiedene Typen an Feuerlöschern<br />
produziert, wobei das neueste Produkt<br />
der Wassernebellöscher ist. Er wirft kleinste<br />
Wassertröpfchen von 0,06 bis 0,08 Millimeter<br />
Durchmesser etwa drei bis fünf Meter weit aus<br />
und ist auch bei Fettbränden einsetzbar. Der<br />
Wassernebel schützt zusätzlich vor Hitzestrahlung.<br />
Folgeschäden durch Löschmitteleinwirkung<br />
sind zudem extrem reduziert.<br />
Die gefürchtete Fettexplosion entsteht, weil<br />
Wasser, schwerer als Fett, unter dieses absinkt,<br />
sich durch die Hitze blitzartig ausdehnt und<br />
das darüber liegende Fett explosionsartig ausstößt.<br />
Fettbrände mussten bisher mit Decken oder speziellen Feuerlöschern<br />
mit verseifendem Löschmittel bekämpft werden. Jetzt<br />
gibt es den Wassernebellöscher, der A-Brände (feste Stoffe), kleine<br />
B-Brände (flüssige oder flüssig werdende Stoffe) und F-Brände (Öle<br />
oder Fette) löschen kann.<br />
Dr. Norbert Mertzsch (VBIW)<br />
ist die „selbstlose Pflege<br />
und Förderung der Wissenschaften<br />
in der Tradition<br />
von Gottfried Wilhelm Leibniz<br />
im Interesse der Allgemeinheit“,<br />
so die Satzung der Sozietät.<br />
Der Rapoport-Preis wurde<br />
2012 erstmals für die Beförderung<br />
der Kooperation zwischen Wissenschaft<br />
einerseits und Wirtschaft,<br />
Politik oder wissenschaftlichen Organisationen<br />
andererseits vergeben.<br />
Samuel Mitja Rapoport (1912–2004)<br />
war erster Präsident der Leibniz-Sozietät<br />
und nachfolgend Ehrenpräsident.<br />
VBIW – Verein Brandenburgischer<br />
Ingenieure und Wirtschaftler e. V.<br />
Landesgeschäftsstelle: Fürstenwalder Str. 46,<br />
15234 Frankfurt (Oder), Tel.: 0335 8692151<br />
E-Mail: buero.vbiw@t-online.de<br />
Internet: www.vbiw-ev.de<br />
„Spitztüte“<br />
von Minimax.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
64 | W+M Netzwerk<br />
UV Sachsen<br />
Kupfer weiht Gründerzeithaus ein<br />
Solares Bauen im Bereich Neubau<br />
ist in Deutschland zur Zeit zwar eher<br />
noch selten, aber auf dem Vormarsch.<br />
Die energetische Sanierung von Altbauten<br />
mit Solarenergie hingegen<br />
ist Neuland. Den Solarpionieren der<br />
FASA AG, einem langjährigen Mitglied<br />
des UV Sachsen, ist es gelungen,<br />
ein denkmalgeschütztes Gebäude<br />
aus dem Jahr 1906 derart komplex<br />
zu sanieren, dass dieses kumuliert einen<br />
solaren Deckungsgrad von etwa<br />
90 Prozent aufweist. Zur Einweihung<br />
des Gründerzeithauses in der Chemnitzer<br />
Kanalstraße reiste eigens der<br />
UV Brandenburg-Berlin<br />
Seit dem Inkrafttreten des Freihandels<br />
abkommens zwischen der<br />
Schweiz und China am 1. Juli 2014<br />
hat sich der chinesische Markt für<br />
Schweizer Unternehmen geöffnet.<br />
Mit einem Exportvolumen deutscher<br />
Unternehmen nach China in Höhe<br />
von über 67 Milliarden Euro im Jahr<br />
2013 ist dies ein interessanter Weg,<br />
den die Europäische Union nicht bietet.<br />
Deshalb sollen auch deutsche Firmen<br />
von der Schweizer Lösung profitieren.<br />
Der Ansatz besteht darin, deutsche<br />
Produkte mit einer Veredelungsstufe<br />
Sächsische Staatsminister für Umwelt<br />
und Landwirtschaft Frank Kupfer<br />
in die Industriestadt und lobte die<br />
solare Vision sowie den Mut von Ullrich<br />
Hintzen, Vorstand der FASA AG.<br />
„Ich bin gern nach Chemnitz gekommen.<br />
Zwar waren wegen des Denkmalschutzes<br />
hier die Möglichkeiten<br />
bei der Sanierung eingeschränkt.<br />
Das Vorhaben zeigt jedoch, dass es<br />
mit viel Erfindergeist möglich ist, dort<br />
Solarenergie sehr effektiv für die Versorgung<br />
mit Heizenergie und Warmwasser<br />
zu nutzen”, führte Kupfer in<br />
seiner Rede aus.<br />
Von Deutschland über die Schweiz zollfrei nach China<br />
Fritz Burkhalter von BNPO (Mitglied des UV Brandenburg-Berlin) über die<br />
Vorteile des Schweizer Freihandelsabkommens mit China für deutsche Unternehmen:<br />
in der Schweiz und unter Einhaltung<br />
des internationalen Handelsrechts<br />
mit der Zollpräferenz nach China zu<br />
exportieren. Für die Veredelung bietet<br />
sich in Uri ein Industriegebiet an,<br />
welches über vorteilhafte Verkehrsanbindungen,<br />
mögliche Kooperationspartner<br />
vor Ort und vorhandene<br />
Gebäude und Flächen verfügt<br />
und sich somit als Zweitproduktionsstandort<br />
anbietet. Ein Gewinn<br />
für deutsche Unternehmen Dank<br />
der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit<br />
– eine Wertschöpfung in<br />
Deutschland sowie in der Schweiz.<br />
Termine<br />
UV Brandenburg-Berlin<br />
06.10.2014: 8:00 Uhr „Potsdamer Gespräche“, VCAT Consulting<br />
GmbH, August-Bebel-Str. 26-53, 14482 Potsdam<br />
07.10.2014: 09:00 – 14:00 Uhr Wissenschaft trifft innovative Unternehmen,<br />
Universität Potsdam, Campus Golm, Karl-Liebknecht-Str.<br />
24-25, 14476 Potsdam<br />
14.10.2014: 16:00 – 20:00 Uhr Landesarbeitskreis Innovative<br />
Technologien: „Innovative Lösungen für wirtschaftliche und zuverlässige<br />
Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr“, Stadler Pankow,<br />
Lessingstraße 102, 13158 Berlin<br />
15.10.2014: 18:30 – 20:30 Uhr BER BusinessClub<br />
17.10.2014: 10:00 – 14:00 Uhr Mitgliederversammlung des UV<br />
Brandenburg, pentahotel Berlin-Potsdam, Warthestraße 20, 14513<br />
Teltow<br />
23.10.2014: 18:00 – 20:00 Uhr, Unternehmertreff Königs Wusterhausen,<br />
Thema „Was passiert, wenn mir was passiert?“, Hotel<br />
Residenz am Motzener See, Töpchiner Straße 4, 15741 Mittenwalde<br />
OT Motzen<br />
03.11.2014: 18:00 Uhr „Potsdamer Gespräche“, VCAT Consulting<br />
GmbH, August-Bebel-Str. 26-53, 14482 Potsdam<br />
13.11.2014: 18:00 – 20:30 Uhr Treffpunkt Wirtschaft – Unternehmerseminar:<br />
Neues aus dem Arbeitsrecht, Kanzlei Goldenstein &<br />
Partner, Hegelallee 1, 14467 Potsdam<br />
UV Rostock-Mittleres Mecklenburg<br />
08.10.2014: 18:00 Uhr Rostocker Wirtschaftsrunde, Rathaushalle<br />
Rostock, Neuer Markt 1, 18055 Rostock<br />
15.10.2014: 18:00 Uhr CSR-Abschlussveranstaltung<br />
17.-18.10.2014: „Wirtschaft trifft Medien“, Schloss Gamehl, Gamehl<br />
26, 23970 Gamehl<br />
05.11.2014: 18:00 Uhr Unternehmerlounge „Über den Dächern<br />
der Hansestadt“<br />
06.11.2014: UV-Branchentag Rostock, Aus und Weiterbildung<br />
20.11.2014: 19:00 Uhr „Warnemünder Gespräche“, Café Ringelnatz,<br />
Alexandrinenstraße 60, 18119 Rostock<br />
26.11.2014: Parlamentarischer Abend, Berlin<br />
UV Sachsen<br />
02.10.2014: Arbeitskreis International: Türkei<br />
06.10.2014: 16:30 – 19:00 Uhr Jahresveranstaltung der sächsischen<br />
Allianz „Arbeit und Behinderung“, Thema: „Menschen mit<br />
Behinderungen – Fachkräfte für Ihr Unternehmen“<br />
27.10.2014: 19:30 Uhr Gemeinsames Unternehmertreffen der<br />
UV-Repräsentanz Südwestsachsen und des Hintergrundmagazins<br />
Sachsen, Thema: „Regionales Saisongeschäft oder doch ernst zu<br />
nehmender Wirtschaftsfaktor? – Tourismus in Sachsen“<br />
06.11.2014: 16:30 – 19:00 Uhr, „Wirtschafts- und Sozialgespräch I“,<br />
Thema: „Familiengerechte Arbeitszeitmodelle fest verankern!“<br />
11.11.2014: 6. Leipziger Personalforum des UV Sachsen, der IHK<br />
zu Leipzig, der HWK zu Leipzig und des Zentrums für Aus- und<br />
Weiterbildung Leipzig<br />
15.11.2014: 20:00 Uhr 24. Sächsischer Unternehmerball, Motto<br />
„Sachsen tanzt Samba“, Hotel The Westin Leipzig, Gerberstraße 15,<br />
04105 Leipzig<br />
UV Thüringen<br />
17.11.2014: 18:00 Uhr 10. Erfurter Technologie Dialog, ComCenter<br />
Erfurt, Juri-Gagarin-Ring 37, 99084 Erfurt<br />
20.11.2014: Betriebsbesichtigung Bauerfeind AG, Triebeser Straße<br />
16, 07937 Zeulenroda-Triebes<br />
Veränderungen von Themen, Terminen und Ver an staltungsorten<br />
können nicht ausgeschlossen werden.<br />
Foto: UV Sachsen<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Unternehmerverbände | 65<br />
Foto: Angelika Heim<br />
UV Rostock-Mittleres Mecklenburg<br />
Hanse Sail Business Forum 2014<br />
Mehr als 200 Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Politik waren Anfang August<br />
der Einladung des Initiativkreises der Wirtschaft<br />
– bestehend aus dem Rostocker Unternehmerverband,<br />
der IHK zu Rostock und<br />
der Handwerkskammer Ostmecklenburg-<br />
Vorpommern – zum 14. Hanse Sail Business<br />
Forum in das Steigenberger Hotel Sonne<br />
gefolgt.<br />
Die wichtigste Wirtschaftskonferenz am<br />
Vorabend der Hanse Sail widmete sich in<br />
diesem Jahr dem Thema „Grüne Technologien<br />
aus Mecklenburg-Vorpommern für die<br />
Energiewende in Europa“. Im Fokus standen<br />
dabei Analyse, Bewertung und Ausblick<br />
zur Entwicklung grüner Technologien<br />
im europäischen Kontext. Ina-Maria Ulbrich,<br />
Staatssekretärin im Ministerium für<br />
Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung<br />
Mecklenburg-Vorpommern, plädierte<br />
in ihrer Rede für mehr Akzeptanz zum<br />
Ausbau der erneuerbaren Energien, der<br />
auch den Ausbau der Netze<br />
bedingt. In einer Videobotschaft<br />
grüßte EU-Kommissar<br />
für Energie, Günther<br />
Oettinger, die Teilnehmer.<br />
Uwe Beckmeyer, Parlamentarischer<br />
Staatssekretär<br />
beim Bundesminister für<br />
Wirtschaft und Energie beleuchtete<br />
in seinem Vortrag<br />
die „Nachhaltigkeit als Innovationstreiber“.<br />
Unternehmerverbände Mecklenburg-Vorpommerns<br />
Integration von Arbeitnehmern mit Zugangshemmnissen<br />
In Mecklenburg-Vorpommern<br />
neigt sich das XENOS-<br />
Projekt „Brücken für Vielfalt<br />
und Beschäftigung in MV“<br />
dem Ende. Ziel des Projektes<br />
ist es, einerseits Arbeitnehmer<br />
mit Zugangshemmnissen<br />
zum Arbeitsmarkt zu vermitteln<br />
und andererseits nachhaltige Lösungsansätze<br />
für die Integration dieser zu<br />
entwickeln. Um letzteres Ziel zu erreichen,<br />
führen die Unternehmerverbände Schwerin,<br />
Rostock und Vorpommern insgesamt<br />
1.000 Sensibilisierungsgespräche mit Arbeitgebern<br />
im ganzen Land. Im Rahmen<br />
dieser Gespräche wird auf das bestehende<br />
Potenzial verwiesen, gleichzeitig aber<br />
auch Problemfelder und Hinderungsgründe<br />
einer Anstellung sowie diesbezügliche<br />
Lösungsansätze abgefragt.<br />
Der einmalige Umfang der Befragung<br />
– verteilt über ganz<br />
Mecklenburg-Vorpommern,<br />
unterschiedlichste Branchen<br />
und Betriebsgrößen (nach<br />
Quote) – sorgen für eine Übertragbarkeit<br />
der Ergebnisse.<br />
Die Befragungen werden anschließend<br />
durch ein wissenschaftliches Institut ausgewertet<br />
und in Form einer Broschüre den<br />
Entscheidungsträgern des Landes zur Verfügung<br />
gestellt, um so Anregungen für die<br />
Schaffung notwendiger Rahmenbedingungen<br />
zu geben. Die Broschüre wird im vierten<br />
Quartal 2014 erscheinen. Bei Interesse<br />
können Sie sich an die Unternehmerverbände<br />
in Mecklenburg-Vorpommern<br />
wenden.<br />
GESCHÄFTSSTELLEN<br />
Unternehmerverband Berlin e. V.<br />
Präsident: Armin Pempe<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführer: Andreas Jonderko<br />
Frankfurter Allee 202, 10365 Berlin<br />
Tel.: +49 30 9818500<br />
Fax: +49 30 9827239<br />
E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />
Internet: www.uv-berlin.de<br />
Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V.<br />
Präsident: Eberhard Walter<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Geschäftsführer: Steffen Heller<br />
Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />
Tel.: +49 355 22658<br />
Fax: +49 355 22659<br />
E-Mail: cottbus@uv-brandenburg-berlin.de<br />
Internet: www.uv-brandenburg-berlin.de<br />
Bezirksgeschäftsstelle Potsdam<br />
Jägerstraße 18, 14467 Potsdam<br />
Tel.: +49 331 810306<br />
Fax: +49 331 8170835<br />
E-Mail: potsdam@uv-brandenburg-berlin.de<br />
Repräsentanz Frankfurt Oder<br />
Repräsentant: Detlef Rennspieß<br />
Perleberger Straße 2, 15234 Frankfurt Oder<br />
Tel.: +49 335 4007458<br />
Fax: +49 335 4007457<br />
E-Mail: detlef.rennspiess@signal-iduna.net<br />
Unternehmerverband Norddeutschland Mecklenburg-<br />
Schwerin e. V.<br />
Präsident: Rolf Paukstat<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />
Gutenbergstraße 1, 19061 Schwerin<br />
Tel.: +49 385 569333<br />
Fax: +49 385 568501<br />
E-Mail: mecklenburg@uv-mv.de<br />
Internet: mecklenburg.uv-mv.de<br />
Unternehmerverband Rostock-Mittleres Mecklenburg e. V.<br />
Präsident: Frank Haacker<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />
Wilhelm-Külz-Platz 4<br />
18055 Rostock<br />
Tel.: +49 381 242580<br />
Fax: +49 381 2425818<br />
E-Mail: info@rostock.uv-mv.de<br />
Internet: www.uv-mv.de<br />
Unternehmerverband Sachsen e. V.<br />
Präsident: Hartmut Bunsen<br />
Geschäftsführer: Lars Schaller<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Bergweg 7, 04356 Leipzig<br />
Tel.: +49 341 52625844<br />
Fax: +49 341 52625833<br />
E-Mail: info@uv-sachsen.org<br />
Internet: www.uv-sachsen.de<br />
Geschäftsstelle Chemnitz<br />
Repräsentantin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />
Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />
Tel.: +49 371 49512912<br />
Fax: +49 371 49512916<br />
E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />
Geschäftsstelle Dresden<br />
Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck<br />
Semperstraße 2b, 01069 Dresden<br />
Tel.: +49 351 8996467<br />
Fax: +49 351 8996749<br />
E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />
Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e. V.<br />
Präsident: Jürgen Sperlich<br />
Geschäftsführer: Dr. Andreas Golbs<br />
Geschäftsstelle Halle/Saale<br />
Berliner Straße 130, 06258 Schkopau<br />
Tel.: +49 345 78230924<br />
Fax: +49 345 7823467<br />
Unternehmerverband Thüringen e. V.<br />
Präsident: Jens Wenzke<br />
c/o IHK Erfurt – Abteilung Standortpolitik<br />
Arnstädter Str. 34, 99096 Erfurt<br />
Tel.: +49 361 4930811<br />
Fax: +49 361 4930826<br />
E-Mail: info@uv-thueringen.de<br />
Internet: www.uv-thueringen.de<br />
Unternehmerverband Vorpommern e. V.<br />
Präsident: Gerold Jürgens<br />
Geschäftsstelle<br />
Geschäftsstellenleiter: Steffen Hellmuth<br />
Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />
Tel.: +49 3834 835823<br />
Fax: +49 3834 835825<br />
E-Mail: uv-vorpommern@t-online.de<br />
Internet: vorpommern.uv-mv.de<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
66 | W+M Die letzte Seite<br />
Ausblick auf die nächste Ausgabe<br />
Wie kommt der Mittelstand an Geld?<br />
Viele mittelständische Unternehmen leiden<br />
darunter, nicht schnell genug auf Marktveränderungen<br />
reagieren und investieren<br />
zu können, weil ihnen dafür der finanzielle<br />
Spielraum fehlt. Dabei bieten zahlreiche Kreditinstitute<br />
interessante Programme, speziell<br />
für kleine und mittlere Unternehmen, an.<br />
In der Titelgeschichte der nächsten Ausgabe<br />
befasst sich <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> umfassend<br />
mit dem Thema Mittelstandsfinanzierung.<br />
Wir geben Einblick in konkrete Förderprogramme<br />
ausgewählter Bankhäuser und<br />
sprechen mit Experten darüber, wie Mittelständler<br />
an diesen Programmen partizipieren<br />
können. Da etliche mittelständische Unternehmen<br />
aus den neuen Ländern bereits<br />
auf internationalen Märkten agieren oder<br />
sich dort absehbar engagieren wollen, stellen<br />
wir Möglichkeiten der soliden Außenhandelsfinanzierung<br />
vor.<br />
Die letzte Ausgabe des Jahres nutzen wir ferner<br />
dazu, eine Zwischenbilanz zu ziehen: Wie<br />
lief 2014 aus Sicht der ostdeutschen Unternehmen?<br />
Was hat die schwarz-rote Bundesregierung<br />
im ersten Amtsjahr für den Mittelstand<br />
und die deutsche Wirtschaft insgesamt<br />
getan?<br />
Darüber hinaus lesen Sie interessante Länderreports<br />
und einen ausführlichen Ratgeberteil.<br />
Die nächste Ausgabe von<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint am<br />
27. November 2014.<br />
Personenregister<br />
Albrecht, Uwe 58<br />
Arnold, Frank 54<br />
Banse, Gerhard 63<br />
Baumeister, Roy 54<br />
Beckmeyer, Uwe 65<br />
Beltle, Herbert 23<br />
Bergmann, Martin 11<br />
Bieber, Richard 23<br />
Birr, Dieter 25<br />
Bödecker, Carsten 58<br />
Bormann, Michael 52<br />
Botschatzki, Walter 30<br />
Bräutigam, Hans Otto 35<br />
Brandauer, Klaus Maria 29<br />
Brüning, Uschi 29<br />
Bunsen, Hartmut 58<br />
Burkhalter, Fritz 64<br />
Burkhart, Hubertus 47<br />
de Maizière, Lothar 6<br />
Christiansen, Sabine 40<br />
Dicks, Günter 31<br />
Diestel, Peter-Michael 6-8<br />
Domröse, Lothar 11<br />
Dubberstein, Bernd 44/45<br />
Ecke, Tino 10<br />
Eckes-Chantré, Harald 12<br />
Eichinger, Bernd 40<br />
Enderlein, Dietmar 8, 14/15<br />
Enderlein, Katja 14/15<br />
Eppelmann, Rainer 14<br />
Erhard, Ludwig 27<br />
Falk, Hermann 47<br />
Ferris, Timothy 54<br />
Foerster, Carl 13<br />
Friedrich, Marc 54<br />
Garkisch, Anne 23<br />
Garkisch, Stephan 23<br />
Gerdes, Steffan 43<br />
Gleicke, Iris 47<br />
Götze, Lutz 58<br />
Graaf, Wilhelm 63<br />
Grabbe, Thomas 28/29<br />
Gustke, Heinrich 31<br />
Gustke, Manfred 31<br />
Gustke, Stephan 31<br />
Haacker, Frank 60<br />
Hartmann, Tim 46/47<br />
Heise, Gunter 12/13<br />
Heller, Steffen 58<br />
Hennig, Rolf 25<br />
Hertrampf, Dieter 25<br />
Hintzen, Ulrich 64<br />
Honecker, Erich 34<br />
Jahn, Friedrich Ludwig 13<br />
Jahnecke, Thomas 23<br />
Jeske, Harry 24<br />
Jürgens, Gerold 60<br />
Kahnemann, Daniel 54<br />
Kempmann, Johannes 47<br />
Kloss, Günther 13<br />
Kloss, Julius 13<br />
Kloss, Moritz 13<br />
Kock am Brink, Ulla 61<br />
Kohl, Helmut 3<br />
Kolat, Dilek 61<br />
Kroschke, Christoph 7/8<br />
Krug, Manfred 29<br />
Kudla, Bettina 58<br />
Kupfer, Frank 64<br />
Lange, Lutz 12<br />
Lehmann, Robert 48<br />
Leibnitz,<br />
Gottfried Wilhelm 63<br />
Leipold, Dieter 54<br />
Lill, Franz-Lorenz 22<br />
Lindner, Christian 58<br />
Links, Christoph 16/17<br />
Maier, Michael 54<br />
Mangelsdorf, Frank 34/35<br />
Marin, Manuela 61<br />
Marin, Udo 61<br />
Marseille, Ulrich 8<br />
Merkel, Angela 13<br />
Mertzsch, Norbert 62/63<br />
Meyer, Peter 24/25<br />
Momper, Walter 19<br />
Most, Edgar 19<br />
Mühlfenzl, Rudolf 40<br />
Müller, Claudia 61<br />
Müller, Michael 61<br />
Müller, Peter 11<br />
Müller, Stefan 11<br />
Neubert, Barbara 8<br />
Neubert, Wolfgang 8<br />
Niefer, Werner 19<br />
Oettinger, Günther 65<br />
Pagelsdorf, Frank 8<br />
Piketty, Thomas 54<br />
Platzeck, Matthias 35<br />
Polomski, Jutta 12<br />
Pop, Ramona 61<br />
Pyka, Sven 62<br />
Queisser, Christof 13<br />
Quermann, Heinz 22<br />
Quermann, Petra 22<br />
Ragnitz, Joachim 41, 48<br />
Raithel, Günther 36<br />
Raithel, Holger 36<br />
Raithel, Rositta 36<br />
Rapoport, Samuel Mitja 63<br />
Rasym, Peter 25<br />
Rau, Johannes 19<br />
Reichel, Andreas 58<br />
Rid, Urban 58<br />
Ringstorff, Harald 15<br />
Riva, Emilio 19<br />
Röder, Martin 38/39<br />
Rohwedder,<br />
Detlev Karsten 6<br />
Rost, Peter 22<br />
Rühle, Wolfgang 59<br />
Saleh, Raed 61<br />
Schabow ski, Günther 34<br />
Schadock, Helga 10<br />
Scharfschwerdt, Klaus 25<br />
Schäuble, Wolfgang 8<br />
Scheer, Jutta 63<br />
Schenk, Michael 42<br />
Schneider, Jürgen 23<br />
Scholtys, Martin 60<br />
Schröder, Gerhard 40<br />
Schuhbeck, Alfons 29<br />
Sieber, Bert 10<br />
Siegert, Walter 6<br />
Stoiber, Edmund 40<br />
Stolpe, Manfred 18-20<br />
Stöß, Jan 61<br />
Strauß, Franz Josef 27<br />
Süß, Thomas 32<br />
Taleb, Nassim Nicholas 54<br />
Thiele, Käthe 26/27<br />
Thiele, Kurt 26<br />
Thiele, Marco 26/27<br />
Thiele, Rainer 26/27<br />
Thiele, Susen 26<br />
Thiele, Thomas 26<br />
Tierney, John 54<br />
Tillich, Stanislaw 58<br />
Ulbrich, Ina-Maria 65<br />
Urban, Hans-Peter 40<br />
Voigt, Markus 61<br />
Voigt, Mirijam 61<br />
von Schnitzler,<br />
Karl Eduard 40<br />
Wehrle, Martin 54<br />
Weik, Matthias 54<br />
Wernze, Franz-Josef 7<br />
Wiegel, Ulrich 12<br />
Windus, Manfred 30<br />
Wobig, Gunnar 60<br />
Wowereit, Klaus 61<br />
Zeibig, Jürgen 58<br />
Ziegler, Carsten 58<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014
Sachsen | 67<br />
Berlin · Rostock · Leipzig · Dresden · Erfurt · Schwerin · Magdeburg · Potsdam · …<br />
W+M BusinessClub<br />
für Unternehmer<br />
und alle, die<br />
Wirtschaft bewegen<br />
Auftaktveranstaltung in Berlin<br />
25 Jahre <strong>Wende</strong> und wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong><br />
„Wo sind die blühenden Landschaften?“<br />
Eine Bilanz aus Unternehmersicht zum <strong>Wende</strong>jubiläum<br />
am 03.11.2014, 18:00 Uhr<br />
im Berlin Capital Club<br />
Diskutieren Sie mit prominenten Gästen in exklusiver Atmosphäre.<br />
Mehr unter www.wundm.info/businessclub<br />
Anmeldung: info@wundm.info<br />
Die Teilnahmegebühr von 39 €, die unmittelbar vor der Veranstaltung zu entrichten ist, beinhaltet Aperitif, Fingerfood nach Wahl des Küchenchefs<br />
Michael Tuschen, Weiß- und Rotwein, Flying Buffet, Mineralwasser und Kaffee.<br />
www.wundm.info/businessclub
68 | W+M Länderreport<br />
Alles Wichtige<br />
mach’ ich selbst!<br />
Erst recht, wenn es um meine Finanzen geht.<br />
Einfach erfolgreich<br />
Buchhaltung, Aufträge, Rechnungen oder Lohn und Gehalt: Mit Lexware haben Sie mit einem Klick alle<br />
Geschäftszahlen selbst im Blick – im Büro, zu Hause oder unterwegs. Egal, ob Sie das erste Mal mit<br />
Buchhaltung zu tun haben oder Vollprofi sind. Jetzt 4 Wochen kostenlos testen! www.lexware.de<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5 / 2014