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WIRTSCHAFT+MARKT Stabwechsel dringlich (Vorschau)

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A 40799 ■ ISSN 0863-5323 ■ 23. Jahrgang ■ Juli/August 2012 ■ Preis: EURO 3,50<br />

Wirtschaft&Markt<br />

Wirtschaft&Markt<br />

DAS OSTDEUTSCHE WIRTSCHAFTSMAGAZIN<br />

EXTRA:<br />

•WAGNISKAPITAL<br />

•INNOVATIONSTAG<br />

Sachsen Bank-Chef Pfab zum Mittelstand:<br />

<strong>Stabwechsel</strong> <strong>dringlich</strong>


Mittelstandsbank<br />

Näher dran<br />

am Mittelstand<br />

Kontinuität in der<br />

Kreditversorgung<br />

Die aktuellen Anforderungen der Finanzaufsicht an die Eigenkapitalquoten der Banken erfüllen wir aus<br />

eigener Kraft mit einem Maßnahmenpaket, das in vielen Bereichen Veränderungen bringt. Aber eines<br />

bleibt, wie es ist: die zuverlässige und bedarfsgerechte Finanzierung des deutschen Mittelstands!<br />

Unsere mittelständischen Unternehmen sind der wichtigste Träger der deutschen Wirtschaftskraft.<br />

Ihre Versorgung mit Liquidität ist das, was die Mittelstandsbank der Commerzbank im Kern ausmacht.<br />

Daran werden wir nicht rütteln. Wir stehen Ihnen weiter zur Verfügung!<br />

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Gemeinsam mehr erreichen


EDITORIAL<br />

Der letzte Sommer<br />

HELFRIED LIEBSCH<br />

Chefredakteur<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

keine Ahnung, ob es in diesem Sommer<br />

wieder die hübschen Bilder unserer bergwandernden<br />

Bundeskanzlerin aus Südtirol<br />

gibt. Merkel & Messner. Ein Traumpaar.<br />

Sie könnten sich wieder ihre Gipfelfotos<br />

zeigen. Reinhold Messner die alten<br />

vom Mount Everest, K2 und Kangchendzönga,<br />

Angela Merkel die neuen vom<br />

G20-, Vierer- und EU-Gipfel.<br />

Man kann ihr nur wünschen, dass es<br />

in diesem Jahr ein paar Tage mehr in Dolomiten<br />

oder sonst wo werden als 2011,<br />

als nach einer Woche Schluss war. Die<br />

Opposition verlangte in vergangenen<br />

Jahr, dass die Kanzlerin den Euro retten<br />

sollte. In Berlin und Brüssel, nicht in<br />

dem Suldener Hotel, von dem aus sie mit<br />

Berlusconi und Sarkozy telefonierte.<br />

Unterdessen haben sich Italiener und<br />

Franzosen die beiden gespart und im<br />

nächsten Spätsommer oder Frühherbst<br />

entscheiden die Deutschen, ob ihre Sparkommissarin<br />

in die Verlängerung darf.<br />

Es wird also 2013 ein sehr kurzer Sommer<br />

für Merkel, womöglich der letzte für<br />

sie als Bundeskanzlerin.<br />

Sehr zum Leidwesen meiner Frau. Sie<br />

ist mit Blick auf die politischen Konkurrenten<br />

ein bekennender Merkel-Fan. Wegen<br />

der entschlossenen Energiewende<br />

und weil diese Kanzlerin nicht posiert,<br />

klug und verlässlich scheint und verständlich<br />

spricht. Sie ist der ruhende Pol<br />

in hektischer Zeit und verliert höchstens<br />

mal im Fußballstadion die Contenance.<br />

Man muss kein Union-Anhänger sein,<br />

um zuzugestehen, dass es der Vorsitzenden<br />

gelingt, den Eindruck zu vermitteln,<br />

als habe sie den Blick von oben, den<br />

Gipfelblick, den Überblick. In ihrer Ruhe<br />

liegt die Kraft. Apropos, so beliebt bei<br />

den Deutschen wie Angela Merkel (CDU)<br />

ist nur Hannelore Kraft (SPD), die nordrhein-westfälische<br />

Ministerprädidentin.<br />

Schlichtheit und Strenge der Kanzlerin<br />

schaffen Vertrauen. Und ganz unzweifelhaft<br />

ist Vertrauen das allergrößte<br />

Kapital in dieser Zeit.<br />

Immer mehr Menschen in Deutschland<br />

schwant, dass die nahe Zukunft<br />

turbulent wird, dass Energiewende und<br />

Euro-Rettung mächtig ins Geld gehen.<br />

Und gerade Merkel verkörpert – paradoxerweise?<br />

– die Hoffnung, dass das europäische<br />

Abenteuer glimpflich ausgeht.<br />

Genießen wir also diesen Sommer, der<br />

Herbst könnte ungemütlich werden. Für<br />

mich selbst dürfte es anders kommen:<br />

Strapazen im Sommer, Erholung im<br />

Herbst. Denn meine Frau will wie Merkel<br />

in die Berge, mit mir sogar die Alpen<br />

überqueren. Auf dem Fahrrad. Das<br />

freundliche Angebot, sie mit dem Auto<br />

zu begleiten, hat sie abgelehnt. Frauen!<br />

Herzlichst<br />

<br />

4. Messe für<br />

GENUSS,<br />

LEBENSART<br />

UND AMBIENTE<br />

SCHIRMHERRIN<br />

Karin Genrich<br />

Präsidentin des Handelsverbandes<br />

Berlin-Brandenburg<br />

ÖFFNUNGSZEITEN<br />

3.11.: 11-20 Uhr<br />

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2011<br />

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INHALT<br />

WIRTSCHAFT & MARKT<br />

im Juli/August 2012<br />

INTERVIEW REPORT SERIE<br />

SEITE 14<br />

SEITE 36<br />

MINISTERIN BIENKOWSKA, POLEN:<br />

Deutsche profitieren stark von EU-Förderung<br />

ABWANDERER PLAGT HEIMWEH:<br />

Ossis kommen wieder zurück in den Osten<br />

MARKEN-MACHER-MÄRKTE:<br />

Messeprojektchef Hartmut Bunsen<br />

SEITE 58<br />

Editorial<br />

Aktuell<br />

3<br />

6<br />

Der letzte Sommer<br />

Interview, Nachrichten, Pro und Contra, Impressum<br />

Wirtschaft und Politik<br />

Report<br />

TITEL<br />

10<br />

14<br />

30<br />

PROF. HARALD R. PFAB, Vorstandsvorsitzender der Sachsen Bank in Leipzig, über flexible<br />

Mittelständler, ältere Unternehmer, den Euro und nationale Fiskalpolitik<br />

RÜCKKEHR AUS DEM WESTEN: Ossis auf Heimwegen<br />

FACHKRÄFTESICHERUNG IN BRANDENBURG: Randregionen stärken sich für die Zukunft<br />

Fotos: T. George, V. Kühne<br />

Bericht<br />

Serie<br />

Porträt<br />

Interview<br />

W&M-Service<br />

Verbands-News<br />

W&M-Automobil<br />

Tourismus<br />

Ständige Rubriken<br />

W&M-Privat<br />

Kolumnen<br />

18<br />

28<br />

38<br />

41<br />

42<br />

20<br />

58<br />

26<br />

40<br />

55<br />

36<br />

44<br />

52<br />

54<br />

56<br />

62<br />

64<br />

34<br />

60<br />

INNOVATIONSTAG 2012: Prickelnder Sanddorn<br />

P+S WERFTEN GMBH: Verpatzter Umstieg auf Spezialschiffbau<br />

OFFSHORE WINDENERGIE: Maritimer Schulterschluss<br />

UNTERNEHMERTREFFEN AM TEMPLINER SEE: Gefragte Kooperationsbörse in Grün<br />

KARLS ERLEBNIS-DORF: Familienspaß in Erdbeer<br />

LÄNDERREPORT INNOVATION: Sachsen<br />

MARKEN-MACHER-MÄRKTE: MP-Chef Hartmut Bunsen –<br />

Netzwerker zwischen Leipzig und Hyderabad<br />

REISEVERANSTALTER DIAMIR: Gipfel geschäftlichen Erfolgs erklommen<br />

SCHWINGUNGS DIAGNOSE SERVICE GMBH: Am lauten Puls der Maschinen<br />

HEINRICH-BECK-INSTITUT MEININGEN: Superhelles Licht<br />

ELSBIETA BIENKOWSKA, polnische Ministerin für Regionale Entwicklung,<br />

zur EU-Förderung: Deutsche profitieren am stärksten<br />

Recht, Geld, Versicherungen, Multimedia<br />

VBIW: Zielort Flughafen<br />

NEUFAHRZEUG IM TEST: Kia Ceed<br />

BRÜCKENTINSEE: Tauchen gestattet<br />

UV-AKTUELL: Nachrichten aus den Unternehmerverbänden<br />

Bücherbord, Leute & Leute, Leserbriefe<br />

HEINER FLASSBECK: Berlin – eingemauert<br />

KLAUS VON DOHNANYI: Die vergessene Erfahrung<br />

Inhalt<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 5


AKTUELL<br />

Fotos: DPA/Zentralbild (1), Archiv<br />

INTERVIEW<br />

KLAUS-DIETER<br />

LICHT,<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

der Investitionsbank<br />

des Landes<br />

Brandenburg (ILB)<br />

Aus eigener Kraft<br />

W&M: Herr Licht, bewilligte Kredite<br />

und Zuschüsse von über 1,1 Milliarden<br />

Euro, die Bilanzsumme stieg<br />

von 12,1 auf 13 Milliarden Euro, der<br />

Jahresüberschuss von 5,9 auf 11,2<br />

Millionen Euro – die Bilanz 2011 der<br />

ILB gibt Anlass zu Optimismus?<br />

LICHT: Inmitten der europäischen<br />

Schulden- und Finanzkrise<br />

haben wir uns geschäftlich<br />

sehr gut behauptet. Die ILB ist<br />

gewachsen, konnte das Ergebnis<br />

erneut steigern und hat ihr<br />

Eigenkapital aus eigener Kraft<br />

gestärkt. Unser Förderangebot<br />

wurde von den Unternehmen,<br />

den Kommunen und im Wohnungsbau<br />

voll ausgeschöpft.<br />

W&M: Wie verteilt sich das?<br />

Mehr als die Hälfte der Fördermittel<br />

ging 2011in das Geschäftsfeld<br />

Wirtschaft, 32 Prozent in<br />

die Infrastruktur, 14 Prozent in<br />

den Wohnungsbau.<br />

W&M: Seit 2007 führt die ILB die<br />

Marke Brandenburg-Kredit. Mit welchem<br />

Erfolg?<br />

LICHT: Es wurden 2.900 Brandenburg-Kredite<br />

ausgegeben. Im<br />

Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden<br />

Euro, zinsverbilligt aus Mitteln<br />

unseres Förderfonds.<br />

W&M: Und Ihr Eigenkapital?<br />

LICHT: Wir haben frühzeitig begonnen,<br />

die steigenden Eigenkapitalanforderungen<br />

für Banken<br />

aus eigener Kraft zu erfüllen.<br />

Unser bilanzielles Eigenkapital<br />

wurde 2011 um 125 Millionen<br />

Euro erhöht. 25 Millionen stammen<br />

aus dem Ergebnis des Geschäftsjahrs<br />

2011.<br />

W&M: Wie sehen Sie in die Zukunft?<br />

LICHT: Wir wollen mit eigenen<br />

Erträgen in die Zukunft des Landes<br />

investieren und entwickeln<br />

dafür neue ILB-Produkte. Eines<br />

davon heißt Brandenburg-Kredit<br />

Erneuerbare Energien. Es wurde<br />

am 1. Juni gestartet.<br />

Interview: Peter Jacobs<br />

Investitionen<br />

Chemieparks boomen<br />

Die chemische Industrie Ost beschäftigt 55.000<br />

Mitarbeiter und legt gegenüber dem Westen zu.<br />

Auf mehrere Hundert<br />

Millionen summieren<br />

sich im laufenden<br />

Jahr 2012 die Investitionen<br />

für die ostdeutschen Chemieparks<br />

Bitterfeld-Wolfen, Leuna,<br />

Schkopau/Böhlen, Zeitz<br />

und Schwarzheide. Angaben<br />

des Branchenverbandes VCI<br />

zufolge haben mehr als 600<br />

Schlaues Füchslein<br />

TRADITIONSMARKEN<br />

Es war schlau von den Entscheidern<br />

in Düsseldorf, den Namen<br />

Spee nicht zu entsorgen, als<br />

sie im Wendejahr 1990 das<br />

einst von Henkel gegründete<br />

und zu DDR-Zeiten volkseigen<br />

geführte Waschmittelwerk in<br />

Genthin zurückkauften. Sie<br />

taten das Gegenteil: Am Tag der<br />

Währungsunion präsentierten<br />

sie ein gemeinsam<br />

in Genthin<br />

und Düsseldorf<br />

entwickeltes,<br />

völlig neues Spee, versehen<br />

mit einem Fuchs und dem<br />

Spruch »Die schlaue Art zu<br />

waschen«. Das Werk in Genthin<br />

existiert seit 2009 nicht mehr,<br />

aber die dort geborene Marke<br />

Spee besetzt heute Platz drei<br />

auf dem gesamtdeutschen<br />

Waschmittelmarkt.<br />

KREDITVERTEILUNG<br />

Der Online-Kreditmarktplatz smava ermittelte, in welchen<br />

Bundesländern die meisten Kredite aufgenommen werden.<br />

Berlin: 7,49%<br />

Sachsen: 4,49%<br />

Brandenburg: 3,15%<br />

Thüringen: 2,06%<br />

Sachsen-Anhalt: 1,97%<br />

Mecklenburg-Vorpommern: 1,51%<br />

Nordrhein-Westfalen: 18,93%<br />

Bremen: 0,72%<br />

Quelle: smava.de<br />

Unternehmen seit Mitte der<br />

90-er Jahre an diesen Standorten<br />

bereits 17 Milliarden Euro<br />

investiert. Die Zahl der Arbeitsplätze<br />

stieg im vorigen<br />

Jahr auf knapp 55.000 und<br />

verzeichnete einen Zuwachs<br />

von 11,5 Prozent gegenüber<br />

dem bundesweiten Durchschnitt<br />

von 3,3 Prozent.<br />

Heimattreues Bier<br />

Kronenkorkenjagd – mit<br />

diesem nach Abenteuer<br />

schmeckenden Reizwort<br />

macht die vogtländische<br />

Brauerei aus Steinberg-<br />

Wernesgrün ihrerseits Jagd<br />

auf durstige<br />

Sommerkundschaft.<br />

120 Fundstücke<br />

lassen<br />

sich in<br />

ein Fünf-<br />

Liter-Party-Fass eintauschen.<br />

Schon zu DDR-Zeiten war die<br />

Biermarke Wernesgrüner ein<br />

Export-Renner. Seit 2002<br />

brauen die Vogtländer unter<br />

dem Dach der Bitburg-Gruppe<br />

und liefern bis Australien.<br />

Heimattreue bleibt dennoch<br />

angesagt. Die GmbH ist<br />

Hauptsponsor der Fußball-<br />

Landesliga, die man Wernesgrüner<br />

Sachsenliga nennt.<br />

BERLIN FÜHRT, gemessen an der Einwohnerzahl. Es folgen Sachsen<br />

und Hamburg. Absoluter Spitzenreiter ist jedoch Nordrhein-Westfalen,<br />

auf das fast 19 Prozent der aufgenommenen Kredite entfallen.<br />

AUS DEN LÄNDERN<br />

Sachsen<br />

Die Zahl der Firmenzusammenbrüche<br />

in Sachsen ist im ersten<br />

Quartal dieses Jahres deutlich<br />

gesunken. 391 Unternehmer<br />

mussten zum Insolvenzgericht –<br />

23,2 Prozent weniger als ein Jahr<br />

zuvor. Auf 10.000 Unternehmen<br />

kamen 27 Pleiten. Im Bundesdurchschnitt<br />

waren es 24.<br />

Mehrere Mitteldeutsche Bildungseinrichtungen<br />

haben ein Netzwerk<br />

für den Automotive-Bereich gegründet.<br />

Die AMZ-Akademie bündelt<br />

Angebote für die effektive Weiterbildung<br />

von Fach- und Führungskräften<br />

mittlerer Firmen. Projektträger<br />

ist die RKW Sachsen GmbH.<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Fast 3.000 Jugendliche in Sachsen-<br />

Anhalt beteiligten sich seit 2009<br />

an dem Qualifizierungsprogramm<br />

STABIL. Auf diese Weise konnten<br />

sie unter fachlicher Anleitung an<br />

ihrem jeweiligen Wohnort lernend in<br />

einem Produktionsprozess tätig<br />

werden. Das Angebot richtet sich<br />

insbesondere an junge Arbeitslose<br />

ohne Schulabschluss oder ohne<br />

Ausbildungsplatz. 40 Prozent der<br />

Teilnehmer konnten bisher eine<br />

sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung aufnehmen.<br />

Brandenburg<br />

Das Brandenburger Statistikamt<br />

prognostiziert für die kommenden<br />

20 Jahre eine Zunahme der Einwohnerzahl<br />

um 44.000 Menschen<br />

im so genannten Speckgürtel rund<br />

um Berlin. Landesweit müsse<br />

jedoch mit einem weiteren Verlust<br />

von etwa 250.000 Einwohnern<br />

gerechnet werden.<br />

Die Universitäten Potsdam, Cottbus<br />

und Frankfurt (Oder) betreiben seit<br />

sechs Jahren das Projekt Mentoring<br />

für Frauen – Gemeinsam Zukunft<br />

gestalten. Seit 2004 konnten<br />

183 Studentinnen in ihrer Studienabschlussphase<br />

beim Übergang<br />

in den Beruf und in ihrer Karriereplanung<br />

unterstützt werden.<br />

70 Prozent der Teilnehmerinnen<br />

schafften den Berufseinstieg in<br />

der Region.<br />

Mecklenburg-<br />

Vorpommern<br />

Investitionsvorhaben der gewerblichen<br />

Wirtschaft in Mecklenburg-<br />

Vorpommern wurden seit 2007 mit<br />

rund 512 Millionen Euro Zuschüssen<br />

unterstützt. Für Infrastrukturmaßnahmen<br />

zugunsten kleinerer<br />

und mittlerer Unternehmen standen<br />

215 Millionen Euro bereit.<br />

6 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


AKTUELL<br />

WIRTSCHAFTSBILD<br />

DES MONATS<br />

BRIEF AUS BRÜSSEL<br />

Von THOMAS HÄNDEL,<br />

Europaabgeordneter<br />

Die Linke<br />

Begräbnis erster Klasse<br />

Die Befürworter des EU-Fiskalpakts<br />

bedienen sich eines<br />

Märchens und gefährden die<br />

europäische Demokratie.<br />

AUF DEM DACH EINER MEHRZWECKHALLE in Gräfinau-Angstedt bein Ilmenau genießt ein Solarkontrolleur<br />

die Sommersonne auf seine Weise. Der Freistaat Thüringen wehrt sich energisch gegen die vom<br />

Bundesumweltministerium vorgesehene Kürzung der Förderung der Solarindustrie und geht dabei den<br />

neuen Bundesländern voran. Mit gutem wirtschaftlichen Grund: Das Bundesland erstrebt die Entwicklung<br />

zu einem der weltweit wichtigsten Solarindustriestandorte. Die gesamte Wertschöpfungskette vom Wafer<br />

bis zum Solarmodul wird von der einheimischen Industrie abgedeckt. Unternehmen wie Bosch, SCHOTT,<br />

Solar und Crystalox gehören zur Weltspitze. Forschungsarbeit und Unternehmergeist gehen Hand in Hand.<br />

In Erfurt wurde die größte kristalline Silizium-Solarzelle der Welt entwickelt.<br />

KONJUNKTUR-BAROMETER<br />

Bedenkliche Auskünfte vom Förderatlas<br />

Von DR. HERBERT BERTEIT<br />

Berlin gilt neuerdings als forschungsstärkste<br />

Region Deutschlands. Das jedenfalls weist der<br />

neue Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) aus. 630 Millionen Euro<br />

stehen in den letzten drei Jahren für Berlin<br />

auf der DFG-Einwerbeliste. Da bleibt selbst<br />

München zurück (586 Millionen). Die Region<br />

Dresden/Leipzig/Chemnitz/Freiberg erreicht<br />

mit rund 260 Millionen Euro immerhin noch<br />

einen mittleren Platz. Ganz am Ende rangieren<br />

die Hochschulen und wissenschaftlichen<br />

Forschungseinrichtungen der Bundesländer<br />

Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und<br />

Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Das stimmt bedenklich. Denn die Forschungsleistungen<br />

von Hochschulen und wissenschaftlichen<br />

Instituten schaffen Voraussetzungen für<br />

Innovationen in Unternehmen und in der Gesellschaft.<br />

Sie bilden die Schlüsselfaktoren für<br />

Wachstum und Beschäftigung. Die Zahlen im<br />

Förderatlas belegen, dass die Rolle der Drittmittel,<br />

die nicht aus den Ländern stammen, in<br />

denen die Forschungseinrichtungen ansässig<br />

sind, an Bedeutung gewonnen haben. Seit<br />

1998 haben sich diese von 2,5 Milliarden auf<br />

5,3 Milliarden Euro pro Jahr mehr als verdoppelt.<br />

Fast 90 Prozent gehen an Hochschulen,<br />

der Rest an außeruniversitäre Einrichtungen.<br />

Auf Platz drei steht die FU Berlin, auf Platz<br />

acht die Humboldt-Universität. Aus den neuen<br />

Bundesländern sind unter den ersten 45 jedoch<br />

nur die Technische Universität Dresden<br />

auf dem 13. Platz, die Universität Jena als 31.<br />

und die Universität Leipzig als 38. zu finden.<br />

Für die meisten Hochschulen in Brandenburg,<br />

Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern<br />

scheinen die Erfahrungen beim Einwerben von<br />

DFG-Fördermitteln nicht auszureichen. Deshalb<br />

brauchen sie Ideenaustausch. Zum Beispiel<br />

auf einer Kultusministerkonferenz. Oder auf<br />

einem Innovationstag des Bundesministeriums<br />

für Wirtschaft und Technologie.<br />

Mit diesem Vertrag von 25 der<br />

27 Mitgliedstaaten der EU sollen<br />

diese verpflichtet werden, in<br />

ihren nationalen Verfassungen<br />

oder an anderer geeigneter<br />

Stelle drastische Schuldenbremsen<br />

zu verankern.<br />

Damit wird das Märchen, die<br />

europäische Krise sei eine Krise<br />

der Staatsfinanzen, gewissermaßen<br />

in Verfassungsrang erhoben.<br />

Bei Zuwiderhandlung gegen<br />

diese Verpflichtung oder gegen<br />

die Schuldenbremsen sollen<br />

quasi-automatische drakonische<br />

Strafen den jeweiligen Sünder<br />

zur Räson bringen. Dieser Vertrag<br />

jedoch ist aus mehreren<br />

Perspektiven völlig inakzeptabel.<br />

Erstens wurde er ohne Beteiligung<br />

der einzigen wirklich<br />

demokratischen Institution auf<br />

europäischer Ebene, dem Europäischen<br />

Parlament, durchgedrückt,<br />

wo er keine Mehrheit<br />

gefunden hätte. Zweitens ist der<br />

Vertrag durch einzelne Mitgliedstaaten<br />

nicht kündbar. Damit<br />

werden gegenwärtige wie zukünftige<br />

Regierungen und Parlamente<br />

ihrer Haushaltshoheit<br />

beraubt. Und drittens wird so<br />

getan, als müssten die Staaten<br />

einfach nur sparen und alles ist<br />

wieder gut. Dass wir es nach wie<br />

vor mit den Folgen der Finanz-,<br />

besser Spekulationskrise zu tun<br />

haben, soll tunlichst unter den<br />

Teppich gekehrt werden. Dem<br />

werden wir uns weiter entgegen<br />

stellen. In Deutschland ebenso<br />

wie auf europäischer Ebene.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 7


AKTUELL<br />

KURZ NOTIERT<br />

NACHRICHTEN AUS DEN REGIONEN<br />

GRÜNDERPREIS<br />

Champions<br />

gesucht<br />

Die KfW-Bank vergibt 2012<br />

erneut den Titel »Gründer-<br />

Champion« an erfolgreiche<br />

junge Unternehmen.<br />

Bei der Auswahl wird besonderer<br />

Wert auf kreative und<br />

nachhaltige Geschäftsideen<br />

gelegt, die einen gesellschaftlichen<br />

Mehrwert schaffen.<br />

Auch die Schaffung und der<br />

Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen<br />

sowie die<br />

Wahrnehmung sozialer<br />

Verantwortung und umweltbewusstes<br />

Handeln haben<br />

Einfluss auf die Bewertung.<br />

Der KfW-Award »Unternehmen<br />

GründerChampions« prämiert<br />

in jedem deutschen<br />

Bundesland ein Unternehmen,<br />

das nicht länger als fünf Jahre<br />

besteht und sich erfolgreich<br />

am Markt behauptet. Die<br />

16 Landessieger qualifizieren<br />

sich zusätzlich für den Preis<br />

des Bundessiegers. Dieser wird<br />

in drei Kategorien vergeben:<br />

Innovation, Gesellschaftliche<br />

Verantwortung und Kreativwirtschaft.<br />

Die Bewerbung ist<br />

bis zum 1. August möglich.<br />

ROHSTOFFSUCHE<br />

Öl vom Schwielochsee<br />

Auf der Suche nach Erdöl ist die<br />

deutsch-kanadische Gesellschaft CEP in<br />

Ostbrandenburg auf eine ungewöhnlich<br />

große Lagerstätte gestoßen.<br />

In der Nähe des Schwielochsees lagern in<br />

etwa 3.000 Meter Tiefe vermutlich 15 Millionen<br />

Tonnen Erdöl. Fünf Millionen Tonnen<br />

gelten als förderfähig. Das hätte nach gegenwärtigen<br />

Preisverhältnissen einen Marktwert<br />

von drei Milliarden Euro. Die Lagerstätte<br />

war seit DDR-Zeiten bekannt, jedoch<br />

nicht mit diesem Ausmaß. Aus einem<br />

kleineren Feld bei Küstrin-Kietz werden<br />

derzeit jährlich 20.000 Tonnen gefördert.<br />

MANAGER : TÜFTLER : ERFINDER<br />

Ein Maschinenbauer, der<br />

Fraunhofer-Präsident wird<br />

ELEKTROMOBILITÄT<br />

250 neue Ladepunkte<br />

Im Rahmen des Projekts SaxMobility II will<br />

Sachsen einheitliche Zugangs- und Abrechnungssysteme<br />

schaffen und diese mit dem<br />

örtlichen Personennahverkehr verknüpfen.<br />

Dafür sollen 250 zusätzliche Ladepunkte errichtet<br />

werden. Fahrscheine und Informationen<br />

können schon heute über Smartphone-Applikationen<br />

und Portale gebucht werden. Diese<br />

Variante des Kundenzugangs<br />

soll es<br />

in Zukunft ermöglichen,<br />

eine kostengünstige<br />

Ladeinfrastruktur<br />

für<br />

Elektrofahrzeuge<br />

zu installieren.<br />

Zusammen mit<br />

Bayern erhielt der<br />

Freistaat Sachsen<br />

kürzlich den<br />

Zuschlag für ein<br />

Schaufenster<br />

Elektromobilität.<br />

Gemeinsam rechnen beide Freistaaten mit<br />

einem Markt für 250.000 Elektrofahrzeuge.<br />

Eine Sprachschulchefin, die<br />

ein Berliner Stadtbad kaufte<br />

Fotos: DPA/Zentralbild (5), privat,<br />

FACHKRÄFTE<br />

Erleichterung<br />

für Zuwanderer<br />

Das Dresdner Betreuungsprojekt<br />

Akzess für ausländische<br />

Fachkräfte wird auf<br />

weitere Städte ausgedehnt.<br />

Akzess ist im Kern eine Verwaltungsvorschrift,<br />

welche die<br />

Arbeitsweise von Ausländerbehörden<br />

bei der Erteilung von<br />

Aufenthaltsgenehmigungen<br />

vereinheitlicht. Eingebunden<br />

sind die Arbeitsagentur und<br />

Verbände. Ziel ist es, Einreise<br />

und Aufenthalt ausländischer<br />

Fachkräfte in Sachsen zu erleichtern<br />

– vom Facharbeiter<br />

über Forscher und Selbstständige<br />

bis zu Doktoranden<br />

von Hoch- und Fachschulen.<br />

REIMUND NEUGEBAUER (59), BARBARA JAESCHKE (55),<br />

gelernter Maschinenbauer aus<br />

Esperstedt am Kyffhäuser, tritt<br />

am 1. Oktober die Präsidentschaft<br />

der Fraunhofer-Gesellschaft<br />

an. Erstmals übernimmt<br />

damit ein Ostdeutscher die<br />

Spitzenposition dieser renommierten<br />

Wissenschaftsorganisation.<br />

Seine Meriten als einer der führenden Köpfe in<br />

der deutschen Industrieforschung hat sich der Thüringer<br />

vor allem als langjähriger Leiter des Fraunhofer-Instituts<br />

für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik in Chemnitz<br />

erworben. Seit 1993 besetzt er außerdem den<br />

Lehrstuhl dieser Fachrichtung an der TU Chemnitz. Mit<br />

den Schwerpunktthemen Ressourceneffiziente Produktion<br />

und Energiemonitoring im Werkzeugmaschinenbau<br />

hat er sich großen Respekt bei der deutschen Autoindustrie<br />

erworben, die als Innovationstreiber auf diesem<br />

Gebiet gilt. Am Chemnitzer Fraunhofer-Institut hat<br />

der Maschinenbau-Professor ein Spitzencluster von<br />

75 jungen Forschern versammelt, dem er zutraut, in<br />

den nächsten Jahren ein virtuelles Modell zu entwickeln,<br />

das dem Werkzeugmaschinenbetreiber schon<br />

beim Entwurf den Energieverbrauch ermittelt. Damit<br />

will er die Branche »aus einem Leidensdruck« erlösen.<br />

Inhaberin des Berliner GLS-<br />

Sprachzentrums, hält ihr<br />

kommunikationsförderndes<br />

Unternehmen unermüdlich auf<br />

Expansionskurs. Jedes Jahr<br />

holt die ausgebildete Slawistin<br />

und Anglistin etwa 4.000<br />

Jugendliche und Erwachsene<br />

aus rund 50 Nationen nach Berlin und vermittelt<br />

zugleich 3.000 deutschsprachige Schüler ins Ausland.<br />

Ihr Erfolgsrezept besteht aus der Kombination<br />

von Sprachausbildung mit der Vermittlung interkultureller<br />

Kompetenzen für Menschen aller Altersgruppen.<br />

Im Jahr 2005 erwarb sie eine vom Berliner Senat<br />

aufgegebene Schule im Stadtbezirk Prenzlauer Berg<br />

und stattete diese mit Studios, Beratungsbüros,<br />

Restaurant, Hotel und Buchladen aus. Inzwischen hat<br />

die linguistische Privatunternehmerin ihren Campus<br />

um das lange verwaist stehende Stadtbad Oderberger<br />

Straße erweitern können, das sie mit einem Aufwand<br />

von zwölf Millionen Euro GLS-gerecht umbauen will –<br />

bei Erhalt des Schwimmbeckens für die öffentliche<br />

Nutzung. Befragt, woher sie ihre unternehmerische<br />

Energie nimmt, antwortet die Sprachschulmeisterin<br />

schlicht: »Ich laufe seit drei Jahrzehnten Marathon.«<br />

8 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


AKTUELL<br />

MESSETERMINE<br />

Juli/August 2012<br />

05.07., Leipzig<br />

VOCATIUM. Fachmesse<br />

für Ausbildung+Studium<br />

06.07., Gera<br />

Haus&Garten Träume<br />

20.07., Schkeuditz<br />

Wäsche und Dessous<br />

04.08., Halle<br />

Tattoo Expo<br />

17.08., Dresden<br />

Saxonia Classica. Technische<br />

Raritäten und exklusive<br />

Handwerkskunst<br />

31.08., Greifswald<br />

Bauen & Sanieren<br />

im Norden<br />

IMPRESSUM<br />

Wirtschaft & Markt<br />

Das ostdeutsche Wirtschaftsmagazin<br />

Magazin der Interessengemeinschaft<br />

der Unternehmerverbände<br />

Ostdeutschlands und Berlin<br />

Redaktionsanschrift:<br />

Zimmerstraße 55, 10117 Berlin<br />

Tel.: (030) 27 89 45-0, Fax: -23,<br />

E-Mail: wumberlin@t-online.de<br />

Internet: www.wi-ma.de<br />

www.facebook.com/wirtschaftundmarkt<br />

Herausgeber:<br />

Klaus George<br />

george-klaus@t-online.de<br />

Chefredakteur:<br />

Helfried Liebsch,<br />

liebsch@wirtschaftundmarkt.de<br />

Stellvertretender Chefredakteur:<br />

Thomas Schwandt<br />

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Redaktion:<br />

Peter Jacobs, Hans Pfeifer,<br />

Matthias Salm, Siegfried Schröder,<br />

Steffen Uhlmann<br />

Redaktionsassistenz:<br />

Sten Seliger<br />

seliger@wirtschaftundmarkt.de<br />

Gestaltung:<br />

Ralf Puschmann<br />

Titelfoto: Torsten George<br />

Druck: Möller Druck Berlin<br />

Autoren dieser Ausgabe:<br />

Thomas Bencard, Ulrich Conrad,<br />

Matthias Kasper, Hannelore Koard,<br />

Harald Lachmann, Dana Micke<br />

Vertrieb und Anzeigenverwaltung:<br />

Tel.: (0331) 201 66-20<br />

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Verlag:<br />

W&M Verlagsgesellschaft mbH<br />

Parkstraße 2, 14469 Potsdam<br />

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Geschäftsführender Gesellschafter:<br />

Michael Schulze<br />

schulze@wirtschaftundmarkt.de<br />

ISSN 086 353 23 Erscheint monatlich.<br />

Die Zeitschrift Wirtschaft&Markt ist das<br />

Magazin der Interessengemeinschaft der<br />

ostdeutschen Unternehmerverbände und<br />

Berlin. Die Mitglieder der Verbände erhalten<br />

die Zeitschrift im Rahmen ihrer<br />

Mitgliedschaft. Einzelpreis: 3,50 EURO;<br />

Jahresabonnement Inland 30,00 Euro<br />

inkl. 7% Mwst.; Ausland 37,00 Euro inkl.<br />

Porto. Sonderpreis für Studenten:<br />

(Nachweis) jährlich 20,00 EURO. Das<br />

Jahresabonnement gilt zunächst für ein<br />

Jahr (10 Ausgaben). Danch besteht die<br />

Möglichkeit, das Abonnement jederzeit zu<br />

kündigen.Namentlich gekennzeichnete<br />

Beiträge müssen nicht mit der Meinung der<br />

Redaktion übereinstimmen. Für unverlangt<br />

eingesandte Manuskripte und Fotos<br />

übernehmen wir keine Haftung. Nachdruck<br />

nur mit Genehmigung des Verlages.<br />

PRO<br />

& CONTRA<br />

Ist der Pflegezuschuss für<br />

Versicherer hilfreich?<br />

Sinnvolle Vorsorge soll die Pflegezusatzversicherung<br />

sein. Kritiker wie Gewerkschaften und Sozialverbände<br />

sehen darin eine Subventionshilfe für Versicherer.<br />

DANIEL BAHR,<br />

Bundesminister<br />

für Gesundheit (FDP)<br />

Erstmals hat eine Bundesregierung<br />

die Wei-<br />

JA<br />

chen dafür gestellt, dass es<br />

künftig eine staatliche Förderung<br />

für eine private Pflegezusatzversicherung<br />

geben wird.<br />

Damit werden die Grundlagen<br />

geschaffen, dass die Pflegefinanzierung<br />

um eine private<br />

Vorsorgeförderung ergänzt und<br />

auf eine breitere Basis gestellt<br />

werden kann. Unabhängig vom<br />

Einkommen erhalten Versicherte<br />

der gesetzlichen Pflegeversicherung<br />

eine Zulage von 60<br />

Euro jährlich zu ihrer Versicherungsprämie,<br />

wenn sie eine<br />

freiwillige, private Pflegezusatzversicherung<br />

abschließen. So<br />

wird ein einfaches und unbürokratisches<br />

Verfahren auf den<br />

Weg gebracht, dass für viele<br />

Menschen attraktiv ist. Eine<br />

private kapitalgedeckte Vorsorge<br />

ist sinnvoll und wichtig,<br />

weil die gesetzliche Pflegeversicherung<br />

immer nur einen Teil<br />

der Pflegekosten übernimmt<br />

und von den Pflegebedürftigen<br />

nicht selten ein hoher Eigenanteil<br />

zu schultern ist. Wer<br />

frühzeitig sein individuelles<br />

Pflegerisiko zusätzlich privat<br />

absichert, kann schon mit<br />

geringen monatlichen Beiträgen<br />

die Gefahr einer finanziellen<br />

Überforderung deutlich<br />

abmildern. Wir stärken die<br />

gesetzliche Pflegeversicherung,<br />

indem wir die Leistungen<br />

dafür ausweiten.<br />

ANNELIE BUNTENBACH,<br />

Mitglied des Vorstandes des<br />

Deutschen Gewerkschaftsbundes<br />

NEIN<br />

Die geplante Pflege-<br />

Zusatzversicherung<br />

geht an den Herausforderungen<br />

in der Pflege völlig<br />

vorbei. In einem Kuhhandel<br />

mit dem Betreuungsgeld hat<br />

die FDP eine lächerliche Fünf-<br />

Euro-Förderung von privaten<br />

Zusatzpflegeversicherungen<br />

durchgesetzt. Damit ist weder<br />

den Pflegebedürftigen und<br />

ihren Angehörigen noch den<br />

professionellen Pflegekräften<br />

geholfen. Der akute Pflegenotstand<br />

wird damit nicht<br />

behoben, der künftig stark<br />

steigende Bedarf nicht finanziert.<br />

Die Einbeziehung von<br />

Demenzkranken ist auf die<br />

lange Bank geschoben. Mit<br />

der Förderung sollen die<br />

Probleme jedem Einzelnen<br />

aufgedrückt werden. Die FDP<br />

wird nun stets auf die Privatvorsorge<br />

verweisen. Daran<br />

ändert auch die geplante Beitragserhöhung<br />

um 0,1 Prozent<br />

nichts. Um den künftigen<br />

Pflegebedarf solidarisch zu<br />

finanzieren, ist ein kraftvoller<br />

Schritt nötig. Mit einer Bürgerversicherung<br />

könnten wir gute<br />

Pflege für alle bei einem Beitrag<br />

von 2,45 Prozent bis zum<br />

Jahr 2030 gewährleisten, ein<br />

Mehrbeitrag von je 0,25 Prozent<br />

für Arbeitgeber und Versicherte.<br />

Für einen Durchschnittsverdiener<br />

wären das<br />

6,50 Euro pro Monat – nicht zu<br />

viel für eine anständige Pflege.<br />

INVESTITIONEN<br />

Leipziger in Las Vegas<br />

Die Leipziger T-Shirt-Druckerei<br />

Spreadshirt expandiert in den USA<br />

und errichtet dort eine zweite Fabrik<br />

in Las Vegas. Das Modeversandunternehmen<br />

will in diesem Jahr<br />

schon mehr als 30 Prozent seines<br />

Umsatzes in den USA machen.<br />

2011 setzte Spreadshirt 46 Millionen<br />

Euro um. In diesem Jahr sollen es<br />

65 bis 67 Millionen Euro werden.<br />

VW Sachsen baut um<br />

Mit einem Investitionsaufwand von<br />

1,6 Milliarden Euro will VW in seinem<br />

Werk Mosel/Zwickau bis 2014 nahezu<br />

alle Fertigungsanlagen umbauen.<br />

Damit werden die Voraussetzungen<br />

geschaffen, dass die zukünftigen<br />

Modelle von Volkswagen auf der<br />

Basis des Modularen Querbaukastens<br />

auch in Zwickau gebaut werden<br />

können. Seit Mai 1990 entstanden<br />

jeweils rund zwei Millionen Golf und<br />

Passat Limousinen bei Volkswagen<br />

Sachsen. Ab 2013 wird der Golf<br />

Variant als drittes Modell in Zwickau<br />

vom Band laufen.<br />

Stroh für den Tank<br />

Die in Zörbig bei Leipzig ansässige<br />

Verbio Vereinigte BioEnergie AG<br />

strebt für das Geschäftsjahr<br />

2012/13 ein Umsatzvolumen von<br />

700 bis 800 Millionen Euro an. Der<br />

konzernunabhängige Hersteller<br />

verfügt über Kapazitäten für die Produktion<br />

von 450.000 Tonnen Biodiesel,<br />

300.000 Tonnen Bioethanol<br />

und 480 Gigawattstunden Biomethan.<br />

Verbio-Kraftstoffe hinterlassen bis zu<br />

90 Prozent weniger Ausstoß von CO 2<br />

als Diesel und Benzin. Verbio liefert<br />

seine Produkte direkt an europäische<br />

Mineralölkonzerne, Stadtwerke und<br />

andere Großkunden.<br />

820.000 Schweine<br />

Die Zahl der in Mecklenburg-Vorpommern<br />

gehaltenen Schweine ist auf<br />

mehr als 820.000 angestiegen. Auf<br />

dem Tiefststand von 1995 waren es<br />

nur 527.000. Die Zahl der Milchkühe<br />

ist seit 1991 von 248.000 auf etwa<br />

172.000 gesunken. Die Erzeugung<br />

von Milch erhöhte sich von 1,25 auf<br />

1,47 Millionen Liter im Jahr 2011.<br />

Die Leistung je Kuh verdoppelte sich<br />

von 4.275 auf 8.369 Liter. Auch<br />

werden rund 44.000 Schafe gehalten.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 9


GESPRÄCH<br />

Prof. Harald R. Pfab, Vorstandsvorsitzender der Sachsen Bank in Leipzig, über<br />

flexible Mittelständler, über ältere Unternehmer, die nicht loslassen können,<br />

einen alternativlosen Euro und den Brüsseler Zugriff auf nationale Fiskalpolitik<br />

»Ost-Firmen sind krisengestählt«<br />

Fotos: T. George<br />

W&M: Herr Pfab, Sie haben das Ziel gesetzt,<br />

mindestens jedes zehnte Unternehmen in Mitteldeutschland,<br />

das jährlich über zehn Millionen<br />

Euro umsetzt, von der Sachsen Bank betreuen<br />

zu lassen. Warum die Einschränkung?<br />

HARALD R. PFAB: Das Mittelstandsgeschäft<br />

ist einer der beiden Hauptgeschäftszweige<br />

der Sachsen Bank. Wir haben<br />

bei der Definition unserer Zielkunden<br />

die Grenze auf rund zehn Millionen<br />

Euro Umsatz gelegt, darunter sind die<br />

kleineren und mittleren Unternehmen<br />

gut betreut durch die Sparkassen. Je kleiner<br />

ein Unternehmen ist, umso wichtiger<br />

ist die Präsenz der Bank vor Ort. Wir<br />

sind ab zehn Millionen Euro nach oben<br />

offen und zählen entsprechend auch<br />

größere Firmen zu unseren Kunden. Mit<br />

Standorten in Chemnitz, Dresden, Erfurt,<br />

Halle, Leipzig und Magdeburg sind<br />

wir in Mitteldeutschland gut aufgestellt,<br />

um unser Ziel erreichen zu können.<br />

W&M: Als ein Unternehmen der Landesbank<br />

Baden-Württemberg-Gruppe (LBBW) operieren<br />

Sie in Mitteldeutschland nicht ohne Konkurrenz.<br />

Wie sollen der Helaba und der<br />

Nord/LB Marktanteile abgejagt werden?<br />

HARALD R. PFAB: Zunächst, wir wollen<br />

den anderen Landesbanken kein Terrain<br />

streitig machen. Primäres Interesse ist<br />

es, unsere Kunden gut zu betreuen. 2011<br />

haben wir über 900 Millionen Euro im<br />

Kreditgeschäft an den Mittelstand zur<br />

Verfügung gestellt. Aber wir stehen auch<br />

mit den anderen Landesbanken im Wettbewerb.<br />

Die Angebote sind nicht immer<br />

vergleichbar. Ein Vorteil für die Kunden,<br />

sie können auswählen. Auch gibt es Branchen,<br />

die von den Landesbanken unterschiedlich<br />

bevorzugt werden. Im Mittelstand<br />

haben wir gute Chancen durch unsere<br />

regionale Präsenz in den drei<br />

mitteldeutschen Ländern, das zahlt sich<br />

aus. Übrigens nimmt die LBBW nach wie<br />

vor die Sparkassenzentralbankfunktion<br />

in Sachsen wahr.<br />

W&M: Sie betonen sehr das Geschäftsgebiet<br />

Mitteldeutschland – ein Hinweis auf eine<br />

andere föderale Länderstruktur?<br />

HARALD R. PFAB: Ich bin Vorstandsmitglied<br />

der Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland,<br />

die ja länderübergreifend<br />

tätig ist. An der Debatte um neue föderale<br />

Strukturen beteiligen wir uns nicht.<br />

W&M: Also konkurrieren die Länder weiter<br />

auch mit dem Argument unterschiedlicher<br />

Fördermittel und -kriterien. Wem nützt das?<br />

HARALD R. PFAB: Wettbewerb ist grundsätzlich<br />

sinnvoll, aber nicht über Subventionen<br />

und Fördergelder. Aber Wettbewerb<br />

etwa in der Geschwindigkeit, wie<br />

eine Neuansiedlung genehmigungstechnisch<br />

in den Kommunen bearbeitet wird,<br />

das halte ich für sehr gut.<br />

W&M: Zurück zum Kerngeschäft. Die Sachsen<br />

Bank bescheinigt dem Mittelstand in ihrer<br />

Region, sehr flexibel zu agieren. Woran machen<br />

Sie das fest?<br />

»Wettbewerb ist grundsätzlich<br />

SINNVOLL,<br />

aber nicht über Subventionen<br />

und Fördergelder.«<br />

HARALD R. PFAB: Die Unternehmen sind<br />

tatsächlich hoch flexibel und können so<br />

einer Krisensituation besser Herr werden.<br />

In der letzten Rezession hat es in<br />

Mitteldeutschland wesentlich weniger<br />

Insolvenzen gegeben als befürchtet. Das<br />

hat aber auch damit zu tun, dass das<br />

Exportgeschäft hierzulande noch nicht<br />

so stark ausgeprägt ist wie etwa in Ba-<br />

den-Württemberg. Dadurch ist die Reduzierung<br />

geringer ausgefallen und die<br />

Krise leichter beherrschbar gewesen. Die<br />

Unternehmen hatten sich bereits in<br />

schwierigen Jahren zuvor entschlackt<br />

und konnten jetzt leichter auf Krisenmodus<br />

umschalten.<br />

W&M: Ein Vorteil im Wettbewerb?<br />

HARALD R. PFAB: Ja, die Unternehmen<br />

im Osten sind krisengestählt. Wenn es<br />

nur aufwärts geht, ist die Gefahr groß,<br />

dass Manager zu reinen Schönwetter-Piloten<br />

werden. In einer Krisenphase darf<br />

dann nicht immer davon ausgegangen<br />

werden, dass richtige Entscheidungen<br />

getroffen werden. Umso mehr sind wir<br />

von den Unternehmern in Mitteldeutschland<br />

angetan, für die wir über das Kreditgeschäft<br />

hinaus Gesprächspartner sein<br />

wollen, wie ein anderer Lieferant oder<br />

Kunde. Unser Anspruch ist es, den Firmen<br />

in allen Fragen zur Seite zu stehen.<br />

W&M: Wie funktioniert das als verlängerter<br />

Arm der Landesbank Baden-Württemberg?<br />

HARALD R. PFAB: Die Unternehmer<br />

schätzen es sehr, dass wir hier vor Ort<br />

sind, ausgestattet mit hohen Entscheidungskompetenzen.<br />

Wir sind eine komplette<br />

Bank, nicht nur in der Kundenbetreuung<br />

mit vielen Fachberatern, sondern<br />

auch in der Kreditbearbeitung.<br />

W&M: Eine der gegenwärtig dringendsten<br />

Fragen im ostdeutschen Mittelstand ist die<br />

Unternehmensnachfolge. Viele Firmengründer<br />

aus der Wendezeit gehen jetzt in den Ruhestand.<br />

Sie haben aber Schwierigkeiten, die<br />

Nachfolge zu regeln. Welche Lösungsangebote<br />

hat die Sachsen Bank?<br />

HARALD R. PFAB: Viele Unternehmer<br />

können sich nur sehr schwer von ihrem<br />

Lebenswerk trennen, selbst wenn es geeignete<br />

Familienangehörige gibt. Andere<br />

wiederum bevorzugen die schwierigere<br />

externe Nachfolgevariante. Wir unterstützen<br />

die Unternehmer zum Beispiel<br />

mit Workshops, die sehr gut besucht<br />

werden. Wir weisen aber auch darauf<br />

hin, dass sich eine verschleppte Nachfolgeregelung<br />

auf die Bonität auswirken<br />

kann. Es gibt Beispiele, wo die Wertigkeit<br />

eines Unternehmens nachlässt, weil der<br />

betagte Chef nicht gehen will.<br />

W&M: Dann helfen Sie mit sanftem Bonitätsdruck<br />

nach?<br />

10 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


HARALD R. PFAB: Es ist nicht unser Stil,<br />

mit Druck zu arbeiten. Wir versuchen in<br />

der Beratung auch die Unternehmer zusammenzubringen.<br />

Darüber zu diskutieren<br />

macht es häufig leichter, das Problem<br />

zu erkennen und anzupacken. Die<br />

Nachfolgeregelung ist derzeit eines unserer<br />

wichtigsten Beratungsangebote.<br />

W&M: Heute leben die Menschen in der Regel<br />

länger, bleiben länger leistungsfähig. Warum<br />

ist die Nachfolgefrage trotzdem so akut?<br />

HARALD R. PFAB: Es gibt natürlich Menschen,<br />

die bis ins höhere Alter und damit<br />

länger aktiv sind. Doch das zunehmende<br />

Alter bringt auch Einschränkungen mit<br />

sich, so wird beispielsweise das Gesundheitsrisiko<br />

höher. Wenn der Unternehmer,<br />

auf den alles zugeschnitten ist, ausfällt,<br />

dann können schnell Probleme entstehen.<br />

Ein weicher Übergang ist allemal<br />

zu bevorzugen. Dass die Nachfolgeproblematik<br />

gerade in Ostdeutschland an<br />

Bedeutung gewinnt, hat aber auch eine<br />

einfache zeitliche Ursache: Viele Firmengründer,<br />

die nach der Wende, also vor<br />

gut 20 Jahren begonnen haben, sind<br />

mittlerweile um die 60 Jahre alt – ein Alter,<br />

wo die Unternehmensnachfolge angegangen<br />

oder geklärt werden sollte.<br />

W&M: Wenn es nicht geschieht, wie relevant<br />

ist dadurch wirtschaftlicher Schaden?<br />

HARALD R. PFAB: Der Markt ist gnadenlos,<br />

wenn ein Unternehmer nicht mehr<br />

mithält. Auch die Kunden fragen sich,<br />

wie sicher ist der Betrieb noch, wie verlässlich<br />

der Partner. Was geschieht, wenn<br />

er ausfällt. Ich gehe da manchmal sehr<br />

unkonventionell vor. Demonstrativ bitte<br />

ich darum, auch mal den Juniorchef<br />

sprechen zu dürfen. Für den Seniorchef<br />

war das schon gelegentlich ein Impuls,<br />

die Nachfolgeregelung anzugehen.<br />

W&M: Ein anderes typisch ostdeutsches Problem<br />

ist die zu dünne Eigenkapitaldecke vieler<br />

mittelständischer Unternehmen. Mit der<br />

CFH Beteilungsgesellschaft mbH verfügt die<br />

Sachsen Bank über ein Instrument, um Firmen<br />

mit Risikokapital zu unterstützen. In<br />

welchen Branchen engagiert sich die CFH?<br />

HARALD R. PFAB: Die ostdeutschen Unternehmen<br />

haben im Durchschnitt etwas<br />

weniger Eigenkapital als westdeutsche.<br />

Aber es ist gewachsen. Eine gewisse<br />

strategische Lücke ist jedoch noch vorhanden.<br />

Dem tragen wir Rechnung mit<br />

unserer Beteiligungsgesellschaft CFH. In<br />

Sachsen haben wir außerdem mit dem<br />

Freistaat und einigen großen Sparkassen<br />

den Wachstumsfonds Mittelstand Sachsen<br />

ins Leben gerufen. Die CFH managt<br />

diesen. Die ersten 35 Millionen Euro sind<br />

ausgereicht. Ende vergangenen Jahres<br />

wurde er nochmals um 40 Millionen<br />

Euro aufgestockt. Bei den Branchen geht<br />

es querbeet. Wir helfen bei innovativen<br />

Ideen, zumeist aber in etablierten Unternehmen,<br />

die wachsen. Daneben steht der<br />

Technologiegründerfonds TGFS zur Verfügung.<br />

Dieser hilft Start-ups, für die es<br />

naturgemäß schwer ist, bei Banken Geld<br />

zu bekommen.<br />

W&M: Sie sind kein großer Fan von Cluster-<br />

Bildung, von Schwerpunktsetzung?<br />

HARALD R. PFAB: Doch. Das ist durchaus<br />

notwendig. Nehmen Sie die Autoindustrie.<br />

Große Hersteller wollen immer weniger<br />

Zulieferer, die einen größeren Teil<br />

abdecken. Da geraten natürlich kleine<br />

Mittelständler in die Defensive. Hier versuchen<br />

wir, wenn Sie so wollen, hinter<br />

den Kulissen die Unternehmen zu überzeugen,<br />

dass sie sich zusammentun, vielleicht<br />

sogar fusionieren, um gemeinsam<br />

im Geschäft bleiben zu können. In Mitteldeutschland<br />

arbeiten bereits erfolgreich<br />

das Automobil- sowie das Chemie-<br />

Cluster. Auf dem Energiesektor geht es in<br />

eine ähnliche Richtung.<br />

W&M: Auf der Agenda der Sachsen Bank<br />

steht auch, Firmenansiedlungen zu unterstützen<br />

und zu begleiten. Was macht Mitteldeutschland<br />

attraktiv für Investoren?<br />

HARALD R. PFAB: Wir betreiben keine<br />

Strukturpolitik. Aber wir sind mit der<br />

Sachsen Bank insgesamt daran interessiert,<br />

die Dinge schnell voranzutreiben,<br />

und dabei in einer guten Position. 95 Prozent<br />

aller unserer Entscheidungen treffen<br />

wir in Leipzig. So unterstützen wir<br />

Investoren auf verschiedenste Art und<br />

bieten uns ihnen als Partner an. Sehr direkt<br />

befördern wir Ansiedlungen durch<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 11


HARALD R. PFAB mit den W&M-Redakteuren Helfried Liebsch (r.) und Thomas Schwandt.<br />

die Bereitstellung von Flächen, die wir<br />

im Besitz haben. Zum Beispiel gibt es<br />

noch freie Flächen im Güterverkehrszentrum<br />

nahe dem Flughafen Leipzig-Halle.<br />

Die alte Sachsen LB, die 2008 von der<br />

LBBW übernommen wurde, hatte diese<br />

Areale im Besitz. Vorteile für Investments<br />

liegen aber nicht nur in der Verfügbarkeit<br />

freier Flächen. Mitteldeutschland<br />

punktet durch seine gut ausgebildeten<br />

und flexiblen Mitarbeiter, moderne<br />

Verkehrsinfrastrukturen, niedrige Kosten<br />

und ein attraktives Lebensumfeld –<br />

das von der Kinderbetreuung bis zum<br />

vielfältigen kulturellen Angebot reicht.<br />

W&M: War Ihre Antwort eben eine kleine<br />

Spitze gegen die Filialisierung im Osten?<br />

HARALD R. PFAB: Das ist eines der<br />

Hauptprobleme der mitteldeutschen<br />

Strukturen. Es gibt hier kaum Konzernzentralen.<br />

Nur wenige, die VNG Verbundnetz<br />

Gas AG und die Strombörse in Leipzig<br />

zum Beispiel.<br />

W&M: Ein Katalysator der Wirtschaftsentwicklung<br />

im Osten ist weiterhin eine umfangreiche<br />

Förderung. Ab 2020 ist in der bisherigen<br />

Form Schluss. Wie sollte es weitergehen?<br />

HARALD R. PFAB: Die ostdeutschen Bundesländer<br />

müssen sich mittelfristig auf<br />

das stufenweise Versiegen der bisher gewohnten<br />

Förderquellen einstellen. Der<br />

Freistaat Sachsen ist da auf sehr gutem<br />

Weg. Aus Thüringen weiß ich, dass die<br />

dortige Landesregierung das Land bis dahin<br />

wetterfest machen will.<br />

W&M: Was heißt das konkret?<br />

HARALD R. PFAB: Es gilt, noch mehr Unternehmen<br />

anzusiedeln und die Verkehrsinfrastruktur<br />

zu verbessern, den<br />

Ausbau von Straßen und Schienen voranzutreiben.<br />

Da ist Thüringen als Verkehrsdrehscheibe<br />

besonders vorbildlich. Die<br />

Bundesländer sollten die noch zur Verfügung<br />

stehenden Mittel vermehrt in die<br />

Infrastruktur stecken und nicht in Subventionen<br />

für Firmen. Dass die wirtschaftliche<br />

Basis stärker wird, zeigen die<br />

kontinuierlich gesunkenen Arbeitslosenzahlen.<br />

Sachsen hat derweil die Zehn-<br />

Prozent-Marke unterschritten und Thüringen<br />

liegt nur noch ein halbes Prozent<br />

hinter Nordrhein-Westfalen zurück.<br />

W&M: Die Wissenschaft skizziert ein anderes<br />

Bild. Sie sagt, Ostdeutschland wird Industriebrache<br />

bleiben. Was entgegnen Sie?<br />

HARALD R. PFAB: Ich bin von Hause aus<br />

Optimist. Es ist sehr viel, was sich in den<br />

letzten 20 Jahren entwickelt hat. Unzufrieden<br />

bin ich, wie gesagt, mit der geringen<br />

Zahl an Konzernzentralen. Aber das<br />

braucht seine Zeit. Wir unterstützen die<br />

Unternehmen vor allem darin, sich gut<br />

weiterentwickeln zu können. Die Gefahr<br />

besteht immer, dass prosperierende Firmen<br />

von auswärtigen Interessenten aufgekauft<br />

werden. Unsere Hilfe soll es er-<br />

ZUR<br />

PERSON<br />

Fan von Rauch und Eitel<br />

Prof. Harald R. Pfab ist in doppelter Hinsicht<br />

ein klassischer Bankchef. Das Geschäft<br />

hat der Finanzfachmann von der<br />

Pike auf gelernt und er hat eine Affinität<br />

zu moderner Malerei entwickelt. Er begann<br />

seine Karriere mit einer Lehre in<br />

den 60er Jahren in der Landesgirokasse<br />

Stuttgart, qualifizierte sich zum Sparkassenbetriebswirt<br />

(Dipl.) und bekleidete<br />

verschiedene Funktionen in dem<br />

Kreditinstitut. Das fusionierte 1999 mit<br />

der Südwest LB zur Landesbank Baden-<br />

Württemberg (LBBW). 2007 wechselte<br />

Pfab zur Sachsen LB. Nach deren Übernahme<br />

infolge der Bankenkrise durch<br />

die LBBW wurde Pfab im April 2008<br />

Vorstandschef der Sachsen Bank. Der<br />

Schwabe schwärmt vom Dienstort Leipzig<br />

und von der Neuen Leipziger Schule.<br />

Ein schaufenstergroßes Bild von Neo<br />

Rauch und Bilder von Tim Eitel zieren<br />

das Büro von Pfab bzw. den Konferenzraum<br />

in der 18. Etage hoch über Leipzig.<br />

möglichen, die Selbstständigkeit der Firmen<br />

zu erhalten.<br />

W&M: Könnte Politik dafür sorgen, dass Konzernzentralen<br />

in den Osten verlagert werden?<br />

HARALD R. PFAB: Das geht nur über die<br />

Zeit. Ein kleiner mittelständischer Betrieb<br />

wird ein großer und dann ein Konzern.<br />

Das lässt sich nicht erzwingen. Die<br />

Politik kann und soll auch nicht verordnen,<br />

dass beispielsweise RWE den Konzernsitz<br />

nach Mitteldeutschland verlegt.<br />

W&M: Ende 2011 haben Sie in einem Interview<br />

die Unternehmen aufgefordert, sich auf<br />

eine neue Krise einzustellen. Wieso das?<br />

HARALD R. PFAB: Der Steigungswinkel<br />

des wirtschaftlichen Wachstums der Betriebe<br />

wird flacher, das merken wir auch.<br />

Sie werden sich wieder mehr Gedanken<br />

machen müssen. 2012 wird gemäßigter<br />

verlaufen als 2011. Von einer Krise würde<br />

ich aber heute nicht sprechen.<br />

W&M: Das klingt sehr optimistisch – zweckoptimistisch?<br />

HARALD R. PFAB: Die Unsicherheit können<br />

wir den Menschen nicht vollständig<br />

nehmen. Die ist einfach da. Niemand<br />

weiß wirklich, wie es in Griechenland<br />

und anderswo weitergeht, aber ich bin<br />

eben ein optimistischer Mensch und bisher<br />

gut damit gefahren.<br />

W&M: Der Fiskalpakt soll zu einer neuen<br />

Haushaltsdisziplin im Haus Europa führen.<br />

Ist er geeignet, die Staatsschuldenkrise zu<br />

überwinden und künftige zu verhindern?<br />

HARALD R. PFAB: In Europa haben wir<br />

nach meiner Auffassung folgendes Problem:<br />

Wir vereinigen uns beim Retten,<br />

aber bei Umsetzung und Kontrolle sind<br />

wir darauf angewiesen, dass die nationalen<br />

Regierungen es richten. Das ist auf<br />

Dauer so nicht durchzuhalten. Ein gewisser<br />

Eingriff in die staatliche Souveränität<br />

ist unvermeidbar. Wenn wir eine gemeinsame<br />

Währung haben, müssen wir sie gemeinsam<br />

steuern und sichern können.<br />

Dazu taugen keine trägen Abstimmungsverfahren,<br />

in denen das Ja aller Staaten<br />

gefragt ist. Ich bin kein Anhänger Vereinigter<br />

Staaten von Europa im Sinne der<br />

Aufgabe nationaler Identitäten. Wo es<br />

sinnvoll scheint, sollten Eingriffe in die<br />

nationale Haushaltspolitik möglich sein.<br />

W&M: Kritiker des Euro reden bereits von der<br />

Euro-Dämmerung. Bekommt die Politik die<br />

Geister nicht mehr gebändigt, die sie rief?<br />

HARALD R. PFAB: Ich bin ein großer Anhänger<br />

des Euro. Der Schritt ist der richtige<br />

gewesen. Die Politiker haben sich bei<br />

der Euro-Gründung nicht vorstellen können,<br />

dass einmal eine Lage wie in Griechenland<br />

eintreten könnte. Verspätet<br />

soll nun ein Krisenmodus eingebaut werden.<br />

Dennoch, der Euro ist alternativlos.<br />

W&M: Herr Prof. Pfab, wir bedanken uns für<br />

das Gespräch.<br />

&<br />

12 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


REPORT<br />

Fotos: V. Kühne, D. Micke, PictureDisk, privat<br />

Heimweh kann weh tun. Die Sehnsucht<br />

nach Heimat – ein schönes<br />

Wort. Erinnerung steckt in Heimat<br />

und Kindheit, Zuhause, Vertrautheit,<br />

Sicherheit, Geborgenheit.<br />

»Der Harz, der Brocken, da habe ich<br />

Heimatgefühle«, sagt Janine Pollet.<br />

»Sachsen-Anhalt ist Heimat«, sagt Kathrin<br />

Eschke. »Für mich Deutschland«,<br />

meint René Bieck. Eigentlich auch die<br />

Familie. Das sagt er so nicht, aber: »Oma<br />

muss zur Dialyse, Opa ist bettlägerig. Da<br />

will ich in der Nähe sein.« Die drei Fachkräfte<br />

arbeiten im »Hotel & Spa Wasserschloss<br />

Westerburg« im Harz. »Heimat ist<br />

für mich ein Ort, in dem ich mich wohlfühle«,<br />

so Sindy Tollkühn, Friseuse in<br />

Magdeburg. Dort lebt auch Physiotherapeutin<br />

Julia Melahn. »Stadt, Familie,<br />

Freunde sind Heimat«, sagt sie, Ehemann<br />

Matthias, Elektrotechniker, nickt. Alle<br />

sind Rückkehrer aus dem Westen,<br />

zurück nach Sachsen-Anhalt. Sie haben<br />

es nicht bereut.<br />

Nur einer ist enttäuscht: Koch René<br />

Bieck. Ja, sauer wird der 32-Jährige, wenn<br />

er von seiner Frau Verena berichtet und<br />

dem Lohngefälle West-Ost. Aus Aschersleben<br />

stammend, beschlich sie in Bayern<br />

Heimweh, das größer und größer wurde.<br />

So zog das Ehepaar 2010 nach Quedlinburg.<br />

René, in Nauen geboren, hatte in<br />

München Koch gelernt und dann dort<br />

schönes Geld verdient. Ebenso Verena<br />

als stellvertretende Aldi-Filialleiterin.<br />

Und jetzt? Sie arbeitet in einer Pension in<br />

Ballenstedt als Servicekraft, kriegt 400<br />

Euro. »Viiiiierhundert!« Der Koch holt<br />

tief Luft. Er hat in Westerburg einen Job<br />

gefunden: »Alles stimmt. Die Arbeit, das<br />

Team, die Chefs.« Und die Bezahlung? »Ist<br />

okay.« Will er bleiben? Mal sehen, wie es<br />

mit Verenas Arbeit weitergeht.<br />

GEGENWIND IN KOBLENZ<br />

Kathrin Eschke (28) will nicht wieder<br />

weg. In Wolfen groß geworden, hat sie<br />

2003 erfolgreich ihren Abschluss zur Restaurantfachfrau<br />

absolviert und dann 20<br />

Bewerbungen abgeschickt. Zehn in den<br />

Westen, alle mit Zusagen. Und zehn in<br />

den Osten, eine Zusage nach anderthalb<br />

Jahren, sonst kein Echo. »Ich wollte in ein<br />

Haus ab drei Sterne, habe Französisch,<br />

Englisch und Russisch als Fremdsprachen<br />

angegeben. Die Arbeitsagentur<br />

Bitterfeld schickte mich in eine Kleingartenanlage!«<br />

Aber da hatte Kathrin<br />

Eschke bereits einen Arbeitsvertrag in<br />

Frankfurt am Main unterschrieben. In einem<br />

Vier-Sterne-Hotel mit 160 Zimmern.<br />

»Alles hat gepasst«, sagt sie. Aber dann<br />

wollte sie mehr. Wechselte in eine Hotelkette<br />

am Airport Frankfurt, schaffte es<br />

bis zur Restaurantleiterin – und fast in<br />

Rückkehr aus dem Westen<br />

Ossis auf Heimwegen<br />

Viele Ostdeutsche zog es nach der Wende in den Westen. Der Trend<br />

beginnt sich umzukehren. Heimweh, gute Jobangebote und<br />

kostengünstige Lebenshaltung bewegen Abwanderer zur Rückkehr.<br />

den Burnout. »14, 15 Stunden am Tag,<br />

und das sechs Mal in der Woche.«<br />

Die junge Frau machte einen Schnitt,<br />

wechselte in ein Koblenzer Hotel. Und<br />

erntete Gegenwind. »Ich war die Einzige<br />

aus dem Osten ...« Mit Koblenz wurde sie<br />

nicht warm. Wollte in den Harz, wo die<br />

Eltern und andere Verwandte wohnen.<br />

Sie schmiss den Job. In der Zeitung las sie<br />

eine Anzeige vom Wasserschloss Westerburg,<br />

bewarb sich. Seit zwei Monaten<br />

arbeitet sie hier und ist zufrieden.<br />

Ebenso Janine Pollet, sie ist im Wasserschloss<br />

die Assistentin der Geschäftsführung,<br />

dem Ehepaar Silvia und Hartmut<br />

Lerche. Hier hat die 31-Jährige Hotelfachfrau<br />

gelernt, 2002 dann ein halbes<br />

Jahr im Service gearbeitet. Damals blutjung,<br />

wollte sie Neues erkunden. Fand im<br />

Internet die Anzeige eines privat geführten<br />

Vier-Sterne-Hauses in Worms, bewarb<br />

sich und begann als Servicekraft. »Alles<br />

ganz unkompliziert«, sagt sie. 2003 lernte<br />

sie einen Mann lieben, »den Geschäfts-<br />

14 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


REPORT<br />

führer des Hauses«. 2009 kam die gemeinsame<br />

Tochter zur Welt, kurz darauf<br />

trennte sich das Paar. Im Sommer 2011<br />

kehrte Janine Pollet heim.<br />

Mit Kleinkind gleich wieder einen Job<br />

gefunden? »Familie Lerche und ich hatten<br />

die ganze Zeit über Kontakt gehalten.«<br />

Später erklärt Silvia Lerche: »Janine<br />

war unser erster Azubi.« Und ein guter<br />

dazu. Das Hotelier-Paar bezahlt gute Löhne,<br />

Überstunden und überbetriebliche<br />

Zuschläge etwa für die Kita.<br />

TRUTZIGE BURG VIER STERNE PLUS<br />

1999 kauften der Gastronom und seine<br />

Frau in Huy bei Dedeleben das Wasserschloss<br />

an der Straße der Romanik, mit<br />

über 1000 Jahren eines der ältesten in<br />

Deutschland. Silvia und Hartmut Lerche<br />

hatten Kredite aufgenommen, ließen die<br />

trutzige Burg mit ihrem doppelten Wall<br />

und zweifachen Graben mit viel Liebe<br />

zum Detail restaurieren, ebenso den Innenhof<br />

mit den Fachwerkgebäuden, dem<br />

Turteltauben-Turmzimmer und Ziehbrunnen.<br />

2000 eröffnete das Ehepaar<br />

sein Hotel. 30 Mitarbeiter sorgen für das<br />

Wohl der Gäste. Fünf kommen aus den<br />

alten Ländern, sieben sind Rückkehrer.<br />

Die Lerches sind ebenfalls zurück im<br />

Osten. Kurz vor dem Mauerfall verließen<br />

sie die DDR, gingen nach Ratingen bei<br />

Düsseldorf. Aber irgendwann wollten sie<br />

die Selbstständigkeit wagen, suchten ein<br />

passendes Objekt und landeten in der<br />

Westerburg. Inzwischen ist diese ihr<br />

Zuhause. »Heimat. Das ist für uns dort,<br />

wo wir uns verwirklichen können«, sagt<br />

Silvia Lerche (55).<br />

»Wir sind ein Vier-Sterne-Plus-Haus<br />

mit Anspruch. Da brauchen wir gute Leute.<br />

Sechs Stellen sind unbesetzt.« Der<br />

61-jährige Hartmut Lerche redet sich in<br />

Rage. Über den Mangel an Fachkräften<br />

und rückläufige Schulabgängerzahlen.<br />

Über junge Leute, die ihre Ausbildung<br />

vorzeitig abbrechen. »Ich würde auch<br />

Fachkräfte und Lehrlinge aus dem Ausland<br />

einstellen. Aber dann müsste das<br />

Land anständige Deutschkurse bezahlen.<br />

Das können wir nicht finanzieren.«<br />

In der Landesregierung von Sachsen-<br />

Anhalt hat Ministerpräsident Reiner Haseloff<br />

das Problem zur Chefsache erhoben.<br />

Im Frühjahr verordnete sich der Regierungschef<br />

eine PR-Tour in westliche<br />

Regionen. Bundesweit sollen Anzeigen<br />

und Spots geschaltet, auch neue Medien<br />

wie Twitter eingesetzt werden. Die Initiativen<br />

knüpfen an die Rückkehrer-Aktion<br />

»PFIFF« an. Damit konnten mehr als<br />

3.000 Familien zurückgeholt werden.<br />

Jede Fachkraft zählt. Konnten nach<br />

Angaben der Magdeburger Staatskanzlei<br />

2005 fünf Prozent aller offenen Stellen<br />

ARBEITEN AUF DEM SCHLOSS: Janine Pollet und René Bieck.<br />

SEHNSUCHT NACH MAGDEBURG<br />

Die Wanderungsbewegungen in der Bundesrepublik<br />

gingen jahrelang fast nur in<br />

eine Richtung: von Ost nach West. Die<br />

fünf Flächenländer zwischen Ostsee und<br />

Erzgebirge bluteten regelrecht aus, verloren<br />

seit 1990 fast 1,5 Millionen Einwohner.<br />

Noch 2010 wanderten 20.000 Personen<br />

ab. Schlägt man Berlin vollständig<br />

dem Osten zu, kamen aber 2010 fast genauso<br />

viele Menschen in den Osten, wie<br />

ihn verließen.<br />

Eine Trendwende, zumindest in einigen<br />

Regionen. In Sachsen sind 2011 zum<br />

ersten Mal seit 1997 mehr Menschen zuals<br />

fortgezogen. Auch Berlin und Brandenburg<br />

melden positive Wanderungssaldos.<br />

Thüringen, das zwar insgesamt<br />

immer noch Einwohner verliert, registrierte<br />

2011 immerhin so viele Zuzügler<br />

wie seit 1997 nicht mehr. Sachsen-Andurch<br />

die Firmen nicht besetzt werden,<br />

so ist die Nichtbesetzungsquote bis 2011<br />

bereits auf 24 Prozent hochgeschnellt.<br />

Ein ähnliches Bild bietet der Ausbildungsmarkt.<br />

Der demographische Wandel<br />

wird zur Keule. Die Engpässe an qualifiziertem<br />

Personal sind besonders stark<br />

im IT-Bereich, im Gesundheits- und Sozialsektor<br />

und bei Ingenieuren.<br />

Haseloff weiß: »Das Rückholgeschäft<br />

ist schwierig. Es geht um das Gesamtpaket,<br />

da sind keine Wunder über Nacht zu<br />

FAKTEN<br />

Jährlich 45.000 Rückkehrer<br />

Laut einer Studie der Universität Bayreuth<br />

wollen viele abgewanderte Ostdeutsche<br />

zurück in ihre Heimat. Nach<br />

der Wende 1989 haben fast 1,5 Millionen<br />

Menschen den Osten verlassen.<br />

Bis 2005 sei knapp ein Drittel zurückgekehrt.<br />

Derzeit würden pro Jahr rund<br />

45.000 Menschen zurückziehen. Einer<br />

der Gründe ist der Wunsch, wieder<br />

näher bei Familie und Freunden zu sein.<br />

Auch mangelnde soziale Kontakte im<br />

Westen spielten eine Rolle. »Häufig wird<br />

die Entscheidung durch die Gründung<br />

einer Familie oder einen Jobwechsel<br />

begünstigt«, sagt Anke Matuschewski,<br />

Professorin für Wirtschaftsgeografie.<br />

Für die Studie hat sie unter anderem<br />

Rückkehrer in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern<br />

befragt. Der typische<br />

Rückkehrer ist männlich, zwischen 25<br />

und 40 Jahre, lebt in Städten wie Jena<br />

und Leipzig, die vom Zustrom profitieren.<br />

Über 90 Prozent der Befragten ziehen<br />

eine positive Bilanz ihrer Rückkehr.<br />

erwarten.« Größtes Problem sei nach wie<br />

vor das Lohnniveau im Land. Oft ein K.o.-<br />

Kriterium und eine Schlüsselgröße neben<br />

Heimat, Familie und Kindertagesstätten.<br />

Er pocht auf die Rahmenbedingungen,<br />

die Infrastruktur.<br />

Aus dem Landkreis Harz wanderten<br />

2009 über 5.000 Fachkräfte ab, gleichzeitig<br />

kamen etwa 4.000 in die Region.<br />

Trotz der Rückkehrbereitschaft von<br />

62 Prozent der Ostdeutschen gelingt es<br />

nur einem Fünftel der Abgewanderten,<br />

diesen Wunsch zu verwirklichen. Alle<br />

neuen Länder unterhalten oder unterstützen<br />

Rückwanderer-Agenturen. Sie<br />

heißen »Sachse komm zurück«,<br />

»MV4YOU« in Mecklenburg-Vorpommern<br />

oder eben »PFIFF« in Sachsen-Anhalt. Ihr<br />

Erfolg ist überlebenswichtig.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 15


REPORT<br />

TRIO IM GLÜCK: Familie Melahn.<br />

halts Abwanderungsverlust hat sich in<br />

den letzten Jahren mehr als halbiert.<br />

Ähnlich in Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Julia Melahn ist 25, Physiotherapeutin<br />

und verheiratet mit Matthias, vier Jahre<br />

älter, staatlich geprüfter Elektrotechniker.<br />

Die beiden haben sich 2006 in ihrer<br />

Heimatstadt Magdeburg kennengelernt.<br />

Da arbeitete Matthias schon drei Jahre in<br />

Hannover. Ein dreiviertel Jahr kommt er<br />

nun jedes Wochenende zu Julia, die<br />

»dann der Liebe und der Qualifizierung<br />

wegen nach Hannover« zieht. Das Schulgeld<br />

von 180 Euro im Monat übernehmen<br />

die Eltern. Nebenher geht sie jobben.<br />

Matthias büffelt abends nach der Arbeit<br />

für die Technikerschule. Wenn es die<br />

Zeit zulässt, fahren sie am Wochenende<br />

heim nach Magdeburg. Zu Familie, Oma,<br />

Opa und Freunden.<br />

Im April 2011 wird Tochter Nayla geboren,<br />

im August heiraten Julia und Matthias<br />

Melahn in Magdeburg. Die Stadt ist<br />

ihr Zuhause geblieben. Und da wollen sie<br />

auch wieder hin. In Hannover will er<br />

aber erst kündigen, wenn er einen neuen<br />

Job hat. Bereits Anfang 2011 hat er sich<br />

beim Fachkräfteportal Sachsen-Anhalts<br />

»PFIFF« online registrieren lassen, auf der<br />

Suche nach einer Stelle als Techniker im<br />

Bereich der Automatisierungstechnik.<br />

»Dort lief leider alles über einen Personaldienstleister.<br />

Da ich zur Hermes<br />

Fulfilment GmbH nach Haldensleben<br />

wollte, habe ich mich dann direkt in der<br />

Unternehmenszentrale Hamburg beworben.«<br />

Die Zusage kam prompt.<br />

Trotzdem gibt es noch Hürden. »Die finanzielle<br />

Belastung durch doppelte Mietkosten<br />

und Umzugskosten für uns waren<br />

enorm«, so Julia Melahn. Eine Wohnung<br />

wird schnell gebraucht, ein Kitaplatz in<br />

Magdeburg. Als sie den sucht, kassiert sie<br />

zehn Absagen, bis sie einen Platz über<br />

private Fürsprache erhält. 30 Stunden<br />

pro Woche arbeitet sie nun in der Magdeburger<br />

Praxis Physio-Fit und Physiotherapie<br />

Schinscheck und Müller, ihr Mann<br />

Matthias arbeitet im Dreischichtsystem<br />

bei Hermes in Haldensleben. Ohne die<br />

familiäre Hilfe in Magdeburg hätte die<br />

Rundumbetreuung der kleinen Nayla<br />

nicht funktioniert. »So ist es besser«, sagt<br />

Matthias Melahn und zeigt ein Foto, auf<br />

dem Julia und er Nayla im Arm halten,<br />

tippt dahinter auf die Elbe und die Domspitze<br />

und sagt: »Unsere Stadt.«<br />

ENTTÄUSCHTE HOFFNUNGEN<br />

Das Dynamik-Ranking der »Initiative<br />

Neue Soziale Marktwirtschaft«, das die<br />

Veränderung ökonomischer Kennziffern<br />

von 2006 bis 2010 gemessen hat, führt<br />

alle neuen Länder auf Spitzenplätzen.<br />

Auch wenn strukturelle Krisen – wie zuletzt<br />

die Insolvenz des einstigen Solarbranchenprimus'<br />

Q-Cells in Thalheim –<br />

manche Regionen wieder zurückwerfen,<br />

glaubt Ulrich Blum, Wirtschaftsprofessor<br />

an der Universität Halle, dass bis<br />

2020 die Wirtschaftskraft Ostdeutschlands<br />

etwa 90 Prozent des Westniveaus<br />

erreichen werde.<br />

Konjunkturaufschwung und Entspannung<br />

am Arbeitsmarkt erklären den<br />

leichten Rückkehrtrend nicht allein.<br />

Ebenso wichtig wie die Belebung Ost sei<br />

die Ernüchterung West, so Joachim Ragnitz<br />

vom Ifo-Institut in Dresden. Zwar<br />

sind die Einkommen im Westen im<br />

Durchschnitt noch immer um bis zu<br />

25 Prozent höher als im Osten, doch<br />

KOPFARBEIT: Sindy Tollkühn mit Kundin.<br />

durch Abzug von Miet- und Lebenshaltungskosten<br />

schrumpft der Unterschied.<br />

Wenn Ostdeutsche zurückgehen, dann<br />

oft auch aus enttäuschter Hoffnung.<br />

Sindy Tollkühn zum Beispiel. Die 32-<br />

Jährige ist mit ihrem Lebensgefährten<br />

Stelios dieses Jahr nach Magdeburg<br />

zurückgekehrt. Eigentlich stammt sie<br />

aus Halberstadt, er aus Griechenland.<br />

Aber in Magdeburg hatten beide gelebt,<br />

bevor sie in den Westen gegangen waren.<br />

Sindy Tollkühn war als Friseuse im Studio<br />

»Haardesign« am Domplatz angestellt,<br />

Stelios machte seine Qualifizierung<br />

zum Assistenz-Arzt in der Rheumaklinik<br />

Vogelsang. Das ging dort nur drei<br />

Jahre, sechs Jahre aber dauert die Ausbildung.<br />

Die konnte der Freund im Sommer<br />

2009 in einer Bremer Klinik fortsetzen.<br />

Sindy Tollkühn zog mit, ab Januar<br />

2010 dann war die Meisterschule im<br />

40 Kilometer entfernten Oldenburg geplant.<br />

Das halbe Jahr bis dahin jobbte sie.<br />

Tränen flossen. Schnell vermisste sie ihr<br />

Magdeburger Haarstudio, das Super-<br />

Team, die tolle Chefin Jeannette Lauermann,<br />

die ihr gesagt hatte, sie könne<br />

wiederkommen. Freund Stelios dagegen<br />

schaffte in der Bremer Klinik problemlos<br />

den Einstieg. Der gelang ihr dann später<br />

auch an der Oldenburger Schule, nebenher<br />

arbeitete sie weiter.<br />

Nach ein paar Monaten in Bremen<br />

wussten die beiden, dass sie nicht bleiben.<br />

Mit der norddeutschen Mentalität<br />

kamen sie nicht klar. »Die gehen zum Lachen<br />

in den Keller.« So jedenfalls empfand<br />

es Sindy Tollkühn. Anfang 2012 hat<br />

der Freund in Vogelsang angefragt, ob<br />

er seine Ausbildung mit anschließender<br />

Facharztprüfung dort fortsetzten könne.<br />

Nach einer Weile kam die Zusage. Und so<br />

zog das Paar wieder nach Magdeburg.<br />

Die ganze Zeit über hatte Sindy Tollkühn<br />

Kontakt mit ihrem Haarstudio gehalten,<br />

die Kollegen besucht. Und dann hat es<br />

wirklich geklappt. »Ich bin wieder eingestellt,<br />

jetzt als Friseurmeisterin. Die<br />

Chefin, das Team und die Kundinnnen<br />

haben mich herzlich empfangen. Es ist<br />

so, als wäre ich nie weggewesen.«<br />

Chefin Jeannette Lauermann war<br />

selbst mal weg, fünf Jahre in drei Friseursalons<br />

in Frankfurt am Main. »Ich hatte<br />

dort keine Probleme, bin aus privaten<br />

Gründen zurück«, sagt die 46-Jährige.<br />

1995 eröffnete sie ihr eigenes Haarstudio<br />

in Magdeburg, später auch eins in Wolmirstedt.<br />

Inzwischen hat sie zwölf Angestellte.<br />

Denen sagt sie ab und zu: »Geht<br />

mal woanders hin, probiert euch aus,<br />

und dann kommt zurück! Über den eigenen<br />

Tellerrand schauen, da wird man<br />

offener, selbstbewusster und reifer.«<br />

Dana Micke<br />

&<br />

16 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


Everybody‘s here<br />

Messen und Kongresse 2012<br />

www.messe-berlin.de<br />

31.08.–05.09. IFA 2012 CONSUMER ELECTRONICS UNLIMITED<br />

05.09.–07.09. ASIA FRUIT LOGISTICA Hong Kong<br />

11.09.–16.09. ILA Berlin Air Show<br />

Berlin ExpoCenter Airport<br />

13.09.–15.09. HAI 2012 – Der Hauptstadtkongress der DGAI für Anästhesiologie und<br />

<br />

18.09.–21.09. InnoTrans 2012 Internationale Fachmesse für Verkehrstechnik<br />

Innovative Komponenten · Fahrzeuge · Systeme<br />

06.10.–07.10. Internationale Briefmarkenmesse 2012<br />

06.10.–07.10. NUMISMATA Berlin<br />

09.10.–11.10. EAS Euro Attraction Show<br />

17.10.–19.10. ITB Asia 2012<br />

The Trade Show for the Asian Travel Market Singapore<br />

17.10.–19.10. belektro Fachmesse für Elektrotechnik, Elektronik und Licht<br />

18.10.–21.10. 16. VENUS BERLIN Internationale Fachmesse<br />

19.10.–20.10. EINSTIEG Abi Messe für Ausbildung und Studium<br />

26.10.–28.10. Landesgesundheitsmesse Berlin-Brandenburg<br />

26.10.–28.10. Aktiv im Alter<br />

01.11.–03.11. Ecofair 2012<br />

03.11.–04.11. COSMETICA Berlin<br />

03.11.–04.11. Hairseller Berlin<br />

06.11.–07.11. MODERNER STAAT 16. Fachmesse und Kongress<br />

07.11.–11.11. IMPORT SHOP BERLIN DAS SCHÖNSTE DER WELT<br />

10.11.–11.11. HochzeitsWelt Die Hochzeitsmesse<br />

23.11.–25.11. MINERALIS 2012 38. Mineralien-, Fossilien- und Schmuckbörse Berlin<br />

23.11.–28.11. Boot und Fun 2012<br />

13.12.–16.12. HIPPOLOGICA Berlin<br />

Die internationale Pferdesportmesse<br />

Stand 06/2012. Auszug. Änderungen vorbehalten.<br />

Messe Berlin GmbH · Messedamm 22 · 14055 Berlin<br />

Telefon 030/3038-0 · Fax 030/3038-2325<br />

www.messe-berlin.de · central@messe-berlin.de


BERICHT<br />

Fotos: BMWi<br />

Innovationstag 2012<br />

Prickelnder Sanddorn<br />

Der diesjährige Innovationstag Mittelstand des Bundeswirtschaftsministeriums<br />

bot einen Strauß marktreifer Produktneuerungen.<br />

Darunter auch einen erfrischenden Getränkemix aus Sachsen.<br />

Am hinteren Winkel des innovativen<br />

Zelt-Dorfs endlich die passende Erfrischung<br />

an diesem warmen<br />

Frühsommertag in Berlin-Pankow: Ein<br />

kühler Becher Sanddorn-Kwas, prickelnd<br />

auf der Zunge, fruchtiger Geschmack.<br />

Die Produktneuheit der Privat-Brauerei<br />

Landsberg aus Sachsen wird hier erstmals<br />

vor größerem Test-Publikum verzapft.<br />

Die Kombination des russischen<br />

Brottrunks auf Getreidebasis mit der heimischen<br />

Beere kam durch wissenschaftliche<br />

Hilfe zustande. »Eine Herausforderung<br />

war, den Sanddornsaft für die<br />

Verarbeitung so aufzubereiten, dass sich<br />

die ölhaltigen Bestandteile im Getränkemix<br />

nicht wieder absetzen«, erklärt Jörg-<br />

Thomas Mörsel vom Untersuchungs-Beratungs-<br />

Forschungslaboratorium GmbH<br />

(UBF) aus Altlandsberg.<br />

Neben den UBF-Lebensmittelanalytikern<br />

wirkten auch zwei weitere ostdeutsche<br />

Kleinunternehmen an der Saft-Innovation<br />

mit: verknüpft über das »Sanddorn-Netzwerk«,<br />

das aus dem Zentralen<br />

Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM)<br />

des Bundeswirtschaftsministeriums gefördert<br />

wird. Vielleicht lässt sich der Bionade-Erfolg<br />

ja wiederholen.<br />

Auch in seinem 19. Durchlauf bot der<br />

»Innovationstag Mittelstand« des BMWi,<br />

der Mitte Juni in der Berliner AiF Projekt<br />

GmbH stattfand, wieder einen bunten<br />

Strauß marktreifer Produktneuerungen<br />

aus mittelständischen Unternehmen.<br />

Die Gemeinsamkeit der 340 Aussteller,<br />

davon 210 Unternehmen und 130 Forschungseinrichtungen<br />

mit ihren über<br />

200 Exponaten: Die Innovationen kamen<br />

durch Förderprojekte des ZIM-Programms<br />

zustande, das mittelständischen<br />

Firmen ohne eigene Forschungs-Abteilung<br />

das notwendige Wissen durch Kooperationen<br />

von außen zuführt.<br />

LEBENSELEXIER DER WIRTSCHAFT<br />

Ernst Burgbacher, Parlamentarischer<br />

Staatssekretär beim Bundesminister für<br />

Wirtschaft und Technologie und Beauftragter<br />

der Bundesregierung für Mittelstand,<br />

zeigte sich bei seiner Eröffnung<br />

HOCH ZUFRIEDEN: Ernst Burgbacher, Mittelstandsbeauftragter<br />

der Bundesregierung.<br />

des Innovationstages denn auch sehr zufrieden<br />

mit der Entwicklung des ZIM-Programms:<br />

»Die Ergebnisse der von uns geförderten<br />

Projekte sind beeindruckend«,<br />

stellte Burgbacher bei seinem Rundgang<br />

fest. »Innovationen sind das Lebenselixier<br />

unserer Wirtschaft, denn nur mit<br />

neuen Ideen können wir dauerhaft erfolgreich<br />

sein und auch im internationalen<br />

Wettbewerb bestehen«, hob der<br />

Wirtschaftspolitiker hervor.<br />

Wettbewerb war auch vor Ort: Burgbacher<br />

konnte an vier Unternehmen die<br />

»ZIM-Preise 2012« überreichen. Sie erhielten<br />

die Auszeichnung, weil ihre FuE-Projekte<br />

besonders rasch in wirtschaftliche<br />

Erfolge umgemünzt werden konnten.<br />

Zum ersten Preisträger wurde die Hager<br />

Sondermaschinenbau GmbH aus Moettingen<br />

(Bayern) für die Entwicklung einer<br />

verbesserten Transportvorrichtung<br />

für Karosserieteile gekürt. Automobilhersteller<br />

können mit dem neuen System –<br />

entstanden aus einem ZIM-Solo-Förderprojekt<br />

– nunmehr sechs statt bisher<br />

zwei Modellvarianten je Spannrahmen<br />

produzieren – das spart Fläche und Ressourcen.<br />

Der 2. Preis ging an die LaVision<br />

BioTec GmbH aus Bielefeld (NRW). Sie<br />

hatte in einem ZIM-KOOP-Projekt zusammen<br />

mit der Uni Bonn ein neuartiges 3D-<br />

Mikroskop entwickelt, das auf zellulärer<br />

Ebene Stoffwechselvorgänge verfolgen<br />

kann. Dritter Preisträger wurde die Sudholt-Wasemann<br />

GmbH aus Herzebrock-<br />

Clarholz (NRW) für die Entwicklung eines<br />

ultraharten Spezialbetons, auf dem<br />

schwere Werkzeugmaschinen schwingungsfrei<br />

arbeiten können. An der Innovation<br />

war über ein ZIM-KOOP-Projekt<br />

auch die Beltec Metallbau GmbH & Co.<br />

KG aus Fürstenberg/Havel (Brandenburg)<br />

beteiligt.<br />

Auch ein »Sonderpreis Handwerk«<br />

wurde vergeben, der dem Unternehmen<br />

18 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


BERICHT<br />

Rombach – Bauholz + Abbund GmbH aus<br />

Oberharmersbach (Baden-Württemberg)<br />

zuerkannt wurde. Die aus einem ZIM-<br />

Solo-Projekt entstandene Öko-Innovation<br />

besteht aus einem Massivholzsystem mit<br />

Gewindeschrauben aus Buchenholz. Damit<br />

können »die technologischen Nachteile<br />

des Leimens, Dübelns und Nagelns<br />

überwunden« werden, urteilte die Jury<br />

des ZIM-Preises.<br />

17.500 PROJEKTE SEIT 2008<br />

Der Otto von Guericke-Preis, den die AiF<br />

alljährlich auslobt, wurde in diesem Jahr<br />

an ein interdisziplinäres Forscherteam<br />

vergeben: an Hermann Finckh vom Institut<br />

für Textil- und Verfahrenstechnik<br />

Denkendorf (ITV) und Vincenzo Forcillo<br />

vom Institut für Werkzeugmaschinen<br />

(IfW) der Universität Stuttgart. Sie hatten<br />

in einem Projekt, das über die Industrielle<br />

Gemeinschaftsforschung (IGF) gefördert<br />

wurde, ein neues Schutzsystem für<br />

Holzbearbeitungsmaschinen entwickelt.<br />

Dabei kommen technische Textilien als<br />

Schutzvorhänge zum Einsatz, die die<br />

nach Unfällen verschärften Sicherheitsvorschriften<br />

besser erfüllen. Um ihre Exportfähigkeit<br />

zu erhalten, waren alle<br />

deutschen Hersteller von Holzbearbei-<br />

ZIM-PREISTRÄGER: Wenige Sieger nur,<br />

aber sehr viele Gewinner.<br />

tungsmaschinen – die jährlich an die<br />

1.000 Stück produzieren – an einem<br />

schnellen Ergebnis des FuE-Projekts interessiert.<br />

Viele, sehr viele Innovationsschübe<br />

sind durch das ZIM-Förderprogramm in<br />

den deutschen Mittelstands-Unternehmen<br />

ausgelöst worden. Seit dem Start<br />

des neuen integrierten Programms, das<br />

mehrere Förderlinien bündelte, auf dem<br />

Innovationstag im Jahr 2008 wurden<br />

über ZIM insgesamt rund 17.500 Vorhaben<br />

mit einem Fördervolumen von über<br />

2,2 Miliarden Euro bewilligt. Bezogen auf<br />

die Bundesländer erreichte Baden-Württemberg<br />

mit rund 420 Millionen Euro<br />

(für knapp 3.500 Vorhaben) den größten<br />

Anteil. Sachsen kommt mit 330 Millionen<br />

Euro für 2.500 Projekte auf Platz 2,<br />

noch vor Nordrhein-Westfalen mit 305<br />

Millionen Euro für 2.500 Vorhaben. Beim<br />

Blick auf die Technologiefelder gingen<br />

bislang die meisten bewilligten Mittel in<br />

die Produktionstechnologien (489 Millionen<br />

Euro), vor den Werkstofftechnologien<br />

(268 Millionen) und dem Bereich<br />

Elektrotechnik, einschließlich Messtechnik<br />

und Sensorik (244 Millionen).<br />

Die ZIM-Förderung ist gut nachgefragt.<br />

Pro Monat werden bis zu 500 Neuanträge<br />

gestellt. Die Qualitätslatte liegt<br />

hoch: ein Drittel wird abgelehnt. Für<br />

Neuaspiranten wie auch für die Projektträger<br />

war deshalb bei diesem Innovationstag<br />

die spannende Frage, wie geht<br />

es mit dem ZIM-Programm über das Bundestags-Wahljahr<br />

2013 weiter. Aufatmen<br />

daher, als von der BMWi-Spitze offiziell<br />

mitgeteilt wurde, dass das volle Programmvolumen<br />

von 500 Mio Euro auch<br />

für 2013 garantiert sei und der bisherige<br />

Antragsschluss um ein Jahr und damit<br />

bis zum 31.12.2014 verlängert wurde.<br />

Manfred Ronzheimer<br />

&<br />

Energie ist …<br />

… Regionalität.<br />

Leipzig und die Leipziger liegen uns sehr am<br />

Herzen. Lebensqualität und Wirtschaftskraft stärken,<br />

Leipzig voranbringen – dafür arbeiten wir:<br />

Unsere Energie für Leipzig.<br />

Alexandra und Alexander,<br />

Leipziger seit 1974 und 1977<br />

www.swl.de<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 19


SERIE<br />

zig. Hier hatten einst große DDR-Kombinate<br />

ihren Hauptsitz – nicht eines überlebte.<br />

Über 105.000 Industriearbeitsplätze<br />

brachen damit fast über Nacht weg,<br />

ohne dass lange Zeit nennenswerte Äquivalente<br />

entstanden. Erst die großen Montagewerke<br />

von Porsche und BMW, die<br />

derzeit noch kräftig ausgebaut werden,<br />

schaffen seit einigen Jahren wieder Entlastung.<br />

Nüchtern betrachtet handelt<br />

es sich aber durchweg um verlängerte<br />

Werkbänke. In punkto Innovationen tut<br />

sich damit vor Ort wenig.<br />

Chemnitz, das frühere Karl-Marx-<br />

Stadt, traf es anfangs ähnlich hart, weil<br />

den Maschinenbetrieben mit der D-Mark<br />

die osteuropäischen Märkte abhanden<br />

kamen. Doch durch kluges kommunales<br />

Handeln blieb kein großes Maschinenbauunternehmen<br />

ganz auf der Strecke.<br />

Heckert, Union, Niles & Co. – alle überlebten<br />

mehr oder minder gut und stehen<br />

heute auf soliden Füßen. Im Bündnis mit<br />

der TU Chemnitz sowie einer industrie-<br />

W<br />

as in Chemnitz erarbeitet<br />

wird, wird in Leipzig durch<br />

Handel vermehrt und in Dresden<br />

verprasst.« Schon seit königlich-sächsischen<br />

Zeiten klassifizierte man so die<br />

drei großen Wirtschaftszentren des Landes.<br />

Ein wenig stimmt das noch immer.<br />

Doch mittlerweile tragen auch die Landeshauptstadt<br />

und ihr Umland überdurchschnittlich<br />

zur Wertschöpfung in<br />

Sachsen bei. Im Grunde erwirtschaften<br />

heute alle drei Ballungsräume ein gerüttelt<br />

Maß an der Wirtschaftsbilanz des<br />

Freistaates. Um Dresden und Freiberg<br />

(das historisch schon zum Chemnitzer<br />

Wirtschaftsraum gehört) sind Zukunftsbranchen<br />

wie Mikroelektronik, Solarwirtschaft<br />

und die Elektrotechnik zu<br />

Hause. Im traditionellen »Schaffensland«<br />

Chemnitz-Zwickau-Erzgebirge massieren<br />

sich Maschinen- und Fahrzeugbau. Das<br />

Leipziger Land ist eine Hochburg der Energiewirtschaft,<br />

Finanz- und Handelsdienstleistungen<br />

sowie kreativer Medienmacher.<br />

Etwas bescheidener nimmt sich<br />

die Wirtschaftskraft in Ostsachsen sowie<br />

im Vogtland aus.<br />

REPORT<br />

S A C H S E N<br />

Foto: Siemens AG<br />

DYNAMISCHER STANDORT<br />

Sachsen macht schon seit sechs Jahren<br />

keine Schulden mehr und hat bundesweit<br />

die zweithöchste Investitionsquote.<br />

Doch außerhalb seiner Grenzen weiß<br />

man das offenbar zu wenig. Hier wird<br />

das positive Image des Landes vor allem<br />

durch schöne Landschaften, attraktive<br />

Städte und kulturellen Reichtum geprägt<br />

– mithin ist es ein interessantes<br />

Kurzreiseziel. Als Standort für Wirtschaft,<br />

Wissenschaft und Bildung nehme<br />

man den Freistaat hingegen »noch zu wenig<br />

wahr«, befand jüngst eine deutschlandweite<br />

Umfrage, die die Markt- und<br />

Sozialforschung mbH Hamburg im Auftrag<br />

der Dresdner Staatskanzlei durchführte.<br />

Demnach haben die Menschen<br />

außerhalb Sachsens mehrheitlich nicht<br />

den Eindruck, dass sich hier wieder ein<br />

dynamischer Wirtschaftsstandort entwickelt,<br />

der jungen Menschen viele attraktive<br />

Arbeitsplätze und gute Studienmöglichkeiten<br />

bietet. Immerhin gilt das<br />

Land mit seinen technischen Universitäten<br />

und Hochschulen in Dresden, Chemnitz,<br />

Zwickau, Leipzig, Mittweida und<br />

Zittau als die deutsche Ingenieurschmiede<br />

schlechthin.<br />

Daraus resultiert fraglos auch, dass<br />

Sachsens Statistiker 2011 zum ersten Mal<br />

seit 1997 wieder mehr Zuzug als Abwanderung<br />

vermelden konnten. Vor allem<br />

immer mehr Landeskinder, die einst der<br />

Arbeit wegen gen Westen zogen, kehren<br />

zurück. Das hat das Land auch dringend<br />

nötig. Denn der Mangel an Fachkräften<br />

Innovationsoffensive<br />

Durchwachsene Bilanz<br />

Industrielle Leuchttürme, Spitzenforschung, hohe Investitionsquote.<br />

Sachsens Wirtschaft gilt im Osten als Schrittmacher. Doch niedrige<br />

Arbeitsproduktivität und zu viele Schulabbrecher trüben das Bild.<br />

ist enorm. Wenn Jutta Cordt, die Chefin<br />

der sächsischen Regionaldirektion der<br />

Bundesarbeitsagentur frohlockt, das<br />

Land habe heute die »niedrigste Arbeitslosigkeit<br />

seit 20 Jahren«, hat das längst<br />

auch eine Kehrseite: Fast 600 Ingenieurstellen<br />

können sächsische Unternehmen<br />

derzeit nicht besetzen. »Gesucht werden<br />

vor allem Experten für Fahrzeug- und<br />

Maschinenbau, Elektroingenieure sowie<br />

Architekten und Bauingenieure«, so Jutta<br />

Cordt. Rechne man noch das Segment<br />

der Techniker und technischen Sonderfachkräfte<br />

hinzu, liege »die Zahl der gemeldeten<br />

freien Stellen bei über 1.100 –<br />

Tendenz steigend.«<br />

Damit trifft es bevorzugt jene Branchen,<br />

in denen Sachsen seit dem 19. Jahrhundert<br />

gut aufgestellt war. Noch 1990<br />

erwirtschafteten die Betriebe der drei<br />

sächsischen Bezirke etwa 40 Prozent der<br />

gesamten Industrieproduktion der DDR.<br />

An dem anschließend folgenden Kahlschlag<br />

laboriert vor allem der Raum Leip-<br />

20 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


SERIE<br />

nahen Forschungslandschaft, die sich<br />

hier ansiedelte, entstanden nun einige<br />

der innovativsten Wirtschaftscluster<br />

Sachsens. Nicht ohne Grund haben die<br />

Verbundinitiativen Maschinenbau Sachsen<br />

(VEMAS) und Automobilzulieferer<br />

Sachsen (AMZ) ihren Sitz in Chemnitz.<br />

Gleiches lässt sich auch mit Blick auf<br />

Dresden sagen, das nach der Wende am<br />

wenigsten Federn lassen musste. Im Gegenteil:<br />

Mit milliardenschweren Subventionen<br />

siedelte die Landesregierung<br />

vor ihrer Haustür Europas bedeutendste<br />

Chipfabriken an. Sie boten auch die Basis<br />

für leistungsfähige Branchenverbünde in<br />

der Mikroelektronik sowie neuerdings<br />

auch bei Biotechnologien, wobei hier<br />

auch Leipzig zunehmend zu einer ersten<br />

Adresse in Deutschland avanciert. Gleiches<br />

gilt in der Messestadt auch für die<br />

Umweltforschung.<br />

SICHTBARE SPITZENFORSCHUNG<br />

Insgesamt leistet sich Sachsen eine opulente<br />

Forschungslandschaft mit allein<br />

fünf staatlichen Universitäten. Wissenschaftler<br />

forschen im Freistaat in sechs<br />

Einrichtungen der Leibniz-Gesellschaft,<br />

an vier Helmholtz-Standorten, in sechs<br />

Fraunhofer- sowie 16 Max-Planck-Instituten.<br />

Hinzu kommen neun landesfinanzierte<br />

Forschungseinrichtungen. Für<br />

Sachsens Wissenschaftsministerin Sabine<br />

von Schorlemer kann der Freistaat<br />

heute in Mikroelektronik, Nanotechnologie,<br />

dem Maschinen- und Fahrzeugbau,<br />

den Material- und Werkstoffwissenschaften,<br />

der Biotechnologie, den Neurowissenschaften,<br />

der Medizintechnik und der<br />

Umweltforschung »mit international<br />

sichtbarer Spitzenforschung aufwarten«.<br />

Dennoch sind das nur punktuelle Vorzeigegeschichten.<br />

Im Grunde ist Sachsens<br />

Wirtschaft wieder vorrangig mittelständisch<br />

strukturiert. 88 Prozent der Betriebe<br />

beschäftigen weniger als zehn<br />

Mitarbeiter, 9,4 Prozent maximal 50 Leute.<br />

Die Zahl der Unternehmen mit mehr<br />

als 250 Beschäftigten macht verschwindende<br />

0,3 Prozent aus. Bundesweit ist<br />

der Anteil der Großunternehmen im<br />

Wirtschaftsgefüge gut dreimal höher.<br />

Seit 1990 haben rund 6.000 Unternehmen<br />

eine Betriebsstätte an einem sächsi-<br />

SACHSEN<br />

FAKTEN<br />

Einwohner: 4,14 Mio. (Nov. 2011)<br />

Unternehmen: 115.300 (99 Proz. KMU)<br />

BIP: 94,9 Mrd. Euro (2011)<br />

Veränd. zu 2010: + 2,9 Prozent<br />

Exportquote: 26,2 Prozent<br />

Quelle: Statistisches Amt Sachsen<br />

schen Standort errichtet oder erworben.<br />

Doch entgegen den frühen 1990er Jahren<br />

verlagerte sich der Schwerpunkt der Gewerbeneuanmeldungen<br />

von Handel und<br />

Handwerk inzwischen verstärkt in Richtung<br />

Industrieproduktion. Mittlerweile<br />

weist Sachsen in Ostdeutschland wieder<br />

die zweithöchste Industriedichte auf –<br />

nach Thüringen. Auf 1.000 Einwohner<br />

kommen gut 70 sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigte im verarbeitenden<br />

Gewerbe, im ganzen Osten (einschließlich<br />

Berlin) sind es nur 54.<br />

Den Gegenpol bilden Wirtschafts-<br />

Leuchttürme, die gezielt gefördert wurden,<br />

damit sich rings um sie industrielle<br />

Kerne entwickeln. Vor allem durch neu<br />

angesiedelte mittelständische Zulieferindustrien<br />

und Forschungseinrichtungen.<br />

An erster Stelle steht die Mikroelektronik,<br />

auch wenn es sich hierbei nur um<br />

Produktionsstätten internationaler Konzerne<br />

handelt. Dennoch bildet die Halbleiter-<br />

bzw. IT-Industrie mit etwa 250 Unternehmen<br />

sowie 35.000 Beschäftigten<br />

heute ein wichtiges Standbein der sächsischen<br />

Wirtschaft. Zugleich zeigten die<br />

letzten Jahren aber auch, wie leicht dieses<br />

Bein angesichts periodisch wiederkehrender<br />

weltweiter Nachfrageprobleme<br />

einknicken kann.<br />

Misst man die sächsischen Kennzahlen<br />

beim Bruttoinlandsprodukt (Rückgang<br />

zwischen 2007 und 2010 um 1,5<br />

Prozent) oder der Produktivität, schneidet<br />

der Freistaat sogar überraschend<br />

mau ab. Mittlerweile wächst die deutsche<br />

Wirtschaft im Durchschnitt wieder<br />

schneller als die sächsische und bei der<br />

Arbeitsproduktivität ist man sogar nationales<br />

Schlusslicht: Jeder Sachse erwirtschaftete<br />

im letzten Jahr 48.696 Euro,<br />

bundesweit waren es 61.725 Euro.<br />

WETTBEWERB FÜR WEITERBILDUNG<br />

Übrigens rangiert der bundesweite Pisa-<br />

Seriensieger selbst im Bildungsbereich in<br />

der letzten Gruppe der Republik: Mit der<br />

weiter wachsenden Zahl an jungen Leuten,<br />

die die Schule ohne Abschluss verlassen,<br />

liegt Sachsen auf Rang 14 unter den<br />

16 Bundesländern. Kein gutes Omen für<br />

künftige Innovationen. Darum zweigte<br />

Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister<br />

Sven Morlok (FDP) unlängst eine Million<br />

Euro für einen Ideenwettbewerb ab,<br />

mit dem er die Weiterbildungsbeteiligung<br />

der sächsischen Beschäftigten zu<br />

erhöhen hofft. »Wir wollen berufserfahrene<br />

Fachkräfte von den Vorteilen des<br />

Weiterlernens überzeugen. Auch die Unternehmen<br />

profitieren von mehr Produktivität<br />

und flexibleren Mitarbeitern«, so<br />

der Minister.<br />

Harald Lachmann<br />

&<br />

KOLUMNE<br />

Mein Leipzig<br />

HARALD LACHMANN,<br />

Länder-Korrespondent<br />

von W&M in Sachsen<br />

»Mein Leipzig lob‘ ich mir! Es ist ein Klein-<br />

Paris und bildet seine Leute«, schwärmte<br />

der junge Goethe über seine Studienstadt.<br />

Natürlich ist Sachsen weitaus mehr als<br />

Leipzig, aber Sachsen ohne Leipzig – was<br />

für ein Torso!<br />

Sachsens Tor zur Welt, Sachsens Schaufenster,<br />

Sachsens Freiheitsglocke, Sachsens<br />

Vordenkerschmiede, Sachsens selbstbewusst(est)e<br />

Bürgerschaft … Die Reihe ließe<br />

sich lange fortsetzen. »Wenn das einer<br />

schafft, dann wir!«, sagen die Leipziger und<br />

trauen sich Dinge, die andere nicht einmal<br />

zu denken wagen. Selbst wenn es mal<br />

schief geht, wie bei Olympia 2012. Wie gern<br />

wäre man jetzt auch ein Klein-London.<br />

All das macht Leipzig auch für einen<br />

Preußen von Geburt und Geblüt, wie dem<br />

Autor dieser Zeilen, schon lange zu einem<br />

Ort, an dem er sich auch in Sachsen<br />

heimisch und so gar nicht höfisch fühlt –<br />

weltoffen halt. Hier, im Herzen Mitteldeutschlands,<br />

wo Sachsen auf Sachsen-<br />

Anhalt und Thüringen stößt, durchmischen<br />

sich wie sonst nirgends in der Dreiländerregion<br />

Temperamente und Talente, Dialekte<br />

und kreative Verrücktheiten. Ohne Frage ist<br />

Leipzig die einzig wirkliche Metropole und<br />

damit das natürliche Zentrum eines unweigerlich<br />

anstehenden gemeinsamen Bundeslandes<br />

– mögen es heutige Provinzfürsten<br />

auch noch verteufeln. Wirtschaft und Wissenschaft<br />

handeln längst. Eben erst vergab<br />

die Deutsche Forschungsgemeinschaft ihr<br />

neues Forschungszentrum zur Biodiversität<br />

nach Leipzig – und damit an einen universitären<br />

Dreierbund, der seit 1995 die Unis<br />

in Halle-Wittenberg und Jena einbezieht.<br />

Ob das künftige Land dann Mitteldeutschland<br />

oder vielleicht Kursachsen heißt,<br />

mögen die Bewohner entscheiden.<br />

Doch vermessen wäre beides nicht: Bis 1815<br />

umfasst das frühere Kursachsen im Grunde<br />

jenes historische Territorium (wenn man<br />

mal Börde und Altmark abrechnet). Leider<br />

war es ausgerechnet Preußen, das dem ein<br />

Ende setzte.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 21


SERIE<br />

Sven Morlok, Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit in Sachsen, über einen<br />

Haushalt ohne Neuverschuldung, enge Netzwerke und Stromsteuer auf EU-Niveau<br />

Sachsen will 2020 Geberland im Länderfinanzausgleich sein<br />

W&M: Herr Staatsminister, im Februar 2010<br />

prophezeiten Sie, dass Sachsen »ab 2020 zu<br />

den Netto-Gebern im Länderfinanzausgleich<br />

gehören« möchte. Sie wollen dann nichts mehr<br />

erhalten und sogar noch etwas abgeben. Stehen<br />

Sie heute weiter dazu?<br />

MORLOK: Wir wollen auf eigenen Beinen<br />

stehen. Unser politisches Ziel muss sein,<br />

von finanzieller Hilfe unabhängig zu<br />

werden. Erreichen wir dieses Ziel, sind<br />

wir auch Geberland im Länderfinanzausgleich.<br />

Im Koalitionsvertrag haben CDU<br />

und FDP vereinbart, Sachsen langfristig<br />

dorthin zu führen, wo es Anfang des 20.<br />

Jahrhunderts schon einmal stand. Da<br />

gehörte Sachsen zu den wirtschaftlich<br />

erfolgreichsten Regionen Europas. Heute<br />

ist der Freistaat bekannt für seine solide<br />

Finanzpolitik. Was sich viele Länder und<br />

der Bund wünschen – einen Haushalt<br />

ohne Neuverschuldung – haben wir seit<br />

2006! Bei der Pro-Kopf-Verschuldung liegen<br />

wir an zweiter Stelle – hinter Bayern.<br />

Und kein anderes Land hat eine höhere<br />

Investitionsquote als wir mit 19 Prozent!<br />

W&M: Wo sehen Sie für die nächsten Jahrzehnte<br />

die innovativen Schwerpunkte der<br />

sächsischen Wirtschaft?<br />

MORLOK: Die Unternehmen müssen weiter<br />

auf Innovationen setzen, um im internationalen<br />

Wettbewerb bestehen zu können.<br />

Das gilt für die sächsischen »Kernbranchen«<br />

wie Maschinenbau, Fahrzeugbau<br />

oder die Elektroindustrie ebenso wie<br />

für das Handwerk und die Dienstleister.<br />

Innovationen finden aber immer mehr<br />

über Branchengrenzen hinweg statt. Das<br />

bedeutet, die Unternehmen müssen Zukunftsfelder<br />

erschließen, beispielsweise<br />

die Elektromobilität. Als Modellregion<br />

beim bundesweiten Wettbewerb »Schaufenster<br />

Elektromobilität« zeigen wir<br />

Sachsen, dass wir hier ganz vorne mitspielen.<br />

Zudem gilt es, Schlüsseltechnologien<br />

zu entwickeln. Neue Materialien,<br />

Nanotechnologie, Mikroelektronik – in<br />

diesen Bereichen haben wir in Sachsen<br />

bereits hochkarätige Forschungseinrichtungen<br />

und höchst erfolgreiche Firmen.<br />

Dieses Potenzial müssen wir nutzen, unter<br />

anderem durch die richtige Vernetzung<br />

zwischen Wissenschaft und Wirtschaft<br />

sowie zwischen den Unternehmen<br />

selbst – und das branchenübergreifend.<br />

Als Staatsregierung schaffen wir dafür<br />

die Rahmenbedingungen. Wirtschaftsförderung<br />

bedeutet für uns vor allem: Investition<br />

in Innovation.<br />

W&M: Innovation in der Wirtschaft gibt es<br />

vor allem dort, wo Firmenzentralen beheimatet<br />

sind. Hier hat Sachsen – wie der ganze<br />

Osten – weiter großen Nachholbedarf…<br />

MORLOK: Richtig, bei der Forschungsund<br />

Entwicklungsintensität der gewerblichen<br />

Wirtschaft liegen die neuen Bundesländer<br />

noch hinter den alten, weil<br />

hier weniger Großunternehmen ihren<br />

Sitz haben. Aber: Sachsen hat kluge Köpfe<br />

– und viele Ideen, Forschungs- und<br />

TOP 40 Unternehmen in Sachsen<br />

Autoindustrie und Energiewirtschaft dominieren<br />

Rang Unternehmen Branche<br />

Umsatz<br />

(in Mio. Euro)<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

VNG Verbundnetz Gas AG, Leipzig<br />

Volkswagen Sachsen GmbH<br />

Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV)<br />

Envia Mitteldeutsche Energie AG, Chemnitz<br />

Sachsenmilch AG, Leppersdorf<br />

ENSO Energie Sachsen Ost AG, Dresden<br />

EDEKA Märkte Sachsen<br />

GLOBALFOUNDRIES Dresden Module One/Module Two<br />

Drewag Stadtwerke Dresden GmbH, Dresden<br />

Comparex Deutschland AG, Leipzig (früher PC Ware AG)<br />

F6 Cigarettenfabrik Dresden GmbH, Dresden<br />

Noweda Pharma-Handels GmbH, Niederlassungen Ost<br />

Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), Leipzig<br />

Infineon Technologies Dresden GmbH<br />

Bombardier, Werke Görlitz & Bautzen<br />

Komsa Kommunikation Sachsen AG, Hartmannsdorf<br />

Georgsmarienhütte Unternehmensgruppe<br />

Deutsche Solar AG, Freiberg<br />

Koenig & Bauer AG, Werk Radebeul<br />

Wacker AG Werk Nünchritz<br />

Energie<br />

Automobil<br />

Kommunale Dienstleistungen<br />

Energie<br />

Nahrungsmittel<br />

Energie<br />

Handel<br />

Halbleiter<br />

Energie<br />

IT-Wirtschaft<br />

Tabak<br />

Pharmahandel<br />

Medien<br />

Halbleiter<br />

Schienenfahrzeugbau<br />

Telekommunikation/Handel<br />

Stahl<br />

Solar<br />

Druckmaschinen<br />

Chemieindustrie<br />

5.293<br />

4.350<br />

3.507<br />

2.969<br />

1.368<br />

1.218<br />

1.100<br />

1.059<br />

1.052<br />

972<br />

812<br />

770<br />

728<br />

700<br />

700<br />

688<br />

568<br />

556<br />

551<br />

550<br />

Mitarbeiter<br />

(2010)<br />

754<br />

7.500<br />

5.102<br />

2.117<br />

1.564<br />

1.442<br />

8.200<br />

2.850<br />

1.277<br />

1.700<br />

400<br />

392<br />

1.994<br />

2.000<br />

2.290<br />

1.250<br />

1.615<br />

1.278<br />

1.655<br />

1.024<br />

Die Angaben basieren auf freiwilligen Auskünften der Unternehmen.<br />

Im Dezember 2011 veröffentlichte die Sachsen Bank in der Publikation »Fokus Mittelstand« die 100 größten<br />

Unternehmen Mitteldeutschlands. Mit freundlicher Genehmigung der Sachsen Bank veröffentlicht W&M die<br />

22 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


SERIE<br />

»Politisches Ziel muss<br />

es sein, von finanzieller Hilfe<br />

UNABHÄNGIG<br />

zu werden.«<br />

Entwicklungsergebnisse stammen aus<br />

Sachsen. Sie werden aber dort patentiert,<br />

wo sich die Konzernzentralen befinden.<br />

Firmensitze lassen sich nur schwer verlagern,<br />

deshalb setzen wir auf den Mittelstand<br />

als Rückgrat der sächsischen Wirtschaft.<br />

Wir unterstützen die Unternehmen<br />

beim Wachsen, so dass sie eigene<br />

Größenvorteile entwickeln. Die vielen –<br />

oft sehr erfolgreichen – Ausgründungen<br />

aus sächsischen Wissenschafts- und Forschungsinstituten<br />

bestätigen das.<br />

W&M: Sachsen wirkt verhalten in Sachen Solarförderung<br />

– auch bei Protesten gegen die<br />

vom Bund angedachte Subventionskürzung<br />

in diesem Bereich. Woher rührt das?<br />

MORLOK: Wir waren mit dem Gesetzentwurf<br />

zur Novellierung der Solarförderung<br />

nicht zufrieden. Im Bundesrat haben<br />

wir aber nicht deshalb den Vermittlungsausschuss<br />

angerufen, weil wir die<br />

Senkung der Einspeisevergütung verhindern<br />

wollen. Die Senkung halten wir<br />

grundsätzlich für richtig. Wir wollen<br />

den renditegesteuerten Zubau von Solaranlagen<br />

und die daraus resultierenden<br />

Auswirkungen auf die Energiepreise begrenzen.<br />

Uns ist wichtig, die Forschung<br />

und Entwicklung voranzubringen, besonders<br />

bei dezentralen Speichertechnologien.<br />

Wer eine Photovoltaikanlage<br />

auf dem Dach hat, die tagsüber Strom<br />

produziert, soll diesen Strom doch lieber<br />

abends nutzen können, statt ihn wie bisher<br />

ins Netz einzuspeisen. Wir wollen<br />

auch, dass zusätzliche Mittel für die technologie-<br />

und anwenderorientierte Forschung<br />

bereitgestellt werden. Hier hat<br />

sich die Bundesregierung nicht ausreichend<br />

bewegt – deshalb haben wir den<br />

Vermittlungsausschuss mit angerufen.<br />

W&M: Sie wollen die nationale Stromsteuer<br />

auf das von der EU vorgesehene Mindestniveau<br />

absenken. Wie begründen Sie dies?<br />

MORLOK: Die stark steigenden Energiekosten<br />

sind für die Unternehmen, gerade<br />

in Sachsen, ein schwerwiegender Standortnachteil<br />

und für viele Bürger auch<br />

eine große Belastung. Für die Befreiung<br />

energieintensiver Unternehmen von der<br />

Stromsteuer stellt die EU immer höhere<br />

Forderungen, die viel Bürokratie bedeuten.<br />

Daher fordern wir die sofortige Senkung<br />

der Stromsteuer auf das europäische<br />

Mindestniveau. Durch die gleichzeitige<br />

Streichung sämtlicher Sondertatbestände<br />

kann auf Verwaltungsverfahren<br />

verzichtet werden. In Deutschland<br />

machen Steuern und Abgaben fast die<br />

Hälfte der Stromkosten aus. Der Strompreis<br />

hat sich seit der Marktliberalisierung<br />

1998 verzehnfacht. Vor 14 Jahren<br />

mussten die Stromkunden umgerechnet<br />

2,3 Milliarden Euro für Steuern und Abgaben<br />

aufbringen, heute sind es 23,7 Milliarden.<br />

Wir sind dafür, die Stromsteuer<br />

von bisher 20,50 Euro pro Megawattstunde<br />

auf maximal einen Euro zu senken.<br />

Interview: Harald Lachmann<br />

den Freistaat<br />

REPORT<br />

S A C H S E N<br />

Rang<br />

Unternehmen<br />

Branche<br />

Umsatz<br />

(in Mio. Euro)<br />

Mitarbeiter<br />

(2010)<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

28<br />

29<br />

30<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

35<br />

36<br />

37<br />

38<br />

39<br />

40<br />

BGH Edelstahlwerke GmbH (Freital, Lugau, Lippendorf)<br />

eins energie in sachsen GmbH & Co. KG<br />

Preiss-Daimler Group, Wilsdruff<br />

Siltronic AG Werk Freiberg<br />

Kronospan GmbH, Lampertswalde<br />

Rhön Klinikum AG Sachsen (5 Kliniken)<br />

Feralpi-Stahl, Riesa<br />

Solarwatt AG, Dresden<br />

Takata-Petri Sachsen GmbH, (Elterlein, Freiberg, Döbeln)<br />

Roth & Rau AG, Hohenstein-Ernstthal<br />

Cyberport GmbH Dresden<br />

VEM-Gruppe, Dresden, Thurm, Keula, Wernigerode<br />

Schneider Mineralöl Meißen GmbH, Meißen<br />

Linde-KCA-Dresden GmbH, Dresden<br />

WEPA-Gruppe Werk Kriebstein, Werk Leuna<br />

Dresdner Druck- und Verlagshaus Mediengruppe<br />

Autoliv Sicherheitstechnik GmbH, Döbeln<br />

HQM-Gruppe, Leipzig<br />

VON ARDENNE Anlagentechnik GmbH, Dresden<br />

Wismut GmbH<br />

Stahl<br />

Kommunale Dienstleistungen<br />

Mischkonzern<br />

Halbleiter<br />

Holzverarbeitung<br />

Gesundheit<br />

Stahl<br />

Solar<br />

Automobil<br />

Maschinenbau<br />

IT-Handel<br />

Elektrotechnik<br />

Energie<br />

Anlagenbau<br />

Papier<br />

Medien<br />

Automobil<br />

Metall, Automotive<br />

Maschinenbau<br />

Bergbausanierung<br />

476<br />

451<br />

434<br />

385<br />

370<br />

346<br />

339<br />

324<br />

319<br />

285<br />

270<br />

257<br />

252<br />

244<br />

200<br />

194<br />

193<br />

170<br />

157<br />

150<br />

1.145<br />

1.172<br />

3.343<br />

1.100<br />

680<br />

3.125<br />

561<br />

430<br />

754<br />

1.209<br />

259<br />

1.433<br />

90<br />

441<br />

385<br />

1.793<br />

272<br />

750<br />

566<br />

1.466<br />

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von: Sachsen Bank, Humboldtstraße 25, 04105 Leipzig<br />

40 größten Unternehmen, die dem Freistaat Sachsen zuzuordnen oder in diesem Bundesland<br />

hauptsächlich tätig sind. Die genannten Unternehmensdaten resultieren aus dem Geschäftsjahr 2010.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 23


SERIE<br />

werb zwischen den Unternehmen – vom<br />

Geschäftsinhalt gesehen – noch nicht so<br />

ausgeprägt« sei, erläutert der Manager.<br />

Das wiederum rühre noch aus DDR-Zeiten,<br />

als die Industriekombinate nach<br />

Kompetenzen zusammengelegt waren.<br />

Dies erhielt sich oft auch nach den Privatisierungen.<br />

Mithin überlappten sich die<br />

Geschäftsfelder potenzieller Konkurrenten<br />

nicht so stark wie im Westen.<br />

Neben sehr kleinen Firmen engagieren<br />

sich im Netzwerk auch Globalplayer,<br />

wie eben Niles-Simmons oder auch<br />

Trumpf (Neukirch) und der Druckmaschinenhersteller<br />

KBA Planeta in Radebeul.<br />

Sie üben allein durch ihre Größe<br />

maßgeblichen Einfluss aus, bringen in-<br />

Der Maschinenbau gehörte in den<br />

neuen Ländern zu jenen Industriebranchen,<br />

die nach der Wende<br />

am stärksten schrumpften. Erst Mitte der<br />

1990er Jahre trat eine gewisse Konsolidierung<br />

ein, die ab 1997 auf einen stabilen<br />

und durch relativ hohe Steigerungen geprägten<br />

Wachstumspfad einschwenkte.<br />

Die Folge waren jährliche Wachstumsraten<br />

um sechs Prozent, die aber durch<br />

die Wirtschafts- und Finanzkrise spürbar<br />

abgeschwächt wurden.<br />

Vor allem Sachsen, das traditionell ein<br />

starker Standort für den deutschen<br />

Werkzeugmaschinenbau war, legte lange<br />

überdurchschnittlich zu. Heute finden<br />

rund 50 Prozent des ostdeutschen Maschinenbaus,<br />

bezogen auf Beschäftigung<br />

und Umsatz, in Sachsen statt. Für den<br />

promovierten Maschinenbauingenieur<br />

Ralf Lang ist das nur folgerichtig. Seit jeher<br />

sei der Maschinen- und Anlagenbau<br />

als sehr innovative Branche in Sachsen<br />

bestimmend gewesen, sagt er. Und alles,<br />

was sich nach der Einheit hier in anderen<br />

Bereichen entwickelt, ob in Autoindustrie,<br />

Mikrofertigungstechnik und<br />

Biotechnik, »ist ohne die entsprechenden<br />

Maschinen nicht möglich«, so Lang.<br />

Fotos: MAN Group, H. Lachmann<br />

INTELLIGENTE NETZWERKE<br />

Der Chemnitzer kennt den sächsischen<br />

Maschinenbau vermutlich wie kein Zweiter.<br />

Er koordiniert die Ende 2003 gegründete<br />

Verbundinitiative Maschinenbau<br />

Sachsen (VEMAS). Diese lehnt sich an die<br />

sehr erfolgreiche sächsische Verbundinitiative<br />

Automobilzulieferer Sachsen<br />

(AMZ) an. Projektträger des landesweiten<br />

Geflechts ist das Kompetenzzentrum<br />

Maschinenbau Chemnitz/Sachsen (KMC),<br />

das von Prof. Hans J. Naumann geleitet<br />

wird, dem agilen Geschäftsführer der<br />

Niles-Simmons Industrieanlagen GmbH<br />

in Chemnitz. Es verbündete sich dazu<br />

mit dem Chemnitzer Fraunhofer-Institut<br />

für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik<br />

(IWU). Insgesamt bringen sich in<br />

das Geflecht rund 1.000 Firmen ein,<br />

neben Maschinen- und Anlagenbauern<br />

auch Zulieferer und produktionsnahe<br />

Dienstleister.<br />

Ziel von VEMAS sei es, durch die Bildung<br />

intelligenter Netzwerke die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der sächsischen Maschinenbauer<br />

zu erhöhen, berichtet Lang.<br />

Man wolle die Branche stärken und vermehrt<br />

neue Arbeitsplätze schaffen und<br />

langfristig sichern. Dazu habe man die<br />

Verbundinitiative sehr breit angelegt. Neben<br />

Technologieprojekten, beispielsweise<br />

zur Produkt- bzw. Prozessentwicklung,<br />

gehörten hierzu auch Kooperationsvorhaben,<br />

vom gemeinsamen Einkauf über<br />

den Vertrieb bis zum Management.<br />

REPORT<br />

S A C H S E N<br />

Sächsischer Maschinenbau<br />

Gemeinsam stark<br />

Die Verbundinitiative Maschinenbau Sachsen knüpft in der<br />

kleinteiligen Branchenlandschaft ein intelligentes Netzwerk.<br />

Das schafft Synergien und verhindert Parallelentwicklungen.<br />

Lang sieht seine Hauptaufgabe in der<br />

koordinierten Zusammenarbeit vor allem<br />

kleinerer Unternehmen in jenen<br />

Netzwerken. Man wolle das Miteinander<br />

gestalten, das Gegeneinander oder parallele<br />

Entwicklungen verhindern und Synergien<br />

schaffen. Von der Überwindung<br />

der kleinbetrieblichen Strukturen durch<br />

Firmenverbünde erwartet er ein tatsächliches<br />

wie ein substanzielles Wachstum<br />

der Branche. Er ist sicher, gemeinsam<br />

könne man größere Aufträge bearbeiten<br />

und zugleich die eigene Position wie die<br />

der Region im nationalen und internationalen<br />

Wettbewerb verbessern.<br />

Nicht zuletzt seien solche Kooperationen<br />

im Osten möglich, weil »der Wettbe-<br />

24 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


SERIE<br />

ternationale Marktkenntnisse mit, vergeben<br />

Zulieferaufträge teils gezielt in die<br />

Region und bringen sich auch allesamt<br />

im Beirat der VEMAS ein.<br />

IN DER SPITZE 34.000 BESCHÄFTIGTE<br />

Dass solche Netzwerke zwischen potenziellen<br />

Wettbewerbern funktionieren,<br />

hatte vor der Bildung von VEMAS schon<br />

das Team 22 bewiesen – eine Kooperationsinitiative<br />

mittelständischer Maschinenbaufirmen<br />

in der Lausitz. Ähnliches<br />

gilt auch für den Interessenverband<br />

Chemnitzer Maschinenbau (ICM). Beide<br />

sind heute Teil der Verbundinitiative. Als<br />

»eher unwahrscheinlich« sieht Lang indes<br />

Zusammenschlüsse kleinerer Firmen.<br />

»Unternehmer sind deshalb Unternehmer,<br />

weil sie ihren eigenen Kopf haben.<br />

Sonst wären sie nicht erfolgreich«,<br />

begründet er dies.<br />

Am stärksten präsentierte sich der<br />

sächsische Maschinenbau 2008 und<br />

2009, als zeitweilig knapp 230 Unternehmen<br />

mit 50 und mehr Beschäftigten (was<br />

darunter liegt, wird statistisch nicht erfasst)<br />

insgesamt 34.000 Mitarbeiter zählten.<br />

Mit diesen Ergebnissen erreichte<br />

Sachsen im Werkzeugmaschinenbau bereits<br />

das Potenzial Frankreichs. Dann<br />

PROF. NAUMANN wirbt für Netzwerke im<br />

sächsischen Maschinen- und Anlagenbau.<br />

brach die Branche allerdings ein. Mittlerweile<br />

stabilisierte sie sich bei 185 Betrieben<br />

(ab 50 Mitarbeiter). Deren annähernd<br />

30.000 Beschäftigte erwirtschafteten<br />

zuletzt einen Gesamtumsatz von<br />

5,24 Milliarden Euro, von denen über die<br />

Hälfte im Export erlöst wurde.<br />

AUFTRAGSLAGE ÜBERRASCHEND GUT<br />

Mithin herrscht wieder Optimismus im<br />

sächsischen und im ostdeutschen Maschinenbau.<br />

»Die Auftragslage aus dem<br />

Euroraum ist überraschend gut«, freut<br />

sich Reinhard Pätz, Geschäftsführer Ost<br />

des Verbandes Deutscher Maschinenund<br />

Anlagenbau (VDMA). Dennoch habe<br />

die anhaltende Euro-Krise zu Zurückhaltung<br />

bei Investitionen geführt, was sich<br />

nachteilig auf den Auftragseingang in<br />

den zurückliegenden Wochen und Monaten<br />

ausgewirkt habe. Momentan liege<br />

die Kapazitätsauslastung 1,5 Prozent unter<br />

dem Wert im vierten Quartal 2011,<br />

»aber erneut deutlich über dem langjährigen<br />

Durchschnitt von reichlich 86 Prozent.«<br />

Investitionsentscheidungen würden<br />

deutlich kurzfristiger getroffen, ergänzt<br />

Pätz.<br />

Von erheblichem Vorteil erweist es<br />

sich auch für die bei VEMAS angeschlossenen<br />

Maschinenbau-Unternehmen, dass<br />

sie die umfangreiche Infrastruktur des<br />

Chemnitzer Fraunhofer-Instituts IWU<br />

nutzen können, mit dem man im selben<br />

Gebäude sitzt. »Wir haben bei unserer<br />

Arbeit problemlos Zugang zum Knowhow<br />

und den Ressourcen des Instituts.<br />

Wenn es drängende Probleme gibt, besteht<br />

die sehr vorteilhafte Möglichkeit,<br />

auf Wissen im Fraunhofer-Verbund zurückzugreifen«,<br />

freut sich Projektmanager<br />

Ralf Lang von der Verbundinitiative<br />

Maschinenbau Sachsen.<br />

Harald Lachmann<br />

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WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 25


PORTRÄT<br />

Namensgeber ist der Nanga Parbat,<br />

der neunthöchste Berg der Welt,<br />

auch Diamir genannt. Ins Deutsche<br />

übersetzt »König der Berge«. Fast<br />

entschuldigend sagt der 38-jährige Markus<br />

Walter, Geschäftsführer des Dresdener<br />

Reiseunternehmens Diamir: »Das<br />

klingt vielleicht ein bisschen unbescheiden,<br />

aber uns passte das ganz gut als<br />

Sinnbild, weil wir auch Bergtouren und<br />

Bergreisen anbieten.«<br />

Gemeinsam mit drei Gleichgesinnten<br />

hat der Sachse das Hobby des Bergsteigens<br />

zum Beruf gemacht. Mit Jörg Ehrlich,<br />

Thomas Kimmel und Frank Körnig<br />

im Boot startete er 1999 das unternehmerische<br />

Abenteuer. Startkapital waren die<br />

Reiseerfahrungen des Quartetts und die<br />

Begeisterung für ferne Länder. Zum Portfolio<br />

von Diamir gehören heute neben<br />

den üblichen Angeboten seltene Reiseziele<br />

wie Bhutan, das Königreich im Himalaya,<br />

und Pakistan bis hin zu Exoten wie<br />

Fotos: Diamir (3), A. Pröber<br />

BERGFREUND: Diamir-Chef Markus Walter.<br />

dem Südsudan, Sierra Leone oder Kongo.<br />

Die Dresdner haben sich auf Kleingruppen<br />

und Privatreisende spezialisiert. Sie<br />

organisieren alles, bis hin zum Deutsch<br />

sprechenden Reiseleiter.<br />

Dreizehn Jahre nach der Gründung erwirtschaftet<br />

das Unternehmen jährlich<br />

17 Millionen Euro Umsatz. An die erste<br />

Million kann sich Walter, im ersten Beruf<br />

Diplom-Bauingenieur, nicht erinnern.<br />

Für ihn ist ein anderer Meilenstein unvergesslich<br />

– der Tag, an dem der erste<br />

Katalog fertig vorlag: »Als der aus der<br />

Druckerei kam, da haben wir eine Flasche<br />

Sekt aufgemacht, haben die Kisten<br />

aufgerissen und ihn in die Hand genommen.<br />

Das war wirklich ein sehr emotionaler<br />

Moment.« 48 Seiten war der 2001er<br />

dünn, der aktuelle ist 360 Seiten dick.<br />

Der unternehmerische Gipfelsturm<br />

ist alles andere als ein Spaziergang. Die<br />

Kombination aus Bergsteiger und Unternehmer<br />

scheint aber ein Erfolgsfaktor zu<br />

sein. Walter sieht durchaus Parallelen.<br />

»Sowohl beim Bergsteigen als auch bei<br />

der Führung einer Firma müssen Ent-<br />

Reiseveranstalter Diamir<br />

Gipfel geschäftlichen<br />

Erfolgs erklommen<br />

Der sächsische Reiseveranstalter Diamir organisiert für kleine<br />

Gruppen sehr spezielle Unternehmungen abseits der touristischen<br />

Massenpfade. Die Dresdner verfügen über viele eigene Erfahrungen<br />

von Reisen in ferne Länder und Gegenden. Diese bringen sie in ihre<br />

Angebote ein. Das ist der Garant für den unternehmerischen Erfolg.<br />

scheidungen von großer Tragweite getroffen<br />

werden. Und man muss diese<br />

schnell und fundiert treffen, und möglichst<br />

natürlich die richtigen.«<br />

NACH 9/11 EXISTENZ GEFÄHRDET<br />

Ein weltweit in entlegenen Regionen<br />

agierendes Reiseunternehmen ist jedoch<br />

auch von der wirtschaftlichen und politischen<br />

Situation in den angebotenen<br />

Ländern abhängig. Politische Unruhen,<br />

Natur- und andere Katastrophen treffen<br />

es unmittelbar. Ein einschneidendes<br />

Datum war – zwei Jahre nach Unternehmensgründung<br />

– der 11. September 2001.<br />

Nach dem Terroranschlag auf das New<br />

Yorker World Trade Center stand die<br />

Existenz von Diamir auf dem Spiel. Denn<br />

Reisen, vor allem Flug- und Fernreisen,<br />

waren von einem Tag auf den anderen<br />

für nicht wenige Kunden tabu.<br />

Heute sind es die politischen Unruhen<br />

in den Ländern Nordafrikas und der damit<br />

verbundene praktische Ausfall dieser<br />

Ziele. »Weil wir so breit aufgestellt sind<br />

und diese Regionen nur ein Teil unseres<br />

Angebots sind, können wir solche Krisen<br />

ganz gut überstehen«, ist der Geschäftsführer<br />

überzeugt. Mehr Sorgenfalten verursacht<br />

derzeit der schwankende Wechselkurs<br />

von Euro und Dollar. Denn die<br />

Reisen müssen ein Jahr im voraus kalkuliert<br />

und die Kataloge gedruckt werden.<br />

»Die Schwierigkeit besteht darin,<br />

alles so zu handhaben, dass man zum<br />

einen preislich noch attraktiv ist und<br />

zum anderen durch den Dollarkus nicht<br />

in ein finanzielles Desaster gerät.«<br />

26 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


PORTRÄT<br />

Denn es gilt die Arbeitsplätze von inzwischen<br />

50 Mitarbeitern zu erhalten.<br />

Doch nicht nur die. »Wir sichern ja auch<br />

tausende von Arbeitsplätzen in den Zielländern,<br />

besonders in den unteren Einkommensschichten.«<br />

Dazu gehören auf<br />

den Touren Träger, Köche und Helfer, die<br />

»von uns auch eine faire Bezahlung erhalten.<br />

Das ist unsere soziale Verantwortung.<br />

Mit einem gesunden Wachstum die<br />

nächsten Jahre zu sichern, ist eigentlich<br />

die größte Herausforderung.«<br />

POTENTIAL FÜR DEN UMWELTSCHUTZ<br />

Nicht minder anspruchsvoll ist es, alles<br />

im Einklang mit der Umwelt zu bewerkstelligen.<br />

Den Reiseprofis sind die Thesen<br />

gegen Fernreisen bekannt. Ihre Gegenargumente<br />

beruhen auf ihrer Erfahrung,<br />

dass Reisen auch einen großen Beitrag<br />

zum Umweltschutz leisten können.<br />

»Bringen wir beispielsweise keine Touristen<br />

in einen Nationalpark in Tansania,<br />

um dort auf einer Safari einheimische<br />

Tiere zu erleben, dann besteht irgend-<br />

RUANDA: Junger Berg-Gorilla.<br />

wann auch kein Anreiz mehr für die Bewohner<br />

dort, die Tiere in diesem Nationalpark<br />

zu schützen. Es könnte damit<br />

kein Einkommen mehr erzielt werden.«<br />

Diesen wirtschaftlichen Anreiz in Ländern<br />

zu setzen, wo Umweltschutz noch<br />

kein so großes Thema ist, das, so sieht es<br />

Walter, »ist eigentlich das Potenzial, das<br />

im Tourismus steckt.« Ein Beispiel ist<br />

HIMALAYA: Auch W&M-Autorin Anette Pröber (siehe S. 42) war mit Diamir unterwegs, hier<br />

im Basislager am Mount Everest, und von der fachkundigen Tourbegleitung angetan.<br />

Ruanda. In dem Land, das vor wenigen<br />

Jahren durch Bürgerkrieg und politische<br />

Unruhen noch wirtschaftlich am Boden<br />

lag, hat sich binnen weniger Jahre eine<br />

Tourismus-Infrastruktur entwickelt.<br />

Jetzt finden hier Leute in einer Branche<br />

Arbeit, die früher gar nicht existiert hat.<br />

Während die Einheimischen die letzten<br />

Berg-Gorillas intensiv schützen, sorgen<br />

die sächsischen Touristiker dafür, dass<br />

auch Reisende kommen und für das Erlebnis,<br />

die Berg-Gorillas in freier Wildbahn<br />

zu sehen, viel Geld bezahlen. Allein<br />

die Genehmigung, die Gorillas beobachten<br />

zu dürfen, kostet mittlerweile zwischen<br />

500 bis 750 Dollar pro Stunde. Walter<br />

hält den Preis für gerechtfertigt, »damit<br />

es sich für die Leute mehr lohnt, die<br />

Gorillas zu schützen und den Touristen<br />

zu zeigen, als sie zu schießen. Hier leistet<br />

Tourismus einen ganz klaren Beitrag<br />

zum Umweltschutz.«<br />

Ihre Kompetenz haben sich die Dresdener<br />

durch eigenes Reisen erarbeitet.<br />

Als Rucksackreisende sind sie in der Welt<br />

unterwegs gewesen und bringen die Erfahrungen<br />

mit, die jetzt in die Planung<br />

der Reisen einfließen. Einige waren längere<br />

Zeit im Ausland, wie Markus Geisler,<br />

der sieben Jahre lang in Ekuador gelebt<br />

hat und heute das Lateinamerika-Geschäft<br />

verantwortet. Fränzi Huttenmaier<br />

absolvierte ein dreimonatiges Praktikum<br />

in Nepal, arbeitete in der Partner-Agentur,<br />

betreute und begleitete Kunden. So<br />

hat sie den Unterschied kennengelernt<br />

»zwischen der Vorbereitung der Reisen in<br />

Sachsen und der Realität vor Ort.« Seit<br />

kurzem ist sie zurück, fest angestellt und<br />

zuständig für Nepal und Südostasien.<br />

EIN DUTZEND SPRACHEN IM BÜRO<br />

Das Diamir-Team hat seit Dezember 2011<br />

einen eigenen Firmensitz, in einer über<br />

100 Jahre alten, frisch sanierten Villa, die<br />

in weinroter Farbe gut sichtbar den Namen<br />

des Unternehmens trägt. Auf drei<br />

Etagen recherchieren, planen und organisieren<br />

die Reise-Profis die exklusive<br />

Fotokreuzfahrt ins Eisbärenland, das<br />

Vulkantrekking in Indonesien oder die<br />

zehntägige Sonderreise nach Ghana. Die<br />

durchsichtigen Glastüren zu den einzelnen<br />

Büros stehen meistens offen, vermitteln<br />

Offenheit und Transparenz, lassen<br />

Gesprächsfetzen in Hindi, Arabisch, Russisch<br />

mithören. Ein Dutzend Sprachen<br />

werden bei Diamir gesprochen.<br />

Auch das ist ein Mosaikstein im Erfolg<br />

des Unternehmens, das einst in einer Garage<br />

startete. Dort sind noch Gänse über<br />

die ersten ausgedruckten Unterlagen gewatschelt.<br />

Auch der »König der Berge«<br />

hat einen Anfang in der Ebene.<br />

Sabine Wuttke<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 27


Fotos: DPA/ZB, T. Schwandt (3)<br />

P+S Werften GmbH<br />

Verpatzter Umstieg<br />

auf Spezialschiffbau<br />

Das Schiffbauland Mecklenburg-Vorpommern ist krisenerprobt.<br />

Im jüngsten Desaster um die Werften an Peene und Sund greift das<br />

bewährte Rettungsszenario. Diesmal aber ist die Krise hausgemacht.<br />

Ende 2010 war Dieter Brammertz<br />

sechs Monate Geschäftsführer der<br />

P+S-Werften GmbH, die Mitte des<br />

gleichen Jahres gegründet worden war.<br />

Und er war zuversichtlich. Im Gespräch<br />

mit »Wirtschaft & Markt« (Heft 12/2010)<br />

begründete er die Fusion der vorpommerschen<br />

Werften in Stralsund und Wolgast:<br />

»Die neue Struktur schafft Raum,<br />

um an verschiedenen Stellen Synergieeffekte<br />

zu realisieren: in der Administration,<br />

Entwicklung und Produktion sowie<br />

in der Zusammenarbeit mit Lieferanten<br />

und bei der objektorientierten Organisation.<br />

Das senkt die Kosten und stärkt im<br />

Paket mit anderen Maßnahmen unsere<br />

Wettbewerbsfähigkeit.«<br />

Eineinhalb Jahre später ist von diesem<br />

hehren Anspruch nicht mehr viel übrig.<br />

Die P+S-Werften stecken nach dem Tiefschlag<br />

der schweren Schiffbaukrise von<br />

2008/09 – Aufträge wurden über Nacht<br />

storniert, die Banken ließen von der<br />

Branche die Finger wie von einer heißen<br />

Kartoffel – erneut in existenziellen<br />

Schwierigkeiten. Im Mai war es nicht<br />

mehr unter der Decke zu halten: Der<br />

Schiffbaubetrieb mit rund 1.700 Mitarbeitern<br />

an den Standorten Stralsund und<br />

Wolgast hat ein akutes Finanzproblem.<br />

Die Rede ist von 200 bis 300 Millionen<br />

Euro, die in der Kasse fehlen, um den Betrieb<br />

am Laufen halten zu können.<br />

Anders als zu Beginn der Schiffbaukrise<br />

vor gut vier Jahrren sind den P+S-<br />

Werften in den zurückliegenden Monaten<br />

keine Aufträge abhanden gekommen.<br />

Im Gegenteil. Dem Unternehmen<br />

gelang es erfolgreicher als anderen deutschen<br />

Werften, eine ganze Reihe frischer<br />

Aufträge an Land zu ziehen. Unter anderem<br />

zum Bau von zwei Fährschiffen für<br />

die Ostsee-Reederei Scandlines, von fünf<br />

speziell für arktische Gewässer ausgelegten<br />

Frachtern für die Royal Arctic Line<br />

und von zwei Ro/Ro-Schiffen für die dänische<br />

DFDS-Reederei. Nach Firmenangaben<br />

beläuft sich das aktuelle Auftragsvolumen<br />

auf über eine Milliarde Euro.<br />

Um die im Schiffbau üblichen Bauzeitfinanzierungen<br />

– der Auftraggeber<br />

zahlt rund 80 Prozent des Schiffspreises<br />

erst nach Ablieferung – stemmen zu können,<br />

bürgten der Bund und das Land<br />

Mecklenburg-Vorpommern 2010 mit insgesamt<br />

326 Millionen Euro für entsprechende<br />

Kredite. Das bedeutet eine 100-<br />

Prozent-Abdeckung des Bankenrisikos.<br />

Unter dieser Marke ist heutzutage kaum<br />

noch ein Kreditinstitut bereit, Darlehen<br />

an Schiffbaubetriebe auszureichen.<br />

Die Kalkulation ist nicht aufgegangen.<br />

Auch weil die Blütenträume von<br />

Geschäftsführer Brammertz nicht aufgegangen<br />

sind. Über den verbürgten Kreditrahmen<br />

von 326 Millionen Euro hinaus<br />

binnen zwei Jahren einen Finanzbedarf<br />

von über 200 Millionen Euro zu »produzieren«,<br />

das lässt auf wenig Synergieeffekte<br />

und Kostensenkungen schließen.<br />

Die Krise 2012 in den P+S-Werften ist eine<br />

hausgemachte. Das sieht auch Carsten<br />

Frick so, der Vorsitzende des Betriebsrates<br />

der Peene-Werft in Wolgast, und begründet:<br />

»Im Gegensatz zur teilweise serienmäßigen<br />

Fertigung von Containerschiffen<br />

stellt der Spezialschiffbau ganz<br />

28 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


BERICHT<br />

andere Anforderungen an die betrieblichen<br />

Strukturen, internen Abläufe und<br />

das ingenieurtechnische Potenzial.« Bereiche<br />

wie Projektierung, Planung, Konstruktion<br />

und Einkauf hätten den komplexeren<br />

Aufgaben angepasst werden<br />

müssen. Mehr noch: »Dies ist ein stetiger<br />

Prozess, der nicht heute oder morgen als<br />

beendet betrachtet werden kann.« Mit<br />

Blick auf die Arbeiter in den Schiffbauhallen<br />

sagt Frick: »Der Mann an der Zange<br />

macht das, was aus den Ingenieurabteilungen<br />

vorgegeben wird.«<br />

Der Betriebsratschef beklagt besonders<br />

eine unzureichende Anzahl an Ingenieuren.<br />

Ein Fachkräfte-Problem, »das<br />

durch Überalterung in diesem Unternehmensbereich<br />

noch verschärft wird«. Seit<br />

Jahren habe der Betriebsrat vor diesem<br />

sich abzeichnenden Engpass gewarnt<br />

und eine entsprechende Personalstrategie<br />

angemahnt. Unter den geschilderten<br />

Umständen jedoch verzögerten sich Prozessabläufe,<br />

Aufgaben in der Projektierung<br />

und Konstruktion mussten von<br />

außerbetrieblichen Ingenieurbüros erledigt<br />

werden, die Kosten uferten aus.<br />

Im Werftenbetrieb führt das zu einem<br />

Dominoeffekt. Die Erlöse für fertig gestellte<br />

Schiffe verspäten sich adäquat der<br />

SPEZIALSCHIFFE: Die überfällige »Berlin« und ein Ankerziehschlepper (unten).<br />

KRISE: Die<br />

Schiffbauer<br />

(Foto links)<br />

warten auf<br />

Antworten<br />

von Werftchef<br />

Dieter<br />

Brammertz.<br />

verspäteten Ablieferung, zugleich müssen<br />

Materialeinkäufe für Folgebauaufträge<br />

bezahlt werden, der technologische<br />

Ablauf auf den Schiffbauplätzen gerät<br />

ins Stocken – summa summarum wuchert<br />

der Zwischenfinanzierungsbedarf<br />

in unkalkulierte und das Unternehmen<br />

gefährdende Höhen.<br />

Mit der allgemeinen Aufmerksamkeit<br />

für den Bau der neuen Scandlines-Fähren<br />

für die Linie Rostock – Gedser geriet das<br />

Dilemma bei P+S zum öffentlichen Ereignis.<br />

Mit dem Start des Sommerfahrplans<br />

2012 sollten die modernen Schiffe ab Mai<br />

im Einsatz sein. Der Plan ist nur noch<br />

Makulatur. Baumehraufwand und Ver-<br />

tragsstrafen verschärfen die finanzielle<br />

Schieflage der Werft. Und nähren einen<br />

unverhohlen gehandelten Verdacht in<br />

der Branche. Die Aufträge für die technologisch<br />

anspruchsvollen Fähren wurden<br />

hereingeholt zu einer Zeit, als jeder Auftrag<br />

überlebenswichtig für die Werften<br />

war. Hereingeholt aber auch zu sehr eng<br />

gezurrten Konditionen, die Mitbewerber<br />

abwinken ließen und den P+S-Werften<br />

bald finanziell die Luft abschnürten.<br />

In dieser prekären Situation hat die<br />

schiffskrisenerprobte Regierung von<br />

Mecklenburg-Vorpommern ihre bewährten<br />

Rettungsinstrumente ausgepackt.<br />

Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD)<br />

und Wirtschaftsminister Harry Glawe<br />

(CDU) eilten umgehend nach Brüssel zur<br />

Europäischen Union (EU), um die Bedingungen<br />

für staatliche Hilfen auszuloten.<br />

Die klare Ansage der EU-Wettbewerbshüter<br />

war: Beihilfen sind nur gelitten,<br />

wenn die Hälfte der benötigten Geldsumme<br />

aus privatem Quellen aufgebracht<br />

wird. 109 Millionen Euro. Die Belegschaft<br />

hat zugestimmt, insgesamt 68 Millionen<br />

beizusteuern. Sie verzichtet unter anderem<br />

auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld.<br />

Mitte Juni hat das Schweriner Kabinett<br />

bewilligt, dass Land und Bund je zur<br />

Hälfte für ein Beihilfe-Darlehen in Höhe<br />

von 152,4 Millionen Euro bürgen. So ist<br />

die Werft in der Lage, dringend benötigte<br />

Kredite aufzunehmen und die Zeit zu<br />

überbrücken, bis Brüssel die Hilfsgelder<br />

genehmigt. An diese ist ein Umstrukturierungsplan<br />

geknüpft, der jetzt erstellt<br />

werden muss. Kein gutes Zeichen für die<br />

P+S-Beschäftigten. Entlassungen und das<br />

Aus der Peene-Werft stehen im Raum.<br />

Betriebsratsvorsitzender Frick ist aber<br />

optimistisch, »dass die Reißleine noch<br />

mal rechtzeitig gezogen worden ist«. Er<br />

hofft nun, dass auch Zulieferer, Banken<br />

und Gesellschafter mitziehen und die<br />

von der EU geforderten Eigenmittel aufbringen.<br />

Zulieferer der P+S-Werften haben<br />

bereits ihre Unterstützung bekundet.<br />

Im Gegenzug wird die Beteilung von<br />

Mitarbeitern und Zulieferern am Schiffbaubetrieb<br />

geprüft. Frick erwähnt einen<br />

vorteilhaften Nebeneffekt: »Auf diese<br />

Weise würde künftig von außen genauer<br />

hingeschaut und kontrolliert werden,<br />

wie mit dem Geld gewirtschaftet wird.«<br />

Die P+S-Werften verfügen über qualifizierte<br />

Mitarbeiter und viel Know-how.<br />

Frick sieht gute Marktchancen, »im Offshore-Bereich<br />

und alternativen Stahlbau«.<br />

Zurzeit wird nach Werftangaben<br />

an Projekten im Wert von 2,4 Milliarden<br />

Euro gearbeitet. Eine Anleihe auf die Zukunft.<br />

Ohne Krise? Die Antwort wird von<br />

Geschäftsführer Brammertz erwartet.<br />

Thomas Schwandt<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 29


Fotos: Andreas Simon<br />

Die kleinen Betriebe brauchen Unterstützung«,<br />

sagt Gert Altenburg<br />

(im Foto oben mit seinem<br />

jungen Mitarbeiter Sebastian Preuß).<br />

»Für die größeren Firmen gibt es Förderprogramme,<br />

sie gehören meist zu den<br />

Wachstumskernen, um die sich das Land<br />

besonders kümmert. Und sie sind auch<br />

stark genug, um ein eigenes Geflecht aus<br />

Zulieferern und Dienstleistern zu bilden.<br />

Wer aber nicht zu den Bevorzugten<br />

gehört, hat es schwer.«<br />

In der Prignitz blühen die Felder. Gelb<br />

leuchtet der Raps, der meist in Verbrennungsmotoren<br />

landet – wenn nicht gerade<br />

das Finanzministerium die Steuervorteile<br />

kappt. Rinder grasen auf den<br />

Wiesen, die nordwestliche Ecke Brandenburgs<br />

zeigt sich als ländliche Idylle. Doch<br />

mit den Abwärtsspiralen der Milchpreise<br />

nimmt auch ihre Zahl ab. Gerade war die<br />

Kleinstadt Meyenburg in den lokalen<br />

Medien: Die Bahnverbindung nach Pritzwalk<br />

soll eingestellt werden. Hier, direkt<br />

an der Landesgrenze zu Mecklenburg-<br />

Vorpommern, ist Unternehmer Altenburg<br />

zu Hause. Seit drei Jahren leitet er<br />

die Meyenburger Elektrobau GmbH, seit<br />

vielen Jahren bestimmt er die Entwicklung<br />

mit und macht sich Gedanken um<br />

die Zukunft. Nicht um die seines Unternehmens.<br />

Das hat sich schon vor Jahren<br />

aufgemacht in Richtung Niedersachsen,<br />

Fachkräftesicherung in Brandenburg<br />

Randregionen stärken<br />

sich für die Zukunft<br />

Mit eigenen Ideen, Konzepten und Modellen kümmern sich<br />

Firmen in der Prignitz, der Uckermark und der Lausitz um den<br />

Fachkräftenachwuchs. Sie setzen auch auf die attraktive Heimat.<br />

Hamburg und Berlin. Am Hamburger<br />

Flughafen gab und gibt es jede Menge Arbeit<br />

für zuverlässige Elektromonteure,<br />

anderswo auch – nur selten direkt vor<br />

der Haustür. Aus einer ehemaligen Produktionsgenossenschaft<br />

des Elektro-<br />

Handwerks ist in 20 Jahren ein Unternehmen<br />

mit 70 Mitarbeitern geworden, aufgebaut<br />

durch Altenburgs Vorgänger und<br />

jetzigen Beiratsvorsitzenden Wolfgang<br />

Pförtner. Beide sind eng verbunden mit<br />

der Region. In vielen Familien ist jedoch<br />

von vornherein klar, dass die Kinder<br />

nach der Ausbildung in die wirtschaftlichen<br />

Zentren gehen werden. Oder sie bewerben<br />

sich gleich dort um einen Ausbildungsplatz.<br />

Für den 51-jährigen Altenburg war das<br />

nie eine Perspektive. »Ein echter Prignit-<br />

zer geht hier so schnell nicht weg«, sagt<br />

er. Da sind die Freunde, der Sportverein,<br />

die Feuerwehr, die Tanzabende im Dorf<br />

und das Haus mit Garten, womöglich ein<br />

paar Tieren. Da ist die von Elbe und Havel<br />

durchzogene weite Landschaft. Und<br />

doch: Viele sind weggegangen. Manche<br />

trifft man bei Dorffesten oder Verwandtenbesuchen,<br />

meist fahren sie schöne Autos<br />

und tragen schicke Klamotten. Nach<br />

ein paar Bier ist von Heimweh die Rede<br />

und der anderen Mentalität in der neuen<br />

Heimat. Wiedergekommen ist bisher<br />

kaum jemand, obwohl der Bedarf an<br />

Fachkräften auch in der strukturschwachen<br />

Prignitz wächst. Grund sind nicht<br />

nur die niedrigeren Löhne. Die Unsicherheit<br />

ist zu groß, Wege zum Arzt oder zur<br />

Schule zu weit, Freizeitmöglichkeiten<br />

30 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


REPORT<br />

fehlen und wenn jemand erst eine Familie<br />

gegründet hat, liegen die Hürden für<br />

einen Ortswechsel ohnehin hoch.<br />

Ähnlich sieht es überall aus an Brandenburgs<br />

Rändern. In der Uckermark<br />

oder in der Lausitz. Idyllische Landschaft,<br />

Rekordmarken in der Arbeitslosigkeit<br />

und auf gut ausgebauten Straßen<br />

sausen die verbliebenen Fachkräfte nach<br />

Berlin oder Dresden. Gerade hat die seit<br />

1990 regierende SPD ein Strategiepapier<br />

für die angesichts des Bevölkerungsrückganges<br />

unausweichliche Kommunalreform<br />

vorgelegt. Einschnitte in die derzeit<br />

noch vorhandenen Strukturen sind<br />

nicht zu vermeiden, das ist allen klar.<br />

UREINWOHNER: Störche in Wittenberge.<br />

ziale. 60 mittelständische Unternehmen<br />

hatten den Verein vor drei Jahren gegründet.<br />

Rund 1,3 Millionen Menschen<br />

leben in der Lausitz, die Mehrzahl der<br />

über 80.000 Firmen sind Klein- und<br />

Kleinstunternehmen. Für viele ist das Gebiet<br />

ein gemeinsamer Wirtschaftsraum,<br />

in dem unterschiedliche Regelungen<br />

und Genehmigungsverfahren der Länder<br />

erheblich stören – in manchen Punkten<br />

sei die Bürokratie sogar zwischen Berlin<br />

und dem Umland einfacher. Abstimmung<br />

der Wirtschaftsförderung, ein einheitliches<br />

Verkehrskonzept und die stärkere<br />

Vernetzung von Hochschulen und<br />

Wirtschaft werden deshalb gefordert.<br />

Für Eberhard Walter, Präsident des<br />

Unternehmerverbandes Brandenburg, ist<br />

die Sicherung des Fachkräftenachwuchses<br />

zum Knackpunkt geworden. »Angesichts<br />

der demografischen Entwicklung<br />

wird ja viel darüber geredet«, sagt er.<br />

»Aber wir haben es nicht mit einem<br />

Problem der Zukunft zu tun, sondern<br />

mit einem, das vor allem die kleinen Unternehmen<br />

heute schon behindert. Wer<br />

jetzt seine Ausbildungsplätze nicht be-<br />

ÜBERGREIFENDES STANDORTMARKETING<br />

Doch wenn auch in den Kleinstädten keine<br />

Behörden, weiterführenden Schulen<br />

oder medizinischen Einrichtungen mehr<br />

existieren, wird das die Absatzbewegung<br />

weiter beschleunigen. Nicht zufällig melden<br />

sich deshalb Initiativen aus diesen<br />

Regionen zu Wort. In zehn Punkten hat<br />

die Wirtschaftsinitiative Lausitz eine eigene<br />

Strategie formuliert. Der Verein fordert<br />

Brandenburg und Sachsen auf, die<br />

Region übergreifend zu fördern. »Wir<br />

müssen die Identität und das Profil der<br />

Lausitz stärken«, so Vereinsvorsitzender<br />

Hermann Borghorst. »Die Lausitz sollte<br />

nicht als Randregion wahrgenommen<br />

werden, sondern als bedeutende Region<br />

in der Mitte Europas.«<br />

Als Standorte für Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Forschung, als Tourismusund<br />

Kulturregion hätten die Landkreise,<br />

zu denen in Brandenburg Elbe-Elster,<br />

Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz und<br />

Cottbus, in Sachsen die Landkreise Bautzen<br />

und Görlitz gehören, enorme Potensetzen<br />

kann, dem werden in zwei, drei<br />

Jahren Nachwuchskräfte als Leistungsträger<br />

fehlen. Also müssen die Firmen<br />

um Azubis werben, sich darstellen – und<br />

das im Wettbewerb mit den Großen. Das<br />

kostet Geld, das Know-how haben sie<br />

meist nicht.«<br />

MANGEL MIT MEHREREN FACETTEN<br />

Auch mit cleverer Eigenwerbung ist es offenbar<br />

nicht getan. »Ein Riesenproblem<br />

ist das Bildungsniveau der Schulabgänger«,<br />

so Walter. »Von einem Cottbuser Unternehmen<br />

weiß ich, dass Facharbeiter<br />

und Meister aus dem Ruhestand zurückgeholt<br />

wurden, um stundenweise den<br />

Auszubildenden Rechnen, Geometrie<br />

und sprachlichen Ausdruck beizubringen.<br />

Die Verantwortlichen sollten aufwachen.<br />

Wir brauchen vernünftige Rahmenbedingungen<br />

für die Wirtschaft.«<br />

Versäumnisse treffen die strukturschwachen<br />

Gebiete besonders. Wer von Randregionen<br />

spricht, hat sein Urteil wohl<br />

schon gefällt: »Ich habe nichts gegen den<br />

Begriff, wenn er auch eine besondere<br />

Verantwortung und Förderung einschließt«,<br />

so der Präsident des UV.<br />

Über Forderungen hinaus gibt es<br />

längst auch konkrete Aktionen, wie der<br />

Zusammenschluss der Lausitzer Unternehmen<br />

zeigt. Im westlichen Havelland<br />

wurde ein sogenannter Demografie-<br />

Fonds aufgelegt, in den der Landkreis Havelland,<br />

Städte, drei Ämter, sowie die<br />

Havellandkliniken einzahlen. Die Robert-<br />

Bosch-Stiftung gibt 180.000 Euro an Fördermitteln<br />

– insgesamt steht eine Million<br />

Euro zur Verfügung, um Ideen zur<br />

Verbesserung des Wohnumfelds, der Gesundheit<br />

und der Mobilität umzusetzen.<br />

Ein Beispiel ist die »Mieterinsel« in einem<br />

BERUFSPERSPEKTIVE: Philipp Siebert absolviert die Tischlerlehre in der Pritzwalker Bildungsgesellschaft, hier mit Ausbilder Uwe Wendt.<br />

Anna Behrens hat sich für eine Ausbildung bei MEB entschieden.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 31


REPORT<br />

NETZWERKMOTOR: Werner Schulze, Pritzwalker Bildungsgesellschaft, Unternehmensberaterin Dr. Annerose Giewoleit, Gert Altenburg und<br />

Dirk Radatz von der MEB Meyenburger Elektrobau GmbH (v. l.). Junge Leute in Metallausbildung.<br />

Wohngebiet der Amtsgemeinde Nennhausen,<br />

ein Treffpunkt der Generationen<br />

mit Vorträgen, Bastelnachmittagen<br />

und Beratungsangeboten. »Je wohler sich<br />

die Leute im Dorf fühlen, desto eher sind<br />

sie geneigt zu bleiben«, erklärte Amtsdirektorin<br />

Angelika Thielicke in der Lokalzeitung.<br />

Als ein »einmaliges Strategiepaket<br />

eines Landkreises« lobte die Staatskanzlei<br />

in Potsdam die Aktion.<br />

Selbst etwas zu tun – das fordert auch<br />

der Meyenburger Unternehmer Gert Altenburg.<br />

Und geht mit gutem Beispiel<br />

voran. »Wir sind gut im Geschäft«, sagt<br />

er. »Aber wir könnten noch mehr Aufträge<br />

annehmen, wenn wir die Kapazitäten<br />

dazu hätten.« Seit Jahren bildet MEB eigene<br />

Elektromonteure aus, 68 in 20 Jahren.<br />

Viele sind übernommen worden<br />

und haben das Firmenwachstum gesichert.<br />

Es wurde in moderne CAD-Arbeitsplätze<br />

investiert und gemeinsam mit der<br />

Pritzwalker Bildungsgesellschaft GmbH<br />

die Qualifizierung der zukünftigen Ingenieure<br />

organisiert. Ein Mitarbeiter hat<br />

vor kurzem seine Berufsausbildung mit<br />

anschließendem Bachelorstudium absolviert,<br />

gefördert durch den Unternehmer<br />

Stefan Quandt, der sich in der Prignitzer<br />

Heimat der Familie Quandt engagiert.<br />

BODENSTÄNDIGKEIT ALS STÄRKE<br />

»Wir sind stark genug, um kleineren Firmen<br />

zu helfen«, sagt Altenburg. »Ausschreibungen<br />

werden zum Beispiel elektronisch<br />

auf Internetplattformen eingestellt.<br />

Der Zugang kostet Geld, man muss<br />

seine Angebote digital einreichen. Per<br />

Mausklick – aber viele Handwerker haben<br />

dafür weder das Know-how noch die<br />

Zeit. Hier könnten wir unterstützen.« Im<br />

Gegenzug erhofft er sich Zusammenar-<br />

beit bei großen Aufträgen, die MEB sonst<br />

gar nicht annehmen könnte. »Langfristige<br />

Kooperation braucht Vertrauen und<br />

Bodenständigkeit«, erklärt Altenburg.<br />

Sein Motto lautet: »Fair zum Erfolg«.<br />

Zugegeben, das stammt nicht von ihm<br />

selbst, sondern von der Unternehmensberaterin<br />

Dr. Annerose Giewoleit. Sie unterstützt<br />

das Unternehmen seit Jahren<br />

beim Aufbau des Managementsystems.<br />

»Anfangs habe ich meine Aufgabe in der<br />

Umsetzung von Normen und Standards<br />

gesehen«, erklärt sie. »Nach und nach ist<br />

mir klar geworden, dass es um viel mehr<br />

geht, um die Unternehmenskultur, um<br />

die Qualität der Führung, der Beziehungen<br />

im Unternehmen und nach außen<br />

zu Kunden und Lieferanten. Dieses Beziehungsgeflecht<br />

muss stimmen.«<br />

Fairness bilde die Basis, um wirtschaftliche<br />

Zwänge und soziale Verantwortung<br />

unter einen Hut zu bringen – und erfolgreich<br />

zu sein. MEB zeigt, dass es funktioniert.<br />

Solide, mit stetigem – nicht<br />

sprunghaften – Wachstum. Diese Erfahrungen<br />

sollen in ein Modell für die Prignitz<br />

einfließen. Auf Initiative des MEB-<br />

HEIMAT: Straße in Pritzwalk.<br />

Geschäftsführers und des Chefs der<br />

Pritzwalker Bildungsgesellschaft, Werner<br />

Schulze, haben sich zwöf Unternehmen<br />

zusammengetan. Sie tauschen<br />

zunächst Informationen über Ausschreibungen,<br />

Ausbildungsplätze, Qualifizierungsbedarf<br />

und brisante Entwicklungen<br />

im Landkreis aus. Es geht um die<br />

Bahnstrecke und fehlende Ärzte, um die<br />

in Standorten des Landes Brandenburg<br />

äußerst ungünstig gelegenen, aber politisch<br />

dort gewollten Oberstufenzentren,<br />

die Schwierigkeiten privater Berufsschulen<br />

und die nächsten Volksfeste.<br />

SELBST DER MOTOR SEIN<br />

Das Thema Fachkräfte treibt alle um.<br />

»Wir können uns die passenden Bewerber<br />

nicht backen«, sagt Altenburg. »Wer<br />

bei uns mitarbeiten möchte, aber die<br />

Fähigkeiten nicht mitbringt, muss eben<br />

qualifiziert werden. Und die Bildungsgesellschaft<br />

kann das.« Schon die ersten<br />

Treffen des Netzwerkes führten zu einer<br />

Ideenliste: engere Zusammenarbeit in<br />

der beruflichen Orientierung mit Schulen<br />

und Gymnasien, Praktika und Ferienjobs,<br />

gezielte Werbung um Studienabbrecher<br />

und -wechsler, Fortbildungen für<br />

Mitarbeiter. Langfristig könnte es Kooperationen<br />

mit Hochschulen geben, auch<br />

die Vergabe von Forschungsaufträgen ist<br />

denkbar. Altenburg schweben Bietergemeinschaften<br />

mit Unternehmen der Region<br />

vor, die allen lukrativere Aufgaben<br />

bringen und wieder Wachstum ermöglichen.<br />

»Wir müssen es selbst in die Hand<br />

nehmen, ein eigener Motor sein«, meint<br />

er. Mag da auch Frust über die bevorzugten<br />

Städte mitschwingen – ein selbstbewusster<br />

Standpunkt ist es allemal.<br />

Ulrich Conrad<br />

&<br />

32 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


INTERVIEW<br />

Dr. Ing.-Victor Stimming, Präsident der IHK Potsdam, über Fachkräftesicherung,<br />

chancen von Regionen und Wachstumspotenziale der Brandenburger Wirtschaft<br />

»Infrastruktur erhalten – Konzepte entwickeln«<br />

Foto: IHK Potsdam<br />

W&M: Brandenburg ist zweigeteilt, berlinferne<br />

Regionen wie die Prignitz spüren vom<br />

Boom des Speckgürtels wenig. Lässt sich die<br />

Stagnation angesichts des Bevölkerungsrückganges<br />

und Fachkräftemangels aufhalten?<br />

STIMMING: Probleme abseits der Wachstumskerne<br />

lassen sich nicht leugnen. Daneben<br />

stehen aber auch positive Entwicklungen,<br />

wie die regionale Initiative am<br />

Autobahndreieck Wittstock. Es gilt, die<br />

Potenziale des ländlichen Raumes zu erkennen,<br />

zu nutzen und zu unterstützen.<br />

Darunter verstehe ich auch, fleißige,<br />

heimatverbundene Menschen mit ihrer<br />

Kreativität und ihrem Unternehmergeist,<br />

gut ausgebaute Infrastrukturen<br />

wie am Hafen Wittenberge sowie traditionsreiches<br />

Gewerbe zu unterstützen.<br />

W&M: Wie?<br />

STIMMING: Den Menschen in der Region<br />

muss eine Perspektive gegeben werden.<br />

Die Standort- und Arbeitsbedingungen<br />

haben sich auch in den ländlichen Räumen<br />

deutlich verbessert. Unsere Kampagne<br />

»Mach es in Brandenburg«, die wir<br />

bereits im dritten Jahr aufwendig durchführen,<br />

wird weiter dazu beitragen. Es ist<br />

leichter, die Jugend im Land zu halten,<br />

als sie zurückholen zu müssen. Aber<br />

auch Rückholaktionen sind sinnvoll,<br />

ebenso wie die intensive Fachkräfte-<br />

Anwerbung aus Süd- und Osteuropa.<br />

W&M: Hat es Sinn, noch große Hoffnungen<br />

auf Neuansiedlungen zu setzen?<br />

STIMMING: Realistisch ist die Erweiterung<br />

bestehender Unternehmen. Auch<br />

der Ausbau der Autobahn A 14 wird dabei<br />

einen Schub bringen. In dem Zusammenhang<br />

ist auch mit Neuansiedlungen<br />

vor allem von Logistikern zu rechnen.<br />

W&M: Welches Potenzial haben die kleinen<br />

und mittleren Firmen in diesen Gebieten? Die<br />

meisten sind ja bereits im Berliner Raum, in<br />

Hamburg oder Hannover tätig, weil der lokale<br />

Markt nicht genug Arbeit bietet.<br />

STIMMING: In den Ballungsräumen ist<br />

immer eine entsprechende Nachfrage gegeben.<br />

Dies sorgt mit dafür, dass Arbeitsplätze<br />

in der Region erhalten bleiben.<br />

Wir als IHK ermuntern die Unternehmen,<br />

über den Tellerrand zu schauen<br />

und Auslandsmärkte zu erschließen.<br />

Dazu organisieren wir auch Gemeinschaftsstände<br />

auf internationalen Messen<br />

sowie Unternehmerreisen.<br />

W&M: Welche Auslandsmärkte halten Sie für<br />

besonders chancenreich?<br />

STIMMING: Das gestaltet sich natürlich<br />

für jedes Produkt, jede Dienstleistung<br />

und damit für jedes Unternehmen anders.<br />

Exporteinsteiger können sich gern<br />

über den geförderten Fitness-Check International<br />

beraten lassen. Besonderes<br />

Augenmerk bei grenzüberschreitenden<br />

Geschäftsbeziehungen liegt auf der Europäischen<br />

Union, aber auch auf nachfragestarken,<br />

rasant wachsenden Ökonomien<br />

wie China, Brasilien oder auch<br />

dem Nahen Osten. In einzelnen Ländern<br />

»Den Menschen<br />

in der Region muss eine<br />

PERSEPKTIVE<br />

gegeben werden.«<br />

sollen Anlaufstellen für unsere Firmen<br />

eingerichtet werden; nach Katar und<br />

Saudi-Arabien planen wir eine Unternehmerreise<br />

im November 2012, um Chancen<br />

auszuloten. Interessenten sind hier<br />

herzlich willkommen.<br />

W&M: Gegenwärtig hört man auch in Brandenburger<br />

Regionen, dass Aufträge nicht angenommen<br />

werden können, weil Fachkräfte<br />

fehlen. Auch das Risiko, bei zu schnellem<br />

Wachstum die eigene Stabilität zu gefährden,<br />

wird genannnt. Können Netzwerke die Alternative<br />

sein? Wie müssten sie aussehen?<br />

STIMMING: Unternehmer müssen ihren<br />

Fachkräftebedarf vorausschauend planen<br />

und entsprechend in die berufliche<br />

Bildung investieren. Dazu gehört in zunehmendem<br />

Maße die Weiterbildung,<br />

um technologisch Schritt halten zu können.<br />

Dafür sind die Unternehmerinnen<br />

und Unternehmer selbst verantwortlich,<br />

sie werden von der IHK unterstützt. Netzwerke<br />

und Unternehmenskooperationen<br />

sind zusätzliche Möglichkeiten, Auf-<br />

tragsspitzen und auch Flauten abzufedern.<br />

Die IHK Potsdam hat die Stiftung<br />

»Fachkräfte für Brandenburg« gegründet<br />

und unterstützt damit zusätzlich die berufliche<br />

Bildung. So soll die Stiftung unter<br />

anderem dort wirken, wo andere Projekte<br />

und Programme aufgrund von restriktiven<br />

Förderrichtlinien für unsere<br />

Vorhaben nicht mehr greifen können.<br />

Neben der Unterstützung von Auszubildenden<br />

mit Leistungsdefiziten sollen<br />

auch jene mit besonders guten Leistungen<br />

gefördert werden. Wir wollen sie<br />

zusätzlich motivieren, hier in der Region<br />

ihre berufliche und private Zukunft zu<br />

gestalten.<br />

W&M: Was fordert die Wirtschaft von der Politik,<br />

um auch in den strukturschwachen Regionen<br />

Potenziale und Chancen zu erhalten?<br />

STIMMING: Die Aufrechterhaltung der<br />

Infrastruktur ist immens wichtig. Das erhält<br />

auch die für das Land Brandenburg<br />

typische kleinteilige Unternehmensstruktur,<br />

die uns bisher half, Krisen gut<br />

zu überstehen. Die Entwicklung neuer<br />

Konzepte für den ländlichen Raum darf<br />

dabei nicht vergessen werden.<br />

W&M: Und was leistet die Wirtschaft selbst?<br />

STIMMING: Es gibt zahlreiche Initiativen<br />

der Wirtschaft: Wittstocker Autobahndreieck,<br />

das Netzwerk Zukunft – Schule<br />

und Wirtschaft für Brandenburg, regionale<br />

Ausbildungsmessen, Unternehmerstammtische,<br />

Informationsveranstaltungen<br />

zu neuen Medien, Modellprojekte<br />

zum betrieblichen Gesundheitsmanagement,<br />

die Vorstellung von flexiblen Arbeitszeitmodellen<br />

und vieles mehr. Mit<br />

dem RegionalCenter Prignitz in Pritzwalk<br />

ist die IHK Potsdam als Ansprechpartner<br />

und Dienstleister der Wirtschaft<br />

regional präsent und garantiert kurze<br />

Wege. Durch die IHK wurden umfassende<br />

europäische Mittel nach Nordwest-<br />

Brandenburg gebracht, so im Rahmen<br />

von Projekten des ländlichen Tourismus,<br />

der Ernährungswirtschaft oder der Bioenergie.<br />

Zu erwähnen ist auch das politische<br />

Engagement der IHK zur Mobilität<br />

im ländlichen Raum sowie zur Sicherstellung<br />

von geeigneten Fördermöglichkeiten<br />

von EU, Bund und Land.<br />

Interview: Ulrich Conrad<br />

INTERNET:<br />

www.potsdam.ihk.de<br />

www.mach-es-in-brandenburg.de<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 33


KOLUMNE<br />

Man ist ja so einiges gewöhnt von<br />

unseren Politikern und Beamten,<br />

was aber jetzt in der Eurozone<br />

geboten wird, ist schon an der<br />

Grenze der Vorstellungskraft. Dieser Tage<br />

sagte der Fraktionschef der Liberalen,<br />

Eurobonds, wie vom neuen französischen<br />

Präsidenten Hollande vorgeschlagen,<br />

seien »Zinssozialismus« und den<br />

werde man auf keinen Fall mitmachen.<br />

Ähnlich äußert sich ein hoher Beamter<br />

des Finanzministeriums in einen Brief<br />

an den Chefkommentator der »Financial<br />

Times« in London und beklagt dessen<br />

kritische Kommentare über die Berliner<br />

Regierungskunst mit Argumenten, die<br />

einem die Haare zu Berge stehen lassen.<br />

Da kommt etwas zum Ausdruck, was<br />

es bisher so in der Bundesrepublik nicht<br />

gegeben hat und was einen sehr bedenklich<br />

stimmen muss. Das Berliner Regierungsviertel<br />

hat sich eingemauert hinter<br />

schlechten Argumenten und kann schon<br />

nicht mehr über die Mauer schauen und<br />

sehen, wie der Rest der Welt, und diese<br />

geographische Einordnung ist in diesem<br />

Fall ausnahmsweise keine Übertreibung,<br />

nur noch den Kopf schüttelt über den<br />

Berliner Starrsinn und sich fragt, was<br />

man noch dagegen tun kann, da die Rationalität<br />

offenbar an eine Grenze stößt.<br />

Mit Zinssozialismus meint Herr Brüderle<br />

offenbar die Tatsache, dass im Falle<br />

von Eurobonds die Unterschiede in den<br />

Zinssätzen zwischen den Ländern in der<br />

Eurozone verschwinden würden. Was, so<br />

eine in Berlin weitverbreitete Meinung,<br />

dazu führen müsse, dass die Länder, die<br />

jetzt tief in der Bredouille sind, wieder<br />

anfangen, fröhlich über ihre Verhältnisse<br />

zu leben und den Herrgott einen guten<br />

Mann sein lassen, statt sich am Riemen<br />

zu reißen und ihre Verhältnisse in<br />

Ordnung zu bringen.<br />

Bezeichnenderweise ist Herrn Brüderle<br />

und allen anderen in Berlin der Zinssozialismus,<br />

den die Märkte, die Kapitalmärkte<br />

nämlich, in den ersten acht Jahren<br />

der Währungsunion praktizierten,<br />

gar nicht aufgefallen, und sie haben ihn<br />

auch nicht beklagt. Da waren die Zinsen<br />

für staatliche Anleihen absolut gleich<br />

zwischen Deutschland und Griechenland,<br />

obwohl die Staatshaushalte in Sachen<br />

aktuelle Schulden und Schuldenstand<br />

damals schon sehr differierten.<br />

Vor der Währungsunion war das in<br />

der Tat anders, da waren die Zinsen weit<br />

gefächert, aber auch die Zinsen von Ländern<br />

wie Frankreich, die keine aus dem<br />

Ruder laufenden Staatshaushalte hatten,<br />

AUS GENFER SICHT<br />

Berlin –<br />

eingemauert<br />

Von HEINER FLASSBECK, Genf<br />

Internet: www.flassbeck.com<br />

waren höher als die deutschen. Das war<br />

aber keineswegs der deutschen Staatshaushaltsdisziplin<br />

geschuldet, sondern<br />

einzig und allein der Tatsache, dass<br />

Deutschland immer eine etwas niedrigere<br />

Inflation als die anderen Länder aufwies.<br />

Weil alle wussten, dass diese Inflationsdifferenz<br />

früher oder später durch<br />

eine Abwertung der Währung der Länder<br />

mit höherer Inflation ausgeglichen werden<br />

musste, spiegelte sich diese Abwertungsgefahr<br />

in den Zinsen der Staatsanleihen,<br />

nicht aber unsichere Staatsfinanzen<br />

und ein »Druck der Märkte«,<br />

um »unsolide Verhältnisse« zu beenden.<br />

Es gab noch nie die »Disziplinierung«<br />

durch die Kapitalmärkte, die heute von<br />

der Berliner Laienspielschar als besonderes<br />

Kennzeichen freier Märkte beschworen<br />

wird. Märkte glauben in der Regel,<br />

dass Staaten ihre Schulden bezahlen, jedenfalls<br />

dann, wenn die Schulden in der<br />

eigenen Währung begeben sind, weil die<br />

Staaten sich diese Währung im Zweifel<br />

über ihre Notenbank »besorgen« können.<br />

Daher war der Realzins, also der langfristige<br />

Zins nach Abzug der Inflation, in<br />

den »unsoliden« Ländern vor dem Euro<br />

auch nicht systematisch höher als im soliden<br />

Deutschland. Erst mit dem Euro<br />

sanken die Realzinsen in den Südländern<br />

stärker als in Deutschland.<br />

Mit Beginn der Währungsunion sind<br />

die nominalen langfristigen Zinsen über-<br />

all gleich geworden, weil man unterstellte,<br />

die Währungsunion werde ein Erfolg<br />

und die Inflationsraten blieben von nun<br />

an gleich. Gesunken sind die Zinsen seit<br />

Beginn der Währungsunion überall, weil<br />

die wichtigsten Zentralbanken der ganzen<br />

Welt ihre Ausleihezinsen senkten<br />

und das auf die Märkte für langfristiges<br />

Kapital durchschlug. Folglich kommt im<br />

heutigen Auseinanderlaufen der Zinsen<br />

etwas ganz anderes zum Ausdruck als<br />

eine Disziplinierung durch die Märkte.<br />

Viele Marktteilnehmer glauben nicht<br />

mehr, dass alle Euro-Staaten ihre Anleihen<br />

in Euro zurückzahlen werden. Das<br />

Wichtigste in einer Währungsunion, die<br />

Angleichung der Inflationsraten, hat<br />

nämlich überhaupt nicht geklappt.<br />

Deswegen haben auch die ganzen Gipfel<br />

und deren Beschlüsse zur Haushaltsdisziplinierung<br />

an den Zinsdifferenzen<br />

kaum etwas geändert. Niemand glaubt<br />

nämlich, dass die beschlossenen Maßnahmen<br />

wirken können und dass sie<br />

wirklich zielführend sind, weil das Problem<br />

auseinanderlaufender Inflationsraten<br />

noch nicht wirklich angegangen<br />

ist, auf jeden Fall nicht in einer Weise,<br />

die politisch durchhaltbar erscheint.<br />

Daraus ergibt sich, dass die Verhinderung<br />

von Zinssozialismus im Brüderleschen<br />

Sinne nichts anderes bedeutet als<br />

das Ende der Währungsunion. Wer nicht<br />

für möglich hält, dass die Euro-Länder<br />

wieder vollständig gleiche Zinsen haben,<br />

sagt implizit, dass er das Ende der Währungsunion<br />

nahen sieht. Er bestätigt die<br />

Märkte, die Gleiches glauben.<br />

Währungsunion ist Zinssozialismus!<br />

Wer Zinssozialismus nicht mit relativ<br />

unabhängigen Staaten und unabhängiger<br />

Wirtschaftspolitik hinbekommt, weil<br />

der Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit<br />

zwischen den Regionen nicht gelingt,<br />

muss den Zinssozialismus über dauerhafte<br />

Transferzahlungen erzwingen, wie<br />

es in der deutsch-deutschen Währungsunion<br />

noch immer der Fall ist.<br />

Das alles und die traurigen Argumente<br />

aus dem Bundesfinanzministerium<br />

bestätigen, was schon lange zu vermuten<br />

war. So eine Währungsunion scheitert<br />

nicht primär an der Unfähigkeit der<br />

Menschen in den beteiligten Ländern,<br />

sich an ihre und an die Verhältnisse der<br />

Union anzupassen. Sie scheitert an der<br />

Unfähigkeit allzu vieler Politiker, über<br />

ideologische Schatten zu springen und<br />

eine ernsthafte Diskussion über die Logik<br />

eines solch komplexen Gebildes zu<br />

initiieren und daraus zu lernen. &<br />

Foto: Torsten George<br />

34<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


INTERVIEW<br />

Polnische Ministerin Elsbieta Bienkowska zur EU-Förderung:<br />

Deutsche profitieren am stärksten<br />

Wie das jetzt in Rom vereinbarte EU-Wachstumspaket aussieht und finanziert wird, ist noch unklar.<br />

Zumal in Brüssel schon monatelang um Fördermilliarden gefeilscht wird. In Berlin stritt Elsbieta<br />

Bienkowska, Ministerin für Regionale Entwicklung Polens, gegen die Kürzung der Kohäsions-Mittel.<br />

Foto: Torsten George, Hafen Hamburg<br />

Die Ministerin war in Eile, zwischen<br />

einem Treffen mit Bundeswirtschaftsminister<br />

Philipp Rösler,<br />

einem Vortrag im Europäischen Haus,<br />

Unter den Linden und dem Abflug nach<br />

Warschau stand noch ein Gespräch mit<br />

W&M. Vielleicht fielen deshalb einige<br />

ihrer Antworten nach der polnischen Position<br />

zur Zukunft der EU-Regionalpolitik<br />

weniger diplomatisch als üblich aus.<br />

Empört wies sie den gelegentlichen Vorwurf<br />

zurück, dass die EU-Fördermittel<br />

nicht immer sachgerecht eingesetzt würden.<br />

»In Polen wird genau überwacht,<br />

wofür jeder Euro ausgegeben wird«, so<br />

die Ministerin, »das kann als Modell für<br />

andere europäische Länder gelten.«<br />

KOHÄSIONSPOLITIK<br />

376 MILLIARDEN BIS 2020 IM TOPF<br />

Sie zeigte sich verwundert darüber, wie<br />

wenig in Europa und namentlich in Berlin<br />

bekannt sei, dass gerade Deutschland<br />

stark von der EU-Regionalpolitik profitiert.<br />

Es sei schlicht unverständlich, kritisierte<br />

sie, dass die Bundesrepublik zu<br />

den Staaten gehöre, die für eine Begrenzung<br />

der Mittel für die Kohäsionspolitik<br />

plädieren – damit würden Wachstum<br />

und Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet.<br />

»Ich möchte, dass die öffentliche<br />

Meinung in der EU weiß, dass die Kohäsionspolitik<br />

keine Wohltätigkeit für die Armen,<br />

sondern ein Mittel ist, das zur Beschleunigung<br />

der Wachstumsrate und<br />

der Schaffung von Arbeitsplätzen<br />

beiträgt«, so Bienkowska.<br />

Zum Hintergrund: Im Streit um die<br />

Ausgabengrenzen der EU in den Jahren<br />

2014 bis 2020 treffen zwei Lager aufeinander<br />

– die Nettozahler einerseits und<br />

die Empfänger von Milliarden aus den<br />

Strukturfonds andererseits. 376 Milliarden<br />

Euro sollen auf Vorschlag der EU-<br />

Kommission in den sieben Jahren bis<br />

2020 dafür ausgegeben werden. Ziel ist<br />

die Angleichung des Entwicklungsstandes<br />

in den Ländern, um den wirtschaftlichen,<br />

sozialen und territorialen Zusammenhalt<br />

zu stärken. Schon lange stehen<br />

sich Anhänger und Gegner von mehr<br />

Kohäsionspolitik schier unversöhnlich<br />

gegenüber. Einige Mitgliedsländer, darunter<br />

die Netto-Beitragszahler Deutschland,<br />

Frankreich, Großbritannien, Finnland<br />

und die Niederlande drängen auf<br />

eine strikte Ausgabenbegrenzung.<br />

Mit ihren Programmen hat die EU von<br />

1988 bis 2004 rund 500 Milliarden investiert.<br />

Seit der EU-Erweiterung 2004<br />

fließen die meisten Kohäsionsmittel<br />

nach Osteuropa. In der Förderperiode<br />

2007 bis 2013 sind es allein 67,3 Milliarden<br />

Euro, die nach Polen fließen. Deren<br />

Verwaltung gehört in die Zuständigkeit<br />

der Ministerin. Die Hälfte des kräftigen<br />

Wirtschaftswachstums in Polen, das<br />

2011 bei 4,3 Prozent lag, führt sie auf den<br />

Zufluss von EU-Mitteln zurück, mit denen<br />

viele Projekte verwirklicht wurden.<br />

Liegt der Fokus bei den Infrastrukturprojekten<br />

im laufenden Haushalt 2007 bis<br />

2013 beim Autobahn- und Straßenbau, so<br />

soll künftig laut Bienkowska der Bahnverkehr<br />

stärker gefördert werden. Polen<br />

strebe eine Geschwindigkeit von 160 bis<br />

200 km/h auf der Schiene an.<br />

Im Reisegepäck nach Berlin hatte<br />

Bienkowska, die seit 2007 im Amt ist,<br />

eine Studie mit dem scheinbar unverfänglichen<br />

Titel: »Welchen Gewinn ziehen<br />

die EU-15-Länder aus der in den Ländern<br />

der Visegrád-Gruppe angewandten<br />

Kohäsionspolitik?« Die war von ihrem<br />

Ministerium in Auftrag gegeben worden.<br />

Das Institut für Strukturforschung und<br />

die Gesellschaft Reytech sp. z o.o. sollte<br />

analysieren, welchen Nutzen die alten<br />

EU-Länder aus der Finanzierung der<br />

Kohäsionspolitik in den neuen Mitgliedsländern<br />

Polen, Tschechien, Slowakei und<br />

Ungarn ziehen. Nach Ende des Ostblocks<br />

hatten 1991 in der ungarischen Stadt<br />

Visegrád Polen, die damalige Tschechoslowakei<br />

und Ungarn beschlossen, die<br />

gemeinsamen Probleme möglichst kooperativ<br />

zu lösen. Auch nach dem EU-Beitritt<br />

der auch unter »V4« firmierenden<br />

Länder besteht die Staatengruppe fort.<br />

RÜCKFLUSS GRÖSSER ALS INVESTITION<br />

Die Analyse kommt laut Bienkowska zu<br />

dem Ergebnis, dass der Gewinn der alten<br />

Länder durch das Exportwachstum in<br />

den Visegrád-Ländern hoch ist im Vergleich<br />

zu den Kosten, die sie für die<br />

Finanzierung der Kohäsionspolitik in<br />

diesen Ländern tragen. Die direkten Gewinne<br />

beziffert die Studie in dem Zeitraum<br />

von 2004 bis 2015 auf 8,64 Milliar-<br />

MAKROÖKONOMISCHE GEWINNE<br />

Nutznießer der Regionalförderung in der Union<br />

Zusätzlicher Exportgewinn aus der Durchführung der Kohäsionspolitik der EU-15-Länder<br />

in die Länder der Visegrad-Gruppe in den Jahren 2004 bis 2015 (in Milliarden Euro)<br />

Deutschland<br />

Italien<br />

Niederlande<br />

Frankreich<br />

Großbritannien<br />

Österreich<br />

Irland<br />

Belgien<br />

Schweden<br />

Spanien<br />

Finnland<br />

Dänemark<br />

Portugal<br />

Luxemburg<br />

Griechenland<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Quelle: Polnisches Ministerium für regionale Entwicklung<br />

36 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


INTERVIEW<br />

der EU sei die Kohäsionspolitik die am<br />

besten sichtbare Methode, da direkt vor<br />

ihren Augen etwas getan werde. Die<br />

Kohäsionspolitik könne die Bürger davon<br />

überzeugen, dass die EU auch in Krisenzeiten<br />

handele und Probleme angehe,<br />

die nicht nur mit den Mechanismen des<br />

freien Marktes zu lösen seien.<br />

Bei der Begegnung mit Philipp Rösler<br />

hatte der auf einen engen Finanzrahmen<br />

gepocht: »Zum einen ist sein Umfang auf<br />

ein Prozent des Bruttonationaleinkommens<br />

der EU zu beschränken. Zum anderen<br />

sollte die Zahlung von Fördermitteln<br />

an die Einhaltung des Stabilitäts- und<br />

Wachstumspaktes geknüpft werden.«<br />

MINISTERIN Elsbieta Bienkowska im Gespräch mit W&M.<br />

den Euro, die der indirekten Gewinne –<br />

etwa durch schnelleres Wirtschaftswachstum<br />

in den Nehmerländern – sogar<br />

auf 66,05 Milliarden Euro. Unterm<br />

Strich steht, so die Ministerin, dass von<br />

jedem in die Vierergruppe investierten<br />

Euro 61 Cent an zusätzlichem Exportgewinn<br />

in die alten Länder zurückfließen.<br />

Dieser Durchschnittswert fällt in den<br />

einzelnen Geberländern – Spanien, Portugal<br />

und Griechenland sind keine<br />

Nettozahler – unterschiedlich aus. Für<br />

Deutschland, Irland und Luxemburg ist<br />

der Wert des zusätzlichen Exports in die<br />

»V4«-Länder, der sich aus der Einführung<br />

der Kohäsionspolitik in diesen Staaten<br />

ergibt, höher als die für die Einführung<br />

der Kohäsionspolitik getragenen Kosten.<br />

Am geringsten ist der Rückfluss nach<br />

Frankreich und Dänemark. »Deutschland<br />

– unser größter Nachbar und Wirtschaftspartner<br />

– profitiert insgesamt am<br />

stärksten«, so die Ministerin, »für das<br />

Land fließen aus jedem investierten Euro<br />

sogar 1,25 Euro zurück.«<br />

PAPIER RÄUMT ZWEIFEL AUS<br />

Die mit zusätzlichen Exporten und Aufträgen<br />

für deutsche Unternehmen im<br />

Rahmen von EU-kofinanzierten Projekten<br />

realisierten Gewinne summieren<br />

sich von 2004 bis 2015 auf rund 31,5 Milliarden<br />

Euro. Mit großem Abstand folgt<br />

auf Platz zwei Italien (7 Milliarden), vor<br />

den Niederlanden (6) und Frankreich (5).<br />

Die Ministerin lässt weder den Einwand<br />

gelten, dass diese Studie geradezu<br />

eindimensional ihren Standpunkt stützt,<br />

noch die Bemerkung, dass die Argumentation<br />

ein wenig an Rabattschlachten erinnert:<br />

Je mehr ich kaufe, desto größer<br />

ist scheinbar die Einsparung. Die Analyse<br />

sei mit einer anerkannt wissenschaftlichen<br />

Methodik durchgeführt worden<br />

und beruhe auf gesicherten Ergebnissen.<br />

Brüssel habe sie gutgeheißen und empfohlen,<br />

informiert die Ressortchefin. Das<br />

Papier räume jeden Zweifel daran aus,<br />

dass von den Entwicklungsprozessen<br />

und der Verringerung des Entwicklungsabstandes<br />

der schwächer entwickelten<br />

Staaten die Europäische Union profitiert.<br />

»Das ist auch meine Position«, unterstrich<br />

sie, »Regionalpolitik leistet einen<br />

bedeutenden Beitrag zu Wirtschaftswachstum<br />

und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.<br />

Wer die Mittel dafür kürzen<br />

will, der schneidet sich ins eigene<br />

Fleisch.« Leider sei auch Deutschland<br />

nicht auf der Seite der »Freunde der Kohäsion«,<br />

sondern für Einschränkungen.<br />

»Das ist, um es noch einmal zu sagen,<br />

umso unverständlicher, als die Bundesrepublik<br />

als Exportland den mit Abstand<br />

größten Nutzen aus der EU-Strukturpolitik<br />

zieht«, betont Elsbieta Bienkowska<br />

und verweist auf die Analyse.<br />

Der zusätzliche Export aus der Durchführung<br />

der Kohäsionspolitik in den Ländern<br />

der Visegrád-Gruppe für Deutschland<br />

für den Zeitraum von 2004 bis 2015<br />

macht 43 Prozent der Gesamtgewinne<br />

aller alten EU-Länder aus, heißt es dort.<br />

Der Großteil der entsprechenden zusätzlichen<br />

Ausfuhren geht nach Polen und<br />

zwar mehr als die Hälfte des gesamten<br />

zusätzlichen Exports in die »V4«-Länder:<br />

16,3 Milliarden Euro.<br />

An Ende des Gesprächs kommt Elsbieta<br />

Bienkowska noch einmal auf ihr<br />

Anliegen zurück, eine Beschränkung der<br />

EU-Mittel zu verhindern. Für die Bürger<br />

NUTZEN AN PROJEKTEN MESSEN<br />

Auch wenn Polen eine Schuldenbremse<br />

in der Verfassung verankert habe und<br />

den effektiven Einsatz der Finanzmittel<br />

aus Brüssel sicherstelle – generell ist Elsbieta<br />

Bienkowska dagegen, die Hilfe für<br />

Regionen an Bedingungen zu knüpfen,<br />

die an anderer Stelle erfüllt werden müssen.<br />

»Wenn die Zeiten hart sind – und wir<br />

stehen ohne Zweifel schwierigen Zeiten<br />

gegenüber – dann verlangt das Ausgeben<br />

von öffentlichen Mitteln, eine angemes-<br />

SCHWERPUNKT künftiger Regionalentwicklung:<br />

Der Bahnverkehr in Polen.<br />

sene Begründung«, räumte sie ein. Die<br />

EU-Kohäsionspolitik sei jedoch die einzige<br />

Maßnahme, die solide Leistungen für<br />

alle EU-Mitglieder bringe und in der<br />

Praxis erprobt sei. »Es ist fatal, Mittel zu<br />

streichen, die in Strukturprojekte fließen,<br />

aus denen Wirtschaftsentwicklung<br />

wächst. Diese Projekte können nur an<br />

ihren Ergebnissen gemessen werden.<br />

Wenn man Projekte gut umsetzt und<br />

man bekommt trotzdem Mittel gestrichen,<br />

weil es anderswo im Lande Probleme<br />

gibt, dann wäre dies eine Bestrafung<br />

von Unschuldigen.«<br />

Helfried Liebsch<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 37


BERICHT<br />

Fotos: Thomas Schwandt<br />

Offshore Windenergie<br />

Maritimer Schulterschluss<br />

Stromerzeugung auf hoher See soll ein Eckpfeiler der künftigen Energieversorgung in Deutschland sein.<br />

Die Konferenz »Wind & Maritim« in Rostock zeigte Startprobleme und Zukunftschancen der Branche auf.<br />

V<br />

on der Auftragsvergabe bis zum<br />

Anschluss eines Offshore-Windparks<br />

an das Stromnetz verstreichen<br />

in Deutschland gegenwärtig zwischen<br />

40 und 45 Monate. Ein entschieden zu<br />

weites Zeitfenster, befindet Jörg Kuhbier,<br />

Vorstandsvorsitzender der Stiftung Offshore-Windenergie.<br />

Wenn es mit einer<br />

zügigen Umsetzung der Energiewende<br />

im Lande ernst gemeint sein soll, dann<br />

müsse die Fertigstellung von Offshore-<br />

Projekten »beschleunigt werden«, sagte<br />

Kuhbier unlängst auf der ersten Zukunftskonferenz<br />

»Wind & Maritim«, die<br />

Ende Mai dieses Jahres in Rostock tagte.<br />

Er plädierte vor über 200 Unternehmensvertretern<br />

aus der Offshore-Windenergie-Branche<br />

für »Realisierungsfahrpläne,<br />

die bei regelmäßigen Treffs aller Beteiligten<br />

überwacht werden können«. Auch<br />

würden standardisierte Projekte einen<br />

erheblichen Zeitgewinn bringen.<br />

Der Vorstandschef der Stiftung Offshore-Windenergie<br />

bilanzierte in Rostock<br />

einen ganzen Reigen an aktuellen<br />

Problemen in der Branche, die zum Belastungstest<br />

für die im Frühjahr 2011 einläutete<br />

Energiewende werden. Denn die<br />

Windenergie – zu Land und auf See – soll<br />

die Rolle des Lastesels in der Energieversorgung<br />

von der kaltgestellten Atomwirtschaft<br />

übernehmen. Insbesondere<br />

bei der Offshore Windenergie läuft noch<br />

nicht alles rund. Bis zum Jahr 2030 sollen<br />

vor Deutschlands Küsten Windparks<br />

mit einer installierten Leistung von insgesamt<br />

25 Megawatt errichtet werden.<br />

Bei den ersten Projekten, vor allem dem<br />

Versuchsfeld »Alpha Ventus« und dem<br />

Windpark »Bard Offshore 1« in der Nordsee,<br />

zeigte sich sehr schnell, dass das<br />

Know-how aus dem Onshore-Bereich<br />

nicht eins zu eins kopiert werden kann<br />

auf hoher See. Die technologischen und<br />

logistischen Herausforderungen sowie<br />

die widrigen Bedingungen auf dem offenen<br />

Meer verteuerten und verzögerten<br />

die Errichtung der bis zu 90 Meter hohen<br />

Windkraftanlagen enorm. Die Investitionen<br />

in größere Parks mit 70 bis 80 Windrädern<br />

haben längst die Milliarden-Marke<br />

übersprungen.<br />

Bei diesen Kapitalvolumina kann es<br />

sehr schnell zu Schadensansprüchen im<br />

zwei- bis dreistelligen Millionenbereich<br />

kommen, berichtete Kuhbier. Erste Fälle<br />

gebe es. Das Fatale daran ist, Haftungsfragen<br />

im Bereich Offshore Windenergie<br />

sind bisher weitestgehend ungeregelt.<br />

Wer zahlt, wenn sich die Errichtung eines<br />

Windparks verspätet und damit die<br />

Erlöse aus der Stromerzeugung ausbleiben,<br />

wenn der Landnetzanschluss nicht<br />

rechtzeitig sichergestellt ist? Hier müsse<br />

umgehend Klarheit geschaffen werden,<br />

mahnte der Stiftungschef, und die Risiken<br />

müssten gerechter verteilt werden,<br />

»zum Beispiel über Versicherungen«. Am<br />

besten sei es aber, »Schadensfälle möglichst<br />

zu vermeiden«.<br />

Kuhbier bezifferte auf der zweitägigen<br />

Konferenz »Wind & Maritim« die Anzahl<br />

der aktuell genehmigten Offshore-<br />

Windparks in Deutschland auf 29. Mit<br />

26 entfällt dabei der Großteil auf die<br />

Nordsee. Vor der deutschen Ostseeküste<br />

sind zurzeit drei neue Projekte genehmigt.<br />

Im Rahmen der Konferenz stellt die<br />

spanische Iberdrola Renovables GmbH<br />

erstmals ihren geplanten Offshore-Windpark<br />

»Wikinger« vor. Das Projekt der Spanier<br />

basiert auf einer früheren Planung<br />

unter anderem Namen. Der Windpark<br />

mit insgesamt 80 Windkraftanlagen soll<br />

30 Kilometer nordöstlich vor der Küste<br />

Rügens entstehen und bereits 2014 ans<br />

Netz gehen.<br />

In verlässlichen politischen und rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen für die<br />

Windenergie-Branche sieht auch der Vorsitzende<br />

des in Rostock ansässigen Wind<br />

Energy Network Andree Iffländer den<br />

entscheidenden Schlüssel zur Umsetzung<br />

von Offshore-Bauprojekten. Er deklarierte<br />

diese als elementar, »damit die<br />

Branche im Norden ihre Kompetenz<br />

entfalten kann«. Nach Angaben von Iffländer<br />

ist es bei der Genehmigung von<br />

mehreren Offshore-Windkraft-Projekten<br />

bereits zu Verzögerungen von mehr als<br />

zwei Jahren gekommen, weil beim zuständigen<br />

Bundesamt für Seeschifffahrt<br />

und Hydrographie (BSH) bisher keine der<br />

notwendigen Stellungnahmen des Bundesamtes<br />

für Naturschutz (BfN) einge-<br />

SERVICE AUF SEE: Schnelle Arbeitsschiffe bringen Monteure zu den Meeres-Windmühlen.<br />

38 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


BERICHT<br />

gangen sind. Der Network-Manager<br />

bezeichnete dies als »sehr bedenklich«<br />

und wies auf die Folgen für alle Beteiligten<br />

hin: »Die Zeit, die vorn verloren geht,<br />

kann nicht mehr aufgeholt werden.«<br />

Um technologische Probleme frühzeitig<br />

erkennen und beheben zu können,<br />

sind praxisnahe Tests zwingend notwendig.<br />

Das Land Mecklenburg-Vorpommern<br />

will jetzt zusätzliche neue Testeignungsgebiete<br />

an Land und vor der Küste ausweisen,<br />

kündigte Landesenergieminister<br />

Volker Schlotmann (SPD) in Rostock an.<br />

Das entscheidende Plus von neu entwickelten<br />

und effizienteren Anlagen ist:<br />

sie tragen dazu bei, die nach wie vor sehr<br />

hohen Kosten in der Offshore-Windenergie<br />

zu senken. Experten halten eine<br />

Reduzierung um 30 bis 35 Prozent für<br />

machbar. Die Rostocker Firma Gicon arbeitet<br />

beispielsweise an schwimmenden<br />

Fundamenten für Offshore-Windräder,<br />

NETWORK-MANAGER Andree Iffländer.<br />

deutschen Offshore-Windparks, dem<br />

Testfeld »Alpha Ventus« in der Nordsee,<br />

eine Flotte von 60 unterschiedlichen<br />

Seefahrzeugen im Einsatz. Als besonders<br />

problematisch erweist sich der erforderliche<br />

Ausbau von leistungsfähigen<br />

Stromnetzen. Die Netze sind die Achillesferse<br />

der Windenergie.<br />

W&M: Wo klemmt es in dieser entscheidenden<br />

Frage?<br />

FABER: Für den Netzausbau sind Milliarden-Investitionen<br />

notwendig. Es fehlen<br />

zurzeit aber klare Anreize für Kapitalgeber,<br />

Geld in solche Projekte zu stecken.<br />

Leider fühlt sich in Deutschland dafür<br />

auch niemand zuständig. Die Bundesnetzagentur<br />

überwacht lediglich die<br />

Netznutzungsgebühren.<br />

W&M: Konzeptlosigkeit in der Energiewende<br />

wird der Bundesregierung vielfach attestiert.<br />

Wie ist das Netzproblem zu lösen?<br />

FABER: Die massive Nutzung der Windenergie<br />

steht und fällt mit den Netzen.<br />

Auf Bundesebene muss eine eindeutige<br />

zentrale Verantwortlichkeit für den Netzausbau<br />

geschaffen werden. In der Finanzierung<br />

wäre es denkbar, die Bürger als<br />

Mitbetreiber von Netzen ins Boot zu holen.<br />

Sie könnten ähnlich wie beim Bedie<br />

ab einer Wassertiefe von 25 Metern<br />

eingesetzt werden könnten.<br />

Die Konferenz »Wind & Maritim« sollte<br />

nach Angaben von Netzwerkchef<br />

Iffländer auch den Schulterschluss von<br />

Offshore- und maritimer Industrie verstetigen.<br />

»Stromerzeugung auf dem Meer<br />

ist ohne maritime Erfahrungen nicht<br />

machbar.« Fast 100 Mitglieder umfasst<br />

inzwischen das Wind Energy Network,<br />

darunter sind zahlreiche Unternehmen<br />

aus der maritimen Wirtschaft und Zulieferer.<br />

Für die von der schweren Wirtschafts-<br />

und Finanzkrise arg gebeutelten<br />

Werften zeichnen sich in der Offshore-Industrie<br />

neue Marktchancen ab. Die Unternehmen<br />

sind nach dem Wegbrechen<br />

des Containerschiffbaus in Deutschland<br />

gezwungen, sich neu zu orientieren und<br />

mit innovativen Produkten aufzuwarten.<br />

Der Schiffbaubetrieb Nordic Yards mit<br />

Standorten in Wismar und Warnemünde<br />

präsentierte in Rostock das Projekt eines<br />

neuartigen Errichterschiffes. Der »Heavy<br />

Installer« kann komplett vormontierte<br />

Windkraftanlagen an Bord nehmen und<br />

zu den vorbereiteten Fundamenten auf<br />

See transportieren.<br />

Thomas Schwandt<br />

&<br />

INTERVIEW<br />

Netze sind Achillesferse der Windenergie<br />

PROF. TORSTEN FABER (47),<br />

Leiter des Instituts für Windenergietechnik<br />

an der Fachhochschule in Flensburg,<br />

über die Energiewende und fehlende Anreize<br />

für einen zügigen Netzausbau<br />

W&M: Taugt die Windenergie als Generallieferant<br />

von Strom?<br />

FABER: Unter Berücksichtigung der bereits<br />

in Deutschland installierten Leistung<br />

eindeutig ja. Wenn sich bei Windstärke<br />

6 alle Windkraftanlagen zugleich<br />

nur sechs Sekunden lang drehen würden,<br />

entstünde so viel Strom, dass der<br />

Jahresbedarf eines Bürgers für 50 Jahre<br />

gedeckt werden könnte.<br />

W&M: Demnach wäre das Energieproblem<br />

also gelöst?<br />

FABER: Das geschilderte Best-case-Szenario<br />

ist von der Realität weit entfernt. Die<br />

Windenergiebranche in Deutschland<br />

befindet sich derzeit in einer Konsolidierungsphase.<br />

In der Vergangenheit begangene<br />

Fehler werden behoben und es<br />

wird versucht, die entstandenen Probleme<br />

zu lösen.<br />

W&M: Zum Beispiel?<br />

FABER: Offshore-Windkraftanlagen in<br />

der Nordsee zu errichten, stellt sich als<br />

wesentlich teurer und zeitaufwendiger<br />

dar als ursprünglich kalkuliert. Für den<br />

Bau eines Windparks weit draußen auf<br />

dem offenen Meer werden zum Beispiel<br />

nicht nur einige wenige Schiffe benötigt.<br />

So war bei der Errichtung des ersten<br />

trieb von Windmühlen auch am Netzbetrieb<br />

mitverdienen. Es müssen nur<br />

klare Regelungen dafür her.<br />

W&M: Bei der Windenergie setzt die Bundesregierung<br />

stark auf den Offshore-Bereich.<br />

Eine kluge Strategie?<br />

FABER: Ich favorisiere einen soliden<br />

Energiemix. Die Offshore-Windenergie<br />

wird ein wichtiger Baustein der Energiewende<br />

sein. Zu bedenken ist aber, dass<br />

für ein Megawatt installierter Leistung<br />

bei Offshore meist doppelt so viel investiert<br />

werden muss wie bei Anlagen an<br />

Land. Die installierte Leistung auf hoher<br />

See wird insgesamt zunehmen, der<br />

Trend geht zu größeren Anlagen mit<br />

sechs bis zehn Megawatt Leistung. Aktuell<br />

sind fünf Megawatt das Limit. Künftige<br />

Anlagen werden wirtschaftlicher zu<br />

betreiben sein. Übrigens legt der Bund<br />

bei der Windenergie nicht einseitig das<br />

Gewicht auf Offshore. Auf Land und auf<br />

See existieren in Deutschland zurzeit<br />

Windkraftanlagen mit insgesamt rund<br />

30 Gigawatt installierter Leistung. Geplant<br />

ist, die Kapazität bei der Offshore-<br />

Windenergie auf 25 Gigawatt auszubauen<br />

– bis zum Jahr 2030.<br />

Interview: Thomas Schwandt<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 39


PORTRÄT<br />

Foto: H. Lachmann<br />

Schwingungs Diagnose Service GmbH<br />

Am lauten Puls der Maschinen<br />

Das Unternehmen im sächsischen Böhlen ist auf die Messung und Bewertung von Schallemissionen<br />

spezialisiert. Die zu begutachtenden Objekte reichen von Kraft- und Arbeitsmaschinen in<br />

Tagebauen und in Kraftwerken bis hin zu Straßenbahnen im lärmbelasteten Großstadtverkehr.<br />

Eine Kreuzung im Leipziger Norden.<br />

In Spitzenzeiten donnert hier, wo<br />

die Lindenthaler die Schumannstraße<br />

quert, alle zwei Minuten eine<br />

Straßenbahn vorbei. Direkt neben den<br />

Gleisen haben Männer in orangenen<br />

Westen ein Mikrofon aufgestellt. Daneben<br />

liegt auf dem Boden ein Messgerät,<br />

das anmutet wie eine verkabelte Gehwegplatte.<br />

Ein Team der Schwingungs Diagnose<br />

Service GmbH (SDS) misst an diesem<br />

Tag für Leipzigs Verkehrsbetriebe<br />

die Schallwellen, die vorbeifahrende<br />

Trams verursachen: Welche Lautstärke<br />

erzeugen sie? Welche Schwingungen wirken<br />

auf das Ohr, welche auf den Bauch?<br />

Werden Grenzwerte überschritten?<br />

Dies zu erkunden sei die Aufgabe ihrer<br />

Ingenieure, erläutert Johannes Köllner,<br />

der technische Geschäftsführer von<br />

SDS. Zu einem späteren Zeitpunkt würden<br />

diese Messungen dann wiederholt,<br />

um geplante Sanierungsmaßnahmen<br />

auf ihren Erfolg zu überprüfen.<br />

OPTIMALER WARTUNGSZEITPUNKT<br />

Straßenbahnen bilden indes nur eines<br />

von zahlreichen Einsatzfeldern der<br />

Schallexperten. Nicht ohne Grund hat<br />

die Firma ihren Sitz in Böhlen, quasi im<br />

Herzen des westsächsischen Energie- und<br />

Braunkohlereviers. Denn die Diagnose<br />

der gewaltigen Kraft- und Arbeitsmaschinen,<br />

Kohleförderbrücken, Chemieanlagen<br />

oder Dampferzeuger ist laut Gattin<br />

Sylvana Köllner das traditionelle Kerngeschäft.<br />

Auch hier werden Laufgeräusche<br />

und Körperschallemissionen unter Lastund<br />

Leistungsbedingungen geprüft.<br />

Mit raffinierter Technik diagnostizieren<br />

die Ingenieure und Techniker kaum<br />

noch wahrnehmbare Parameter wie<br />

Schwingweg, -beschleunigung und -geschwindigkeit,<br />

berichtet die kaufmännische<br />

Geschäftsführerin. Das Einsatzspektrum<br />

wachse unaufhörlich, ergänzt ihr<br />

Mann: »Wir untersuchen Stahlwerkskonstruktionen,<br />

große Wasserpumpen und<br />

Rohrleitungen auf schwingungstechnische<br />

Belastungen.« Zudem wuchte man<br />

Rotoren aus – im eingebauten Zustand<br />

und unter Betriebsbedingungen. Denn<br />

in jedem zweiten Fall verursachten Unwuchten<br />

rotierender Maschinenteile die<br />

unerwünschten Schwingungen – oft verschärft<br />

durch Verschleiß und Korrosion.<br />

»Moderne und leistungsfähige Maschinen<br />

sind ein bedeutender und kostenintensiver<br />

Produktionsfaktor«, weiß Johannes<br />

Köllner. Sicherheit, Zuverlässigkeit<br />

und Verfügbarkeit zählen da umso mehr.<br />

Zugleich sollten die Wartungskosten gering<br />

gehalten werden. Hier greift die<br />

Schwingungsdiagnose. »Wir liefern dem<br />

Betreiber wertvolle Informationen zum<br />

Zustand seiner Anlagen.« Diese könnten<br />

Wartung und Instandhaltung rechtzeitig<br />

planen und zum optimalen Zeitpunkt<br />

durchführen. »Warum soll man intakte<br />

Maschinen vorzeitig stilllegen, um sie zu<br />

warten?«, fragt er. Das verursache unnötige<br />

Kosten und störe die Produktion.<br />

Die Kunst der SDS-Diagnostiker besteht<br />

darin, den optimalen Zeitpunkt für<br />

die nächste Durchsicht zu finden. Keine<br />

Maschine dürfe ungeplant ausfallen, so<br />

Köllner. Der 46-Jährige sieht darin »die<br />

große Herausforderung, der wir uns täglich<br />

mit den Betreibern stellen«. Die eigenen<br />

Leute sind durchweg Spezialisten.<br />

Alles erfahrene Maschinenbauer, die genau<br />

wüssten, wie eine Anlage richtig<br />

tickt und welche Schallemissionen einen<br />

nahenden Schaden ankündigen.<br />

Immer häufiger ist SDS auch im Bausektor<br />

tätig. »Erschütterungen durch<br />

Bautätigkeiten beeinträchtigen Bauwerke,<br />

sie können aber auch den menschlichen<br />

Organismus schädigen«, sagt<br />

Köllner. So charterten viele Kunden die<br />

Böhlener Schallexperten speziell dazu,<br />

Bauarbeiten messtechnisch zu begleiten<br />

– und notfalls Warnzeichen zu geben.<br />

Die Intensität von Baumaßnahmen, etwa<br />

bei Rammarbeiten, solle so gesteuert<br />

werden, dass keine Folgeschäden entstünden<br />

und die gesetzlichen Grenzwerte<br />

eingehalten würden. So könne dann<br />

ein Hausbesitzer später nicht einfach behaupten,<br />

einen Riss in der Fassade habe<br />

die benachbarte Baustelle verursacht.<br />

KUNST DER RICHTIGEN DIAGNOSE<br />

»Poliklinik« steht groß über dem Gebäude,<br />

in dem SDS sein Labor betreibt. Das<br />

ist Zufall und bald auch Geschichte.<br />

Noch dieses Jahr bezieht die Firma ein<br />

neues Gebäude in Zwenkau. Ein Vergleich<br />

mit Ärzten scheint nicht so abwegig.<br />

Wie bei einem Mediziner besteht die<br />

Kunst auch bei SDS darin, aus Symptomen<br />

die richtige Diagnose zu erstellen<br />

und, falls nötig, eine heilende Therapie<br />

einzuleiten. Für Köllners ist die lang-<br />

FAMILIENBETRIEB: Hans-Jürgen Hornisch (M.) mit Tochter und Schwiegersohn.<br />

40 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


BERICHT<br />

Foto: Green Ventures<br />

jährige Erfahrung ihrer Ingenieure das<br />

wichtigste Kapital des Unternehmens.<br />

Das Ehepaar steht für die zweite Generation<br />

in der Firma. Zu Jahresbeginn<br />

übernahmen sie das Steuer. Privatisiert<br />

und erfolgreich in die Marktwirtschaft<br />

überführt hatte die frühere Fachabteilung<br />

des Böhlener Chemiekombinates<br />

Hans-Jürgen Hornisch, der Vater von Sylvana<br />

Köllner. 1994 war das. Tochter und<br />

Schwiegersohn lebten damals in Nordrhein-Westfalen.<br />

Hier war die Sächsin gelandet,<br />

nachdem sie 1989 auf abenteuerliche<br />

Weise über die deutsche Botschaft<br />

in Prag gen Westen geflohen war.<br />

Johannes Köllner war zuletzt Produktionsleiter<br />

bei einem mittelständischen<br />

Kunststoffverarbeiter, Sylvana arbeitete<br />

im kaufmännischen Bereich eines Industriebetriebes.<br />

Sie hatten Haus und Kind<br />

und eine Zukunft. Doch Hans-Jürgen<br />

Hornisch, der SDS bis 2011 führte, begann<br />

nach einem Nachfolger zu suchen.<br />

Die Entscheidung zum Umzug in den<br />

Leipziger Raum traf das Paar vor neun<br />

Jahren – rechtzeitig vor der Einschulung<br />

ihrer Tochter. Der Senior nahm sie<br />

schnell in Verantwortung, so dass sie hinreichend<br />

Zeit bekamen, sich in das sehr<br />

spezielle Metier einzuarbeiten. Mittlerweile<br />

lenken und leiten Sylvana und Johannes<br />

Köllner das Unternehmen, das<br />

neun Mitarbeiter hat und pro Jahr gut<br />

700.000 Euro Umsatz erwirtschaftet.<br />

KOOPERATION IN DER FORSCHUNG<br />

Johannes Köllner engagierte sich von Beginn<br />

an auch im Forschungsbereich. SDS<br />

hat einen sehr guten Namen bei wissenschaftlichen<br />

Partnern an verschiedenen<br />

sächsischen Hochschulen und Instituten.<br />

»Es gibt eben kaum Standards für<br />

das, was wir tun«, erzählt er. Ein Teil ihrer<br />

Methoden und Geräte müsse selbst<br />

entwickelt und von der Mannschaft in<br />

praxi stetig verfeinert werden.<br />

Zurzeit arbeite man mit Instituten in<br />

Freiberg und Chemnitz an einem neuen<br />

Mess- und Diagnoseverfahren für industrielle<br />

Thermoprozessanlagen. Damit<br />

ließen sich »über Sensoren zeitgleich optische<br />

Signale und Schwingungsdaten<br />

während des Betriebes erfassen«. Gefördert<br />

werde dieses Vorhaben vom Bund.<br />

»Forschungskooperationen sind für<br />

uns wichtig«, sagt Köllner. »Wir sind in<br />

vielen Branchen unterwegs und sehen<br />

täglich Problemstellungen, für die es weder<br />

Geräte noch Verfahren gibt.« Nur die<br />

gute Idee reiche nicht. Ein klassisches<br />

Budget für Forschung und Entwicklung<br />

könne eine kleine Firma schwer vorhalten.<br />

Ohne die Förderung ließen sich solche<br />

Projekte nicht erfolgreich umsetzen.<br />

Harald Lachmann<br />

&<br />

Unternehmertreffen am Templiner See<br />

Gefragte Kooperationsbörse in Grün<br />

Vertreter von Firmen und Institutionen aus 45 Ländern knüpften<br />

bei den 15. Green Ventures in Potsdam wirtschaftliche Kontakte<br />

International ging es Mitte Juni im<br />

idyllisch zwischen Pirschheide und<br />

Templiner See eingebetteten Seminaris<br />

Seehotel Potsdam zu: Bei den Green<br />

Ventures 2012 trafen sich nach Angaben<br />

des Veranstalters Vertreter von 220 Unternehmen<br />

und Institutionen aus 45 Ländern.<br />

Die Kooperationsbörse der Energieund<br />

Umweltbranche fand zum 15. Male<br />

statt, sie hat sich offenbar als Impulsgeber<br />

etabliert, so Brandenburgs Wirtschaftsminister<br />

Ralf Christoffers.<br />

Zur Auftaktveranstaltung am 14. Juni<br />

hatte René Kohl, Hauptgeschäftsführer<br />

der Industrie- und Handelskammer (IHK)<br />

Potsdam, die Teilnehmer begrüßt. »Das<br />

Kontaktforum legt den Fokus auf Kooperationsprojekte<br />

in den Bereichen Wasser,<br />

Luft und Boden, Energie und Bau sowie<br />

Recycling und regenerative Materialien«,<br />

sagte er. Franzjosef Schafhausen vom<br />

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit unterstrich<br />

die Vorbildfunktion Deutschlands<br />

bei der Nutzung der Erneuerbaren Energien.<br />

Die Energiewende sei »das zentrale<br />

Projekt der Bundesregierung«.<br />

In Gesprächsrunden nutzten die Unternehmensvertreter<br />

die Gelegenheit,<br />

sich über Investitionen und Konzepte<br />

auszutauschen und die Möglichkeiten<br />

der Zusammenarbeit auszuloten. Die in<br />

Hennigsdorf (Oberhavel) ansässige ZIM<br />

Plant Technology GmbH bietet eine Technologie<br />

an, die mittels Sensoren den<br />

Wasserbedarf von Pflanzen bestimmt.<br />

Firmengründer Ulrich Zimmermann<br />

konnte im vergangenen Jahr die ersten<br />

großen Aufträge verbuchen, die über<br />

frühere Kontakte im Rahmen der Börse<br />

entstanden. »Unsere Sonden werden heute<br />

auf brasilianischen Zuckerrohrfeldern<br />

genutzt. Zum Einsatz in Mangroven-Wäldern<br />

sind wir im Gespräch mit Partnern,<br />

die wir bei der Kooperationsbörse trafen«,<br />

informierte er .<br />

Auf dem Abendempfang des diesjährigen<br />

Partnerlandes Belgien betonte Christoffers:<br />

»Wir kennen die Chancen, aber<br />

auch die Herausforderungen der Energiewende<br />

sehr gut. Deshalb ist der internationale<br />

Austausch besonders wichtig.«<br />

Der Belgische Botschafter Renier Nijskens<br />

sprach vom Nachholbedarf beim<br />

Einsatz grüner Technologien. »Belgien ist<br />

noch nicht so weit wie Deutschland, was<br />

die Umstellung auf regenerative Energiequellen<br />

angeht. Das Land hat sich in<br />

den letzten Jahren jedoch ganz gut entwickelt,<br />

woraus viele Kooperationsmöglichkeiten,<br />

besonders in den Bereichen<br />

Recycling, Abwasser und Erneuerbare<br />

Energien, hervorgehen.«<br />

Ein Highlight der Veranstaltung: die<br />

Venture Capital Börse. Sie zeigte den Unternehmern,<br />

wie sie mit ihren Ideen und<br />

Innovationen auf Investoren zugehen<br />

können. Teilnehmer hatten die Möglichkeit,<br />

Konzepte von Clean Capital London,<br />

einem unabhängigen Londoner Finanzberatungsunternehmen,<br />

prüfen zu lassen<br />

und nach anschließender Beratung<br />

Investoren zu präsentieren. Abschluss<br />

des dreitägigen Forums bildete eine Exkursion<br />

zu Unternehmen und Projekten.<br />

IM DIALOG: Unternehmensvertreter erörtern<br />

Möglichkeiten der Zusammenarbeit.<br />

Im Solarpark Brandenburg-Briest wurde<br />

das von Q-Cells errichtete 91-Megawatt-<br />

Photovoltaik-Kraftwerk mit rund 383.000<br />

kristallinen Solarmodulen besichtigt, im<br />

Premnitzer Industriepark die Anlage von<br />

E.ON Energy from waste sowie die Firstwood<br />

GmbH besucht.<br />

Victor Stimming zog als Präsident des<br />

Veranstalters IHK Potsdam eine positive<br />

Bilanz: »In vielen Gesprächen wurde<br />

deutlich, wie sehr Know-how in den Bereichen<br />

Energie- und Umwelttechnik<br />

nachgefragt wird. Dementsprechend<br />

hoch ist auch das Potenzial für die wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Kooperationsprojekte.<br />

Wir freuen uns, dass wir<br />

auch in diesem Jahr vor allem die internationale<br />

Geschäftsanbahnung unterstützen<br />

und als Veranstaltung einen Teil<br />

zur Energiewende beitragen konnten.«<br />

Sten Seliger<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 41


Fotos: A. Pröber (4), T. Schwandt<br />

Karls Erlebnis-dorf<br />

Familienspaß<br />

in Erdbeer<br />

Karls Erlebnis-Dorf bei Rostock hat sich in zwei Jahrzehnten zum<br />

beliebtesten Ausflugsziel im Nordosten entwickelt. Erfolgsgeheimnis<br />

ist eine Symbiose aus Erdbeerschmaus und Freizeitvergnügen.<br />

Bauernmarkt und Scheunenromantik<br />

für die Älteren, Abenteuer und<br />

Tiererlebnisse für die Jüngeren. Es<br />

ist der Mix aus Freizeitspaß, Shoppingvergnügen<br />

und Gaumenschmaus, der die<br />

ganze Familie begeistert. Karls Erlebnis-<br />

Dorf in Rövershagen bei Rostock zählt<br />

jährlich über 1,5 Millionen Besucher und<br />

ist in Mecklenburg-Vorpommern das Ausflugsziel<br />

Nummer eins. Nur Rügens »Naturwunder«,<br />

der Königstuhl, lockt mehr<br />

Touristen-Busse im nordöstlichen Bundesland<br />

an. Aber auch diesen Superlativ<br />

will Karls Erlebnis-Dorf bald erreichen,<br />

sagt Marketingchefin Nadja Schriever.<br />

Mit landläufigen Freizeitparks lässt<br />

sich Karls Erlebnis-Dorf nicht vergleichen.<br />

Das beginnt bereits beim freien<br />

Eintritt ins Dorf. Der Besucher befindet<br />

sich nach wenigen Schritten mitten auf<br />

einem Marktplatz. Hier bekommt der<br />

Gast, was Hof und Garten an frischen<br />

Produkten zu bieten haben. Von Mai bis<br />

September dominieren frisch gepflückte<br />

Erdbeeren das bunte Treiben. Hunderte<br />

Körbchen finden täglich ihre Abnehmer.<br />

Es gibt Erdbeerkuchen, Erdbeer-Getränke<br />

und Erdbeerbrot. Rustikale Tische<br />

und Bänke laden zum Schlemmen ein.<br />

Freunde der regionalen Küche entdecken<br />

die typisch einheimischen Gerichte – je<br />

nach Jahreszeit stehen Spargel, Fisch<br />

oder Grünkohl auf der Karte. Frisch zubereitet<br />

in »Friedas Hofküche«, werden die<br />

Gerichte auf farbenfroher Bunzlauer Keramik<br />

serviert.<br />

Die ganze Familie ist eingeladen zu<br />

schmecken und zu schauen, was das<br />

Meckelbörger Leben traditionell prägte<br />

und prägt. Auf einem großen Gelände<br />

mit Scheunen und Ställen gibt es Pferde,<br />

Esel, Ziegen, Kühe, Schweine und Kaninchen,<br />

und fast jedes Tier lässt sich von<br />

den Kindern streicheln. Nur in der »Mäuseküche«<br />

finden sich die kleinen Nager<br />

hinter Glas, und jeder kann beobachten,<br />

was sie in Spüle oder Küchenschrank<br />

treiben.<br />

Mit einem Original-Traktor geht es<br />

auf Schienen für Groß und Klein quer<br />

durchs Dorfgetümmel. Wer mag, kann<br />

sich aus zehn Metern Höhe eine Kartoffelsackrutsche<br />

hinunterstürzen oder<br />

einen »Fliegenden Kuhstall« erleben.<br />

66 Attraktionen zählt die Erlebniswelt,<br />

zu der saisonbezogen eine Eis- oder Sandwelt,<br />

ein Mais-Labyrinth und vieles mehr<br />

gehören. Das neueste Highlight ist eine<br />

Kletterwelt für Kinder und Erwachsene<br />

unter dem Scheunendach.<br />

Bei den Jüngsten ganz hoch im Kurs<br />

ist jedoch Käpt’n Karls Tobeland auf 600<br />

Quadratmetern – ein Indoorspielplatz,<br />

der bis zum Dach reicht. Eltern und<br />

Großeltern können derweil bei einem<br />

gemütlichen Kaffeekränzchen die gewaltige<br />

Kaffeekannen-Sammlung bestaunen.<br />

Über 23.000 Exemplare stehen aufgereiht<br />

in den Regalen und haben Karls<br />

Erlebnis-Dorf im Jahr 2009 den Eintrag<br />

ins Guinness-Buch der Rekorde einge-<br />

42 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


BERICHT<br />

EINTRITT FREI: Ländliches Vergnügen.<br />

bracht. Schauen kann der Gast aber auch<br />

in die Bäckerei, die Marmeladenküche<br />

oder in die Bonbon-Manufaktur. »Wir erinnern<br />

an alte Traditionen und alte<br />

Handwerkskunst. Bei uns bekommt der<br />

Kunde in liebevoller Handarbeit gefertigte<br />

Produkte aus besten Rohstoffen, einfach<br />

etwas Besonderes«, schwärmt Nadja<br />

Schriever. Im größten Bauernmarkt<br />

Deutschlands findet der Besucher fast<br />

alles, was die Region auszeichnet – von<br />

Wurst- und Käseprodukten, einem besonderen<br />

Tröpfchen bis hin zu maritimen<br />

Mitbringseln und ländlicher Dekoration.<br />

Karls Erlebnis-Dorf fügt sich ein in die<br />

über 90-jährige Unternehmergeschichte<br />

der Familie Dahl. 1921 legte Großvater<br />

Karl Dahl in Bentwisch vor den Toren von<br />

Rostock mit einem Landwirtschaftsbetrieb<br />

den Grundstein zum Erfolg. Er<br />

bot frisches Obst und Gemüse auf den<br />

Wochenmärkten an und belieferte namhafte<br />

Gast- und Logierhäuser.<br />

Nach dem Krieg verschlug es die Familie<br />

nach Schleswig-Holstein, wo Sohn<br />

Karl-Heinz in Warnsdorf bei Lübeck<br />

ebenfalls Obstanbau betrieb. Er hatte<br />

sich als Vertragsbauer an einen Schwartauer<br />

Konfitüren-Hersteller gebunden<br />

und belieferte diesen mit Erdbeeren. Als<br />

sich 1989 die Grenzen öffneten, kauften<br />

die Schwartauer fortan nur noch billigere<br />

polnische Erdbeeren. Karl-Heinz<br />

Dahl musste komplett umstellen auf<br />

eigenen Direktvertrieb. Erdbeeren konnten<br />

nun auf dem Hof und später vielerorts<br />

in den inzwischen legendären Verkaufsständen<br />

im Erdbeer-Design gekauft<br />

werden.<br />

Die heranwachsenden Kinder Ulrike<br />

und Robert Dahl teilten schon bald die<br />

Leidenschaft für das Erdbeer-Geschäft.<br />

Während Ulrike Dahl in Warnsdorf die<br />

Geschicke in die Hand nahm, wandelte<br />

Robert Dahl nach der Wende auf den<br />

Spuren seines Großvaters. Er startete Mitte<br />

1993 in Rövershagen, nur wenige Kilometer<br />

entfernt von Bentwisch und dem<br />

einstigen Sitz des großelterlichen Betriebes,<br />

in die Selbstständigkeit. Der junge<br />

Obstbauer legte los mit einer Scheune,<br />

einem alten DDR-Bauwagen, provisorischem<br />

Telefonanschluss und einigen<br />

Stehtischen. Ideen, Mut und Entschlossenheit<br />

zahlten sich aus. Heute werden<br />

auf über 200 Hektar Erdbeeren angebaut.<br />

In der Spitze bieten 650 Verkäuferinnen<br />

die Früchte feil. Bis zu 2.000 Beschäftigte<br />

zählt der Betrieb in der Saison, 200 sind<br />

ganzjährig fest angestellt.<br />

Fragt man Besucher nach ihren Eindrücken,<br />

sind die Erdbeeren nur eine<br />

wunderbare Köstlichkeit am Rande. Die<br />

Erlebniskultur ist der Magnet. Das Geschäftsmodell<br />

floriert. Karls Erlebnis-<br />

Dorf gibt es seit kurzem auch auf der<br />

Insel Rügen. Bei Zirkow, an der Straße<br />

zu den Ostseebädern, können Familien<br />

ebenfalls »Friedas Hofküche« genießen<br />

und gemeinsam Abenteuer auf einem<br />

Bauernhof erleben. Auf der Insel Usedom<br />

soll bald Karl der Dritte folgen.<br />

Anette Pröber<br />

&<br />

PORTRÄT<br />

ROBERT DAHL, Inhaber von<br />

Karls Erlebnis-Dorf in Rövershagen<br />

Den Leuten eine<br />

Freude machen<br />

Bereits als 12-Jähriger hatte Robert Dahl<br />

für sich entdeckt, dass es einen gewissen<br />

Reiz habe, selbstständig etwas zu unternehmen.<br />

Kirschbaumzweige aus dem<br />

elterlichen Obstanbaubetrieb im ostholsteinischen<br />

Warnsdorf verkaufte er auf<br />

der Straße und erfuhr dabei ungewohnte<br />

Genugtuung: »Es fühlte sich gut an,<br />

den Leuten eine Freude zu machen.«<br />

Eine Motivation, die er sich bewahrt hat.<br />

Mit zehn Hektar Ackerland in Rövershagen<br />

bei Rostock startete der heute<br />

41-Jährige vor gut 20 Jahren den eigenen<br />

Erdbeer-Anbaubetrieb. Es wurde eher<br />

zufällig – die Bodenverwertungs- und<br />

-verwaltungs GmbH bot die Fläche zum<br />

Kauf an – eine Reise zu den Wurzeln der<br />

Familie Dahl in Ostdeutschland. »Mein<br />

Großvater Karl hatte in Bentwisch nahe<br />

Rövershagen 1921 einen Gemüse-Anbaubetrieb<br />

gegründet und bis zur Flucht in<br />

den Westen nach dem Krieg betrieben.«<br />

Eigene Ernte selbst vermarkten und zudem<br />

den Kunden Unterhaltung und<br />

Spaß bieten, dieses Geschäftsmodell<br />

kopierte Robert Dahl von den »Farmers’<br />

Markets« in den USA. Mit dem Vater hatte<br />

er häufig Kalifornien besucht, wo die<br />

Erdbeer-Anbauer als »Taktgeber der<br />

Entwicklung in der Branche« gelten.<br />

Das habe Spuren hinterlassen, sagt der<br />

dreifache Familienvater.<br />

Heute hat Karls Erlebnis-Dorf direkt an<br />

der Bundesstraße 105 zwischen Rostock<br />

und Ribnitz-Damgarten die Dimension<br />

großer »Farmers’ Markets« erreicht. Gut<br />

1,5 Millionen Besucher strömen jährlich<br />

in den ländlich geprägten Vergnügungskomplex.<br />

Dorf-Eigner Robert Dahl sucht<br />

permanent nach neuen Ideen und Impulsen,<br />

denn »die Menschen sollen sich<br />

wohlfühlen« in seinem Erdbeer-Reich.<br />

Thomas Schwandt<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 43


W&M-SERVICE<br />

DAS<br />

THEMA<br />

URLAUB<br />

Fristen für<br />

Ansprüche<br />

Der Anspruch auf eine Abgeltung<br />

des Urlaubs war bisher<br />

zeitlich befristet. Doch nun<br />

gibt es eine Kehrtwende.<br />

Der Erholungsurlaub muss laut<br />

Paragraf 7 Abs. 3 Satz 1 des Bundesurlaubsgesetzes<br />

im laufenden<br />

Kalenderjahr gewährt und<br />

genommen werden. Eine Übertragung<br />

des Urlaubs auf das<br />

nächste Kalenderjahr ist nur erlaubt,<br />

wenn dringende betriebliche<br />

oder persönliche Gründe<br />

vorliegen. Im Fall der Übertragung<br />

muss der Urlaub in den<br />

ersten drei Monaten des folgenden<br />

Kalenderjahres gewährt<br />

und genommen werden.<br />

Diese Befristung galt bisher<br />

grundsätzlich auch für den<br />

Anspruch auf Abgeltung des<br />

Urlaubs. Denn der Abgeltungsanspruch<br />

wurde in der Rechtsprechung<br />

als Ersatz (Surrogat)<br />

verstanden, wenn der Urlaub<br />

wegen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

nicht mehr<br />

genommen werden konnte.<br />

Im vorliegenden Fall war das<br />

Arbeitsverhältnis eines Managers<br />

am 31. Juli 2008 geendet.<br />

Dem Kläger standen zu diesem<br />

Zeitpunkt 16 Tage Urlaub zu.<br />

Mit einem Schreiben vom 6. Januar<br />

2009 verlangte er von der<br />

Firma erfolglos, diesen Urlaub<br />

abzugelten.<br />

Der Abgeltungsanspruch des<br />

Klägers sei nicht am 31. Dezember<br />

2008 untergegangen, entschieden<br />

nun die Richter des<br />

Bundesarbeitsgerichts (Az. 9<br />

AZR 652/10). Der gesetzliche<br />

Urlaubsabgeltungsanspruch<br />

unterlege als reiner Geldanspruch<br />

nicht dem Fristenregime<br />

des Bundesurlaubsgesetzes.<br />

Der Kläger musste deshalb die<br />

Abgeltung seines Urlaubsanspruchs<br />

nicht im Urlaubsjahr<br />

2008 verlangen. Das Bundesarbeitsgericht<br />

hält mit dieser<br />

Entscheidung nicht mehr an<br />

bisher gültigen so genannten<br />

Surrogatstheorie fest.<br />

KÜNDIGUNG<br />

Immer unter<br />

Beobachtung<br />

IM UNTERNEHMEN<br />

Eine Verkäuferin entwendete<br />

Zigarettenpackungen<br />

und wurde dabei von einer<br />

Videokamera beobachtet.<br />

Dies kann auch nach längerer<br />

Betriebszugehörigkeit zur<br />

Kündigung führen. Wurde die<br />

Tat durch eine verdeckte Videoüberwachung<br />

entdeckt,<br />

kann das Beweismaterial allerdings<br />

nicht ohne Weiteres<br />

verwertet werden. Es gilt, das<br />

Interesse des Arbeitgebers<br />

und den Schutz des informationellen<br />

Selbstbestimmungsrechts<br />

der Arbeitnehmerin<br />

abzuwägen. Bei verdeckter Videoüberwachung<br />

muss der<br />

konkrete Verdacht einer strafbaren<br />

Handlung oder einer<br />

anderen schweren Verfehlung<br />

bestehen und es keine Möglichkeit<br />

zur Aufklärung durch<br />

weniger einschneidende Maßnahmen<br />

geben. Unter diesen<br />

strengen Voraussetzungen<br />

wiederum stehen Vorschriften<br />

des Bundesdatenschutzgesetzes<br />

(BDSG) der verdeckten<br />

Videoüberwachung auch an<br />

öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen<br />

nicht entgegen<br />

(Bundesarbeitsgericht, Az. 2<br />

AZR 153/11).<br />

KRIMINALITÄT<br />

WERBUNG<br />

Hersteller<br />

schmierte ab<br />

Ein Produkt eines Herstellers<br />

von Fahrradschlössern<br />

wurde von der Stiftung<br />

Warentest gut beurteilt.<br />

Dies geschah im Jahr 2007. Im<br />

Jahr 2008 unterzog die Stiftung<br />

Warentest das Schloss<br />

einem Nachtest. Diesmal fiel<br />

das Produkt durch. Der negative<br />

Test erschien unter der<br />

Überschrift »S.. schmiert ab«.<br />

Gleichwohl bewarb die Firma<br />

ihr Produkt auch danach<br />

noch unter Hinweis auf die<br />

im Jahr 2007 erfolgte gute Bewertung.<br />

Der klagende Verbraucherschutzverein<br />

hat von<br />

der Beklagten u. a. die Unterlassung<br />

dieser Werbung verlangt.<br />

Das Pfälzische OLG<br />

Zweibrücken (Az. 4 U 17/10)<br />

hat die Beklagte nunmehr zur<br />

Unterlassung der Werbung<br />

mit dem überholten Testergebnis<br />

verurteilt. Zur Begründung<br />

hat es ausgeführt,<br />

die Werbung mit später ausdrücklich<br />

revidierten Testergebnissen<br />

sei irreführend.<br />

Ein Kunde werde ohne weiteres<br />

davon ausgehen, dass ihm<br />

nicht verschwiegen werde,<br />

wenn eine frühere Testbewertung<br />

nicht mehr aktuell sei.<br />

In Magdeburg grassiert der Fahrradklau<br />

In der Radler-Hochburg Münster werden fleißig Drahtesel gestohlen.<br />

Aber auch in Magdeburg sollten sich Radler nicht zu sicher sein.<br />

Stadt Diebstahl je<br />

100.000 Ew.<br />

Münster 1.756<br />

Bremen 1.156<br />

Lübeck 1.124<br />

Magdeburg 1.076<br />

Freiburg 1.036<br />

Quelle: Geld.de<br />

Stadt Diebstahl je<br />

100.000 Ew.<br />

Chemnitz 268<br />

Bochum 210<br />

Wiesbaden 191<br />

Stuttgart 181<br />

Wuppertal 79<br />

URTEIL AKTUELL<br />

Der Fall und DIE FOLGEN<br />

Kita-Kinder<br />

werfen Steine<br />

DER FALL: Der Inhaber einer<br />

Firma stellte sein Fahrzeug<br />

am Rande des Außenbereichs<br />

einer Kindertagesstätte ab und<br />

begab sich in das nebenstehende<br />

Gebäude. Auf dem Freigelände<br />

der Kita hielt sich eine<br />

Gruppe von acht Kindern auf,<br />

die von einer Erzieherin betreut<br />

wurden. Drei Kinder verließen<br />

die Gruppe und begaben<br />

sich in Richtung des<br />

Außenzaunes. Sie nahmen Steine<br />

in die Hand und warfen diese<br />

gegen das parkende Auto des<br />

Klägers. Es handelte sich um so<br />

viele Steine, dass insgesamt 21<br />

Dellen im Fahrzeug festgestellt<br />

wurden.<br />

DAS URTEIL: Die Stadt<br />

muss dem Kläger Schadensersatz<br />

wegen der Beschädigung<br />

seines Autos durch Kindergartenkinder<br />

zahlen. Dies hat der<br />

1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts<br />

Koblenz entschieden (Az.<br />

1 U 1086/11). Die Erzieherinnen<br />

der betreffenden Kita hätten in<br />

dem speziellen Einzelfall ihre<br />

Aufsichtspflicht verletzt.<br />

DIE FOLGEN: Eine permanenten<br />

Überwachung von Kinder<br />

ist in einer Kita nicht zu gewährleisten.<br />

Für die Frage der<br />

Aufsichtspflichtverletzung ist<br />

der Einzelfall entscheidend.<br />

Lockere große Kieselsteine, ein<br />

durchlässiger Zaun – in diesem<br />

Fall habe ein konkretes Gefahrenpotenzial<br />

für fremdes Eigentum<br />

vorgelegen. Wenn sich<br />

drei Kinder aus der Gruppe entfernen,<br />

dürften diese nicht<br />

länger unbeobachtet bleiben.<br />

Fazit der Richter: In einem solchen<br />

Fall der Amtshaftung<br />

müsse grundsätzlich die Kommune<br />

beweisen, dass die Erzieherinnen<br />

ihre Aufsichtspflicht<br />

erfüllt haben.<br />

Dies ist allerdings umstritten:<br />

Andere Obergerichte sehen<br />

den Geschädigten in der<br />

Pflicht, auch die Verletzung<br />

der Aufsichtspflicht beweisen<br />

zu müssen.<br />

44 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


W&M-SERVICE<br />

UNTERHALT<br />

Auch Kinder<br />

haben Hobbys<br />

Von geschiedenen Eheleuten,<br />

die Kinder betreuen,<br />

wird oft eine Vollzeittätigkeit<br />

verlangt.<br />

Sie sollen damit selbst für ihren<br />

Lebensunterhalt sorgen.<br />

Aber Kinder haben auch Freizeitaktivitäten.<br />

Wie sind<br />

diese mit der Arbeit des Erziehungsberechtigten<br />

zu vereinbaren?<br />

Im verhandelten Fall<br />

gab die geschiedene Ehefrau<br />

stundenweise Klavierunterricht.<br />

Bis zum frühen Nachmittag<br />

waren die Kinder in<br />

der Schule, anschließend<br />

fuhr die Mutter sie zu entfernt<br />

gelegenen Sportstätten.<br />

Der BGH (Az. XII ZR 65/10) hat<br />

dies anerkannt und eine<br />

Berufstätigkeit im Umfang von<br />

30 Stunden in der Woche als<br />

ausreichend erachtet. Da die<br />

Familie auf dem Land lebe,<br />

müsse die Mutter die Kinder<br />

zum Sport fahren. Dies sei ein<br />

kindbezogener Grund, der<br />

eine Vollzeittätigkeit der Mutter<br />

ausschließe.<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

RECHT IM ALLTAG<br />

BANKEN<br />

Unberechtigte<br />

Gebühren<br />

Die Benachrichtigung über<br />

eine nicht ausgeführte Buchung<br />

dürfen Banken nicht<br />

in Rechnung stellen.<br />

Banken dürfen von ihren Kunden<br />

keine Gebühr verlangen,<br />

wenn sie bei einer Einzugsermächtigung<br />

eine Buchung<br />

nicht ausführen und den Kunden<br />

darüber benachrichtigen.<br />

Die Richter des BGH erklärten<br />

eine entsprechende Klausel in<br />

Bankkundenverträgen für unwirksam<br />

(Az. XI ZR 290/11).<br />

Wie der BGH allerdings ebenfalls<br />

mitteilte, sollen die Allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen<br />

der Kreditwirtschaft Anfang<br />

Juli geändert werden.<br />

Dabei werde das Verfahren der<br />

Einzugsermächtigung neu geregelt.<br />

Nach dieser geplanten Änderung<br />

könnten die Banken wieder<br />

Gebühren für die Nichteinlösung<br />

verlangen, Grund:<br />

Es muss eine vorherige Autorisierung<br />

durch den Kunden<br />

vorliegen.<br />

WERBUNG<br />

Papierflut im<br />

Briefkasten<br />

Der Briefkasten ist zum Werbekasten<br />

geworden. Werbeprospekte<br />

und Anzeigenblätter<br />

sorgen für Ärger.<br />

Der »Keine Werbung«-Aufkleber<br />

hilft nicht immer. Es wird<br />

grundsätzlich zwischen der<br />

reinen Briefkastenwerbung<br />

und der Lieferung von Gratiszeitung<br />

mit redaktionellem<br />

Inhalt und losen Werbebeilagen<br />

unterschieden. »Das heißt<br />

nichts anderes, als dass kostenlose<br />

Anzeigenblätter, die neben<br />

viel Werbung auch einige<br />

kleine Artikel enthalten,<br />

trotzdem eingeworfen werden<br />

dürfen«, informiert Friederike<br />

Wagner von der Verbraucherzentrale<br />

Sachsen.<br />

Wer dies verhindern möchte,<br />

sollte sich an den Verlag wenden.<br />

Das Landgericht Lüneburg<br />

(Az. 4 S 44/11) urteilte,<br />

dass sich das Unternehmen<br />

daran halten muss und der<br />

Verbraucher dann nicht extra<br />

einen weiteren Aufkleber<br />

anbringen muss.<br />

➔<br />

Recht KOMPAKT<br />

NOTARE<br />

Nur in Deutschland<br />

Ein Berliner Notar ist mit dem Vorhaben<br />

gescheitert, Beurkundungen<br />

nach deutschem Recht in sämtlichen<br />

EU-Staaten zu erzwingen.<br />

Ein Berliner Notar hat vor dem Berliner<br />

Kammergericht mit seinem Ansinnen,<br />

eine Genehmigung für die Vornahme<br />

von Beurkundungen nach<br />

deutschem Recht und in deutscher<br />

Sprache in sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten<br />

außerhalb Deutschlands zu<br />

erhalten, keinen Erfolg gehabt (Kammergericht<br />

Berlin, Az. Not 27/11).<br />

Der Notar hatte gegenüber der Notarabteilung<br />

der Präsidentin des Kammergerichts<br />

angekündigt, im Oktober<br />

2011 in Rotterdam eine derartige Beurkundung<br />

vornehmen zu wollen und<br />

vorsorglich eine europaweite Genehmigung<br />

für vergleichbare Beurkundungstätigkeit<br />

beantragt. Im März<br />

2012 verlangte er die Genehmigung<br />

für die Beurkundung der Generalvollmacht<br />

eines in Den Haag lebenden<br />

deutschen Staatsbürgers. Nach Ablehnung<br />

beider Anträge erhob er erfolglos<br />

Klage. Der Notar habe weder<br />

einen Anspruch auf Genehmigung<br />

der Einzelbeurkundung in Den Haag<br />

noch auf Erteilung einer generellen<br />

Genehmigung. Die Bundesnotarordnung<br />

eröffne eine Genehmigungsmöglichkeit<br />

nur in besonderen Ausnahmefällen,<br />

die nicht vorlägen. Europarechtliche<br />

Regelungen führten zu<br />

keiner anderen Beurteilung. Es bestehe<br />

auch keine Veranlassung, die<br />

Sache zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens<br />

dem Europäischen<br />

Gerichtshof vorzulegen.<br />

Kein Anschluss unter dieser Nummer<br />

Von MATTHIAS SALM,<br />

Wirtschaftsjournalist, Berlin<br />

Die moderne Technik kann Fluch und Segen<br />

zugleich sein. Wer immer und überall erreichbar<br />

sein will, auch am Wochenende, muss damit<br />

rechnen, dass nicht nur Verwandte und Freunde,<br />

sondern auch das Unternehmen den direkten<br />

Draht über das Handy nutzt. Arbeiten überall<br />

und rund um die Uhr – was die Werbung<br />

als Statussymbol einer mobilen Gesellschaft<br />

feiert, kann aber schnell auch zur Überlastung<br />

führen. Smartphones machen es möglich.<br />

Das mobile Endgerät gleicht ständig Daten mit<br />

dem Netzwerkrechner im Betrieb ab und leitet<br />

E-Mails auch außerhalb der Bürozeiten an den<br />

Empfänger weiter. 88 Prozent der Berufstätigen<br />

sind einer Bitkom-Umfrage von 2011 zufolge<br />

auch außerhalb ihrer Arbeitszeit per Handy<br />

oder E-Mail erreichbar. Da hat das Wort Feierabend<br />

längst seine Bedeutung verloren. Bundesarbeitsministerin<br />

Ursula von der Leyen hat<br />

dieses Problem nun thematisiert und »psychischen<br />

Arbeitsschutz« eingefordert. Volkswagen<br />

z. B. war sich des Problems schon länger bewusst:<br />

Dort hat der Betriebsrat eine »Blackberry-Pause«<br />

nach Feierabend durchgesetzt.<br />

Nach Dienstschluss schaltet sich die E-Mail-<br />

Funktion automatisch ab. In den meisten Betrieben<br />

aber fehlt es an Regeln, wie mit solchen<br />

Informationen außerhalb der Dienstzeit umgegangen<br />

werden soll. Diese einzuführen, ist aber<br />

wohl eher eine betriebliche Angelegenheit als<br />

eine Aufgabe des Gesetzgebers. Und letztlich<br />

muss sich auch der Arbeitnehmer hinterfragen,<br />

wenn er die ständige Erreichbarkeit als Ausdruck<br />

seiner Leistungsbereitschaft wertet.<br />

DISKRIMINIERUNG<br />

Rechtzeitig reagieren<br />

Wer eine berufliche Diskriminierung<br />

nach dem Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz<br />

geltend machen will,<br />

muss Fristen einhalten.<br />

Zu beachten ist für alle Ansprüche auf<br />

Schadensersatz die Zweimonatsfrist<br />

des Paragrafen 15 Abs. 4 AGG. Wird<br />

eine Bewerbung abgelehnt, so beginnt<br />

die Frist in dem Moment, in dem<br />

der Bewerber von der Benachteiligung<br />

Kenntnis erlangt. Leer ging eine Klägerin<br />

aus, die sich im November<br />

2007 vom Text einer Stellenanzeige<br />

diskriminiert fühlte. Dort suchte eine<br />

Firma für ihr »junges Team in der City<br />

motivierte Mitarbeiter/innen« im Alter<br />

von 18 bis 35 Jahren. Die 41jährige<br />

Klägerin erhielt im November 2007<br />

auf ihre Bewerbung eine Absage. Die<br />

Klage wegen Altersdiskriminierung<br />

am 29. Januar 2008 kam zu spät<br />

(BAG, Az. 8 AZR 188/11).<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 45


W&M-SERVICE<br />

DAS<br />

THEMA<br />

INTERVIEW<br />

GELDANLAGE<br />

Fonds wird<br />

geschlossen<br />

Worauf Anleger im Fall<br />

einer Fondsschließung<br />

achten sollten, erklären<br />

Verbraucherschützer.<br />

Eigentlich haben offene Investmentfonds<br />

eine unbegrenzte<br />

Laufzeit. Doch manchmal<br />

schließen Anbieter ihr Fondsprodukt<br />

wegen mangelnder<br />

Rentabilität. In der Regel müssen<br />

Fondsgesellschaften eine<br />

Schließung 13 Monate vorher<br />

ankündigen – im Bundesanzeiger<br />

und im Jahres- oder<br />

Halbjahresbericht. Es gibt drei<br />

Optionen: Ist der Fonds nur<br />

vorübergehend geschlossen,<br />

können Anteilseigner laut Verbraucherzentrale<br />

Nordrhein-<br />

Westfalen abwarten und auf<br />

Besserung hoffen. Allerdings<br />

sollten Anleger zum Beispiel<br />

bei offenen Immobilienfonds<br />

bis zu 30 Monate Geduld mitbringen.<br />

Zweite Option: Die<br />

Anteile an der Börse verkaufen.<br />

Dabei müssen Anleger jedoch<br />

mit teils deutlichen Verlusten<br />

rechnen. Ist eine endgültige<br />

Schließung angekündigt, können<br />

Investoren die Anteile entweder<br />

sofort verkaufen oder<br />

sich nach der Fondsauflösung<br />

auszahlen lassen. Dritte Möglichkeit:<br />

Die Fondsgesellschaft<br />

macht ein Umtauschangebot.<br />

In diesem Fall können Anleger<br />

ihre betroffenen Anteile gegen<br />

die Anteile eines anderen<br />

Fonds eintauschen. Dasselbe<br />

gilt für die Neuanlage des Geldes<br />

bei einem Umtausch.<br />

Tipps der Verbraucherschützer<br />

bei Umtauschangeboten:<br />

Ausgabeaufschlag: Bei einer<br />

Fondsschließung sollte der<br />

Umtausch kostenfrei sein,<br />

schließlich erfolgt er nicht<br />

freiwillig. Gebühren: Investoren<br />

sollten sich über die Höhe<br />

der Gebühren des neuen Fonds<br />

informieren und Angebote mit<br />

erfolgsabhängiger Vergütung<br />

(Performance Fee) meiden.<br />

Mehr Infos: www.vz-nrw.de/<br />

fondsschließung, www.test.de<br />

GESUNDHEIT<br />

Älter und<br />

dynamischer<br />

Ein weiteres Wachstum des<br />

Gesundheitssektors<br />

prophezeien die Experten<br />

der Deutschen Bank.<br />

So soll bis 2020 die Gesundheitswirtschaft<br />

in Deutschland<br />

ihren Anteil am Bruttoinlandsprodukt<br />

von heute<br />

11,5 Prozent auf bis zu 13 Prozent<br />

steigern.<br />

Das habe zum einen mit einem<br />

zunehmenden Gesundheitsbewusstsein<br />

und zum<br />

anderen mit der demografischen<br />

Entwicklung zu tun:<br />

Die Zahl der über 65-Jährigen<br />

steige bis 2050 von 16,8 Millionen<br />

auf über 23 Millionen<br />

Deutsche. So entstehe ein in<br />

Zukunft noch größerer Bedarf<br />

an Gesundheitsgütern<br />

und -leistungen. Profitieren<br />

sollen Anbieter wie Krankenhäuser<br />

oder Arztpraxen. Vor<br />

allem private Krankenhäuser<br />

seien bisher Gewinner des<br />

Strukturwandels auf dem<br />

Krankenhausmarkt.<br />

Die Analysten von Close<br />

Brothers Seydler empfehlen<br />

die Prime-Standard-Aktie der<br />

Marseille-Kliniken zum Kauf.<br />

AKTIENMARKT<br />

BAUBRANCHE<br />

Stein auf Stein<br />

gegen die Krise<br />

Mit vier Prozent Umsatzwachstum<br />

2012 rechnet<br />

der Branchenverband<br />

Deutsche Bauindustrie.<br />

Laut Verbandspräsident Thomas<br />

Bauer habe die Branche<br />

mit dem starken Jahresauftakt<br />

erfolgreich an 2011 anknüpfen<br />

können. Vor allem<br />

das Bauhauptgewerbe werde<br />

weiter wachsen. Sowohl der<br />

Wohnungs- als auch der Wirtschaftsbau<br />

sowie der öffentliche<br />

Bau legten in den vergangenen<br />

Monaten bei den<br />

Auftragseingängen zu.<br />

Zurückzuführen sind die<br />

positiven Zahlen auf gestiegene<br />

Investitionstätigkeiten der<br />

Unternehmen und den Run<br />

auf Immobilien durch die Finanzkrise.<br />

In Deutschland<br />

sind die Preise für Wohneigentum<br />

wegen der Inflationsangst<br />

und niedrigen Zinssätzen<br />

zuletzt kräftig gestiegen.<br />

Eine Empfehlung sprechen<br />

die Experten von Equinet dem<br />

MDax-Papier Hochtief AG aus.<br />

Den Baudienstleister sehen<br />

sie bei einem Kursziel von 67<br />

Euro als klaren Kauf.<br />

DAX BÖRSENSTARS<br />

+<br />

WKN 520000 Beiersdorf + 16,32%<br />

WKN 578560 Fresenius + 15,97%<br />

WKN 604843 Henkel + 09,92%<br />

WKN 578580 Fresenius Medical Care + 09,11%<br />

WKN 716460 SAP + 04,72%<br />

Beiersdorf: Der Kosmetikhersteller profitiert weiterhin von guten Zahlen und einer<br />

Sortimentsbereinigung.<br />

Kurs-Performance 1 Jahr; Schluss: 25.06.2012<br />

DAX BÖRSENFLOPS<br />

–<br />

WKN 750000 ThyssenKrupp - 64,17%<br />

WKN 803200 Commerzbank - 55,49%<br />

WKN 725750 Metro - 44,97%<br />

WKN KSAG88 K+S - 39,89%<br />

WKN 823212 Deutsche Lufthansa - 37,81%<br />

ThyssenKrupp: Das Vorsteuerergebnis des Stahlkonzerns verringerte sich im ersten<br />

Halbjahr (10/11 – 03/12) konjunkturbedingt deutlich. Der Verkauf ausländischer Werke<br />

soll Besserung bringen. Kurs-Performance 1 Jahr; Schluss: 25.06.2012<br />

Quelle: W&M, ohne Gewähr<br />

DR. EUGEN<br />

LÖFFLER,<br />

Allianz Global<br />

Investors, zu<br />

asiatischen<br />

Anleihen<br />

Bis zu acht Prozent<br />

W&M: Herr Löffler, was macht<br />

Asien-Anleihen attraktiv?<br />

LÖFFLER: Unter westlichen Industriestaaten<br />

werden Staatsanleihen<br />

bester Bonität knapp.<br />

Asiatische Wachstumsländer<br />

wie Indonesien oder Philippinen<br />

konnten ihre Bewertungen<br />

stetig verbessern – durch<br />

ein starkes Wirtschaftswachstum<br />

und durch eine niedrigere<br />

Verschuldung. Die erwartete<br />

Verschuldungsquote ausgewählter<br />

asiatischer Länder beträgt<br />

2012 etwa 50 Prozent im<br />

Verhältnis zum BIP. In den G-7-<br />

Staaten sind es laut IWF 93 Prozent<br />

im Durchschnitt.<br />

W&M: Welche Zinsen kann ich bei<br />

Asien-Anleihen erwarten?<br />

LÖFFLER: Asiatische Anleihen<br />

werfen durchschnittlich eine<br />

Rendite in lokaler Währung<br />

von 4,2 Prozent pro Jahr ab.<br />

Staatsanleihen aus Indonesien<br />

oder den Philippinen rentieren<br />

bei fast sechs, aus Indien bei<br />

über acht Prozent. Anleihen<br />

der G-7-Staaten sind im Durchschnitt<br />

mit 2,5 Prozent verzinst.<br />

Unternehmensanleihen<br />

aus Asien rentieren aktuell mit<br />

durchschnittlich 5,8 Prozent<br />

auch höher als Unternehmensanleihen<br />

aus Industriestaaten.<br />

W&M: Sind die Schuldner solide?<br />

LÖFFLER: Durchaus. Vergessen<br />

Sie nicht die Devisenreserven<br />

der asiatischen Staaten. Mehr<br />

als 60 Prozent der weltweiten<br />

Währungsreserven liegen inzwischen<br />

in Asien.<br />

W&M: Es gibt aber nur wenige<br />

Asienanleihen in Euro.<br />

LÖFFLER: Dafür erscheinen<br />

Währungsgewinne möglich.<br />

Viele asiatische Währungen<br />

sind laut »Big-Mac-Index« wohl<br />

unterbewertet. Der Index vergleicht<br />

die Preise eines Big Mac<br />

in unterschiedlichen Ländern<br />

in der inländischen Währung<br />

– ein grober Indikator für die<br />

Kaufkraft einer Währung.<br />

46 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


W&M-SERVICE<br />

Foto: BHW Bausparkasse<br />

SEB<br />

Immobilien im<br />

mobilen Asien<br />

SEB Asset Management bietet<br />

einen Asien-Fonds, der<br />

auf börsennotierte Immobiliengesellschaften<br />

setzt.<br />

Das neue Produkt »SEB Asia<br />

Pacific REIT Fund« hat laut Anbieter<br />

ausschließlich Anteile<br />

von Immobilien-AGs im asiatisch-pazifischen<br />

Raum im<br />

Portfolio. Die Region entwickle<br />

sich weltweit am dynamischsten,<br />

biete eine hohe Dividendenrendite<br />

und eine große<br />

Auswahl an REITs (Real Estate<br />

Investment Trusts). Das SEB-<br />

Fondsanagement geht aktuell<br />

von einer Rendite von etwa<br />

sieben Prozent auf Portfolioebene<br />

aus. Um Risiken zu<br />

minimieren, würden die REITs<br />

anhand eines qualitativen<br />

sowie quantitativen Screening-<br />

Modells ausgewählt. Die Kriterien:<br />

attraktive Risiko-Rendite-<br />

Kennzahlen, bewährtes<br />

Management sowie überzeugende<br />

Corporate Governance.<br />

WKN: A1JVA2<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

GELD & ANLAGE<br />

BVI<br />

Aktien runter,<br />

Renten rauf<br />

Spezialfonds für institutionelle<br />

Anleger erweisen sich<br />

gegenwärtig als Erfolgsmodell<br />

am Markt.<br />

42 Milliarden Euro sammelte<br />

die Investmentwirtschaft in<br />

dieser Produktgruppe 2011 bei<br />

Profi-Investoren ein, sieben<br />

Milliarden mehr als im Durchschnitt<br />

der letzten zehn Jahre.<br />

Laut Bundesverband Investment<br />

und Asset Management<br />

(BVI) erreichte das ausschließlich<br />

für Versicherungen, Banken<br />

und Kapitalanlagegesellschaften<br />

verwaltete Vermögen<br />

Ende 2011 mit 1,132 Billionen<br />

Euro ein neues Allzeithoch.<br />

Der Großteil entfalle mit 813<br />

Milliarden Euro auf das Erfolgsmodell<br />

Spezialfonds. Dabei<br />

sank der Anteil an Aktien<br />

in den Portfolien 2011 auf ein<br />

Zehnjahrestief (11,2 Prozent),<br />

der Anteil der Rentenpapiere<br />

am Vermögen wuchs weiter<br />

auf 70,6 Prozent.<br />

www.bvi.de<br />

UBS<br />

Rohstoffe für<br />

Risikobewusste<br />

Für einen einfachen Zugang<br />

zum Rohstoffsektor sorgt<br />

die Gesellschaft UBS Global<br />

Asset Management.<br />

Die weltweite Rohstoffnachfrage<br />

steigt, die Preise ziehen an.<br />

Davon sollen Anleger profitieren<br />

und zwar mit dem Fonds<br />

»Lux Equity SICAV – Basic<br />

Materials«. Er investiert laut<br />

Anbieter allein in Rohstoffaktien<br />

aus den Branchen Chemie,<br />

Bergbau, Metall und Forst.<br />

Neben den Standardwerten<br />

kaufe der Fonds auch gezielt<br />

Small und Mid Caps, um das<br />

Wachstumspotenzial des<br />

Marktes zu nutzen. Um das<br />

Risiko zu streuen, habe der<br />

aktiv gemanagte Fonds etwa<br />

40 bis 60 Titel im Portfolio, von<br />

denen keiner mehr als zehn<br />

Prozent gewichtet werde. Zu<br />

den Positionen gehören zum<br />

Beispiel Rio Tinto, BASF oder<br />

Linde. Geeignet ist der Fonds<br />

nur für risikobereite Anleger.<br />

WKN: A1JVCD<br />

➔<br />

Geld KOMPAKT<br />

FINANZIERUNG<br />

Kreditfluss stabil<br />

Die Kreditaufnahme für deutsche<br />

Unternehmen soll trotz Eurokrise<br />

stabil sein, meldet die staatliche<br />

Förderbank KfW.<br />

Gemeinsam mit 20 Wirtschaftsverbänden<br />

startete sie eine diesbezügliche<br />

Umfrage bei 6.000 Unternehmen.<br />

Mit 24 Prozent der Befragten<br />

sehen sich zwar mehr Unternehmen<br />

mit Erschwernissen bei<br />

der Kreditaufnahme konfrontiert<br />

als mit Erleichterungen (7 Prozent).<br />

Gegenüber dem Vorjahr sei der<br />

Anteil der Berichte über Schwierigkeiten<br />

jedoch um fünf Prozentpunkte<br />

gesunken. Besonders häufig<br />

(33 Prozent) meldeten kleine Unternehmen<br />

mit weniger als einer Million<br />

Euro Jahresumsatz Erschwernisse<br />

bei der Kreditaufnahme.<br />

COMPLIANCE<br />

Sorglose Manager<br />

Deutsche Manager sehen das<br />

Thema Korruption gelassen und<br />

nehmen es nicht so genau, wenn<br />

ein Abschwung droht.<br />

Bargeld ist laut einer Studie der<br />

Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young<br />

zwar nur noch für zwei Prozent der<br />

Befragten das Mittel zur Kundengewinnung.<br />

Doch sei die Zustimmung<br />

zu persönlichen Geschenken<br />

von vier auf zwölf Prozent gestiegen.<br />

Mehr als 1.750 Manager weltweit,<br />

darunter zahlreiche Finanzvorstände,<br />

wurden für die Studie befragt –<br />

50 davon aus Deutschland.<br />

Deutsche Auto-Hersteller haben sich global aufgestellt<br />

Der Autoabsatz in Europa wird 2012 im fünften<br />

Jahr in Folge sinken – darin sind sich die Wirtschaftsprüfer<br />

von PwC und die Ratingagentur<br />

Moody’s einig. Während PwC mit einem Minus<br />

von fünf Prozent rechnet, prognostiziert<br />

Moody’s sogar einen Rückgang von sechs Prozent.<br />

Da passt es ins Bild, dass die General<br />

Motors-Tochter Opel, Fiat oder Peugeot mit Problemen<br />

zu kämpfen haben.Ganz anders sieht<br />

es bei Audi, BMW, Mercedes, Porsche und VW<br />

aus. Alle haben im Jahr 2011 ihren Umsatz und<br />

Gewinn kräftig gesteigert. Bei BMW und bei VW<br />

wurden sogar neue Absatzrekorde erzielt. Doch<br />

wie kann es innerhalb einer Branche zu solchen<br />

Gegensätzen kommen? Bei genauer Betrachtung<br />

löst sich das Rätsel: Die deutschen Hersteller<br />

haben ihren Absatz und ihre Produktion<br />

schon frühzeitig globalisiert. So hat VW bereits<br />

Von GERD RÜCKEL,<br />

CEFA-Wertpapieranalyst, Frankfurt/M.<br />

vor drei Jahrzehnten erste Produktionsstätten<br />

in China gebaut. Mittlerweile wird mehr als<br />

die Hälfte der von deutschen Autobauern<br />

hergestellten Karossen im Ausland gefertigt.<br />

Nun wird der Erfolg dieser Globalisierungsstrategie<br />

geerntet. Denn während die Autoabsätze<br />

in Europa weiter sinken, steigen sie<br />

weltweit stark an. Insgesamt wurden 2011<br />

mehr als 65 Millionen Pkw neu zugelassen.<br />

Von der hervorragenden Positionierung der<br />

deutschen Fahrzeughersteller können Anleger<br />

auch künftig noch profitieren. Die durch Konjunktursorgen<br />

der Börsianer zuletzt deutlich<br />

gedrückten Aktienkurse sind für langfristig<br />

orientierte Anleger interessant. Insbesondere<br />

BMW, Daimler und VW sollten auch in Zukunft<br />

von sinkenden Absatzzahlen in Europa kaum<br />

betroffen sein.<br />

FUSSBALL<br />

Es läuft rund<br />

Die Bundesliga ist die profitabelste<br />

unter den »Big Five«-<br />

Ligen in England, Deutschland,<br />

Frankreich, Italien und Spanien.<br />

Laut Unternehmensberatung<br />

Deloitte steht die deutsche Bundesliga<br />

mit einem Gesamterlös von<br />

1,75 Milliarden Euro auf Platz<br />

zwei hinter der englischen Premier<br />

League (2,5 Miliarden Euro), erwirtschaftete<br />

aber in der Saison<br />

2010/11 mit 171 Millionen (plus<br />

24 Prozent) das beste Betriebsergebnis<br />

und bleibt damit zum dritten<br />

Mal in Folge die profitabelste Liga<br />

vor England (75 Millionen Euro<br />

Gewinn).<br />

Die Gesamterlöse der Top-Five<br />

stiegen um zwei Prozent auf<br />

8,6 Milliarden Euro. Das ist rund<br />

die Hälfte des Gesamtumsatzes auf<br />

dem europäischen Fußballmarkt.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12<br />

47


W&M-SERVICE<br />

DAS THEMA<br />

PHOTOVOLTAIK<br />

Richtlinie für<br />

Solaranlagen<br />

Die Versicherungswirtschaft<br />

hat eine Technische Richtlinie<br />

für Photovoltaikanlagen<br />

veröffentlicht.<br />

Immer wieder fallen Photovoltaikanlagen<br />

aus, weil sie nicht<br />

fachgerecht geplant oder installiert<br />

wurden. Darauf weist<br />

der Gesamtverband der Deutschen<br />

Versicherungswirtschaft<br />

e.V. (GDV) in seinem technischen<br />

Leitfaden für Photovoltaikanlagen<br />

hin. Die Fehler, die von<br />

Planern und Installateuren<br />

gemacht werden, sind vielfältig.<br />

»Die Dachstatik wird nicht<br />

richtig berechnet, es werden<br />

falsche Annahmen über die<br />

Schneelast getroffen oder<br />

unterdimensionierte Gestelle<br />

installiert«, berichtet Bernhard<br />

Gause, Mitglied der GDV-Hauptgeschäftsführung.<br />

Dabei lassen<br />

sich viele Schäden vermeiden.<br />

Wichtig ist, dass die technischen<br />

Standards für Solarstromanlagen<br />

eingehalten werden.<br />

»Leider ist das in der Praxis<br />

nicht immer der Fall«, weiß<br />

Versicherungsexperte Gause.<br />

Aus diesem Grund hat der GDV<br />

den technischen Leitfaden<br />

Photovoltaik entwickelt. Der<br />

Leitfaden richtet sich an Planer,<br />

Installateure, Prüfer und<br />

Betreiber von Solarstromanlagen.<br />

Ziel ist es, Betriebsunterbrechungen<br />

und Sachschäden zu<br />

minimieren oder ganz zu vermeiden.<br />

Ein mangelhafter Schutz stellt<br />

nicht nur die Wirtschaftlichkeit,<br />

sondern auch den Versicherungsschutz<br />

infrage. »Wenn bei<br />

größeren Photovoltaikanlagen<br />

nicht fachgerecht gearbeitet<br />

wurde, übernimmt der Versicherer<br />

das Risiko nur unter Auflagen<br />

oder bietet keinen Schutz<br />

an«, so Gause. Betreiber von<br />

Photovoltaikanlagen sollten<br />

daher von Beginn an den Versicherer<br />

in die Planung mit einbeziehen.<br />

Aber auch die Auswahl<br />

des Planers und des Installateurs<br />

ist entscheidend.<br />

MANAGER<br />

Schaden droht<br />

auch privat<br />

Wenn bei Managern eine<br />

unbegrenzte persönliche<br />

Haftung droht, ist ein<br />

guter Schutz gefragt<br />

Die personenbezogene Berufshaftpflichtversicherung<br />

eignet<br />

sich sowohl als Ergänzung<br />

zu einer bestehenden Unternehmens-D&O<br />

(Directors &<br />

Officers Liability, zu deutsch<br />

Managerhaftpflichtversicherung)<br />

als auch für Kunden,<br />

die noch nicht über eine finanzielle<br />

Absicherung verfügen.<br />

Anders als die Unternehmens-D&O,<br />

die sich nach dem<br />

Schadenmeldeprinzip richtet<br />

und zudem eine Versicherung<br />

für fremde Rechnung ist, orientiert<br />

sich die persönliche<br />

Berufshaftpflichtversicherung<br />

nach dem Verstoßprinzip,<br />

also an dem in der Vermögensschaden-Haftpflicht<br />

üblichen<br />

Grundsatz, dass für die<br />

zeitliche Einordnung eines<br />

Schadenfalles der Zeitpunkt<br />

des angeblichen Fehlers maßgeblich<br />

ist. Die Allcura Versicherungs-AG<br />

bietet ihren Kunden<br />

zeitlich unbegrenzten,<br />

unverfallbaren Versicherungsschutz<br />

auch nach Vertragsende.<br />

IM UNTERNEHMEN<br />

GEWERBE<br />

Schutz vor den<br />

Naturgewalten<br />

Der Volkswohl Bund hat<br />

seine Deckungskonzepte<br />

um den Schutz gegen Elementarschäden<br />

erweitert.<br />

Experten sind sich einig: Extreme<br />

Unwetter werden immer<br />

häufiger auftreten. Wenn<br />

durch solche Ereignisse in einem<br />

Gewerbebetrieb das Inventar<br />

oder der Vorrat vernichtet<br />

wird, steht für einen<br />

Gewerbetreibenden schnell<br />

die Existenz auf dem Spiel.<br />

Sechsstellige Schadensummen<br />

sind im gewerblichen Bereich<br />

schnell erreicht. Schutz<br />

bietet in diesen Fällen die Elementarschadenversicherung,<br />

die ab sofort über die gewerblichen<br />

Deckungskonzepte der<br />

Volkswohl Bund Sachversicherung<br />

AG vereinbart werden<br />

kann.<br />

Der Versicherer bietet für<br />

klein- und mittelständische<br />

Betriebe neun branchenspezifische<br />

Deckungskonzepte an:<br />

Bau- und Garten, Bestattungsunternehmen,<br />

Bewachungsunternehmen,<br />

Büro-Betriebe,<br />

Einzelhandel, Gastgewerbe,<br />

Hausmeister und Gebäudereiniger,<br />

medizinische Therapie<br />

und Schönheitspflege.<br />

ALTERSVORSORGE<br />

An der Altersvorsorge wird gespart<br />

Die aktuelle Krisensituation führt zu steigender Zurückhaltung.<br />

Die häufigsten Ansichten zur Altersvorsorge (Angaben in Prozent):<br />

Sachwerte wichtiger<br />

Gesetzl. Rente ausreichend<br />

Riesterrente rentabel<br />

Kapital-Lebensv. am sichersten<br />

Kapital-Lebensv. zu ertragsschwach<br />

Immobilien nur schwer verkäuflich<br />

Fondsgebundene Vorsorge am besten<br />

Quelle: Heidelberger Lebensversicherung<br />

33<br />

24<br />

22<br />

21<br />

19<br />

15<br />

15<br />

VORSORGE<br />

Keine Lust auf<br />

Versicherungen<br />

In der Finanzkrise beschränken<br />

sich viele Sparer auf die<br />

gesetzliche Rente, Sachwerte<br />

und die Förderung vom Staat.<br />

Das geht aus einer Umfrage der<br />

GfK Marktforschung im Auftrag<br />

der Heidelberger Lebensversicherung<br />

hervor. Ein Drittel der<br />

Befragten hält Sachwerte wie Immobilien<br />

für wichtiger als Finanzwerte.<br />

Fast ein Viertel gibt an, dass<br />

ihnen die Gesetzliche Rentenversicherung<br />

ausreicht. Als private<br />

Altersvorsorge wird die Riester-<br />

Rente am positivsten eingeschätzt:<br />

22 Prozent halten sie für<br />

rentabel, weil der Staat Geld dazu<br />

THOMAS<br />

BAHR,<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

der Heidelberger<br />

Lebensversicherung<br />

AG.<br />

gibt. Auf den nächsten Plätzen<br />

folgt die klassische Kapitallebensversicherung:<br />

21 Prozent<br />

halten sie für die sicherste Vorsorgeform,<br />

während 19 Prozent<br />

überzeugt sind, dass sie zu wenig<br />

Ertrag bringt (siehe Grafik).<br />

Das Ergebnis zeige, dass die<br />

Mehrheit der Menschen absolute<br />

Sicherheit sucht und Rendite vor<br />

allem über staatliche Zuschüsse<br />

anstrebt, interpretiert Thomas<br />

Bahr, Vorstandsvorsitzender der<br />

Heidelberger Leben, das Ergebnis<br />

der Umfrage.<br />

Wer seinen Lebensstandard im<br />

Alter halten wolle, müsse aber<br />

entweder höhere Renditechancen<br />

suchen oder mehr zur Seite legen.<br />

Immobilien seien auf dem deutschen<br />

Markt entweder bereits zu<br />

teuer oder später nur schwer verkäuflich.<br />

Dieser Tatsache sei sich nur eine<br />

Minderheit (15 Prozent) bewusst.<br />

Ebenfalls nur 15 Prozent können<br />

sich für fondsgebundene Vorsorgeprodukte<br />

erwärmen, selbst<br />

wen sie mit Garantieanteilen<br />

ausgerüstet sind.<br />

48 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


W&M-SERVICE<br />

Foto: DAVG<br />

RENTE<br />

Ost-Männer<br />

als Verlierer<br />

Bei den zwischen 1956 und<br />

1965 Geborenen führen<br />

Brüche in den Erwerbsbiografien<br />

zu Renteneinbußen.<br />

Arbeitslosigkeit, Teilzeitarbeit,<br />

geringfügige Beschäftigung<br />

und Scheinselbstständigkeit<br />

führen dazu, dass die Generation<br />

der Baby-Boomer teilweise<br />

weniger Anwartschaften in<br />

der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

erwirbt als die Generation<br />

davor, so eine Untersuchung<br />

des Deutschen Instituts<br />

für Wirtschaftsforschung<br />

DIW. Vor allem ostdeutsche<br />

Männer werden im Durchschnitt<br />

über weniger Entgeltpunkte<br />

verfügen als die vorangegangenen<br />

Jahrgänge. Sie<br />

sind stärker von Arbeitslosigkeit<br />

betroffen und haben mehr<br />

Brüche in ihren Erwerbsverläufen.<br />

Ostdeutsche Frauen haben<br />

hingegen im Mittel nur geringfügig<br />

niedrigere Rentenanwartschaften<br />

zu erwarten als<br />

Frauen vorheriger Jahrgänge.<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

Amtliches Pflegeelend<br />

Der Bundesminister für Gesundheit, Daniel<br />

Bahr (FDP), steht mit seinen 36 Lenzen noch in<br />

der Blüte seines Lebens. Wie viele andere seiner<br />

Generation dürfte er der Meinung sein,<br />

Pflegebedürftigkeit sei ein Problem, das in<br />

ferner Zukunft für ihn selbst mal eine Rolle<br />

spielen könnte. Anders ist es jedenfalls nicht<br />

zu erklären, dass Bahr im Rahmen eines Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes<br />

(PNG) die Einführung<br />

einer staatlichen Förderung in Höhe von<br />

sage und schreibe fünf Euro pro Monat für eine<br />

private Pflegezusatzversicherung vorgeschlagen<br />

hat. Die fünf Euro soll jeder bekommen,<br />

der eine private Pflegetagegeldversicherung<br />

über einen Mindestbetrag von zehn Euro monatlich<br />

abschließt. Das Grundprinzip stimmt<br />

zwar. Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht<br />

zur Deckung der Pflegekosten nicht aus und<br />

PRIVAT<br />

HAUSRAT<br />

Baukasten zur<br />

freien Auswahl<br />

Die Allianz hat für die private<br />

Haftpflicht- und die Hausratversicherung<br />

ein individuelles<br />

Bausteinkonzept.<br />

Zu dem Grundschutz können<br />

Kunden je nach Bedarf verschiedene<br />

Zusatzbausteine<br />

hinzuwählen. Die Hausratversicherung<br />

beinhaltet bereits<br />

im Grundschutz neue Leistungen<br />

wie beispielsweise<br />

Phishing-Schäden bei Online-<br />

Banking. Auch die Kosten für<br />

die Wiederherstellung privater<br />

Dateien oder Programme werden<br />

übernommen. Überspannungsschäden<br />

durch Gewitter<br />

sind im Grundschutz enthalten.<br />

Wer sich über den Grundschutz<br />

hinaus für den Zusatzbaustein<br />

»SicherheitPlus«<br />

entscheidet, ist auch gegen<br />

Diebstahl abgesichert. Werden<br />

Gegenstände aus dem Auto,<br />

Gartenmöbel, der Grill oder<br />

der Kinderwagen gestohlen, so<br />

ist dies unbegrenzt bis zur Versicherungssumme<br />

abgedeckt.<br />

VERSICHERUNG<br />

Besser als die<br />

Finanzmärkte<br />

Zuletzt waren die deutschen<br />

Lebensversicherer in ihrer<br />

Anlagepolitik meist besser<br />

als die Finanzmärkte.<br />

Zu diesem Ergebnis kam eine<br />

Untersuchung des Branchendienstes<br />

map-Report. Wer 1992<br />

50.000 Euro in eine Sofortrente<br />

einzahlte, bekam bei den besten<br />

Gesellschaften mehr als<br />

das Doppelte des ursprünglichen<br />

Kapitals an Rente ausgezahlt.<br />

Im Durchschnitt wurden<br />

96.372 Euro ausgezahlt.<br />

Rund 11.500 Euro oder fast<br />

zwölf Prozent mehr schaffte<br />

die Allianz Lebensversicherung<br />

AG als Spitzenreiter. Das<br />

Ergebnis wird dadurch beeinflusst,<br />

dass die Renditen von<br />

Anleihen – der bevorzugten<br />

Anlageart der Lebensversicherer<br />

– in der Vergangenheit<br />

höher lagen als heute. Es gebe<br />

keine Garantien dafür, dass<br />

die Anlagepolitik der Lebensversicherer<br />

weiter so erfolgreich<br />

ist, warnt map-Report.<br />

Von HANS PFEIFER,<br />

Versicherungsjournalist, Berlin<br />

eine private, kapitalgedeckte Ergänzung ist<br />

dringend notwendig. Trotzdem ist »Pflege-Bahr«<br />

– wie das Fördervehikel bereits genannt wird –<br />

ziemlicher Unfug. Die einkommensunabhängige<br />

Gießkannenförde-rung für jedermann benachteiligt<br />

die wirklichen Bedürftigen mit kleinen<br />

Einkommen. Fünf Euro Zulage auf nur zehn<br />

Euro verlangten Beitrag dürfte zu Minisparsummen<br />

führen. Die Festlegung auf Pflegetagegeldversicherungen<br />

ist ein nettes Geschenk an die<br />

privaten Krankenversicherer, aber sehr einseitig,<br />

denn die Pflegerentenversicherungen der<br />

Lebensversicherer haben Vorteile. Übrigens:<br />

Das Pflegekostenrisiko von Minister Bahr beträgt<br />

unter Berücksichtigung seines Alters, der<br />

statistischen Pflegewahrscheinlichkeit und der<br />

durchschnittlichen Pflegedauer in Pflegestufe III<br />

knapp 120.000 Euro – nach heutigen Preisen.<br />

➔Assekuranz KOMPAKT<br />

HAUSRAT<br />

Einbrüche nehmen zu<br />

Mit fast 133.000 Fällen wurden<br />

2010 9,3 Prozent mehr Wohnungseinbrüche<br />

registriert als noch im<br />

Jahr 2010.<br />

Die Aufklärungsquote ist gering. Sie<br />

erreichte gerade mal 16,2 Prozent.<br />

Dabei sind die wenigsten Täter Profis,<br />

meistens handelte es sich um Gelegenheitseinbrecher,<br />

die sich schon<br />

durch einfache, aber wirkungsvolle<br />

Sicherungen und Präventionsmaßnahmen<br />

von ihren Taten abhalten<br />

ließen, so die Polizei.<br />

WOHNUNGEN besser sichern.<br />

BAV<br />

Großes Interesse<br />

Drei Viertel der Arbeitnehmer<br />

wünschen, dass ihr Arbeitgeber<br />

sich aktiv für ihre betriebliche<br />

Altersvorsorge (bAV) engagiert.<br />

Ebenso viele sind bereit, auf einen<br />

Teil ihres Gehalts zugunsten einer<br />

Betriebsrente zu verzichten; bei<br />

den unter 35-Jährigen sind es sogar<br />

83 Prozent. Insgesamt wird die bAV<br />

als zweitwichtigste Einkommensquelle<br />

im Ruhestand genannt. Zu diesen<br />

Ergebnissen kommt die Towers-Watson-Studie<br />

»Altersversorgung und bAV<br />

aus der Arbeitnehmerperspektive«.<br />

KFZ-VERSICHERUNG<br />

Versicherte zufrieden<br />

Mehr als 50 Prozent der Kunden<br />

gaben bei einer Befragung an,<br />

mit den Leistungen ihres Kfz-<br />

Versicherers eher zufrieden zu sein.<br />

Das ergab die Befragung des Deutschen<br />

Instituts für Service-Qualität<br />

(DISQ) im Auftrag des Fernsehsenders<br />

n-tv. Mehr als jeder vierte<br />

Befragte war sogar sehr zufrieden.<br />

Nicht zufrieden zeigten sich nur rund<br />

13 Prozent der Teilnehmer.<br />

Beliebtester Kfz-Versicherer wurde<br />

die Direktversicherung HUK24.<br />

VHV platzierte sich unter allen bewerteten<br />

Unternehmen auf dem<br />

zweiten Rang und wurde damit<br />

beliebtester Kfz-Filialversicherer.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 49


W&M-SERVICE<br />

DAS THEMA<br />

WEB-RECHT<br />

HEIMVERNETZUNG<br />

Wachstum<br />

garantiert<br />

Die Nachfrage nach vernetzbarer<br />

Unterhaltungselektronik,<br />

Computern<br />

und Mobil-Geräten wächst.<br />

Der Umsatz mit Produkten<br />

der Heimvernetzung steigt in<br />

diesem Jahr auf 18,3 Milliarden<br />

Euro. Ein Jahr zuvor waren es<br />

noch 16,2 Milliarden. Das entspricht<br />

einer Steigerung von<br />

rund 13 Prozent, wie der Hightech-Verband<br />

BITKOM bekannt<br />

gab. »Die Vernetzung von Computern,<br />

Smartphones und Fernsehern<br />

wird in immer mehr<br />

Haushalten zum Standard«,<br />

erklärte dazu BITKOM-Hauptgeschäftsführer<br />

Dr. Bernhard<br />

Rohleder. »Auf die Vorteile<br />

der vernetzten Geräte wie die<br />

Nutzung von Online-Videotheken<br />

direkt auf dem Fernseher<br />

wollen viele Verbraucher nicht<br />

mehr verzichten.« Mittlerweile<br />

machen vernetzbare Produkte<br />

fast zwei Drittel (65 Prozent)<br />

des Umsatzes von Informationsund<br />

Kommunikationstechnik<br />

bei Privatverbrauchern aus.<br />

Die Vernetzung von klassischer<br />

Unterhaltungselektronik, Computern<br />

und mobilen Geräten<br />

verändert auch die Art, wie<br />

Medien konsumiert werden.<br />

Fernsehen und Internet werden<br />

häufig parallel genutzt. Insgesamt<br />

surfen 77 Prozent der<br />

Internetnutzer in Deutschland<br />

mit Laptop, Smartphone und<br />

Co, während sie gleichzeitig<br />

fernsehen.<br />

Zum Vergleich: Nur 48 Prozent<br />

der deutschen Onliner lesen<br />

Zeitung, während sie dabei Radio<br />

hören. Am häufigsten wird<br />

mit dem Laptop vor dem Fernseher<br />

gesurft. Jeder zweite Internetnutzer<br />

(51 Prozent) greift<br />

dafür auf seinen mobilen Rechner<br />

zurück. Ebenfalls beliebt<br />

sind stationäre PC (35 Prozent)<br />

und Smartphones (21 Prozent).<br />

Mit 82 Prozent werden am<br />

häufigsten Internetinhalte aufgerufen,<br />

die nichts mit dem<br />

TV-Programm zu tun haben.<br />

INTERNET<br />

Neue Namen<br />

im Web<br />

Unternehmen können<br />

dank neuer Adress-Endungen<br />

eigene Top-Level-<br />

Domains beantragen.<br />

Die Internet-Verwaltung<br />

Icann hat die Bewerbungen<br />

um neue, so genannte Top-<br />

Level-Domains vorgestellt.<br />

Aus Deutschland gab es 70 Anfragen.<br />

Dazu gehören spezielle<br />

Adress-Endungen für Städte,<br />

wie .berlin, .hamburg und<br />

.köln. Auch viele Dax-Unternehmen<br />

haben eine eigene<br />

Adress-Endung beantragt,<br />

etwa BMW, SAP und Deutsche<br />

Post. Die Inhaber einer<br />

Wunsch-Domain werden zum<br />

Internet-Unternehmen. Sie<br />

müssen die Technik zum Betrieb<br />

der Domain stellen und<br />

entscheiden, wer eine Website<br />

mit ihrer Adress-Endung<br />

verwenden darf. Weltweit<br />

sind 1.930 Bewerbungen seit<br />

Beginn des Jahres bei der<br />

Icann eingegangen. Einige<br />

Unternehmen wollen sich<br />

gleich mehrere der generischen<br />

Top-Level-Domains<br />

(gTLD) sichern: Amazon hat<br />

sich etwa auf 76 Adress-Endungen<br />

beworben, meldet der<br />

Branchenverband BITKOM.<br />

IM UNTERNEHMEN<br />

Die Reise wird im Netz gebucht<br />

M-COMMERCE<br />

Online-Branche<br />

optimistisch<br />

Die Online-Branche erwartet<br />

für 2012 insgesamt<br />

eine Steigerung der<br />

M-Commerce Umsätze.<br />

Dies geht aus der aktuellen<br />

Expertenbefragung »Trend in<br />

Prozent« des Bundesverbands<br />

Digitale Wirtschaft (BVDW)<br />

e. V. hervor. Im direkten Vergleich<br />

zur Entwicklung der<br />

gesamten E-Commerce-Umsätze<br />

gehen 72 Prozent der Befragten<br />

von einem stärkeren<br />

Wachstum für Mobile-Commerce-Umsätze<br />

aus. Einig ist<br />

sich die Mehrheit der Teilnehmer,<br />

dass M-Commerce in<br />

Zukunft als bedeutsamer Teil<br />

einer Multi-Channel-Strategie<br />

für den Handel gelten wird.<br />

Entscheidende Gründe für<br />

den Erfolg von M-Commerce<br />

sind der Verbreitungsgrad<br />

von Smartphones und Tablet<br />

PC, die einfache Handhabung<br />

und die generelle Akzeptanz<br />

der Kunden. Mehr als die Hälfte<br />

der Befragten (57 Prozent)<br />

gehen davon aus, dass der M-<br />

Commerce dem E-Commerce<br />

in den nächsten fünf Jahren<br />

signifikante Umsatzanteile<br />

abwerben wird, so die BVDW-<br />

Umfrage.<br />

INTERNET-BUCHUNGEN<br />

Ein immer größerer Anteil der Deutschen bucht spezielle Reiseleistungen<br />

im Internet. Favoriten sind Übernachtungen und Flüge.<br />

Im Internet gebucht Reiseleistungen (Angaben in Millionen)<br />

Übernachtungen 23,6<br />

Flüge 20,7<br />

Bahnfahrkarten 14,9<br />

Pauschalreisen 13,9<br />

Mietwagen 10,3<br />

Schiffsreisen 3,9<br />

Quelle: BITKOM<br />

APPS<br />

Schutz gegen Fallen<br />

Abzocke per App – darüber ärgern<br />

sich viele Smartphone- und Tablet-<br />

Besitzer. Schutz gegen die Kostenfallen<br />

ist gefragt.<br />

Die Falle lauert oft hinter Werbebannern,<br />

die Abos für Klingeltöne<br />

oder ähnliche Dienste anpreisen. -<br />

Ein unbeabsichtigtes Tippen auf das<br />

Banner kann ausreichen, um ein<br />

kostenpflichtiges Abo zu aktivieren.<br />

Kassiert wird die Abo-Gebühr über<br />

die monatliche Mobilfunkrechnung,<br />

warnt die Verbraucherzentrale NRW.<br />

Technisch geschieht dies über das<br />

sogenannte WAP-Billing. Dieses ermöglicht<br />

das unkomplizierte Bezahlen<br />

per Smartphone, da keine Kontooder<br />

Kreditkartendaten angegeben<br />

werden müssen.<br />

Wer das Werbebanner antippt, löst<br />

eine Übermittlung der Rufnummer<br />

des Verbrauchers aus. So können<br />

die Abzocker den Mobilfunkanbieter<br />

ermitteln und einen Zahlungsvorgang<br />

für das angebotene Abo auslösen.<br />

Um nicht Opfer dieser App-Abzocke<br />

zu werden, empfiehlt die Verbraucherzentrale<br />

NRW:<br />

– Sperren einrichten: Kunden ist es<br />

neuerdings per Gesetz gestattet, die<br />

Abrechnung derartiger Dienste über<br />

die Mobilfunkrechnung zu unterbinden.<br />

Dazu sollte der Mobilfunkanbieter<br />

aufgefordert werden, die Identifizierung<br />

des Anschlusses für die Inanspruchnahme<br />

oder Abrechnung solcher<br />

Abo-Fallen kostenfrei zu sperren.<br />

Doch Vorsicht: Wer eine vollständige<br />

Sperre verlangt, kann auch keine<br />

nützlichen Dienste mehr, wie die mobile<br />

Buchung von Fahrkarten, per<br />

WAP-Billing bezahlen, geben die Experten<br />

der Verbraucherzentrale NRW<br />

zu bedenken. Wer nicht gänzlich auf<br />

WAP-Dienste verzichten möchte, sollte<br />

sich daher informieren, ob eine<br />

Teilsperrung eingerichtet werden<br />

kann.<br />

– Drahtlosnetzwerke (W-LAN) nutzen:<br />

Die Abo-Falle funktioniert nur bei Geräten,<br />

die per eingelegter SIM-Karte<br />

eine Verbindung zum Mobilfunknetz<br />

aufbauen. Wer dagegen drahtlos über<br />

das heimische Netzwerk (W-LAN) auf<br />

das Internet zugreift, ist zumindest in<br />

den eigenen vier Wänden geschützt.<br />

– Rechnung beanstanden:<br />

Wer bereits in die Falle getappt ist,<br />

kann den entsprechenden Rechnungsposten<br />

binnen acht Wochen<br />

beanstanden. Die Beschwerde ist an<br />

den Anbieter zu richten, dessen Forderung<br />

bestritten wird.<br />

Musterbriefe zur Einrichtung einer<br />

Sperre oder zur Beanstandung der<br />

Rechnung können auf der Seite der<br />

Verbraucherzentrale runtergeladen<br />

werden: http://www.vz-nrw.de<br />

50 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


W&M-SERVICE<br />

DAS THEMA<br />

WEB-RECHT<br />

HEIMVERNETZUNG<br />

Wachstum<br />

garantiert<br />

Die Nachfrage nach vernetzbarer<br />

Unterhaltungselektronik,<br />

Computern<br />

und Mobil-Geräten wächst.<br />

Der Umsatz mit Produkten<br />

der Heimvernetzung steigt in<br />

diesem Jahr auf 18,3 Milliarden<br />

Euro. Ein Jahr zuvor waren es<br />

noch 16,2 Milliarden. Das entspricht<br />

einer Steigerung von<br />

rund 13 Prozent, wie der Hightech-Verband<br />

BITKOM bekannt<br />

gab. »Die Vernetzung von Computern,<br />

Smartphones und Fernsehern<br />

wird in immer mehr<br />

Haushalten zum Standard«,<br />

erklärte dazu BITKOM-Hauptgeschäftsführer<br />

Dr. Bernhard<br />

Rohleder. »Auf die Vorteile<br />

der vernetzten Geräte wie die<br />

Nutzung von Online-Videotheken<br />

direkt auf dem Fernseher<br />

wollen viele Verbraucher nicht<br />

mehr verzichten.« Mittlerweile<br />

machen vernetzbare Produkte<br />

fast zwei Drittel (65 Prozent)<br />

des Umsatzes von Informationsund<br />

Kommunikationstechnik<br />

bei Privatverbrauchern aus.<br />

Die Vernetzung von klassischer<br />

Unterhaltungselektronik, Computern<br />

und mobilen Geräten<br />

verändert auch die Art, wie<br />

Medien konsumiert werden.<br />

Fernsehen und Internet werden<br />

häufig parallel genutzt. Insgesamt<br />

surfen 77 Prozent der<br />

Internetnutzer in Deutschland<br />

mit Laptop, Smartphone und<br />

Co, während sie gleichzeitig<br />

fernsehen.<br />

Zum Vergleich: Nur 48 Prozent<br />

der deutschen Onliner lesen<br />

Zeitung, während sie dabei Radio<br />

hören. Am häufigsten wird<br />

mit dem Laptop vor dem Fernseher<br />

gesurft. Jeder zweite Internetnutzer<br />

(51 Prozent) greift<br />

dafür auf seinen mobilen Rechner<br />

zurück. Ebenfalls beliebt<br />

sind stationäre PC (35 Prozent)<br />

und Smartphones (21 Prozent).<br />

Mit 82 Prozent werden am<br />

häufigsten Internetinhalte aufgerufen,<br />

die nichts mit dem<br />

TV-Programm zu tun haben.<br />

INTERNET<br />

Neue Namen<br />

im Web<br />

Unternehmen können<br />

dank neuer Adress-Endungen<br />

eigene Top-Level-<br />

Domains beantragen.<br />

Die Internet-Verwaltung<br />

Icann hat die Bewerbungen<br />

um neue, so genannte Top-<br />

Level-Domains vorgestellt.<br />

Aus Deutschland gab es 70 Anfragen.<br />

Dazu gehören spezielle<br />

Adress-Endungen für Städte,<br />

wie .berlin, .hamburg und<br />

.köln. Auch viele Dax-Unternehmen<br />

haben eine eigene<br />

Adress-Endung beantragt,<br />

etwa BMW, SAP und Deutsche<br />

Post. Die Inhaber einer<br />

Wunsch-Domain werden zum<br />

Internet-Unternehmen. Sie<br />

müssen die Technik zum Betrieb<br />

der Domain stellen und<br />

entscheiden, wer eine Website<br />

mit ihrer Adress-Endung<br />

verwenden darf. Weltweit<br />

sind 1.930 Bewerbungen seit<br />

Beginn des Jahres bei der<br />

Icann eingegangen. Einige<br />

Unternehmen wollen sich<br />

gleich mehrere der generischen<br />

Top-Level-Domains<br />

(gTLD) sichern: Amazon hat<br />

sich etwa auf 76 Adress-Endungen<br />

beworben, meldet der<br />

Branchenverband BITKOM.<br />

IM UNTERNEHMEN<br />

Die Reise wird im Netz gebucht<br />

M-COMMERCE<br />

Online-Branche<br />

optimistisch<br />

Die Online-Branche erwartet<br />

für 2012 insgesamt<br />

eine Steigerung der<br />

M-Commerce Umsätze.<br />

Dies geht aus der aktuellen<br />

Expertenbefragung »Trend in<br />

Prozent« des Bundesverbands<br />

Digitale Wirtschaft (BVDW)<br />

e. V. hervor. Im direkten Vergleich<br />

zur Entwicklung der<br />

gesamten E-Commerce-Umsätze<br />

gehen 72 Prozent der Befragten<br />

von einem stärkeren<br />

Wachstum für Mobile-Commerce-Umsätze<br />

aus. Einig ist<br />

sich die Mehrheit der Teilnehmer,<br />

dass M-Commerce in<br />

Zukunft als bedeutsamer Teil<br />

einer Multi-Channel-Strategie<br />

für den Handel gelten wird.<br />

Entscheidende Gründe für<br />

den Erfolg von M-Commerce<br />

sind der Verbreitungsgrad<br />

von Smartphones und Tablet<br />

PC, die einfache Handhabung<br />

und die generelle Akzeptanz<br />

der Kunden. Mehr als die Hälfte<br />

der Befragten (57 Prozent)<br />

gehen davon aus, dass der M-<br />

Commerce dem E-Commerce<br />

in den nächsten fünf Jahren<br />

signifikante Umsatzanteile<br />

abwerben wird, so die BVDW-<br />

Umfrage.<br />

INTERNET-BUCHUNGEN<br />

Ein immer größerer Anteil der Deutschen bucht spezielle Reiseleistungen<br />

im Internet. Favoriten sind Übernachtungen und Flüge.<br />

Im Internet gebucht Reiseleistungen (Angaben in Millionen)<br />

Übernachtungen 23,6<br />

Flüge 20,7<br />

Bahnfahrkarten 14,9<br />

Pauschalreisen 13,9<br />

Mietwagen 10,3<br />

Schiffsreisen 3,9<br />

Quelle: BITKOM<br />

APPS<br />

Schutz gegen Fallen<br />

Abzocke per App – darüber ärgern<br />

sich viele Smartphone- und Tablet-<br />

Besitzer. Schutz gegen die Kostenfallen<br />

ist gefragt.<br />

Die Falle lauert oft hinter Werbebannern,<br />

die Abos für Klingeltöne<br />

oder ähnliche Dienste anpreisen. -<br />

Ein unbeabsichtigtes Tippen auf das<br />

Banner kann ausreichen, um ein<br />

kostenpflichtiges Abo zu aktivieren.<br />

Kassiert wird die Abo-Gebühr über<br />

die monatliche Mobilfunkrechnung,<br />

warnt die Verbraucherzentrale NRW.<br />

Technisch geschieht dies über das<br />

sogenannte WAP-Billing. Dieses ermöglicht<br />

das unkomplizierte Bezahlen<br />

per Smartphone, da keine Kontooder<br />

Kreditkartendaten angegeben<br />

werden müssen.<br />

Wer das Werbebanner antippt, löst<br />

eine Übermittlung der Rufnummer<br />

des Verbrauchers aus. So können<br />

die Abzocker den Mobilfunkanbieter<br />

ermitteln und einen Zahlungsvorgang<br />

für das angebotene Abo auslösen.<br />

Um nicht Opfer dieser App-Abzocke<br />

zu werden, empfiehlt die Verbraucherzentrale<br />

NRW:<br />

– Sperren einrichten: Kunden ist es<br />

neuerdings per Gesetz gestattet, die<br />

Abrechnung derartiger Dienste über<br />

die Mobilfunkrechnung zu unterbinden.<br />

Dazu sollte der Mobilfunkanbieter<br />

aufgefordert werden, die Identifizierung<br />

des Anschlusses für die Inanspruchnahme<br />

oder Abrechnung solcher<br />

Abo-Fallen kostenfrei zu sperren.<br />

Doch Vorsicht: Wer eine vollständige<br />

Sperre verlangt, kann auch keine<br />

nützlichen Dienste mehr, wie die mobile<br />

Buchung von Fahrkarten, per<br />

WAP-Billing bezahlen, geben die Experten<br />

der Verbraucherzentrale NRW<br />

zu bedenken. Wer nicht gänzlich auf<br />

WAP-Dienste verzichten möchte, sollte<br />

sich daher informieren, ob eine<br />

Teilsperrung eingerichtet werden<br />

kann.<br />

– Drahtlosnetzwerke (W-LAN) nutzen:<br />

Die Abo-Falle funktioniert nur bei Geräten,<br />

die per eingelegter SIM-Karte<br />

eine Verbindung zum Mobilfunknetz<br />

aufbauen. Wer dagegen drahtlos über<br />

das heimische Netzwerk (W-LAN) auf<br />

das Internet zugreift, ist zumindest in<br />

den eigenen vier Wänden geschützt.<br />

– Rechnung beanstanden:<br />

Wer bereits in die Falle getappt ist,<br />

kann den entsprechenden Rechnungsposten<br />

binnen acht Wochen<br />

beanstanden. Die Beschwerde ist an<br />

den Anbieter zu richten, dessen Forderung<br />

bestritten wird.<br />

Musterbriefe zur Einrichtung einer<br />

Sperre oder zur Beanstandung der<br />

Rechnung können auf der Seite der<br />

Verbraucherzentrale runtergeladen<br />

werden: http://www.vz-nrw.de<br />

50 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


INGENIEUR-NACHRICHTEN<br />

Fotos: Flughafen Berlin Brandenburg, T. George<br />

KOMMENTAR<br />

Von DR. NORBERT MERTZSCH,<br />

Vorsitzender des VBIW e.V.<br />

Jobmotor Flughafen<br />

Nicht nur viele unserer Mitglieder<br />

fragen skeptisch: »Wann er denn<br />

endlich kommt und wird er wirklich<br />

ein Jobmotor?« Die wiederholte Verschiebung<br />

der Eröffnung des neuen<br />

Flughafens Berlin Brandenburg ist<br />

tatsächlich kaum dazu angetan,<br />

Sorgen zu beruhigen. Ich warne<br />

aber vor Pessimismus. Beispiel:<br />

Der 1992 eingeweihte neue Münchner<br />

Flughafen. Einen stärkeren<br />

Wachstumsimpuls hat die Region<br />

bisher nicht erlebt. Bereits Ende<br />

2009 waren am Flughafen München<br />

und in den dortigen 550 Unternehmen<br />

und Behörden insgesamt<br />

29.560 Menschen beschäftigt. Die<br />

Arbeitslosenquote rund um den<br />

Flughafen liegt bei zwei Prozent –<br />

einer der niedrigsten Werte Deutschlands.<br />

Alles spricht für einen<br />

ähnlichen Aufschwung rund um den<br />

Flughafen Berlin Brandenburg.<br />

Statistiker kennen eine klare Korrelation<br />

zwischen Fluggastaufkommen<br />

und neuen Arbeitsplätzen. Steigt<br />

das Aufkommen von derzeit 14 auf<br />

die anvisierten 27 Millionen, würden<br />

rund 10.000 Arbeitsplätze entstehen.<br />

Zusätzliche Impulse dürfte<br />

die wachsende Kaufkraft durch Passagiere,<br />

Flughafenbeschäftigte und<br />

Firmenangestellte geben. Schon<br />

jetzt haben sich im Umfeld Großunternehmen<br />

wie die Daimler AG,<br />

MTU, Rolls-Royce und VW Logistik<br />

angesiedelt, zusammen rund 3.800<br />

neue Arbeitsplätze. Hinzu kommt<br />

das Güterverkehrszentrum Großbeeren<br />

mit 4.500 Arbeitsplätzen.<br />

Die jüngsten Ansiedlungen in Großbeeren<br />

heißen Zalando, Lekkerland<br />

und Docdata. Für die Region spricht<br />

auch die gute Verkehrsanbindung an<br />

die Nord-Süd-Achse der Bahn sowie<br />

an die B 101, die Autobahn A 10.<br />

Landesregierung und Wirtschaftsinstitute<br />

prognostizieren ein<br />

Beschäftigungswachstum von<br />

32.000 bis 40.000 Erwerbstätigen.<br />

Verkehrsnetz<br />

DAS<br />

Der unterirdische Bahnhof<br />

des neuen Flughafens<br />

Berlin Brandenburg<br />

verfügt über vier Fernbahn-<br />

und zwei S-Bahngleise.<br />

ICE-und EC-Züge werden von<br />

dort einerseits nach Amsterdam-Schiphol<br />

über Hannover<br />

beziehungsweise östlich nach<br />

Krakau fahren. Zum Check-in-<br />

Bereich des Terminals werden<br />

die Passagiere über Rolltreppen<br />

und Aufzüge gelangen.<br />

Mit der Flughafenanbindung<br />

ergeben sich seit der Inbetriebnahme<br />

des neuen Berliner<br />

Hauptbahnhofs im Jahre<br />

2006 wieder einmal größere<br />

Veränderungen im Netz der<br />

Deutschen Bahn und der S-<br />

Bahn. Die Straßenanbindung<br />

war ja bereits in den letzten<br />

Jahren vollzogen worden, insbesondere<br />

durch die Verlängerung<br />

der A 100 von Tempelhof<br />

bis Neukölln und der daran<br />

anschließende Neubau der A<br />

113 in Richtung Schönfelder<br />

THEMA<br />

Zielort Flughafen<br />

Flughafen-Check: Wie die Anbindung des Airports<br />

an das Bahn- und Straßennetz gelingt, haben Mitglieder<br />

des Arbeitskreises Verkehrswesen geprüft.<br />

Kreuz mit den Zu- und Abfahrten<br />

zum Flughafen. Jetzt<br />

muss allerdings noch die<br />

Schnellstraße von Potsdam<br />

nach Schönefeld fertiggestellt<br />

werden.<br />

Bei der Bahn war hingegen<br />

lange nicht klar, wie der Verkehr<br />

gelenkt werden soll. Der<br />

AK Verkehrswesen des VBIW<br />

hat die wichtigsten Neuerungen<br />

zusammengetragen: Mit<br />

der Regionalbahn wird man<br />

auf zwei Strecken von der Mitte<br />

Berlins zum Flughafen gelangen.<br />

Die Linie RE 9 wird als<br />

Shuttle halbstündlich vom<br />

Hauptbahnhof südlich über<br />

Potsdamer Platz und Südkreuz<br />

auf den Berliner Außenring<br />

und von dort zum Flughafen<br />

führen.<br />

Die Linien RE 7 und RB 14<br />

werden von Dessau beziehungsweise<br />

Nauen aus stündlich<br />

über die Stadtbahn, also<br />

über die Bahnhöfe Zoo,<br />

Hauptbahnhof, Ostbahnhof<br />

und Karlshorst zum Flughafen<br />

und weiter nach Wünsdorf<br />

beziehungsweise Senftenberg<br />

fahren. Diese Züge<br />

werden auffällig als »Airport<br />

Express« gekennzeichnet.<br />

Von der Landeshauptstadt<br />

Potsdam fahren jetzt schon<br />

die Züge der RB 22 stündlich<br />

von Griebnitzsee über Hauptbahnhof<br />

und Golm auf dem<br />

Berliner Außenring nach<br />

Schönefeld, später dann direkt<br />

zum Flughafen. Ludwigsfelde<br />

gehört zweifellos zu den<br />

Nutznießern der Bahnanbindung<br />

des neuen Flughafens.<br />

Die Stadt erhält eine direkte<br />

und kurze Verbindung zum<br />

Flughafen. Auch Pendler können<br />

den Industriestandort auf<br />

diese Weise leichter erreichen.<br />

Die S-Bahn wird über den<br />

bisherigen Bahnhof Flughafen<br />

Berlin-Schönefeld hinaus bis<br />

nach Waßmannsdorf verlängert<br />

und im Bogen zurück in<br />

den unterirdischen Bahnhof<br />

des Airports BER geführt.<br />

Waßmannsdorf und die umliegenden<br />

Gemeinden freuen<br />

sich in diesem Zusammenhang<br />

auf den erstmaligen S-<br />

Bahn-Anschluss. Busanschluss<br />

besteht auch weiter vom Flughafen<br />

zum U-Bahnhof Rudow.<br />

Nach Einschätzung des Arbeitskreises<br />

wurden gute Lösungen<br />

für die Verkehrsanbindung<br />

des neuen Flughafens<br />

geschaffen. Positiv beurteilen<br />

die Mitglieder, dass die Notwendigkeit<br />

einer Anreise mit<br />

eigenem Pkw zum Flughafen<br />

entfällt.<br />

Eine Lücke bleibt noch: Die<br />

traditionelle, geradlinig über<br />

Lichtenrade und Südkreuz<br />

führende Dresdner Bahn sollte<br />

wiederhergestellt werden.<br />

Dann könnte die Taktfrequenz<br />

auf dem Berliner Außenring<br />

für den Verkehr von<br />

Berlin und Potsdam zum Flughafen<br />

erhöht werden. Die Planungen<br />

für diese Strecke haben<br />

bereits begonnen.<br />

52 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


INGENIEUR-NACHRICHTEN<br />

AKTUELL<br />

GESCHICHTE<br />

Kunstschmiede<br />

an Eisenstraße<br />

Die Dokumentation Brandenburger<br />

Eisenstraße, an<br />

der VBIW-Mitglieder arbeiten,<br />

hat eine neue Station.<br />

Die Kunstschmiede von Michael<br />

Soika in Stücken, einem<br />

Ortsteil der Gemeinde Michendorf<br />

im Landkreis Potsdam-<br />

Mittelmark, ist der jüngste<br />

Baustein der Brandenburger<br />

Eisenstraße. Die Dorfschmiede<br />

steht auch in der Denkmalliste<br />

des Landes Brandenburg. Soika<br />

freut sich über die Würdigung:<br />

»Jugendliche und Touristen,<br />

die sich für altes Handwerk interessieren,<br />

finden nun leichter<br />

diesen Anlaufpunkt.« Die<br />

Stückener Schmiede sei »ein<br />

gut erhaltenes Beispiel einer<br />

großen Dorfschmiede, zu der<br />

auch eine Stellmacherei gehörte«,<br />

befand das Landesdenkmalamt.<br />

Der VBIW schätzt die<br />

Bemühungen Soikas, Jugendliche<br />

mit Vorführungen und<br />

Lehrveranstaltungen für das<br />

Schmiedehandwerk zu begeis-<br />

tern. Die imaginäre Brandenburger<br />

Eisenstraße wird von<br />

Ortrand im Süden über Eisenhüttenstadt<br />

im Osten bis in<br />

die Nähe von Rathenow im<br />

Nordwesten führen.<br />

Jutta Scheer,<br />

VBIW, Tel.: (03364) 37 48 34<br />

ERFINDER<br />

Besuch im<br />

Erfinderclub<br />

An der Jubiläumsfeier des<br />

Erfinderclubs Lübbenau<br />

nahm VBIW-Vorsitzender<br />

Dr. Norbert Mertzsch teil.<br />

Im Mittelpunkt der Feier zum<br />

siebenjährigen Bestehen des<br />

Erfinderclubs Lübbenau<br />

Schüler-GmbH (SGmbH) am<br />

Paul-Fahlisch-Gymnasium<br />

stand Anfang Mai ihr aktuelles<br />

Projekt mit der Arbeitsbezeichnung<br />

»Solarkahn – eine Alternative?«.<br />

Die jungen Forscher<br />

wollen dazu beitragen, dass<br />

auf Strecken, wo motorisierte<br />

Kähne erforderlich sind, vorzugsweise<br />

Solar-Antriebe eingesetzt<br />

werden. Die Schüler<br />

tüfteln sowohl an einer an<br />

Bord installierten Photovoltaikanlage,<br />

als auch an Solar-<br />

Ladestationen an Land. Mit<br />

einem Flossenantrieb wollen<br />

sie Uferböschung, Uferboden<br />

und Fische schonen. Mit<br />

Dr. Mertzsch ergründeten die<br />

jungen Forscher Ansatzpunkte<br />

für eine Unterstützung der<br />

SGmbH durch den VBIW.<br />

TRANSPORT<br />

Mühlberger<br />

Hafen aktiviert<br />

Der VBIW fördert die Wiederbelebung<br />

des Mühlberger<br />

Hafens. Der erste größere<br />

Transport war ein Erfolg.<br />

Von dem 1998 stillgelegten alten<br />

Kieshafen Mühlberg ging<br />

der erste größere Transport in<br />

Richtung Übersee auf große<br />

Fahrt. Acht 55 Meter lange Rotorflügel<br />

der neuen Produktgeneration<br />

der Firma Vestas in<br />

Lauchhammer wurden von<br />

Mühlberg zur Elbmündung<br />

nach Brunsbüttel und von dort<br />

weiter in die USA verschifft. Sie<br />

sind für einen Windpark am<br />

Marble River (Murmelfluss) im<br />

Bundesstaat New York bestimmt.<br />

Für den VBIW gehört das Projekt<br />

zu seinen jahrelangen<br />

Bemühungen um die Verlagerung<br />

von Transporten von der<br />

Straße auf Schienen und Wasserwege.<br />

Der Verein begrüßte<br />

deshalb die Vestas-Bemühungen,<br />

die immer länger werdenden<br />

Rotorblätter für Windkraftanlagen<br />

über den Binnenzu<br />

einem Seehafen zu verschiffen.<br />

Von anfangs 39 Metern<br />

wuchsen die Rotorblätter über<br />

44 Meter seit 2011 auf 55 Meter.<br />

Weil der Straßentransport<br />

immer aufwendiger wurde,<br />

kam die Variante zu Wasser<br />

zum Zuge. Jetzt sucht der<br />

Hafen Aufträge von weiteren<br />

Kunden. Der VBIW will das<br />

Projekt mit Vorträgen und<br />

Publikationen unterstützen.<br />

ADRESSE<br />

Verein Brandenburgischer<br />

Ingenieure und Wirtschaftler e.V.<br />

Landesgeschäftsstelle Frankfurt (O.)<br />

Fürstenwalder Str. 46<br />

15234 Frankfurt (Oder)<br />

Tel.: (0335) 869 21 51<br />

E-Mail: buero.vbiw@online.de<br />

Internet: www.vbiw-ev.de<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 53


Foto: Kia<br />

AUTOMOBIL<br />

Geblieben ist einzig und<br />

allein der seltsam anmutende<br />

Name. Sonst<br />

hat der alte mit dem neuen<br />

Kia Ceed nichts mehr gemein.<br />

Kein Wunder, wenn Kias Star-<br />

Designer Peter Schreyer<br />

(früher bei Audi) selbst Hand<br />

anlegt und mit dem neuen<br />

Kompakten eine kleine Design-Ikone<br />

auf die Räder stellt.<br />

Man könnte ins Schwärmen<br />

geraten über die harmonische<br />

Linienführung und die ausgewogenen<br />

Proportionen des<br />

neuen Ceed. Die schlichte Eleganz<br />

erlaubt trotz allem<br />

einen sportlichen und athletischen<br />

Auftritt und lässt den<br />

auf 4,31 Meter Länge gewachsenen<br />

Kompaktwagen gereift<br />

erscheinen.<br />

Auch im Innenraum überzeugt<br />

der Ceed durch gutes<br />

Design und Komfort-Features,<br />

die in der Kompaktklasse<br />

noch nicht Standard sind.<br />

Hier sticht die gute Qualität<br />

ins Auge. Die Materialien vermitteln<br />

einen hochwertigen<br />

Eindruck, die Instrumente<br />

sind gut ablesbar und angeordnet.<br />

Das Armaturenbrett<br />

erinnert in seinem klaren<br />

schlichten Aufbau an ein<br />

Flugzeug-Cockpit. Dabei fällt<br />

der digitale Tacho im »norma-<br />

KIA CEED<br />

Jagd auf den Golf<br />

Der neue kompakte Koreaner aus slowakischer<br />

Produktion startet mit frischem Design und<br />

Top-Qualität in der hart umkämpften Golfklasse.<br />

len« analogen Design auf. Die<br />

gewachsenen Proportionen<br />

schaffen wesentlich mehr<br />

Platz im Innenraum, wo Fahrer<br />

und Beifahrer deutlich<br />

mehr Beinfreiheit finden. Im<br />

Fond können es sich zwei Erwachsene<br />

oder drei Kinder bequem<br />

machen. Der Gepäckraum<br />

wuchs um 40 Liter und<br />

fasst 380 Liter. Wird die Rückbank<br />

umgeklappt, lassen sich<br />

auf ebenem Ladeboden bis zu<br />

1.318 Liter Gepäck verstauen.<br />

So gut wie keine Wünsche<br />

lässt der Ausstattungsumfang<br />

offen. Schon in der Basisversion<br />

»Attract« hat der Kia Ceed<br />

ein Sechsgang-Schaltgetriebe,<br />

Multifunktionslenkrad, Zentralverriegelung,<br />

elektrische<br />

Außenspiegel und elektrische<br />

Fensterheber vorn, Bordcomputer,<br />

ein Audiosystem und<br />

Tagfahrlicht. In den höherwertigen<br />

Ausführungen sind<br />

das klimatisierte Handschuhfach,<br />

Sitzheizung, Geschwindigkeitsregelanlage,<br />

Abbiegelicht,<br />

Freisprecheinrichtung,<br />

und Regensensor zu betonen.<br />

Zum Verkaufsstart in<br />

Deutschland hat Kia für den<br />

Ceed vier Motoren im Angebot<br />

– zwei Benziner und zwei<br />

Diesel, mit einem Leistungsspektrum<br />

von 90 bis 135 PS.<br />

Das kraftvollste Triebwerk ist<br />

der 1,6-Liter-Direkteinspritzer.<br />

Während der Fahrt zeigt es<br />

sich sehr laufruhig und angenehm<br />

leise. Der sparsamste<br />

Motor hingegen ist der 128 PS<br />

starke 1,6 Liter Selbstzünder,<br />

dessen EcoDynamic-Version<br />

nur 97 g/km CO 2 emittiert<br />

und gerade mal an die vier Liter<br />

Diesel auf 100 Kilometer<br />

verbraucht. Erfreulich auch<br />

die Preise für den Koreaner:<br />

Die Basisversion des Ceed ist<br />

für 13.990 Euro zu haben. Der<br />

Kombi kommt im Herbst für<br />

15.190 Euro.<br />

Hans-Jürgen Götz<br />

Mit dem Auto in den Urlaub<br />

Gute Reiseplanung vermindert Stress<br />

Deutschlands Autobahnen sind in diesen Wochen wieder überlastet. Ferienzeit. Zigtausende Familien<br />

packen ihre Koffer und fahren mit dem Auto in den Urlaub. W&M-Tipps für eine unbeschwerte Fahrt.<br />

REISE PLANEN<br />

Die rechtzeitige Planung reduziert<br />

den Stress. Sobald das Ziel<br />

feststeht, sollten Sie Ihre persönliche<br />

Checkliste aufstellen:<br />

Auslandsbestimmungen, Licht-<br />

ALLES DABEI: Kind und Kegel.<br />

pflicht und Tempolimits, Impfpflicht<br />

– wichtig auch für mitgeführte<br />

Tiere. Möglichst im<br />

Vorfeld schon Plaketten und<br />

Vignetten besorgen, Routen<br />

und Ausweichstrecken – trotz<br />

Navigationssystem (Karten aktualisieren!)<br />

– checken.<br />

AUTO FIT MACHEN<br />

Vor Antritt der Fahrt die Flüssigkeitsstände<br />

von Öl, Kühlund<br />

Scheibenreinigungswasser<br />

überprüfen. Wegen der<br />

Gepäckzuladung den Reifendruck<br />

erhöhen. Reifenprofil,<br />

Bremsbeläge und Wischerblättern<br />

ebenfalls checken.<br />

RICHTIG LADEN<br />

Beim Beladen des Fahrzeugs<br />

gilt eine Grundregel: Schwere<br />

Gepäckstücke gehören nach<br />

unten, um den Schwerpunkt<br />

des Autos niedrig zu halten.<br />

Achtung beim Kombi: Keine<br />

Gepäckstücke über der Oberkante<br />

der Rücksitzlehnen verstauen.<br />

Bei starkem Bremsen<br />

schießen Teile nach vorn. Verbandkasten,<br />

Warnwesten und<br />

-dreieck und Feuerlöscher stets<br />

gut erreichbarer platzieren.<br />

FAHRER GUT VORBEREITEN<br />

Für Fitness am Steuer sind ein<br />

alkoholfreier Vorabend und<br />

ausreichend Schlaf gesetzt.<br />

Bequeme Kleidung, leichte<br />

Kost und regelmäßige Pausen<br />

mit Bewegung helfen, auch<br />

längere Etappen ermüdungsfrei<br />

zu überstehen. Auf längeren<br />

Fahrten die Belastbarkeit<br />

der Kinder nicht überfordern.<br />

Unterhaltung durch Spiele,<br />

Musik und Gespräche sollten<br />

mit zur Urlaubsfahrt gehören.<br />

PAUSEN EINLEGEN<br />

Regelmäßige Pausen sind angeraten.<br />

Es gilt: Behalten Sie Ihr<br />

Fahrzeug gut im Auge. Persönliche<br />

Präsenz am Fahrzeug ist<br />

der beste Diebstahlschutz.<br />

54<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


PORTRÄT<br />

Fotos: R. Wolf-Götz<br />

Heinrich-Beck-Institut Meiningen<br />

Superhelles Licht<br />

Mit innovativen LED-Lichtelementen für spezielle Anwendungen sorgen Rufus und Tilmann Beck<br />

im südthüringischen Meiningen für Furore und setzen eine erfolgreiche Familientradition fort.<br />

Das Meininger Theater mit seiner<br />

großen Bühne ist festlich illuminiert.<br />

Es wird dunkel im Saal. Der<br />

Vorhang geht auf und die Scheinwerfer<br />

sind nur noch auf die Schauspieler gerichtet.<br />

»Dabei hat sich früher enorme<br />

Hitze entwickelt«, erklärt Dr. Rufus Beck.<br />

Doch seit er zusammen mit seinem Sohn<br />

Tilmann für den Innenraum des Theaters<br />

ihrer Heimatstadt spezielle LED-Lichtelemente<br />

entwickelt hat, kommen die<br />

Darsteller nicht mehr ins Schwitzen.<br />

»Ein gutes Bühnenlicht muss zielgerichtet<br />

und dezent zugleich sein, und es darf<br />

keine Wärme entwickeln«, betont der<br />

Tüftler, der mit Sohn Tilmann das legendäre<br />

Heinrich-Beck-Institut (HBI) in der<br />

südthüringischen Kleinstadt führt.<br />

Vor genau 100 Jahren hatte Großvater<br />

Heinrich Beck in dem Meininger Institut<br />

an seiner Bogenlampen-Technologie geforscht.<br />

Bis zur Erfindung des Lasers war<br />

der Beckbogen die Lichtquelle mit der<br />

höchsten optischen Leistungsdichte. In<br />

europäischen Großstädten und darüber<br />

hinaus in New York und San Franzisco erhellte<br />

das Beck-Licht die Straßen. Nicht<br />

allein die Helligkeit, auch der bis zu<br />

zehnmal günstigere Preis stand im Vorteil<br />

zur bisher verwendeten mechanisch<br />

geregelten Bogenlampe.<br />

WEIT STRAHLENDES LICHT<br />

Mehr denn je steht bei den Entwicklungen<br />

des HBI hohe Qualität mit geringem<br />

Energieaufwand im Mittelpunkt. Die eindrucksvolle<br />

Illumination des Freiburger<br />

Münsters ist ein Beispiel dafür. 110 spezielle<br />

LED-Lampen setzen die Kathedrale in<br />

stimmungsvolles Licht. Der Stromverbrauch<br />

ist gering. Für die Außenbeleuchtung<br />

der historischen Sandsteinfassaden<br />

kann die Stadt jetzt nahezu 50 Prozent<br />

an Energiekosten einsparen. Der angeblich<br />

»schönste Turm der Christenheit«<br />

leuchtet sogar mit 60 Prozent weniger<br />

Energie (400 statt bisher 1.100 Watt) über<br />

der Breisgau-Metropole.<br />

»Ziel unserer Entwicklungen ist, Licht<br />

aus Hochleistungs-LED sehr effizient zu<br />

nutzen«, betont der 46-jährige Tilmann<br />

Beck. »Das macht den Unterschied zu<br />

herkömmlichen Licht-Installationen.«<br />

Vor knapp zehn Jahren bezogen Becks<br />

ihr angestammtes Institut in Meiningen<br />

wieder, nachdem sie es vom Land Thüringen<br />

zurück gekauft hatten. In der DDR<br />

hatte das Institut für Plasmatechnik der<br />

TH Illmenau die Becksche Entwicklungstradition<br />

fortgesetzt.<br />

In dieser Zeit hatte sich Nachfahre Dr.<br />

Rufus Beck in Neu-Isenburg bei Frankfurt<br />

am Main der Laser-Technik verschrieben.<br />

Seit gut vier Jahren forschen<br />

Vater und Sohn mit Licht emittierenden<br />

Dioden (LED), die sie von einem Hersteller<br />

in den USA beziehen. Im Institut entwickeln<br />

die Wissenschaftler aus den winzigen<br />

Teilen in Verbindung mit Wärme<br />

leitenden LED-Haltern, Spiegeln und Gehäusen<br />

leistungsstarke Licht-Lösungen.<br />

Darunter das LED-Scheinwerfersystem<br />

»BeckLite SearchMaster«. Aus insgesamt<br />

19 Modulen besteht das LED-Konzept, das<br />

den Ausgangsstrahl besonders stark<br />

bündelt. Noch in 100 Metern leuchtet der<br />

Lichtstrahl mit 140 Lux.<br />

Eine Reihe an Weiterentwicklungen<br />

hat die dritte Generation des Beck-Instituts<br />

im Licht-Programm. Die Hightech-<br />

Taschenlampe »BeckLite PowerTorch«<br />

leuchtet mit einem einzigen Strahl über<br />

100 Meter weit mit 48 Lux starkem Licht.<br />

Das ist ideal für Polizei-Einsätze. Hohe<br />

Anschaffungskosten stehen einem breiten<br />

Einsatz der lichtstarken und energiegünstigen<br />

Technik aber noch im Weg.<br />

Die Hamburger Wasserschutzpolizei indes<br />

schwört seit längerem auf das helle<br />

AIRPORTTAUGLICH: Field-Illuminator.<br />

Beck-Licht. Auch Greenpeace hat sich die<br />

leistungsstarken LED-Leuchten aus dem<br />

Hause Beck an Bord ihres Schiffes »Beluga<br />

II« geholt, erzählt Rufus Beck.<br />

Das HBI produziert nicht für Endkunden.<br />

»Wir liefern die Lichttechnologie an<br />

verschiedene Hersteller«, betont Beck.<br />

Dabei gehen dem Serienprodukt immer<br />

LICHTEXPERTE: Tilmann Beck.<br />

längere Versuchsreihen voraus. Beispielsweise<br />

für die Vorfeldbeleuchtung von<br />

Flughäfen, für die auf einem großen<br />

Airport eine Versuchsanlage der Beck-<br />

Technologie »BeckLite Fieldilluminator«<br />

errichtet wurde. »In dieser Anwendung<br />

liegt ein großes Potenzial«, sagt Beck. Die<br />

Flughafenbetreiber müssten große Mengen<br />

an Strom einsparen, um entsprechende<br />

Auflagen zu erfüllen. Die Sicherheit<br />

darf jedoch nicht auf der Strecke<br />

bleiben. Deshalb sind hier besonders intelligente<br />

LED-Lichtkonzepte gefragt.<br />

Nach Vorbild des Firmengründers<br />

Heinrich Beck widmen sich seine Nachfahren<br />

Rufus und Tilmann auch der<br />

Weiterentwicklung einer effizienten<br />

Straßenbeleuchtung. Der Prototyp einer<br />

LED-Laterne in Meiningen, im Rahmen<br />

eines Ideen-Wettbewerbs entwickelt, lieferte<br />

den ehrgeizigen Tüftlern über Monate<br />

Daten. Trotz der nachweislich deutlich<br />

sparsameren Nutzung läuft die<br />

Nachfrage nur schleppend an. Ein Grund<br />

dürften die hohen Anschaffungskosten<br />

sein. Das ließ 2011 nur einen geringen<br />

Anstieg des Umsatzes zu. Der 72-jährige<br />

Senior-Chef Rufus Beck lässt sich aber<br />

nicht entmutigen: »Für das laufende Jahr<br />

erwarten wir eine deutliche Steigerung.«<br />

&<br />

Renate Wolf-Götz<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 55


W<br />

ie die Malediven, nur nicht so<br />

bunt«, schwärmt ein Blogger.<br />

»Fisch ist ordentlich vorhanden«,<br />

ergänzt ein anderer und setzt hinzu:<br />

»Trotz schlechter Sicht haben wir reichlich<br />

Hecht gesehen, teilweise einen halben<br />

Meter lang und noch größer. Rotfedern,<br />

Flussbarsche, Schwärme von Jungfischen.<br />

Am Grund vielfach Flusskrebse<br />

und über große Flächen Muscheln.«<br />

Die Rede ist von einem wenig bekannten,<br />

nur rund 100 Kilometer von Berlin<br />

enfernten Urlaubsparadies: ein idyllischer<br />

See mit einer kleinen Insel mittendrin<br />

und Natur, wohin das Auge blickt.<br />

Die nächste Ansiedlung ist real vier Kilometer,<br />

gefühlt eine Tagesreise entfernt.<br />

Der Brückentinsee. Rundum nichts<br />

als verträumte See- und Waldlandschaft.<br />

Am Ufer steht kein einziges Haus. Das<br />

Eiland ist üppig bewachsen, nur 40.000<br />

Quadratmeter groß und von zwei Menschenseelen<br />

bewohnt. In weniger als 15<br />

Minuten lässt sich die Insel auf einem<br />

rund 700 Meter langen Rundweg erkunden.<br />

Zu erreichen ist das grüne Herz des<br />

Sees über eine einspurige, befahrbare<br />

Holzbrücke. Das Auto bleibt aber gleich<br />

auf dem Parkplatz hinter der Brücke<br />

stehen – die Insel ist autofreie Zone. Eine<br />

Brückentinsee<br />

Tauchen<br />

gestattet<br />

Reif für die Insel? Berliner<br />

Freunde des Tauchsports<br />

haben da einen Geheimtipp:<br />

eine Insel im Brückentinsee<br />

an der Grenze zwischen<br />

Brandenburg und<br />

Mecklenburg-Vorpommern.<br />

kleine, einstöckige Gebäudegruppe bildet<br />

das Inselhotel. Bis 1990 hatte dort<br />

die Staatssicherheit ein Ferienheim. Im<br />

Jahr 1992 kauften zwei Berliner Freunde<br />

das Eiland mit dem kompletten Inventar<br />

und machten sich an die Verwirklichung<br />

eines Traumes. Mit viel Energie und<br />

gehörigen Investitionen schufen sie ein<br />

Mini-Komfort-Hotel.<br />

Von Beginn an sorgte die Berliner Geschäftsführerin<br />

Barbara Karge zusammen<br />

mit ihrem Mann – das sind die beiden<br />

Dauerbewohner der Insel – und einem<br />

kleinen Team für das Wohl der<br />

Gäste. Heute bietet das Haus drei Einzelund<br />

zwei Doppelzimmer sowie fünf Suiten<br />

für bis zu vier Personen. Dazu kommen<br />

– unübertroffen romantisch – zwei<br />

auf Stelzen über dem Wasser schwebende<br />

Bungalows, jeweils mit großer Terrasse<br />

und Ruderbootgarage. Und dazwischen,<br />

ebenfalls direkt am Ufer, eine Sauna<br />

mit Panoramablick auf den See. Alles<br />

ganz natürlich in die Seenlandschaft eineingefügt.<br />

Anderswo spräche man wohl<br />

von einem Öko-Resort.<br />

Das Hotelrestaurant steht auch bei Tagesausflüglern<br />

hoch im Kurs. Die Küche<br />

bietet Klassiker wie Schweinemedallions,<br />

Deftiges wie Aal in Aspik oder Regionales<br />

56 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


TOURISMUS<br />

gel und der Otter zu begegnen. Eher<br />

gemütlich verläuft die Tour Elektroboote<br />

durch das Naturschutzgebiet Schmaler<br />

Luzin.<br />

Auf der Wandertour Hallo Mr. Adler<br />

gibt es viel zu lernen über Orchideen<br />

und die Ökologie der Tier- und Pflanzenwelt.<br />

In einem vom Bollmann originalgetreu<br />

nachgebauten Adlerhorst darf<br />

man Platz nehmen und nachvollziehen,<br />

wie sich wohl junge Adler fühlen.<br />

Schließlich bietet der passionierte Tierfotograf<br />

auch Fototouren an: Dabei können<br />

Adler aus Verstecken heraus oder bei<br />

der Action-Fotografie vom Boot beim<br />

HECHT posiert vor der Taucherkamera.<br />

Fotos: Manuela Kirschner<br />

NUR ÜBER EINE HOLZBRÜCKE ZU ERREICHEN: das Inselhotel im Brückentinsee.<br />

wie Flusskrebssuppe und Barschfilet in<br />

Riesling pochiert. Spezialitäten des Hauses<br />

sind Hecht und Maräne aus dem<br />

Brückentinsee und Fische aus anderen<br />

Gewässern Mecklenburg-Vorpommerns.<br />

Dazu kommen Wild- und Fleischgerichte,<br />

selbstgebackenes Inselbrot und Kuchen.<br />

Wie naturnah es sich hier urlauben<br />

lässt, zeigt schon ein Blick auf die Karte.<br />

Der Brückentinsee liegt inmitten einer<br />

Ansammlung von Großschutzgebieten.<br />

Teile des östlichen Seeufers gehören zum<br />

brandenburgischen Naturpark Uckermärkische<br />

Seen. Der größte Teil des<br />

Brückentinsees, ebenso wie die Insel,<br />

liegen in Mecklenburg-Vorpommerns Naturpark<br />

Feldberger Seenlandschaft. Nur<br />

wenige Kilometer südwestlich beginnt<br />

der Naturpark Stechlinsee-Ruppiner<br />

Land, nach Norden ist es nicht weit zum<br />

Müritz-Nationalpark.<br />

Diese einmalige Naturlandschaft ist<br />

das Revier von Fred Bollmann, einem<br />

ehemaligen Naturpark-Mitarbeiter, geprüften<br />

Schutzgebietsbetreuer und<br />

Ornithologen. Mit seinen Ranger Tours<br />

bietet er Naturerlebnisse unter ortskundiger<br />

Begleitung an. Zum Beispiel eine<br />

dreistündige Adlertour, bei der man See-,<br />

Fisch- und Schreiadlern begegnen kann.<br />

Oder eine ganztägige Country-Tour mit<br />

Essen und den Höhepunkten aus der Spezialtour<br />

Adler. Rustikal geht es auf der<br />

Tour Land und Leute und Natur zu – mit<br />

Lagerfeuer und Maräneräuchern. Ebenfalls<br />

auf Bollmanns Programm stehen Kanufahrten<br />

auf dem Krüseliner Bach und<br />

die Kanusafari im Großkanadier über<br />

fünf Seen mit guten Chancen, dem Eisvo-<br />

Beutegreifen von Köderfischen abgelichtet<br />

werden. Bollmann betreut auch<br />

Schulklassen, Gruppenausflüge und Firmenevents.<br />

Taucher müssen ihre Touren dagegen<br />

ohne Führung bewältigen. Eine besondere<br />

Genehmigung brauchen sie nicht. Sie<br />

haben ausreichende Sicht bis zu sieben<br />

Meter Tiefe. Jedoch werden sie gebeten,<br />

sich vorher bei dem Fischer Rüdiger Glashagen<br />

anzumelden. Damit sie sich nicht<br />

in seinen zeitweilig ausgestellten Maränenetzen<br />

verfangen.<br />

Manuela Kirschner<br />

ANREISE:<br />

Von Berlin über die B 96. Hinter Fürstenberg<br />

abbiegen Richtung Godendorf/<br />

Dabelow. Der Ausschilderung folgen,<br />

nach etwa zehn Kilometern ist die Holzbrücke<br />

zum See erreicht.<br />

Inselhotel Brückentinsee,<br />

17237 Wokuhl-Dabelow,<br />

Tel.: (03 98 25) 202 47,<br />

E-Mail: inselhotel-brueckentinsee@<br />

t-online.de,<br />

www.inselhotel-brueckentinsee.de<br />

Ranger Tours, Fred Bollmann,<br />

Am Rosenberg 34, 17258 Feldberg,<br />

Tel.:/Fax: (03 98 31) 221 74,<br />

E-Mail: info@ranger-tours.de,<br />

www.ranger-tours.de<br />

Hotel und Ranger Tours haben<br />

ganzjährig geöffnet.<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 57


SERIE<br />

M arken<br />

acher<br />

ärkte<br />

mp-Chef Hartmut Bunsen<br />

Netzwerker<br />

zwischen<br />

Leipzig und<br />

Hyderabad<br />

Produktpremiere in Hyderabad: Die<br />

indische Daimler-Tochter stellt die<br />

neuen BharatBenz-Lastkraftwagen vor.<br />

Eine sechstägige Megashow für Kunden,<br />

Händler, Medienleute. Der spektakuläre<br />

Ausstellungsstand stammt von der<br />

Messeprojekt GmbH, einem Leipziger<br />

Familienunternehmen. Geschäftsführer<br />

Hartmut Bunsen, hier mit Ehefrau<br />

Ursula, Chefin der mp-Tochter Inuma,<br />

(s. o.) hat in nur zwei Jahrzehnten die<br />

Firma zu einem der Branchenführer<br />

in Deutschland gemacht.<br />

Fotos: Torsten George, mp Leipzig<br />

58 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


SERIE<br />

Als Anfang März dieses Jahres in<br />

Hyderabad – mit 6,8 Millionen<br />

Einwohnern viertgrößte Stadt<br />

Indiens – die Scheinwerfer aufflammen<br />

und die Lastkraftwagen in gleißendes<br />

Licht tauchen, ist der größte Auslandsauftrag<br />

der Messeprojekt (mp) GmbH beinahe<br />

schon Geschichte. Mit hohem Engagement<br />

hat die Leipziger Firma den Aufsehen<br />

erregenden Auftritt der Marke<br />

BharatBenz der »Daimler India Commercial<br />

Vehicles« (DICV) realisiert.<br />

Hundert deutsche Mitarbeiter und<br />

noch einmal so viele einheimische Fachkräfte<br />

waren elf Tage lang mit dem Aufbau<br />

des Stands auf einer knapp fußballfeldgroßen<br />

Fläche beschäftigt. Davor lagen<br />

Wochen und Monate kreativer und<br />

intensiver Arbeit in Leipzig und tonnenschwere<br />

Transporte auf dem Luft- und<br />

Seeweg. Vor Ort auf dem Subkontinent<br />

haben in Tag- und Nachtarbeit Senior-<br />

Chef Hartmut Bunsen und sein Sohn, Geschäftsführer<br />

Raimo Bunsen, wie auch<br />

die Projektleiter Dirk Knäbel, Annegret<br />

Hecht und Christian Stripp, die Ausführung<br />

des Auftrags gemanagt.<br />

Sehr zur Zufriedenheit der Daimler<br />

AG, wie aus einem Dankschreiben der<br />

Stuttgarter Zentrale hervorgeht: »Es ist<br />

einfach Klasse zu sehen, wie man manches<br />

auch in Indien zur Perfektion bringen<br />

kann, wenn die richtigen Leute daran<br />

arbeiten.« So etwas habe das Land<br />

noch nicht gesehen, heißt es in der Mail.<br />

AUF DIE WELTMÄRKTE GEWAGT<br />

Welchen Stellenwert der DICV-Auftritt<br />

für den Konzern hat, lässt sich daran ermessen,<br />

dass Indien mit seinen 1,2 Milliarden<br />

Einwohnern neben China und den<br />

USA zu den größten Lkw-Märkten der<br />

Welt zählt. So betont denn auch DICV-<br />

Geschäftsführer Marc Llistosella bei der<br />

Premiere in Hyderabad: »Nach langer<br />

Entwicklungsphase und über 4,5 Millionen<br />

Testkilometern auf unserer hauseigenen<br />

Teststrecke in Oragadam, sind<br />

wir mehr als bereit, den indischen Markt<br />

zu erobern. Die Tatsache, dass Daimler<br />

eine Marke für den indischen Markt anbietet,<br />

zeigt, wie wichtig diese Region für<br />

uns ist. Wir investieren 44 Milliarden indische<br />

Rupien (rund 700 Millionen Euro)<br />

in einen hochmodernen Entwicklungsund<br />

Produktionsstandort.«<br />

In ihrer Produktpalette hat die Sub-<br />

Marke 17 verschiedene Nutzfahrzeuge in<br />

den Klassen von neun bis 49 Tonnen. Sie<br />

werden in dem neuen Werk bei Chennai<br />

(Südindien) gefertigt. Die Kapazität liegt<br />

zunächst bei 36.000 Einheiten pro Jahr.<br />

DICV arbeitet vor Ort mit über 450 Zulieferern<br />

zusammen. Die Teile kommen zu<br />

85 Prozent aus der Region.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 59


SERIE<br />

Auch für mp, den ostdeutschen Branchenprimus,<br />

spielen die Auslandsmärkte<br />

eine immer wichtigere Rolle. Heute beziffert<br />

Bunsen das Umsatzziel der Unternehmensgruppe<br />

für 2012 auf 30 Millionen<br />

Euro – 15 Prozent davon werden bereits<br />

außerhalb Deutschlands realisiert,<br />

Tendenz steigend.<br />

In 30 Metropolen weltweit – Peking<br />

und Shanghai bis Paris oder Sao Paulo –<br />

agiert das Unternehmen gemeinsam mit<br />

Partnern, so der Chef. Er weiß, dass dieses<br />

Engagement nicht nur mit einzelnen<br />

Unwägbarkeiten verbunden ist, sondern<br />

insgesamt ein Wagnis bleibt. »Wir wollen<br />

wachsen«, sagt er, »aber werden weiter<br />

vorsichtig operieren – besonders im direkten<br />

Auslandsgeschäft. Als nächstes<br />

werden wir den afrikanischen Markt angehen.«<br />

Gleichwohl sieht er den Messebau<br />

als Spiegelbild der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung. Gerade für Mittelständler<br />

werden Schwellenländer wie Brasilien,<br />

Russland, Indien, China immer interessanter.<br />

Für den Freistaat Sachsen war<br />

2011 ein Exportrekordjahr. Und das Land<br />

ist auch gut in dieses Jahr gestartet, trotz<br />

der Eurokrise.<br />

ERSTE PLEITE – ZWEITER ANLAUF<br />

»Firmenchef mit hoher Schlagkraft« titelte<br />

Anfang 2006 die »Süddeutsche Zeitung«<br />

ein Porträt des Messebauers – eine<br />

Anspielung auf Bunsens DDR-Meisterschaft<br />

im Ruder-Achter. Das war 1965 in<br />

Berlin-Grünau und er saß im Boot der<br />

DHfK Leipzig. Dem Sport ist er treu geblieben.<br />

2000 und 2003 wurde er Senioren-Weltmeister<br />

und ist heute Vorstandsvorsitzender<br />

des Akademischen Ruderverein<br />

zu Leipzig.<br />

Dem Sport verdankt er viel. Sehr viel.<br />

Als die wichtigsten Säulen seines Erfolgs<br />

nennt der Firmenchef das Engagement<br />

seiner Familie – der älteste Sohn, Reimo<br />

Bunsen, ist Geschäftsführer der Messeprojekt<br />

GmbH und sein jüngster Sohn,<br />

Björn-Hendrik Duphorn, leitet den Vertrieb<br />

– und seiner Mitarbeiter. Zugleich<br />

verweist er auf seinen leistungssportlichen<br />

Werdegang: »Ich habe gelernt zu<br />

kämpfen, nicht aufzugeben und auf ein<br />

starkes Team zu setzen.« Er weiß, wovon<br />

er spricht. Der gebürtige Mecklenburger<br />

Bunsen, der an der Hochschule für Bauwesen<br />

Leipzig studiert hat und seit den<br />

siebziger Jahren Investbauleiter, Technischer<br />

Direktor und Produktionsdirektor<br />

bei der DEWAG der Messestadt war, hat<br />

nach der Wende viel Lehrgeld zahlen<br />

müssen, im wortwörtlichen Sinne.<br />

Als 1990 aus dem DDR-Werbebetrieb<br />

ein Treuhandunternehmen wird, entstehen<br />

kleinere Einheiten, Profit-Center<br />

ähnlich: Tischlerei, Malerei, Schlosserei<br />

und andere Gewerke. Es läuft einigermaßen.<br />

Eines Tages kommt ein Messebauer<br />

aus dem westlichen Teil Berlins<br />

und schlägt Bunsen vor, mit ihm zusammen<br />

eine Firma in Ostdeutschland zu<br />

gründen. Oder eine Agentur, um Aufträge<br />

zu akquirieren. Bunsen geht zu seinem<br />

Treuhand-Chef und holt sich die Erlaubnis,<br />

als Gesellschafter und zweiter<br />

Geschäftsführer einzusteigen, zumal<br />

eine entsprechende Auftrags-Akquise<br />

wohl auch dem Profit-Center zugute<br />

käme. So startet 1990 die »Orbital Fair International<br />

Messe und Ausstellungsservice<br />

GmbH« – eine Agentur. Er legt sich in<br />

die Riemen und zieht Aufträge der Leipziger<br />

Messen an Land und realisiert sie<br />

mit dem Treuhand-Betrieb. Es läuft gut.<br />

Da verkauft die Treuhand den ehemaligen<br />

DEWAG-Betrieb. Der Investor –<br />

Dr. Klaus Berg, Inhaber der hessischen<br />

Expo Werbe-Group GmbH – will wohl<br />

auch an die Messe-Aufträge herankommen.<br />

Als er merkt, dass Orbital zwischengeschaltet<br />

ist, bestellt er Bunsen<br />

wütend in sein Büro und fährt ihn an:<br />

»Ich will Sie morgen früh nicht mehr in<br />

der Firma sehen.« Der Gefeuerte nimmt<br />

sich noch die Zeit, in sein Center zu gehen<br />

und zu fragen, wer mit ihm in die<br />

Agentur gehen will, um sie in einen Messebaubetrieb<br />

zu verwandeln. 20 Leute<br />

sind sofort bereit. Schon im ersten Jahr<br />

macht die Firma eine Million Mark Umsatz.<br />

Es läuft bestens.<br />

Anscheinend, denn Bunsens Geschäftspartner<br />

gründet unentwegt neue<br />

Firmen – in Düsseldorf, Brno und sogar<br />

in New York. Über eine zentrale Verwaltungsfirma<br />

in Berlin erledigt er das Geschäftliche.<br />

Bunsen ist es recht, sich<br />

nicht um die betriebswirtschaftlichen<br />

Dinge kümmern zu müssen. Ein Fehler?<br />

Er kennt Hinz und Kunz in der Messestadt,<br />

versteht sich mehr als Akquisiteur<br />

und Techniker, als Macher. Bis er eines<br />

Tages nach Berlin in die Deutsche Bank<br />

zu einem Geschäftstermin eingeladen<br />

wird. Er nimmt seinen Sohn Raimo mit,<br />

der sich eine Gitarre kaufen will, und ist<br />

guter Dinge. In Berlin eröffnen ihm die<br />

Banker, dass die Firmengruppe hoch verschuldet<br />

ist und die Orbital-Kredite fällig<br />

gestellt werden, das Unternehmen Konkurs<br />

anmelden muss. Der Boden rutscht<br />

dem Leipziger unter den Füßen weg. Es<br />

läuft gar nichts mehr.<br />

Doch Bunsen fängt sich schnell und<br />

nimmt es sportlich. »Geht nicht, gibt’s<br />

nicht« war schon in der DDR sein Motto.<br />

Er kauft die anderen Gesellschafteranteile<br />

für eine symbolische Mark, setzt in einer<br />

zweiten Runde den Geschäftsführer<br />

ab – und lässt das Unternehmen doch<br />

nicht in Konkurs gehen, sondern wickelt<br />

es über fünf Jahre ab. »Ein Konkurs wäre<br />

vor allem zu Lasten der kleinen Zulieferer<br />

und Handwerker gegangen«, erklärt<br />

er sein Vorgehen. Noch 1991 gründet<br />

Hartmut Bunsen die Messeprojekt<br />

GmbH, ein Jahr später die Innenausbaufirma<br />

Inuma, die seine Frau leitet.<br />

Leipzig, das schon Ende des 12. Jahrhunderts<br />

als Messe- und Handelsplatz erwähnt<br />

wird, ist Bunsens Stabilitätsanker<br />

geblieben. Hier machte der Messebauer<br />

die Hälfte seines Umsatzes, hier sind die<br />

Partner nah und vertraut, die Wege kurz.<br />

Im Gewerbegebiet Bergeweg des Stadtteils<br />

Seehausen verfügt das inhabergeführte<br />

Familienunternehmen jetzt über<br />

einen ausgedehnten Gebäudekomplex,<br />

Bunsen hat dort nicht nur alle wichtigen<br />

Werkstätten, Lager und Büros faktisch<br />

unter einem Dach, sondern auch, wenn<br />

er über die Autobahn schaut, das Messegelände<br />

fest im Blick.<br />

UNTER DEN TOP TEN DER BRANCHE<br />

Hier in Seehausen arbeiten Designer, Architekten,<br />

Zeichner, Bauingenieure,<br />

Tischler – Macher und Wegbereiter zusammen.<br />

Sie stehen mit ihrem Knowhow<br />

und ihrer Erfahrung, ja, ihrem Herzblut,<br />

wie Hartmut Bunsen sagt, von der<br />

ersten Skizze bis zur Standübergabe für<br />

60 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


SERIE<br />

MP IM STENOGRAMM: 170 festangestellte<br />

Mitarbeiter, 26 Millionen Euro Umsatz<br />

(2011), mehr als 23.000 Quadratmeter<br />

Produktions- und Lagerfläche. Zertifizierte<br />

Qualität und Umweltverträglichkeit.<br />

Mitglied im Branchendachverband FAMAB.<br />

ihren Auftrag ein. »Es ist unsere Philosophie,<br />

eine persönliche, partnerschaftliche<br />

Beziehung zu den Kunden aufzubauen.<br />

Nur in Offenheit und gegenseitigem<br />

Vertrauen lassen sich die Aufträge so realisieren,<br />

dass kein Wunsch offen bleibt«,<br />

ergänzt der Firmengründer. Schließlich<br />

ist der Wettbewerb gerade in diesen Krisenjahren<br />

hart und härter geworden. Die<br />

Aufträge werden immer anspruchsvoller,<br />

zugleich wird gespart, wo es nur geht.<br />

Das Unternehmen setzt zum einen<br />

auf den Einsatz modernster (Computer-)<br />

Technik plus entsprechender Software –<br />

mp arbeitet allein mit 35 CAD-Zeichnern<br />

zusammen – und zum anderen auf die<br />

Kreativität seiner Mitarbeiter. Was Wunder,<br />

dass die Leipziger dafür bekannt<br />

sind , auch unvorhersehbare Situationen<br />

flexibel, ideenreich und mit hochgekrempelten<br />

Ärmeln zu meistern. Sie verfügen<br />

unterdessen über Niederlassungen<br />

in Dresden, Köln und Stuttgart und sind<br />

in der Lage, mit ihrem in Deutschland<br />

einzigartigen Eigenbestand an Systemmaterial<br />

und Veranstaltungstechnik eine<br />

Bruttofläche von mehr als 40 Fußballfeldern<br />

gleichzeitig zu bebauen.<br />

Unter die Top Ten der deutschen Messebauunternehmen<br />

hat sie der Auftrag<br />

zu einem Drei-Marken-Auftritt der Daimler<br />

AG auf der IAA Nutzfahrzeuge 2010 in<br />

Hannover katapultiert. Eine kleine Weltpremiere<br />

feierte BMW auf der AMI 2012<br />

in Leipzig. Die Bayern präsentierten auf<br />

ihrem 2.200 Quadratmeter großen Stand<br />

erstmals den neuen 3er Touring. Den<br />

Messestand hatte mp mit einem 40-köpfigen<br />

Montageteam in sieben Tag- und<br />

Nachtschichten gebaut. Im August folgt<br />

der Auftritt von BMW und MINI auf der<br />

MIAS in Moskau. Auf sogar 3.300 Quadratmetern.<br />

Die Münchner profitieren<br />

dabei von den reichen Erfahrungen und<br />

Kontakten von mp auf den teils schwierigen<br />

osteuropäischen Messemärkten.<br />

FREUND DES KLAREN WORTES<br />

Seit mehr als zehn Jahren bekleidet der<br />

mp-Chef zudem ein Ehrenamt, für das<br />

der begnadete Netzwerker mit seinem in<br />

der Branche legendären Organisationstalent<br />

wie geschaffen scheint. Bunsen<br />

übernimmt 2001 von Wolfgang Topf,<br />

heute Präsident der Industrie- und Handelskammer<br />

zu Leipzig, die Führung des<br />

im Herbst 1990 gegründeten Unternehmerverbandes<br />

Sachsen.<br />

Zwei Jahre später bildet sich die »Interessengemeinschaft<br />

der ostdeutschen<br />

Unternehmerverbände und Berlin« und<br />

beruft 2010 den sächsischen Unternehmer<br />

zu ihrem Sprecher. Ein Glücksgriff,<br />

denn Bunsen vermag nicht nur Fäden zu<br />

knüpfen, sondern er ist auch ein Freund<br />

sehr deutlicher Worte.<br />

Die bekommt von ihm auch Bundeswirtschaftsminister<br />

Philipp Rösler zu<br />

hören. Es geht hoch her an diesem 16.<br />

November 2011 im Leipziger Westin-<br />

Hotel. Im wörtlichen wie im übertragenen<br />

Sinne. Die Präsidenten und Geschäftsführer<br />

der Unternehmerverbände<br />

der neuen Länder haben Rösler in den 27.<br />

Stock eingeladen und halten mit ihrer<br />

Kritik an der Bundesregierung nicht hinterm<br />

Berg. Voran Bunsen, der einen<br />

ernüchternden Lagebericht gibt und entschieden<br />

die Fortführung von Förderprogrammen<br />

für die neuen Länder fordert,<br />

gerade, was Innovationen angeht.<br />

Womöglich täuschte der Eindruck,<br />

aber Rösler schien mit dieser Breitseite<br />

nicht gerechnet zu haben. Immerhin versprach<br />

er Prüfung der Vorwürfe. Wenn<br />

auch die Entscheidungswege der Bundesregierung<br />

unerforschlich sein mögen –<br />

Rösler hat zumindest in einem Punkt<br />

Wort gehalten. Trotz der Sparmaßnahmen<br />

der Bundesregierung wird beispielsweise<br />

der Antragsschluss zu Projekten<br />

im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand<br />

bis 2014 verlängert (s. beiliegendes<br />

W&M-EXTRA »Feuerwerk der Ideen«).<br />

GIPFELTREFFEN IN LEIPZIG<br />

Für Hartmut Bunsen war die Begegnung<br />

mit dem Vizebundeskanzler hoch über<br />

der Messestadt nur das Vorspiel zu einem<br />

Expertentreffen, an dem er über ein Jahr<br />

gearbeitet hat und das seinesgleichen zumindest<br />

in Ostdeutschland vergeblich<br />

sucht. An die 400 Spitzenmanager, Wissenschaftler<br />

und Politiker – darunter EU-<br />

Kommissar Günther Oettinger oder der<br />

sächsische Ministerpräsident Stanislaw<br />

Tillich und der FDP-Bundestagsfraktionschef<br />

Rainer Brüderle – diskutierten zwei<br />

Tage im Mai die Konsequenzen der Energiewende.<br />

Die Geburt einer Denkfabrik?<br />

Gut möglich, schließlich ist eine Wiederholung<br />

fest geplant. Was nur wenige<br />

wissen: Im Frühsommer dieses Jahres<br />

stand das Energieforum der Unternehmerverbände<br />

und IHK der neuen Länder<br />

mehrfach auf der Kippe. Es fehlte bis<br />

nach Berlin nicht an Warnern, dass man<br />

sich mit so einem Gipfeltreffen übernehme.<br />

Anders in der unmittelbaren<br />

Umgebung Bunsens. »Was sich unser<br />

Chef einmal in den Kopf gesetzt hat, das<br />

wird auch etwas«, hieß es dort – schlichtes<br />

Lob für einen Unternehmer, der ein<br />

meisterlicher Ruderer geblieben und ein<br />

ebenso wagemutiger wie verlässlicher<br />

Steuermann geworden ist.<br />

Helfried Liebsch<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 61


UV-AKTUELL<br />

GESCHÄFTSSTELLEN<br />

der Unternehmerverbände<br />

Unternehmerverband Berlin e.V.<br />

Präsident: Armin Pempe<br />

Hauptgeschäftsführer: Andreas Jonderko<br />

Geschäftsstelle:<br />

Ingrid Wachter (Sekretariat)<br />

Frankfurter Alllee 202, 10365 Berlin<br />

Tel.: (030) 981 85 00, 981 85 01<br />

Fax: (030) 982 72 39<br />

E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />

Unternehmerverband Brandenburg e.V.<br />

Präsident: Eberhard Walter<br />

Hauptgeschäftsstelle Cottbus:<br />

Roland Kleint<br />

Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />

Tel.: (03 55) 226 58, Fax: 226 59<br />

E-Mail: uv-brandenburg-cbs@t-online.de<br />

Bezirksgeschäftsstelle Potsdam:<br />

Bezirksgeschäftsführer: Norbert Gölitzer<br />

Hegelallee 35, 14467 Potsdam<br />

Tel.: (03 31) 81 03 06<br />

Fax: (03 31) 817 08 35<br />

Geschäftsstelle Frankfurt (Oder):<br />

Geschäftsführer: Detlef Rennspieß<br />

Perleberger Str. 2, 15234 Frankfurt (O.)<br />

Tel.: (03 35) 400 74 56<br />

Mobil: (01 73) 633 34 67<br />

Unternehmerverband Rostock-<br />

Mittleres Mecklenburg e.V.<br />

Präsident: Frank Haacker<br />

Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />

Geschäftsstelle:<br />

Wilhelm-Külz-Platz 4, 18055 Rostock<br />

Tel.: (03 81) 242 58 -0, 242 58 -11<br />

Fax: 242 58 18<br />

Regionalbüro Güstrow:<br />

Am Augraben 2, 18273 Güstrow<br />

Tel.: (038 43) 23 61 12, Fax: 23 61 17<br />

Unternehmerverband Norddeutschland<br />

Mecklenburg-Schwerin e.V.<br />

Präsident: Rolf Paukstat<br />

Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />

Geschäftsstelle:<br />

Brunnenstraße 32, 19053 Schwerin<br />

Tel.: (03 85) 56 93 33, Fax: 56 85 01<br />

Unternehmerverband Thüringen e.V.<br />

Präsident: Peter Baum<br />

Geschäftsstelle:<br />

IHK Erfurt<br />

Arnstädter Str. 34, 99099 Erfurt<br />

Tel.: (03 681) 42 00 50, Fax: 42 00 60<br />

Unternehmerverband Vorpommern e.V.<br />

Präsident: Gerold Jürgens<br />

Leiter d. Geschäftsst.: Wolfgang Kastirr<br />

Geschäftsstelle:<br />

Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />

Tel.: (038 34) 83 58 23, Fax: 83 58 25<br />

Unternehmerverband Sachsen e.V.<br />

Präsident: Hartmut Bunsen<br />

Vizepräs.: Dr. W. Zill, Dr. M. Reuschel,<br />

U. Hintzen<br />

Geschäftsführer: Rüdiger Lorch<br />

www.uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Chemnitz:<br />

Leiterin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />

Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />

Tel.: (03 71) 49 51 29 12, Fax: -16<br />

E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Dresden:<br />

Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck<br />

Antonstraße 37, 01097 Dresden<br />

Tel.: (03 51) 899 64 67, Fax 899 67 49<br />

E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Leipzig:<br />

Leiterin: Silvia Müller<br />

Riesaer Straße 72 – 74, 04328 Leipzig<br />

Tel.: (03 41) 257 91-20, Fax: -80<br />

E-Mail: leipzig@uv-sachsen.org<br />

Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e.V.<br />

Präsident: Jürgen Sperlich<br />

Geschäftsstelle Halle/Saale<br />

Berliner Str. 130, 06258 Schkopau<br />

Tel.: (0345) 78 23 09 24<br />

Fax: (0345) 78 23 467<br />

UV Brandenburg<br />

Unternehmerverband als Familie<br />

Brandenburger Mitglieder zogen auf ihrer Jahresversammlung ein positives<br />

Resümee: Verband gehört zu den rührigsten in den neuen Ländern.<br />

Interessenvertretung,<br />

Plattform und Familie<br />

von kleinen und mittelständischen<br />

Firmen – diesem<br />

Anspruch ist der Unternehmerverband<br />

Brandneburg e.V.<br />

auch im vergangenen Jahr gerecht<br />

geworden, schätzte Verbandspräsident<br />

Eberhard<br />

Walter auf der Jahresmitgliederversammlung<br />

Anfang Juni<br />

in Cottbus ein. Der Verband<br />

gehört zu den rührigsten im<br />

Osten. Das misst sich nicht zuerst<br />

an der Zahl der Veranstaltungen,<br />

sondern am Einfluss<br />

auf die Gestaltung von Wirtschaftspolitik<br />

im Land. Der<br />

UV Brandeburg ist wohl der<br />

einzige Verband, der auf besonderen<br />

Wunsch des Wirtschaftsministeriums<br />

bei der<br />

Schwerpunktebildung zur<br />

Förderpolitik des Landes für<br />

die Jahre 2014 bis 2019 gehört<br />

wurde. Unsere Vorschläge<br />

wurden ernst genommen,<br />

konstatierte Eberhard Walter.<br />

Einfluss nimmt der Brandenburger<br />

Unternehmerverband<br />

auch über die rege Tätigkeit<br />

seiner Arbeitskreise. Der<br />

»Landesarbeitskreis (LAK)<br />

Schule-Wirtschaft« widmete<br />

sich vor allem der aus Sicht<br />

der Unternehmer unumgänglichen<br />

bundesweiten Bildungsreform.<br />

Er wurde in<br />

den »LAK Fachkräftesicherung«<br />

umbenannt. Im LAK<br />

»Innovative Technologien«<br />

machten sich die Unternehmer<br />

mit neuen Verfahren und<br />

Produkten bekannt und beförderten<br />

die Zusammenarbeit<br />

zwischen Lehre und Forschung<br />

in den Bildungseinrichtungen<br />

des Landes und<br />

den Mitgliedsbetrieben. Der<br />

LAK »Dienstleistungen« beschäftigte<br />

sich besonders mit<br />

der Sicherstellung des Mitgliedernutzens<br />

der bearbeiteten<br />

Themen und dem Aufbau<br />

von Kontakten zu den polnischen<br />

Nachbarn. Langfristig<br />

angelegt wurde im LAK »Tourismus«<br />

das Thema der Barrierefreiheit.<br />

Der LAK »Mittelstandspolitik«<br />

bearbeitet Themen<br />

wie die durch die<br />

Kommunen angestrebte Rekommunalisierung<br />

von<br />

Dienstleistungen und die Ausweitung<br />

der Tätigkeit kommunaler<br />

Unternehmen.<br />

Beim Kernproblem »Sicherstellung<br />

des Arbeitskräftenachwuchses«<br />

taugt nach Ansicht<br />

des UV das Mittel der Zuwanderung<br />

von Fachkräften<br />

werden. Es sei nicht hinnehmbar,<br />

dass bis zu 25 Prozent der<br />

Schüler die Schule ohne Abschluss<br />

verlassen und weitere<br />

25 Prozent als nicht ausbildungsfähig<br />

gelten.<br />

Nicht erfolgreich war der<br />

UV auch in Sachen Wirtschaftstätigkeit<br />

der Kommunen.<br />

Es sei nicht gelungen,<br />

das Gesetz zur Ausweitung<br />

kommunaler Tätigkeit in<br />

Brandenburg auszubremsen,<br />

gab Eberhard Walter zu.<br />

Trotzdem sei damit dieses Ka-<br />

KONZENTRIERT: UV-Mitglieder Anfang Juni in Cottbus.<br />

nicht – weder quantitativ<br />

noch qualitativ. Einerseits<br />

brauchten vor allem die Nachbarstaaten<br />

ihre Fachkräfte zunehmend<br />

selbst und zweitens<br />

werde der beruflichen Ausbildungsqualität<br />

der Zuwanderer<br />

zu wenig Beachtung geschenkt.<br />

Als Lösungsansatz<br />

beim Fachkräfteproblem favorisiert<br />

der UV Änderungen im<br />

Erziehungs- und Bildungssystem.<br />

Nicht Optimierungen<br />

und Korrekturen führen zum<br />

Ziel, sondern nur eine generelle<br />

Strukturveränderung.<br />

Bildungsinhalte, Konzepte<br />

und Zuständigkeiten müssten<br />

länderübergreifend, de facto<br />

bundeseinheitlich organisiert<br />

pitel noch nicht abgeschlossen.<br />

Dem UV ist bewusst, dass<br />

die Kommunen vor der Quadratur<br />

des Kreises stehen. Einerseits<br />

steigen die Steuereinnahmen<br />

der Städte und Gemeinden<br />

in der Fläche, wenn<br />

überhaupt, nur sehr verhalten.<br />

Zum anderen würden die<br />

den Kommunen abverlangten<br />

Leistungen immer größer.<br />

In Veranstaltungen mit<br />

den Verantwortlichen von<br />

Städten und Gemeinden wurde<br />

bis auf wenige Ausnahmen<br />

übereinstimmend festgestellt,<br />

dass die von Bund und Land<br />

den Kommunen übertragenen<br />

Leistungen, deren finanzielle<br />

Kräfte übersteigen und<br />

62 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


UV-AKTUELL<br />

die Haushalte vor eine unlösbare<br />

Aufgabe stellen.<br />

Der Unternehmerverband<br />

wende sich nach wie vor gegen<br />

diese Art, Probleme lösen<br />

zu wollen, weil sie zu Wettbewerbverzerrungen<br />

und zu<br />

neuen Problemlagen führten.<br />

Der Verband hat sein Engagement<br />

im Rahmen der Interessengemeinschaft<br />

der ostdeutschen<br />

Unternehmerverbände<br />

und Berlins erhöht.<br />

»Hier ist es gelungen, der ostdeutschen<br />

Bewegung kleinund<br />

mittelständischer Unternehmer<br />

eine einheitliche<br />

Richtung zu geben, Forderungen<br />

zu artikulieren und an<br />

die Bundesregierung heranzutragen«,<br />

betonte Walter.<br />

Im laufenden Jahr will der<br />

Verband seinen Einfluss vertiefen.<br />

Durch aktive Mitgestaltung<br />

der Arbeit der Interessengemeinschaft<br />

der neuen<br />

Länder soll an der Entscheidungsfindung<br />

in der Politik<br />

mitgewirkt werden.<br />

Hans Pfeifer<br />

&<br />

UV Rostock-Mittleres Mecklenburg<br />

Neuer Name für mehr regionale Präsenz<br />

Hansestädtischer Verband will wachsen, kleine und mittlere Firmen besser<br />

beraten und dafür in den kommenden Wochen Regionalbüros einrichten.<br />

Auf ihrer diesjährigen ordentlichen<br />

Mitgliederversammlung<br />

im Mai<br />

hat die Interessenvertretung<br />

regionaler Unternehmen in<br />

Rostock und der Region um<br />

die Hansestadt ihren territorialen<br />

Status quo neu definiert.<br />

Das Gremium stimmte<br />

dafür, ab sofort den Unternehmerverband<br />

Rostock und<br />

Umgebung umzubenennen in<br />

Unternehmerverband Rostock-Mittleres<br />

Mecklenburg.<br />

Damit werde der sehr breit gehaltene<br />

Begriff »Umgebung«<br />

durch ein klar erkennbares<br />

und abgegrenztes regionales<br />

Profil ersetzt, wie Frank<br />

Haacker, Präsident des Unternehmerverbandes<br />

Rostock-<br />

Mittleres Mecklenburg, be-<br />

gründete. Es sei zugleich ein<br />

Signal, dass der Verband, der<br />

im Kern »mit Rostock das wirtschaftliche<br />

Herz Mecklenburg-Vorpommerns<br />

repräsentiert«,<br />

künftig noch stärker in<br />

die benachbarte Region Mittleres<br />

Mecklenburg ausstrahlen<br />

und die Interessen dort<br />

ansässiger Unternehmen vertreten<br />

will.<br />

Haacker kündigte an, dass<br />

in den Städten Bad Doberan,<br />

Ribnitz-Damgarten, Güstrow,<br />

Teterow und Waren/Müritz in<br />

den kommenden Wochen UV-<br />

Regionalbüros eingerichtet<br />

werden sollen. Sie werden Ansprechpartner<br />

für die Unternehmen<br />

vor Ort sein. Der Fokus<br />

des Unternehmerverbandes<br />

habe bisher sehr einseitig<br />

auf Rostock gelegen, wo der<br />

übergroße Teil der aktuell<br />

rund 500 Mitgliedsunternehmen<br />

und kooperierenden Mitglieder<br />

ansässig ist. Der Verband<br />

wolle in den kommenden<br />

drei bis fünf Jahren stark<br />

wachsen. »Unser Ziel sind 700<br />

Mitglieder.« In Rostock und in<br />

der Region Mittleres Mecklenburg<br />

gibt es laut Haacker<br />

gegenwärtig rund 6.600 Unternehmen.<br />

Er betonte, der<br />

Unternehmerverband agiere<br />

branchenübergreifend und<br />

berate kleine und mittlere Firmen<br />

sowie Einzelunternehmer<br />

in allen unternehmensrelevanten<br />

Fragen, ergänzend<br />

zu den Angeboten der Handwerkskammern<br />

und IHK.<br />

Thomas Schwandt<br />

Fotos: H. Pfeifer<br />

UV BRANDENBURG<br />

Kriminalität<br />

an der Grenze<br />

Die Sicherheitslage in den<br />

Grenzregionen bestimmte<br />

Fachdiskussion auf der Mitgliedervollversammlung.<br />

In den Grenzregionen nehmen<br />

Eigentumsdelikte zu.<br />

»Die von der ansteigenden Kriminalität<br />

Betroffenen sehen<br />

sich ihrer Grundlagen beraubt,<br />

nämlich ihrer Arbeitsmittel«,<br />

klagte Verbandspräsident<br />

Eberhard Walter.<br />

Dr. Herbert Trimbach, Abteilungsleiter<br />

im Innenministerium<br />

des Landes, und Sven<br />

Bogacz, Leiter der Polizeidirektion<br />

Brandenburg-Süd, redeten<br />

nicht um den heißen<br />

Brei herum. Sicherheit sei ein<br />

wirtschaftlicher Standortfaktor.<br />

Drei von vier Polizeihundertschaften<br />

des Landes Brandenburg<br />

sind bereits im<br />

Grenzgebiet stationiert. Die<br />

Polizeibediensteten beider<br />

Staaten würden befähigt, gemeinsam<br />

zu handeln. Der<br />

Zoll hat seit kurzem polizeiliche<br />

Befugnisse.<br />

Trimbach und Bogacz widersprachen<br />

der Meinung,<br />

dass Polen den Schwarzen Peter<br />

habe: »Die Säge klemmt<br />

oft in Deutschland.« Ganz<br />

praktisch: Während polnische<br />

Polizisten die Handys<br />

flüchtiger Täter sofort orten<br />

können, müssen deutsche Polizisten<br />

auf eine richterliche<br />

Entscheidung warten. Ein<br />

BESORGT: Verbandspräsident<br />

Eberhard Walter.<br />

großer Teil der grenzüberschreitenden<br />

Kriminalität<br />

werde nicht im Grenzgebiet<br />

verübt, sondern weit im Hinterland.<br />

Nicht nur in Nordrhein-Westfalen<br />

oder im Saarland,<br />

sondern auch in Frankreich<br />

oder Portugal werden<br />

die Fahrzeuge und Ausrüstungen<br />

gestohlen, die über die<br />

Brandenburgische Grenze<br />

Richtung Osten verbracht<br />

würden. Allerdings sei das Interesse<br />

der übrigen Bundesländer<br />

ohne Ostgrenze sehr<br />

flau, klagten die Beamten.<br />

Das solle sich mit der Bildung<br />

einer länderübergreifenden<br />

Arbeitsgruppe »Grenzkriminalität«<br />

durch die Innenministerkonferenz<br />

ändern.<br />

Polizeidirektor Sven Bogacz<br />

forderte die Unternehmer<br />

auf, selbst Maßnahmen<br />

zu ergreifen. Dazu gehörten<br />

nicht nur Prävention, sondern<br />

auch Zusammenarbeit<br />

mit der Polizei und technische<br />

Hilfsmittel, beispielsweise<br />

die künstliche DNA, mit<br />

der diebstahlgefährdete Güter<br />

markiert werden können.<br />

Hans Pfeifer<br />

&<br />

+ TERMINE+<br />

TERMINE<br />

UV Rostock<br />

19. Juli, 16.00 Uhr, HWBR,<br />

An der Jägerbäk 4, 18069 Rostock:<br />

Führungskräfteseminar<br />

»Rahmenbedingungen für KMU«.<br />

UV Vorpommern<br />

1. Oktober, Greifswald:<br />

Wirtschaftstag Vorpommern<br />

2012, Festveranstaltung<br />

20 Jahre UV Vorpommern.<br />

UV Brandenburg<br />

2. Juli; 18.00 Uhr, 14482<br />

Potsdam-Babelsberg; Otto-Erich-<br />

Str. 11/13: Forum Zukunft – aus<br />

der Praxis für die Praxis.<br />

14. September, 9.00 bis<br />

15.00 Uhr, Schloss Genshagen,<br />

14974 Genshagen, Dorfstraße:<br />

LogistikTagLudwigsfelde 2012,<br />

Thema: »Seehafenhinterlandverkehr<br />

als Chance für die Wirtschaft<br />

in Berlin und Brandenburg«.<br />

UV Sachsen<br />

11. Juli, 13 bis 17.30 Uhr,<br />

Solaristurm Chemnitz, Neefestraße<br />

88, 09116 Chemnitz:<br />

Support-Netzwerktreffen<br />

(Geschäftsstelle Chemnitz)<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 63


W&M-PRIVAT<br />

POLITIKER<br />

Der letzte<br />

Saboteur<br />

»Eilfahndung« stand über<br />

dem Haftbefehl, den die agonierende<br />

DDR-Justiz am 3. Dezember<br />

1989 einem der letzten<br />

Flüchtlinge hinterher jagte.<br />

Begründung: »Sabotage 3<br />

104 STGB«. Der treulose Politakt<br />

richtete sich gegen den<br />

obersten Devisenbeschaffer<br />

Schalck-Golodkowski, der<br />

sechs Jahre zuvor mit dem<br />

bayrischen Ministerpräsidenten<br />

Strauß den lebensverlängernden<br />

Milliardenkredit für<br />

die DDR-Wirtschaft eingefädelt<br />

hatte. Das Verschwinden<br />

des Goldfingers in Richtung<br />

Tegernsee hinterließ brisante<br />

Spekulationen. Neue Antworten<br />

bieten jetzt sein Arzt und<br />

ein Verleger, der Schalck später<br />

wieder traf.<br />

Frank Schumann/<br />

Heinz Wuschech:<br />

Schalck-Golodkowski.<br />

Der Mann, der<br />

die DDR retten wollte,<br />

Edition Ost,<br />

192 Seiten, 12,95 EUR<br />

Nachhilfe für<br />

den Pfarrer<br />

Die Schonzeit ist vorbei. »Ein<br />

bisschen ökonomisches Wissen<br />

wäre hilfreich«, rät Bestsellerautor<br />

Albrecht Müller<br />

dem neuen Bundespräsidenten,<br />

der seinen Blick abwende,<br />

wo sich der Einfluss der<br />

Bankwirtschaft auf die Politik<br />

offenbart und nicht einmal<br />

das Funktionieren der<br />

Europäischen Zentralbank<br />

verstehe. Der Autor betreibt<br />

seine Analyse nicht ohne Ironie<br />

und versucht sich als Ratgeber<br />

für den Seelsorger.<br />

Albrecht Müller,<br />

Der falsche Präsident.<br />

Was der Pfarrer Gauck<br />

noch lernen muss,<br />

Westend Verlag,<br />

64 Seiten, 5,99 EUR<br />

Sein erster Bestseller hieß<br />

»Scheißkerle«. Das gehobene<br />

deutsche Feuilleton<br />

befand, es sei ein Griff tief<br />

in die Mottenkiste der Machokritik.<br />

Doch der Erfolg auf<br />

dem Buchmarkt stellte Verlag<br />

und Autor zufrieden. 2.000<br />

Zuschriften, die er bekam,<br />

nahm der Kommunikationswissenschaftler<br />

Roman Maria<br />

Koidl als Ermutigung, das<br />

Thema im gleichen lockeren<br />

Grundton auf Politik, Wirtschaft<br />

und Gesellschaft zu<br />

projizieren.<br />

Die Figuren, die Koidls neues<br />

Buch »Blender« bevölkern,<br />

laufen unter Bezeichnungen<br />

wie Schlipswichser, Intriganten,<br />

Hochstapler, Flitzpiepen,<br />

Kompetenzprotze und Pöstchenjäger.<br />

Gegenstand dieser<br />

ironischen Psychoanalyse ist<br />

ein Cheftyp, der auf der Karriereleiter<br />

zu hoch geklettert<br />

ist, als dass er dem Unternehmen<br />

oder Parteifreunden, die<br />

er vertritt, noch gut tun kann.<br />

Das Thema ist freilich<br />

nicht ganz neu. Schon vor 40<br />

Jahren lieferten der Psychologe<br />

Laurence Peter und der<br />

Schriftsteller Raymond Hull<br />

dazu den Weltbestseller: »Das<br />

Peter-Prinzip oder Die Hierarchie<br />

der Unfähigen«. Das<br />

Standardwerk des Versagens<br />

ist in 40 Sprachen übersetzt<br />

worden. Gebracht hat das offenbar<br />

nichts. Das Blenden,<br />

so beobachtet Koidl, gehöre<br />

zum Alltag der Wettbewerbsgesellschaft<br />

und sei Bestandteil<br />

der Unternehmenskultur.<br />

BÜCHERBORD<br />

Karrieren<br />

Generation IMM<br />

Ob in Politik, Unternehmen oder Büro – ein Bestsellerautor<br />

sucht den Nachweis, warum immer<br />

die Falschen Karriere machen.<br />

Der Blender sei kein Paria der<br />

Leistungsgesellschaft, sondern<br />

genieße einen hohen<br />

Wert an der Aufmerksamkeitsbörse.<br />

Personal für die Abhandlung<br />

seiner Thesen über Titelsucht<br />

und Eitelkeit, Inkompetenz<br />

und Überforderung findet<br />

Koidl in der deutschen<br />

Gesellschaft zu Hauf. Absteiger<br />

wie der Baron zu Guttenberg<br />

und der Karstadt-Chef<br />

Middelhoff mit ihrem selbstgefertigten<br />

TV-Flitter eignen<br />

sich als besonders einprägsame<br />

Paradepferde. Prototypen<br />

einer ganzen Generation IMM<br />

– Irgendwas mit Medien.<br />

Und es sind immer Männer.<br />

Also fragt sich Koidl, »warum<br />

gut ausgebildete Frauen<br />

in Beruf und Karriere von<br />

Männern überholt werden,<br />

die ihnen, an objektiven Leistungskriterien<br />

gemesssen,<br />

klar unterlegen sind«. Altbekannte<br />

Klagefakten (nur vier<br />

Frauen unter den 182 männlichen<br />

Kollegen in deutschen<br />

DAX-Vorständen) hat er leicht<br />

zur Hand – Belege für ihn,<br />

dass Frauen kein Talent haben,<br />

Seilschaften zu bilden<br />

und sich immer noch scheu<br />

zeigen in einer Welt, wo<br />

männliche Rhetorik und Körpersprache<br />

dominieren.<br />

Koidl verlangt die Frauenquote<br />

als »Aktivierungsenergie«<br />

für die Gesellschaft. Gegen<br />

den Typ Blender wird das<br />

kaum helfen. Der bleibt wohl<br />

eine zeitlose Sozialfigur.<br />

Peter Jacobs<br />

ROMAN MARIA KOIDL, BLENDER.<br />

Warum immer die Falschen<br />

Karriere machen<br />

Hoffmann und Campe<br />

224 Seiten, 16,99 EUR<br />

RÜCKSCHAU<br />

Vordenker<br />

und Pleitier<br />

Ein Professor für Volkswirtschaftslehre<br />

und ein Finanzwisssenschaftler,<br />

beide Österreicher,<br />

haben sich daran<br />

gemacht, den Karriereweg<br />

und das Denken des klügsten<br />

und schillerndsten Wirtschaftsphilosphen,<br />

den ihr<br />

Land hervorgebracht hat, allgemeinverständlich<br />

darzulegen.<br />

Gleichermaßen faszinierend:<br />

Schumpeters bizarre<br />

Karriere als Wissenschaftler<br />

und Börsenspekulant, seine<br />

Auffassungen von der schleichenden<br />

Zersetzung des<br />

Kapitalsmus und der von ihm<br />

geprägte Begriff von der<br />

»schöpferischen Zerstörung«.<br />

Ein Buch von überraschendem<br />

Aktualitätswert.<br />

Heinz D. Kurz/Richard Sturn,<br />

Schumpeter für jedermann.<br />

Die Kraft<br />

der schöpferischen<br />

Zerstörung,<br />

Frankfurter<br />

Allgemeine Buch,<br />

224 Seiten,<br />

17,90 EUR<br />

BESTSELLER<br />

Wirtschaftsbuch<br />

1. Thilo Sarrazin: Europa braucht den<br />

Euro nicht. DVA (12,99 EUR)<br />

2. David Graeber: Schulden.<br />

Klett-Cotta (26,95 EUR)<br />

3. Carsten Maschmeyer: Selfmade.<br />

Ariston (19,99 EUR)<br />

4. Walter Isaacson: Steve Jobs.<br />

Bertelsmann (24,99 EUR)<br />

5. Martin Wehrle: Ich arbeite<br />

in einem Irrenhaus<br />

Econ (14,99 EUR)<br />

6. Tomas Sedlacek: Die Ökonomie von<br />

Gut und Böse. Hanser (24,90 EUR)<br />

7. Jürgen Roth: Gazprom.<br />

Das unheimliche Imperium.<br />

Westend (19,99 EUR)<br />

8. Dirk Laabs: Der deutsche Goldrausch.<br />

Pantheon (16,99 EUR)<br />

9. Sarah Wagenknecht: Freiheit statt<br />

Kapitalismus. Campus (19,99 EUR)<br />

10.Dirk Müller: Crashkurs<br />

Droemer (19,99 EUR)<br />

64 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


W&M-PRIVAT<br />

LEUTE & LEUTE<br />

Reiner Schwalme, 75<br />

Karrikatur und Zeichnung: Rainer Schwalme<br />

Als Bundesfamilienministerin<br />

kommt Kristina<br />

Schröder einfach auf<br />

keinen grünen Zweig. Stattdessen<br />

macht sie als Schriftstellerin<br />

Furore. Gemeinsam<br />

mit ihrer Referatsleiterin Caroline<br />

W. schrieb sie das Buch<br />

»Danke, emanzipiert sind wir<br />

selber!«<br />

Die Beteuerung glaubt freiwillig<br />

kein Mensch. Kinder,<br />

Küche und Kristina, von der<br />

Herdprämie ganz zu schweigen:<br />

Nichts ist öder als die<br />

Politik von Schröder. Die<br />

Spaßvögel von der TV-Satire-<br />

Sendung »Extra 3« ehrten sie<br />

schon mit der Goldenen Küchenschürze,<br />

und ihre beste<br />

Feindin Alice Schwarzer wiederholte,<br />

was sie ständig wiederholt:<br />

»Frau Schröder, ich<br />

halte Sie für einen hoffnungslosen<br />

Fall!«<br />

Für die Bundesregierung<br />

hat Kristina nun die Spendierhose<br />

übergestreift und steht<br />

bereit, mit Geld, das sie nicht<br />

hat, soziale Wohltaten zu<br />

finanzieren, die keiner will.<br />

Eltern von Kleinkindern haben<br />

ab Januar 2013 einen Anspruch<br />

auf zunächst 100 und<br />

dann 150 Euro Verdummungsgeld<br />

monatlich, wenn<br />

sie ihren Kindern das Betreten<br />

von Kindertagesstätten<br />

verwehren. Dies scheint mir<br />

ein viel versprechender Ansatz<br />

zu sein. Auch derjenige,<br />

Kristinas<br />

Spendierhose<br />

Ernst Röhl ärgert sich<br />

über Blindgänger<br />

der ungern Museen, Ministerien,<br />

Bahnhofsklos und Bordelle<br />

besucht, sollte fürs Fernbleiben<br />

auskömmlich honoriert<br />

werden. Auf gar keinen<br />

Fall dürfen die bereit gestellten<br />

Milliarden für weitere Kitas<br />

oder für die Ausbildung<br />

qualifizierter Betreuungskräfte<br />

verplempert werden.<br />

Seit langem schon veranstaltet<br />

die CDU/CSU, die tapfer<br />

für die Kita-Fernhalteprämie<br />

kämpft, einen Kuhhandel<br />

mit Niebels Teppichpartei.<br />

Diese gab ihr Okay erst, nachdem<br />

die Kanzlerin einer<br />

gleichfalls bizarren privaten<br />

Pflege-Zusatzversicherung zugestimmt<br />

hatte, die die FDP<br />

der Versicherungsbranche als<br />

kleines Geschenk überreichen<br />

möchte; denn kleine Geschenke<br />

erhalten die Freundschaft.<br />

Problemlos kommen<br />

2.483 Euro zusammen, wenn<br />

die fünf Euro, mit denen die<br />

Koalition private Pflegeversicherungsverträge<br />

fördern<br />

will, über 30 Jahre angespart<br />

und mit zwei Prozent verzinst<br />

werden. Das Geld reicht dann<br />

fast, um drei Wochen den Aufenthalt<br />

in einem Pflegeheim<br />

zu bezahlen, der monatlich<br />

3.000 Euro kostet. Man denkt<br />

immer, so was kann’s doch<br />

gar nicht geben, und dann<br />

gibt’s das doch. Die Regierung<br />

ist demnach auch eine Art<br />

Pflegeheim, eine Kita ist sie<br />

leider nicht. Sonst könnte<br />

Mutti die Minister ja bei sich<br />

zu Hause betreuen.<br />

Früher krankte ich an chronischer<br />

Hochachtung vor auskömmlich<br />

alimentierten Bundesministern,<br />

sogar vor Ex-<br />

Wirtschaftsminister Michael<br />

Glos (CSU). Längst weiß ich,<br />

dass ich einem Blindgänger<br />

blind vertraute. Immerhin<br />

schenkte uns Glos nach seinem<br />

Rücktritt reinen Wein<br />

ein: »Ich wusste nicht mal, wo<br />

genau dieses Wirtschaftsministerium<br />

stand, und es<br />

hat mich nie interessiert. Ich<br />

hatte auch keine Ahnung,<br />

welches die Aufgaben meines<br />

Ministeriums überhaupt sein<br />

mochten.«<br />

So weit, so gut. Aber wie<br />

komme ich eigentlich von<br />

Michael Glos auf Kristina<br />

Schröder?<br />

&<br />

Scharf beobachtendes Zeichentalent,<br />

seit 46 Jahren selbstständig,<br />

fast täglich präsent in der<br />

deutschen Presselandschaft – so<br />

etwa könnte ein Werbetext für<br />

Reiner Schwalme lauten, wenn<br />

er einen notwendig hätte. Hat<br />

er aber<br />

nicht. Der<br />

Gebrauchsgrafiker<br />

gelangte<br />

einst über<br />

die DDR-<br />

Gewerkschaftszeitung Tribüne<br />

ins Karikaturgewerbe, erwarb<br />

sich bei dem Satiremagazin<br />

Eulenspiegel einen guten Namen<br />

und zeichnet heute auch für die<br />

Sächsische Zeitung, den Tagesspiegel<br />

und Wirtschaft & Markt.<br />

120 Originalblätter sind zurzeit<br />

im Museum für Humor und Satire<br />

in Luckau zu sehen (www.humorund-satire-museum.de).<br />

Im Juni wurde Reiner Schwalme<br />

75. Das W&M-Team gratuliert.<br />

LESERPOST<br />

Ost-West<br />

Heft 06/2012<br />

Darüber zu grübeln, ob der Solidarpakt<br />

vielleicht doch über<br />

2019 hinaus verlängert werden<br />

sollte, halte ich für nutzlos.<br />

All die Sonderförderungen für<br />

den Osten haben das Problem<br />

doch nur gelindert, aber nicht<br />

abgeschafft. Ein selbsttragender<br />

Aufschwung ist nicht in<br />

Sicht. Es käme darauf an,<br />

strukturell ganz neue Wege zu<br />

gehen. Aber der Umgang mit<br />

der Solarindustie zeigt leider,<br />

wie kurzsichtig zurzeit Wirtschaftspolitik<br />

gemacht wird.<br />

Bent Lüdecke, Lübeck<br />

Fonds<br />

Heft 06/2012<br />

SEBImmoInvest wird nicht der<br />

letzte Immobilienfonds sein,<br />

dessen Öffnung im Moment<br />

scheitert. Danke also für solche<br />

Ratgeber-Beiträge in W&M, die<br />

Kleinanlegern Entscheidungshilfe<br />

geben.<br />

Konrad Splett, per E-Mail<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12 65


KOLUMNE<br />

Die vergessene Erfahrung<br />

In diesen Tagen fesseln uns die Eurokrise<br />

und der damit verbundene<br />

Streit um den besten Weg nach vorn.<br />

Wenn man so will, ein Streit zwischen<br />

ökonomischen Experten (besonders außerhalb<br />

Deutschlands) und dem gesunden<br />

Menschenverstand der Bürgerinnen<br />

und Bürger.<br />

Für die Bürger ist es oft unverständlich,<br />

wie die Experten die Lösung der Probleme<br />

sehen. Von diesen hört man allerdings<br />

ganz entgegengesetzte Strategien:<br />

Die einen kritisieren Deutschland, weil<br />

die Bundesregierung nicht schon beim<br />

ersten Aufflammen der Griechenlandkrise<br />

diesem Land seine Schulden – so<br />

oder so – abgenommen habe; die anderen<br />

wiederum hätten sich eher von einem<br />

sofortigen Staatsbankrott Griechenlands<br />

und der dabei durchschlagenden<br />

Haftung seiner Gläubiger (dann im Wesentlichen<br />

der europäischen Banken) die<br />

für Europa und die Weltwirtschaft erfolgreichste<br />

Klärung der Krise erwartet.<br />

Also was nun? Was ist richtig?<br />

Beide Positionen widersprechen sich<br />

nicht nur grundsätzlich – wie das beim<br />

Rat der Experten oft der Fall ist: Sie widersprechen<br />

auch beide dem gesunden<br />

Menschenverstand.<br />

Denn: Wer würde einem leichtfertigen<br />

Schuldner seine Schulden abnehmen<br />

oder die Bedingungen für eine<br />

Rückzahlung erleichtern, ohne dass der<br />

Schuldner nicht zunächst mindestens<br />

Besserung verspricht und auch praktiziert?<br />

Welcher vernünftige Gläubiger<br />

würde nicht zunächst sicherstellen, dass<br />

der Schuldner zukünftig klüger mit dem<br />

geliehenen Geld umgeht, damit er das<br />

neue Geld auch zurückzahlen kann?<br />

Die zweite These, nämlich man hätte<br />

Griechenland damals sofort pleitegehen<br />

lassen müssen, klingt zunächst überzeugend.<br />

In der Tat, warum soll der Steuerzahler<br />

mit Rettungsmitteln einspringen,<br />

wenn die Gläubiger offenbar dem Staat<br />

das Geld ohne sorgfältige Prüfung der<br />

Kreditwürdigkeit geliehen hatten?<br />

Die Gläubiger Griechenlands schon<br />

beim ersten Anzeichen der Krise sich<br />

selbst zu überlassen und zum Verzicht<br />

auf wesentliche Teile ihrer Ansprüche zu<br />

zwingen, hatte allerdings einen praktischen<br />

Haken: Die Verluste der Banken<br />

hätten vermutlich nicht nur eine wiederum<br />

staatlich finanzierte Kapitalausstattung<br />

der geschädigten Gläubigerbanken<br />

notwendig gemacht und damit<br />

ZUR SACHE<br />

Betrachtung<br />

zur wirtschaftlichen Lage<br />

Von Dr. Klaus von Dohnanyi<br />

wiederum eine erneute Erhöhung der<br />

Staatsschulden verursacht. Gefährlicher<br />

noch: Weltweites Misstrauen in europäische<br />

Staatsanleihen hätte eine massive<br />

Kapitalflucht aus den anderen gefährdeten<br />

Eurostaaten der südlichen Peripherie<br />

auslösen können. Deswegen schien es<br />

damals klüger, erst diese anderen Länder<br />

zu stabilisierenden Reformen zu bewegen,<br />

um dann den schwierigen Fall Griechenland<br />

zu lösen.<br />

Dafür verfolgte Deutschland eine eigene<br />

Strategie: Sparen bei den Staaten und<br />

Schuldenabbau, und zugleich Reformen<br />

für mehr Wachstum. Und dabei dann:<br />

Geduld in der Krise.<br />

Nun wird diese Sparpolitik Deutschland<br />

vorgeworfen. Obwohl die betroffenen<br />

Eurostaaten doch heute noch immer<br />

weitere Schulden auftürmen! Aber auch<br />

das soll ja die Schuld deutscher Sparpolitik<br />

sein. Da lohnt ein Blick über den<br />

Atlantik: Die USA machen täglich weiterhin<br />

horrende Schulden – wächst deswegen<br />

die dortige Wirtschaft schneller<br />

oder sinkt dort die Arbeitslosigkeit? Leider<br />

nein!<br />

Der gesunde Menschenverstand hat<br />

eine andere Meinung als viele Experten<br />

und er hat – wie meistens – Recht: Wer<br />

Schulden aufgehäuft hat, sollte sich<br />

bemühen, sie abzubauen und das Geld<br />

anstatt für Zinsen an die Bank lieber für<br />

eine Verbesserung der eigenen Leistung<br />

(in der Wirtschaft heißt das: für mehr<br />

Wettbewerbsfähigkeit) einsetzen. Auf<br />

gut Deutsch: Zum Beispiel länger arbeiten;<br />

streckenweise auf Lohnsteigerungen<br />

verzichten; die Arbeitsmärkte für<br />

mehr Wettbewerb öffnen ... Kurz all das,<br />

was Bundeskanzler Gerhard Schröder<br />

2003 mit der Agenda 2010 für Deutschland<br />

dankenswerterweise in Gang setzte<br />

– und wofür er dann von einer kleinen<br />

Minderheit in seiner SPD gestürzt wurde.<br />

Es gibt so viele internationale Beispiele<br />

für positive Wachstumsfolgen, die mit<br />

einem Mix aus Sparpolitik und Strukturreformen<br />

eingeleitet wurden, dass man<br />

die Gegner dieser Strategie nur mit Verwunderung<br />

hören kann. Der neue französische<br />

Präsident Hollande etwa sollte<br />

sich einfach mal die Schweiz, Schweden,<br />

Finnland, Polen – und notfalls auch<br />

Deutschland – anschauen: Es geht doch,<br />

wenn man will. Man braucht allerdings<br />

politischen Mut zu sagen, was ist und<br />

dann auch zu tun, was notwendig ist.<br />

Wenn mich das alles an eine vergessene<br />

Erfahrung erinnert, dann ist das die<br />

Debatte um die Wiedervereinigung vor<br />

gut 20 Jahren. Gewiss, nicht alles wurde<br />

damals richtig gemacht. Steuererhöhungen<br />

im Westen und Steuererleichterung<br />

im Osten wären sicherlich klüger gewesen.<br />

Doch all die damaligen Expertenratschläge,<br />

bis hin zu Oskar Lafontaines<br />

prinzipieller Ablehnung der Vereinigung,<br />

haben den Kern nicht getroffen.<br />

Da lob ich mir den gesunden Menschenverstand<br />

von Helmut Kohl.<br />

Das sind für mich die Erfahrungen,<br />

die wir nicht vergessen dürfen: Sie beginnen<br />

mit Konrad Adenauer, dem damals<br />

die Zehnmalklugen Einfalt und Kurzsichtigkeit<br />

vorwarfen, als er die Westbindung<br />

zum Schlüssel des Wiederaufstiegs<br />

Deutschlands machte. Es war der Chor<br />

der »Ostexperten«, der Willy Brandts Ostpolitik<br />

Naivität vorwarf – bis diese dann<br />

die Wiedervereinigung ermöglichte. Und<br />

so ist es heute mit den Vorwürfen gegen<br />

den gesunden Menschenverstand von<br />

Frau Merkel. Politik sollte auch die praktische<br />

Lebenserfahrung der Menschen<br />

immer im Auge behalten.<br />

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66 WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12


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