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WIRTSCHAFT+MARKT Regionen leeren sich (Vorschau)

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A 40799 ■ ISSN 0863-5323 ■ 22. Jahrgang ■ November 2011 ■ Preis: EURO 3,50<br />

Wirtschaft&Markt<br />

Wirtschaft&Markt<br />

DAS OSTDEUTSCHE WIRTSCHAFTSMAGAZIN<br />

GENFER SICHT<br />

Heiner Flassbeck<br />

KÜHLER BLICK<br />

Klaus von Dohnanyi<br />

Ostdeutschland-Forscher Joachim Ragnitz:<br />

<strong>Regionen</strong> <strong>leeren</strong> <strong>sich</strong>


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EDITORIAL<br />

Keine alberne Rechnung<br />

HELFRIED LIEBSCH<br />

Chefredakteur<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

erinnern Sie <strong>sich</strong> noch an Ihren Wunsch<br />

vor der Mathe-Arbeit, ein kleines Wunder<br />

möge geschehen? Vielleicht die Schule<br />

abbrennen? Nun, derlei Mirakel sind<br />

selten. Das hindert aber kaum jemanden<br />

daran, an sie zu glauben. Je größer die<br />

Not, desto fester der Glaube. Irgendwie<br />

könnte <strong>sich</strong> das Blatt wenden, eine Rechnung<br />

in Vergessenheit geraten, Gott ein<br />

Einsehen haben. Leider lehrt jede Erfahrung:<br />

Die Rechnung kommt.<br />

Das betrifft, nebenbei gesagt, auch die<br />

Belastungen aus der Energiewende<br />

(S. 14), die damit begründet ist, die Last<br />

der Un<strong>sich</strong>erheit atomarer Stromproduktion<br />

in Deutschland abzuwerfen. Sie<br />

wird mehr kosten als heute befürchtet.<br />

Wetten?<br />

Apropos Wetten. Es stören <strong>sich</strong> weltweit<br />

immer mehr Menschen an der<br />

Macht der Banken, zumindest am Investmentbanking.<br />

Sie finden die Privatisierung<br />

der Gewinnchancen und die Sozialisierung<br />

des Verlustrisikos ungerecht.<br />

Mitte Oktober sind Hunderttausende auf<br />

die Straße gegangen, um dagegen zu protestieren.<br />

Wiederholung wahrscheinlich.<br />

Sie legen den Regierungen ihre Rechnung<br />

aus den Krisen der Finanzkapitalismus<br />

vor, verlangen Reichen- und Transaktionssteuern,<br />

Begrenzung der Spekulation.<br />

Die occupy-Bewegung will ein<br />

länderübergreifendes Zeichen setzen. Es<br />

spricht wenig dafür, dass sie verebbt, wie<br />

es Bundespräsidenten-Kandidat Gauck,<br />

prophezeit, der obendrein die Finanzmarktdebatte<br />

»unsäglich albern« findet.<br />

Dagegen spricht viel dafür, dass die<br />

vermeintlich alberne Rechnung, die von<br />

zumeist jungen Leuten aufgemacht<br />

wird, stimmt. Nach der Lehman-Pleite<br />

wollten die Regierungen der Welt alles<br />

anders, alles besser machen. Regulierung?<br />

Fehlanzeige. Die Politik krankt an<br />

ihrer selbst verschuldeten Ohnmacht.<br />

Unter den Bedingungen globalisierter<br />

Märkte ist mit den nationalen Egoismen<br />

kein Blumentopf zu gewinnen. Womöglich<br />

zeugt es von Lernfähigkeit, wenn der<br />

SPD-Vorsitzende Gabriel jetzt fordert,<br />

von den Geschäftsbanken das Investmentbanking<br />

abzutrennen und ein<br />

Schild aufzustellen: Hier endet die<br />

Staatshaftung.<br />

Das ist Wunsch, die Wirklichkeit sind<br />

die Verbrämungen der Politik, von denen<br />

man <strong>sich</strong> nicht täuschen lassen darf:<br />

Rettung – wahlweise Bankenrettung,<br />

Griechenlandrettung oder Rettungsschirm<br />

– ist nur ein anderes Wort für<br />

Rechnungsbegleichung aus Steuergeldern,<br />

also aus Ihrem Geld. Bestenfalls<br />

wird ein Aufschub gekauft, aber auch<br />

der kommt teuer. Insofern mag man die<br />

occupy-Bewegung verspotten, die Regierungen<br />

der Welt haben sie verdient.<br />

<br />

Messe für<br />

GENUSS,<br />

LEBENSART<br />

UND AMBIENTE<br />

<br />

Herzlichst<br />

Ihr


EDITORIAL<br />

Keine alberne Rechnung<br />

HELFRIED LIEBSCH<br />

Chefredakteur<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

erinnern Sie <strong>sich</strong> noch an Ihren Wunsch<br />

vor der Mathe-Arbeit, ein kleines Wunder<br />

möge geschehen? Vielleicht die Schule<br />

abbrennen? Nun, derlei Mirakel sind<br />

selten. Das hindert aber kaum jemanden<br />

daran, an sie zu glauben. Je größer die<br />

Not, desto fester der Glaube. Irgendwie<br />

könnte <strong>sich</strong> das Blatt wenden, eine Rechnung<br />

in Vergessenheit geraten, Gott ein<br />

Einsehen haben. Leider lehrt jede Erfahrung:<br />

Die Rechnung kommt.<br />

Das betrifft, nebenbei gesagt, auch die<br />

Belastungen aus der Energiewende<br />

(S. 14), die damit begründet ist, die Last<br />

der Un<strong>sich</strong>erheit atomarer Stromproduktion<br />

in Deutschland abzuwerfen. Sie<br />

wird mehr kosten als heute befürchtet.<br />

Wetten?<br />

Apropos Wetten. Es stören <strong>sich</strong> weltweit<br />

immer mehr Menschen an der<br />

Macht der Banken, zumindest am Investmentbanking.<br />

Sie finden die Privatisierung<br />

der Gewinnchancen und die Sozialisierung<br />

des Verlustrisikos ungerecht.<br />

Mitte Oktober sind Hunderttausende auf<br />

die Straße gegangen, um dagegen zu protestieren.<br />

Wiederholung wahrscheinlich.<br />

Sie legen den Regierungen ihre Rechnung<br />

aus den Krisen der Finanzkapitalismus<br />

vor, verlangen Reichen- und Transaktionssteuern,<br />

Begrenzung der Spekulation.<br />

Die occupy-Bewegung will ein<br />

länderübergreifendes Zeichen setzen. Es<br />

spricht wenig dafür, dass sie verebbt, wie<br />

es Bundespräsidenten-Kandidat Gauck,<br />

prophezeit, der obendrein die Finanzmarktdebatte<br />

»unsäglich albern« findet.<br />

Dagegen spricht viel dafür, dass die<br />

vermeintlich alberne Rechnung, die von<br />

zumeist jungen Leuten aufgemacht<br />

wird, stimmt. Nach der Lehman-Pleite<br />

wollten die Regierungen der Welt alles<br />

anders, alles besser machen. Regulierung?<br />

Fehlanzeige. Die Politik krankt an<br />

ihrer selbst verschuldeten Ohnmacht.<br />

Unter den Bedingungen globalisierter<br />

Märkte ist mit den nationalen Egoismen<br />

kein Blumentopf zu gewinnen. Womöglich<br />

zeugt es von Lernfähigkeit, wenn der<br />

SPD-Vorsitzende Gabriel jetzt fordert,<br />

von den Geschäftsbanken das Investmentbanking<br />

abzutrennen und ein<br />

Schild aufzustellen: Hier endet die<br />

Staatshaftung.<br />

Das ist Wunsch, die Wirklichkeit sind<br />

die Verbrämungen der Politik, von denen<br />

man <strong>sich</strong> nicht täuschen lassen darf:<br />

Rettung – wahlweise Bankenrettung,<br />

Griechenlandrettung oder Rettungsschirm<br />

– ist nur ein anderes Wort für<br />

Rechnungsbegleichung aus Steuergeldern,<br />

also aus Ihrem Geld. Bestenfalls<br />

wird ein Aufschub gekauft, aber auch<br />

der kommt teuer. Insofern mag man die<br />

occupy-Bewegung verspotten, die Regierungen<br />

der Welt haben sie verdient.<br />

<br />

Messe für<br />

GENUSS,<br />

LEBENSART<br />

UND AMBIENTE<br />

<br />

Herzlichst<br />

Ihr


INHALT<br />

WIRTSCHAFT & MARKT<br />

im November 2011<br />

BETRACHTUNG SPECIAL REPORT<br />

SEITE 19 SEITE 14<br />

SEITE 32<br />

RESERVEN IN ROSTOCK:<br />

Worüber <strong>sich</strong> ein Bundeskoordinator ärgert<br />

WELTPREMIERE BEI PRENZLAU:<br />

Erstes Hybridkraftwerk in Betrieb<br />

LUFTNUMMER AUS EDERSLEBEN:<br />

Das Geheimnis der Allianz-Arena<br />

Editorial<br />

Aktuell<br />

3<br />

6<br />

Keine alberne Rechnung<br />

Interview, Nachrichten, Pro und Contra, Impressum<br />

Wirtschaft und Politik<br />

Special<br />

TITEL<br />

10<br />

14<br />

26<br />

27<br />

PROF. DR. JOACHIM RAGNITZ, stellvertretender Geschäftsführer des ifo Instituts für<br />

Wirtschaftsforschung Dresden, zu leidigen Ost-West-Vergleichen, Wunsch und Wirklichkeit<br />

in der Bundespolitik und zur demografischen Herausforderung<br />

ENERGIEWENDE OST: Ein waghalsiges Unterfangen<br />

KAUFEN IM INTERNET: Produkte besser finden<br />

IT-SERVICE UND BERATUNG: Fachkräfte im Osten gesucht<br />

Fotos: Enertrag, Novum Menbranes, T. Schwandt<br />

Betrachtung<br />

Report<br />

Service<br />

W&M-Service<br />

Porträt<br />

Tourismus<br />

Ständige Rubriken<br />

W&M Privat<br />

Kolumnen<br />

19<br />

20<br />

32<br />

22<br />

34<br />

42<br />

44<br />

46<br />

48<br />

24<br />

50<br />

SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK: Großer Nachholbedarf<br />

BÜRSTENMANN GMBH: Weltweit in aller Munde<br />

NOVUM MEMBRANES GMBH: Folien, Kissen und viel mehr<br />

ROHSTOFFE: Globaler Wettbewerb<br />

Steuern, Geld, Ver<strong>sich</strong>erung, Multimedia<br />

BIRGIT TIEF, TEIGWAREN RIESA GMBH: Spirit für Spirelli<br />

URLAUBSLAND MECKLENBURG-VORPOMMERN: Pauschal gen Norden<br />

UV-AKTUELL: Nachrichten aus den Unternehmerverbänden<br />

Bücherbord, Leute & Leute, Leserbriefe, Impressum<br />

HEINER FLASSBECK: Die unendliche Krise<br />

KLAUS VON DOHNANYI: Mit kühlem Kopf mutig aus der Krise<br />

Inhalt<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 5


AKTUELL<br />

Fotos: DPA/Zentralbild (1), Archiv<br />

INTERVIEW<br />

DR. JACEK ROBAK,<br />

Gesandter-<br />

Botschaftsrat, Leiter<br />

der Abteilung Handel<br />

und Investitionen der<br />

Botschaft der Republik<br />

Polen in Berlin<br />

Potente Partner<br />

W&M: Herr Robak, 20 Jahre Vertrag<br />

zwischen Polen und Deutschland für<br />

gute Nachbarschaft und freundschaftliche<br />

Zusammenarbeit – was<br />

hat das wirtschaftlich gebracht?<br />

ROBAK: Spitzenplätze in doppelter<br />

Hin<strong>sich</strong>t. Wir sind für<br />

Deutschland heute der wichtigste<br />

Handelspartner in Mittel- und<br />

Osteuropa. Und Deutschland ist<br />

für uns der mit Abstand größte<br />

Handelspartner überhaupt. Die<br />

Polnischen Ausfuhren nach<br />

Deutschland erreichten 2010 einen<br />

Wert von mehr als 30 Milliarden<br />

Euro.<br />

W&M: Und die Investitionen?<br />

ROBAK: Das verläuft längst nicht<br />

mehr auf einer Einbahnstraße.<br />

Polnische Unternehmen investieren<br />

jetzt immer öfter in<br />

Deutschland. Ich verweise insbesondere<br />

auf die Bereiche Informationstechnik,<br />

Vertrieb von Mineralölerzeugnissen,<br />

Logistik,<br />

Metall- und Chemieindustrie.<br />

W&M: Deutsche Unternehmen, so<br />

hört man, suchen in Polen vor allem<br />

gut ausgebildete Fachkräfte für technologisch<br />

innovative Unternehmen?<br />

ROBAK: Ich meine, dass wir exzellente<br />

Möglichkeiten haben,<br />

in unserem Teil Europas eine<br />

starke innovative Wirtschaftsregion<br />

aufzubauen. Gemeinsam!<br />

Es gibt jedenfalls viel zu tun.<br />

W&M: Sie verwiesen sehr engagiert<br />

darauf schon einmal in unserer Zeitschrift<br />

Wirtschaft & Markt.<br />

ROBAK: Ja. Und ich wiederhole<br />

das mit einem guten Gefühl. Die<br />

Beilage zur 20-jährigen wirtschaftlichen<br />

Zusammenarbeit<br />

im Juni 2011 hat ein sehr positives<br />

Echo gefunden. Wir freuen<br />

uns, dass für 2012 eine Serie von<br />

Specials geplant ist, die ganz <strong>sich</strong>er<br />

deutsche wie polnische Unternehmer<br />

zu weiteren gemeinsamen<br />

Projekten anregen wird.<br />

Interview: Peter Jacobs<br />

Konjunktur<br />

Schuldenbremse hilft<br />

Alle neuen Bundesländer verzeichnen Fortschritte<br />

bei der Konsolidierung ihrer Haushalte<br />

Dem Freistaat Sachsen<br />

bescheinigt das Kölner<br />

IW-Institut der<br />

deutschen Wirtschaft die bisher<br />

deutlichsten Erfolge aller<br />

deutscher Bundesländer bei<br />

der Anwendung der Schuldenbremse.<br />

Thüringen und<br />

Sachsen-Anhalt hätten gute<br />

Chancen, ihre Defizite bis<br />

Jazz mit Bier<br />

TRADITIONSMARKEN<br />

In der thüringischen Kleinstadt<br />

Köstritz wird seit mehr als<br />

450 Jahren gebraut. Alljährlich<br />

feiert die Köstritzer Schwarzbierbrauerei<br />

an wechselnden<br />

Standorten eine Schwarzbiernacht.<br />

Nach Jena, Weimar, Trier,<br />

Gera, Zeitz, Zwickau und Suhl<br />

kam in diesem Jahr zum ersten<br />

Mal die Hauptstadt in den<br />

Genuss des Spektakels. Angeführt<br />

von der Köstritz Jazzband<br />

gestalteten Unterhaltungskünstler<br />

eine Einkaufsnacht in<br />

den Berliner Gropiuspassagen.<br />

Jährlich werden in Köstritz<br />

heute mehr als eine Million Hektoliter<br />

Bier verschiedener Sorten<br />

produziert und in 40 Länder<br />

exportiert.<br />

zum Jahr 2013 abzubauen<br />

und Überschüsse zu erzielen.<br />

Brandenburg sei auch auf gutem<br />

Wege. Mecklenburg-Vorpommern<br />

weise kaum noch<br />

Schulden aus, müsse aber<br />

nun mit einer aktualisierten<br />

Finanzplanung belegen, dass<br />

in Zukunft Überschüsse erzielt<br />

werden können.<br />

Kathi in der Kita<br />

Mit einem neuen Markenauftritt<br />

ist der Hallenser Backmittelhersteller<br />

Kathi in das<br />

60. Jahr der Firmengründung<br />

gestartet. Das 1951 unter<br />

DDR-Bedingungen entstandene<br />

mittelständische Unternehmen<br />

ist seit langem ostdeutscher<br />

Marktführer. Im<br />

Westen belegt Kathi Platz drei<br />

und ist bei den Ketten Kaufland,<br />

Globus und Edeka gelistet.<br />

Der Hallenser Kuchenkönig<br />

beschäftigt zur Zeit<br />

90 Mitarbeiter. Mit der neuen<br />

Werbekampagne sollen auch<br />

mehr ganz junge Interessenten<br />

angesprochen werden.<br />

Die Kathi Rainer Thiele GmbH<br />

unterhält Patenschaften über<br />

zehn Kitas.<br />

BRUTTOINLANDSPRODUKT<br />

Laut Arbeitsgemeinschaft volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen<br />

wuchs das deutsche BIP im ersten Halbjahr 2011 um 3,9 Prozent<br />

Ausgwewählte neue und alte Länder im Vergleich (Angaben in Proz.)<br />

Baden-Württemberg 5,6<br />

Sachsen-Anhalt 4,6<br />

Thüringen 4,1<br />

Bayern 3,9<br />

Sachsen 3,8<br />

Niedersachsen 3,3<br />

Brandenburg 3,0<br />

Mecklenburg.Vorpommern 2,2<br />

Deutschlands insgesamt 3,9<br />

DER ÜBERDURCHSCHNITTLICHE BIP-ANSTIEG in Sachsen-Anhalt ist<br />

besonders der verarbeitenden Industrie und dem Baugewerbe zu verdanken.<br />

Im zweiten Halbjahr wird mit einer Abschwächung gerechnet.<br />

AUS DEN LÄNDERN<br />

Berlin/Brandenburg<br />

Mit sieben Universitäten, zwölf<br />

Hoch- und Fachschulen sowie rund<br />

250 weiteren Forschungseinrichtungen<br />

weist die Hauptstadtregion<br />

derzeit die größte Forschungsdichte<br />

Deutschlands auf. In Berlin und<br />

Brandenburg sind rund 50.000<br />

Wissenschaftler tätig und mehr als<br />

180.000 Studenten immatrikuliert.<br />

Sachsen<br />

35 Anträge auf eine Inno-Prämie<br />

mit einer Zuwendungssumme von<br />

insgesamt 294.000 Euro hat die<br />

Sächsische Aufbaubank – Förderbank<br />

– (SAB) bewilligt. Seit mehr<br />

als einem Jahr unterstützt das<br />

Sächsische Staatsministerium für<br />

Wissenschaft und Kunst (SMWK)<br />

damit kleine und mittelständische<br />

Unternehmen aus Sachsen bei ihrer<br />

Zusammenarbeit mit Hochschulen<br />

und Forschungseinrichtungen.<br />

GESPRÄCHSFORUM<br />

Die Zukunftsinitiative Fachkräfte<strong>sich</strong>erung<br />

in Ostdeutschland wird<br />

<strong>sich</strong> am 10. November auf der<br />

dritten Veranstaltung ihrer Dialogreihe<br />

mit dem Thema »Willkommenskultur<br />

in der Praxis« befassen.<br />

Dabei geht es ange<strong>sich</strong>ts<br />

des sinkenden Angebots an Fachkräften<br />

um Strategien zur bestmöglichen<br />

Abschöpfung des inländischen<br />

Arbeitskräftepotenzials<br />

und um die Nutzung aller rechtlichen<br />

Möglichkeiten zur Gewinnung<br />

von Fachkräften aus dem<br />

Ausland. Veranstaltungsort ist die<br />

IHK Ostbrandenburg in Frankfurt<br />

(Oder). Weitere Informationen:<br />

www.fachkräfteinitiativeostdeutschland.de<br />

Thüringen<br />

»Thüringen-Dynamik« heißt ein<br />

Programm des Erfurter Wirtschaftsministeriums,<br />

das den Übergang<br />

vom Abfluss- zum Kreislaufprinzip in<br />

der Wirtschaftsförderung bewirken<br />

soll. Es bietet für KMU zinsgünstige<br />

Darlehen bis zu zwei Millionen<br />

Euro. Zins und Tilgung fließen in den<br />

Fonds und stehen somit erneut für<br />

die Wirtschaftsförderung zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Mecklenburg-<br />

Vorpommern<br />

Mecklenburg-Vorpommern will Gesundheitsland<br />

Nr. eins in Deutschland<br />

werden. Schon jetzt gibt es<br />

59 staatlich anerkannte Kur- und<br />

Erholungsorte und 62 Vorsorgeund<br />

Reha-Kliniken. Mehr als 90<br />

Wellness- und Gesundheitshotels,<br />

Reha-Kliniken und Freizeitbäder<br />

besitzen das Wellnesszertifikat des<br />

Deutschen Wellnessverbandes.<br />

6 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


AKTUELL<br />

WIRTSCHAFTSBILD<br />

DES MONATS<br />

BRIEF AUS BRÜSSEL<br />

Von THOMAS HÄNDEL,<br />

Europaabgeordneter<br />

Die Linke<br />

Steuer zu mickrig<br />

Der Vorschlag der EU-Kommission<br />

für die Einführung einer<br />

Transaktionssteuer ist ein<br />

Schritt in die richtige Richtung<br />

– wenn auch ein zaghafter.<br />

SCHATZSUCHE IM ERZGEBIRGE. Diese Männer schürfen nach einem Rohstoff der Zukunft: Lithium.<br />

Eine der zehn größten Lagerstätten der Welt befindet <strong>sich</strong> bei Zinnwald. Zusammen mit der Bergakademie<br />

Freiberg hat der Technologiekonzern Solar World jetzt die Erlaubnis für Erkundungen in einem 7,8 Quadratkilometer<br />

großen Feld erworben, das bis nach Tschechien reicht. Die Vorräte erreichen vermutlich<br />

250.000 Tonnen und werden auf einen Marktwert von vier Milliarden Euro geschätzt. Lithium ist unentbehrlich<br />

für Ionenbatterien, Hochleistungsakkus in Notebooks, Smartphones und in der Solarindustrie.<br />

Anwendung findet es auch für Raketentreibstoffe, als Trockenmittel für Erdgas und in der Glasproduktion.<br />

KONJUNKTUR-BAROMETER<br />

Konjunktur Ost braucht Kaufkraft Ost<br />

Wichtigster Indikator für die Konjunktur in einer<br />

Region ist die Kaufkraft. In den erfolgreichsten<br />

ostdeutschen Kreisen werden mittlerweile<br />

17.900 Euro je Einwohner und Jahr ausgegeben.<br />

Doch damit bleiben auch diese um etwa<br />

300 Euro hinter den schwächsten Kreisen im<br />

Westen Deutschlands zurück.<br />

Nicht besser fällt der Vergleich für die Beschäftigungslage<br />

aus. Während in erfolgreichen<br />

westdeutschen Kreisen durchschnittlich nur<br />

rund vier Prozent der Bevölkerung erwerbslos<br />

gemeldet sind, verharrt die Arbeitslosenquote<br />

selbst in den ostdeutschen Erfolgsregionen<br />

um Berlin, Potsdam, Rostock, Dresden, Jena,<br />

Erfurt und Magdeburg noch bei neun Prozent.<br />

Und damit nicht genug. Trotz längerer Arbeitszeit<br />

pro Woche erreicht das durchschnittliche<br />

Arbeitnehmerentgelt bisher kaum 80 Prozent<br />

des westdeutschen Niveaus, in der Industrie<br />

sogar nur 73 Prozent. Ähnlich groß sind die<br />

Rückstände bei Renten, Harz IV und anderen<br />

Von DR. HERBERT BERTEIT<br />

Einkünften. Auch das erweist <strong>sich</strong> als Konjunkturbremse.<br />

Dennoch gibt es inzwischen schon strukturelle<br />

Indikatoren, bei denen <strong>sich</strong> sowohl erfolgreiche<br />

als auch weniger erfolgreiche <strong>Regionen</strong><br />

im Osten von denen im Westen positiv unterscheiden.<br />

In gut aufgestellten Kreisen liegt die<br />

Verschuldung niedriger, gibt es weniger Wanderungsbewegungen,<br />

ist der Anteil von qualifizierten<br />

Fachkräften höher, und es ist eine<br />

größere Gründungsdynamik von Firmen zu beobachten.<br />

Auch die Lebenserwartung ist in den<br />

erfolgreichen <strong>Regionen</strong> des Ostens bisweilen<br />

höher. Insgesamt gesehen hat Westdeutschland<br />

da allerdings zwei Jahre mehr aufzuweisen<br />

als der Osten.<br />

Um die ostdeutsche Konjunktur zu fördern,<br />

muss vor allem die Kaufkraft steigen. 20 Jahre<br />

nach der Wiedervereinigung ist es an der Zeit,<br />

dass die Politik für eine Angleichung der Einkommen<br />

in Ost und West mehr tut.<br />

Endlich hat <strong>sich</strong> die Europäische<br />

Kommission durchgerungen, zu<br />

der von weiten Teilen der Zivilgesellschaft,<br />

vielen nationalen<br />

Politikern aller Couleur und zuletzt<br />

auch vom Europäischen<br />

Parlament immer eindringlicher<br />

geforderten Steuer auf Finanztransaktionen<br />

einen Vorschlag<br />

für eine europäische Lösung<br />

zu unterbreiten. Zu spät,<br />

werden viele sagen. Und das zu<br />

Recht. Uns wären viel Ärger mit<br />

den außer Rand und Band agierenden<br />

Finanzmärkten und Sorgen<br />

um unsere Steuergelder erspart<br />

geblieben, hätten <strong>sich</strong> die<br />

Mächtigen in Europa schon viel<br />

früher dazu durchgerungen.<br />

Zu kritisieren bleibt, dass die<br />

Steuer mit 0,1 auf Aktien- und<br />

0,01 Prozent auf Derivatehandel<br />

deutlich unter den notwendigen<br />

Sätzen bleibt, um spekulative<br />

Handelsaktivitäten einzudämmen.<br />

Überdies enthält der Vorschlag<br />

zuviele Ausnahmetatbestände,<br />

was die Wirkung zusätzlich<br />

verringern könnte. Wir<br />

werden im parlamentarischen<br />

Prozess darauf dringen, diese<br />

Mängel zu beheben. Und hoffen<br />

auf ausreichend Druck aus der<br />

Zivilgesellschaft. Nur so kann<br />

zum einen die Blockadehaltung<br />

Großbritanniens und seines<br />

Finanzplatzes London aufgebrochen<br />

und zum anderen dann<br />

auch eine wirksame, tatsächlich<br />

steuernde Maßnahme am Ende<br />

des Prozesses in Kraft treten.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 7


AKTUELL<br />

KURZ NOTIERT<br />

NACHRICHTEN AUS DEN REGIONEN<br />

OPTIONSVERKAUF<br />

Sofort liquide<br />

Die Deutsche Zweitmarkt<br />

AG, Makler und Handelsgesellschaft<br />

für geschlossene<br />

Fonds, ermöglicht ab<br />

sofort in Kooperation mit<br />

der M1 Factoring GmbH<br />

den Optionsverkauf.<br />

Das Angebot kombiniert eine<br />

sehr schnelle und diskrete<br />

Umwandlung des im geschlossenen<br />

Fonds gebundenen Kapitals<br />

in sofort verfügbare Liquidität.<br />

Mit der Möglichkeit, die<br />

verkauften Anteile innerhalb<br />

von zwölf Monaten zurück zu<br />

erwerben. Die Deutsche Zweitmarkt<br />

AG übernimmt beim<br />

Optionsverkauf die transparente<br />

und bankenunabhängige<br />

Ermittlung des aktuellen<br />

Marktwerts des geschlossenen<br />

Fonds, die M1 Factoring GmbH<br />

die rasche und zuverlässige<br />

Abwicklung. Das Unternehmen<br />

M1 Factoring mit Standorten<br />

in Dresden und Landshut<br />

orientiert <strong>sich</strong> dabei an<br />

dem ermittelten Wert der<br />

Deutschen Zweitmarkt AG.<br />

ENERGIETRANSPORT<br />

Milliarden für Netz<br />

Zwei Milliarden Euro werden notwendig<br />

sein, um Brandenburgs Energieübertragungsnetz<br />

für den Kapazitätsbedarf<br />

im Jahr 2020 fit zu machen.<br />

Das Übertragungsnetz muss dafür mit 600<br />

Kilometer und das 110-kV-Verteilernetz mit<br />

1.500 Kilometer<br />

neuer Leitungen<br />

erweitert werden.<br />

Das verlautet<br />

aus einer<br />

Studie, die von<br />

der TU Cottbus<br />

und drei Energiefirmen<br />

erarbeitet<br />

wurde. Brandenburg<br />

gilt als<br />

einer der Vorreiter<br />

beim Ökoanteil<br />

in der<br />

Stromerzeugung<br />

und zählt in<br />

diesem Bereich bereits mehr Beschäftigte<br />

als in der Braunkohleverstromung. (Foto:<br />

Wartungsarbeiten bei Eberswalde)<br />

MANAGER : TÜFTLER : ERFINDER<br />

HOCHWASSERSCHUTZ<br />

Milliarde gegen Fluten<br />

Mit einem Masterplan, der mehr als 1.000<br />

Positionen umfasst, rüstet <strong>sich</strong> Sachsen für<br />

den Fall der Wiederholung einer<br />

Flutkatastrophe wie im Jahr 2002.<br />

Bis zum Jahr 2015 will Sachsen für den Hochwasserschutz<br />

eine Summe von einer Milliarde<br />

Euro aufwenden. Vorrangig handelt es <strong>sich</strong><br />

dabei um Gewässeraufweitungen, den Neu- oder<br />

Umbau von Deichen und den Neubau von<br />

Hochwasserrückhaltebecken und die Einrichtung<br />

von Flutungspoldern. Zurzeit sind 41 Projekte<br />

im Bau. Weitere 238 befinden <strong>sich</strong> noch<br />

in der Planungs- oder Genehmigungsphase.<br />

(Foto: Brückenerneuerung in Grimma)<br />

Fotos: DPA/Zentralbild (5), privat,<br />

FIRMENÜBERNAHME<br />

IMG steigt ein<br />

Die Firmengruppe IMG-<br />

Group mit dem Stammbetrieb<br />

Ingenieurtechnik<br />

und Maschinenbau GmbH<br />

(IMG) in Rostock hat die<br />

insolvente SMT Systeme<br />

GmbH & Co. KG im niedersächsischen<br />

Syke bei Bremen<br />

übernommen.<br />

Die SMT Systeme GmbH & Co.<br />

KG ist unter anderem spezialisiert<br />

auf die Konstruktion<br />

flexibler Robotersysteme für<br />

Schweißarbeiten. Zu den Kunden<br />

zählen Automobilzulieferer,<br />

Landmaschinen- und Nutzfahrzeughersteller<br />

vor allem<br />

in Deutschland sowie in der<br />

Türkei und Polen. Drei Viertel<br />

der Belegschaft des im Juli<br />

2011 in die Insolvenz geratenen<br />

Syker Spezialmaschinenbauers<br />

werden von dem neuen<br />

IMG-Betrieb weiter beschäftigt.<br />

Ein Mühlenbewohner, der<br />

für Daimler ein E-Bike entwirft<br />

MICHAEL HECKEN, (39) DIETER RICHTER, (63)<br />

Chef der Inbalance GmbH in<br />

Biesenthal (Barnim), hat <strong>sich</strong><br />

darangemacht, das E-Fahrrad<br />

neu zu erfinden. Er preist ein<br />

Gefährt an, das aussieht wie<br />

ein klassisches Tretfahrrad,<br />

aber weder Elektromotor noch<br />

Batterien erkennen lässt. Der<br />

1.300-Watt-Motor verbirgt <strong>sich</strong> in der Nabe des Hinterrades.<br />

Auffällig ist nur ein überdurchschnittlich dicker<br />

Rahmen: Dort sind mehr als sechs Kilo Lithium-Ionen-<br />

Batterien versteckt. Mit dem Hightech-Gefährt beschleunigt<br />

Hecken, der <strong>sich</strong> in Biesenthal eine alte<br />

Wassermühle ausgebaut hat, geräuschlos und leicht<br />

tretend auf 45 Stundenkilometer. Beschränkt er <strong>sich</strong><br />

auf 25 km/h, kann er bis zu 80 Kilometer Wegstrecke<br />

zurücklegen, ehe das Rad wieder an eine Standardsteckdose<br />

muss. Der Energiebedarf entspricht einem<br />

Spritverbrauch von 0,2 Litern Benzin auf 100 Kilometer.<br />

Der gebürtige Rheinländer ist neuerdings gefragter<br />

Partner des Daimler-Konzerns. Die Stuttgarter beauftragten<br />

den Stadtflüchter mit der Konstruktion eines<br />

preisgünstigen Smart-E-Bike. Hecken selbst ist<br />

überzeugt, dass <strong>sich</strong> seine Erfindung eines Tages<br />

millionenfach verkaufen lässt: »Nach China«.<br />

Ein Fleischermeister, der<br />

Bratwurst mit Blaubeeren spickt<br />

Geschäftsführer der Richter<br />

Fleischwaren GmbH & Co. KG<br />

im sächsischen Oederan,<br />

wurde von der Deutschen<br />

Landwirtschafts-Gesellschaft<br />

mit dem »Preis der Besten«<br />

dekoriert. Der ehemalige<br />

Skilangläufer gebietet über ein<br />

Fleischimperium, das täglich 500 Schweinehälften<br />

verarbeitet, 140 Filialen bis nach Sachsen-Anhalt<br />

unterhält und damit zu den Großen der Nahrungsmittelbranche<br />

in Mitteldeutschland gehört. Die Auszeichnung<br />

verdankt der Erzgebirgler seinem innovativen<br />

Ehrgeiz. Um spezielle Fleischqualitäten<br />

zu erzielen, vereinbart er mit den Landwirten hin und<br />

wieder, dass die Tiere bis zu drei Monate über die<br />

standardmäßige Schlachtreifezeit hinaus gefüttert<br />

werden. Zu Richters eigenwilligen Kreationen gehört<br />

eine Bratwurst mit Blaubeeren. Seinen 700 Mitarbeitern<br />

bietet er betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

an und Weiterbildung in einer firmeneigenen<br />

Akademie, die <strong>sich</strong> in dem Ladengeschäft befindet,<br />

wo er einst mit fünf Leuten begann. Richters neueste<br />

geschäftliche Vision ist eine Gläserne Manufaktur.<br />

Denn er weiß: »Das Auge isst immer mit.«<br />

8 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


AKTUELL<br />

BESTSELLER<br />

Wirtschaftsbuch<br />

1. Martin Wehrle: Ich arbeite in<br />

einem Irrenhaus –<br />

Econ (14,99 EUR)<br />

2. Peer Steinbrück: Unterm Strich<br />

HoCa (23.00 EUR)<br />

3. Frank Lehmann. Ruth E. Schwarz:<br />

Über Geld redet man nicht<br />

Econ(18,00 EUR)<br />

4. M. Grandt, G. Spannbauer,<br />

U. Ulfkotte: Europa vor dem<br />

Crash – Econ (22 EUR)<br />

5. Sahra Wagenknecht: Freiheit<br />

statt Kapitalismus<br />

Eichborn (19,95 EUR)<br />

6. Joachim Käppner: Berthold<br />

Beitz. Die Biographie<br />

Berlin Verlag (36,00 EUR)<br />

7. F. Wehrheim, M. Gösele: Inside<br />

Steuerfahndung<br />

Riva (19,99 EUR)<br />

8. Hans-O. Henkel: Rettet unser<br />

Geld! – Heyne (19,99 EUR)<br />

9. Edgar Most: Sprengstoff Kapital<br />

Das Neue Berlin (14,95 EUR)<br />

10.Sascha Adamek: Die Facebook-<br />

Falle – Heyne (16,99 EUR)<br />

Haarsträubende Zustände in<br />

deutschen Konzern- und Familienbetrieben<br />

nimmt der Karriere-Coach<br />

Martin Wehrle aufs Korn. Tyrannische<br />

Chefs, Machtkämpfe und<br />

absurde Arbeitsabläufe – hier<br />

geraten sie zur ComedyShow. Ein<br />

Trostbuch für Betroffene.<br />

MESSETERMINE<br />

November<br />

03.11., Halle (Saale)<br />

SaaleMesse<br />

05.11., Berlin<br />

COSMETICA<br />

09.11., Berlin<br />

Importshop Berlin<br />

13.11., Rostock<br />

GastRo 2011<br />

16.11., Leipzig<br />

Touristik & Caravaning<br />

International<br />

17.11., Erfurt<br />

Forum Berufsstart<br />

PRO<br />

& CONTRA<br />

Sollen Finanzjongleure<br />

Transaktionssteuer bezahlen?<br />

Während die Wirtschaft Wettbewerbsnachteile<br />

befürchtet, wollen die Gewerkschaften die<br />

Finanzjongleure an den Kosten der Krise beteiligen.<br />

CLAUS MATECKI,<br />

Vorstandsmitglied<br />

des Deutschen<br />

Gewerkschaftbundes (DGB)<br />

Die Gewerkschaften<br />

JA<br />

fordern schon lange<br />

eine Finanztransaktionssteuer<br />

in Höhe von 0,1 Prozent, um<br />

damit die Finanzjongleure<br />

nachhaltig an den Kosten der<br />

Krise zu beteiligen und die<br />

schädliche Finanzmarktspekulation<br />

einzudämmen.<br />

Den chronisch unterfinanzierten<br />

öffentlichen Haushalten<br />

könnte das Einnahmen in<br />

Milliardenhöhe bringen. Nach<br />

den unendlichen Debatten<br />

muss Deutschland zusammen<br />

mit anderen handlungswilligen<br />

Staaten die längst überfällige<br />

Finanztransaktionssteuer zumindest<br />

in der Eurozone durchsetzen.<br />

Allerdings würden die<br />

jetzt diskutierten Steuersätze<br />

zu Fehlanreizen führen. Nicht<br />

einzusehen ist, dass ausgerechnet<br />

für die brandgefährlichen<br />

Derivatgeschäfte nur<br />

0,01 Prozent fällig sein sollen,<br />

für die übrigen Transaktionen<br />

aber 0,1 Prozent. Wenn <strong>sich</strong><br />

hochriskante Spekulationen<br />

mit Derivaten weniger lohnen,<br />

wird das konventionelle Kreditgeschäft<br />

wieder attraktiver.<br />

Das käme auch der Realwirtschaft<br />

zugute. Gleiche Besteuerung<br />

für alle Börsengeschäfte<br />

– das ist ein Gebot der sozialen<br />

wie politischen Verantwortung.<br />

Da darf weder auf den Finanzplatz<br />

London noch auf Klientelinteressen<br />

der FDP Rück<strong>sich</strong>t<br />

genommen werden.<br />

MARTIN WANSLEBEN,<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

des Deutschen Industrie und<br />

Handelskammertags (DIHK)<br />

NEIN<br />

Das Finanzsystem<br />

muss krisenfester<br />

gemacht werden. Dabei dürfen<br />

wir aber nicht den Ast<br />

absägen, auf dem wir sitzen.<br />

Gerade in Zeiten hoher Staatsverschuldung<br />

und abschwächender<br />

Konjunktur muss<br />

Europa attraktiv für Investoren<br />

sein. Bei der Einführung einer<br />

Finanztransaktionssteuer in<br />

Europa oder gar nur im Euro-<br />

Raum entsteht jedoch die Gefahr,<br />

dass dringend benötigtes<br />

Kapital abwandert. Die Europäische<br />

Kommission hat die<br />

Gefahr einer Verlagerung von<br />

Finanzgeschäften und den<br />

dadurch bedingten Verlust an<br />

Wettbewerbsfähigkeit erkannt.<br />

Aus Sicht des heimischen<br />

Finanzplatzes ist vor allem vor<br />

einer Umsetzung nur in der<br />

Eurozone zu warnen. Eine<br />

Finanztransaktionssteuer<br />

hätte zudem Auswirkungen auf<br />

die Realwirtschaft – reduziert<br />

sie doch die Finanzierungsmöglichkeiten<br />

von Unternehmen.<br />

Anders als bei der Mehrwertsteuer<br />

wird der Bruttoumsatz<br />

besteuert, und es gibt<br />

keinen Vorsteuerabzug. Somit<br />

würden auch niedrige Sätze zu<br />

merklichen Belastungen und<br />

höheren Ab<strong>sich</strong>erungskosten<br />

für die Betriebe führen. Gerade<br />

in Zeiten volatiler Wechselkurse<br />

und hoher Rohstoffpreise<br />

wäre das ein falsches<br />

Zeichen zur falschen Zeit.<br />

INVESTITIONEN<br />

Täglich nach China<br />

Zwischen dem Umschlagbahnhof<br />

Leipzig-Wahren und der nordostchinesischen<br />

Industriestadt<br />

Schenjang ist eine direkte Containerzugverbindung<br />

eingerichtet worden.<br />

Die transeurasische Strecke wird ab<br />

November täglich bedient und vernetzt<br />

die Logistikregion Leipzig/Halle<br />

mit einem bedeutenden chinesischen<br />

Wachstumsmarkt.<br />

»Green Photonics«<br />

Das Fraunhofer-Institut für Angewandte<br />

Optik und Feinmechanik in<br />

Jena hat ein Informationscluster<br />

»Green Photonics« gestartet. Zu den<br />

Forschungsschwerpunkten gehören<br />

energieeffiziente Beleuchtung und<br />

Umwelt- und Lebensmittelsensorik.<br />

Das Land Thüringen unterstützt die<br />

Initiative mit zwei Millionen Euro. Die<br />

Fraunhofer-Gesellschaft steuert aus<br />

Mitteln der Hightech-Strategie des<br />

Bundes die gleiche Summe bei.<br />

E-Opel aus Eisenach<br />

190 Millonen Euro will Opel Eisenach<br />

in die Produktion des neuen Kleinwagens<br />

Opel Junior investieren. Der<br />

Stadtflitzer, von dem auch eine Elektrovariante<br />

geprüft wird, soll mit einer<br />

Jahresstückzahl von etwa 100.000<br />

starten. (Foto: Testmodell) Die Lan-<br />

desregierung fördert die Investitionen<br />

des Werkes, das derzeit nur zu<br />

70 Prozent ausgelastet ist, mit<br />

15,5 Millionen Euro.<br />

Kardanwelle aus Hanf<br />

Die in Haldensleben ansässige IFA<br />

Rotorion GmbH hat eine Kardanwelle<br />

aus Hanf entwickelt. Das Ökoprodukt<br />

ist 1,7 Kilogramm leicht. Aus Stahl<br />

gefertigt, wäre die Welle zwölf Kilogramm<br />

schwer. Die Festigkeit ist<br />

auf 10.000 Umdrehungen und einem<br />

Drehmoment von 1.100 Newtonmetern<br />

ausgelegt. Das Hightech-<br />

Unternehmen investiert derzeit zehn<br />

Millionen Euro in Innovationsprojekte.<br />

Sassnitz erweitert<br />

Der Hafendienstleister Buss Sea<br />

Terminal errichtet in Sassnitz eine<br />

4.500 Quadratmeter große Halle für<br />

die Zwischenlagerung von Sodaasche,<br />

Getreide, Kalk und Kreide.<br />

Die Landesregierung fördert das<br />

Vorhaben mit 1,25 Millionen Euro.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 9


GESPRÄCH<br />

Prof. Dr. Joachim Ragnitz, stellvertretender Geschäftsführer der Niederlassung<br />

Dresden des ifo-Instituts München, zu leidigen Ost-West-Vergleichen, Wunsch<br />

und Wirklichkeit in der Bundespolitik und zur demografischen Herausforderung<br />

»Blaupause ein fragwürdiger Begriff«<br />

Fotos: Torsten George<br />

W&M: Herr Professor Ragnitz, Sie sind gebürtiger<br />

Niedersachse, arbeiten aber schon fast<br />

zwei Jahrzehnte in Mitteldeutschland, erst in<br />

Halle und jetzt in Dresden. Regt <strong>sich</strong> bei Ihnen<br />

Widerspruch, wenn jemand vorschlägt,<br />

den Osten aufzugeben? Fühlen Sie ostdeutsch?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Das kann ich nur bejahen.<br />

Immerhin habe ich von Anfang an<br />

meinen persönlichen Lebensmittelpunkt<br />

hierhin verlegt. Allerdings fallen mir<br />

hier schon ein paar Eigenheiten auf, die<br />

ich so aus dem Westen nicht kenne.<br />

W&M: Zum Beispiel?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Also, am auffälligsten<br />

sind wohl diese unentwegten Vergleiche<br />

mit dem Westen. Dort vergleicht <strong>sich</strong><br />

niemand ständig mit Frankreich oder<br />

Dänemark. Wieso will man hier im<br />

Osten so werden wie im Westen? Warum<br />

ist man nicht einfach stolz darauf, was<br />

man hier erreicht hat, auf seine eigenen<br />

Fähigkeiten und Kräfte? Der Osten<br />

braucht <strong>sich</strong> nicht zu verstecken.<br />

W&M: Was halten Sie dann von der These,<br />

dass der Osten Deutschlands eine Art demografische<br />

Blaupause für den Westen liefert?<br />

Die Bundeskanzlerin nennt die neuen Länder<br />

jetzt »Vorreiter« – wohin geht die Reise?<br />

JOACHIM RAGNITZ: In Ostdeutschland<br />

schrumpft die Bevölkerung seit über 20<br />

Jahren. Das wird in den nächsten Jahrzehnten<br />

in ähnlichen Größenordnungen<br />

in ganz Deutschland passieren. Deshalb<br />

kann man hier im Osten Erfahrungen<br />

sammeln. Ich wende mich allerdings<br />

gegen Verbrämungen, die demografische<br />

Entwicklung jetzt als eine Chance zu<br />

sehen, irgendeine demographische Dividende<br />

zu postulieren. Ich spitze das mal<br />

zu: Die größte Herausforderung der neuen<br />

Länder ist demografisch, und noch ist<br />

nicht <strong>sich</strong>er, dass wir sie bewältigen.<br />

W&M: In welcher Hin<strong>sich</strong>t?<br />

JOACHIM RAGNITZ: In vielen <strong>Regionen</strong><br />

wird die öffentliche Daseinsfürsorge<br />

nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. Für<br />

die Leute dort wird es schwer werden,<br />

das gewohnte Leistungsniveau bei der<br />

Gesundheitsversorgung, beim Zugang zu<br />

Bildungseinrichtungen, bei der Mobilität<br />

aufrecht zu erhalten. Darüber wird viel<br />

geredet und dazu haben die Bundesregierung<br />

und die ostdeutschen Ministerpräsidenten<br />

ein Papier vorgelegt.<br />

W&M: Aber das ist doch eher eine Beschreibung<br />

als eine Strategie?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Ja, echte Lösungen<br />

sind da noch nicht zu erkennen. Auf regionaler<br />

Ebene ist man da oftmals schon<br />

viel weiter. Aber es gibt noch ein anderes<br />

großes Problem, das massiv unterschätzt<br />

wird. Die demografische Entwicklung<br />

führt nämlich zu einem deutlichen<br />

Rückgang der Wirtschaftsdynamik. Mit<br />

einer alternden Bevölkerung wird es<br />

schwieriger werden, Produktivitätsfortschritte<br />

durchzusetzen, Fachkräfte<br />

werden fehlen, das »Humankapital« geht<br />

»Denkbar ist dann, dass man<br />

den Menschen<br />

UMZUGSPRÄMIEN<br />

zahlt, damit sie näher an die<br />

Zentren heranrücken.«<br />

zurück, da Qualifikationen veralten, und<br />

die Nachfrage sinkt mit rückläufiger Bevölkerungszahl<br />

auch. In vielen <strong>Regionen</strong><br />

Ostdeutschlands muss man <strong>sich</strong> darauf<br />

einstellen, dass das Bruttoinlandsprodukt<br />

dann sogar sinkt.<br />

W&M: Sie waren in Leipzig auf der Konferenz<br />

»Zukunft im Osten« (s. W&M 10/2011), als die<br />

Ministerpräsidenten behaupteten, die Vergangenheit<br />

Ost mit ihrem Strukturwandel<br />

und den Bevölkerungsverlusten sei die Zukunft<br />

West. Sehen Sie tatsächlich dramatische<br />

Veränderungen in den alten Bundesländern?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Im Westen werden<br />

wir in Teilbereichen eine ähnliche Entwicklung<br />

bekommen. Aber das gilt nicht<br />

flächendeckend; manche <strong>Regionen</strong> werden<br />

durchaus auch weiterhin wachsen.<br />

Die primär demographisch bedingten<br />

Prozesse verlaufen aber deutlich langsamer<br />

und später als im Osten. Deshalb ist<br />

Blaupause ein fragwürdiger Begriff.<br />

W&M: Was hat denn die Wissenschaft für<br />

Vorschläge, die Daseinsvorsorge in <strong>sich</strong> ent<strong>leeren</strong>den<br />

Räumen zu <strong>sich</strong>ern?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Es gibt viele Vorschläge,<br />

die aber häufig politisch brisant sind:<br />

Regionale Ausdünnung von staatlichen<br />

Leistungsangeboten, das heißt, dass solche<br />

Leistungen nur noch in zentralen<br />

Orten angeboten werden, aber nicht<br />

mehr flächendeckend. Oder es gibt<br />

wieder Zwergschulen mit jahrgangsübergreifendem<br />

Unterricht, Internatslösungen<br />

für ältere Schüler oder internetgestützte<br />

Lösungen. Bei der Energieversorgung,<br />

auch bei der Abwasserentsorgung<br />

könnte man dezentralisierte Angebotsformen<br />

entwickeln. Aber in einigen<br />

<strong>Regionen</strong> werden <strong>sich</strong> notwendige Leistungen<br />

nicht mehr finanzieren lassen.<br />

Denkbar ist dann, dass man den Menschen<br />

Umzugsprämien zahlt, damit sie<br />

näher an die Zentren heranrücken. Oder<br />

den Einwohnern Entschädigungen dafür,<br />

dass sie auf öffentliche Leistungsangebote<br />

verzichten.<br />

W&M: Sie halten solche Entwicklungen für<br />

unabwendbar?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Die Demografie ist<br />

eine recht zuverlässige Wissenschaft und<br />

ihre Voraussagen sind für Jahrzehnte nur<br />

mit einem kleinen Un<strong>sich</strong>erheitsfaktor<br />

belastet – mit den Ergebnissen der<br />

Wanderungsbewegungen. Der Osten<br />

schrumpft insgesamt, es gibt einen Run<br />

auf die Zentren, eine Abwanderung aus<br />

der Peripherie. Auch Unternehmen werden<br />

<strong>sich</strong> dort nicht ansiedeln, weil die<br />

Arbeitskräfte fehlen. Wo keine Wirtschaft<br />

stattfindet, gehen die Leute weg.<br />

Ein Teufelskreis. Einige <strong>Regionen</strong> werden<br />

<strong>sich</strong> tatsächlich ent<strong>leeren</strong>, Dörfer verschwinden.<br />

Für viele Menschen ist das<br />

allerdings ein befremdlicher Gedanke.<br />

W&M: Haben sie Hoffnung auf Zuwanderung?<br />

Handwerkspräsident Otto Kentzler hat<br />

einmal die Parole ausgegeben: Polen holen.<br />

JOACHIM RAGNITZ: Nein, ganz Europa<br />

verzeichnet bis auf wenige Ausnahmen<br />

wie Frankreich oder die skandinavischen<br />

Länder ähnliche Bevölkerungstendenzen<br />

10 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


wie in Deutschland. Sicher, es gibt durchaus<br />

in Europa <strong>Regionen</strong> mit hoher Arbeitslosigkeit,<br />

beispielsweise in Spanien.<br />

Aber die Wahrscheinlichkeit, dass junge<br />

Spanier ausgerechnet nach Ostdeutschland<br />

kommen, ist nicht hoch. Zumal hier<br />

keine hohen Einkünfte zu erzielen sind.<br />

W&M: Stichwort Fachkräftemangel. Stellt er<br />

<strong>sich</strong> nach Ihrer Einschätzung für die Kleinstund<br />

Kleinbetriebe besonders dramatisch dar?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Das ist absehbar. Das<br />

Problem sind nicht nur die Fachkräfte,<br />

die fehlen werden, morgen mehr als heute.<br />

Nicht nur die Belegschaften, auch die<br />

Unternehmer selbst sind inzwischen in<br />

die Jahre gekommen. Es fehlen allenthalben<br />

Nachfolger – im Chefbüro und an<br />

den Maschinen. Es gibt deshalb die ganz<br />

reale Gefahr, dass eine Reihe von Unternehmen<br />

nicht fortgeführt wird.<br />

W&M: Wann ist bei Ihnen »morgen«?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Wir werden nach unserer<br />

Einschätzung von etwa 2017 an –<br />

nach Berechnungen der Bundesagentur<br />

für Arbeit etwas später – so etwas wie<br />

Vollbeschäftigung in den neuen Ländern<br />

haben. Von da an kann die Nachfrage<br />

nach Arbeitskräften nicht mehr vollständig<br />

gedeckt werden, mit der Folge, dass<br />

Produktionseinschränkungen drohen.<br />

W&M: Vollbeschäftigung aus Mangel an Arbeitskräften?<br />

JOACHIM RAGNITZ: So lässt <strong>sich</strong> das zuspitzen.<br />

Es gibt zwar Vorschläge, mehr<br />

Frauen und ältere Menschen in Lohn und<br />

Brot zu bringen, mehr junge Leute auszubilden.<br />

Aber das wird namentlich im<br />

Osten, wo die Frauenerwerbsquote heute<br />

schon hoch ist, nicht reichen, um dann<br />

alle offenen Stellen zu besetzen.<br />

W&M: Ihr Chef, Prof. Hans-Werner Sinn, redet<br />

von Schneckentempo der Angleichung der<br />

Lebensverhältnisse. Im Unterschied dazu prophezeit<br />

Dr. Christoph Bergner, Beauftragter<br />

der Bundesregierung für die neuen Länder,<br />

das sie bis 2019 wirtschaftlich zu den westdeutschen<br />

Ländern aufschließen. Was sagen<br />

die Ihnen vorliegenden statistischen Werte?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Wir haben in den<br />

letzten 15 Jahren nur einen ganz langsamen<br />

Konvergenzprozess gehabt. Der<br />

Osten ist nicht schneller gewachsen als<br />

der Westen, die statistisch feststellbare<br />

Verringerung der Lücke bei den Pro-Kopf-<br />

Einkommen geht rechnerisch vor allem<br />

auf die Bevölkerungsschrumpfung zurück.<br />

Wir sind im Osten bei einem Bruttoinlandsprodukt<br />

– je Einwohner – von<br />

rund 70 Prozent des westdeutschen Niveaus.<br />

Und das Wachstum wird <strong>sich</strong><br />

nicht wesentlich beschleunigen. Aber:<br />

Dieser Vergleich mit Westdeutschland ist<br />

nicht wirklich zielführend.<br />

W&M: Das haben Sie eingangs schon gesagt.<br />

Warum diese Betonung?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Der Osten ist ländlich<br />

geprägt und dünn besiedelt, es fehlen<br />

die wirtschaftsstarken Zentren, Firmensitze<br />

von großen Unternehmen, wo<br />

Wertschöpfung stattfindet. Deshalb ist<br />

Westdeutschland insgesamt nicht der<br />

richtige Vergleichsmaßstab. Aufschlussreicher<br />

wäre ein Vergleich mit den<br />

gleichfalls strukturschwächeren Ländern,<br />

also beispielsweise Schleswig-<br />

Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz<br />

oder Saarland. Diese Länder liegen bei<br />

rund 83 Prozent des Niveaus West.<br />

W&M: Meint der Ost-Beauftragte diese?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Wahrscheinlich, ich<br />

bleibe aber skeptisch, dass sie bis 2019<br />

eingeholt werden. Zumal selbst die großen<br />

Agglomerationszentren des Ostens<br />

vergleichsweise schwach sind und es<br />

nicht schaffen, zu wirklichen Wachstumspolen<br />

zu werden. Außer Dresden<br />

oder Jena gibt es da wenig. Damit fehlt<br />

aber ein wichtiger Ankerpunkt für erfolgreiche<br />

Konvergenzprozesse, da damit<br />

auch Ausstrahleffekte von den Zentren<br />

in die Peripherie wegfallen.<br />

W&M: Besteht vielmehr die Gefahr, dass der<br />

Osten zurückfällt?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Nicht der ganze<br />

Osten, wohl aber einzelne <strong>Regionen</strong>. Wo<br />

die Bevölkerung insgesamt um 20 Prozent<br />

schrumpft, die Zahl der Erwerbspersonen<br />

aber sogar um 40 Prozent, wird die<br />

Wirtschaftskraft sinken, auch wenn <strong>sich</strong><br />

das wegen der Transfersysteme nicht<br />

sofort auch im Wohlstandsniveau der<br />

Bevölkerung niederschlagen muss.<br />

W&M: Lesen Bundesminister Ihre Papiere?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Das weiß ich nicht;<br />

zumindest aber haben Regierungen die<br />

Neigung, die Lage wie auch die Perspektiven<br />

schöner darzustellen als sie sind –<br />

man will ja wiedergewählt werden. Immerhin,<br />

in der Ministerialverwaltung<br />

werden unsere Analysen und Vorschläge<br />

durchaus zur Kenntnis genommen; inso-<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 11


GESPRÄCH<br />

JOACHIM RAGNITZ im Gespräch mit den W&M-<br />

Redakteuren Thomas Schwandt und Helfried Liebsch.<br />

weit beklage ich mich auch nicht. Insgesamt<br />

sehe ich aber einen weiteren Bedarf<br />

für eine spezifische »Ostforschung«.<br />

W&M: Was gehört auf eine Agenda Ost?<br />

JOACHIM RAGNITZ: An erster Stelle sehe<br />

ich den Bedarf bei der Bildung, bei Forschung<br />

und Entwicklung. Da läuft in<br />

einigen Ländern etwas schief. Man ruht<br />

<strong>sich</strong> darauf aus, dass man bei den PISA-<br />

Studien ganz gut dasteht, übersieht aber,<br />

dass eine ganze Reihe von Schülern aus<br />

dem System herausfällt, keinen Abschluss<br />

schafft. Hier gehen uns junge<br />

Menschen verloren, die ihr Leben lang<br />

wohl nicht mehr am Arbeitsmarkt zu<br />

reüssieren vermögen. Bei Forschung und<br />

Entwicklung setzen die Länder jetzt auf<br />

Exzellenz und versuchen in Hightech-Bereichen<br />

zu punkten; wenn das alle tun,<br />

schafft man nur Mittelmäßigkeit. In die<br />

Photovoltaik wurde viel Geld gepumpt.<br />

Nun hebt ein Wehklagen an, dass die Chinesen<br />

kostengünstiger produzieren. Kurzum,<br />

wir brauchen eine Innovationsförderung,<br />

aber sie sollte technologieneutral<br />

erfolgen. Finanziert werden könnte<br />

dies durch ein Umsteuern von der bisherigen<br />

Sachkapitalförderung.<br />

W&M: Die Bundeskanzlerin hält die Investitionszulage<br />

Ost für verzichtbar. Sie auch?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Seit zehn Jahren.<br />

W&M: Auch, dass mit der Ausweitung von ursprünglich<br />

für den Osten gedachten Förderungen<br />

auf ganz Deutschland die Zuwendungen<br />

für die neuen Länder zurückgehen?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Nein, ich halte den<br />

Förderbedarf im Osten weiter für höher<br />

als im Westen, selbst für höher als in den<br />

strukturschwachen <strong>Regionen</strong> dort, wie<br />

in Gelsenkirchen oder Bremerhaven.<br />

Dort hat man ja die wirtschaftsstarken<br />

<strong>Regionen</strong> vor der Haustür und kann dorthin<br />

auspendeln – hier ist alles schwach.<br />

Schon deshalb bin ich für eine weitere<br />

Ostpräferenz. Realistischerweise ist das<br />

ist aber vom Bund nicht zu erwarten, er<br />

hat <strong>sich</strong> aus der Ostförderung<br />

weitgehend zurückgezogen. Es<br />

gibt faktisch nur noch das<br />

Programm »Unternehmen Region«<br />

des Bundesministeriums<br />

für Bildung und Forschung<br />

und die Gemeinschaftsaufgabe<br />

»Verbesserung der regionalen<br />

Wirtschaftsstruktur«. Vermutlich<br />

werden auch diese Programme<br />

künftig eher gesamtdeutsch<br />

angelegt.<br />

W&M: Das heißt, die Ost-Länder<br />

müssen für den Bund einspringen?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Ja, es geht<br />

nicht anders. Hierfür dient ja<br />

der Solidarpakt II, der zwar degressiv<br />

gestaltet ist, wo es aber<br />

die Länder mit Ausnahme von<br />

Sachen und Mecklenburg-Vorpommern<br />

aber immer noch nicht schaffen, die Gelder<br />

komplett wachstumsrelevant einzusetzen.<br />

Und das heißt, dass die Mittel aus<br />

Brüssel, die auch ab 2014 zurückgehen,<br />

entsprechend genutzt werden müssen.<br />

W&M: Wo sehen Sie denn Chancen, die Ausfälle<br />

zu kompensieren?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Ein weiterer Solidarpakt<br />

ist illusorisch. Man kann aber<br />

schauen, ob man in den Länderfinanzausgleich,<br />

der gleichfalls Ende des Jahr-<br />

ZUR<br />

PERSON<br />

Bitterfelder Aufbauhelfer<br />

Wenn der 1960 in Nordhorn (Niedersachsen)<br />

geborene Joachim Ragnitz in<br />

den Ruhestand geht, so hoffte er unlängst<br />

zweideutig, könnte »der Aufbau<br />

Ost geschafft sein«. Der jetzt zum<br />

Honorarprofessor an die TU Dresden<br />

berufene Ökonom, der <strong>sich</strong> durchaus als<br />

Aufbauhelfer versteht, hat mecklenburgische<br />

Wurzeln. Seine Mutter stammt<br />

aus Lübz, sein Vater aus Mirow. 1994<br />

kam Dr. Ragnitz aus Wiesbaden ins Institut<br />

für Wirtschaftsforschung Halle<br />

und wurde 2007 stellvertretender<br />

Geschäftsführer des ifo Dresden. Seit<br />

2002 wohnt der Wirtschaftswissenschaftler<br />

in – Bitterfeld. Nach dem Einzug<br />

flutete die Mulde erst einmal den<br />

Keller. Glück gehabt, sagt er, bei anderen<br />

stand Jahrhundertwasser im ersten<br />

Stock. Obwohl er in Dresden eine Wohnung<br />

hat, hängt er an dem alten Haus,<br />

an der Region und vor allem an seiner<br />

zehnjährigen Tochter in Bitterfeld-Wolfen.<br />

Dass bis zu seinem Renteneintritt<br />

die Lebensverhältnisse in Deutschland<br />

angeglichen sind, bezweifeln heute die<br />

meisten Ökonomen. Sicher ist nur, dass<br />

dann eine kritisch-konstruktive Stimme<br />

fehlt – die des wohl bekanntesten Ostdeutschlandforschers.<br />

zehnts ausläuft, eine demografische<br />

Komponente hinein bekommt. Da die<br />

Anpassung an die rückläufige Bevölkerung<br />

mit zusätzlichem Ausgabenbedarf<br />

verbunden ist, gibt es hierfür auch<br />

durchaus Anlass. Diese Komponente<br />

kann zwar nicht ostspezifisch sein, würde<br />

aber die neuen Länder begünstigen.<br />

Und wenn die regionalen Unterschiede<br />

in der Wirtschaftskraft in den nächsten<br />

Jahren zunehmen, wird man vermutlich<br />

auch im Rahmen der Regionalförderung<br />

nach 2020 noch überproportional Mittel<br />

in die neuen Länder lenken müssen.<br />

W&M: Was steht noch auf Ihrer Agenda?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Ein zweiter Punkt ist<br />

die künftige Rentenfinanzierung. Ich<br />

sehe ein riesiges Problem in der Altersarmut,<br />

die auf die neuen Länder zukommt.<br />

Das hat nichts mit einer Benachteiligung<br />

der Ost-Rentner zu tun, mit einer<br />

ungerechten Rentenformel, sondern<br />

mit den unterbrochenen Erwerbsbiografien<br />

nach der Wende. Da müsste eine Art<br />

staatlicher Transfer organisiert werden,<br />

sonst wird es schlimm hier.<br />

W&M: Ulrich Blum, der Ex-Präsident des Instituts<br />

für Wirtschaftsforschung Halle, sieht<br />

Licht, das aus der Energiewende kommt. Im<br />

Osten sei das Tempo bei den erneuerbaren<br />

Energien höher und Deutschland brauche die<br />

Braunkohle. Wunsch oder Wirklichkeit?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Mehr Wunsch als<br />

Wirklichkeit. Richtig ist, dass es eine Reihe<br />

von Herstellern von Windrädern im<br />

Osten gibt, aber die installierten Anlagen<br />

selbst bringen kaum Arbeitsplätze oder<br />

Wertschöpfung. Auch auf See nicht. Bei<br />

der Photovoltaik sehe ich in der Herstellung<br />

von Solarzellen keine große Zukunft,<br />

der Zug ist abgefahren in Richtung<br />

Asien. Chancen gibt es vielleicht<br />

noch in der Biogaserzeugung. Bei der<br />

Braunkohle wiederum haben wir das<br />

Problem, dass die Klimaschutzziele der<br />

Ab<strong>sich</strong>t entgegenstehen, sie als Brückentechnologie<br />

zu nutzen. Und für neue<br />

Kohlekraftwerke kann <strong>sich</strong> sowieso niemand<br />

recht begeistern.<br />

W&M: Investoren sind abgeschreckt?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Ja, von der Wechselhaftigkeit<br />

politischer Entscheidungen<br />

auf diesem Markt. Auch ist nicht bedacht<br />

worden, dass bei einem liberalisierten<br />

Strommarkt in Europa, der bestimmt<br />

kommt, alternativer Strom aus Deutschland<br />

zu teuer wird. Da wird dann billigerer<br />

Strom aus dem Ausland importiert –<br />

also auch kein Grund, hier groß in Energieerzeugungssysteme<br />

zu investieren.<br />

W&M: Könnte Sie bitte die ad-hoc-Energiewende<br />

in wenigen Worten charakterisieren?<br />

JOACHIM RAGNITZ: Dieser Alleingang ist<br />

ein sehr waghalsiges Unterfangen!<br />

W&M: Wir danken für das Gespräch.<br />

12 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


SPECIAL<br />

Fotos: Enertrag, T. George, T. Schwandt, ThyssenKrupp<br />

Energiewende<br />

Ein waghalsiges Unterfangen<br />

Die Abkehr vom Atomstrom nimmt die Last unkalkulierbarer Risiken. Mit der Hinwendung zu den<br />

erneuerbaren Energien drohen der Wirtschaft Ost aber andere, heute noch unabsehbare Lasten.<br />

Am Anfang hatte die Energiewende<br />

in Deutschland die Leichtigkeit eines<br />

Federstrichs. Als genügte es,<br />

den Atom-Ausstieg politisch zu proklamieren<br />

und den Schalter einfach auf<br />

erneuerbare Energien umzulegen. Und<br />

der Osten, wo der Anteil von Ökostrom<br />

regional die 50-Prozent-Marke bereits<br />

überschritten hat, frohlockte. Der Ex-Präsident<br />

des Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

Halle, Ulrich Blum, sieht in der<br />

Energiewende gar eine »Umverteilung<br />

zugunsten des Ostens«.<br />

In der Stunde Null des Atomausstiegs<br />

sind die ostdeutschen Länder in der Tat<br />

besser vorbereitet auf das Erneuerbare-<br />

Energien-Zeitalter als viele westdeutsche<br />

<strong>Regionen</strong>. An Mecklenburg-Vorpommerns<br />

Ostseeküste ist ein erster Offshore-Windpark<br />

errichtet worden, auf<br />

dem Festland entsteht bei Altentreptow<br />

der bisher leistungsstärkste Windpark<br />

im Nordosten. Milliarden wurden in Mitteldeutschland<br />

in die Photovoltaik-Industrie<br />

investiert und Berlin mausert <strong>sich</strong><br />

zur Hauptstadt der E-Mobilität.<br />

Doch der frühe Ökostrom-Trip im<br />

Osten droht <strong>sich</strong> im gesamtdeutschen<br />

Kontext der Energiewende zu ungunsten<br />

der neuen Länder zu verkehren. Beim<br />

notwendigen Ausbau des Stromleitungsnetzes<br />

bleiben die Milliarden-Kosten in<br />

Form hoher Netzentgelte an den Ländern<br />

hängen, die besonders viel erneuerbare<br />

Energie einspeisen. Eine »politische<br />

Fehlsteuerung« nennt dies Mecklenburg-<br />

Vorpommerns Landeschef Erwin Sellering.<br />

Wie schwierig es <strong>sich</strong> gestalten<br />

wird, auf Bundesebene zu einer gerechten<br />

Lastenverteilung zu kommen, deutete<br />

er auf der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz<br />

Ost an. Klar sei, »dass die 16<br />

Länder bei erneuerbaren Energien nicht<br />

gleichgerichtete Interessen haben«.<br />

Ungemach für die ostdeutschen Ökostrom-Vorreiter<br />

kündigt <strong>sich</strong> auch aus<br />

Brüssel an. Bis 2013 strebt die EU eine<br />

weitgehende Freischaltung des europäischen<br />

Strommarktes an. Ein überfälliger<br />

Schritt aus Sicht der EU-Marktliberalisierer.<br />

Bei absehbar weiterer Erhöhung der<br />

Ökostrom-Umlage in Deutschland wird<br />

hier produzierter Strom in Europa dann<br />

zu teuer und nicht mehr wettbewerbsfähig<br />

sein, befürchtet der Ostwirtschaftsexperte<br />

Dr. Joachim Ragnitz. Auch wegen<br />

der damit verbundenen Schwächung des<br />

Standorts Ostdeutschland hält er die<br />

Energiewende für ein »sehr waghalsiges<br />

Unterfangen«.<br />

Die Bundespolitik hat die Energiewende<br />

losgetreten. An ihr ist es jetzt, unter<br />

anderem beim Netzausbau, bei den<br />

Netzentgelten und bei der Förderung<br />

von E-Mobilität für bundeseinheitliche<br />

Regeln zu sorgen. Damit die Wende nicht<br />

nur ein Bekenntnis bleibt, sondern ein<br />

gesamtdeutsch getragenes Projekt wird.<br />

Thomas Schwandt<br />

14 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


Weltpremiere in der Uckermark<br />

Erstes Hybridkraftwerk in Betrieb<br />

Eine hoch innovative Industrieanlage bei Prenzlau koppelt<br />

Windkraft, Biogas und Wasserstoff. Dieser Tage fiel der Startschuss<br />

für das Pilotprojekt des Energieunternehmens Enertrag.<br />

ANGELAUFEN: Das neue Kraftwerk.<br />

dern ist in diesem Bereich ständig auf<br />

der Suche nach neuen Ansätzen und Lösungen«,<br />

sagt Enertrag-Vorstandsvorsitzender<br />

Jörg Müller. »Mit dem Hybridkraftwerk<br />

leisten wir einen Beitrag bei<br />

den Bemühungen um eine Optimierung<br />

der Speichermöglichkeiten«.<br />

Diese Innovations-Orientierung hat<br />

Enertrag in den letzten Jahren im Norden<br />

Brandenburgs mit mehreren Hundert<br />

Windkraft- und Biogasanlagen umgesetzt.<br />

Gemanagt wird der Verbund dezentraler<br />

Energieerzeugungsanlagen als<br />

virtuelles »Kraftwerk Uckermark«, das<br />

mittlerweile eine Gesamtleistung von<br />

303 Megawatt in das europäische Verbundnetz<br />

einspeist. 283 MW stammen<br />

aus Windkraft, 20 MW aus Biomasse.<br />

Dazu gehört auch ein eigenes Hochspan-<br />

Über den Äckern der Uckermark drehen<br />

<strong>sich</strong> die Rotoren der Windräder von<br />

Enertrag. Seit 1998 erntet das Brandenburger<br />

Energie-Unternehmen den Strom<br />

aus der Höhe und verkauft ihn an kommunale<br />

Abnehmer. Auf das Problem der<br />

Windkraft, ihre Diskontinuität, hat Enertrag<br />

jetzt mit einer Innovation reagiert:<br />

Das Hybridkraftwerk, das die Energieträger<br />

Wind und Biomasse in speicherbaren<br />

Wasserstoff umwandelt. Ende Oktober<br />

ging das Kraftwerk zwischen Dauerthal<br />

und Prenzlau in Betrieb. Es ist weltweit<br />

die erste industrielle Anlage, in der<br />

Windkraft, Biogas und Wasserstoff physikalisch<br />

miteinander gekoppelt sind.<br />

»Unser Unternehmen setzt nicht nur<br />

auf die Nutzung der Windenergie, sonnungsnetz<br />

mit 250 Kilometern Erdkabel<br />

und vier Umspannwerken. In diesem<br />

Strompark bildet nun das neue Hybridkraftwerke<br />

ein Speicher-Modul.<br />

Das Pilotprojekt mit einem Investitionsvolumen<br />

von 21 Millionen Euro wird<br />

vom Land Brandenburg und dem Bundesverkehrsministerium<br />

gefördert. Projektpartner<br />

sind die Brandenburgische<br />

Technische Universität Cottbus, der Energieriese<br />

Vattenfall, der Treibstoffhersteller<br />

Total Deutschland sowie die Deutsche<br />

Bahn. Mit dem Projekt soll bewiesen<br />

werden, dass auch aus den fluktuierenden<br />

Energien eine Grundlast-Versorgung<br />

mit Elektrizität gewährleistet werden<br />

kann. Der Treibstoff Wasserstoff soll verstärkt<br />

im Verkehr eingesetzt werden.<br />

Das Hybridkraftwerk besteht aus vier<br />

Komponenten: Drei Windrädern mit einer<br />

Leistung von jeweils zwei MW, zwei<br />

Biomasse-Silos, aus denen Biogas gewonnen<br />

wird, einer Elektrolyse-Anlage mit<br />

angeschlossenen Wasserstoff-Tanks sowie<br />

zwei Blockheizkaftwerken mit je<br />

350 kW. Herzstück des Komplexes ist der<br />

Elektrolyseur, der von den Enertrag-Ingenieuren<br />

selbst entwickelt wurde, weil<br />

es ihn – im Unterschied zu den anderen<br />

Komponenten des Kraftwerks – noch<br />

nicht am Markt zu kaufen gibt.<br />

Der Strom aus den Windkraftanlagen<br />

wird über ein Mittelspannungskabel in<br />

den Elektrolyseur geführt, wo er Wasser<br />

in die beiden Gase Wasserstoff (120 Kubikmeter<br />

pro Stunde) und Sauerstoff (60<br />

Kubikmeter) aufspaltet. Während der<br />

Sauerstoff in die Atmosphäre geht, wird<br />

der Wasserstoff von einem Kompressor<br />

mit 31 Bar in fünf Druckbehälter mit<br />

einem Fassungsvermögen von 1.350 Kilogramm<br />

gepumpt. Die beiden BHKW können<br />

bei Bedarf das Gas (ein Mischgas aus<br />

30 Prozent Biogas und 70 Prozent Wasserstoff)<br />

in Strom und Wärme umwandeln.<br />

Jedes BHKW erzeugt 2.777 MWh<br />

elektrische und 2.250 MWh thermische<br />

Energie pro Jahr. Die Wärme soll in das<br />

Netz der Stadt Prenzlau eingespeist werden<br />

und deckt den Heizbedarf vom 80<br />

Einfamilienhäusern.<br />

Die Kombination der einzelnen Energietechniken<br />

sorgt dafür, dass extreme<br />

Situationen auf der Angebotsseite ausgeglichen<br />

werden können: Durch den Elek-<br />

Handwörterbuch Außenwirtschaft<br />

GER|MA|NY<br />

TRADE|&|IN|VEST *<br />

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Germany Trade & Invest<br />

ist die Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />

der Bundesrepublik Deutschland.<br />

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Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und vom<br />

Beauftragten der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer aufgrund eines<br />

Beschlusses des Deutschen Bundestages.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 15


SPECIAL<br />

Thema Energie ganz nach oben auf den<br />

Schild seiner Politik.<br />

In den erneuerbaren Energien sieht<br />

Sellering die größten wirtschaftlichen<br />

Wachstumschancen für den Nordosten.<br />

Bis 2020 prognostiziert eine Studie des<br />

Rostocker Instituts Energie-Umwelt-Beratung<br />

(EUB) in der Branche einen Anstieg<br />

der direkten und indirekten Arbeitsplätze<br />

von 6.000 (im Jahr 2005) auf bis zu<br />

21.000. Im zurückliegenden Wahlkampf<br />

unterstrich Sellering seine An<strong>sich</strong>t mit<br />

der Ab<strong>sich</strong>t, alle verwaltungs- und wirtschaftsrelevanten<br />

Kompetenzen, Kapazitäten<br />

und Verfahren in einem neu zu<br />

bildenden Energie- oder Zukunftsministerium<br />

zu bündeln oder in einem der<br />

bestehenden Ressorts wie Verkehr und<br />

Bau oder Wirtschaft zu konzentrieren.<br />

Sellerings Energie-Masterplan war ein<br />

Kernthema der Koalitionsverhandlungen<br />

mit der CDU. Beide Seiten einigten<br />

<strong>sich</strong> darauf, einen solchen zentralen Anlaufpunkt<br />

für alle Energie-Aktivitäten<br />

im Land zu schaffen.<br />

In Mecklenburg-Vorpommern, wo aktuell<br />

bereits über 50 Prozent des erzeugten<br />

Stroms aus Windenergie und Biomasse<br />

stammt, hat <strong>sich</strong> die Landespolitik bei<br />

sauberen Energien ehrgeizige Ziele gesteckt.<br />

Um zum Energie-Exporteur aufzusteigen,<br />

soll die Stromerzeugung aus erneuerbaren<br />

Energien im Land »bis 2020<br />

verfünffacht werden«, heißt es aus dem<br />

Wirtschaftsministerium in Schwerin. Allein<br />

das Energieaufkommen aus Windkraft<br />

soll gegenüber 2005 bis zum Jahr<br />

2020 von 1774 Gigwattstunden ((GWh)<br />

auf über 10.000 GWh gesteigert werden.<br />

Genauso zügig, wie die ad hoc eingeläutete<br />

Energiewende das Land zwischen<br />

Mecklenburger Bucht und Stettiner Haff<br />

auf die vermeintliche Siegerstraße geschoben<br />

hat, genauso rasch aber haben<br />

Sellering und Co. erkennen müssen, dass<br />

gratis wehender Wind und landespolitischer<br />

Wille keine Garanten sind für die<br />

eigenen Energiepläne. Insbesondere auf<br />

die Offshore-Windenergie zu setzen, hat<br />

<strong>sich</strong> schnell als eine Strategie mit zahlreichen<br />

Risikofaktoren entpuppt.<br />

Zwar sind Entwicklung, Projektierung<br />

und der Bau von Windkraftanlagen auf<br />

hoher See forciert worden. Im Mai dieses<br />

Jahres ging vor der Küste Mecklenburgtrolyseur<br />

werden bei viel Wind die Leistungsspitzen<br />

gekappt (500 kW), durch<br />

die Blockheizkraftwerte können bei Flaute<br />

Leistungssenken kompensiert werden<br />

(700 kW). So soll das Hybridkraftwerk<br />

wie ein Grundlastkraftwerk wirken.<br />

Als Joker im Energiespiel könnte <strong>sich</strong><br />

der Wasserstoff erweisen, der als Treibstoff<br />

per Tankwagen nach Berlin gebracht<br />

wird. Dort wird er an zwei Total-<br />

Tankstellen an Wasserstoff-Fahrzeuge abgegeben,<br />

deren Brennstoffzellen das Gas<br />

wieder in Strom umwandeln und den<br />

Elektromotor antreiben. »Die Nachfrage<br />

nach Wasserstoff wird in den kommenden<br />

Jahren rapide zunehmen«, so Enertrag-Vorstand<br />

Müller. Die Clean Energy<br />

Partnership (CEP) von Mineralölkonzernen<br />

und Automobilherstellern will in<br />

Deutschland bis 2020 für ein Netz von<br />

1.000 Wasserstoff-Tankstellen sorgen sowie<br />

500.000 Fahrzeuge. Für diese wäre –<br />

neben dem Vorteil der höheren Energiedichte,<br />

was Langstreckenfahrten ermöglicht<br />

– der klimaneutral hergestellte<br />

Wind-Wasserstoff ein Öko-Argument.<br />

Neben dem Verkehr hat Müller das<br />

Gasnetz im Untergrund im Blick. Nicht<br />

ohne Grund ist das Hybridkraftwerk an<br />

der Erdgasfernleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung)<br />

errichtet worden.<br />

Wasserstoff eignet <strong>sich</strong> hervorragend<br />

als Zumischung zum Erdgas. Wenn<br />

die Gas-Branche anfängt, über »grünere«<br />

Geschäftsmodelle ihres fossilen Energieträgers<br />

nachzudenken, kommt die Enertrag-Technik<br />

wie gerufen.<br />

Jörg Müller: »Es ist ein Riesenfortschritt,<br />

dass <strong>sich</strong> Deutschland von der<br />

Kernenergie verabschiedet hat«, sagt der<br />

Enertrag-Chef. Doch müsste die Umstellung<br />

auf erneuerbare Energien viel<br />

schneller vonstatten gehen. Gebraucht<br />

würden in Deutschland 100.000 Windkraftanlagen,<br />

etwas mehr als Viertel davon<br />

stehen bereits. Vor allem das Genehmigungs-Umfeld<br />

müsste an Tempo zulegen.<br />

Auch beim Hybridkraftwerk, für das<br />

im April 2009 Bundeskanzlerin Merkel<br />

den Grundstein gelegt hatte, war ein<br />

schleppendes Genehmigungsverfahren<br />

ein Grund für die Bauverzögerung.<br />

Enertrag selbst hat 460 Windenergieanlagen<br />

errichtet, die 1,6 Milliarden Kilowattstunden<br />

Strom jährlich produzieren.<br />

Das deckt den Haushaltsbedarf von<br />

über einer Million Menschen. Das Unternehmen<br />

beschäftigt rund 400 Mitarbeiter,<br />

davon 150 in der Region Uckermark.<br />

2010 erzielte Enertrag einen Umsatz von<br />

250 Millionen Euro. Für 2011 erwartet<br />

Müller einen gleich hohen Betrag – zur<br />

Hälfte aus dem Bau von Windkraftanlagen<br />

und dem Stromverkauf.<br />

Manfred Ronzheimer<br />

Erneuerbare Energien im Nordosten<br />

Masterplan hängt am Netz<br />

Das wirtschaftlich strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern<br />

setzt im Sog des Atomausstiegs voll auf erneuerbare Energien.<br />

Doch eine Insel der glückseligen Stromerzeuger bedeutet das nicht.<br />

Das ostdeutsche Küstenland Mecklenburg-Vorpommern<br />

ist eine windige Ecke.<br />

Der Wind weht über Ostsee und Land<br />

häufiger und kräftiger als in vielen anderen<br />

deutschen <strong>Regionen</strong>. Und er weht<br />

gratis. Ein Geschenk des Himmels, zumal<br />

in Zeiten, in denen mit einer fulminanten<br />

Kehrtwende in der Energiepolitik<br />

plötzlich Windkraftanlagen zu den<br />

Strommaschinen der Nation avancieren<br />

und atomare Strommeiler abgeschaltet<br />

werden.<br />

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidenten<br />

und Sieger der diesjährigen<br />

Landtagswahlen Erwin Sellering hat der<br />

Energiewende-Wind politisch voll in die<br />

Segel geblasen. In einem W&M-Interview<br />

vom Herbst 2010 hatte der SPD-Politiker<br />

die damals frisch besiegelte Verlängerung<br />

der Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke<br />

»als falsch« bezeichnet und<br />

kritisiert: »Die Kanzlerin nimmt den<br />

Schwung aus der Entwicklung der erneuerbaren<br />

Energien.« Spätestens nach der<br />

nuklearen Fukushima-Katastrophe im<br />

Frühjahr hob der Ministerpräsident das<br />

OFFSHORE: Baltic I vor der Ostseeküste<br />

16 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


SPECIAL<br />

Vorpommerns mit »Baltic 1« der erste auf<br />

der Ostsee kommerziell genutzte deutsche<br />

Offshore-Windpark in Betrieb. Die<br />

21 Windräder, rund zwölf Kilometer vom<br />

Festland entfernt, können den Strombedarf<br />

für 50.000 Haushalte abdecken.<br />

Doch »Baltic 1« ging ein geschlagenes<br />

halbes Jahr später ans Netz, als ursprünglich<br />

geplant und betriebswirtschaftlich<br />

kalkuliert worden war. Immer wieder<br />

hatte ungünstiges Wetter die seeseitigen<br />

Bauarbeiten verzögert.<br />

Auch sind die technisch-technologischen<br />

Systemlösungen nicht praxiserprobt<br />

in den Widrigkeiten von Wind<br />

und Wasser auf dem Meer. Im September<br />

sorgte der vom Energieversorger EnBW<br />

betriebene 200 Millionen Euro teure<br />

Offshore-Windpark bundesweit für<br />

Schlagzeilen, weil planmäßige Wartungsarbeiten<br />

<strong>sich</strong> ungewöhnlich lange<br />

verzögerten und sämtliche Windräder<br />

mehr als vier Wochen still standen. Technische<br />

Probleme haben auch die Windpark-Projekte<br />

an der Nordsee gebremst.<br />

Hier mussten Maschinengondeln sogar<br />

von den Türmen demontiert und an<br />

Land instand gesetzt werden.<br />

Auch erfuhr das Schiffbauland Mecklenburg-Vorpommern<br />

einen herben<br />

Dämpfer, als die ersten Aufträge zum<br />

Bau von dringend benötigten Offshore-<br />

Errichterschiffen von den deutschen Investoren<br />

an Werften in Polen oder Südkorea<br />

vergeben wurden. Der Wunschtraum<br />

von der Offshore-Chance für die<br />

krisengebeutelte Werftindustrie prallte<br />

auf die internationale Wettbewerbswirklichkeit.<br />

Dabei hatte erst in diesem Jahr<br />

eine Studie der Wirtschaftsprüfungsund<br />

Beratungsgesellschaft KPMG den<br />

deutschen Werften in der Offshore-Windenergie<br />

ein Umsatzvolumen von 18 Milliarden<br />

Euro bis 2020 bescheinigt.<br />

Im Kampf um die Windmühlen auf<br />

hoher See lauern jedoch die größten Hindernisse<br />

an Land. Um den erzeugten<br />

Strom von der Küste in südlichere Gefilde<br />

ableiten zu können, ist ein erheblicher<br />

Ausbau des bundesweiten Hochspannungsnetzes<br />

unumgänglich. Milliardenschwere<br />

Investitionen, die <strong>sich</strong> in<br />

steigenden Netzentgelten niederschlagen<br />

werden. Hier befürchtet die Landespolitik<br />

in Mecklenburg-Vorpommern,<br />

dass das Flächenland als Vorreiter bei erneuerbaren<br />

Energien auf den hohen Kosten<br />

für den Netzausbau allein sitzen<br />

bleibt. Öko-Strom nutze nicht nur den<br />

Erzeugerländern, heißt es in Schwerin.<br />

Ressourcenschonung und Klimaschutz<br />

seien »ein gesamtdeutscher Vorteil«.<br />

Auf Bundesebene sucht Mecklenburg-<br />

Vorpommern deshalb nach Verbündeten,<br />

um eine »gerechte Verteilung« der<br />

Netzausbau- und Folgekosten im Bund<br />

zu erwirken. Am ehesten zum Schulterschluss<br />

bereit dürften die ostdeutschen<br />

Bundesländer sein. Die Bundesnetzagentur<br />

hat vor einiger Zeit festgestellt, dass<br />

in Ostdeutschland schon jetzt die Netzentgelte<br />

deutlich höher liegen als im<br />

Westen. Um gut 30 Prozent. Was unter<br />

anderem auf geringeren Stromabsatz<br />

und niedrigere Netzauslastung zurückzuführen<br />

ist. Ohne bundesweite Umlage<br />

droht die Netzentgelt- und Strompreisschere<br />

weiter auseinander zu gehen.<br />

Der Energie-Masterplan in Mecklenburg-Vorpommern<br />

birgt wirtschaftliche<br />

Wachstumschancen. Bleibt die Solidarität<br />

der anderen Bundesländer aber aus,<br />

kehrt er <strong>sich</strong> ins Gegenteil. Hohe Strompreise<br />

sind kontraproduktiv für Industrieansiedlungen<br />

und schwächen die<br />

Wettbewerbsfähigkeit bestehender Unternehmen.<br />

Ministerpräsident Sellering<br />

würde unfreiwillig zum Don Quichotte<br />

des Nordens.<br />

Thomas Schwandt


SPECIAL<br />

Fachmesse Clean Tech World<br />

Strom im Tank<br />

In Deutschland mausert <strong>sich</strong> Berlin zur Hauptstadt der E-Mobilität.<br />

Die Messe Clean Tech World gilt als internationales Schaufenster<br />

dieser sauberen und umweltschonenden Fortbewegungstechnologie.<br />

KLEIN, ABER FEIN: Elektroautos auf der Clean Tech World.<br />

Clean Tech, das meint sauber, abgasfrei<br />

und umweltschonend. Auf dem inzwischen<br />

stillgelegten Berliner Flughafen<br />

Tempelhof war Ende September zu erleben,<br />

welches Niveau in dieser speziellen<br />

Technologie-Sparte erreicht worden ist.<br />

Im Hangar 2 wurde zum zweiten Mal die<br />

Messe Clean Tech World veranstaltet. Im<br />

Mittelpunkt standen Mobilitätslösungen<br />

auf Elektrobasis und Angebote vor allem<br />

zum verstärkten Einsatz erneuerbarer<br />

Energien. Im Spiegel der Clean Tech<br />

World hat <strong>sich</strong> gezeigt, Deutschlands<br />

große Produzenten und auch Politiker<br />

stehen noch am Anfang des Weges.<br />

Eine Schwalbe macht noch keinen<br />

Sommer. Das wissen auch die Suhler Motorradwerker.<br />

Zum Erstaunen der Besucher<br />

schwirrte das alte DDR-Mopedmodell<br />

»Schwalbe« durch die Clean Tech<br />

World. Nicht als Museumsstück. Die<br />

neue »Schwalbe« ist eine Elektro-Version.<br />

Designt im klassischen Retrolook bringt<br />

es das stromgetriebene Modell auf eine<br />

Spitzengeschwindigkeit von 81 kmh, wie<br />

Geschäftsführer Daniel Schmid erklärt.<br />

Der Akkumulator »ist überall aufladbar«<br />

und der Werbeprospekt frohlockt: »Ein<br />

Klassiker wird klimafreundlich.«<br />

Etwa 4.700 Euro kostet die »e-Schwalbe«<br />

laut dem Suhler Hersteller. Dafür fallen<br />

bei Nutzung von Ökostrom weniger<br />

als 75 Cent je 100 Fahrkilometer an Betriebskosten<br />

an. Ein vergleichbarer Benziner<br />

müsste für rund vier bis fünf Euro<br />

tanken müssen, um das gleiche Ergebnis<br />

zu erzielen. Ende 2010 war in Suhl die<br />

Herstellerfirma gegründet worden. Ab<br />

kommendem Frühjahr, so hofft Schmid,<br />

könne die Massenproduktion starten.<br />

Während auf dem Automobilmarkt in<br />

Deutschland die meisten großen Hersteller<br />

noch mit der Serienproduktion von<br />

E-Mobilen abwarten, ist der japanische<br />

Konzern Mitsubishi Motors bereits weit<br />

vorgeprescht. Seit 2009 ist das Elektroauto<br />

MIEV serienfertig am Markt, berichtete<br />

Stefan Büttner auf der Clean Tech<br />

World. Weltweit seien bisher rund 18.000<br />

dieser Fahrzeuge verkauft worden. Seit<br />

einem halben Jahr bewähre <strong>sich</strong> der<br />

MIEV problemlos auch auf deutschen<br />

Straßen. »Wir sind die ersten und bislang<br />

einzigen, die in bedeutendem Umfang<br />

liefern können«, schätzt er ein. Anders<br />

als hierzulande, wo die Bundesregierung<br />

noch über möglicher Förderungen des e-<br />

Mobil-Einsatzes nachdenke, werden diese<br />

im europäischen Ausland bereits praktiziert.<br />

»In Frankreich, Österreich, den<br />

Niederlanden und Großbritannien gibt<br />

es das bereits«, zählt Büttner auf.<br />

Mitsubishi ruht <strong>sich</strong> nicht auf dem erreichten<br />

Niveau aus, sondern treibt die<br />

Entwicklung weiter voran. »2012 liefern<br />

wir die Hybrid-Variante aus«, kündigte<br />

Büttner an. Das Auto wird auf Elektrobasis<br />

angetrieben, und bei Bedarf kann der<br />

Fahrer einen Benzinmotor zuschalten.<br />

Kreative umweltfreundliche Lösungen<br />

waren auf der Clean Tech World<br />

auch aus Polen zu entdecken. Dort wird<br />

der SAM produziert, ein mit bis zu vier<br />

Sitzen bestücktes Kleinfahrzeug. Der<br />

Clou: Die Energie, die beim Bremsen frei<br />

und gespeichert wird, kann wieder für<br />

den Antrieb genutzt werden. Aussteller<br />

Karsten Klay blickt durchaus kritisch auf<br />

die Abwartehaltung vieler renommierter<br />

deutscher Automobilkonzerne. »Audi<br />

und VW sagen, in ein bis zwei Jahren seien<br />

ihre E-Modelle verfügbar. Viele kleine<br />

Betriebe gehen dagegen ein großes Wagnis<br />

ein und leisten vorbereitende Arbeit.«<br />

Mit den »fossilen deutschen Autopäpsten«<br />

hart ins Gericht ging Christian Heep<br />

vom Bundesverband e-Mobilität. Er<br />

spricht von einem flächendeckenden<br />

Verzögerungsvorgang, der einer Verweigerung<br />

gleichkomme. Er stellte auch den<br />

deutschen Leitmarktanspruch auf diesem<br />

Gebiet in Frage. Politische Rahmenbedingungen<br />

zur Förderung von Elektrofahrzeugen<br />

ließen auf <strong>sich</strong> warten.<br />

Wenn <strong>sich</strong> die Bundesregierung weiter<br />

auf »nichtmonetäre Anreize« beschränke,<br />

dann »laufen wir Gefahr, weder Leitmarkt<br />

noch Leitanbieter zu werden.«<br />

Entscheidend sei, »dass wir jetzt mit<br />

allen Mitteln in diesen Zukunftsmarkt<br />

einsteigen und uns auch langfristig<br />

erfolgreich als weltweit kompetente Partner<br />

zeigen«. Mit Hochdruck werde beispielsweise<br />

auch in China in diese neue<br />

Mobilität investiert. Die Position des<br />

Marktführers sei für Deutschland nicht<br />

erreichbar, »so lange E-Mobilität lediglich<br />

in Form von regional und zeitlich<br />

begrenzten Forschungsprojekten realisiert<br />

wird«.<br />

Als »Schaufenster der e-Mobilität« lobte<br />

Gernot Lobenberg von der Berliner<br />

Agentur für Elektromobilität die Messe<br />

im Hangar 2. So sehr Deutschland auch<br />

Zurückhaltung übe – die Hauptstadt Berlin<br />

habe beim E-Mobil bundesweit die<br />

Führung übernommen. Busse, Straßenbahnen,<br />

Zweiräder beziehen zum erheblichen<br />

Teil schon Energie aus der Dose.<br />

Vor allem beim innerstädtischen Lieferverkehr<br />

sei der E-Motor die Zukunft, unterstrich<br />

Lobenberg. In Berlin beschäftigten<br />

<strong>sich</strong> bereits rund 350 Unternehmen<br />

mit der Clean Technology, entstanden<br />

sind in dieser Branche insgesamt 29.000<br />

Jobs.<br />

Matthias Krauß<br />

&<br />

18 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


BETRACHTUNG<br />

Fotos: T. Sschwandt<br />

Schiffbau und Meerestechnik<br />

Großer Nachholbedarf<br />

Die krisengebeutelte Werftindustrie muss <strong>sich</strong> neu ausrichten. Der<br />

Bundeskoordinator für die maritime Wirtschaft Hans-Joachim Otto<br />

sieht in der Meerestechnik die Zukunftschance für die Branche.<br />

Hans-Joachim Otto ist verärgert.<br />

Der Parlamentarische Staatssekretär<br />

und Koordinator der Bundesregierung<br />

für die maritime Wirtschaft<br />

hat kein Verständnis dafür, dass<br />

bei der Auftragsvergabe für die ersten<br />

drei deutschen Errichterschiffe, die für<br />

den Bau von Offshore-Windparks benötigt<br />

werden, der einheimische Schiffbau<br />

das Nachsehen hatte. Die millionenschweren<br />

Aufträge gingen nach Polen<br />

und Südkorea.<br />

»Diese Auftragsvergabe ist ein Ärgernis.<br />

Die Energiebranche wird vom Bund<br />

über das Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />

und ein Fünf-Milliarden-Darlehenprogramm<br />

für Windenergie unterstützt. Da<br />

darf man erwarten, dass bei der Vergabe<br />

solcher Aufträge mehr Verantwortungsgefühl<br />

für nationale Belange gezeigt<br />

wird, zumal der deutsche Schiffbau über<br />

Kapazitäten und das Know-how für den<br />

Bau solcher Spezialschiffe verfügt«, sagte<br />

er unlängst bei einem Arbeitsbesuch in<br />

Rostock.<br />

Otto stellte aber auch klar, dass es keine<br />

Möglichkeit für den Bund gibt, die<br />

Vergabe von Geldern aus dem Fünf-Milliarden-Fördertopf<br />

an die Bedingung zu<br />

knüpfen, zum Beispiel Errichterschiffe<br />

auf deutschen Werften bauen zu lassen.<br />

»Das ist europarechtlich nicht machbar.<br />

Es muss deshalb gelingen, in der deutschen<br />

Wirtschaft eine bestimmte Atmosphäre<br />

zu erzeugen, die eine Entscheidung<br />

für den deutschen Schiffbau befördert«,<br />

so der Bundeskoordinator.<br />

In punkto Finanzierung hat der<br />

Staatssekretär ohnehin »in der maritimen<br />

Branche sehr hohe Erwartungen an<br />

den Bund« ausgemacht. Doch seien Finanzhilfen<br />

nur begrenzt möglich. Hier<br />

unterliege die Bundesregierung strengen<br />

Beihilfe- und Haushaltszwängen. Otto<br />

verweist darauf, »dass im vorigen Jahr<br />

unter anderem die Förderprogramme<br />

für Schifffahrt und Meerestechnik bzw.<br />

für Innovationshilfen für die Werften<br />

aufgestockt worden sind«. Auch wurden<br />

in ihrem Status die Innovationshilfen<br />

von Darlehen auf Zuschüsse umgestellt.<br />

Bewährt hätten <strong>sich</strong> die Hermes-Bürgschaften<br />

und das Festzinssystem CIRR für<br />

Schiffsfinanzierungen.<br />

Im Nachgang der jüngsten schweren<br />

Krise im Schiffbau 2008/09 hat <strong>sich</strong> die<br />

Schiffsfinanzierung als ein großes Problem<br />

für die Werftindustrie etabliert.<br />

Die meisten Banken haben <strong>sich</strong> weitgehend<br />

aus diesem speziellen Kreditgeschäft<br />

zurückgezogen. Nach Angaben<br />

von Otto hat die staatliche Bank KfW<br />

IPEX im Jahr 2010 den deutschen Werften<br />

die Finanzierungen für 19 Schiffe im<br />

Gesamtauftragswert von 2,4 Milliarden<br />

Euro zur Verfügung gestellt – und blieb<br />

damit der einzige Kreditgeber auf weiter<br />

Flur. »Dauerhaft kann sie das nicht allein<br />

stemmen«, gibt Otto zu bedenken und<br />

sieht hierbei die Privatbanken gefordert.<br />

Auch vor dem Hintergrund, dass ihnen<br />

in der Krise vom Staat sehr viel Hilfe zuteil<br />

geworden ist. Er werde deshalb in<br />

Kürze die Finanz- und die Maritime Wirtschaft<br />

zu einem Runden Tisch »Finanzierung«<br />

nach Berlin einladen, kündigte der<br />

FDP-Politiker an. Er mahnt: »Banken handeln<br />

in der Regel weit<strong>sich</strong>tig. Dies ist<br />

auch im Schiffbau notwendig, um ein<br />

kurzfristiges Marktversagen der Branche<br />

zu verhindern.«<br />

Trotz der weiterhin schwierigen<br />

Marktbedingungen – anders als in anderen<br />

Wirtschaftsbranchen sind die Folgen<br />

der Krise in der maritimen Industrie<br />

nicht überwunden – sieht Otto für die<br />

KLASSISCHE WERFTARBEIT: Ein Behördenschiff<br />

wird bei Tamsen in Rostock gewartet.<br />

Branche große Wachstumschancen. »Vor<br />

allem wenn es gelingt, die vorhandenen<br />

Potenziale für innovative Produkte und<br />

Dienstleistungen zu nutzen. Der am<br />

schnellsten wachsende Markt ist die Meerestechnik.<br />

Hier müssen die Werften <strong>sich</strong><br />

den Zukunftsfragen der Öl- und Gasförderung,<br />

der Rohstoffgewinnung und der<br />

Windenergie auf dem Meer weiter öffnen<br />

und die <strong>sich</strong> bietenden Marktchancen<br />

für <strong>sich</strong> nutzen.« Die Hebelwirkungen,<br />

die Zuwächse sind auf dem Gebiet<br />

der Meerestechnik am stärksten.<br />

Nach Aussage von Otto hat Deutschland<br />

weltweit auf diesem Markt derzeit<br />

einen Anteil von drei bis vier Prozent.<br />

»Dieser soll verdoppelt werden in den<br />

kommenden Jahren.« Es bestehe hierzulande<br />

in der Meerestechnik »ein riesiger<br />

Nachholbedarf«.<br />

VERÄRGERT: Hans-Joachim Otto, Bundeskoordinator<br />

für die maritime Wirtschaft.<br />

Die deutschen Werften setzen an der<br />

Schnittstelle zwischen dem Schiffbau<br />

und der Meerestechnik als zukunftsfähigem<br />

Geschäftsfeld vor allem auf die<br />

Offshore Windenergie. Davon konnte<br />

<strong>sich</strong> der Bundeskoordinator bei seiner<br />

Visite in Rostock überzeugen. Christian<br />

Schmoll, Geschäftsführer der Tamsen<br />

Maritim GmbH, berichtete dem Gast aus<br />

Berlin bei einem Betriebsrundgang davon,<br />

wie der Boots- und Yachtbaubetrieb<br />

in Rostock-Gehlsdorf sein Produktionsportfolio<br />

erweitert und <strong>sich</strong> somit auf<br />

die veränderten Bedingungen in der<br />

Branche einstellt. Beispielsweise konnte<br />

das Unternehmen in diesem Jahr einen<br />

Großauftrag für einen weltweit agierenden<br />

Hersteller von Windkraftanlagen an<br />

Land ziehen. Für diesen werden bei Tamsen<br />

hochpräzise Urmodelle für riesige<br />

Windrad-Flügel hergestellt. Die Werft<br />

verfügt über das Know-how für die Verarbeitung<br />

und Produktion von Großkomponenten<br />

aus Kunststoff.<br />

In Mecklenburg-Vorpommern verfügen<br />

die Werften nach jüngsten Angaben<br />

des Schiffbauverbandes VSM über Schiffbau-<br />

und Offshore-Aufträge im Wert von<br />

700 Millionen Euro (Stand: Juni 2011).<br />

&<br />

Thomas Schwandt<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 19


Fotos: Sven George<br />

Bürstenmann GmbH<br />

Weltweit in aller Munde<br />

Der Bürstenhersteller im erzgebirgischen Stützengrün ist zum<br />

zweitgrößten Branchenbetrieb Deutschlands aufgestiegen. Mit einem<br />

Hallenneubau wird die Zahnbürsten-Produktion massiv erweitert.<br />

Der Auftrag vom Weltmarktführer<br />

ist für uns der Ritterschlag«, sagt<br />

Margitta Siegel und hüpft fast vor<br />

Freude durch die weitläufige Produktionshalle.<br />

In einer Stunde wird die Chefin<br />

der Bürstenfabrik die noch leere Halle<br />

einweihen. Siegel ist <strong>sich</strong>tlich nervös.<br />

Der Landrat des Erzgebirgskreis hat <strong>sich</strong><br />

angesagt. Auch zwei Abgeordnete aus<br />

dem sächsischen Landtag und aus dem<br />

Bundestag wollen an der Einweihung der<br />

60 Meter langen, 42 Meter breiten und<br />

acht Meter hohen Halle teilnehmen, die<br />

binnen weniger Monate förmlich aus<br />

dem Boden gestampft worden ist. Die<br />

wichtigsten Gäste aber sind schon da.<br />

RITTERSCHLAG VOM MARKTFÜHRER<br />

Der weltweit größte Arzneimittel-Konzern<br />

Glaxo Smith Kline hat eine Abordnung<br />

von London ins Erzgebirge nach<br />

Stützengrün geschickt. Aus gutem<br />

Grund: Der Pharmariese ist der neueste<br />

Kunde in Stützengrün. Sein Großauftrag<br />

hat den Hallenneubau nötig und erst<br />

möglich gemacht. »Glaxo als Kunde – das<br />

ist der Ritterschlag«, wiederholt <strong>sich</strong> die<br />

Geschäftsführerin. »Aber wir haben uns<br />

den auch redlich verdient.« Siegel verweist<br />

auf ihre Fabrik. »Bürstenmann ist<br />

durchsaniert«, sagt sie. »Qualität und<br />

Produktivität stimmen, wir brauchen<br />

uns da vor niemandem zu verstecken.«<br />

Was damit gemeint ist, lässt <strong>sich</strong> in<br />

der Halle neben dem Neubau schon jetzt<br />

be<strong>sich</strong>tigen. Moderne Spritzguss-, Beborstungs-<br />

und Verpackungsmaschinen<br />

rattern unaufhörlich im 24-Stunden-<br />

Takt. »Am Ende des Tages stehen unter<br />

dem Strich mehr als 300.000 Zahnbürsten«,<br />

rechnet Produktionsleiter Ulrich<br />

Brettschneider vor. »In bester Qualität.<br />

Und das durchweg bei allen der 60 verschiedenen<br />

Bürstensorten.«<br />

Brettschneider gerät schnell ins<br />

Schwärmen, wenn es um die technischtechnologischen<br />

Details der Bürstenfertigung<br />

geht. »Wir sind jetzt schon Spitze,<br />

das zeigen die regelmäßigen Belastungs-,<br />

Qualitäts- und Produktivitätstests«, sagt<br />

er. »Aber mit der neuen Halle setzen wir<br />

noch eins drauf.« Roboter würden die<br />

Einzelmaschinen miteinander verbinden.<br />

»Vorn kommt das Kunststoffgranulat<br />

rein und hinten die verpackte Zahnbürste<br />

raus«, skizziert Brettschneider das<br />

neue Fertigungsprinzip. »Der Mensch<br />

greift nur noch zur Kontrolle ein.«<br />

Über fünf Millionen Euro kosten die<br />

drei neuen Fertigungsstraßen, die in<br />

dem ca. 2,5 Millionen Euro teuren Hallenbau<br />

in den nächsten Wochen und Monaten<br />

installiert werden. So eine Großinvestition<br />

rechnet <strong>sich</strong> freilich nur bei<br />

dauerhaft hohen Stückzahlen. Die haben<br />

<strong>sich</strong> die Stützengrüner bei Glaxo Smith<br />

Kline vertraglich ge<strong>sich</strong>ert. Bürstenmann<br />

liefert den Engländern zunächst bis 2017<br />

jährlich 40 Millionen Zahnbürsten. »Unsere<br />

Erfahrungen und die Leistungsbereitschaft<br />

meiner Leute waren das wichtigste<br />

Pfund in den Verhandlungen um<br />

den Dauerauftrag zur Produktion von<br />

Bürsten Marke Dr. Best«, sagt Siegel.<br />

Dem Pharmariesen gehöre dieser bekannte<br />

Markenname. »Wir werden die<br />

Marke in der neuen Halle fertigen. Damit<br />

kommt alsbald jede dritte dieser weltbekannten<br />

Putzhilfen von uns aus Stützengrün.«<br />

Siegel freut <strong>sich</strong> darüber und findet<br />

doch, dass es da noch Luft nach oben<br />

gibt. »Wir haben«, sagt sie, »in der neuen<br />

Halle noch Platz für eine vierte Straße.«<br />

EXPORTE NACH ÜBERSEE<br />

Der Sprung nach oben aber ist schon<br />

jetzt gewaltig. Statt 70 Millionen werden<br />

die Stützengrüner im nächsten Jahr<br />

mehr als 110 Millionen Zahnbürsten in<br />

den beiden Hallen fertigen. Bürstenmann<br />

steigt damit bei Zahnbürsten zur<br />

Nummer zwei unter den Produzenten in<br />

Deutschland auf. Vertrieben werden die<br />

Bürsten zur Zahnhygiene unter Dr. Best<br />

sowie unter diversen anderen Fremdmarken.<br />

Hinzu kommt die Eigenmarke Purodent,<br />

die unter anderem nach Brasilien,<br />

Neuseeland und auf die Bahamas exportiert<br />

wird.<br />

Dabei sind die Zahnbürsten, die etwa<br />

ein Viertel der Produktion bei Bürstenmann<br />

ausmachen, längst nicht der einzige<br />

Verkaufsschlager des Unternehmens.<br />

»Bürstenmann behauptet <strong>sich</strong> schon seit<br />

Jahren auf dem Weltmarkt«, ver<strong>sich</strong>ert<br />

Margitta Siegel, weil das Unternehmen<br />

innovativer als die meisten Konkurrenten<br />

sei. »Wir haben bessere technologische<br />

Voraussetzungen und sind zumeist<br />

kreativer als die Konkurrenz.« Die Geschäftsführerin<br />

ist <strong>sich</strong> <strong>sich</strong>er: »Wir reagieren<br />

schneller als andere aus der Branche<br />

auf Markterfordernisse.«<br />

Ein Beleg dafür ist das vor Jahren<br />

patentierte Stiel-Verbundsystem Simply<br />

Quick. Auch die Marke Twice Line sei ein<br />

Renner, sagt die Geschäftsführerin. Inzwischen<br />

würden mehr als 30 Produkte<br />

– von der Zahnbürste bis zur Kehrschaufel<br />

– nach dem im eigenen Hause entwickelten<br />

Zweikomponenten-Verfahren<br />

hergestellt und unter der Marke Twice<br />

Line erfolgreich vertrieben. »Das sind In-<br />

20 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


REPORT<br />

novationssprünge und Neuentwicklungen,<br />

die uns kaum einer nach der Wende<br />

zugetraut hat«, sagt Siegel. Auch nicht<br />

die Münchner Unternehmensberater von<br />

Roland Berger, die 1991 empfahlen, den<br />

Genossenschaftsbetrieb für eine D-Mark<br />

zu verkaufen oder gleich ganz dicht zu<br />

machen. Genau das aber hat der Konsumverband<br />

nicht getan, sondern den<br />

Betrieb erhalten. Martin Bergner, Vorstandssprecher<br />

der Zentralkonsum eG,<br />

zu der Stützengrün nun gehört, ist heute<br />

noch froh über diese damals »waghalsige<br />

wie sentimentale« Entscheidung, den<br />

Betrieb weiterzuführen. »Bürstenmann<br />

ist mittlerweile eine Erfolgsgeschichte<br />

geworden«, sagt er. »Für den Zentralkonsum,<br />

den Osten überhaupt und auch<br />

für das im Aufwind befindliche gesamtdeutsche<br />

Genossenschaftsmodell.«<br />

NEUE ABSATZWEGE ERSCHLOSSEN<br />

Nach der Wende hat der Konsumverband<br />

dem Team um Margitta Siegel Zeit verschafft.<br />

Das sei, so die 62-jährige Chefin,<br />

die seit 1974 im Betrieb ist, auch bitter<br />

nötig gewesen. »Ansonsten hätten wir<br />

den Wechsel in die Marktwirtschaft niemals<br />

geschafft.« Mit neuen Produkten<br />

und neuen Kundenkontakten gelang es,<br />

über die Zeit hinweg neue Absatzwege zu<br />

erschließen. »Intelligente Reinigungsgeräte«<br />

nennt Siegel die »weltmarktfähigen<br />

Produkte« selbstbewusst. Dem Namen<br />

nach seien sie zwar nur Kehrschaufel<br />

und Besen. Vom Gebrauchswert her aber<br />

seien sie aus ihrer Sicht nicht mehr mit<br />

den herkömmlichen Produkten zu vergleichen.<br />

»Aber natürlich«, gesteht Siegel<br />

zu, bleibe »eine Bürste eine Bürste«. Das<br />

allerdings sei nur gut so. »Denn an Besen,<br />

Bürsten und Pinseln kommen die Leute<br />

auch in Krisen-Zeiten nicht vorbei.«<br />

Die Geschichte von Bürstenmann<br />

steht dafür. Bereits 1924 von der damaligen<br />

Hamburger Großhandelsgenossen-<br />

GESCHÄFTSFÜHRERIN Margitta Siegel<br />

schaft deutscher Konsumvereine (GEG)<br />

in Stützengrün gegründet, überstand<br />

das Unternehmen nicht nur die Rezession<br />

von 1929 bis 1932, sondern auch den<br />

Zweiten Weltkrieg. In dieser Zeit lieferten<br />

die Erzgebirgler ihre Bürsten zum<br />

großen Teil an Rüstungsbetriebe.<br />

Nach dem Krieg wurde auf Befehl der<br />

damaligen sowjetischen Militäradministration<br />

die Bürstenproduktion für die<br />

Bevölkerung wieder aufgenommen und<br />

in den Folgejahren ständig erweitert. »Zu<br />

DDR-Zeiten haben wir in der Spitze mit<br />

rund 850 Beschäftigten mehr als 100 Millionen<br />

Mark Umsatz gemacht«, erinnert<br />

<strong>sich</strong> Siegel, die bis zur Wende als Hauptbuchhalterin<br />

im Betrieb gearbeitet hat.<br />

Mit Siegel haben über 260 Beschäftigte,<br />

einschließlich der 13 Azubis pro Jahr,<br />

den Sprung in die Marktwirtschaft geschafft.<br />

Der Betrieb hat <strong>sich</strong> binnen eines<br />

Jahrzehnts zum zweitgrößten deutschen<br />

Bürstenhersteller gemausert, der einen<br />

Jahresumsatz von etwa 40 Millionen<br />

Euro erzielt und spätestens seit 1994<br />

schwarze Zahlen schreibt. Mehr als ein<br />

Viertel der 1.500 Produkte – vom Handfeger<br />

über Saalbesen, Fußmatten, bis hin<br />

zu den verschiedenartigsten Bürsten –<br />

wird heute in 45 Länder exportiert. Bürstenmann<br />

ist der mit Abstand größte Ar-<br />

beitgeber in einer Region, die seit der<br />

Wende von hoher Arbeitslosigkeit betroffen<br />

ist. Die neue Halle samt Großauftrag<br />

beschert 30 neue Arbeitsplätze. Stützengrün<br />

hat <strong>sich</strong> als neues gesamtdeutsches<br />

Zentrum der Bürstenindustrie etabliert.<br />

Im Ort sind mittlerweile neben Bürstenmann<br />

zwei weitere Betriebe der kleinen<br />

Branche ansässig.<br />

Wenn eine Bürste auch immer eine<br />

Bürste bleibt, so sind dennoch im Betrieb<br />

vier Leute ständig mit Neuentwicklungen<br />

beschäftigt. Außerdem offerieren<br />

die Produkte in ihrer Verarbeitung, besonders<br />

aber in den dabei genutzten Materialien<br />

deutliche Unterschiede. Holz,<br />

Kunststoffe, Metalle, spezielle Gummis<br />

und Keramiken werden genauso verarbeitet<br />

wie Rosshaare oder Schweinsborsten.<br />

Die Bürstenmacher orientieren <strong>sich</strong><br />

bei ihren Neuentwicklungen an den verschiedenen<br />

Markttrends. »Wir profitieren<br />

dabei vom Wellnesstrend genauso<br />

wie von der immens gewachsenen Tierliebe<br />

der Deutschen«, sagt Siegel und<br />

zuckt mit den Achseln: »Ein Pferd muss<br />

eben andauernd gebürstet werden.«<br />

ZÄHNEPUTZEN MIT DEN BAYERN<br />

Da auch Fans gepflegt werden müssen,<br />

schwören neben Glaxo Smith Kline auch<br />

andere illustre Kunden auf Zahnbürsten<br />

aus Stützengrün. »Um die 50.000 Bürsten<br />

in den Farben rot-weiß liefern wir jährlich<br />

an den FC Bayern München«, erzählt<br />

Siegel. »Unsere Bürsten gehören zu den<br />

beliebtesten Fanartikeln der Bayern.« Der<br />

Hamburger Sportverein (HSV) oder Werder<br />

Bremen lassen ebenfalls bei Bürstenmann<br />

fertigen. Seit dem Wiederaufstieg<br />

der Berliner Hertha in die erste Bundesliga<br />

auch die Herthaner. »Fußball bleibt<br />

für uns ein gutes Geschäft«, sagt Siegel.<br />

»Nur leider nicht im Osten, der spielt ja<br />

oben nicht mit.«<br />

Steffen Uhlmann<br />

&<br />

ZAHNBÜRSTEN: Mit 110 Millionen Stück Jahresproduktion wird Bürstenmann die Nummer zwei unter den Herstellern in Deutschland.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11<br />

21


SERVICE<br />

Wirtschaftsleistung erleiden. 52 Prozent<br />

der Befragten dagegen zeigen <strong>sich</strong> optimistisch,<br />

dass die deutsche Wirtschaft<br />

die Situation insgesamt gut bewältigen<br />

werde.<br />

Fotos: PictureDisk<br />

Rohstoffe<br />

Globaler Wettbewerb<br />

um knappe Ressourcen<br />

Der Wettbewerb um Rohstoffe und fossile Energien ist weltweit<br />

in vollem Gange. Für mittelständische Betriebe bedeutet dies stark<br />

schwankende Preise und die Furcht vor Versorgungsengpässen.<br />

Wie der deutsche Mittelstand auf die Herausforderung reagiert,<br />

zeigt eine aktuelle Studie der Commerzbank AG.<br />

Früher gab es eine einfache Faustregel:<br />

20 Prozent der Bevölkerung<br />

in Europa, Nordamerika und Japan<br />

konsumieren 80 Prozent der Weltbergbauproduktion.<br />

Doch die Zeiten solch<br />

einfacher Wahrheiten sind längst vorbei.<br />

Mit dem rasanten wirtschaftlichen<br />

Wachstum in China, Indien und anderen<br />

bevölkerungsreichen Schwellenländern<br />

ist der globale Hunger nach Rohstoffen<br />

nur noch schwer zu stillen.<br />

Die Folgen bewegen schon jetzt die<br />

Märkte. Weltweit werden nun auch bisher<br />

eher als unrentabel angesehene Rohstoffvorkommen<br />

genauer unter die Lupe<br />

genommen. Doch trotz verstärkter Suche<br />

nach neuen Lagerstätten müssen <strong>sich</strong> gerade<br />

die rohstoffintensiven Branchen auf<br />

steigende Preise einrichten, die durchaus<br />

auch zu existenziellen Problemen bei<br />

einzelnen Betrieben führen können.<br />

Grund zur Sorge bereitet den Mittelständlern<br />

neben der Knappheit seltener<br />

Rohstoffe und fossiler Brennstoffe vor allem<br />

die zunehmende Spekulation an den<br />

Rohstoffmärkten sowie mögliche soziale<br />

und politische Unruhen in den Rohstoffförderländern.<br />

STUDIE BELEGT HANDLUNGSBEDARF<br />

Dass das Thema Ressourcen- und Energieknappheit<br />

die mittelständischen Unternehmen<br />

in Deutschland bereits jetzt<br />

zum Handeln zwingt, belegt nun eine<br />

aktuelle Studie der Initiative »UnternehmerPerspektiven«<br />

der Commerzbank AG.<br />

Die Umfrage unter 4.000 mittelständischen<br />

Unternehmenslenkern ergab, dass<br />

40 Prozent der Befragten fürchten, das<br />

rohstoffarme Deutschland könne aufgrund<br />

des verschärften Wettbewerbs um<br />

Rohstoffe und Energie Einbußen in der<br />

STAAT SOLL INNOVATIONEN FÖRDERN<br />

Eine – wenn nicht gar die einzige – Antwort<br />

auf die Rohstoffproblematik aus<br />

heimischer Sicht: Innovationen. Ressourceneffizienz,<br />

Substitution und Recycling<br />

sind das Gebot der Stunde auch für den<br />

deutschen Mittelstand.<br />

Gefragt ist deshalb nach An<strong>sich</strong>t der<br />

Unternehmer vor allem die Technologieförderung<br />

des Staates. 93 Prozent der<br />

befragten Inhaber und Geschäftsführer<br />

im Mittelstand setzen auf eine stärkere<br />

Unterstützung wissenschaftlicher Forschung,<br />

um Alternativen zum bisherigen<br />

Einsatz der Rohstoffe und fossiler Brennstoffe<br />

aufzuzeigen.<br />

Den Einsatz innovativer Techniken in<br />

Unternehmen soll der Staat mit finanziellen<br />

Anreizen fördern und zudem<br />

gegen Rohstoff- und Energieverschwendung<br />

effizienter vorgehen. Die Möglichkeiten<br />

der Handelspolitik werden aber<br />

nicht außen vorgelassen. Immerhin 75<br />

Prozent der Befragten wünschen <strong>sich</strong><br />

ein stärkeres handelspolitisches Engagement<br />

staatlicher Stellen in den Erzeugerländern.<br />

NEUE MÄRKTE ERÖFFNEN CHANCEN<br />

Keine Frage: Die Zeit drängt. Die Weltbevölkerung<br />

wächst weiter und die Schwellenländer<br />

investieren zurzeit massiv in<br />

ihre Infrastruktur. Hier eröffnen <strong>sich</strong><br />

aber auch Chancen für die deutsche<br />

Wirtschaft, wenn es gelingt, innovative<br />

umwelt- und ressourcenschonende Technologien<br />

zu entwickeln und zu exportieren.<br />

Diese Chancen der Verknappung<br />

erkennen laut Commerzbank AG-Studie<br />

STUDIE<br />

UnternehmerPerspektiven<br />

Die Initiative UnternehmerPerspektiven<br />

der Commerzbank AG will aktuelle Themen,<br />

die den Mittelstand bewegen, mit<br />

substanziellen Daten unterfüttern. Dazu<br />

werden zweimal im Jahr 4.000 Unternehmen<br />

im Auftrag der Commerzbank<br />

AG befragt. Das Untersuchungsdesign<br />

lässt auch Teilauswertungen nach<br />

Branchen, Unternehmensgrößen und<br />

<strong>Regionen</strong> zu. Die Studienergebnisse<br />

werden der Öffentlichkeit vorgestellt<br />

und bilden die Grundlage für bundesweite<br />

Dialogveranstaltungen. Bisher<br />

wurden elf Studien veröffentlicht.<br />

22 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


SERVICE<br />

auch die deutschen Mittelständler. Die<br />

Möglichkeiten zusätzlicher Märkte und<br />

Absatzmöglichkeiten werden immerhin<br />

in der Befragung ebenso häufig angeführt<br />

wie etwa die Sorge einer zunehmenden<br />

Macht der Zulieferer.<br />

Insgesamt glauben 52 Prozent der befragten<br />

Mittelständler, dass die Entwicklungen<br />

auf den Energie- und Rohstoffmärkten<br />

sie zu mehr Innovationen drängen<br />

werden. Die differenzierte Sicht der<br />

Unternehmer auf Chancen und Risiken<br />

der Rohstoffknappheit belegen folgenden<br />

Zahlen: 45 Prozent der Unternehmen<br />

vertrauen auf die deutsche Ingenieurskompetenz<br />

und setzen auf die<br />

Chancen neuer Märkte, 51 Prozent fürchten<br />

aber auch, dass ihre Geschäfte durch<br />

den Rohstoffmangel unkalkulierbarer<br />

werden. Zwischen Wahrnehmung und<br />

Handeln klafft allerdings noch eine<br />

beträchtliche Lücke. Bisher werden<br />

mehrheitlich die Beschaffungsprozesse<br />

optimiert oder Kosten auf die Kunden abgewälzt.<br />

Unternehmen, die konkret Maßnahmen<br />

zur Steigerung der Energie- und<br />

Rohstoffeffizienz eingeleitet haben oder<br />

gar Eigenstrom produzieren, sind noch<br />

in der Minderheit. Fazit: Ein Innovationsdruck<br />

wird zwar mehrheitlich erwartet,<br />

entsprechende Investitionen sind aber in<br />

den Unternehmen noch nicht eingeleitet<br />

worden. Hier werden mögliche Wettbewerbsvorteile<br />

verschenkt, denn die<br />

Commerzbank AG-Umfrage zeigt: Unternehmen,<br />

die bei der Umsetzung von<br />

Maßnahmen zur Ressourceneffizienz<br />

oder zum Recycling Trendsetter sind,<br />

wirtschaften auch insgesamt erfolgreicher.<br />

WENIGER FURCHT VOR ENERGIEMANGEL<br />

Die Rohstoffproblematik bereitet den<br />

deutschen Unternehmen gegenwärtig<br />

offen<strong>sich</strong>tlich mehr Kopfzerbrechen als<br />

die viel diskutierte Energiewende. Kein<br />

Wunder, denn mehr als drei Viertel aller<br />

befragten Unternehmen beziehen Rohstoffe<br />

oder rohstoffintensive Vorprodukte.<br />

Bei 60 Prozent dieser Unternehmen<br />

machen Rohstoffaufwendungen zehn<br />

oder mehr Prozent aller Kosten aus, bilanziert<br />

die Commerzbank AG-Studie.<br />

Die steigenden Preise haben <strong>sich</strong> bereits<br />

bei zwei Drittel der Unternehmen<br />

in den Ergebnissen niedergschlagen –<br />

steigende Energiepreise dagegen nur bei<br />

einem Drittel. Besonders betroffen sind<br />

das verarbeitende Gewerbe und die Baubranche.<br />

Obwohl die Rohstoff- und Energiekosten<br />

einen beträchtlichen Teil der<br />

gesamten Unternehmenskosten ausmachen,<br />

können laut Commerzbank-Studie<br />

40 Prozent der befragten Unterneh-<br />

Quelle: Commerzbank AG<br />

DATEN<br />

ROHSTOFFE<br />

Mittelstand in Sorge<br />

Diese globalen Entwicklungen fürchten<br />

die Mittelständler besonders:<br />

(Angaben in Prozent)<br />

Spekulation an den Rohstoffmärkten 89<br />

Steigende Nachfrage 84<br />

Soziale Unruhen in Ursprungsländern 81<br />

Protektionismus 80<br />

Anbieter-Monopole 80<br />

Währungskrisen 73<br />

Knappheit Schlüssel-Rohstoffe 73<br />

Knappheit fossiler Brennstoffe 68<br />

Alternativlosigkeit fossiler Brennstoffe 65<br />

Kurzfristiger Wechsel der Energiepolitik 64<br />

Risiken der Atomenergie 61<br />

PREISENTWICKLUNG<br />

Nicht alle gleich betroffen<br />

Wer besonders unter steigenden<br />

Rohstoffpreisen leidet:<br />

(Angaben in Prozent)<br />

Verarbeitendes Gewerbe 86<br />

Bauwirtschaft 85<br />

Großhandel 73<br />

Einzelhandel 59<br />

Dienstleistung 45<br />

Gesamtwirtschaft 67<br />

EINKAUFSVERHALTEN<br />

Neue Lieferanten suchen<br />

Mit folgenden Maßnahmen reagieren<br />

die Unternehmen auf die Knappheit<br />

auf den Rohstoff- und Energiemärkten:<br />

(Angaben in Prozent)<br />

Suche nach neuen Lieferanten 47<br />

Langfristige Lieferverträge 47<br />

Speziell geschultes Personal 33<br />

Einkaufsgemeinschaften 24<br />

Vergrößerung der Lagerkapazität 14<br />

Ab<strong>sich</strong>erung von Preisrisiken 10<br />

Beteiligung an Zulieferern 4<br />

mer keine verlässliche Aussage darüber<br />

treffen, ob sie bei der Ressourcenversorgung<br />

gut aufgestellt sind. Es ist vor allem<br />

die Komplexität der Märkte, die den Mittelständlern<br />

bei der Kalkulation der Kosten<br />

zu schaffen macht. Zu vielfältig sind<br />

die Einflussfaktoren auf den Rohstoffmärkten,<br />

zu volatil die Preise.<br />

HOHER BERATUNGSBEDARF<br />

Bisher reagieren die meisten Mittelständler<br />

noch mit den klassischen Mitteln auf<br />

die knapper werdenden Ressourcen. Sie<br />

wechseln Lieferanten, versuchen billiger<br />

einzukaufen und <strong>sich</strong> durch langfristige<br />

Verträge abzu<strong>sich</strong>ern. Rat in Versorgungsfragen<br />

wird bei Verbänden und<br />

Kammern, aber auch bei Banken und<br />

Sparkassen gesucht.<br />

Spezielle Finanzinstrumente zur Ab<strong>sich</strong>erung<br />

der Rohstoffrisiken scheuen die<br />

Mittelständler allerdings laut Commerzbank<br />

AG-Studie. Während die Ab<strong>sich</strong>erung<br />

von Zins- oder Währungsrisiken<br />

weit verbreitet ist, hegen die Mittelständler<br />

gegen entsprechende Instrumente bei<br />

Rohstoffrisiken großes Misstrauen: Zu<br />

teuer, zu komplex, so das Urteil der Mittelständler.<br />

Zudem halten sie die Instrumente<br />

– sofern sie ihnen überhaupt bekannt<br />

sind – selbst mit Risiken behaftet.<br />

Dabei, betont Markus Beumer, Vorstandsmitglied<br />

der Commerzbank AG,<br />

sind die Schwankungen bei Rohstoffpreisen<br />

deutlich größer als die Schwankun-<br />

ROHSTOFFE: Preise schwer kalkulierbar.<br />

gen an den Währungs- und Zinsmärkten.<br />

»Der Handlungsbedarf in Sachen Ab<strong>sich</strong>erung<br />

liegt auf der Hand«, urteilt<br />

Beumer und empfiehlt mittelständischen<br />

Unternehmen, ein betriebliches<br />

Risikomanagement aufzubauen mit<br />

Fachleuten, die zugleich Einkaufs- und<br />

Finanzwissen einbringen können. »Wichtig<br />

ist, dass die Unternehmen ein Risikound<br />

Vorsorgebewusstsein entwickeln<br />

und <strong>sich</strong> darüber hinaus auch entsprechende<br />

Beratung über den Einsatz von<br />

Ab<strong>sich</strong>erungsmechanismen von außen<br />

holen.«<br />

Mögliche Finanzinstrumente zur Ab<strong>sich</strong>erung<br />

können Termingeschäfte,<br />

Swaps oder Optionen sein. »Welche Ab<strong>sich</strong>erungsmethode<br />

passend ist, hängt<br />

vom Grundgeschäft des Kunden ab«, so<br />

Beumer. Die Commerzbank AG informiert<br />

Unternehmen regelmäßig unter<br />

www.commerzbank.de/rohstoffradar<br />

über aktuelle Entwicklungen auf den<br />

Rohstoffmärkten.<br />

Matthias Salm<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11<br />

23


KOLUMNE<br />

Gerade, exakt am 21. Juli dieses Jahres,<br />

hatten die europäischen Politiker<br />

in einem ihrer zahllosen<br />

Gipfel die Eurokrise »beigelegt«, da begann<br />

sie von Neuem. Nun ist wieder eine<br />

Bankenkrise hinzugekommen und die<br />

Staaten, die <strong>sich</strong> für vollends handlungsunfähig<br />

wegen Geldmangels erklärt hatten,<br />

gehen erneut über zum lustigen<br />

Bankenretten mit vielen Milliarden.<br />

Da fragt <strong>sich</strong> der Bürger mit gesundem<br />

Menschenverstand zu Recht, ob er<br />

verrückt geworden ist oder sind es die Politiker.<br />

Was niemand sagt, aber sonnenklar<br />

ist: Die Banken haben gezockt und<br />

sind, wie viele andere, in den letzten Monaten<br />

auf die Nase gefallen, weil weltweit<br />

Aktien-Rohstoffe und Währungsnotierungen,<br />

in denen ihre Investmentbanker<br />

engagiert waren, gefallen sind.<br />

Was niemand begreifen will, ist die<br />

schlichte Tatsache, dass an Finanzmärkten<br />

Informationen gehandelt werden –<br />

häufig falsche oder irreführende Informationen.<br />

Es sind die großen Banken<br />

und Fonds, die mit besonderer Informationsmacht<br />

ausgestattet sind, weil sie<br />

ihre geldmächtigen Kunden instrumentalisieren<br />

können, gleichgültig, ob eine<br />

Information richtig oder fasch ist. Es<br />

kommt nur darauf an, möglichst vielen<br />

zu vermitteln, dass »der Markt« in den<br />

nächsten Tagen und Wochen an »Wert«<br />

gewinnen wird. Das tut der Markt in der<br />

Regel auch, weil die Herde der Anleger<br />

das erwartete. So funktionieren selbsterfüllende<br />

Prognosen. Ob man seine<br />

»Kunden« in Rohstoffderivate lockt, auf<br />

den Kurs des brasilianischen Real wetten<br />

lässt oder wieder auf Goldkurs bringt,<br />

macht keinen Unterschied. Der Weg, der<br />

Anstieg des Kurses, ist das Ziel.<br />

Natürlich versucht der »Berater«, vor<br />

seinem Kunden aus dem »Investment«<br />

wieder auszusteigen. Aber das gelingt<br />

nicht immer. Dann machen alle, die vorher<br />

Buchgewinne gemacht haben, Buchverluste.<br />

Schon stehen die Banken ohne<br />

Kleider da und müssen gerettet werden,<br />

weil die Politik nach 2008 nichts, aber<br />

auch gar nichts angepackt hat, um dem<br />

Gezocke ein Ende zu setzen.<br />

Dass, wie jetzt zu erkennen ist, bei der<br />

Zockerei über Monate und Jahre falsche<br />

Preise mit enormen negativen Konsequenzen<br />

für die übrigen realwirtschaftlichen<br />

Märkte erzeugt wurden, interessiert<br />

niemanden, weil es heute explizit<br />

in Deutschland an Ordnungspolitikern<br />

fehlt, die das verstehen und auf eine Unterbindung<br />

des Herden-Auf-und-Abs auf<br />

AUS GENFER SICHT<br />

Die<br />

unendliche Krise<br />

Von HEINER FLASSBECK, Genf<br />

Internet: www.flassbeck.com<br />

den Finanzmärkten hinwirken würden.<br />

Fast jeder Politiker fürchtet, als Anti-<br />

Marktwirtschaftler abgestempelt zu werden,<br />

wenn er für klare institutionelle<br />

Grenzen der Finanzwirtschaft eintritt.<br />

Oder er ist nicht in der Lage, den Unterschied<br />

zwischen »normalen« Märkten,<br />

auf denen das Beheben von Knappheiten<br />

belohnt wird, und solchen, auf denen<br />

das Gegenteil, nämlich das Schaffen von<br />

Knappheiten durch das Initiieren von<br />

Herdenverhalten belohnt wird, zu verstehen<br />

und seinen Wählern zu erklären.<br />

Kein Wunder, dass die Politik auf die Finanzmärkte<br />

starrt wie das Kaninchen<br />

auf die Schlange, hoffend auf Hinweise<br />

von dort, was aktuell falsch und was richtig<br />

ist. Wer aber glaubt, die Märkte überzeugen<br />

statt führen zu müssen, liegt von<br />

vornherein falsch. Da die Märkte versuchen,<br />

die Politik zu »lesen«, und die Politik<br />

zugleich versucht, die Signale der<br />

Märkte zu deuten, entsteht Chaos.<br />

Die Politik muss ohne Wenn und Aber<br />

die Führungsrolle übernehmen, muss in<br />

der Eurokrise klar sagen, was die Ursache<br />

der Misere ist und wie man sie zu<br />

überwinden gedenkt. Nur so kann sie das<br />

Heft in die Hand nehmen und von den<br />

Märkten die Anpassung an ihre Entscheidungen<br />

erzwingen.<br />

Da aber liegt der Hund begraben. Weil<br />

die deutsche Politik quer durch die meisten<br />

Parteien (von Merkel über Weidmann<br />

bis zu Steinbrück) auf dem Standpunkt<br />

beharrt, es gebe gar keine Eurokrise, sondern<br />

die Länder mit den hohen Staatsschulden<br />

bzw. -defiziten seien wegen ihres<br />

Über-die-Verhältnisse-Lebens an allen<br />

Übeln allein Schuld, kann die europäische<br />

Politik den Befreiungsschlag nicht<br />

führen.<br />

Verengt man nämlich den Blick auf<br />

Staatsschulden, lenkt man vom Thema<br />

ab, bei dem man sofort auf eigene Fehler<br />

stoßen würde. Wer Leistungsbilanz-Ungleichgewichte,<br />

also die Verschuldung<br />

des ganzen Landes, zum Thema macht,<br />

kommt nicht umhin zuzugeben, dass<br />

Außenhandelsdefizite der einen etwas<br />

mit Außenhandelsüberschüssen der anderen<br />

zu tun haben. Da aber haben zu<br />

viele Politiker (auch solche, die jetzt in<br />

der Opposition sind) einschließlich ihrer<br />

wissenschaftlichen Berater eine gewaltige<br />

Leiche im Keller. Sie alle waren an der<br />

Entstehung dieser Krise, der jahrelangen<br />

Politik des Gürtel-enger-Schnallens in<br />

Deutschland, unmittelbar beteiligt.<br />

Das führt zu dem grotesken Zustand,<br />

dass <strong>sich</strong> die gesamte herrschende politische<br />

Klasse in Deutschland seit mehr als<br />

zwei Jahren weigert anzuerkennen, dass<br />

das zentrale Ziel der Währungsunion<br />

eine Inflationsrate in der Größenordnung<br />

von zwei Prozent in jedem Mitgliedsland<br />

war und dass Deutschland<br />

massiv dagegen verstoßen hat. Deutschland<br />

hat das Unterschreiten der Zielinflationsrate<br />

durch seine jahrelange<br />

Lohndumpingpolitik erreicht. Allein dadurch<br />

(und nicht durch technologischen<br />

Vorsprung) ist Deutschland zu seiner<br />

Wettbewerbsstärke gelangt, die <strong>sich</strong> in<br />

der Wettbewerbsschwäche der Krisenländer<br />

widerspiegelt. Wer das umdrehen<br />

will – und es muss umgedreht werden,<br />

wenn man den Euro retten will – kann<br />

nicht allein von den anderen verlangen,<br />

<strong>sich</strong> anzupassen, sondern muss selbst<br />

etwas tun. Grotesk ist es, wenn von den<br />

anderen massive Lohnsenkung verlangt<br />

wird (Deutschlandverteidiger nennen<br />

das absurderweise »interne Abwertung«),<br />

ohne zu sagen, dass das von massiven<br />

Lohnerhöhungen in Deutschland begleitet<br />

sein muss. Andernfalls führt dies in<br />

eine europäische Deflation.<br />

Aber das sagt man nicht. Plötzlich ist<br />

das Inflationsziel – bis vor kurzem in<br />

Deutschland allerheiligst – nicht mehr<br />

wichtig. Es wird ad acta gelegt, weil man<br />

sonst zugeben müsste, falsch gehandelt<br />

zu haben. Man kann viel von den Menschen<br />

verlangen, das aber nicht! &<br />

Foto: Torsten George<br />

24<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


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Die Zukunftsförderer


SPECIAL<br />

Foto: Telegate<br />

Kaufen im Internet<br />

Produkte besser finden<br />

Spezielle Suchsoftware verbessert die Produktfindung in Online-<br />

Läden. Im Shopping-Geschäft mit voraus<strong>sich</strong>tlich 45 Milliarden Euro<br />

Umsatz in Deutschland 2011 ist das ein wichtiger Umsatzhelfer.<br />

lungsrate gemeint, die in Prozent angibt,<br />

wie viele der Web-Laden-Besucher zu<br />

Käufern werden. Nach einer Untersuchung<br />

der Agentur Web Arts AG liegt der<br />

Gesamtdurchschnitt gerade mal bei drei<br />

Prozent. Ein Hindernis beim Einkauf<br />

sind Suchprobleme. Warum reichen<br />

Suchmaschinen wie Google, Bing oder<br />

ähnliche Systeme dabei nicht aus? Wichtigster<br />

Grund: Der direkte Bezug einer<br />

Produktanfrage auf das Sortiment eines<br />

Online-Anbieters fehlt den Suchmaschinen.<br />

Zwar korrigieren sie in der Regel<br />

falsch geschriebene Begriffe, zeigen ent-<br />

Die Auswahl des Dresdner Online-<br />

Elektronik-Fachmarkts www.<br />

cyberport.de ist riesig: 30.000<br />

Markenartikel aus der Computertechnik<br />

und der digitalen Unterhaltungselektronik<br />

stehen per Mausklick bereit. Die Kunden<br />

haben kein Problem bei der Bestellung,<br />

auch wenn sie statt Canon fälschlicherweise<br />

Kanon oder Appel statt Apple<br />

eintippen. Oliver Theurich, Leiter Produktmanagements<br />

bei Cyperport: »Wir<br />

helfen unseren Besuchern gerne weiter.«<br />

Auch Rene Marius Köhler von www.<br />

fahrrad.de in Esslingen achtet auf eine<br />

geringe Abspringerquote von Online-<br />

Besuchern. Bei dem Fahrradversender<br />

nutzt jeder vierte Kunde die fehlertolerante<br />

Suche und findet trotz Eingabe von<br />

»shiao« den Hersteller Shimano.<br />

AUF ANHIEB TREFFER LANDEN<br />

Hier sorgt eine fehlertolerante Suchsoftware<br />

namens Fact-Finder für schnelles<br />

Finden. Das von Softwarehaus Omikron<br />

in Pforzheim entwickelte, in 1.000 Online-Shops<br />

eingesetzte Programm ist<br />

eines von mehreren Spezialisten für die<br />

Produktsuche im Internet-Handel. Neben<br />

der in Shopsystemen eingebauten<br />

Standard-Suchfunktion sind in diesem<br />

Geschäftsfeld weitere Anbieter zum Beispiel<br />

Findologic, Exorbyte und auch<br />

Google Commerce Search im Einsatz.<br />

Das gewünschte Produkt auf Anhieb<br />

in einem Online-Shop zu finden, gehört<br />

zur Grundbedingung des digitalen Geschäfts.<br />

Wer im rasant wachsenden Online-Shopping-Umsatz<br />

in Deutschland<br />

(2010 sind es 39,2 Milliarden Euro, für<br />

2011 sind 45 Milliarden prognostiziert)<br />

erfolgreich agieren will, muss treff<strong>sich</strong>ere<br />

Suchfunktionen anbieten. Nach einer<br />

Untersuchung der Nielsen Norman<br />

Group verlassen 34 Prozent der User einen<br />

Shop, weil sie ein Produkt nicht finden,<br />

obwohl es vorhanden ist. Für Omikron-Chef<br />

Carsten Kraus ist die hohe Aussteigerquote<br />

nicht erstaunlich: »Nach<br />

unserer Erfahrung stimmen 30 bis 40<br />

Prozent der Suchangaben nicht mit den<br />

Produktbezeichnungen überein.«<br />

Für Online-Shops ist die Steigerung<br />

der so genannten Konversationsrate deshalb<br />

ein Muss. Damit ist die Umwand-<br />

WER sucht, der findet. Vielleicht.<br />

sprechende Websites an, doch bei Varianten<br />

von Produktbezeichnungen oder<br />

Wortumstellungen sind sie überfordert.<br />

Google hat mit Google Commerce<br />

Search (GCS) deshalb einen eigenen Produktsucher<br />

für Online-Shops entwickelt.<br />

Die Suchergebnisse werden nach dem<br />

PageRank-Wert gelistet, der angibt, wie<br />

oft ein Dokument verlinkt ist. Hinzu<br />

kommen Faktoren wie das Auftreten der<br />

Suchbegriffe im Dokumententitel oder<br />

in Überschriften und Begriffe als Ankertext<br />

in verweisenden Dokumenten. Administratoren<br />

können damit ihre Suchmaschine<br />

anpassen.<br />

Allerdings hat das Google-Produkt<br />

Handicaps. Der GCS-Algorithmus kann<br />

mit zusammengesetzten Wörtern wie<br />

»Lederjacke« statt »Jacke aus Nappaleder«<br />

und anderen sprachliche Besonderheiten<br />

nicht umgehen. Er korrigiert die<br />

Wörter der Kunden, statt ihre Ähnlichkeit<br />

mit Produkten im Shop zu messen.<br />

Gravierend im Internet-Shopping sind<br />

Anfragen nach dem Longtail-Prinzip. Danach<br />

kann ein Web-Anbieter durch eine<br />

große Anzahl von Nischenprodukten mit<br />

kleinen Stückzahlen Gewinn machen.<br />

Übertragen auf die Suchanfragen heißt<br />

das: Je öfter gesucht wird, desto häufiger<br />

verschreiben <strong>sich</strong> die Personen oder geben<br />

spezifische Suchanfragen ein.<br />

Beispiel: Schmerzmittel »Paracetamol«.<br />

Ein großer Teil der Online-Nutzer<br />

wird genau mit diesem Begriff suchen.<br />

Doch manche Besucher geben »Parazetamohl«<br />

oder »Paracetimol« ein. Eine Auswertung<br />

von Fact-Finder für Paracetamol<br />

zeigt, dass innerhalb von zwei Wochen<br />

bei 524 Eingaben eine Streuung in 43<br />

nicht korrekt geschriebene Begriffe, die<br />

erkannt und zugeordnet werden müssen<br />

Diese Longtail-Suche deckt Google<br />

Commerce Search nur ungenügend ab.<br />

Omikron-Chef Kraus: »Fact-Finder kann<br />

mit einem eigens entwickelten Ähnlichkeitsverfahren<br />

einen Großteil der falschen<br />

Eingaben erkennen.« Wer zum Beispiel<br />

im Gartenshop www.poetschke.de<br />

»Spten« eintippt obwohl er einen »Spaten«<br />

sucht, wird von Fact-Finder auf die<br />

gesuchten Artikel geführt. Die Eingabe<br />

bei Shop.mein-schoener-garten.de ergibt<br />

bei Google Commerce Search 0 Treffer.<br />

Mängel zeigen <strong>sich</strong> auch bei zusammengeschriebenen<br />

Wörtern. Bei der Eingabe<br />

von »Kohle aus Holz« verweist der Shop<br />

auf »Anzünder Feuerbällchen« und<br />

»Multifunktions-Räucherofen« an.<br />

EINSTIEG IN DEN REISEMARKT<br />

Wie das möglich ist, erklärt Omikron-<br />

Forschungsleiter Emin Karayel: »Der<br />

Suchalgorithmus von Fact-Finder vergleicht<br />

zwei Datensätze.« In diesem Fall<br />

die Suchanfrage im Shop mit den dort<br />

hinterlegten Produktdaten. Bei der Zuordnung<br />

zu Produkten spielen die Phonetik<br />

und Matching-Aspekte eine Rolle.<br />

Etwa wenn im Kontext der Fließtext<br />

(wie »verzinkte Gewindeschraube« oder<br />

»Glühbirne«) weniger relevant ist als eine<br />

beigefügte Zahl (»35 Zoll/60 Watt«).<br />

Mit einer semantisch ausgerichteten<br />

Suchtechnologie Fact-Finder Travel steigt<br />

Omikron jetzt in den Softwaremarkt für<br />

Online-Reiseportale ein. Damit können<br />

Anbieter Kundenanfragen in natürlicher<br />

Sprache wie »Silvester, Strand, unter<br />

1.000 Euro« automatisch in passende Reiseangebote<br />

umsetzen. Einer der ersten<br />

Kunden ist das Reiseportal www.weg.de.<br />

Carsten Kraus hat <strong>sich</strong> viel vorgenommen:<br />

»Wir stoppen den Vormarsch Googles<br />

bei der Internet-Reisesuche, indem<br />

wir den Nutzern eine viel bessere Usability<br />

auf den Reiseportalen bieten.«<br />

Dr. Manfred Buchner<br />

&<br />

26 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


SPECIAL<br />

IT-Service und Beratung<br />

Fachkräfte im Osten gesucht<br />

Die europaweit agierende KaTe-Group offeriert ihren Kunden<br />

maßgeschneiderte Systemlösungen in der Informationstechnologie.<br />

Unternehmer Tobias Stötzer aus<br />

Stuttgart bietet seinen Kunden<br />

IT-Lösungen aus einer Hand. Er ist<br />

Geschäftsführer der KaTe-Group. Im Falle<br />

des aktuellsten Produkts der KaTe-Group,<br />

einer so genannten Single-Sign-On Appliance,<br />

trifft dies in besonderer Weise zu.<br />

Denn mit der speziellen styx.SSO-Lösung<br />

von KaTe ist es IT-Anwendern in Unternehmen<br />

jetzt möglich, <strong>sich</strong> mit einer Zugangskarte<br />

oder einem Windows-Kennwort<br />

nur einmal täglich im System einzuloggen<br />

und dann alle vorhandenen<br />

Netzwerkdienste nutzen zu können.<br />

»Die Zeit vieler verschiedener Passwörter<br />

für viele verschiedene SAP Systeme,<br />

die von Anwendern gerne mal vergessen<br />

oder von Hackern geknackt werden, ist<br />

vorbei. Für Unternehmen steht Security<br />

an erster Stelle«, betont Stötzer, der gegenwärtig<br />

kreuz und quer in Europa unterwegs<br />

ist, um potenziellen Kunden die<br />

pfiffige Entwicklung aus dem Stuttgarter<br />

IT-Unternehmen zu präsentieren.<br />

Von der neuen Lösung styx.SSO hat<br />

<strong>sich</strong> unlängst auch eine große schweizerische<br />

Bank überzeugen lassen. Mit<br />

seiner Lösung ist das europaweit tätige<br />

süddeutsche IT-Unternehmen in der Lage,<br />

jedem Kunden ein auf den Betrieb<br />

spezifiziertes Verfahren an die Hand zu<br />

geben, um die Authentifizierung zu optimieren.<br />

Zahlreiche namhafte Firmen, Banken,<br />

und Energieversorger haben styx.SSO<br />

bereits implementiert. Das Thema IT-<br />

Security ist aktueller denn je. Laut dem<br />

US-Marktforscher Gartner stehen Identity-<br />

und Access-Management ganz oben<br />

auf der Liste der Prioritäten.<br />

Ein weiterer Punkt ist die Zufriedenheit<br />

der Mitarbeiter. Bei der üblichen Verfahrensweise<br />

erzeugt das Passwortchaos<br />

eine Vielzahl von Passwort-Rücksetzungen,<br />

bei dem dann die Hotline zur Hilfe<br />

gerufen wird. Dieses Problem entfällt bei<br />

dem KaTe-Produkt vollkommen.<br />

Die KaTe-Group ist seit dem Jahr 2008<br />

am Markt und bietet aufeinander abgestimmte<br />

Beratungs- und Supportleistungen<br />

an. Für Kunden und Partner werden<br />

vor allem aus dem SAP NetWeaver und<br />

Microsoft-Umfeld an der Nachfrage ausgerichtete<br />

Software und betriebswirtschaftliche<br />

Verfahren entwickelt. Zertifizierte<br />

Mitarbeiter stehen dabei den Kunden<br />

mit Rat und Tat zur Seite.<br />

Die Wachstumsstrategie der Firma erzeugt<br />

einen hohen Bedarf an IT-Spezialisten.<br />

Das Stuttgarter Unternehmen ist<br />

stets auf der Suche nach entsprechend<br />

ausgebildeten Fachkräften. Da im Süden<br />

Deutschlands der Markt für IT-Fachleute<br />

leergefegt ist, streckt die KaTe-Group ihre<br />

Fühler bundesweit bis in den Osten aus.<br />

Gefragt sind vor allem Spezialisten, die<br />

bereits Erfahrungen bei der Umsetzung<br />

kreativer Konzepte für SAP-Systeme gesammelt<br />

haben. Zudem eilt den Hochschulen<br />

im Osten Deutschlands ein guter<br />

Ruf in der Informatikausbildung voraus.<br />

Günther G. Prütting<br />

Kontakt: www. kate-group.com<br />

cp@kate-group.net<br />

Zentrum Aus- und Weiterbildung Ludwigsfelde GmbH<br />

www.zal-ludwigsfelde.de<br />

<br />

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Weiterbildungskurse:<br />

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Lust auf mehr Informationen und Beratung?<br />

Möglichkeiten gibt es im ZAL und im IZ:<br />

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Firmenkurse:<br />

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WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 27


ENTDECKEN<br />

GENIESSEN<br />

Himmelsfetzen<br />

Ein Interview mit der Künstlerin Ina Abuschenko-Matwejewa<br />

Die in Bernau geborene Malerin und Installationskünstlerin lebt seit 2009 im brandenburgischen<br />

Eberswalde. Sie hat zahlreiche Preise und Stipendien erhalten.<br />

Sie zeigen auf der Art Brandenburg kleine<br />

Serien minimalistischer Kompostionen aus<br />

Karton. Was inspiriert Sie bei Ihrer Arbeit?<br />

Inspirieren können mich Himmelsfetzen, das<br />

Geräusch einer U-Bahn, Gedankenströme. 2004<br />

war ich 3 Monate in Italien, ich zeichnete viel,<br />

hatte jedoch das Werkzeug, um an Holzobjekten<br />

zu arbeiten nicht dabei. Es war die pure<br />

Sehnsucht mit Materie umzugehen; aus dem<br />

Nichts heraus griff ich zum Papier, formte dies,<br />

verarbeitete Eindrücke, die <strong>sich</strong> mir an diesem<br />

Ort aufdrängten. Jedes Material enthält eigene<br />

innere Gesetzmäßigkeiten, zeichnet <strong>sich</strong> aus<br />

durch unterschiedliche Dichte, Volumen etc.<br />

und ist in der Erscheinung entsprechend unterschiedlich,<br />

auch die Farben in ihrer Materialität.<br />

Ich gehe bildhauerisch vor, forschend, erspüre<br />

die Eigenschaften der Materie, gehe damit in<br />

Resonanz und lote dies in meiner Arbeit aus.<br />

Mich inspiriert dieser Schöpfungsvorgang.<br />

Sie nehmen ja bereits zum wiederholten Male<br />

an der Art Brandenburg teil. Wie sind Ihre Erfahrungen<br />

und was versprechen Sie <strong>sich</strong> von<br />

der Teilnahme?<br />

Ich hoffe auf reiche Begegnungen und gute Verkäufe<br />

wie in der Vergangenheit. Ich wünsche<br />

mir, dass meine Arbeiten bei den Käufern ihr<br />

Wirkungsfeld und ihre Kraft entfalten können.<br />

Was reizt Sie, als mehrfach, auch international,<br />

ausgezeichnete Stipendiatin, am Standort<br />

Brandenburg?<br />

Der Standort Brandenburg reizt mich, weil ich<br />

im Biossphärenreservat leben kann und Weltstädtisches<br />

in der Nähe habe.<br />

Parallel zur Art Brandenburg findet die Messe<br />

für Genuss, Lebensart und Ambiente – Salon<br />

Sanssouci statt. Was halten Sie von dieser<br />

Kombination?<br />

Dem Kunstgenuss andere Genüsse beizugesellen<br />

ist wunderbar. Es ist sehr angenehm, bei<br />

exzellenter Verpflegung und in topmodernen<br />

Bettmodellen für Momente von der Messearbeit<br />

auszuruhen.<br />

Der Brandenburgische Verband Bildender<br />

Künstlerinnen und Künstler e.V. (BVBK)<br />

ist die Interessenvertretung der Bildenden<br />

Künstler des Landes Brandenburg.<br />

Eine der wesentlichen Aufgaben des<br />

Berufsverbandes ist es, die Rahmenbedingungen<br />

für die Bildende Kunst zu verbessern.<br />

Er organisiert Projekte, nimmt<br />

zu kulturpolitischen Angelegenheiten<br />

Stellung und ist kompetenter Ansprechpartner<br />

für Fragen der Bildenden Kunst<br />

im Land Brandenburg.<br />

Aktuelle Arbeitsschwerpunkte sind die<br />

Themen Kunst und Bauen, internationale<br />

Austauschprogramme sowie die Künstlermesse<br />

ART BRANDENBURG.<br />

www.art-brandenburg.de · www.salon-sanssouci.de · www.maerkisches-galerienforum.de


Schiff ahoi<br />

Die Maritime-Firmengruppe HHB präsentiert<br />

<strong>sich</strong> erstmals zusammen mit ihren Kooperationspartnern<br />

auf der Messe Salon Sanssouci.<br />

Ausgestellt werden Boote bzw. Gespanne, die<br />

über das Tochterunternehmen HHB Yachtkontor<br />

mit Sitz in Potsdam und Berlin, aber auch bundesweit<br />

über ein Händlernetz verkauft werden:<br />

Range Rover Sport mit Motorboot Chris Craft<br />

Catalina 23 auf Aluminium-Trailer; Sportboot<br />

Larson 850; Sportboot Interboat 19, das <strong>sich</strong><br />

zum gemütlichen Wasserwandern anbietet und<br />

eine Kapitänsslup.<br />

Alle genannten Boote können auch gechartert<br />

werden. Neben den Ausstellungsstücken präsentiert<br />

das Unternehmen sein Yachtsortiment<br />

auf einem Informationsstand. Auch größere<br />

Yachten von ca. 9 - 15 m werden zur wochenweisen<br />

Vermietung angeboten. Sie kommen<br />

überwiegend aus dem Hause Linssen, dem<br />

Mercedes unter den holländischen Stahlmotoryachten,<br />

und aus der „Yachtmanukfaktur“<br />

Christo Mare. Ein besonderer Service ist die Vermietung<br />

von Booten und Yachten mit Skipper.<br />

Abgerundet wird das Angebot durch umfangreiche<br />

Bootsbauleistungen. In diesem Zusammenhang<br />

werden Boote vollständig restauriert<br />

und technisch generalüberholt. Im perfekten<br />

Zustand werden sie zu Preisen zwischen 50.000<br />

und 400.000 € über HHB Yachtkontor zum Verkauf<br />

angeboten.<br />

Alle in einem Boot<br />

Auch die Kooperationspartner Marina am Tiefen<br />

See Potsdam und der Yachthafen Resort<br />

Schwielowsee präsentieren <strong>sich</strong> mit Informationsständen<br />

zu ihren Angeboten. Beide Häfen<br />

vermieten auch kleinste, führerscheinfreie<br />

Sportboote auf Stundenbasis. Die Gastronomie<br />

in beiden Yachthäfen bietet ein umfangreiches<br />

und hochwertiges Speisensortiment an.<br />

Die Firma Noblekey zeigt <strong>sich</strong> mit einem exklusiven<br />

Angebot an individuell gestalteten Fahrzeugschlüsseln<br />

für Automobile und Boote. Die<br />

Christo Mare Werft präsentiert Produkte, die aus<br />

maritimen Werkstoffen wie Teakholz und Edelstahl,<br />

auch nach speziellen Kundenwünschen,<br />

produziert werden. So ist als Standausstattung<br />

ein exklusiver Konferenztisch zu sehen.<br />

Wir trafen Karin Genrich, Präsidentin des Handelsverbandes<br />

Berlin-Brandenburg und gleichzeitig<br />

Schirmherrin des Salon Sanssouci, zum<br />

Gespräch.<br />

Von Beginn an unterstützen Sie die Messe mit<br />

viel persönlichem Engagement und haben<br />

nun die Schirmherrschaft übernommen.<br />

Schon als mir der Geschäftsführer der Messe<br />

Potsdam, Michael Schulze, vor so ungefähr vier<br />

Jahren das Konzept dieser Messe vorstellte,<br />

war ich begeistert und wusste, dass der Salon<br />

Sanssouci das kulturelle Leben Potsdams bereichern<br />

wird. Ich nahm Kontakt zu Geschäftspartnern<br />

auf, mit denen ich bisher konstruktiv<br />

zusammengearbeitet hatte, und begeisterte sie<br />

für diese Idee. Sie sind seither Aussteller beim<br />

Salon Sanssouci.<br />

Was macht dessen Reiz aus?<br />

Diese Messe ist eine ausgewogene und attraktive<br />

Kombination von Lifestyle, hochwertigen<br />

Produkten und Dienstleistungen – also alles,<br />

was das Leben schöner und angenehmer macht.<br />

Für diese außergewöhnliche Präsentation bietet<br />

die spannende Architektur der Metropolis-<br />

Halle ideale Bedingungen. Zudem erwartet die<br />

Gäste ein interessantes Begleitprogramm von<br />

Verkostungen über Musikdarbietungen bis hin<br />

zu Modenschauen. Die in diesem Jahr parallel<br />

zum Salon Sanssouci stattfindende vierte Brandenburgische<br />

Künstlermesse ist ein zusätzlicher<br />

Glanzpunkt, weil diese Kombination nahezu<br />

einzigartig ist. Kunst und genussvolle Lebensart<br />

passen einfach gut zusammen.<br />

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Augenschmaus<br />

Art Brandenburg<br />

Starke Umsätze, nachhaltige Kontakte: Die vom<br />

Brandenburgischen Verband Bildender Künstlerinnen<br />

und Künstler e.V. (BVBK) in Kooperation<br />

mit der Messe Potsdam GmbH veranstaltete<br />

4. Art Brandenburg ist Magnet für Sammler,<br />

Kuratoren und Kunstliebhaber. Die Leitmesse<br />

für Bildende Kunst im Land Brandenburg gibt<br />

einen umfassenden Überblick über die aktuellen<br />

Positionen zeitgenössischer Kunst. In 69 Kojenund<br />

einem Skulpturenbereich stellen 89 renommierte<br />

Künstler mit Schaffensschwerpunkt<br />

im Land Brandenburg ihre Werke persönlich vor.<br />

Salon Sanssouci<br />

Parallel dazu findet die Messe für Genuss, Lebensart<br />

und Ambiente Salon Sanssouci statt.<br />

Es werden rund 80 Aussteller der Extraklasse<br />

erwartet. Bei der Luxusmesse ist unter anderem<br />

erstmals eine Yacht zu sehen. Umrahmt<br />

von hochwertigen Küchenmodellen, u. a. im<br />

Design von Jette Joop, findet traditionell ein<br />

Showkochen statt. Bei den Modenschauen wird<br />

die Herbst/Winter-Kollektion von Anja Gockel,<br />

Simm-Berlin und weiteren Modepartnern präsentiert.<br />

Für Tabakfreunde zeigt Jorge Emilio<br />

Orquin am Stand des Preußischen Cigarren-<br />

Collegiums Berlin wie man Zigarren rollt.<br />

Märkisches Galerienforum<br />

Zudem stellen 10 ausgewählte Galerien zum<br />

ersten Mal unter dem Namen Märkisches Galerienforum<br />

im Foyer der Metropolis Halle aus.<br />

Die Besucher dürfen <strong>sich</strong> sowohl auf heimische<br />

Künstler freuen als auch auf Künstler aus Russland,<br />

China, der Mongolei und Japan. Neben<br />

Galerien aus Berlin und Brandenburg ist auch<br />

das Leipziger Buch- und Kunstantiquariat mit<br />

dabei, das Werke der Leipziger Schule und der<br />

Neuen Leipziger Schule zeigt.<br />

Öffnungszeiten:<br />

Fr. 4.11.:<br />

Sa. 5.11.:<br />

So. 6.11.:<br />

11.00 - 20.00 Uhr<br />

11.00 - 20.00 Uhr<br />

11.00 - 18.00 Uhr<br />

Eintrittspreise:<br />

Erwachsene 8,00 €<br />

Ermäßigt 5,00 €<br />

Abendticket (ab 16 Uhr) 5,00 €<br />

Dauerkarte (3 Tage) 14,00 €<br />

www.art-brandenburg.de / www.salon-sanssouci.de<br />

www.märkisches-galerienforum.de<br />

Veranstaltungsort:<br />

Metropolis Halle, Potsdam<br />

Großbeerenstraße 14482 Potsdam<br />

Besucherhotline: 0331/2016678<br />

Impressum:<br />

Titel: Ina Abuschenko-Matwejewa: Störbilder (Serie), 4teilig, je 24 x 45 x 3,5 cm,<br />

Gouache, Aquarellkarton, 2011<br />

Foto: Thomas Kläber © VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />

weitere Fotos: © MPG Messe Potsdam GmbH<br />

Interview Karin Genrich © Top Magazin Brandengburg, Autorin: Brigitte Menge<br />

Text: Rita Bartl Gestaltung: Carolin Winning<br />

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Highlights<br />

Zigarren rollen<br />

Modenschauen<br />

Auf der Modenschau am Samstag, 5. November<br />

um 17 Uhr wird die Herbst/Winter-Kollektion<br />

von Anja Gockel, Simm-Berlin und weiteren<br />

Modepartnern präsentiert. Anja Gockel hat in<br />

den vergangenen Jahren die Finalistinnen der<br />

Der Zigarrendreher Señor Jorge Emilio Orquin Erfolgssendung „Germany‘s next Topmodel“ mit<br />

kommt aus Kuba, ist 67 Jahre alt und hat seine Heidi Klum ausgestattet. Ulrike Carolina Simm<br />

erste Zigarre mit 13 Jahren gefertigt. Er wird vor stellt mit ihrem Label Simm-Berlin ihre Pret<br />

den Augen der Besucher Premium-Zigarren in a Porter und Haute Couture Kollektion vor, die<br />

traditioneller Weise fertigen. Der Torcedo, wie in ihrem Stil Erhabenheit, zeitlose Eleganz und<br />

der Zigarrendreher in Landessprache genannt Extravaganz vereint. Hüte von Maliné (Kristin<br />

wird, erklärt alle Vorgänge während der Herstellung.<br />

Für besonders Interessierte gibt es ter der Modelle. Karin Genrich wird zudem viel<br />

Müller) unterstreichen den besonderen Charak-<br />

Zigarrenrollkurse am Stand des Preußischen vom Label Sportalm zeigen. Der Sonntag, 6. November<br />

gehört dann exklusiv Karin Genrich und<br />

Cigarren-Collegium Berlin. Dieses bietet in<br />

der Nähe vom Kurfürstendamm neben einer Simm-Berlin.<br />

Smokers Lounge feine Zigarren, ausgesuchte<br />

Whiskies und Brände sowie stilvolles Zubehör<br />

(Scheren, Feuerzeuge und Humidore) an. Und<br />

wer schon immer wissen wollte, welchen Einfluss<br />

Reifung und Lagerung auf den Geschmack<br />

von Zigarren hat, ist hier genau richtig.<br />

Kochen mit Jette Joop<br />

„Wir sind dabei“, nicht ohne Stolz zeigt Herr Mauermann von Mauermann Küchen, auf eine dezent<br />

beleuchtete Glasbordüre, auf der <strong>sich</strong> weiße Kolibris der Nahrungsaufnahme widmen. „Diese anmutige<br />

Gestaltung stammt aus der Feder der bekannten Designerin Jette Joop.“ Großzügig, elegant und<br />

ein wenig verspielt zieht das neuartige Design die Blicke auf <strong>sich</strong>. Die matten Mikrolack Oberflächen<br />

sind edel, trotz ihrer Strapazierfähigkeit. Einige Schränke erinnern mit ihrer abgeschrägten Form an die<br />

Facetten eines Edelsteins. Neben der Küche als Highlight werden täglich von 14 bis 17 Uhr am Stand<br />

allerlei Köstlichkeiten gezaubert, darunter Kürbisfrischkäse auf frischem Bauernbrot und Avocadosalat<br />

auf sautierten Garnelen.<br />

Diesel für die erste Liga<br />

Seit Herbst 2008 ist Infiniti, der Edelableger<br />

der Marke Nissan, auch in Europa präsent. Fünf<br />

Händler gibt es, die die optisch auffallenden<br />

sowie sportlich ausgelegten Modelle des japanischen<br />

Autoherstellers anbieten. Neben Hamburg,<br />

Dresden, Frankfurt und Düsseldorf hat<br />

Infiniti seit September 2010 auch in Berlin am<br />

Salzufer einen Handelspartner.<br />

Die geschwungene Linie ist für Infiniti das<br />

ästhetische Leitmotiv. Das Design folgt der<br />

Philosophie der kraftvollen Eleganz, d.h. das<br />

geschmeidige Styling bildet ein Gegengewicht<br />

zum leistungsstarken Drehmoment. Zeitlose<br />

japanische Ästhetik wird modern interpretiert:<br />

So sind beispielsweise die Polstersitze von Kimonos<br />

inspiriert. Zur Messe Salon Sanssouci<br />

bringt Infiniti einen M35h Hybrid und einen<br />

FX30d Diesel mit.<br />

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REPORT<br />

hersteller und Membranverarbeiter sind<br />

international Spitze. Ein halbes Dutzend<br />

Firmen verfügt hierzulande über das<br />

nötige Knowhow. Darunter die Novum<br />

Membranes GmbH in Edersleben.<br />

Im Jahr 2000 als KFM GmbH Konfektionierung<br />

für Membranen auf 450 Quadratmeter<br />

in Wallhausen gegründet, hat<br />

<strong>sich</strong> die Firma über die Jahre behauptet.<br />

2003 erfolgte der Umzug in den 1.800<br />

Quadratmeter großen Betrieb ins nahe<br />

gelegene Edersleben (Landkreis Mansfeld-Südharz).<br />

Da ging es weiter bergauf –<br />

aber bei dem bayrischen Hauptauftraggeber<br />

Covertex ab 2007 bergab.<br />

Als Covertex 2008 in die Pleite schlittert,<br />

gerät die KFM mit ihren 20 Mitarbei-<br />

Können Sie <strong>sich</strong> vorstellen, Dach<br />

und Wände Ihres Eigenheims mit<br />

Kunststoff zu verkleiden? Nein?<br />

Aber Sie kennen <strong>sich</strong>er die Allianz-Arena<br />

in München. Spektakulär, futuristisch,<br />

luftig! Die Außenhülle – mit 66.000 Quadratmetern<br />

die größte der Welt – leuchtet<br />

rot, wenn der FC Bayern spielt, blau<br />

bei 1860 München und weiß bei Länderspielen.<br />

Insgesamt 2.760 Membrankissen<br />

werden ständig mit getrockneter Luft<br />

aufgeblasen. Strahler erzeugen die unterschiedlichen<br />

Farbspiele.<br />

Gefertigt, zugeschnitten und geschweißt<br />

wurden die 7,6 bis 40,7 Quadratmeter<br />

großen Folienkissen aus Ethylen-Tetrafluorenthylen<br />

(EFTE) 2004 in<br />

Edersleben in Sachsen-Anhalt. Ein Teil ist<br />

auf dem Betriebsgelände der Novum<br />

Membranes GmbH geblieben. Als Musterstück.<br />

Das zeigt Controller Thomas Pohl.<br />

»Ein zweilagiges EFTE-Luftkissen. Die Folie<br />

ist mit 0,2 Millimeter hauchdünn,<br />

trotzdem haltbar und strapazierfähig.«<br />

Und der Betriebswirtschaftler fährt fort:<br />

»Flexibel, leicht, transparent, UV-durchlässig,<br />

selbstreinigend.«<br />

Fotos: D. Micke, Novum Membranes GmbH<br />

FÜNFTES ELEMENT DER BAUKUNST<br />

Pohl scheint auch im Marketing fit zu<br />

sein, verweist auf das Online-Portal der<br />

Firma. Da sei eine kleine Auswahl an Referenzobjekten<br />

aufgelistet: die Foliendächer<br />

der AWD-Arena Hannover, die<br />

PTFE-Glas-Membranen im Mercedes Museum<br />

Stuttgart und im Flughafen-Tower<br />

Wien, das LED-beleuchtete Luftkissendach<br />

am Terminal 3 des Londoner Airports<br />

Heathrow, die einlagigen Membranen<br />

im Botanischen »Garten Eden« in<br />

Cornwall (England). Klangvolle Namen.<br />

Auch vor der eigenen Haustür haben <strong>sich</strong><br />

die Ederslebener verewigt: im nahen<br />

Sangerhausen mit der PVC-beschichteten<br />

Bühnenüberdachung des Rosariums, Europas<br />

größtem Rosengarten.<br />

Die Folienhüllen stehen erst am Anfang<br />

ihres Siegeszuges bei Großprojekten.<br />

Künftig sollen noch viel ausladendere<br />

Flächen überspannt werden. Experten<br />

gehen sogar davon aus, dass Kunststoffmembrane<br />

das Zeug zum fünften Element<br />

in der Baukunst haben – nach<br />

Holz, Stahl, Beton und Glas. Die Branche<br />

ist im Aufwind. Immer mehr Kunden setzen<br />

auf leichte textile Bauten. Folien zieren<br />

nicht mehr nur Stadien und Flughäfen,<br />

sondern auch Schulen, Universitäten<br />

und Krankenhäuser. Selbst in kleinen<br />

Privatgärten ziehen sie ein: in Form von<br />

Poolüberdachungen.<br />

»In der Architektur werden Membranen<br />

aus EFTE-Folien, mit PVC beschichteten<br />

Geweben oder PTFE-Glasfasern eingesetzt«,<br />

erklärt Pohl. Die deutschen Folien-<br />

Novum Membranes GmbH in Edersleben<br />

Folien, Kissen und Luft<br />

Allianz-Arena München, Flughafen Heathrow, Airport-Tower Wien<br />

– Dächer und Fassaden dieser Bauten schmücken spektakuläre<br />

Membranensysteme. Hergestellt in Edersleben bei Sangerhausen.<br />

tern ebenfalls in Existenznöte, wird dann<br />

aber von der in Milwaukee (USA) ansässigen<br />

»Novum Structures LLC«, Spezialist<br />

für Stahl- und Glaskonstruktionen, komplett<br />

gekauft. Genau genommen von der<br />

Novum Structures GmbH im fränkischen<br />

Veitshöchheim. Die gehört den Amerikanern<br />

zu 100 Prozent.<br />

So können sie ihre Produktpalette mit<br />

Membranen erweitern, die Fertigung<br />

und Logistik für den weltweiten Markt<br />

ausbauen. Die Sachsen-Anhalter nutzen<br />

das Know-how und das Vertriebssystem<br />

der Novum-Gruppe mit ihren insgesamt<br />

250 Beschäftigten in Zweigstellen in<br />

Großbritannien, Italien, Frankreich,<br />

China und Indien. KFM-Geschäftsführe-<br />

32 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


REPORT<br />

PRÄZISION Bei Systemplanerin Antje Scheer (l. Foto) gefragt und beim Folienzuschnitt. Azubi Sebastian (r.) mit Controller Thomas Pohl.<br />

rin Gunda Noatzsch bleibt in Edersleben,<br />

ist heute Niederlassungleiterin der 2008<br />

gegründeten Novum Membranes GmbH.<br />

Die Chefin steckt gerade in Beratungen,<br />

kommt kurz raus und begrüßt den<br />

Gast, um sodann auf Thomas Pohl zu verweisen.<br />

Mit 27 Jahren trägt er bereits Verantwortung.<br />

Er macht im Betrieb Controlling,<br />

Reporting für die US-Mutter und<br />

Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Pohl hat BWL in Nordhausen studiert<br />

und 2008 in Edersleben angefangen. Er<br />

stammt aus Annarode, nicht weit entfernt.<br />

»Der Job ist reizvoll durch die amerikanische<br />

Mutterfirma, die E-Mails sind<br />

fast ausschließlich in Englisch, wir haben<br />

viele Kontakte in die USA und nach<br />

Großbritannien, eine neue Software ist<br />

im Aufbau. Und wir haben ein tolles Betriebsklima«,<br />

schwärmt er. Andere Mitarbeiter<br />

bestätigen das. Sie ergänzen, es sei<br />

toll, eine »soziale Chefin« zu haben. Unisono:<br />

Die Arbeit hier mache Spaß.<br />

Der Umsatz stimmt. Im Jahr 2010 standen<br />

2,2 Millionen Euro zu Buche, dieses<br />

Jahr sind 2,5 Millionen avisiert. 42 Mitarbeiter<br />

in Edersleben produzieren mehr<br />

als 150.000 Quadratmeter Membranen<br />

jährlich. Mit dreidimensionalen, computergestützten<br />

Modellen werden Schnittmuster<br />

für die Membranen erstellt. Diese<br />

werden dann mit höchster Präzision von<br />

modernen CAD-Cuttern geschnitten, anschließend<br />

von computerüberwachten<br />

Hightech-Maschinen in die endgültige<br />

Form geschweißt.<br />

FREIGESPANNTE KONSTRUKTION<br />

Antje Scheer aus Allstedt hat technische<br />

Zeichnerin gelernt, »heute heißt das<br />

technische Systemplanerin«, sagt sie. Die<br />

Arbeitsagentur vermittelte sie 2008 nach<br />

Edersleben. »Ich habe Angebote erstellt,<br />

mich reingefuchst. Die Firma vergrößert<br />

<strong>sich</strong>, und wir wachsen mit den neuen<br />

Herausforderungen.« Klingt wie ein Marketingsspruch.<br />

»Es ist aber so«, schiebt<br />

GEOMETRIE Aufgeblasene Top-Membranen.<br />

die 42-Jährige nach. Sie mache nun mit<br />

der neuen Software den Zuschnitt.<br />

Ingenieurleistungen wie die Formfindung<br />

werden sukzessive auch im eigenen<br />

Haus verwirklicht, sagt Pohl. Formfindung?<br />

»Das ist ein Verfahren zur Ermittlung<br />

der Geometrie eines Tragsystems.<br />

Da bei freigespannten textilen<br />

Membrankonstruktionen die Geometrie<br />

der tragenden Fläche der entscheidende<br />

Parameter für ihre Tauglichkeit ist, ist<br />

die Formfindung ein wichtiger Teil der<br />

Entwurfsarbeit.« Demnächst will die Firma<br />

eigene Serienprodukte entwickeln.<br />

Mehr verrät Pohl noch nicht.<br />

Die Firma will jedenfalls mehr selber<br />

machen. Dafür braucht sie Leute, Spezialisten.<br />

Wie sieht es da mit dem Nachwuchs<br />

aus? Bisher haben hier drei technische<br />

Konfektionäre, so heißt der Beruf,<br />

ihre Ausbildung beendet. Darunter die<br />

23-jährige Nicole Doyscher aus Breitenstein<br />

nach drei Lehrjahren im Januar<br />

2007. Ihre Mutter ist hier Produktionsleiterin,<br />

hat sie zum Praktikum mitgebracht.<br />

»Mir hat es damals gefallen. So<br />

habe ich als Azubi in Edersleben begonnen.«<br />

Und wurde später übernommen.<br />

»Jedes Projekt ist anders, die Arbeit abwechslungsreich.<br />

Das passt.« Keine Frage,<br />

sie will bleiben.<br />

Das möchte auch der 18 Jahre alte Sebastian<br />

Claaßen, seit August 2009 Lehrling.<br />

In der Fertigungshalle ist er am Cutter,<br />

schneidet eine einlagige, blaue Folie<br />

zu. Auftragswerk für die 32.300 Quadratmeter<br />

große Überdachung eines Stadions<br />

im französischen Le Havre.<br />

HAGEL-FESTES MATERIAL<br />

Apropos Unwetter, hält das Material massiven<br />

Hagel aus? »Ziehen Sie mal!« Der<br />

Azubi lässt auf das Produkt nichts kommen.<br />

Ebenso Pohl: »Nehmen Sie ein Messer<br />

und versuchen es ...« Claaßen grinst.<br />

»Von kleinauf wollte ich Bäcker werden,<br />

dann ab der 8. Klasse irgendetwas<br />

mit Kfz. Aber bei Schülerpraktika merkte<br />

ich, das ist nicht das Richtige für mich«,<br />

sagt der Azubi. »Da ich in Edersleben<br />

wohne, habe ich mich in den Ferien hier<br />

um ein Praktikum beworben. Ich kam<br />

mit Null-Vorstellung und ging mit 100<br />

Prozent gutem Eindruck.«<br />

Jetzt ist er richtig da, hat, wie er sagt,<br />

Spaß an der Ausbildung und ist stolz,<br />

dass seine Firma an Projekten in aller<br />

Welt mitgewirkt hat. »Die Allianz-Arena,<br />

Rosarium ..., das ist ein tolles Gefühl.«<br />

Pohl nickt. Es ist ja nicht so, dass er als<br />

junger Mann sein ganzes Leben in der<br />

Heimatregion zubringen muss. Aber:<br />

»Hier stimmt alles.« Der Job und das<br />

drumherum. Und meint damit auch: Seit<br />

2008 funktioniert hier das DSL schnell.<br />

Die Südharzautobahn A38 sei inzwischhen<br />

vollständig befahrbar. Naja, die A71,<br />

die Fertigstellung des Abschnitts zwischen<br />

Südharz und Artern, habe <strong>sich</strong> verzögert.<br />

Hoffentlich ist er bis zum Frühjahr<br />

2012 dann wirklich vollendet. Und<br />

das Private? Zu Hause fühle der <strong>sich</strong> sehr<br />

wohl. Mit seiner Freundin, seiner Boa<br />

Constrictor und seiner Königspython,<br />

und sagt: »Hier will ich bleiben!«<br />

Dana Micke<br />

&<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 33


W&M-SERVICE<br />

AKTUELL<br />

LUFTVERKEHR<br />

Erste Bilanz<br />

der Flugsteuer<br />

Die Experten der NORD/LB<br />

haben eine erste Zwischenbilanz<br />

der Auswirkungen der<br />

Flugverkehrssteuer gezogen.<br />

Ihre Einführung hatte zu empörten<br />

Reaktionen bei Flughäfen<br />

und Fluggesellschaften geführt:<br />

die Luftverkehrssteuer. Anfang<br />

Oktober machten Gerüchte um<br />

eine geplante Reduzierung der<br />

Branche Hoffnung, sie wurden<br />

aber umgehend von der Bundesregierung<br />

dementiert. Die<br />

NORD/LB hat nun in ihrem<br />

»Aviation Monitor« eine Analyse<br />

der bisherigen Auswirkungen<br />

der Steuer vorgenommen. Demnach<br />

beurteilt das Bundesministerium<br />

der Finanzen die Einnahmeentwicklung<br />

positiv. Das<br />

im Mai geschätzte Jahresaufkommen<br />

von 940 Millionen<br />

Euro wird wohl 2011 erreicht<br />

werden. Die gewünschte ökologische<br />

Wirkung der Steuer ist<br />

allerdings kaum eindeutig zu<br />

beurteilen. Bei den Fluggesellschaften<br />

trifft es vor allem die<br />

Low-Cost-Carrier. Air Berlin und<br />

Germanwings klagen über spürbare<br />

Nachfrageauswirkungen.<br />

Ausländische Billigflieger reduzieren<br />

ihre Kapazitäten in Deutschland<br />

und weichen zum Teil<br />

auf ausländische Märkte aus. In<br />

der Folge sind vor allem Flughäfen<br />

betroffen, die <strong>sich</strong> dem<br />

Geschäft mit den Billigfliegern<br />

verschrieben haben. Profiteure<br />

sind grenznahe Flughäfen im<br />

Ausland. Das Bundesfinanzministerium<br />

will aber den Rückgang<br />

der Passagierzahlen an einzelnen<br />

Flughäfen nicht allein<br />

der Flugverkehrssteuer zugeschrieben<br />

wissen. Schließlich verteuerten<br />

auch steigende Kerosinpreise<br />

die Tickets und sorgten so<br />

zu einem Nachfragerückgang in<br />

der Nebensaison und auf innerdeutschen<br />

Flügen. Für die<br />

kriselnden mitteldeutschen<br />

Flughäfen verspricht dies kaum<br />

Perspektive – ihre Hoffnung auf<br />

einen Dauerboom der Ferienflieger<br />

hat <strong>sich</strong> nicht erfüllt.<br />

IM<br />

ARZTPRAXIS<br />

Im Kaufpreis<br />

inbegriffen<br />

Der Wert einer Arztpraxis<br />

umfasst auch den finanziellen<br />

Vorteil aus der Zulassung<br />

als Vertragsarzt.<br />

Ein Facharzt für Orthopädie<br />

hatte eine Facharztpraxis mit<br />

dem Patientenstamm der Kassenpatienten<br />

erworben. Der<br />

Kaufpreis entfiel zum Teil auf<br />

die Praxiseinrichtung, zum<br />

größeren Teil aber auf den<br />

Praxiswert. Der Erwerber<br />

führte die Praxis fort und<br />

nahm auf den Praxiswert<br />

Absetzungen für Abnutzung<br />

(AfA) vor. Das Finanzamt sah<br />

in der Hälfte des vom Kläger<br />

entrichteten Betrags für den<br />

Praxiswert den »wirtschaftlichen<br />

Vorteil einer Vertragsarztzulassung«.<br />

Dieser sei ein gesondertes,<br />

nicht abnutzbares immaterielles<br />

Wirtschaftsgut, für das<br />

keine AfA abzuziehen sei.<br />

Falsch, urteilte der BFH (Az.<br />

VIII R 13/08) im Sinne des Arztes.<br />

Ein gesondertes Wirtschaftsgut<br />

»Vorteil aus der<br />

Vertragsarztzulassung« lasse<br />

<strong>sich</strong> nicht abspalten. Eine solche<br />

gesonderte Bewertung sei<br />

überhaupt nicht praktikabel.<br />

UNTERNEHMEN<br />

AUSKÜNFTE<br />

Antwort nur<br />

gegen Gebühr<br />

Das Auskunftsbegehren<br />

einer Aktiengesellschaft<br />

beim Finanzamt kam die<br />

Firma teuer zu stehen.<br />

Eine Aktiengesellschaft stellte<br />

an ein Finanzamt ein Auskunftsbegehren<br />

zum deutschen<br />

Besteuerungsrecht,<br />

konkret zum Übergang eines<br />

vortragsfähigen Gewerbeverlusts<br />

und zur Buchwertfortführung<br />

im Zuge einer Umstrukturierung.<br />

Nach einem<br />

Schriftwechsel nahm sie das<br />

Auskunftsersuchen zurück.<br />

Der Antrag auf verbindliche<br />

Bestätigung der Buchwertfortführung<br />

wurde aber aufrechterhalten.<br />

Diesen lehnte<br />

das Amt wegen formaler Fehler<br />

ab. Dennoch fiel eine Gebühr<br />

von mehreren tausend<br />

Euro an. Das Unternehmen<br />

klagte: Die Auskünfte müssten<br />

kostenlos sein, außerdem<br />

sei die Anfrage gar nicht bearbeitet<br />

worden. Das Hessische<br />

FG schmetterte die Klage ab<br />

(Az. 4 K 3139/09). Bereits mit<br />

der Annahme des Antrags sei<br />

ein gebührenpflichtiges Verfahren<br />

in Gang gesetzt worden.<br />

GEWERBESTEUER<br />

Hebesätze zogen 2010 an<br />

Im Jahr 2010 lag der durchschnittliche Hebesatz aller Gemeinden<br />

in Deutschland für die Gewerbesteuer bei 390 Prozent und damit<br />

um drei Prozentpunkte höher als im Vorjahr (387 Prozent).<br />

Durchschnittliche Hebesätze Gewerbesteuer<br />

Land Hebesatz Veränderung zu 2009*<br />

Berlin 410 0<br />

Brandenburg 309 –12<br />

Mecklenburg-Vorpom. 345 +1<br />

Sachsen 412 +2<br />

Sachsen-Anhalt 350 +1<br />

Thüringen 349 +8<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, * in Prozent<br />

STEUERN SPAREN<br />

W&M-Tipp für die PRAXIS<br />

Die Steuererklärung<br />

wird einfacher<br />

Bundestag und Bundesrat haben<br />

das Steuervereinfachungsgesetz<br />

beschlossen. Für Unternehmen sollen<br />

die Bürokratiekosten sinken.<br />

Arbeitnehmer können <strong>sich</strong> bereits<br />

2011 über die Erhöhung der Werbungskostenpauschale<br />

von 920<br />

auf 1.000 Euro freuen. Wer mehr<br />

als 1.000 Euro für beispielsweise<br />

Berufskleidung oder Fachbücher<br />

ausgibt, muss aber nach wie vor<br />

Belege sammeln. Freuen dürfen<br />

<strong>sich</strong> auch Familien. Bei volljährigen<br />

Kindern wird Kindergeld ab 2012<br />

grundsätzlich auch dann gezahlt,<br />

wenn das Kind über eigene Einkünfte<br />

verfügt, die den Freibetrag von<br />

8.004 nicht übersteigen. Bisher<br />

genügte nach der Rechtsprechung<br />

schon das Überschreiten der Verdienstgrenze<br />

um nur einem Euro,<br />

um die Ansprüche erlöschen zu lassen.<br />

Voraussetzung für den Bezug:<br />

Der Nachwuchs muss <strong>sich</strong> in einer<br />

Berufsausbildung (Studium, Lehre),<br />

im Freiwilligendienst, in einer Warte-<br />

oder Übergangszeit zwischen<br />

zwei Ausbildungen befinden oder<br />

arbeitslos sein. Leichter abzugsfähig<br />

sind Betreuungskosten für<br />

Kinder, die das 14. Lebensjahr<br />

noch nicht vollendet haben. Eltern<br />

müssen nicht mehr begründen,<br />

warum sie ihr Kind aus beruflichen<br />

oder privaten Gründen nicht selber<br />

betreuen. Künftig werden alle Kinderbetreuungskosten<br />

als Sonderausgaben<br />

gewertet. Bis zum 14.<br />

Lebensjahr des Kindes können die<br />

Eltern zwei Drittel der Betreuungskosten<br />

absetzen, maximal jedoch<br />

4.000 Euro. Vermieter, die Wohnungen<br />

preisgünstig beispielsweise<br />

an Angehörige vermieten, profitieren<br />

ebenfalls von der Steuervereinfachung.<br />

Sie können künftig trotz<br />

der niedrigen Miete ihre Werbungskosten<br />

in voller Höhe geltend machen.<br />

Allerdings unter einer Einschränkung:<br />

Die vereinbarte Miete<br />

muss mindestens 66 Prozent der<br />

ortsüblichen Vergleichsmiete betragen.<br />

Gegebenenfalls ist also<br />

eine Mieterhöhung sinnvoll.<br />

W&M-TIPP<br />

Der elektronische Rechnungsversand<br />

wurde ebenfalls vereinfacht.<br />

Bei elektronischen Rechnungen gibt<br />

es den Vorsteuerabzug auch dann,<br />

wenn die elektronische Rechnung<br />

keine digitale Signatur enthält.<br />

Rechnungsaussteller können nun<br />

frei wählen, wie sie die Echtheit<br />

digitaler Daten gegenüber dem<br />

Fiskus belegen.<br />

34 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


W&M-SERVICE<br />

KLAGE<br />

Es haperte an<br />

der Signatur<br />

Die Erhebung einer Klage<br />

per E-Mail bei einem Finanzgericht<br />

erfordert eine digitale<br />

Signatur.<br />

Dies gilt jedenfalls, wenn das<br />

betreffende Bundesland diese<br />

Signatur in einer Verordnung<br />

vorgeschrieben hat. Seit dem<br />

Jahr 2005 sieht die Finanzgerichtsordnung<br />

vor, dass Klagen<br />

bei Finanzgerichten elektronisch<br />

eingereicht werden können.<br />

Es bleibt den Bundesländern<br />

überlassen, die generelle<br />

Zulassung sowie die Art und<br />

Weise der elektronischen<br />

Einreichung von Dokumenten<br />

durch eigene Rechtsverordnungen<br />

zu regeln. Für Klageschriften<br />

müssen die Verordnungen<br />

allerdings die Beifügung<br />

einer qualifizierten digitalen<br />

Signatur nach Paragraf<br />

2 Abs. 3 des Signaturgesetzes<br />

vorsehen. Dies hat der BFH (Az.<br />

VII R 30/10) in einem aktuellen<br />

Fall einer ohne Signatur eingereichten<br />

Klage noch einmal<br />

bestätigt.<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

Was im Rechtsstreit viele Jahre dauerte, hat<br />

endlich zum Erfolg geführt: Der BFH hat entschieden,<br />

dass die Kosten eines Erststudiums<br />

und einer Erstausbildung voll abziehbar sein<br />

können, selbst wenn ein Steuerpflichtiger diese<br />

unmittelbar im Anschluss an eine Schulausbildung<br />

aufgenommen hat. Finanzämter hatten<br />

diese Kosten regelmäßig nicht mehr anerkannt.<br />

Derartige Kosten sollten allenfalls als<br />

Sonderausgaben abzugsfähig sein. Da Studenten<br />

in der Regel aber kein oder nur ein geringes<br />

Einkommen erzielen, ließen <strong>sich</strong> wegen der<br />

fehlenden Verrechnungsmöglichkeit keine<br />

Steuervorteile daraus erzielen. Die Aufwendungen<br />

gingen regelmäßig verloren.<br />

Nach der neuen Rechtslage ist es ratsam, Aufwendungen<br />

für das Studium künftig möglichst<br />

PRIVAT<br />

KINDER<br />

Besuche sind<br />

keine Belastung<br />

Können Aufwendungen im<br />

Rahmen eines Eltern-Kind-<br />

Verhältnisses steuerlich geltend<br />

gemacht werden?<br />

Der Vater einer Tochter, die bei<br />

ihrer Mutter in Norddeutschland<br />

lebt, reiste einmal monatlich<br />

zum »Besuchswochenende«<br />

an. Die Kosten machte er<br />

als außergewöhnliche Belastung<br />

geltend. Das FG Rheinland-Pfalz<br />

(Az. 5 K 2011/10) beschied<br />

das Ansinnen negativ.<br />

Der Gesetzgeber habe die Aufwendungen<br />

des nicht sorgeberechtigten<br />

Elternteils für den<br />

Umgang mit seinem Kind den<br />

typischen Aufwendungen der<br />

Lebensführung zugeordnet,<br />

die durch den Familienleistungsausgleich<br />

– beispielsweise<br />

dem auch nicht Sorgeberechtigten<br />

zustehenden<br />

Kinderfreibetrag oder das Kindergeld<br />

– berück<strong>sich</strong>tigt würden.<br />

Die Frage, wie solche Kosten<br />

abzugelten seien, lägen im<br />

Rahmen des gesetzgeberischen<br />

Regelungsspielraums.<br />

Von KARL-HEINZ BADURA<br />

Wirtschaftsjournalist und Finanzrichter,<br />

Nörvenich<br />

Erstausbildung und Erststudium sparen Steuern<br />

ZWEITWOHNUNG<br />

Teure Phase der<br />

Eingewöhnung<br />

Wer aus beruflichen Gründen<br />

einen zweiten Haushalt<br />

gründet, muss <strong>sich</strong> am neuen<br />

Wohnort zurechtfinden.<br />

Deshalb kann er für die ersten<br />

drei Monate Mehraufwendungen<br />

für Verpflegung in der<br />

Einkommensteuererklärung<br />

ansetzen. Die entsprechende<br />

Pauschale für einen Tag beträgt<br />

24 Euro. Der Bundesfinanzhof<br />

(Az.:VI R 15/09) hat nun geurteilt,<br />

dass diese Drei-Monatsfrist<br />

wieder von neuem einsetzt,<br />

wenn die doppelte Haushaltsführung<br />

zunächst beendet<br />

wird, später aber am selben<br />

Ort wieder neu auflebt. Diese<br />

Regelung gilt selbst dann,<br />

wenn der Arbeitnehmer wieder<br />

dieselbe Wohnung bezieht oder<br />

wenn es <strong>sich</strong> gar um eine Eigentumswohnung<br />

handelt. Dies<br />

betrifft aber nur Fälle einer<br />

echten Unterbrechung des Aufenthalts,<br />

nicht etwa im Falle<br />

eines Urlaubs oder vorübergehend<br />

krankheitsbedingter<br />

Abwesenheit.<br />

umfänglich geltend zu machen und eine entsprechende<br />

Verlustfeststellung zu beantragen.<br />

Werbungskosten können sein: Aufwendungen<br />

für Kurse, Lehrgänge, Tagungen, Studienund<br />

Prüfungsgebühren, Lernmaterialien, Fachbücher<br />

oder Kopien, Abschreibungen auf<br />

Arbeitsmittel wie den Laptop und studiumsbedingte<br />

Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte,<br />

so der Deutsche Steuerberaterverband (DStV).<br />

Ange<strong>sich</strong>ts der hohen Kosten für eine qualifizierte<br />

Ausbildung, die erst die Aufnahme eines<br />

Beschäftigungsverhältnisses möglich machen,<br />

ist die Berück<strong>sich</strong>tigung als vorweggenommene<br />

Werbungskosten nicht nur legitim, sondern<br />

auch gerecht. Schließlich profitiert der Staat<br />

später über lange Jahre auch von den Steuerzahlungen.<br />

➔Steuern KOMPAKT<br />

HAUSSCHWAMM<br />

Beseitigung absetzen<br />

Hausbesitzer können Ausgaben für<br />

die Beseitigung von Hausschwamm<br />

als außergewöhnliche Belastung von<br />

der Steuer absetzen.<br />

Hausschwamm sei eine außergewöhnliche<br />

Belastung im Sinne des<br />

Gesetzes, urteilte das Niedersächsische<br />

Finanzgericht (Az. 12 K 10270/<br />

09). Nichts spreche für ein eigenes<br />

Verschulden des Betroffenen und<br />

auch Ersatzansprüche gegen Dritte<br />

seien nicht realisierbar, erklärte<br />

das Gericht.<br />

UMZUGSKOSTEN<br />

Doppelte Miete<br />

Ein Arbeitnehmer musste aus beruflichen<br />

Gründen umziehen. Die Familie<br />

folgte drei Monate später. So mussten<br />

zwei Mieten gezahlt werden<br />

Der BFH (Az. VI R 2/1) hat zum Vorteil<br />

der Steuerpflichtigen entschieden,<br />

dass die Aufwendungen für eine zweite<br />

Wohnung am neuen Arbeitsort, die<br />

wegen eines Umzugs aus beruflichen<br />

Gründen entstehen, unbegrenzt als<br />

Werbungskosten abgesetzt werden<br />

können. Nach An<strong>sich</strong>t der Richter gilt<br />

dies bis zum Ablauf der ordentlichen<br />

Kündigungsfrist der alten Familienwohnung.<br />

Der Kläger hatte eine zweite<br />

Wohnung (165 Quadratmeter) am<br />

Ort der neuen Tätigkeit angemietet.<br />

Seine Frau und die Kinder folgten<br />

drei Monate später. Das Finanzamt<br />

erkannte – unter Hinweis auf eine<br />

doppelte Haushaltsführung – nur anteilige<br />

Kosten für 60 Quadratmeter<br />

Wohnfläche an.<br />

SOFTWARE<br />

Ansparen ohne Fiskus<br />

Software wird als ein immaterielles<br />

Wirtschaftsgut eingestuft. Dies hat<br />

für die steuerliche Absetzbarkeit der<br />

Anschaffungskosten Folgen.<br />

Die Bewertung als immaterielles Wirtschaftsgut,<br />

wie zuletzt vom BFH (Az.<br />

X R 26/09) bestätigt, wirkt <strong>sich</strong> aus,<br />

wenn Steuerpflichtige eine Ansparabschreibung<br />

bilden wollen. Diese gewinnmindernde<br />

Rücklage für die Anschaffung<br />

oder Herstellung eines beweglichen<br />

Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens<br />

gilt nur für materielle<br />

Wirtschaftsgüter. Software ist somit<br />

ausgeschlossen. Dass <strong>sich</strong> die Software<br />

auf einem materiellen Datenträger<br />

befindet, ändert daran nichts.<br />

Geklagt hatte ein gewerblich tätiger<br />

Systementwickler und Systeminstallateur.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 35


W&M-SERVICE<br />

DAS<br />

THEMA<br />

INTERVIEW<br />

ERBEN<br />

Keinen Streit<br />

ums Erbe<br />

2,6 Billionen Euro vererben<br />

die Deutschen bis 2020, hat<br />

das Deutsche Institut für Altersvorsorge<br />

ermittelt.<br />

Rund 47 Prozent der Deutschen<br />

haben noch kein Testament,<br />

zeigt eine aktuelle Studie<br />

des Instituts Allensbach im<br />

Auftrag der Postbank. Im<br />

Streitfall sei eine fehlende oder<br />

falsche testamentarische Regelung<br />

jedoch bei der Hälfte der<br />

Fälle Auslöser für Streitereien<br />

unter den Hinterbliebenen.<br />

Tipps für die Nachlassplanung<br />

gibt deshalb der Berufsverband<br />

für Zertifizierte Finanz- und<br />

Vermögensberater (FPSB). Am<br />

Anfang stehe die Überlegung,<br />

wer das Vermögen erben soll.<br />

Denn gibt es kein Testament,<br />

greife die gesetzliche Erbfolge.<br />

Verwaltet die Erbengemeinschaft<br />

das Vermögen gemeinsam,<br />

sei Streit vorprogrammiert.<br />

Damit der letzte Wille<br />

auch gültig ist, muss er komplett<br />

handschriftlich verfasst<br />

sein, Datum und Namen der<br />

Erben sollten eindeutig aufgeführt<br />

sein. Eltern, Ehegatten<br />

und Kindern stehen Pflichtteile<br />

zu, sofern sie vom Erbe ausgeschlossen<br />

sind. Diese Ansprüche<br />

seien sofort nach Todesfall<br />

fällig und können den<br />

Erbenden in Bedrängnis bringen.<br />

Abhilfe schaffen dabei Anrechnungsklauseln<br />

bei Schenkungen<br />

an die Pflichtteilberechtigten.<br />

Der Vermögensinhaber kann<br />

schon zu Lebzeiten schenken<br />

und dabei Freibeträge ausnutzen.<br />

Allerdings sollte er bei<br />

Schenkungen immer seine eigene<br />

spätere finanzielle Ab<strong>sich</strong>erung<br />

im Blick haben.<br />

Eine Alternative zum Testament<br />

sei der Erbvertrag: Künftiger<br />

Erblasser und Erben<br />

schließen einen verbindlichen<br />

Vertrag. Mit einer Rücktrittsklausel<br />

ist der Vermögensinhaber<br />

jedoch auf der <strong>sich</strong>eren<br />

Seite. Infos: www.fpsb.de<br />

DAX-FIRMEN<br />

Auf<strong>sich</strong>tsräte<br />

verdienen gut<br />

AKTIENMARKT<br />

Um durchschnittlich neun<br />

Prozent steigen 2011 die Bezüge<br />

der Auf<strong>sich</strong>tsräte von<br />

Dax-Unternehmen.<br />

Dies prognostiziert die Unternehmensberatung<br />

Tower Watson.<br />

Ihre Studie sieht vor allem<br />

die Aufseher sehr großer<br />

Unternehmen wegen der<br />

größeren Verantwortung an<br />

der Spitze. Die steigende Vergütung<br />

sei hauptsächlich auf<br />

den Unternehmenserfolg, zunehmende<br />

Professionalität<br />

und eine geänderte Zusammensetzung<br />

der Vergütung<br />

zurückzuführen. Spitzenverdiener<br />

ist der Chef des Volkswagen-Auf<strong>sich</strong>tsrats,<br />

Ferdinand<br />

Piëch. Seine Bezüge sollen<br />

2011 gegenüber 2010 um<br />

32,51 Prozent steigen und<br />

785.000 Euro betragen. Mit<br />

Abstand reihen <strong>sich</strong> dahinter<br />

Gerhard Cromme (Siemens,<br />

+19,82 Prozent, 584.000 Euro)<br />

und Joachim Milberg (BMW,<br />

+45,42 Prozent, 505.000 Euro)<br />

ein. Den größten Zuwachs<br />

darf Simon Bagel-Trah bei<br />

Henkel für <strong>sich</strong> reklamieren:<br />

Plus 123,46 Prozent.<br />

MASCHINENBAU<br />

Optimismus<br />

allerorts<br />

Der Verein Deutscher<br />

Werkzeugmaschinenfabrikanten<br />

(VDW) erwartet weiteres<br />

Wachstum.<br />

Seine Prognose: 30 Prozent<br />

Wachstum für 2011. In den<br />

ersten sieben Monaten des<br />

laufenden Jahres stiegen die<br />

Aufträge bereits um 91 Prozent<br />

– mehr als je zuvor. Und<br />

trotz Krisenzeiten gehen die<br />

Hersteller für 2012 davon aus,<br />

dass die Kunden weiterhin<br />

kräftig investieren. Laut VDW<br />

soll die industrielle Schlüsselbranche<br />

um bis zu zehn Prozent<br />

wachsen. Nach VDW-Geschäftsführer<br />

Dr. Wilfried<br />

Schäfer sammelten die Anbieter<br />

allein auf der diesjährigen<br />

Messe EMO in Hannover Aufträge<br />

im Wert von 4,5 Milliarden<br />

Euro ein. Die gute Lage<br />

solle aufgrund der Nachfrage<br />

gerade aus Schwellenländern<br />

bis 2015 anhalten.<br />

Die Analysten der WestLB<br />

raten weiter zum Kauf von<br />

Gildemeister (WKN: 587800).<br />

Ein Vorsteuergewinn von 20<br />

Millionen Euro sei dieses Jahr<br />

möglich.<br />

DAX BÖRSENSTARS<br />

+<br />

WKN 766403 Volkswagen VZ + 19,39%<br />

WKN 578560 Fresenius + 17,54%<br />

WKN 623100 Infineon + 14,85%<br />

WKN 648300 Linde + 12,11%<br />

WKN 578580 Fresenius Medical Care + 12,11%<br />

Volkswagen: Der Autobauer hat <strong>sich</strong> wieder an die DAX-Spitze gesetzt. Für das<br />

Gesamtjahr ist der Konzern äußerst optimistisch, denn sowohl bei VW als auch bei Audi<br />

klingeln die Kassen. Kurs-Performance 1 Jahr; Schluss: 11.10.2011<br />

DAX BÖRSENFLOPS<br />

–<br />

WKN 803200 Commerzbank - 71,54%<br />

WKN 703712 RWE - 37,72%<br />

WKN 725750 Metro - 33,58%<br />

WKN 823212 Lufthansa - 31,68%<br />

WKN 514000 Deutsche Bank - 31,13%<br />

Commerzbank: Die Commerzbank bleibt weiter gedrückt, Doch Branchenstudien rechnen<br />

für den ganzen europäischen Bankensektor mit Belastungen aus der Eurokrise.<br />

Kurs-Performance 1 Jahr; Schluss: 11.10.2011<br />

Quelle: W&M, ohne Gewähr<br />

ALEXANDER CIRIC<br />

Finanzexperte Fondsgesellschaft<br />

Oppenheim<br />

Fonds Trust<br />

Sparen für die Familie<br />

W&M: Herr Ciric, Sicherheit<br />

drückt die Zinsen. Wo bekommen<br />

Eltern aktuell mehr als die Inflationsrate?<br />

CIRIC: Wer sein Geld auf ein<br />

Sparkonto packt, kann keine<br />

riesigen Zinsen erwarten. Aber<br />

je höher die Zinsversprechen<br />

bei Geldanlagen, desto vor<strong>sich</strong>tiger<br />

sollte man sein. Grundsätzlich<br />

gilt: Sparer sollten immer<br />

auf mehrere Arten von<br />

Geldanlagen setzen. Nur so erreichen<br />

Familien den optimalen<br />

Mix von Zuwachs und Sicherheit.<br />

Das Risiko lässt <strong>sich</strong><br />

mit einer breiten Streuung<br />

der Anlagen mindern, z. B. mit<br />

Investmentfonds. Sie legen das<br />

Geld der Sparer in vielen verschiedenen<br />

Aktien, Immobilien<br />

oder festverzinslichen<br />

Wertpapieren an – die wandern<br />

alle in den Topf. Und ein<br />

Profi kümmert <strong>sich</strong> darum,<br />

dass die Mischung stimmt.<br />

W&M: Und das ist <strong>sich</strong>er?<br />

CIRIC: Langfristig können <strong>sich</strong><br />

die Ergebnisse sehen lassen.<br />

Die Börsen schwanken zwar,<br />

doch unter dem Strich, über<br />

viele Jahre, ist das Ergebnis<br />

meist positiv – und deutlich<br />

besser als auf dem Sparkonto.<br />

Aktienfonds mit dem Anlageschwerpunkt<br />

Deutschland haben<br />

über 30 Jahre zum Beispiel<br />

7,5 Prozent Plus gebracht.<br />

Tagesgeldkonten bringen derzeit<br />

je nach Anbieter zwischen<br />

einem und drei Prozent.<br />

W&M: Ein Familienauto, das<br />

Eigenheim, das Studium für die<br />

Kinder – wie packe ich das an?<br />

CIRIC: Ein konkretes Ziel hilft<br />

sehr beim Sparen. Dann lässt<br />

<strong>sich</strong> leicht ausrechnen, wie<br />

viel ich monatlich zurücklegen<br />

muss, um am Ende zum<br />

Beispiel 10.000 oder 20.000<br />

Euro auf der hohen Kante zu<br />

haben. Für ein Studium von<br />

20.000 Euro muss ich über<br />

20 Jahre weniger als 50 Euro<br />

im Monat beiseite legen.<br />

36 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


W&M-SERVICE<br />

Fotos: privat<br />

SCHRODERS<br />

Brasilien mit<br />

Dynamik<br />

Einen neuen Schwellenländer-Aktienfonds<br />

mit Fokus<br />

auf Brasilien hat Schroders<br />

aufgelegt.<br />

Die Anlagestrategie des »ISF<br />

Brazilian Equity« folgt laut<br />

Anbieter dem seit Jahren erfolgreichen<br />

Fondsprodukt<br />

»Brazilian Alpha Plus«. Der<br />

neue Fonds des britischen Vermögensverwalters<br />

hat Werte<br />

von 20 bis 40 Unternehmen im<br />

Portfolio. Das Fondsmanagement,<br />

ein Team mit lokaler<br />

Expertise, analysiere Märkte<br />

und Branchenumfeld, um<br />

qualitativ hochwertige Wachstumsaktien<br />

auszuwählen.<br />

Benchmark ist der Index MSCI<br />

Brazil 10/40. Brasilien wächst<br />

äußerst dynamisch. Die<br />

Schroders-Experten erwarten<br />

3,8 Prozent Wachstum für<br />

2011. Gewachsen ist auch die<br />

brasilianische Mittelschicht,<br />

wodurch Konsum und Binnennachfrage<br />

in Brasilien steigen.<br />

WKN: A1JKEF<br />

GELD & ANLAGE<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

Grüne Anlagen<br />

sind gefragt<br />

Im ersten Halbjahr 2011<br />

sind schon fast so viele<br />

Nachhaltigkeits-Fonds registriert<br />

worden wie 2010.<br />

In den ersten sechs Monaten<br />

dieses Jahres nahm das<br />

Sustainable Business Institute<br />

(SBI) 23 nachhaltige Fonds<br />

neu in seine Datenbank auf.<br />

2010 waren es insgesamt 25.<br />

Rund 36 Milliarden Euro sind<br />

in 354 Nachhaltikgeits-Fonds<br />

investiert. Doch unter den<br />

Anlegern herrscht noch immer<br />

ein großes Informationsdefizit<br />

in Bezug auf nachhaltige<br />

Investments, so eine Forsa-<br />

Studie im Auftrag der sozialökologischen<br />

GLS Bank und<br />

des Energiedienstleisters<br />

Green City Energy. Allerdings<br />

wären rund zehn Prozent der<br />

Privatanleger bereit, in »grüne«<br />

Geldanlagen zu investieren,<br />

die <strong>sich</strong> an sozialen, ökologischen<br />

und/oder ethischen<br />

Kriterien orientieren.<br />

www.nachhaltiges-investment.org<br />

SAL. OPPENHEIM<br />

Das Prinzip<br />

marktneutral<br />

Einen »marktneutralen«<br />

Fonds hat Oppenheim<br />

Fonds Trust neu im<br />

Programm.<br />

Der Absolute Return Fonds<br />

»OP Aktien Marktneutral« will<br />

nach Anbieterangaben möglichst<br />

unabhängig von der<br />

Entwicklung der Aktienmärkte<br />

sein. Dazu sollen sowohl Kurssteigerungen<br />

als auch Kursrückgänge<br />

zum Geldverdienen<br />

genutzt werden. Erreicht<br />

werde dies durch gleichzeitige<br />

Kauf- und Verkaufspositionen,<br />

die die Kursschwankungen<br />

minimieren und das Produkt<br />

unabhängiger von anderen<br />

Wertpapieren machen soll.<br />

Das Management wolle mittelfristig<br />

eine positive absolute<br />

Mehrrendite zum Geldmarkt<br />

erreichen. Die Spezialisten<br />

von Sal. Oppenheim wollen<br />

prognosebasiert und regelgebunden<br />

aus zahlreichen<br />

Titeln auswählen.<br />

WKN: DE000A1JBZ51<br />

➔<br />

Geld KOMPAKT<br />

ANLEGER<br />

Kein Vertrauen<br />

Nur noch 13 Prozent der Anleger<br />

haben einer europaweiten Umfrage<br />

zufolge volles Vertrauen in ihren<br />

Finanzberater.<br />

Die Untersuchung von TNS Sofres<br />

und Fidelity Worldwide Investment<br />

ergab, dass mehr als zwei Drittel<br />

der Befragten glauben, ihr Berater<br />

verfolge überwiegend eigene Interessen.<br />

Vor einem Jahr waren noch<br />

16 Prozent von ihrem Finanzberater<br />

voll überzeugt. Vor allem in<br />

Deutschland schwinde das Vertrauen<br />

in die Finanzberatung.<br />

ANLAGE<br />

Konzept N-11<br />

58 Prozent der Investoren kennen<br />

die BRIC-Staaten, ergab eine<br />

Umfrage von Goldman Sachs Asset<br />

Management und TNS Emnid.<br />

Den Ländern Brasilien, Russland,<br />

Indien und China räumen Anleger<br />

zudem beste Wachstumschancen<br />

ein. Nun gilt es offenbar, das nächste<br />

Kürzel zu vermarkten. Nach der<br />

selben Umfragen kennen 90 Prozent<br />

der Anleger noch nicht das<br />

Konzept »Next-11«. Entsprechend<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

Substanz contra Gewinnaus<strong>sich</strong>ten<br />

Von Anfang Mai bis Mitte Oktober sanken die<br />

deutschen Blue Chips durchschnittlich um rund<br />

25 Prozent. Die Griechenland-Krise hat die<br />

Stimmung getrübt. Ungeachtet dessen sehen<br />

Optimisten bereits wieder attraktive Einstiegskurse.<br />

Die Kauf-Argumente werden mit den geeigneten<br />

Kennziffern untermauert. Während<br />

derweil das Kurs-Gewinn-Verhältnis wegen der<br />

zuletzt vagen Gewinnprognosen der Unternehmen<br />

keine geeignete Grundlage mehr bietet,<br />

erfreut <strong>sich</strong> das Kurs-Buchwert-Verhältnis einer<br />

Renaissance. Diese Kennziffer orientiert <strong>sich</strong><br />

an der Substanz der Unternehmen. Der Buchwert<br />

ist die Summe aller Vermögensgegenstände<br />

abzüglich der Schulden in der Bilanz. Liegt<br />

dieser über dem aktuellen Börsenwert – ermittelt<br />

durch Multiplikation der ausgegebenen<br />

Aktien mit dem aktuellen Kurswert – dann wird<br />

Von GERD RÜCKEL,<br />

CEFA-Wertpapieranalyst, Frankfurt/M.<br />

die Aktie des Unternehmens an der Börse unter<br />

dem Eigenkapital bewertet. Fällt das Kurs-<br />

Buchwert-Verhältnis unter Eins, signalisiert es<br />

so Kurspotenzial. Dabei gilt: Je niedriger das<br />

Kurs-Buchwert-Verhältnis ist, desto größer ist<br />

die Unterbewertung. Derzeit notieren eine<br />

ganze Reihe von DAX-Titeln unter ihrem Buchwert.<br />

Eine Garantie für schnelle Börsengewinne<br />

ist das aber nicht. Gerade in den Bilanzen der<br />

Bankaktien schlummert möglicherweise noch<br />

Abschreibungsbedarf, der das Eigenkapital und<br />

somit den Buchwert kräftig nach unten hebeln<br />

kann. Wer jedoch jetzt mit Augenmaß investiert,<br />

dem muss nicht bange sein. Für langfristig<br />

orientierte Anleger, die auf eine breite Streuung<br />

bei den Blue Chips gesetzt haben, waren<br />

die Phasen nach Kursrückschlägen in kurzen<br />

Zeiträumen meist gute Einstiegszeitpunkte.<br />

trauen die wenigen Kenner unter<br />

den Anlegern den Ländern Ägypten,<br />

Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko,<br />

Nigeria, Pakistan, die Philippinen,<br />

Südkorea, die Türkei und Vietnam<br />

eine nur geringe Rendite zu.<br />

SCHULDEN<br />

Mehr Insolvenzen<br />

Der aktuelle Überschuldungsreport<br />

zählt für 2010 im Durchschnitt drei<br />

Millionen überschuldete Haushalte<br />

in Deutschland.<br />

Nach der Studie des Instituts für<br />

Finanzdienstleistungen und der<br />

»Stiftung Deutschland im Plus«<br />

stieg die Zahl der Verbraucherinsolvenzen<br />

2010 im Vergleich zum Vorjahr<br />

um acht Prozent auf 106.290.<br />

Allerdings sanken im selben Zeitraum<br />

die Gesamtschulden je Haushalt<br />

von durchschnittlich 31.995<br />

auf 27.132 Euro. Auslöser sind<br />

hauptsächlich Arbeitslosigkeit,<br />

Trennung oder Scheidung, Krankheit,<br />

Konsumverhalten oder eine<br />

gescheiterte Selbständigkeit.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11<br />

37


W&M-SERVICE<br />

Fotos: Tourismusverband Bbg., Archiv<br />

DAS THEMA<br />

KFZ-VERSICHERER<br />

Branche im<br />

Wechselfieber<br />

Wie jedes Jahr haben die<br />

Kfz-Ver<strong>sich</strong>erer auch in diesem<br />

Herbst zum Jahresend-<br />

Wechselgeschäft gerüstet.<br />

Beim Online-Vertrieb werden<br />

neue Frontlinien aufgemacht,<br />

nachdem die HUK Coburg, die<br />

HDI Direkt und die WGV mit<br />

dem neuen Portal Transparo<br />

dem bisherigen Primus Check24<br />

und dessen Provisionen den<br />

Kampf angesagt haben. Produktseitig<br />

spielen vor allem erweiterte<br />

Rabattstaffeln und verbesserte<br />

Leistungen eine Rolle. Bereits<br />

im Frühjahr hatte die Allianz<br />

mit dem neuen Tarif »MeinAuto«<br />

eine auf 35 Klassen verlängerte<br />

Schadenfreiheitsstaffel auf<br />

den Markt gebracht. Inzwischen<br />

haben auch die Itzehoer, die<br />

VGH und die ÖSA verlängerte SF-<br />

Staffeln. Die HUK Coburg und<br />

HDI Gerling wollen folgen.<br />

Viele Unternehmen haben ihre<br />

Tarife aufgebessert. Beispiel<br />

W&W: Der Zusatzbaustein<br />

»Auslands-Schaden-Schutz« ist<br />

jetzt kostenlos in der Haftpflichtdeckung<br />

enthalten. Beim<br />

Kaskoschutz ist der Diebstahl<br />

von mobilen Navigationsgeräten<br />

aus verschlossenen Fahrzeugen<br />

beitragsfrei eingeschlossen. Zusätzlich<br />

sind alle Tierbisse und<br />

daraus resultierende Folgeschäden<br />

bis zu 3.000 Euro mitver<strong>sich</strong>ert.<br />

Bei Totalschaden und<br />

Entwendung übernimmt die<br />

Württembergische nunmehr<br />

auch die Vorfälligkeitsentschädigung<br />

bei kreditfinanzierten<br />

Fahrzeugen, der Beitrag für den<br />

»Wertausgleich in Kasko« im Tarif<br />

»PremiumSchutz« wurde auf<br />

25 Euro abgesenkt. Eine große<br />

Rolle spielen Fahrerschutzver<strong>sich</strong>erungen,<br />

die inzwischen rund<br />

30 Ver<strong>sich</strong>erer anbieten. Weil<br />

Fahrerschutz nicht solo erhältlich<br />

ist, sondern nur in Zusammenhang<br />

mit einer Autover<strong>sich</strong>erung<br />

verkauft wird, ist das<br />

Produkt hervorragend für den<br />

Vertrieb und die Kundenbindung<br />

geeignet.<br />

HAFTPFLICHT<br />

Mehr als<br />

marktüblich<br />

Die Württembergische hat<br />

ihre Betriebshaftpflichtver<strong>sich</strong>erung<br />

deutlich verbessert.<br />

Zu den Highlights gehören<br />

z.B. die beitragsfreie Mitver<strong>sich</strong>erung<br />

von Solar- und Photovoltaikanlagen<br />

auf eigenen<br />

Betriebsgrundstücken. Die<br />

Ver<strong>sich</strong>erungssumme für<br />

Tätigkeits- und Vermögensschäden<br />

wurde auf eine Million<br />

Euro erhöht, für Bauhandwerker<br />

gilt sie bis zur Ver<strong>sich</strong>erungssumme.<br />

Schäden an<br />

Gerätschaften Dritter sind<br />

nunmehr eingeschlossen. Die<br />

Internet-Zusatzdeckung wurde<br />

auf zwei Millionen Euro<br />

Ver<strong>sich</strong>erungssumme erhöht.<br />

Öl-, Benzin- und Leichtflüssigkeitsabscheider<br />

wurden in<br />

die Umwelthaftpflicht- und<br />

Umweltschadens-Basisver<strong>sich</strong>erung<br />

eingeschlossen. Die<br />

Betriebs-Haftpflichtver<strong>sich</strong>erung<br />

der Württembergischen<br />

richtet <strong>sich</strong> u. a. an gewerbliche<br />

und industrielle Handelsund<br />

Produktionsbetriebe sowie<br />

an Unternehmen aus den<br />

Bereichen Kfz-Handwerk, Hotel<br />

und Gastronomie, IT-<br />

Dienstleister und Heilwesen.<br />

IM UNTERNEHMEN<br />

FREIBERUFLER<br />

Schutz für<br />

Anwälte & Co.<br />

Die Nürnberger hat die<br />

Deckungskonzepte ihrer<br />

Vermögenshaftpflichtver<strong>sich</strong>erung<br />

neu geordnet.<br />

Weil die Tätigkeiten von beratend,<br />

verwaltend oder vermittelnd<br />

tätigen Selbständigen<br />

sehr unterschiedlich sind,<br />

wurden Deckungskonzepte<br />

für sechs Zielgruppen konstruiert:<br />

Kammerberufe (z. B.<br />

Anwälte und Steuerberater),<br />

Rund ums Haus (Immobilienmakler<br />

und -verwalter),<br />

Dienstleistungen für Unternehmen<br />

(z. B. Personalberatung,<br />

Werbeagenturen), Informationstechnologie,<br />

Vereine/Stiftungen/Verbände<br />

sowie<br />

Sachverständige/Gutachter.<br />

Die tarifliche Regelver<strong>sich</strong>erungssumme<br />

beträgt eine<br />

Million Euro, höhere Summen<br />

können aber vereinbart<br />

werden. Mehrere Leistungsextras<br />

sind kostenlos, wie beispielsweise<br />

die Anspruchsprüfung<br />

durch erfahrene<br />

Juristen, fünf Jahre Spätschadenschutz<br />

nach Aufgabe des<br />

Berufs sowie Eigenschäden<br />

von Vereinen und Verbänden.<br />

Der Ver<strong>sich</strong>erungsschutz gilt<br />

europaweit.<br />

BERUFSUNFÄHIGKEIT<br />

Psychische Erkrankungen dominieren<br />

Erkrankungen der Psyche sind bei 45,6 Prozent der berufsunfähigen<br />

Frauen Ursache für das Ausscheiden aus dem Beruf.<br />

Bei den Männern sind es 33,4 Prozent. Die häufigsten Ursachen:<br />

BU Ursachen Männer Frauen<br />

Psyche 33,4 45,6<br />

Skelett, Muskeln 15,0 14,3<br />

Herz/Kreislauf 13,7 5,9<br />

Nerven, Sinne 5,8 6,3<br />

Stoffwechsel 4,5 3,2<br />

Sonstige 14,6 11,1<br />

Quelle: Deutsche Rentenver<strong>sich</strong>erung Bund<br />

PFLEGE<br />

Langes Warten<br />

auf die Reform<br />

Einst war die geplante Reform<br />

der Pflegever<strong>sich</strong>erung der<br />

größte Hoffnungsträger der<br />

privaten Ver<strong>sich</strong>erungen.<br />

Hatten doch die Regierungskoalitionäre<br />

einst beschlossen, die soziale<br />

Pflegever<strong>sich</strong>erung (SPV) zu<br />

reformieren und eine verpflichtende,<br />

kapitalgedeckte Zusatzver<strong>sich</strong>erung<br />

einzuführen. Bundesgesundheitsminister<br />

Daniel Bahr<br />

hat jetzt die Pflegereform auf unbestimmte<br />

Zeit verschoben.<br />

Die aktuell diskutierten Ansätze<br />

für eine Pflegereform haben mit<br />

dem ursprünglichen Vorhaben<br />

nichts zu tun: Beitragserhöhung<br />

in der SPV für Leistungen an Demenzkranke,<br />

Finanzierungen der<br />

Leistungen für Behinderte und<br />

Demenzkranke durch den Steuerzahler<br />

oder Einrichtungen einer<br />

Riester-Pflegerente. Der Verband<br />

der Privaten Krankenver<strong>sich</strong>erer<br />

(PKV) hält deshalb die jüngsten<br />

Vorschläge für »nicht geeignet,<br />

das beständig wachsende Pflegerisiko<br />

generationengerecht abzu<strong>sich</strong>ern«.<br />

Fest steht nur, was passiert,<br />

wenn nichts passiert: Der<br />

heutige Beitragssatz der gesetzlichen<br />

Pflegever<strong>sich</strong>erung reicht<br />

nach Angaben der Bundesregierung<br />

zur Finanzierung der bestehenden<br />

Leistungen nur noch bis<br />

zum Frühjahr 2014. Danach müsste<br />

er von heute 1,95 auf rund 2,1<br />

Prozent und danach noch weiter<br />

angehoben werden. Der Höhepunkt<br />

des Pflegeproblems mit<br />

etwa 4,5 Millionen Pflegebedürftigen<br />

wird etwa 2050 bis 2055 erreicht.<br />

Das Zeitfenster zum Aufbau<br />

einer ausreichenden kapitalgedeckten<br />

Ab<strong>sich</strong>erung ist<br />

schmal. Wird es jetzt zugeschlagen<br />

droht eine Verdoppelung des<br />

Beitragssatzes in der SPV, so eine<br />

Untersuchung der Deutsche Bank<br />

Research. Es besteht folglich kein<br />

Grund, mit dem Abschluss von<br />

privaten Pflegezusatzver<strong>sich</strong>erungen<br />

abzuwarten, denn eine<br />

Reform kommt (so schnell) nicht.<br />

Am günstigsten sind Verträge, die<br />

eine Anpassungsklausel an spätere<br />

gesetzliche Regelungen – z.B.<br />

Neudefinition des Pflegebegriffs<br />

– vorsehen.<br />

38 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


W&M-SERVICE<br />

PFLEGE<br />

Ohne Prüfung<br />

der Gesundheit<br />

Mit dem IDEAL PflegeKonto<br />

können Kunden von 50 bis<br />

70 Jahren die Option auf<br />

eine Pflegerente erwerben.<br />

Dabei handelt es <strong>sich</strong> um eine<br />

ganz normale Rentenver<strong>sich</strong>erung<br />

gegen Einmalbeitragszahlung.<br />

Das Sparkapital wird<br />

mit dem (noch) üblichen Rechnungszins<br />

von 2,25 Prozent<br />

verzinst, hinzu kommen laufende<br />

Überschüsse und<br />

Schlussüberschüsse. Anleger<br />

können den vereinbarten Rentenzahlungsbeginn<br />

beliebig<br />

vorverlegen. Statt der Rentenzahlung<br />

kann auch eine einmalige<br />

Kapitalabfindung gewählt<br />

werden. Teilauszahlungen<br />

sind ebenso möglich wie<br />

jederzeitige Zuzahlungen. Der<br />

Clou ist allerdings, dass das<br />

Produkt die Option auf den<br />

späteren Abschluss einer privaten<br />

Pflegever<strong>sich</strong>erung ohne<br />

Gesundheitsfragen enthält.<br />

Ausgeübt werden muss die Option<br />

zu Rentenbeginn.<br />

DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />

PRIVAT<br />

HAUSRAT<br />

Bei grober<br />

Fahrlässigkeit<br />

Die Swiss Life folgt dem<br />

Trend moderner Hausratver<strong>sich</strong>erungen<br />

zur<br />

Deckungserweiterung.<br />

Der neue SLP-Hausratschutz<br />

schließt Schäden durch grobe<br />

Fahrlässigkeit ein, ver<strong>sich</strong>ert<br />

Überspannungsschäden nach<br />

Blitzschlag automatisch mit,<br />

enthält eine verbesserte Nachtzeitklausel<br />

und eine Wertsachenabdeckung<br />

bis zu 100 Prozent<br />

der Ver<strong>sich</strong>erungssumme.<br />

Mitver<strong>sich</strong>ert sind Mehrkosten<br />

zur Wiederbeschaffung von<br />

Gegenständen mit ideellem<br />

Wert bis zu 500 Euro.<br />

Angedockt werden können an<br />

die Hausratver<strong>sich</strong>erung Elementarschaden,<br />

Reisegepäck<br />

und Glasschutz sowie eine prämienfreie<br />

Konditions-Differenzdeckung.<br />

Auch Versehensschäden<br />

und eine erweiterte<br />

Außenver<strong>sich</strong>erung für Verwandte<br />

ersten Grades ist ver<strong>sich</strong>erbar<br />

– ebenso wie Tierarztkosten.<br />

Schädliches Schlussverkaufsfieber<br />

AKADEMIKER<br />

Tarife jetzt<br />

günstiger<br />

Seitdem der Volkswohl Bund<br />

seine BU-Ver<strong>sich</strong>erung renoviert<br />

hat, zahlen Akademiker<br />

deutlich weniger.<br />

Der Dortmunder Ver<strong>sich</strong>erer<br />

hat dazu seine Berufsklassenskala<br />

von fünf auf sieben erweitert.<br />

In der neuen Top-Berufsklasse<br />

»1++« zahlen Akademiker<br />

mit mindestens 80<br />

Prozent Bürotätigkeit bis zu 17<br />

Prozent weniger Beitrag. Rund<br />

1.000 weitere Büroberufe haben<br />

zudem die Chance, über<br />

eine einfache Fragesystematik<br />

in die »1++«-Klasse hoch zu<br />

rücken. Die sehr günstige Prämie<br />

für die Berufsklasse »1+«,<br />

in der sehr viele Kaufleute mit<br />

vorrangiger Bürotätigkeit vertreten<br />

sind, bleibt erhalten.<br />

Viele Meister- und Technikberufe<br />

sind um eine ganze<br />

Berufsklasse aufgestiegen. Mit<br />

der neuen Berufsklasse »2+«<br />

sind bei körperlichen Tätigkeiten<br />

bis zu 19 Prozent Ersparnis<br />

möglich.<br />

Von HANS PFEIFER,<br />

Ver<strong>sich</strong>erungsjournalist, Berlin<br />

Vom ersten Januar 2012 an sinkt der Garantiezins<br />

in der konventionellen Lebens- und Rentenver<strong>sich</strong>erung<br />

von bisher 2,25 Prozent auf<br />

1,75 Prozent. Auf Deutsch: Wer noch in diesem<br />

Jahr eine Kapitallebens- oder Rentenver<strong>sich</strong>erung<br />

abschließt, bekommt auf sein Sparkapital<br />

noch 2,25 Prozent Zinsen garantiert, beim Abschluss<br />

im kommenden Jahr 0,5 Punkte weniger.<br />

Für einige Ver<strong>sich</strong>erer ist das Anlass, zum<br />

Halali zu blasen. Muss man da mitmachen?<br />

Wohl eher nicht! Es stimmt zwar, dass bei 1,75<br />

Prozent Garantiezins und den üblichen Überschussbeteiligungen<br />

die Gefahr groß ist, dass<br />

am Ende der vereinbarten Laufzeit nicht mal<br />

mehr die eingezahlten Beiträge auf dem Konto<br />

sein werden, ganz abgesehen davon, dass das<br />

magere Kapitalanlageergebnis ohnehin von der<br />

Inflation aufgezehrt sein dürfte. Auch 2,25 Prozent<br />

auf den Sparanteil – nicht auf den Beitrag<br />

wohlgemerkt – brachten bisher nicht viel mehr<br />

als das beruhigende Gefühl, dass man wenigstens<br />

kein Geld verlieren kann. Die konventionelle<br />

Kapital- und Rentenver<strong>sich</strong>erung als Vorsorge<br />

war schon vor der Rechnungszinsabsenkung<br />

»out«. Nun ist sie »mega-out«. Wer heute<br />

eine Vorsorgever<strong>sich</strong>erung abschließen möchte,<br />

sollte <strong>sich</strong> besser an modernen Produkten<br />

wie dynamischen Dreitopf-Hybriden orientieren,<br />

die mit Deckungsstock, Garantiefonds und freier<br />

Kapitalanlage operieren, Mindestgarantien<br />

bieten und zugleich in der Lage sind, je nach<br />

Börsensituation die rentierlichste Anlageentscheidung<br />

zu treffen. Zugegeben: Die Produkte<br />

sind kompliziert, aber für das Verständnis sollte<br />

<strong>sich</strong> jeder Zeit nehmen und die entsprechende<br />

Erklärung von seinem Berater verlangen.<br />

➔Assekuranz KOMPAKT<br />

KFZ-HAFTPFLICHT<br />

Osten billig ver<strong>sich</strong>ert<br />

Autofahrer in Brandenburg und<br />

Mecklenburg-Vorpommern fahren<br />

auch im kommenden Jahr besonders<br />

günstig.<br />

Das zeigt die Regionalstatistik zur<br />

Kfz-Haftpflichtver<strong>sich</strong>erung des Gesamtverbands<br />

der deutschen Ver<strong>sich</strong>erungswirtschaft<br />

(GDV). Danach<br />

bleibt die Kfz-Haftpflichtver<strong>sich</strong>erung<br />

in den Zulassungsbezirken Elbe-Elster,<br />

Oberspreewald-Lausitz, Hansestadt<br />

Greifswald und Neubrandenburg<br />

auch 2012 besonders preiswert.<br />

Die Regionalstatistik dient den<br />

Ver<strong>sich</strong>erungsunternehmen, um die<br />

Beiträge für die Autover<strong>sich</strong>erung zu<br />

berechnen.<br />

BRANDENBURG: Schön und billig.<br />

NATURKATASTROPHE<br />

2011 das teuerste Jahr<br />

Bereits nach dem ersten Halbjahr<br />

war klar, dass 2011 das Jahr mit<br />

den höchsten ver<strong>sich</strong>erten<br />

Erdbebenschäden wird.<br />

Nach Schätzungen der Rückver<strong>sich</strong>erungsgesellschaft<br />

Swiss Re beliefen<br />

<strong>sich</strong> die gesamten ver<strong>sich</strong>erten Schäden<br />

aus Natur- und Man-made-Katastrophen<br />

im ersten Halbjahr 2011 auf<br />

das Doppelte der Schadensumme<br />

aus dem ersten Halbjahr 2010.<br />

KRANKENKASSEN<br />

Neue Grenzen<br />

Die Beitragsbemessungs- und<br />

Ver<strong>sich</strong>erungspflichtgrenze in der<br />

Kranken- und Pflegever<strong>sich</strong>erung<br />

wird im kommenden Jahr steigen.<br />

Lag die Beitragsbemessungsgrenze<br />

2011 im Osten noch bei 44.550 Euro<br />

jährlich, wird sie 2012 45.900 Euro<br />

betragen. Wer als freiwilliges Kassenmitglied<br />

erwägt, in die Privatver<strong>sich</strong>erung<br />

zu wechseln, muss beachten,<br />

dass auch die Ver<strong>sich</strong>erungspflichtgrenze,<br />

von der an ein Übertritt erst<br />

möglich ist, von 49.500 auf 50.850<br />

Euro steigt.<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 39


W&M-SERVICE<br />

DAS THEMA<br />

WEB–RECHT<br />

INTERNET<br />

Die Sucht, nur<br />

online zu leben<br />

Rund 560.000 Menschen gelten<br />

laut der Bundesdrogenbeauftragten<br />

in Deutschland<br />

als internetsüchtig.<br />

Etwa ein Prozent der 14- bis 64-<br />

Jährigen in Deutschland werden<br />

nach der vom Bundesministerium<br />

für Gesundheit geförderten<br />

Studie »Prävalenz der Internetabhängigkeit<br />

(PINTA I)« der<br />

Universitäten Lübeck und<br />

Greifswald als internetabhängig<br />

eingestuft. Das sind laut der<br />

Bundesdrogenbeauftragten<br />

Mechthild Dyckmans rund<br />

560.000 Menschen. 4,6 Prozent<br />

der 14- bis 64-Jährigen (rund<br />

2,5 Millionen) stuft die Studie<br />

als problematische Internetnutzer<br />

ein. In der Altersgruppe<br />

der 14- bis 24-Jährigen ist die Verbreitung<br />

am größten: 2,4 Prozent<br />

abhängige und 13,6 Prozent<br />

problematische Internetnutzer.<br />

Internetabhängigkeit<br />

definieren die Forscher wie<br />

folgt: Die Betroffenen verlieren<br />

die Kontrolle darüber, wie viel<br />

Zeit sie im Internet verbringen,<br />

sie leiden unter Entzugserscheinungen<br />

wie Missstimmung,<br />

Angst, Reizbarkeit oder Langeweile,<br />

wenn sie nicht online<br />

sind. Abhängige nutzen das<br />

Internet, um schlechten Gefühlszuständen<br />

zu entrinnen.<br />

Negative Folgen: Sie gehen nicht<br />

mehr zur Arbeit oder zur<br />

Schule, vernachlässigen soziale<br />

Kontakte und verwahrlosen<br />

teilweise sogar körperlich.<br />

Wenn mehrere von diesen<br />

Kriterien gleichzeitig vorliegen,<br />

spricht man von einer Internetabhängigkeit.<br />

Auffälliges<br />

Ergebnis: Bei Mädchen besteht<br />

eine größere Gefahr, <strong>sich</strong> in sozialen<br />

Netzwerken zu verlieren.<br />

Insgesamt liegen die Zahlen<br />

aber weit niedriger als bisher<br />

angenommen. Kritiker wenden<br />

zudem ein, es handele <strong>sich</strong><br />

lediglich um eine Übertragung<br />

vorhandener Störungen wie der<br />

Spiel- oder der Sex-Sucht auf das<br />

Internet-Verhalten.<br />

FAX<br />

Neue Modelle<br />

von Panasonic<br />

Panasonic hat die neuen<br />

Panafax-Modelle UF-5600<br />

und UF-4600 für Unternehmen<br />

an den Start gebracht.<br />

Die UF-5600/UF-4600-Serie<br />

umfasst einen Scanner, der<br />

Dokumente in gerade einmal<br />

drei Sekunden pro Seite<br />

scannt (nur UF-5600, UF-4600:<br />

vier Sekunden). Die Druckereinheit<br />

druckt Dokumente in<br />

A4-Größe mit einer Geschwindigkeit<br />

von 24 Seiten pro Minute,<br />

verspricht der Hersteller.<br />

Auch wenn ein Auftrag<br />

die hohe Kapazität des automatischen<br />

Dokumenteneinzugs<br />

von 30 Blättern überschreitet,<br />

können Jobs als<br />

mehrere Stapel eingescannt<br />

und zu einer einzigen Faxsendung<br />

zusammengeführt werden.<br />

Die Standardpapierkassette<br />

für 250 Blätter gewährleistet<br />

zudem eine große<br />

Papierzufuhr. Die Geräte erhalten<br />

eine »Check & Call«-<br />

Funktion für Fernwartung<br />

und Support. Das Gerät erstellt<br />

automatisch Berichte an<br />

den zuständigen Fachhändler.<br />

Die neuen Modelle sind seit<br />

September 2011 erhältlich.<br />

IM UNTERNEHMEN<br />

MUSIKNUTZUNG<br />

TREND<br />

Private IT im<br />

Unternehmen<br />

Arbeitnehmer wollen<br />

ihre privaten Tablets und<br />

Smartphones zunehmend<br />

auch berulich nutzen.<br />

Die »Consumerization« der IT,<br />

das heißt, die berufliche Nutzung<br />

der für den privaten Sektor<br />

entwickelten Endgeräte<br />

wie iPads oder iPhones, setzt<br />

viele IT-Abteilungen unter<br />

Druck. Das ist das Ergebnis einer<br />

Studie der Experton<br />

Group unter deutschen IT-<br />

Entscheidern im Auftrag des<br />

IT-Dienstleisters Computacenter.<br />

Nach An<strong>sich</strong>t der Analysten<br />

befinden <strong>sich</strong> viele IT-Abteilungen<br />

in einem Dilemma:<br />

Zum einen wünschen <strong>sich</strong><br />

Management und Kollegen<br />

iPads und iPhones, was dazu<br />

führen wird, dass deren geschäftliche<br />

Nutzung in diesem<br />

Jahr um 43 Prozent beziehungsweise<br />

38 Prozent steigen<br />

wird. Zum anderen<br />

behindern mangelnde personelle<br />

Ressourcen bei der Integration<br />

der Geräte in die Firmen-IT,<br />

fehlende Applikationen<br />

und Sicherheitsbedenken<br />

der internen IT die Nutzung<br />

der Geräte im Firmenalltag.<br />

Radio weit vorne, PC und Laptop holen auf<br />

Medien-Nutzung beim Hören von Musik: in Prozent<br />

Radio/portables Tischgerät 95<br />

Autoradio, CD-Player 84<br />

Heimstereoanlage 82<br />

Fernseher 37<br />

MP3-Player 33<br />

Laptop/Netbook 29<br />

Desktop-PC 28<br />

Mobiltelefon/Smartphone 25<br />

Spielkonsole 14<br />

Tablet-PC 10<br />

Internet-Radio 9<br />

Quelle: BITKOM<br />

KÜNDIGUNG<br />

Privat im Netz<br />

Immer wieder ein Streitfall: Wann<br />

und wie lange dürfen Arbeitnehmer<br />

das Internet am Arbeitsplatz für<br />

private Zwecke nutzen?<br />

Diesmal hatte <strong>sich</strong> das Niedersächsischen<br />

Oberverwaltungsgericht (Az.<br />

18 LP 15/10) mit der Frage zu beschäftigen,<br />

unter welchen Voraussetzungen<br />

ein öffentlicher Arbeitgeber<br />

eine fristlose Kündigung ohne vorherige<br />

Abmahnung aussprechen darf,<br />

wenn ein Arbeitnehmer verbotenerweise<br />

den Internetanschluss am Arbeitsplatz<br />

zu privaten Zwecken nutzt.<br />

Das Ergebnis im Fall eines Schulhausmeisters:<br />

Eine fristlose Kündigung<br />

ohne vorherige Abmahnung ist<br />

unter Heranziehung der in der arbeitsgerichtlichen<br />

Rechtsprechung entwickelten<br />

Grundsätze u. a. bei einer<br />

ausschweifenden privaten Nutzung<br />

des Internets während der Arbeitszeit<br />

zwar grundsätzlich möglich.<br />

Eine solche exzessive Nutzung ließ<br />

<strong>sich</strong> aber in dem zu entscheidenden<br />

Einzelfall nach Auffassung des Gerichts<br />

nicht feststellen. In einem<br />

Überprüfungszeitraum von sieben Wochen<br />

war es an insgesamt zwölf Tagen<br />

mit einer Internetnutzung von<br />

durchschnittlich einer Stunde täglich<br />

zu Auffälligkeiten gekommen.<br />

MOBILTELEFON<br />

Rechnung: 11.500 Euro<br />

Der Käufer eines Handys mit Navigationssoftware<br />

muss darauf<br />

vertrauen können, dass diese auf<br />

einem aktuellem Stand ist.<br />

Ein Kunde kaufte ein Handy, mit dem<br />

er auch navigieren konnte. Kaum hatte<br />

er das Handy angestellt, lud es<br />

über mehrere Stunden aktuelles Kartenmaterial<br />

herunter. Sein Pech: Sein<br />

Tarif umfasste nur eine geringfügige<br />

Internetnutzung. Der stundenlange<br />

Download bescherte ihm eine Rechnung<br />

über 11.500 Euro.<br />

Das Oberlandesgericht Schleswig-<br />

Holstein (Az. 16 U 140/10) bremste<br />

den Mobilfunkanbieter und gab dem<br />

Käufer recht, der die Rechnung nicht<br />

bezahlen wollte.<br />

Der Käufer habe davon auszugehen,<br />

dass die Navigationssoftware auf<br />

aktuellem Stand sei. Sei das nicht<br />

der Fall, müsse er darauf vertrauen<br />

können, dass eine Aktualisierung<br />

nur durch das Herunterladen möglich<br />

und für ihn kostenfrei sei. Weil der<br />

Anbieter nicht vor der Gefahr einer<br />

astronomischen Handyrechnung im<br />

Falle des Herunterladens gewarnt<br />

hatte, habe er gegen Treu und Glauben<br />

verstoßen und kein Anrecht<br />

auf das Entgelt.<br />

40 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


Fotos: D. Sell, Riesaer Teigwaren<br />

PORTRÄT<br />

mich als hart, aber herzlich ein. Ich tadele<br />

und lobe, wo es angebracht ist«, sagt<br />

Birgit Tief über <strong>sich</strong>. In einer offenen Art,<br />

wie man sie selten bei Managern sieht.<br />

Auch äußerlich ist sie nicht der Typ Chef,<br />

wie er häufig im Fernehen zu erleben ist.<br />

Statt Kostüm oder Hosenanzug trägt die<br />

Produktionsleiterin ein legeres T-Shirt<br />

und Jeans. Für den täglichen Rundgang<br />

in der Produktion legt sie eine Schürze<br />

um und stülpt <strong>sich</strong> ein Haarnetz über.<br />

In der Wendezeit trifft es Birgit Tief<br />

wie viele ostdeutsche Arbeitnehmer. Sie<br />

wird arbeitslos. Die Teigwarenfabrik Riesa<br />

wurde stillgelegt. »Anfangs war ich so-<br />

Sie ist stolz, an diesem Ort zu arbeiten,<br />

stolz auf die Firma. »Ja, ich bin<br />

stolz, ein Bestandteil dieses Betriebes<br />

zu sein«, sagt Birgit Tief fest, Diplom-<br />

Ingenieurin für Lebensmitteltechnologie<br />

und Produktionsleiterin in der Teigwaren<br />

Riesa GmbH. Seit über 30 Jahren bestimmen<br />

Makkaroni, Spaghetti, Spirelli,<br />

Nudelhörnchen, Nudelnester oder Nudelmuscheln<br />

ihr berufliches Leben.<br />

Die zierliche Person mit typisch sächsischem<br />

Akzent managt das Werk I der<br />

Teigwaren Riesa GmbH.<br />

Das Riesaer Nudelwerk hat eine lange<br />

Tradition. Bereits im Jahr 1914 gründete<br />

die Großeinkaufsgenossenschaft Deutscher<br />

Consumverein Hamburg die Nudelfabrik.<br />

Rasch stieg die Zahl der Mitarbeiter<br />

auf bis zu 250. Ende der 1980er Jahre<br />

werden bis zu 16.700 Tonnen Nudeln pro<br />

Jahr produziert. »Riesa war zum größten<br />

und leistungsfähigsten Nudellieferant in<br />

der DDR aufgestiegen«, erinnert <strong>sich</strong> Birgit<br />

Tief. Und da ist er wieder: der Stolz,<br />

daran mitgewirkt zu haben.<br />

Die Nudel bestimmt ihr berufliches<br />

Leben seit 1979. In dem Jahr wollte sie<br />

eigentlich eine Lehre als Friseuse beginnen,<br />

doch sie fand keine Lehrstelle. Also<br />

heuerte sie bei den »Nudelleuten« in Riesa<br />

an. Facharbeiter für Anlagentechnik<br />

hieß die Ausbildung damals und Birgit<br />

Tief war der einzige Lehrling im Betrieb.<br />

Sie wurde gefordert, hatte Spaß und beendete<br />

die Lehre mit der Note »sehr gut«.<br />

Nach der Ausbildung war ihr schnell<br />

klar, dass sie nicht den Rest ihres Lebens<br />

im Dreischichtsystem arbeiten wollte.<br />

Ehrgeiz packte sie. Die Kaderabteilung<br />

des damaligen Kombinats ließ sie ein<br />

Fernstudium der Lebensmitteltechnologie<br />

in Dippoldiswalde aufnehmen.<br />

Es begann eine harte Zeit. Fünf Jahre<br />

Studium und nebenbei Dreischichtarbeit<br />

als Anlagenfahrer. »Da waren verzweifelte<br />

Momente, als die Mehrfachbelastung<br />

zu viel wurde«, erinnert sie <strong>sich</strong>. Doch<br />

ihr Ehrgeiz hilft hier. Und die Kombinatsleitung<br />

fördert sie weiter. Der Aufstieg an<br />

die Spitze ist rasant. Sie wird Brigadier,<br />

dann Schichtleiterin und schließlich Produktionsleiterin.<br />

Doch die schnelle Karriere ist nicht<br />

hürdenlos. »Ich war die Jüngste, die<br />

Kleinste, eher schüchtern, und musste<br />

ganz schnell lernen, mich bei meinen<br />

Kollegen aus der Lehrzeit als Leiterin der<br />

Produktion durchzusetzen.« Während<br />

Birgit Tief an diese Zeit zurückdenkt,<br />

wird die sonst so humorvolle Frau sehr<br />

nachdenklich. »Ich hatte mächtig zu<br />

kämpfen, dass mich die Kollegen anerkennen,<br />

akzeptieren.«<br />

Sie setzt auf Teamgeist, Fachwissen,<br />

Kollegialität und Disziplin. »Ich schätze<br />

Teigwaren Riesa GmbH<br />

Spirit für<br />

Spirelli<br />

Der Nummer eins unter<br />

den Nudel-Herstellern auf<br />

dem ostdeutschen Markt hält<br />

Produktionsleiterin Birgit Tief<br />

seit drei Jahrzehnten die Treue.<br />

BELIEBT Teigwaren aus Riesa stehen in der<br />

Gunst ostdeutscher Kunden ganz weit oben.<br />

gar noch erbaut darüber, dass ich zu den<br />

letzten Mitarbeitern gehörte, die im Dezember<br />

1992 entlassen wurden. Dabei<br />

hatten <strong>sich</strong> andere Kollegen schon längst<br />

neue Jobs gesucht«, erzählt sie. Die Verbitterung<br />

darüber ist ihr noch anzumerken.<br />

Vom Arbeitsamt erfuhr sie nur, sie<br />

wäre als Diplom-Ingenieur überqualifiziert.<br />

Es folgte Niedergeschlagenheit. Andere<br />

Nudelhersteller hätten sie gern beschäftigt,<br />

doch Birgt Tief wollte ihren Eltern<br />

zuliebe nicht weg von Riesa.<br />

Am 1. Januar 1993 übernimmt dann<br />

das Familienunternehmen »Alb Gold«<br />

von Klaus Freidler aus dem 443 Kilometer<br />

entfernten schwäbischen Trochtelfingen<br />

die Teigwarenfabrik Riesa. Er gründet<br />

die Teigwaren Riesa GmbH und beschäftigt<br />

zunächst 34 Mitarbeiter. Die<br />

Riesaer Produkte besitzen da lediglich<br />

noch einen unbedeutenden Marktanteil<br />

von einem Prozent. Von 1993 bis 1998 investiert<br />

Klaus Freidler rund zehn Millionen<br />

DM in ein neues Werk, in die Sanierung<br />

des alten sowie in Umbauten und<br />

vor allem in neue Technik. Neue Nudel-<br />

Produkte kommen auf den Markt.<br />

Im März 1994 holt Freidler schließlich<br />

Birgit Tief wieder als Produktionsleiterin<br />

in den Betrieb zurück. 1997 ist das Unternehmen<br />

Marktführer in Ostdeutschland.<br />

2008 wird eine neue Produktionshalle<br />

gebaut, in der typisch italienische Nudelspezialitäten<br />

und asiatische Nudeln hergestellt<br />

werden. 141 Menschen sind heute<br />

in beiden Werken und einem »Nudelcenter«<br />

mit Kontor, Nudelmuseum,<br />

Kochstudio und eigenem Restaurant beschäftigt.<br />

Birgit Tief sitzt an ihrem Schreibtisch<br />

und entscheidet: Was wird hergestellt, in<br />

welchen Mengen, zu welchem Termin?<br />

Was muss an Material und Rohstoffen<br />

dazu geordert werden? Und wenn ein<br />

großes, deutsches Handelsunternehmen<br />

ein Aktionsangebot ordert, geht es nicht<br />

um ein paar Tüten Spaghetti, sondern<br />

um Tonnen. »Wir müssen flexibel reagieren,<br />

um spezielle Kundenwünsche erfüllen<br />

zu können«, sagt sie und fügt hinzu,<br />

»es ist aber bei uns alles machbar.« Dass<br />

sie dann zehn Stunden und mehr im Betrieb<br />

verbringt, versteht <strong>sich</strong> von selbst.<br />

Als Ausgleich zur Arbeit unternimmt<br />

sie ausgedehnte Spaziergänge mit ihrer<br />

Zwergschnauzerhündin und ihrem<br />

Mann. Er ist mit den Riesaer Nudeln<br />

ebenfalls eng verbandelt. Als Speditionsleiter<br />

im Betrieb. Dies ist auch der Ort, an<br />

dem sie <strong>sich</strong> kennengelernt haben.<br />

Kommen bei so viel Teigwaren im Beruf<br />

zu Hause auch Nudeln auf den Tisch?<br />

»Ja. Es gibt in meinem Haushalt immer<br />

Nudeln auf Vorrat«.<br />

Daniela Sell<br />

&<br />

42 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


TOURISMUS<br />

Fotos: A. Pröber<br />

Urlaubsland Mecklenburg-Vorpommern<br />

Pauschal gen Norden<br />

Ab diesem Winter lockt Deutschlands führender Reiseveranstalter<br />

TUI erstmals mit Angebotspaketen Urlauber an die Ostsee.<br />

Premiere bei der TUI. Zum ersten<br />

Mal bietet Deutschlands führender<br />

Reiseveranstalter Flugpauschalreisen<br />

innerhalb Deutschlands an. Ziel<br />

dieses neuen Angebots ist Mecklenburg-<br />

Vorpommern. »Das nordöstliche Bundesland<br />

ist für uns die wichtigste und größte<br />

Reisedestination in Deutschland, noch<br />

vor Bayern«, begründet Andreas Casdorff<br />

von TUI Deutschland. 25 Prozent aller<br />

über TUI gebuchten Inlandreisen führen<br />

bereits nach MV. In den Sommermonaten<br />

sind es 27 Prozent.<br />

Künftig soll das beliebteste Urlaubsland<br />

für Süddeutsche noch bequemer erreichbar<br />

werden. Vor allem Kurzurlauber<br />

und ältere Reisende wählten gern das<br />

Flugzeug, so Casdorff. Ab der Wintersaison<br />

2011/12 können 80 der insgesamt 130<br />

TUI-Partnerhäuser in Mecklenburg-Vorpommern<br />

im Paket – Fluganreise, Transfer,<br />

Unterkunft – gebucht werden. Anreisemöglichkeiten<br />

nach Rostock-Laage gibt<br />

es zunächst aus Köln und Stuttgart. Im<br />

Frühjahr 2012 kommen dann Anreisemöglichkeiten<br />

ab Dortmund, Düsseldorf<br />

und Stuttgart nach Heringsdorf hinzu.<br />

Über die Vorreiterrolle des Landes<br />

zeigt <strong>sich</strong> Sylvia Bretschneider, Präsidentin<br />

des Tourismusverbandes MV, sehr erfreut.<br />

Das neue Produkt unterstreiche<br />

den Stellenwert, den MV bei großen<br />

Reiseveranstaltern besitze. »Unser Land<br />

entspricht mit dem Angebot internationalen<br />

Standards und wird auf dem internationalen<br />

Markt konkurrenzfähig«, betont<br />

Bretschneider.<br />

Von dem Angebot profitieren auch die<br />

Flughäfen des Landes, ist Stefan Rudolph<br />

überzeugt. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium<br />

von MV verweist<br />

darauf, dass im vergangenen Jahr rund<br />

78.000 Linienpassagiere in Rostock-Laage<br />

und 31.000 in Heringsdorf abgefertigt<br />

wurden. Da gäbe es noch erhebliches Potenzial.<br />

Derzeit kämen nur ein Prozent<br />

aller Urlauber mit dem Flugzeug, 79 Prozent<br />

reisten mit dem Pkw und 13 Prozent<br />

mit der Bahn an.<br />

Mit dem Bus-Shuttle-Angebot, dass<br />

vom Tourismusverband MV im Jahr 2009<br />

auf den Weg gebracht wurde, ist bereits<br />

eine wichtige Voraussetzung geschaffen<br />

worden, Flugpassagiere in die beliebten<br />

Ferienregionen nach Rügen, auf den<br />

Darß, nach Westmecklenburg oder an<br />

die Seenplatte zu bringen. Das Land<br />

Mecklenburg-Vorpommern hat in die Infrastruktur<br />

des Tourismus stark investiert.<br />

Seit 1990 wurden laut Rudolph 6,3<br />

Milliarden Euro ausgegeben. Nun müssten<br />

diese Investitionen mit Leben erfüllt<br />

werden. Gegenwärtig wird jeder 13. Euro<br />

in MV im Tourismus erwirtschaftet, in<br />

Deutschland gesamt ist es jeder 25. Euro.<br />

Anette Pröber<br />

NEUE OSTSEEHOTELS wie hier in Kühlungsborn überzeugen mit viel Charme.<br />

INTERVIEW<br />

ANDREAS CASDORFF,<br />

Leiter Eigenanreise<br />

TUI Deutschland<br />

Schön wie am Mittelmeer<br />

W&M: Warum schließt TUI die neue Allianz<br />

mit Mecklenburg-Vorpommern?<br />

CASTORFF: Weil es unser Reiseland Nr.<br />

eins in Deutschland ist. Das Bundesland<br />

ist mit den meisten Hotels im 740-Seiten-<br />

Katalog Deutschland vertreten und<br />

erfreut <strong>sich</strong> der größten Nachfrage. Nun<br />

können wir noch mehr Gästegruppen<br />

ansprechen, vor allem Kurzurlauber<br />

aus dem Süden und ältere Menschen,<br />

die das Flugzeug bevorzugen.<br />

W&M: Was war das Hauptproblem bei der<br />

Umsetzung des Projekts?<br />

CASTORFF: Größte Herausforderung im<br />

Flächenland MV war die Verteilung vor<br />

Ort. Doch am zentralen Luftverkehrsknoten<br />

Rostock-Laage gibt es bereits seit<br />

2009 einen Bus-Shuttle, der Touristen in<br />

fünf Reiseregionen zwischen Westmecklenburg<br />

und Rügen bringt. Das erleichterte<br />

den Start mit Pauschalreisen.<br />

W&M: Was macht den Norden so anziehend?<br />

CASTORFF: Die zumeist neuen Urlaubsquartiere,<br />

die in den letzten 20 Jahren<br />

entstanden sind oder restauriert<br />

wurden, strahlen Charme aus. Sie sind<br />

so schön wie die besten Hotelanlagen<br />

am Mittelmeer. Die Bauherren haben beachtet,<br />

dass Urlauber gern ein wenig<br />

mehr Platz in den Unterkünften lieben<br />

und trotz Nähe zum Wasser großzügige<br />

Spa- und Wellnessbereiche schätzen.<br />

W&M: Wo sehen Sie Entwicklungsbedarf?<br />

CASTORFF: Die Qualität stimmt, auch<br />

die Infrastruktur. Es wurde viel in Radwege,<br />

Golfplätze, Kultur- und Familienangebote<br />

investiert. Nun muss dieses<br />

umfangreiche Paket noch bekannter<br />

werden. Im Marketing sehe ich derzeit<br />

den größten Nachholbedarf. Deshalb<br />

haben wir mit dem Tourismusverband<br />

einen Marketingvertrag geschlossen.<br />

W&M: Stimmen Preis und Leistung?<br />

CASTORFF: Ein Deutschland-Urlaub ist<br />

generell nicht billig. Stimmen aber Qualität<br />

der Unterbringung, Essen und Service<br />

und der Gast wird freundlich umsorgt,<br />

dann ist er bereit, mehr zu zahlen.<br />

Vom professionellen Personal – das<br />

künftig verstärkt auf dem europäischen<br />

Markt umworben werden wird – hängt<br />

es ab, ob es ein Top-Aufenthalt für den<br />

Gast war. Deshalb sollten Hotels rechtzeitig<br />

auf ihre Personalpolitik achten.<br />

Interview: Anette Pröber<br />

&<br />

44 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


UV-AKTUELL<br />

GESCHÄFTSSTELLEN<br />

der Unternehmerverbände<br />

Unternehmerverband Berlin e.V.<br />

Präsident: Armin Pempe<br />

Hauptgeschäftsführer: Andreas Jonderko<br />

Geschäftsstelle:<br />

Ingrid Wachter (Sekretariat)<br />

Frankfurter Alllee 202, 10365 Berlin<br />

Tel.: (030) 981 85 00, 981 85 01<br />

Fax: (030) 982 72 39<br />

E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />

Unternehmerverband Brandenburg e.V.<br />

Präsident: Eberhard Walter<br />

Hauptgeschäftsstelle Cottbus:<br />

Roland Kleint<br />

Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />

Tel.: (03 55) 226 58, Fax: 226 59<br />

E-Mail: uv-brandenburg-cbs@t-online.de<br />

Bezirksgeschäftsstelle Potsdam:<br />

Bezirksgeschäftsführer: Hans-D. Metge<br />

Hegelallee 35, 14467 Potsdam<br />

Tel.: (03 31) 81 03 06<br />

Fax: (03 31) 817 08 35<br />

Geschäftsstelle Frankfurt (Oder):<br />

Geschäftsführer: Detlef Rennspieß<br />

Perleberger Str. 2, 15234 Frankfurt (O.)<br />

Tel.: (03 35) 400 74 56<br />

Mobil: (01 73) 633 34 67<br />

Unternehmerverband Rostock und<br />

Umgebung e.V.<br />

Präsident: Frank Haacker<br />

Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />

Geschäftsstelle:<br />

Wilhelm-Külz-Platz 4, 18055 Rostock<br />

Tel.: (03 81) 242 58 -0, 242 58 -11<br />

Fax: 242 58 18<br />

Regionalbüro Güstrow:<br />

Am Augraben 2, 18273 Güstrow<br />

Tel.: (038 43) 23 61 12, Fax: 23 61 17<br />

Unternehmerverband Norddeutschland<br />

Mecklenburg-Schwerin e.V.<br />

Präsident: Rolf Paukstat<br />

Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />

Geschäftsstelle:<br />

Brunnenstraße 32, 19053 Schwerin<br />

Tel.: (03 85) 56 93 33, Fax: 56 85 01<br />

Unternehmerverband Thüringen e.V.<br />

Präsident: Peter Baum<br />

Geschäftsstelle:<br />

IHK Erfurt<br />

Arnstädter Str. 34, 99099 Erfurt<br />

Tel.: (03 681) 42 00 50, Fax: 42 00 60<br />

Unternehmerverband Vorpommern e.V.<br />

Präsident: Gerold Jürgens<br />

Leiter d. Geschäftsst.: Wolfgang Kastirr<br />

Geschäftsstelle:<br />

Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />

Tel.: (038 34) 83 58 23, Fax: 83 58 25<br />

Unternehmerverband Sachsen e.V.<br />

Präsident: Hartmut Bunsen<br />

Vizepräs.: Dr. W. Zill, Dr. M. Reuschel,<br />

U. Hintzen<br />

Geschäftsführer: Rüdiger Lorch<br />

www.uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Chemnitz:<br />

Leiterin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />

Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />

Tel.: (03 71) 49 51 29 12, Fax: -16<br />

E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Dresden:<br />

Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck<br />

Antonstraße 37, 01097 Dresden<br />

Tel.: (03 51) 899 64 67, Fax 899 67 49<br />

E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Leipzig:<br />

Leiterin: Silvia Müller<br />

Riesaer Straße 72 – 74, 04328 Leipzig<br />

Tel.: (03 41) 257 91-20, Fax: -80<br />

E-Mail: leipzig@uv-sachsen.org<br />

Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e.V.<br />

Präsident: Jürgen Sperlich<br />

Geschäftsstelle Halle/Saale<br />

Berliner Str. 130, 06258 Schkopau<br />

Tel.: (0345) 78 23 09 24<br />

Fax: (0345) 78 23 467<br />

UV Rostock<br />

Offen für Neues<br />

Innovationswerkstatt unterstützt neue Ideen und<br />

Anlaufstelle hilft bei Fragen zum Patentrecht.<br />

Zum zweiten Mal lud der Unternehmerverband<br />

Rostock zu<br />

einer Innovationswerkstatt<br />

ein, in der gemeinsam mit<br />

den Mitgliedsunternehmen<br />

nach neuen Ideen gesucht<br />

und Innovationen unterstützt<br />

werden. Besonders gelungen<br />

war dieses Mal der Veranstaltungsort<br />

– die Anfang Oktober<br />

in Anwesenheit von Wirtschaftsminister<br />

Jürgen Seidel<br />

in Betrieb genommene Liebherr-Akademie.<br />

Liebherr mit<br />

seinem hochmodernen Produktionsstandort<br />

im Rostocker<br />

Überseehafen steht<br />

auch symbolisch für innovatives<br />

Unternehmertum.<br />

Wolfgang Kautz, Chef der<br />

neuen Einrichtung, führte<br />

denn auch voller Stolz durch<br />

die neuen Hallen. Auf 5.000<br />

Quadratmeter Ausbildungsfläche<br />

wurden modernste<br />

Werkstätten, Unterrichtsräume<br />

und Ausbildungsinseln<br />

eingerichtet. »Die Schaffung<br />

der Liebherr-Akademie ist die<br />

strategische Reaktion des Unternehmens<br />

auf die demographische<br />

Entwicklung und<br />

die zu erwartende Fachkräftesituation<br />

in Mecklenburg-Vorpommern«,<br />

sagte Minister Seidel<br />

anlässlich der Eröffnung.<br />

Auch der Unternehmerverband<br />

Rostock liegt mit dem<br />

neuen Angebot für seine Mitglieder<br />

im Trend und greift<br />

ein für die wirtschaftliche<br />

Entwicklung des Landes wichtiges<br />

Thema auf. In den Statistiken<br />

für Patentanmeldungen<br />

liegt Mecklenburg-Vorpommern<br />

deutschlandweit mit<br />

UV Schwerin<br />

Stürmische Ausfahrt<br />

Reger Meinungsaustausch zwischen Wirtschaft<br />

und Politik auf traditioneller Dampferrunde.<br />

Die alljährliche Dampferrunde<br />

des Schweriner Unternehmerverbandes<br />

ist immer gut<br />

besucht. Doch in diesem Jahr<br />

gab es ein Novum. Mehr als<br />

160 Teilnehmer wollten auf<br />

den Schweriner See hinausfahren,<br />

was es erstmals nötig<br />

machte, die Besucher auf zwei<br />

Schiffe zu verteilen.<br />

Trotz widriger Witterungsbedingungen<br />

mit Starkregen<br />

und stürmischen Böen bis<br />

kurz vor Beginn der Veranstaltung<br />

ließen <strong>sich</strong> die Gäste<br />

nicht abschrecken. Auch<br />

ZUM 19. MAL: Unternehmer auf dem Schweriner See<br />

großem Abstand auf dem letzten<br />

Platz. Dies hat nicht nur<br />

mit der geringen Anzahl produzierender<br />

Unternehmen<br />

im Vergleich mit anderen<br />

Bundesländern zu tun, sondern<br />

auch mit den Unternehmensgrößen,<br />

die kaum eigene<br />

Kapazitäten für Bereiche<br />

wie Produkt- oder Markenentwicklung<br />

und kein Know-how<br />

für fundierte Recherchen ermöglichen.<br />

Neben diesem Veranstaltungsformat<br />

bietet der UV<br />

Rostock darüber hinaus eine<br />

Anlaufstelle für kleine und<br />

mittlere Firmen, die mit Erfahrung<br />

und Sachkompetenz<br />

Unterstützung in den komplizierten<br />

und langwierigen Prozessen<br />

leistet. Dabei arbeiten<br />

die Wirtschaftsvertreter nicht<br />

nur mit Patentanwälten zusammen,<br />

sondern werden<br />

auch vom Wirtschaftsministerium<br />

unterstützt.<br />

Interessierte Unternehmer<br />

können <strong>sich</strong> darüber in der<br />

Geschäftsstelle des UV Rostock<br />

informieren.<br />

&<br />

wenn der Zwischenstopp auf<br />

der Insel Kaninchenwerder<br />

aufgrund des Wetters ausfallen<br />

musste, die Schiffsreisenden<br />

mussten nicht auf die geplante<br />

Life-Musik verzichten.<br />

Der Veranstalter verlegte das<br />

Unterhaltungsprogramm kurzerhand<br />

auf die »MS Schwerin«,<br />

eines der beiden Schiffe,<br />

die vom Co-Sponsor, der maxpress<br />

Unternehmensgruppe,<br />

gechartert worden waren.<br />

Auch in diesem Jahr machten<br />

die guten Gespräche in<br />

entspannter Atmosphäre den<br />

Reiz dieser ungezwungenen<br />

und kommunikativen gemeinsamen<br />

Ausfahrt aus. Neben<br />

Gästen aus allen Verbandsregionen<br />

nutzten auch<br />

in diesem Jahr wieder zahlreiche<br />

Offizielle aus Politik und<br />

Verwaltung die 19. Dampferrunde,<br />

um mit Mitgliedern<br />

und Verbandsrepräsentanten<br />

ins Gespräch zu kommen. Mit<br />

an Bord waren auch die Präsidenten<br />

und Vizepräsidenten<br />

sowie die Geschäftsführer der<br />

Schwesterverbände aus Rostock<br />

und Vorpommern. &<br />

46 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


Foto: UV Schwerin<br />

UV BRANDENBURG<br />

Urteil zu BER<br />

begrüßt<br />

Das Bundesverwaltungsgericht<br />

hat die Klagen<br />

einiger Berliner Bürger<br />

zurückgewiesen, die am<br />

neuen Flughafen Berlin/<br />

Brandenburg ein absolutes<br />

Nachtflugverbot zwischen<br />

22 und 6 Uhr erreichen<br />

wollten.<br />

Das Nachtflugverbot bleibt<br />

wie gehabt nur zwischen<br />

24 und 5 Uhr bestehen, in<br />

den sogenannten Randzeiten<br />

dürfen jedoch Flüge stattfinden.<br />

Der UV Brandenburg<br />

begrüßt als Vertreter der mittelständischen<br />

Wirtschaft<br />

der Hauptstadtregion Berlin-<br />

Brandenburg das Urteil des<br />

Bundesverwaltungsgerichts<br />

in Leipzig zu den Flügen in<br />

Nachtrandzeiten. Damit ist<br />

ge<strong>sich</strong>ert, dass <strong>sich</strong> der Flughafen<br />

zu einem internationalen<br />

Drehkreuz entwickeln<br />

kann. Für die Unternehmen<br />

der Region bedeutet es Planungs-<br />

und Investitions<strong>sich</strong>erheit.<br />

Bereits heute ist der entstehende<br />

Flughafen ein Motor<br />

der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

in der Region, durch<br />

den mehrere zehntausend<br />

Jobs entstehen werden, so die<br />

Wirtschaftsvertreter.<br />

+ TERMINE+<br />

TERMINE<br />

UV Brandenburg<br />

11. November, 9–16 Uhr<br />

Technologie Tag Schönefeld<br />

2011, Thema: Nachhaltiges<br />

Bauen im Gewerbebau,<br />

airportworld Schönefeld<br />

UV Vorpommern<br />

12. November, 19 Uhr<br />

7. Ball der Generationen,<br />

Kaiser Spa »Hotel zur Post«,<br />

Seebad Bansin<br />

UV Sachsen<br />

12. November, 19 Uhr<br />

21. Sächsischer Unternehmerball<br />

unter dem Motto »WISSENschaf(f)t-WIRTSCHAFTSKRAFT,<br />

Hotel »The Westin Leipzig«<br />

Anmeldung unter<br />

leipzig@uv-sachsen.org<br />

NACHRICHTEN<br />

UV SACHSEN<br />

Minister Rösler kommt<br />

Am 16. November kommt Bundeswirtschaftsminister<br />

Philip Rösler (FDP) nach Leipzig.<br />

Dort wird er <strong>sich</strong> beim Unternehmerverband<br />

Sachsen den Fragen der sächsischen Wirtschaft<br />

stellen. Wirtschaft & Markt berichtet in seiner<br />

nächsten Ausgabe über das Gespräch.<br />

Neue Repräsentanz<br />

Die Geschäftsstelle des UV Sachsen in<br />

Chemnitz ist umgezogen.<br />

Sie finden die Repräsentanz Südwestsachsen,<br />

Standort Chemnitz, ab sofort in ihrem neuen<br />

Büro in der Marianne-Brandt-Straße 4 in<br />

09112 Chemnitz.<br />

UV BERLIN<br />

Unterstützung bei Streit<br />

Der Berliner Unternehmerverband unterhält<br />

seit 2005 eine eigene Einigungsstelle, mit<br />

deren Unterstützung Konflikte außergerichtlich<br />

beigelegt werden können. Nun ist der<br />

Verband dem »Berliner Bündnis außergerichtliche<br />

Konfliktbeilegung« beigetreten.<br />

Initiatoren des Bündnisses, mit dessen Existenz<br />

dem zunehmenden Informationsbedarf von Unternehmern<br />

und Verbrauchern Rechnung getragen<br />

werden soll, sind die Industrie und Handelskammer<br />

Berlin und die Handwerkskammer Berlin<br />

in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung<br />

für Justiz, mit dem Berliner Anwaltsverein und<br />

der Verbraucherzentrale Berlin.<br />

Der Unternehmerverband Berlin ist Anfang September<br />

dieses Jahres mit seiner Einigungsstelle<br />

dem Internetportal des Bündnisses als Anbieter<br />

von Mediationsleistungen beigetreten und unterstützt<br />

damit aktiv die Berliner Initiative.<br />

»Einen Streit beizulegen, ohne gleich ein Gericht<br />

einzuschalten, ermöglicht wirtschaftlich sinnvolle<br />

und für die Konfliktparteien nachhaltige Lösungen«,<br />

beschreibt Andreas Jonderko, Vizepräsident<br />

und Hauptgeschäftsführer des UV Berlin, die<br />

Motivation des Verbandes zu diesem Schritt.<br />

»Dabei können Unternehmen nicht nur Zeit und<br />

Geld sparen, sondern die Lösung ihres Konfliktes<br />

selbst steuern und <strong>sich</strong>erstellen, dass ihr Ge<strong>sich</strong>t<br />

gewahrt bleibt und vorhandene Geschäftsbeziehungen<br />

nicht dauerhaft zerstört werden.«<br />

Auf diese Weise könnten Auseinandersetzungen<br />

zwischen Unternehmern, Geschäftskunden<br />

und Privatpersonen durch erfahrene Mediatoren,<br />

Rechtsanwälte und Notare sowie Gutachter<br />

außergerichtlich beigelegt werden.<br />

Informationen: www.schlichten-in-berlin.de<br />

Aus Leidenschaft<br />

Full Service bedeutet für uns, Sie auf<br />

dem Weg zum fertigen Er zeugnis zu<br />

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WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 47


W&M-PRIVAT<br />

BÜCHERBORD<br />

Führungskräfte<br />

Hymne auf<br />

die erste Ebene<br />

Manfred Brandl sagt von <strong>sich</strong>,<br />

in ihm fließe gelbes Blut. Seit<br />

mehr als 30 Jahren ist der<br />

Österreicher im Liebherr-Konzern<br />

beschäftigt. Er sei in den<br />

drei Jahrzehnten alles gewesen,<br />

»außer Pförtner«. Der 57-<br />

jährige ist heute Geschäftsführer<br />

der Liebherr-Werke in<br />

Nenzing, Sunderland (England)<br />

und Rostock. Seine Karriere<br />

vom Facharbeiter bis<br />

zum Geschäftsführer hat ihn<br />

veranlasst, ein Ratgeber-Buch<br />

zu schreiben – über den Stellenwert<br />

und die Qualität von<br />

Führungskräften.<br />

In dem Werk, das lustvoll mit<br />

Cartoons von Martin Michael<br />

MANFRED BRANDL<br />

Die erste Führungsebene,<br />

Eigenverlag,<br />

105 Seiten,<br />

20,00 Euro<br />

Rhomberg illustriert ist,<br />

verallgemeinert der Chef von<br />

2.600 Mitarbeitern seine<br />

Führungserfahrungen, ohne<br />

abstrakt zu theoretisieren.<br />

Brandl bezieht <strong>sich</strong> ausdrücklich<br />

auf »Die erste Führungsebene«.<br />

Auf diese komme es<br />

entscheidend an im Betrieb,<br />

denn »der Montagegruppenleiter,<br />

der Schichtleiter sind<br />

es, die den Mitarbeitern<br />

sagen müssen, welche Aufgaben<br />

wie zu erfüllen sind«.<br />

Der Erfolg des Unternehmens<br />

wurzelt hier. Umso mehr<br />

müssten direkte Kommunikation,<br />

konsequente Konfliktbewältigung<br />

und konstruktive<br />

Teamarbeit die Arbeit<br />

von Führungskräften prägen.<br />

Bestellt werden kann die<br />

Führungsfibel bei der<br />

Druckerei Wenin GmbH & Co.<br />

KG in A-6850 Dornbirn,<br />

Wallenmahd 29c (E-Mail:<br />

druckerei@wenin.at).<br />

Thomas Schwandt<br />

Industrielle Revolution<br />

Hohelied statt Abgesang<br />

Der US-amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin<br />

glaubt wieder an die Rettung des Planeten<br />

W<br />

ie häufig ist dem<br />

Industriezeitalter<br />

schon das Totenglöcklein<br />

geläutet worden! Auch<br />

der US-Ökononom und Zukunftsexperte<br />

Jeremy Rifkin<br />

bildete da keine Ausnahme.<br />

Doch in seinem neuesten<br />

Buch überrascht er mit einer<br />

neuen Volte. Statt Abgesang<br />

ein Hohelied: Rifkin zufolge<br />

steht der Industrialismus vor<br />

seinem größten Erfolg: der<br />

dritten industriellen Revolution,<br />

die bereits begonnen<br />

habe und bis Mitte des 21.<br />

Jahrhunderts die Wirtschaftsentwicklung<br />

des Planeten<br />

prägen und - wenn es klappt -<br />

dessen Ökologie retten wird.<br />

Energie plus großtechnische<br />

Infrastrukturen für<br />

Kommunikation und Verkehr<br />

stellen für Rifkin die »Genetik«<br />

aller drei industriellen<br />

Revolutionen dar. Was im 19.<br />

Jahrhundert mit Kohle und<br />

Eisenbahn begann, setzte <strong>sich</strong><br />

im 20. Jahrhundert mit Erdöl<br />

und Automobil fort. Doch die<br />

fossile Energietechnik mit<br />

ihren Treibhausgas-Emissionen<br />

führte die Erde in einen<br />

globalen Klimawandel mit<br />

ungewissem Ausgang.<br />

Dessen Beherrschung wird<br />

daher nicht nur die zentrale<br />

Aufgabe der dritten industriellen<br />

Revolution sein und<br />

neue Wirtschaftschancen bieten.<br />

Die Energie der neuen Revolution,<br />

vor allem aus Sonne<br />

und Wind, wird über dezentrale<br />

Netze verteilt. Das Internet<br />

bildet den kommunikationstechnischen<br />

Zwilling, das<br />

zweite Super-Netz der grünen<br />

Industrie-Ära.<br />

Rifkins Fahrplan in eine<br />

bessere Öko-Zukunft stellt<br />

fünf technische Aktionsfelder<br />

in den Vordergrund. Neben<br />

dem Umstieg auf erneuerbare<br />

Energien setzt er auf Effizienzmaßnahmen<br />

im Gebäudebereich<br />

mit besonderem<br />

Akzent auf häusliche Mikrokraftwerke.<br />

Neue Speichertechniken<br />

zur Sammlung der<br />

nur ungleichmäßig anfallenden<br />

Naturenergien Wind und<br />

Sonne sind ebenso nötig wie<br />

die Verknüpfung der Stromnetze<br />

mit dem Internet (Intergrid).<br />

Fünfte Säule ist die Umstellung<br />

des Autoverkehrs auf<br />

Elektrofahrzeuge.<br />

Der Aufbau dieser Struktur<br />

»wird zunächst Hunderttausende<br />

neuer Unternehmen<br />

und Hunderte Millionen neuer<br />

Arbeitsplätze schaffen«,<br />

meint der Autor. In den Jahren<br />

2040 bis 2050 werde diese<br />

Infrastruktur auf den meisten<br />

Kontinenten umgesetzt sein<br />

und »die industrielle Arbeiterschaft<br />

<strong>sich</strong> auf ihrem Höchststand<br />

eingependelt haben«.<br />

Danach erfolge der Übergang<br />

von der industriellen zur »kollaborativen«<br />

Wirtschaftsweise,<br />

die jetzt nur in vagen Umrissen<br />

erkennbar ist.<br />

Rifkin ist ein begnadeter<br />

Kommunikator. Um seine Vision<br />

auch der breiten Bevölkerung<br />

nahe zu bringen, empfiehlt<br />

der amerikanische Ökonom,<br />

man müsse der dritten<br />

JEREMY RIFKIN<br />

Die dritte industrielle Revolution.<br />

Die Zukunft der Wirtschaft nach<br />

dem Atomzeitalter, Campus Verlag<br />

2011, 303 Seiten, 24,99 Euro<br />

industriellen Revolution ein<br />

»neues Narrativ« geben, eine<br />

große mitreißende Story.<br />

Dieser narrative Imperativ<br />

ist die Schwäche des Buches.<br />

Zu sehr gefällt <strong>sich</strong> der Autor<br />

darin, seine Consulting-Projekte<br />

– bis zur Beratung der<br />

deutschen Bundeskanzlerin –<br />

in gefälliger Lesart darzustellen.<br />

Das große analytische<br />

Alterswerk ist seine »dritte<br />

industrielle Revolution« nicht<br />

geworden, aber immerhin<br />

ein facettenreicher Werkstattbericht<br />

über eine Welt in tief<br />

greifendem Umbau.<br />

Manfred Ronzheimer<br />

IMPRESSUM<br />

Wirtschaft & Markt<br />

Das ostdeutsche Wirtschaftsmagazin<br />

Magazin der Interessengemeinschaft der<br />

Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />

und Berlin<br />

Redaktionsanschrift:<br />

Zimmerstraße 55, 10117 Berlin<br />

Tel.: (030) 27 89 45-0, Fax: -23,<br />

E-Mail: wumberlin@t-online.de<br />

Internet: www.wirtschaftundmarkt.de<br />

Herausgeber:<br />

Klaus George<br />

george@wirtschaftundmarkt.de<br />

Chefredakteur:<br />

Helfried Liebsch,<br />

Tel.: (030) 27 89 45-0<br />

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Redaktion:<br />

Peter Jacobs, Hans Pfeifer,<br />

Matthias Salm, Siegfried Schröder,<br />

Thomas Schwandt, Steffen Uhlmann<br />

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Verlagsassistenz:<br />

Sten Seliger<br />

Tel.: (030) 27 89 45-11<br />

Gestaltung:<br />

Ralf Puschmann, Jens Wolfram<br />

Tel.: (030) 27 89 45-13<br />

Titelfoto: Torsten George<br />

Druck: Möller Druck Berlin<br />

Autoren dieser Ausgabe:<br />

Thomas Bencard, Peter Jacobs,<br />

Matthias Kasper, Hannelore Koard<br />

Vertrieb und Anzeigenverwaltung:<br />

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W&M Verlagsgesellschaft mbH<br />

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ISSN 086 353 23 Erscheint monatlich.<br />

Die Zeitschrift Wirtschaft&Markt ist das<br />

Magazin der Interessengemeinschaft der<br />

ostdeutschen Unternehmerverbände und<br />

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die Zeitschrift im Rahmen ihrer<br />

Mitgliedschaft. Einzelpreis: 3,50 EURO;<br />

Jahresabonnement Inland 30,00 Euro<br />

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Porto. Sonderpreis für Studenten:<br />

(Nachweis) jährlich 20,00 EURO. Das<br />

Jahresabonnement gilt zunächst für ein<br />

Jahr (10 Ausgaben). Danch besteht die<br />

Möglichkeit, das Abonnement jederzeit zu<br />

kündigen.Namentlich gekennzeichnete<br />

Beiträge müssen nicht mit der Meinung<br />

der Redaktion übereinstimmen. Für unverlangt<br />

eingesandte Manuskripte und Fotos<br />

übernehmen wir keine Haftung. Nachdruck<br />

nur mit Genehmigung des Verlages.<br />

48 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


W&M-PRIVAT<br />

LEUTE & LEUTE<br />

LESERPOST<br />

Brief aus Brüssel<br />

Heft 10-2011<br />

Solidarunion Europa – ein<br />

hehres Ziel und ein schöner<br />

Traum. Doch die einzelnen<br />

Länder werden weiter konkurrieren<br />

und immer auch<br />

versuchen, Sondervorteile<br />

herauszuholen – siehe Finnland<br />

und die Slowakei in der<br />

Griechenlandkrise. So bleibt<br />

die Hauptverantortung doch<br />

immer bei den wirtschaftlich<br />

stärkeren Ländern – und die<br />

sollen sie auch wahrnehmen.<br />

Petra Decker, Ilmenau<br />

Karrikatur und Zeichnung: Rainer Schwalme<br />

Witze<br />

mit Barth<br />

Ernst Röhl bemängelt<br />

deutschen Humor<br />

Der englische Humor<br />

soll weiter nichts als<br />

möglichst großen<br />

Spaß machen, der deutsche<br />

Humor dagegen dient dem<br />

Zwecke der Erheiterung.<br />

Dieses Sendungsbewusstsein<br />

treibt einen Leistungskomiker<br />

wie Mario Barth immer<br />

wieder in die größten Stadien.<br />

Im vergangenen Sommer bespielte<br />

er mit seinem Programm<br />

»Männer sind peinlich,<br />

Frauen manchmal auch«<br />

unter anderem die Commerzbank-Arena<br />

in Frankfurt am<br />

Main, die Veltins-Arena auf<br />

Schalke und das Berliner<br />

Olympiastadion.<br />

Erschöpfend klärt Barth<br />

die Volksmassen darüber auf,<br />

warum Frauen und Damen<br />

bei Restaurantbesuchen dazu<br />

neigen, die Toilette im Rudel<br />

oder doch wenigstens zu<br />

zweit aufzusuchen: »Die eene<br />

muss, dit is die Aktive, und<br />

die andre steht Schmiere.«<br />

Diese Faustregel bekräftigt er<br />

mit einem passenden Expertenkommentar,<br />

indem er<br />

kraftvoll einen Mundfurz ins<br />

Mikrofon fahren lässt. Das<br />

Echo ruft nichtendenwollenden<br />

Applaus hervor, die Traversen<br />

erbeben. Dieser künstlerische<br />

Darmwind ist eine<br />

Kampfansage speziell an den<br />

Kunstfurzer Mister Methan,<br />

der Fernsehzuschauer damit<br />

verzaubert, dass er notengetreu<br />

die ersten Takte der 5.<br />

Sinfonie von Beethoven pupst.<br />

Die kunstsinnige Illustrierte<br />

STERN war des Lobes voll;<br />

wahrscheinlich, schrieb sie,<br />

habe so noch nie jemand live<br />

einen Furz imitiert, Mario<br />

Barth könne deshalb in seinem<br />

nächsten Programm auf<br />

diesem Geräusch aufbauen,<br />

»das wird bestimmt ein Riesenerfolg!«<br />

Gut möglich. Tag für Tag<br />

veröffentlicht BILD Arschge<strong>sich</strong>ter<br />

und Popolisten, die in<br />

Dieter Bohlens Castingshow<br />

ihr Glück versuchen. Kandidat<br />

Chris aus London trat mit<br />

einem Silvesterknaller »im Allerwertesten«<br />

(Zitat BILD) auf<br />

und krönte seinen Pyro-Striptease<br />

mit einem betörenden<br />

Analfeuerwerk. Die US-amerikanische<br />

Popo-Poseurin Coco<br />

Austin ließ aus ihrem Achtersteven<br />

sogar einen Truthahn<br />

entweichen, aber fragt mich<br />

bloß nicht, wie der Trick<br />

funktioniert.<br />

In der deutschen Leitkultur<br />

spielt das Gesäß längst<br />

eine zentrale Rolle, und ein<br />

Pop-Titan wie der große Bohlen<br />

weiß genau, dass der wahre<br />

Humor erst unterhalb der<br />

Gürtellinie anfängt. Der Erfolg<br />

gibt ihm Recht. Die am<br />

Bildschirm nachhaltig verblödete<br />

Jugend strömt in<br />

Sechserreihen zu seiner Sado-<br />

Show und lässt <strong>sich</strong> dankbar<br />

erniedrigen und beleidigen.<br />

Mit deftigen Latrinensprüchen<br />

hat <strong>sich</strong> der Dieter die<br />

Pole Position unter den zeitgenössischen<br />

Aphoristikern<br />

ge<strong>sich</strong>ert. »Wenn man mit der<br />

flachen Hand in einen Eimer<br />

Scheiße haut, kriegt man<br />

Sommersprossen …« So lautet<br />

seine Weltformel. Die meisten<br />

seiner Urteile klingen auch<br />

deshalb nach Exkrement, weil<br />

die Kandidaten ihr Bestes in<br />

so genannten Ausscheidungs-<br />

Runden geben müssen. Originalton<br />

Bohlen: »Deine Art zu<br />

singen klingt wie ein Darmverschluss!«<br />

– »Du klingst, als<br />

hättest du eine Klosettbürste<br />

im Arsch!« – »Du singst wie<br />

’ne Kuh beim Kacken!«<br />

Den deutschen Humor erkennt<br />

man daran, dass es ihn<br />

nicht gibt.<br />

&<br />

Markov-Talk<br />

Heft 10-2011<br />

Der Umbau der Wirtschaftsförderung<br />

auf revolvierende<br />

Fonds wird ums dringlicher,<br />

desto weniger Fördermittel<br />

aus Brüssel fließen. In welch<br />

segensreichem Zustand könnten<br />

<strong>sich</strong> heute viel mehr Brandenburger<br />

Unternehmen aus<br />

dem KMU-Bereich befinden,<br />

wenn sie die Mittel bekommen<br />

hätten, die in den 90er<br />

Jahren für spektakuläre Prestigeobjekte<br />

wie den Cargolifter<br />

und den Lausitzring<br />

freihändig verpulvert worden<br />

sind!<br />

Jan Kubitscheck, Luckenwalde<br />

Zukunft Ost<br />

Heft 10-2011<br />

Die Westflucht, von der man<br />

vor 20 Jahren glaubte, dass<br />

sie schlagartig aufhören würde,<br />

ist nun leider schon mehr<br />

als 60-jährige Tradition. Keine<br />

deutsche Region braucht<br />

deshalb mehr Zuwanderung<br />

dringlicher als der Osten.<br />

Inay Faklam, Görlitz<br />

Ausbildung<br />

Heft 10-2011<br />

Auch die 60-jährigen Arbeitswilligen<br />

benötigen weiter<br />

Ausbildung, wenigstens anpassend<br />

an erworbene Berufsbilder.<br />

Wie sonst sollten sie<br />

die Jahre bis zur Rente mit 67<br />

noch leistungsfähig durchstehen?<br />

Einar Hentschel, Magdeburg<br />

WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 49


KOLUMNE<br />

Mit kühlem Kopf mutig aus der Krise<br />

In kritischen Zeiten zählt ein kühler<br />

Kopf. Ein Kopf der fähig ist, <strong>sich</strong> umzuschauen,<br />

ohne Panik, und dann<br />

den besten Ausweg findet. Ich denke, entgegen<br />

aller Ungeduld von Medien und<br />

fachwissenschaftlichem Stimmgewirr,<br />

die europäischen Regierungen tun genau<br />

dies. Allen Ablenkungsmanövern<br />

der USA zum Trotz.<br />

Ob es klug war, den Euro zu schaffen;<br />

ob es dann klug war, ihn für so unterschiedliche<br />

Staaten zugänglich zu machen;<br />

ob man die Eintrittsunterlagen<br />

einzelner Euro-Staaten (etwa Griechenland)<br />

hätte besser prüfen müssen: Das alles<br />

mag man heute anders beurteilen.<br />

Aber, wie es im Englischen so schön<br />

heißt, das ist »spilled milk«, vergossene<br />

Milch. Was passiert ist, ist passiert – doch<br />

was tun wir jetzt?<br />

Die Politik der europäischen Regierungen<br />

ist offenbar darauf gerichtet,<br />

Griechenland über einen Zeitraum zu<br />

helfen, bis Portugal, Spanien und Italien<br />

ihrerseits glaubwürdige Reformen umsetzen<br />

können. Niemand glaubt, Griechenland<br />

werde den Schuldenschnitt<br />

ganz vermeiden können.<br />

Diese Strategie baut allerdings auf der<br />

Hoffnung, dass es den Regierungen gelingen<br />

wird, Wähler und Parlamente<br />

dauerhaft von schmerzhaften Sparprogrammen<br />

zu überzeugen. Die Reaktionen<br />

der griechischen Wähler erregen allerdings<br />

daran ernste Zweifel.<br />

Der heute wohl beste Kenner großer<br />

Wirtschaftskrisen in der Geschichte,<br />

Prof. Kenneth Rogoff (Harvard), meint,<br />

dass gerade jetzt die Weltwirtschaft<br />

mehr Konjunkturspritzen brauche und<br />

hierfür 2012 auch politisch ein günstiges<br />

Klima herrschen sollte: Überall stehen<br />

Wahlen an, und die Politiker seien dann<br />

geneigt, großzügig Geld zu verteilen. Allerdings,<br />

so Rogoff, diesmal gebe es kein<br />

Geld mehr, weil als Folge der bisherigen<br />

Rettungsmaßnahmen faktisch alle Staaten<br />

überschuldet seien. Sparpolitik stehe<br />

daher auf der Tagesordnung, aber die<br />

Notwendigkeiten der Weltwirtschaft<br />

seien Konjunkturspritzen.<br />

Wir sind in der Zwickmühle: die Weltwirtschaft<br />

braucht Konjunkturspritzen,<br />

doch auch starke Staaten wie Deutschland<br />

stoßen an die Grenzen ihrer finanzwirtschaftlichen<br />

Leistungskraft. 80 Prozent<br />

Staatsverschuldung an der gesamtwirtschaftlichen<br />

Leistung (BIP) heute in<br />

Deutschland sind bereits um ein Drittel<br />

ZUR SACHE<br />

Betrachtung<br />

zur wirtschaftlichen Lage<br />

Von Dr. Klaus von Dohnanyi<br />

mehr, als die Euro-Verträge (Maastricht-<br />

Regeln: 60 Prozent) eigentlich erlauben.<br />

Und nun?<br />

Ich denke, dass die Bundesregierung<br />

in Brüssel für Griechenland einen vernünftigen<br />

Kurs verfolgt: Konsequentes<br />

Sparen in Europa verbunden mit einem<br />

großen Rettungsschirm; und – im Rahmen<br />

einer griechischen Konsolidierung<br />

– sogar ein Hilfsprogramm für Griechenland,<br />

einen »Marshall-Plan«.<br />

Auch wird seit langem an den technischen<br />

Voraussetzungen einer geordneten<br />

Staatsinsolvenz innerhalb der Eurozone<br />

gearbeitet. In beiden Fällen ist zu bedenken:<br />

Eine gerechte Beteiligung der privaten<br />

Gläubiger. Die ja an den Zinsen der<br />

Staatspapiere gut verdient hatten – die<br />

jedoch nicht abgeschreckt werden dürfen,<br />

weiter Staatspapiere anderer Euro-<br />

Staaten zu kaufen. Eine Gratwanderung.<br />

Es verlangt ein hohes Maß politischen<br />

Geschicks, diese Ziele miteinander zu<br />

verbinden: Den Druck zu schmerzhaften<br />

Reformen in den Euro-Staaten (in allen,<br />

auch Deutschland!) aufrechtzuerhalten;<br />

und dennoch »griechische Verhältnisse«<br />

in Form von Streiks und Demonstrationen<br />

möglichst zu vermeiden; und gleichzeitig<br />

Wachstum zu generieren. Das ist<br />

wiederum eine Gratwanderung.<br />

In so einer Lage ist die Versuchung<br />

groß, <strong>sich</strong> gegen lästige Konkurrenz abzuschirmen,<br />

den Wettbewerbsvorteilen<br />

anderer Staaten den protektionistischen<br />

Riegel vorzuschieben. Aber, zerbirst dieser<br />

»Schutz« eines Tages, wäre der Rückschlag<br />

noch schmerzhafter. Siehe DDR.<br />

Es kann auch helfen, <strong>sich</strong> bei anderen<br />

umzusehen. Länder wie die Schweiz haben<br />

es bei ähnlicher Ausgangslage (hohe<br />

Exportabhängigkeit, hohe Löhne) noch<br />

besser geschafft. Mit einer langjährigen<br />

Schuldenbremse hatte die Schweiz 2010<br />

sogar einen Haushaltsüberschuss und<br />

eine »Schuldenreserve« von rund 13 Milliarden<br />

Franken erwirtschaftet! Eine<br />

»Schuldenbremse«, wie Deutschland dies<br />

für alle Euro-Staaten verlangt, ist deswegen<br />

auch wichtig für die langfristige Gesundung<br />

der Euro-Staaten.<br />

Aber sie hilft nicht jetzt. Was tun?<br />

Wenn ich die große Mehrzahl der internationalen<br />

Ökonomen richtig verstehe,<br />

dann warnen sie nicht vor Inflation<br />

(schnell steigende Preise), sondern eher<br />

vor einer Deflation (Stagnation bei sehr<br />

niedrigem Preisniveau, wie seit mehr als<br />

zehn Jahren in Japan). Ich teile daher<br />

ihre Überzeugung, dass wir die EZB unterstützen<br />

sollten, Staatsanleihen hoch<br />

verschuldeter Staaten zu kaufen, um deren<br />

Zinslast zu mindern (die EBZ kauft<br />

die Anleihen, muss aber die Zinsen nicht<br />

eintreiben!). Es haftet für diese Summen<br />

kein Staat, kein Steuerzahler, denn die<br />

EZB bezahlt die Staatsanleihen mit Geld,<br />

das sie selbst »schöpft« – oder »druckt«.<br />

Also »Gelddrucken«? Ja. Heute macht<br />

die EZB das aber am Rande ihrer Zuständigkeiten;<br />

amerikanische und britische<br />

Notenbanken dürfen es. Allerdings darf<br />

dieses »Gelddrucken« keine Inflationsgefahr<br />

verursachen. Und bisher, so steht es<br />

im September-Bericht der EZB, hat die<br />

EZB diese neu geschaffene Liquidität an<br />

anderer Stelle wieder durch Geldentzug<br />

ausgeglichen; »abgeschöpft«.<br />

Im Gesamtkonzept der Bundesregierung<br />

fehlt nach meiner Meinung dieser<br />

entscheidende Baustein. Er sollte jetzt<br />

durchdacht und systemkonform genutzt<br />

werden. In einer aufgeklärten Gesellschaft<br />

sollte Vernunft herrschen und<br />

kein Tabu.<br />

&<br />

50 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11


SCHIRMHERRSCHAFT:<br />

Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten<br />

des Landes Brandenburg,<br />

Ralf Christoffers<br />

Ministerin für Wissenschaft, Forschung und<br />

Kultur des Landes Brandenburg, Prof. Dr.-<br />

Ing. Dr. Sabine Kunst<br />

www.art-brandenburg.de<br />

Gefördert mit Mitteln des<br />

Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten<br />

und des Ministeriums für Wissenschaft,<br />

Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.<br />

Gefördert mit Mitteln des<br />

Landkreises Dahme-Spreewald<br />

Gefördert mit Mitteln des<br />

Landkreises Potsdam-Mittelmark<br />

VERANSTALTER<br />

METROPOLISHALLE<br />

P O T S D A M<br />

Brandenburgischer Verband<br />

Bildender Künstlerinnen und<br />

Künstler e. V.<br />

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