WIRTSCHAFT+MARKT Regionen leeren sich (Vorschau)
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A 40799 ■ ISSN 0863-5323 ■ 22. Jahrgang ■ November 2011 ■ Preis: EURO 3,50<br />
Wirtschaft&Markt<br />
Wirtschaft&Markt<br />
DAS OSTDEUTSCHE WIRTSCHAFTSMAGAZIN<br />
GENFER SICHT<br />
Heiner Flassbeck<br />
KÜHLER BLICK<br />
Klaus von Dohnanyi<br />
Ostdeutschland-Forscher Joachim Ragnitz:<br />
<strong>Regionen</strong> <strong>leeren</strong> <strong>sich</strong>
AllesinOrdnung<br />
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am Tag „Fertig!“<br />
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EDITORIAL<br />
Keine alberne Rechnung<br />
HELFRIED LIEBSCH<br />
Chefredakteur<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
erinnern Sie <strong>sich</strong> noch an Ihren Wunsch<br />
vor der Mathe-Arbeit, ein kleines Wunder<br />
möge geschehen? Vielleicht die Schule<br />
abbrennen? Nun, derlei Mirakel sind<br />
selten. Das hindert aber kaum jemanden<br />
daran, an sie zu glauben. Je größer die<br />
Not, desto fester der Glaube. Irgendwie<br />
könnte <strong>sich</strong> das Blatt wenden, eine Rechnung<br />
in Vergessenheit geraten, Gott ein<br />
Einsehen haben. Leider lehrt jede Erfahrung:<br />
Die Rechnung kommt.<br />
Das betrifft, nebenbei gesagt, auch die<br />
Belastungen aus der Energiewende<br />
(S. 14), die damit begründet ist, die Last<br />
der Un<strong>sich</strong>erheit atomarer Stromproduktion<br />
in Deutschland abzuwerfen. Sie<br />
wird mehr kosten als heute befürchtet.<br />
Wetten?<br />
Apropos Wetten. Es stören <strong>sich</strong> weltweit<br />
immer mehr Menschen an der<br />
Macht der Banken, zumindest am Investmentbanking.<br />
Sie finden die Privatisierung<br />
der Gewinnchancen und die Sozialisierung<br />
des Verlustrisikos ungerecht.<br />
Mitte Oktober sind Hunderttausende auf<br />
die Straße gegangen, um dagegen zu protestieren.<br />
Wiederholung wahrscheinlich.<br />
Sie legen den Regierungen ihre Rechnung<br />
aus den Krisen der Finanzkapitalismus<br />
vor, verlangen Reichen- und Transaktionssteuern,<br />
Begrenzung der Spekulation.<br />
Die occupy-Bewegung will ein<br />
länderübergreifendes Zeichen setzen. Es<br />
spricht wenig dafür, dass sie verebbt, wie<br />
es Bundespräsidenten-Kandidat Gauck,<br />
prophezeit, der obendrein die Finanzmarktdebatte<br />
»unsäglich albern« findet.<br />
Dagegen spricht viel dafür, dass die<br />
vermeintlich alberne Rechnung, die von<br />
zumeist jungen Leuten aufgemacht<br />
wird, stimmt. Nach der Lehman-Pleite<br />
wollten die Regierungen der Welt alles<br />
anders, alles besser machen. Regulierung?<br />
Fehlanzeige. Die Politik krankt an<br />
ihrer selbst verschuldeten Ohnmacht.<br />
Unter den Bedingungen globalisierter<br />
Märkte ist mit den nationalen Egoismen<br />
kein Blumentopf zu gewinnen. Womöglich<br />
zeugt es von Lernfähigkeit, wenn der<br />
SPD-Vorsitzende Gabriel jetzt fordert,<br />
von den Geschäftsbanken das Investmentbanking<br />
abzutrennen und ein<br />
Schild aufzustellen: Hier endet die<br />
Staatshaftung.<br />
Das ist Wunsch, die Wirklichkeit sind<br />
die Verbrämungen der Politik, von denen<br />
man <strong>sich</strong> nicht täuschen lassen darf:<br />
Rettung – wahlweise Bankenrettung,<br />
Griechenlandrettung oder Rettungsschirm<br />
– ist nur ein anderes Wort für<br />
Rechnungsbegleichung aus Steuergeldern,<br />
also aus Ihrem Geld. Bestenfalls<br />
wird ein Aufschub gekauft, aber auch<br />
der kommt teuer. Insofern mag man die<br />
occupy-Bewegung verspotten, die Regierungen<br />
der Welt haben sie verdient.<br />
<br />
Messe für<br />
GENUSS,<br />
LEBENSART<br />
UND AMBIENTE<br />
<br />
Herzlichst<br />
Ihr
EDITORIAL<br />
Keine alberne Rechnung<br />
HELFRIED LIEBSCH<br />
Chefredakteur<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
erinnern Sie <strong>sich</strong> noch an Ihren Wunsch<br />
vor der Mathe-Arbeit, ein kleines Wunder<br />
möge geschehen? Vielleicht die Schule<br />
abbrennen? Nun, derlei Mirakel sind<br />
selten. Das hindert aber kaum jemanden<br />
daran, an sie zu glauben. Je größer die<br />
Not, desto fester der Glaube. Irgendwie<br />
könnte <strong>sich</strong> das Blatt wenden, eine Rechnung<br />
in Vergessenheit geraten, Gott ein<br />
Einsehen haben. Leider lehrt jede Erfahrung:<br />
Die Rechnung kommt.<br />
Das betrifft, nebenbei gesagt, auch die<br />
Belastungen aus der Energiewende<br />
(S. 14), die damit begründet ist, die Last<br />
der Un<strong>sich</strong>erheit atomarer Stromproduktion<br />
in Deutschland abzuwerfen. Sie<br />
wird mehr kosten als heute befürchtet.<br />
Wetten?<br />
Apropos Wetten. Es stören <strong>sich</strong> weltweit<br />
immer mehr Menschen an der<br />
Macht der Banken, zumindest am Investmentbanking.<br />
Sie finden die Privatisierung<br />
der Gewinnchancen und die Sozialisierung<br />
des Verlustrisikos ungerecht.<br />
Mitte Oktober sind Hunderttausende auf<br />
die Straße gegangen, um dagegen zu protestieren.<br />
Wiederholung wahrscheinlich.<br />
Sie legen den Regierungen ihre Rechnung<br />
aus den Krisen der Finanzkapitalismus<br />
vor, verlangen Reichen- und Transaktionssteuern,<br />
Begrenzung der Spekulation.<br />
Die occupy-Bewegung will ein<br />
länderübergreifendes Zeichen setzen. Es<br />
spricht wenig dafür, dass sie verebbt, wie<br />
es Bundespräsidenten-Kandidat Gauck,<br />
prophezeit, der obendrein die Finanzmarktdebatte<br />
»unsäglich albern« findet.<br />
Dagegen spricht viel dafür, dass die<br />
vermeintlich alberne Rechnung, die von<br />
zumeist jungen Leuten aufgemacht<br />
wird, stimmt. Nach der Lehman-Pleite<br />
wollten die Regierungen der Welt alles<br />
anders, alles besser machen. Regulierung?<br />
Fehlanzeige. Die Politik krankt an<br />
ihrer selbst verschuldeten Ohnmacht.<br />
Unter den Bedingungen globalisierter<br />
Märkte ist mit den nationalen Egoismen<br />
kein Blumentopf zu gewinnen. Womöglich<br />
zeugt es von Lernfähigkeit, wenn der<br />
SPD-Vorsitzende Gabriel jetzt fordert,<br />
von den Geschäftsbanken das Investmentbanking<br />
abzutrennen und ein<br />
Schild aufzustellen: Hier endet die<br />
Staatshaftung.<br />
Das ist Wunsch, die Wirklichkeit sind<br />
die Verbrämungen der Politik, von denen<br />
man <strong>sich</strong> nicht täuschen lassen darf:<br />
Rettung – wahlweise Bankenrettung,<br />
Griechenlandrettung oder Rettungsschirm<br />
– ist nur ein anderes Wort für<br />
Rechnungsbegleichung aus Steuergeldern,<br />
also aus Ihrem Geld. Bestenfalls<br />
wird ein Aufschub gekauft, aber auch<br />
der kommt teuer. Insofern mag man die<br />
occupy-Bewegung verspotten, die Regierungen<br />
der Welt haben sie verdient.<br />
<br />
Messe für<br />
GENUSS,<br />
LEBENSART<br />
UND AMBIENTE<br />
<br />
Herzlichst<br />
Ihr
INHALT<br />
WIRTSCHAFT & MARKT<br />
im November 2011<br />
BETRACHTUNG SPECIAL REPORT<br />
SEITE 19 SEITE 14<br />
SEITE 32<br />
RESERVEN IN ROSTOCK:<br />
Worüber <strong>sich</strong> ein Bundeskoordinator ärgert<br />
WELTPREMIERE BEI PRENZLAU:<br />
Erstes Hybridkraftwerk in Betrieb<br />
LUFTNUMMER AUS EDERSLEBEN:<br />
Das Geheimnis der Allianz-Arena<br />
Editorial<br />
Aktuell<br />
3<br />
6<br />
Keine alberne Rechnung<br />
Interview, Nachrichten, Pro und Contra, Impressum<br />
Wirtschaft und Politik<br />
Special<br />
TITEL<br />
10<br />
14<br />
26<br />
27<br />
PROF. DR. JOACHIM RAGNITZ, stellvertretender Geschäftsführer des ifo Instituts für<br />
Wirtschaftsforschung Dresden, zu leidigen Ost-West-Vergleichen, Wunsch und Wirklichkeit<br />
in der Bundespolitik und zur demografischen Herausforderung<br />
ENERGIEWENDE OST: Ein waghalsiges Unterfangen<br />
KAUFEN IM INTERNET: Produkte besser finden<br />
IT-SERVICE UND BERATUNG: Fachkräfte im Osten gesucht<br />
Fotos: Enertrag, Novum Menbranes, T. Schwandt<br />
Betrachtung<br />
Report<br />
Service<br />
W&M-Service<br />
Porträt<br />
Tourismus<br />
Ständige Rubriken<br />
W&M Privat<br />
Kolumnen<br />
19<br />
20<br />
32<br />
22<br />
34<br />
42<br />
44<br />
46<br />
48<br />
24<br />
50<br />
SCHIFFBAU UND MEERESTECHNIK: Großer Nachholbedarf<br />
BÜRSTENMANN GMBH: Weltweit in aller Munde<br />
NOVUM MEMBRANES GMBH: Folien, Kissen und viel mehr<br />
ROHSTOFFE: Globaler Wettbewerb<br />
Steuern, Geld, Ver<strong>sich</strong>erung, Multimedia<br />
BIRGIT TIEF, TEIGWAREN RIESA GMBH: Spirit für Spirelli<br />
URLAUBSLAND MECKLENBURG-VORPOMMERN: Pauschal gen Norden<br />
UV-AKTUELL: Nachrichten aus den Unternehmerverbänden<br />
Bücherbord, Leute & Leute, Leserbriefe, Impressum<br />
HEINER FLASSBECK: Die unendliche Krise<br />
KLAUS VON DOHNANYI: Mit kühlem Kopf mutig aus der Krise<br />
Inhalt<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 5
AKTUELL<br />
Fotos: DPA/Zentralbild (1), Archiv<br />
INTERVIEW<br />
DR. JACEK ROBAK,<br />
Gesandter-<br />
Botschaftsrat, Leiter<br />
der Abteilung Handel<br />
und Investitionen der<br />
Botschaft der Republik<br />
Polen in Berlin<br />
Potente Partner<br />
W&M: Herr Robak, 20 Jahre Vertrag<br />
zwischen Polen und Deutschland für<br />
gute Nachbarschaft und freundschaftliche<br />
Zusammenarbeit – was<br />
hat das wirtschaftlich gebracht?<br />
ROBAK: Spitzenplätze in doppelter<br />
Hin<strong>sich</strong>t. Wir sind für<br />
Deutschland heute der wichtigste<br />
Handelspartner in Mittel- und<br />
Osteuropa. Und Deutschland ist<br />
für uns der mit Abstand größte<br />
Handelspartner überhaupt. Die<br />
Polnischen Ausfuhren nach<br />
Deutschland erreichten 2010 einen<br />
Wert von mehr als 30 Milliarden<br />
Euro.<br />
W&M: Und die Investitionen?<br />
ROBAK: Das verläuft längst nicht<br />
mehr auf einer Einbahnstraße.<br />
Polnische Unternehmen investieren<br />
jetzt immer öfter in<br />
Deutschland. Ich verweise insbesondere<br />
auf die Bereiche Informationstechnik,<br />
Vertrieb von Mineralölerzeugnissen,<br />
Logistik,<br />
Metall- und Chemieindustrie.<br />
W&M: Deutsche Unternehmen, so<br />
hört man, suchen in Polen vor allem<br />
gut ausgebildete Fachkräfte für technologisch<br />
innovative Unternehmen?<br />
ROBAK: Ich meine, dass wir exzellente<br />
Möglichkeiten haben,<br />
in unserem Teil Europas eine<br />
starke innovative Wirtschaftsregion<br />
aufzubauen. Gemeinsam!<br />
Es gibt jedenfalls viel zu tun.<br />
W&M: Sie verwiesen sehr engagiert<br />
darauf schon einmal in unserer Zeitschrift<br />
Wirtschaft & Markt.<br />
ROBAK: Ja. Und ich wiederhole<br />
das mit einem guten Gefühl. Die<br />
Beilage zur 20-jährigen wirtschaftlichen<br />
Zusammenarbeit<br />
im Juni 2011 hat ein sehr positives<br />
Echo gefunden. Wir freuen<br />
uns, dass für 2012 eine Serie von<br />
Specials geplant ist, die ganz <strong>sich</strong>er<br />
deutsche wie polnische Unternehmer<br />
zu weiteren gemeinsamen<br />
Projekten anregen wird.<br />
Interview: Peter Jacobs<br />
Konjunktur<br />
Schuldenbremse hilft<br />
Alle neuen Bundesländer verzeichnen Fortschritte<br />
bei der Konsolidierung ihrer Haushalte<br />
Dem Freistaat Sachsen<br />
bescheinigt das Kölner<br />
IW-Institut der<br />
deutschen Wirtschaft die bisher<br />
deutlichsten Erfolge aller<br />
deutscher Bundesländer bei<br />
der Anwendung der Schuldenbremse.<br />
Thüringen und<br />
Sachsen-Anhalt hätten gute<br />
Chancen, ihre Defizite bis<br />
Jazz mit Bier<br />
TRADITIONSMARKEN<br />
In der thüringischen Kleinstadt<br />
Köstritz wird seit mehr als<br />
450 Jahren gebraut. Alljährlich<br />
feiert die Köstritzer Schwarzbierbrauerei<br />
an wechselnden<br />
Standorten eine Schwarzbiernacht.<br />
Nach Jena, Weimar, Trier,<br />
Gera, Zeitz, Zwickau und Suhl<br />
kam in diesem Jahr zum ersten<br />
Mal die Hauptstadt in den<br />
Genuss des Spektakels. Angeführt<br />
von der Köstritz Jazzband<br />
gestalteten Unterhaltungskünstler<br />
eine Einkaufsnacht in<br />
den Berliner Gropiuspassagen.<br />
Jährlich werden in Köstritz<br />
heute mehr als eine Million Hektoliter<br />
Bier verschiedener Sorten<br />
produziert und in 40 Länder<br />
exportiert.<br />
zum Jahr 2013 abzubauen<br />
und Überschüsse zu erzielen.<br />
Brandenburg sei auch auf gutem<br />
Wege. Mecklenburg-Vorpommern<br />
weise kaum noch<br />
Schulden aus, müsse aber<br />
nun mit einer aktualisierten<br />
Finanzplanung belegen, dass<br />
in Zukunft Überschüsse erzielt<br />
werden können.<br />
Kathi in der Kita<br />
Mit einem neuen Markenauftritt<br />
ist der Hallenser Backmittelhersteller<br />
Kathi in das<br />
60. Jahr der Firmengründung<br />
gestartet. Das 1951 unter<br />
DDR-Bedingungen entstandene<br />
mittelständische Unternehmen<br />
ist seit langem ostdeutscher<br />
Marktführer. Im<br />
Westen belegt Kathi Platz drei<br />
und ist bei den Ketten Kaufland,<br />
Globus und Edeka gelistet.<br />
Der Hallenser Kuchenkönig<br />
beschäftigt zur Zeit<br />
90 Mitarbeiter. Mit der neuen<br />
Werbekampagne sollen auch<br />
mehr ganz junge Interessenten<br />
angesprochen werden.<br />
Die Kathi Rainer Thiele GmbH<br />
unterhält Patenschaften über<br />
zehn Kitas.<br />
BRUTTOINLANDSPRODUKT<br />
Laut Arbeitsgemeinschaft volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen<br />
wuchs das deutsche BIP im ersten Halbjahr 2011 um 3,9 Prozent<br />
Ausgwewählte neue und alte Länder im Vergleich (Angaben in Proz.)<br />
Baden-Württemberg 5,6<br />
Sachsen-Anhalt 4,6<br />
Thüringen 4,1<br />
Bayern 3,9<br />
Sachsen 3,8<br />
Niedersachsen 3,3<br />
Brandenburg 3,0<br />
Mecklenburg.Vorpommern 2,2<br />
Deutschlands insgesamt 3,9<br />
DER ÜBERDURCHSCHNITTLICHE BIP-ANSTIEG in Sachsen-Anhalt ist<br />
besonders der verarbeitenden Industrie und dem Baugewerbe zu verdanken.<br />
Im zweiten Halbjahr wird mit einer Abschwächung gerechnet.<br />
AUS DEN LÄNDERN<br />
Berlin/Brandenburg<br />
Mit sieben Universitäten, zwölf<br />
Hoch- und Fachschulen sowie rund<br />
250 weiteren Forschungseinrichtungen<br />
weist die Hauptstadtregion<br />
derzeit die größte Forschungsdichte<br />
Deutschlands auf. In Berlin und<br />
Brandenburg sind rund 50.000<br />
Wissenschaftler tätig und mehr als<br />
180.000 Studenten immatrikuliert.<br />
Sachsen<br />
35 Anträge auf eine Inno-Prämie<br />
mit einer Zuwendungssumme von<br />
insgesamt 294.000 Euro hat die<br />
Sächsische Aufbaubank – Förderbank<br />
– (SAB) bewilligt. Seit mehr<br />
als einem Jahr unterstützt das<br />
Sächsische Staatsministerium für<br />
Wissenschaft und Kunst (SMWK)<br />
damit kleine und mittelständische<br />
Unternehmen aus Sachsen bei ihrer<br />
Zusammenarbeit mit Hochschulen<br />
und Forschungseinrichtungen.<br />
GESPRÄCHSFORUM<br />
Die Zukunftsinitiative Fachkräfte<strong>sich</strong>erung<br />
in Ostdeutschland wird<br />
<strong>sich</strong> am 10. November auf der<br />
dritten Veranstaltung ihrer Dialogreihe<br />
mit dem Thema »Willkommenskultur<br />
in der Praxis« befassen.<br />
Dabei geht es ange<strong>sich</strong>ts<br />
des sinkenden Angebots an Fachkräften<br />
um Strategien zur bestmöglichen<br />
Abschöpfung des inländischen<br />
Arbeitskräftepotenzials<br />
und um die Nutzung aller rechtlichen<br />
Möglichkeiten zur Gewinnung<br />
von Fachkräften aus dem<br />
Ausland. Veranstaltungsort ist die<br />
IHK Ostbrandenburg in Frankfurt<br />
(Oder). Weitere Informationen:<br />
www.fachkräfteinitiativeostdeutschland.de<br />
Thüringen<br />
»Thüringen-Dynamik« heißt ein<br />
Programm des Erfurter Wirtschaftsministeriums,<br />
das den Übergang<br />
vom Abfluss- zum Kreislaufprinzip in<br />
der Wirtschaftsförderung bewirken<br />
soll. Es bietet für KMU zinsgünstige<br />
Darlehen bis zu zwei Millionen<br />
Euro. Zins und Tilgung fließen in den<br />
Fonds und stehen somit erneut für<br />
die Wirtschaftsförderung zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
Mecklenburg-Vorpommern will Gesundheitsland<br />
Nr. eins in Deutschland<br />
werden. Schon jetzt gibt es<br />
59 staatlich anerkannte Kur- und<br />
Erholungsorte und 62 Vorsorgeund<br />
Reha-Kliniken. Mehr als 90<br />
Wellness- und Gesundheitshotels,<br />
Reha-Kliniken und Freizeitbäder<br />
besitzen das Wellnesszertifikat des<br />
Deutschen Wellnessverbandes.<br />
6 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
AKTUELL<br />
WIRTSCHAFTSBILD<br />
DES MONATS<br />
BRIEF AUS BRÜSSEL<br />
Von THOMAS HÄNDEL,<br />
Europaabgeordneter<br />
Die Linke<br />
Steuer zu mickrig<br />
Der Vorschlag der EU-Kommission<br />
für die Einführung einer<br />
Transaktionssteuer ist ein<br />
Schritt in die richtige Richtung<br />
– wenn auch ein zaghafter.<br />
SCHATZSUCHE IM ERZGEBIRGE. Diese Männer schürfen nach einem Rohstoff der Zukunft: Lithium.<br />
Eine der zehn größten Lagerstätten der Welt befindet <strong>sich</strong> bei Zinnwald. Zusammen mit der Bergakademie<br />
Freiberg hat der Technologiekonzern Solar World jetzt die Erlaubnis für Erkundungen in einem 7,8 Quadratkilometer<br />
großen Feld erworben, das bis nach Tschechien reicht. Die Vorräte erreichen vermutlich<br />
250.000 Tonnen und werden auf einen Marktwert von vier Milliarden Euro geschätzt. Lithium ist unentbehrlich<br />
für Ionenbatterien, Hochleistungsakkus in Notebooks, Smartphones und in der Solarindustrie.<br />
Anwendung findet es auch für Raketentreibstoffe, als Trockenmittel für Erdgas und in der Glasproduktion.<br />
KONJUNKTUR-BAROMETER<br />
Konjunktur Ost braucht Kaufkraft Ost<br />
Wichtigster Indikator für die Konjunktur in einer<br />
Region ist die Kaufkraft. In den erfolgreichsten<br />
ostdeutschen Kreisen werden mittlerweile<br />
17.900 Euro je Einwohner und Jahr ausgegeben.<br />
Doch damit bleiben auch diese um etwa<br />
300 Euro hinter den schwächsten Kreisen im<br />
Westen Deutschlands zurück.<br />
Nicht besser fällt der Vergleich für die Beschäftigungslage<br />
aus. Während in erfolgreichen<br />
westdeutschen Kreisen durchschnittlich nur<br />
rund vier Prozent der Bevölkerung erwerbslos<br />
gemeldet sind, verharrt die Arbeitslosenquote<br />
selbst in den ostdeutschen Erfolgsregionen<br />
um Berlin, Potsdam, Rostock, Dresden, Jena,<br />
Erfurt und Magdeburg noch bei neun Prozent.<br />
Und damit nicht genug. Trotz längerer Arbeitszeit<br />
pro Woche erreicht das durchschnittliche<br />
Arbeitnehmerentgelt bisher kaum 80 Prozent<br />
des westdeutschen Niveaus, in der Industrie<br />
sogar nur 73 Prozent. Ähnlich groß sind die<br />
Rückstände bei Renten, Harz IV und anderen<br />
Von DR. HERBERT BERTEIT<br />
Einkünften. Auch das erweist <strong>sich</strong> als Konjunkturbremse.<br />
Dennoch gibt es inzwischen schon strukturelle<br />
Indikatoren, bei denen <strong>sich</strong> sowohl erfolgreiche<br />
als auch weniger erfolgreiche <strong>Regionen</strong><br />
im Osten von denen im Westen positiv unterscheiden.<br />
In gut aufgestellten Kreisen liegt die<br />
Verschuldung niedriger, gibt es weniger Wanderungsbewegungen,<br />
ist der Anteil von qualifizierten<br />
Fachkräften höher, und es ist eine<br />
größere Gründungsdynamik von Firmen zu beobachten.<br />
Auch die Lebenserwartung ist in den<br />
erfolgreichen <strong>Regionen</strong> des Ostens bisweilen<br />
höher. Insgesamt gesehen hat Westdeutschland<br />
da allerdings zwei Jahre mehr aufzuweisen<br />
als der Osten.<br />
Um die ostdeutsche Konjunktur zu fördern,<br />
muss vor allem die Kaufkraft steigen. 20 Jahre<br />
nach der Wiedervereinigung ist es an der Zeit,<br />
dass die Politik für eine Angleichung der Einkommen<br />
in Ost und West mehr tut.<br />
Endlich hat <strong>sich</strong> die Europäische<br />
Kommission durchgerungen, zu<br />
der von weiten Teilen der Zivilgesellschaft,<br />
vielen nationalen<br />
Politikern aller Couleur und zuletzt<br />
auch vom Europäischen<br />
Parlament immer eindringlicher<br />
geforderten Steuer auf Finanztransaktionen<br />
einen Vorschlag<br />
für eine europäische Lösung<br />
zu unterbreiten. Zu spät,<br />
werden viele sagen. Und das zu<br />
Recht. Uns wären viel Ärger mit<br />
den außer Rand und Band agierenden<br />
Finanzmärkten und Sorgen<br />
um unsere Steuergelder erspart<br />
geblieben, hätten <strong>sich</strong> die<br />
Mächtigen in Europa schon viel<br />
früher dazu durchgerungen.<br />
Zu kritisieren bleibt, dass die<br />
Steuer mit 0,1 auf Aktien- und<br />
0,01 Prozent auf Derivatehandel<br />
deutlich unter den notwendigen<br />
Sätzen bleibt, um spekulative<br />
Handelsaktivitäten einzudämmen.<br />
Überdies enthält der Vorschlag<br />
zuviele Ausnahmetatbestände,<br />
was die Wirkung zusätzlich<br />
verringern könnte. Wir<br />
werden im parlamentarischen<br />
Prozess darauf dringen, diese<br />
Mängel zu beheben. Und hoffen<br />
auf ausreichend Druck aus der<br />
Zivilgesellschaft. Nur so kann<br />
zum einen die Blockadehaltung<br />
Großbritanniens und seines<br />
Finanzplatzes London aufgebrochen<br />
und zum anderen dann<br />
auch eine wirksame, tatsächlich<br />
steuernde Maßnahme am Ende<br />
des Prozesses in Kraft treten.<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 7
AKTUELL<br />
KURZ NOTIERT<br />
NACHRICHTEN AUS DEN REGIONEN<br />
OPTIONSVERKAUF<br />
Sofort liquide<br />
Die Deutsche Zweitmarkt<br />
AG, Makler und Handelsgesellschaft<br />
für geschlossene<br />
Fonds, ermöglicht ab<br />
sofort in Kooperation mit<br />
der M1 Factoring GmbH<br />
den Optionsverkauf.<br />
Das Angebot kombiniert eine<br />
sehr schnelle und diskrete<br />
Umwandlung des im geschlossenen<br />
Fonds gebundenen Kapitals<br />
in sofort verfügbare Liquidität.<br />
Mit der Möglichkeit, die<br />
verkauften Anteile innerhalb<br />
von zwölf Monaten zurück zu<br />
erwerben. Die Deutsche Zweitmarkt<br />
AG übernimmt beim<br />
Optionsverkauf die transparente<br />
und bankenunabhängige<br />
Ermittlung des aktuellen<br />
Marktwerts des geschlossenen<br />
Fonds, die M1 Factoring GmbH<br />
die rasche und zuverlässige<br />
Abwicklung. Das Unternehmen<br />
M1 Factoring mit Standorten<br />
in Dresden und Landshut<br />
orientiert <strong>sich</strong> dabei an<br />
dem ermittelten Wert der<br />
Deutschen Zweitmarkt AG.<br />
ENERGIETRANSPORT<br />
Milliarden für Netz<br />
Zwei Milliarden Euro werden notwendig<br />
sein, um Brandenburgs Energieübertragungsnetz<br />
für den Kapazitätsbedarf<br />
im Jahr 2020 fit zu machen.<br />
Das Übertragungsnetz muss dafür mit 600<br />
Kilometer und das 110-kV-Verteilernetz mit<br />
1.500 Kilometer<br />
neuer Leitungen<br />
erweitert werden.<br />
Das verlautet<br />
aus einer<br />
Studie, die von<br />
der TU Cottbus<br />
und drei Energiefirmen<br />
erarbeitet<br />
wurde. Brandenburg<br />
gilt als<br />
einer der Vorreiter<br />
beim Ökoanteil<br />
in der<br />
Stromerzeugung<br />
und zählt in<br />
diesem Bereich bereits mehr Beschäftigte<br />
als in der Braunkohleverstromung. (Foto:<br />
Wartungsarbeiten bei Eberswalde)<br />
MANAGER : TÜFTLER : ERFINDER<br />
HOCHWASSERSCHUTZ<br />
Milliarde gegen Fluten<br />
Mit einem Masterplan, der mehr als 1.000<br />
Positionen umfasst, rüstet <strong>sich</strong> Sachsen für<br />
den Fall der Wiederholung einer<br />
Flutkatastrophe wie im Jahr 2002.<br />
Bis zum Jahr 2015 will Sachsen für den Hochwasserschutz<br />
eine Summe von einer Milliarde<br />
Euro aufwenden. Vorrangig handelt es <strong>sich</strong><br />
dabei um Gewässeraufweitungen, den Neu- oder<br />
Umbau von Deichen und den Neubau von<br />
Hochwasserrückhaltebecken und die Einrichtung<br />
von Flutungspoldern. Zurzeit sind 41 Projekte<br />
im Bau. Weitere 238 befinden <strong>sich</strong> noch<br />
in der Planungs- oder Genehmigungsphase.<br />
(Foto: Brückenerneuerung in Grimma)<br />
Fotos: DPA/Zentralbild (5), privat,<br />
FIRMENÜBERNAHME<br />
IMG steigt ein<br />
Die Firmengruppe IMG-<br />
Group mit dem Stammbetrieb<br />
Ingenieurtechnik<br />
und Maschinenbau GmbH<br />
(IMG) in Rostock hat die<br />
insolvente SMT Systeme<br />
GmbH & Co. KG im niedersächsischen<br />
Syke bei Bremen<br />
übernommen.<br />
Die SMT Systeme GmbH & Co.<br />
KG ist unter anderem spezialisiert<br />
auf die Konstruktion<br />
flexibler Robotersysteme für<br />
Schweißarbeiten. Zu den Kunden<br />
zählen Automobilzulieferer,<br />
Landmaschinen- und Nutzfahrzeughersteller<br />
vor allem<br />
in Deutschland sowie in der<br />
Türkei und Polen. Drei Viertel<br />
der Belegschaft des im Juli<br />
2011 in die Insolvenz geratenen<br />
Syker Spezialmaschinenbauers<br />
werden von dem neuen<br />
IMG-Betrieb weiter beschäftigt.<br />
Ein Mühlenbewohner, der<br />
für Daimler ein E-Bike entwirft<br />
MICHAEL HECKEN, (39) DIETER RICHTER, (63)<br />
Chef der Inbalance GmbH in<br />
Biesenthal (Barnim), hat <strong>sich</strong><br />
darangemacht, das E-Fahrrad<br />
neu zu erfinden. Er preist ein<br />
Gefährt an, das aussieht wie<br />
ein klassisches Tretfahrrad,<br />
aber weder Elektromotor noch<br />
Batterien erkennen lässt. Der<br />
1.300-Watt-Motor verbirgt <strong>sich</strong> in der Nabe des Hinterrades.<br />
Auffällig ist nur ein überdurchschnittlich dicker<br />
Rahmen: Dort sind mehr als sechs Kilo Lithium-Ionen-<br />
Batterien versteckt. Mit dem Hightech-Gefährt beschleunigt<br />
Hecken, der <strong>sich</strong> in Biesenthal eine alte<br />
Wassermühle ausgebaut hat, geräuschlos und leicht<br />
tretend auf 45 Stundenkilometer. Beschränkt er <strong>sich</strong><br />
auf 25 km/h, kann er bis zu 80 Kilometer Wegstrecke<br />
zurücklegen, ehe das Rad wieder an eine Standardsteckdose<br />
muss. Der Energiebedarf entspricht einem<br />
Spritverbrauch von 0,2 Litern Benzin auf 100 Kilometer.<br />
Der gebürtige Rheinländer ist neuerdings gefragter<br />
Partner des Daimler-Konzerns. Die Stuttgarter beauftragten<br />
den Stadtflüchter mit der Konstruktion eines<br />
preisgünstigen Smart-E-Bike. Hecken selbst ist<br />
überzeugt, dass <strong>sich</strong> seine Erfindung eines Tages<br />
millionenfach verkaufen lässt: »Nach China«.<br />
Ein Fleischermeister, der<br />
Bratwurst mit Blaubeeren spickt<br />
Geschäftsführer der Richter<br />
Fleischwaren GmbH & Co. KG<br />
im sächsischen Oederan,<br />
wurde von der Deutschen<br />
Landwirtschafts-Gesellschaft<br />
mit dem »Preis der Besten«<br />
dekoriert. Der ehemalige<br />
Skilangläufer gebietet über ein<br />
Fleischimperium, das täglich 500 Schweinehälften<br />
verarbeitet, 140 Filialen bis nach Sachsen-Anhalt<br />
unterhält und damit zu den Großen der Nahrungsmittelbranche<br />
in Mitteldeutschland gehört. Die Auszeichnung<br />
verdankt der Erzgebirgler seinem innovativen<br />
Ehrgeiz. Um spezielle Fleischqualitäten<br />
zu erzielen, vereinbart er mit den Landwirten hin und<br />
wieder, dass die Tiere bis zu drei Monate über die<br />
standardmäßige Schlachtreifezeit hinaus gefüttert<br />
werden. Zu Richters eigenwilligen Kreationen gehört<br />
eine Bratwurst mit Blaubeeren. Seinen 700 Mitarbeitern<br />
bietet er betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
an und Weiterbildung in einer firmeneigenen<br />
Akademie, die <strong>sich</strong> in dem Ladengeschäft befindet,<br />
wo er einst mit fünf Leuten begann. Richters neueste<br />
geschäftliche Vision ist eine Gläserne Manufaktur.<br />
Denn er weiß: »Das Auge isst immer mit.«<br />
8 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
AKTUELL<br />
BESTSELLER<br />
Wirtschaftsbuch<br />
1. Martin Wehrle: Ich arbeite in<br />
einem Irrenhaus –<br />
Econ (14,99 EUR)<br />
2. Peer Steinbrück: Unterm Strich<br />
HoCa (23.00 EUR)<br />
3. Frank Lehmann. Ruth E. Schwarz:<br />
Über Geld redet man nicht<br />
Econ(18,00 EUR)<br />
4. M. Grandt, G. Spannbauer,<br />
U. Ulfkotte: Europa vor dem<br />
Crash – Econ (22 EUR)<br />
5. Sahra Wagenknecht: Freiheit<br />
statt Kapitalismus<br />
Eichborn (19,95 EUR)<br />
6. Joachim Käppner: Berthold<br />
Beitz. Die Biographie<br />
Berlin Verlag (36,00 EUR)<br />
7. F. Wehrheim, M. Gösele: Inside<br />
Steuerfahndung<br />
Riva (19,99 EUR)<br />
8. Hans-O. Henkel: Rettet unser<br />
Geld! – Heyne (19,99 EUR)<br />
9. Edgar Most: Sprengstoff Kapital<br />
Das Neue Berlin (14,95 EUR)<br />
10.Sascha Adamek: Die Facebook-<br />
Falle – Heyne (16,99 EUR)<br />
Haarsträubende Zustände in<br />
deutschen Konzern- und Familienbetrieben<br />
nimmt der Karriere-Coach<br />
Martin Wehrle aufs Korn. Tyrannische<br />
Chefs, Machtkämpfe und<br />
absurde Arbeitsabläufe – hier<br />
geraten sie zur ComedyShow. Ein<br />
Trostbuch für Betroffene.<br />
MESSETERMINE<br />
November<br />
03.11., Halle (Saale)<br />
SaaleMesse<br />
05.11., Berlin<br />
COSMETICA<br />
09.11., Berlin<br />
Importshop Berlin<br />
13.11., Rostock<br />
GastRo 2011<br />
16.11., Leipzig<br />
Touristik & Caravaning<br />
International<br />
17.11., Erfurt<br />
Forum Berufsstart<br />
PRO<br />
& CONTRA<br />
Sollen Finanzjongleure<br />
Transaktionssteuer bezahlen?<br />
Während die Wirtschaft Wettbewerbsnachteile<br />
befürchtet, wollen die Gewerkschaften die<br />
Finanzjongleure an den Kosten der Krise beteiligen.<br />
CLAUS MATECKI,<br />
Vorstandsmitglied<br />
des Deutschen<br />
Gewerkschaftbundes (DGB)<br />
Die Gewerkschaften<br />
JA<br />
fordern schon lange<br />
eine Finanztransaktionssteuer<br />
in Höhe von 0,1 Prozent, um<br />
damit die Finanzjongleure<br />
nachhaltig an den Kosten der<br />
Krise zu beteiligen und die<br />
schädliche Finanzmarktspekulation<br />
einzudämmen.<br />
Den chronisch unterfinanzierten<br />
öffentlichen Haushalten<br />
könnte das Einnahmen in<br />
Milliardenhöhe bringen. Nach<br />
den unendlichen Debatten<br />
muss Deutschland zusammen<br />
mit anderen handlungswilligen<br />
Staaten die längst überfällige<br />
Finanztransaktionssteuer zumindest<br />
in der Eurozone durchsetzen.<br />
Allerdings würden die<br />
jetzt diskutierten Steuersätze<br />
zu Fehlanreizen führen. Nicht<br />
einzusehen ist, dass ausgerechnet<br />
für die brandgefährlichen<br />
Derivatgeschäfte nur<br />
0,01 Prozent fällig sein sollen,<br />
für die übrigen Transaktionen<br />
aber 0,1 Prozent. Wenn <strong>sich</strong><br />
hochriskante Spekulationen<br />
mit Derivaten weniger lohnen,<br />
wird das konventionelle Kreditgeschäft<br />
wieder attraktiver.<br />
Das käme auch der Realwirtschaft<br />
zugute. Gleiche Besteuerung<br />
für alle Börsengeschäfte<br />
– das ist ein Gebot der sozialen<br />
wie politischen Verantwortung.<br />
Da darf weder auf den Finanzplatz<br />
London noch auf Klientelinteressen<br />
der FDP Rück<strong>sich</strong>t<br />
genommen werden.<br />
MARTIN WANSLEBEN,<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
des Deutschen Industrie und<br />
Handelskammertags (DIHK)<br />
NEIN<br />
Das Finanzsystem<br />
muss krisenfester<br />
gemacht werden. Dabei dürfen<br />
wir aber nicht den Ast<br />
absägen, auf dem wir sitzen.<br />
Gerade in Zeiten hoher Staatsverschuldung<br />
und abschwächender<br />
Konjunktur muss<br />
Europa attraktiv für Investoren<br />
sein. Bei der Einführung einer<br />
Finanztransaktionssteuer in<br />
Europa oder gar nur im Euro-<br />
Raum entsteht jedoch die Gefahr,<br />
dass dringend benötigtes<br />
Kapital abwandert. Die Europäische<br />
Kommission hat die<br />
Gefahr einer Verlagerung von<br />
Finanzgeschäften und den<br />
dadurch bedingten Verlust an<br />
Wettbewerbsfähigkeit erkannt.<br />
Aus Sicht des heimischen<br />
Finanzplatzes ist vor allem vor<br />
einer Umsetzung nur in der<br />
Eurozone zu warnen. Eine<br />
Finanztransaktionssteuer<br />
hätte zudem Auswirkungen auf<br />
die Realwirtschaft – reduziert<br />
sie doch die Finanzierungsmöglichkeiten<br />
von Unternehmen.<br />
Anders als bei der Mehrwertsteuer<br />
wird der Bruttoumsatz<br />
besteuert, und es gibt<br />
keinen Vorsteuerabzug. Somit<br />
würden auch niedrige Sätze zu<br />
merklichen Belastungen und<br />
höheren Ab<strong>sich</strong>erungskosten<br />
für die Betriebe führen. Gerade<br />
in Zeiten volatiler Wechselkurse<br />
und hoher Rohstoffpreise<br />
wäre das ein falsches<br />
Zeichen zur falschen Zeit.<br />
INVESTITIONEN<br />
Täglich nach China<br />
Zwischen dem Umschlagbahnhof<br />
Leipzig-Wahren und der nordostchinesischen<br />
Industriestadt<br />
Schenjang ist eine direkte Containerzugverbindung<br />
eingerichtet worden.<br />
Die transeurasische Strecke wird ab<br />
November täglich bedient und vernetzt<br />
die Logistikregion Leipzig/Halle<br />
mit einem bedeutenden chinesischen<br />
Wachstumsmarkt.<br />
»Green Photonics«<br />
Das Fraunhofer-Institut für Angewandte<br />
Optik und Feinmechanik in<br />
Jena hat ein Informationscluster<br />
»Green Photonics« gestartet. Zu den<br />
Forschungsschwerpunkten gehören<br />
energieeffiziente Beleuchtung und<br />
Umwelt- und Lebensmittelsensorik.<br />
Das Land Thüringen unterstützt die<br />
Initiative mit zwei Millionen Euro. Die<br />
Fraunhofer-Gesellschaft steuert aus<br />
Mitteln der Hightech-Strategie des<br />
Bundes die gleiche Summe bei.<br />
E-Opel aus Eisenach<br />
190 Millonen Euro will Opel Eisenach<br />
in die Produktion des neuen Kleinwagens<br />
Opel Junior investieren. Der<br />
Stadtflitzer, von dem auch eine Elektrovariante<br />
geprüft wird, soll mit einer<br />
Jahresstückzahl von etwa 100.000<br />
starten. (Foto: Testmodell) Die Lan-<br />
desregierung fördert die Investitionen<br />
des Werkes, das derzeit nur zu<br />
70 Prozent ausgelastet ist, mit<br />
15,5 Millionen Euro.<br />
Kardanwelle aus Hanf<br />
Die in Haldensleben ansässige IFA<br />
Rotorion GmbH hat eine Kardanwelle<br />
aus Hanf entwickelt. Das Ökoprodukt<br />
ist 1,7 Kilogramm leicht. Aus Stahl<br />
gefertigt, wäre die Welle zwölf Kilogramm<br />
schwer. Die Festigkeit ist<br />
auf 10.000 Umdrehungen und einem<br />
Drehmoment von 1.100 Newtonmetern<br />
ausgelegt. Das Hightech-<br />
Unternehmen investiert derzeit zehn<br />
Millionen Euro in Innovationsprojekte.<br />
Sassnitz erweitert<br />
Der Hafendienstleister Buss Sea<br />
Terminal errichtet in Sassnitz eine<br />
4.500 Quadratmeter große Halle für<br />
die Zwischenlagerung von Sodaasche,<br />
Getreide, Kalk und Kreide.<br />
Die Landesregierung fördert das<br />
Vorhaben mit 1,25 Millionen Euro.<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 9
GESPRÄCH<br />
Prof. Dr. Joachim Ragnitz, stellvertretender Geschäftsführer der Niederlassung<br />
Dresden des ifo-Instituts München, zu leidigen Ost-West-Vergleichen, Wunsch<br />
und Wirklichkeit in der Bundespolitik und zur demografischen Herausforderung<br />
»Blaupause ein fragwürdiger Begriff«<br />
Fotos: Torsten George<br />
W&M: Herr Professor Ragnitz, Sie sind gebürtiger<br />
Niedersachse, arbeiten aber schon fast<br />
zwei Jahrzehnte in Mitteldeutschland, erst in<br />
Halle und jetzt in Dresden. Regt <strong>sich</strong> bei Ihnen<br />
Widerspruch, wenn jemand vorschlägt,<br />
den Osten aufzugeben? Fühlen Sie ostdeutsch?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Das kann ich nur bejahen.<br />
Immerhin habe ich von Anfang an<br />
meinen persönlichen Lebensmittelpunkt<br />
hierhin verlegt. Allerdings fallen mir<br />
hier schon ein paar Eigenheiten auf, die<br />
ich so aus dem Westen nicht kenne.<br />
W&M: Zum Beispiel?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Also, am auffälligsten<br />
sind wohl diese unentwegten Vergleiche<br />
mit dem Westen. Dort vergleicht <strong>sich</strong><br />
niemand ständig mit Frankreich oder<br />
Dänemark. Wieso will man hier im<br />
Osten so werden wie im Westen? Warum<br />
ist man nicht einfach stolz darauf, was<br />
man hier erreicht hat, auf seine eigenen<br />
Fähigkeiten und Kräfte? Der Osten<br />
braucht <strong>sich</strong> nicht zu verstecken.<br />
W&M: Was halten Sie dann von der These,<br />
dass der Osten Deutschlands eine Art demografische<br />
Blaupause für den Westen liefert?<br />
Die Bundeskanzlerin nennt die neuen Länder<br />
jetzt »Vorreiter« – wohin geht die Reise?<br />
JOACHIM RAGNITZ: In Ostdeutschland<br />
schrumpft die Bevölkerung seit über 20<br />
Jahren. Das wird in den nächsten Jahrzehnten<br />
in ähnlichen Größenordnungen<br />
in ganz Deutschland passieren. Deshalb<br />
kann man hier im Osten Erfahrungen<br />
sammeln. Ich wende mich allerdings<br />
gegen Verbrämungen, die demografische<br />
Entwicklung jetzt als eine Chance zu<br />
sehen, irgendeine demographische Dividende<br />
zu postulieren. Ich spitze das mal<br />
zu: Die größte Herausforderung der neuen<br />
Länder ist demografisch, und noch ist<br />
nicht <strong>sich</strong>er, dass wir sie bewältigen.<br />
W&M: In welcher Hin<strong>sich</strong>t?<br />
JOACHIM RAGNITZ: In vielen <strong>Regionen</strong><br />
wird die öffentliche Daseinsfürsorge<br />
nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. Für<br />
die Leute dort wird es schwer werden,<br />
das gewohnte Leistungsniveau bei der<br />
Gesundheitsversorgung, beim Zugang zu<br />
Bildungseinrichtungen, bei der Mobilität<br />
aufrecht zu erhalten. Darüber wird viel<br />
geredet und dazu haben die Bundesregierung<br />
und die ostdeutschen Ministerpräsidenten<br />
ein Papier vorgelegt.<br />
W&M: Aber das ist doch eher eine Beschreibung<br />
als eine Strategie?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Ja, echte Lösungen<br />
sind da noch nicht zu erkennen. Auf regionaler<br />
Ebene ist man da oftmals schon<br />
viel weiter. Aber es gibt noch ein anderes<br />
großes Problem, das massiv unterschätzt<br />
wird. Die demografische Entwicklung<br />
führt nämlich zu einem deutlichen<br />
Rückgang der Wirtschaftsdynamik. Mit<br />
einer alternden Bevölkerung wird es<br />
schwieriger werden, Produktivitätsfortschritte<br />
durchzusetzen, Fachkräfte<br />
werden fehlen, das »Humankapital« geht<br />
»Denkbar ist dann, dass man<br />
den Menschen<br />
UMZUGSPRÄMIEN<br />
zahlt, damit sie näher an die<br />
Zentren heranrücken.«<br />
zurück, da Qualifikationen veralten, und<br />
die Nachfrage sinkt mit rückläufiger Bevölkerungszahl<br />
auch. In vielen <strong>Regionen</strong><br />
Ostdeutschlands muss man <strong>sich</strong> darauf<br />
einstellen, dass das Bruttoinlandsprodukt<br />
dann sogar sinkt.<br />
W&M: Sie waren in Leipzig auf der Konferenz<br />
»Zukunft im Osten« (s. W&M 10/2011), als die<br />
Ministerpräsidenten behaupteten, die Vergangenheit<br />
Ost mit ihrem Strukturwandel<br />
und den Bevölkerungsverlusten sei die Zukunft<br />
West. Sehen Sie tatsächlich dramatische<br />
Veränderungen in den alten Bundesländern?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Im Westen werden<br />
wir in Teilbereichen eine ähnliche Entwicklung<br />
bekommen. Aber das gilt nicht<br />
flächendeckend; manche <strong>Regionen</strong> werden<br />
durchaus auch weiterhin wachsen.<br />
Die primär demographisch bedingten<br />
Prozesse verlaufen aber deutlich langsamer<br />
und später als im Osten. Deshalb ist<br />
Blaupause ein fragwürdiger Begriff.<br />
W&M: Was hat denn die Wissenschaft für<br />
Vorschläge, die Daseinsvorsorge in <strong>sich</strong> ent<strong>leeren</strong>den<br />
Räumen zu <strong>sich</strong>ern?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Es gibt viele Vorschläge,<br />
die aber häufig politisch brisant sind:<br />
Regionale Ausdünnung von staatlichen<br />
Leistungsangeboten, das heißt, dass solche<br />
Leistungen nur noch in zentralen<br />
Orten angeboten werden, aber nicht<br />
mehr flächendeckend. Oder es gibt<br />
wieder Zwergschulen mit jahrgangsübergreifendem<br />
Unterricht, Internatslösungen<br />
für ältere Schüler oder internetgestützte<br />
Lösungen. Bei der Energieversorgung,<br />
auch bei der Abwasserentsorgung<br />
könnte man dezentralisierte Angebotsformen<br />
entwickeln. Aber in einigen<br />
<strong>Regionen</strong> werden <strong>sich</strong> notwendige Leistungen<br />
nicht mehr finanzieren lassen.<br />
Denkbar ist dann, dass man den Menschen<br />
Umzugsprämien zahlt, damit sie<br />
näher an die Zentren heranrücken. Oder<br />
den Einwohnern Entschädigungen dafür,<br />
dass sie auf öffentliche Leistungsangebote<br />
verzichten.<br />
W&M: Sie halten solche Entwicklungen für<br />
unabwendbar?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Die Demografie ist<br />
eine recht zuverlässige Wissenschaft und<br />
ihre Voraussagen sind für Jahrzehnte nur<br />
mit einem kleinen Un<strong>sich</strong>erheitsfaktor<br />
belastet – mit den Ergebnissen der<br />
Wanderungsbewegungen. Der Osten<br />
schrumpft insgesamt, es gibt einen Run<br />
auf die Zentren, eine Abwanderung aus<br />
der Peripherie. Auch Unternehmen werden<br />
<strong>sich</strong> dort nicht ansiedeln, weil die<br />
Arbeitskräfte fehlen. Wo keine Wirtschaft<br />
stattfindet, gehen die Leute weg.<br />
Ein Teufelskreis. Einige <strong>Regionen</strong> werden<br />
<strong>sich</strong> tatsächlich ent<strong>leeren</strong>, Dörfer verschwinden.<br />
Für viele Menschen ist das<br />
allerdings ein befremdlicher Gedanke.<br />
W&M: Haben sie Hoffnung auf Zuwanderung?<br />
Handwerkspräsident Otto Kentzler hat<br />
einmal die Parole ausgegeben: Polen holen.<br />
JOACHIM RAGNITZ: Nein, ganz Europa<br />
verzeichnet bis auf wenige Ausnahmen<br />
wie Frankreich oder die skandinavischen<br />
Länder ähnliche Bevölkerungstendenzen<br />
10 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
wie in Deutschland. Sicher, es gibt durchaus<br />
in Europa <strong>Regionen</strong> mit hoher Arbeitslosigkeit,<br />
beispielsweise in Spanien.<br />
Aber die Wahrscheinlichkeit, dass junge<br />
Spanier ausgerechnet nach Ostdeutschland<br />
kommen, ist nicht hoch. Zumal hier<br />
keine hohen Einkünfte zu erzielen sind.<br />
W&M: Stichwort Fachkräftemangel. Stellt er<br />
<strong>sich</strong> nach Ihrer Einschätzung für die Kleinstund<br />
Kleinbetriebe besonders dramatisch dar?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Das ist absehbar. Das<br />
Problem sind nicht nur die Fachkräfte,<br />
die fehlen werden, morgen mehr als heute.<br />
Nicht nur die Belegschaften, auch die<br />
Unternehmer selbst sind inzwischen in<br />
die Jahre gekommen. Es fehlen allenthalben<br />
Nachfolger – im Chefbüro und an<br />
den Maschinen. Es gibt deshalb die ganz<br />
reale Gefahr, dass eine Reihe von Unternehmen<br />
nicht fortgeführt wird.<br />
W&M: Wann ist bei Ihnen »morgen«?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Wir werden nach unserer<br />
Einschätzung von etwa 2017 an –<br />
nach Berechnungen der Bundesagentur<br />
für Arbeit etwas später – so etwas wie<br />
Vollbeschäftigung in den neuen Ländern<br />
haben. Von da an kann die Nachfrage<br />
nach Arbeitskräften nicht mehr vollständig<br />
gedeckt werden, mit der Folge, dass<br />
Produktionseinschränkungen drohen.<br />
W&M: Vollbeschäftigung aus Mangel an Arbeitskräften?<br />
JOACHIM RAGNITZ: So lässt <strong>sich</strong> das zuspitzen.<br />
Es gibt zwar Vorschläge, mehr<br />
Frauen und ältere Menschen in Lohn und<br />
Brot zu bringen, mehr junge Leute auszubilden.<br />
Aber das wird namentlich im<br />
Osten, wo die Frauenerwerbsquote heute<br />
schon hoch ist, nicht reichen, um dann<br />
alle offenen Stellen zu besetzen.<br />
W&M: Ihr Chef, Prof. Hans-Werner Sinn, redet<br />
von Schneckentempo der Angleichung der<br />
Lebensverhältnisse. Im Unterschied dazu prophezeit<br />
Dr. Christoph Bergner, Beauftragter<br />
der Bundesregierung für die neuen Länder,<br />
das sie bis 2019 wirtschaftlich zu den westdeutschen<br />
Ländern aufschließen. Was sagen<br />
die Ihnen vorliegenden statistischen Werte?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Wir haben in den<br />
letzten 15 Jahren nur einen ganz langsamen<br />
Konvergenzprozess gehabt. Der<br />
Osten ist nicht schneller gewachsen als<br />
der Westen, die statistisch feststellbare<br />
Verringerung der Lücke bei den Pro-Kopf-<br />
Einkommen geht rechnerisch vor allem<br />
auf die Bevölkerungsschrumpfung zurück.<br />
Wir sind im Osten bei einem Bruttoinlandsprodukt<br />
– je Einwohner – von<br />
rund 70 Prozent des westdeutschen Niveaus.<br />
Und das Wachstum wird <strong>sich</strong><br />
nicht wesentlich beschleunigen. Aber:<br />
Dieser Vergleich mit Westdeutschland ist<br />
nicht wirklich zielführend.<br />
W&M: Das haben Sie eingangs schon gesagt.<br />
Warum diese Betonung?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Der Osten ist ländlich<br />
geprägt und dünn besiedelt, es fehlen<br />
die wirtschaftsstarken Zentren, Firmensitze<br />
von großen Unternehmen, wo<br />
Wertschöpfung stattfindet. Deshalb ist<br />
Westdeutschland insgesamt nicht der<br />
richtige Vergleichsmaßstab. Aufschlussreicher<br />
wäre ein Vergleich mit den<br />
gleichfalls strukturschwächeren Ländern,<br />
also beispielsweise Schleswig-<br />
Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz<br />
oder Saarland. Diese Länder liegen bei<br />
rund 83 Prozent des Niveaus West.<br />
W&M: Meint der Ost-Beauftragte diese?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Wahrscheinlich, ich<br />
bleibe aber skeptisch, dass sie bis 2019<br />
eingeholt werden. Zumal selbst die großen<br />
Agglomerationszentren des Ostens<br />
vergleichsweise schwach sind und es<br />
nicht schaffen, zu wirklichen Wachstumspolen<br />
zu werden. Außer Dresden<br />
oder Jena gibt es da wenig. Damit fehlt<br />
aber ein wichtiger Ankerpunkt für erfolgreiche<br />
Konvergenzprozesse, da damit<br />
auch Ausstrahleffekte von den Zentren<br />
in die Peripherie wegfallen.<br />
W&M: Besteht vielmehr die Gefahr, dass der<br />
Osten zurückfällt?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Nicht der ganze<br />
Osten, wohl aber einzelne <strong>Regionen</strong>. Wo<br />
die Bevölkerung insgesamt um 20 Prozent<br />
schrumpft, die Zahl der Erwerbspersonen<br />
aber sogar um 40 Prozent, wird die<br />
Wirtschaftskraft sinken, auch wenn <strong>sich</strong><br />
das wegen der Transfersysteme nicht<br />
sofort auch im Wohlstandsniveau der<br />
Bevölkerung niederschlagen muss.<br />
W&M: Lesen Bundesminister Ihre Papiere?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Das weiß ich nicht;<br />
zumindest aber haben Regierungen die<br />
Neigung, die Lage wie auch die Perspektiven<br />
schöner darzustellen als sie sind –<br />
man will ja wiedergewählt werden. Immerhin,<br />
in der Ministerialverwaltung<br />
werden unsere Analysen und Vorschläge<br />
durchaus zur Kenntnis genommen; inso-<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 11
GESPRÄCH<br />
JOACHIM RAGNITZ im Gespräch mit den W&M-<br />
Redakteuren Thomas Schwandt und Helfried Liebsch.<br />
weit beklage ich mich auch nicht. Insgesamt<br />
sehe ich aber einen weiteren Bedarf<br />
für eine spezifische »Ostforschung«.<br />
W&M: Was gehört auf eine Agenda Ost?<br />
JOACHIM RAGNITZ: An erster Stelle sehe<br />
ich den Bedarf bei der Bildung, bei Forschung<br />
und Entwicklung. Da läuft in<br />
einigen Ländern etwas schief. Man ruht<br />
<strong>sich</strong> darauf aus, dass man bei den PISA-<br />
Studien ganz gut dasteht, übersieht aber,<br />
dass eine ganze Reihe von Schülern aus<br />
dem System herausfällt, keinen Abschluss<br />
schafft. Hier gehen uns junge<br />
Menschen verloren, die ihr Leben lang<br />
wohl nicht mehr am Arbeitsmarkt zu<br />
reüssieren vermögen. Bei Forschung und<br />
Entwicklung setzen die Länder jetzt auf<br />
Exzellenz und versuchen in Hightech-Bereichen<br />
zu punkten; wenn das alle tun,<br />
schafft man nur Mittelmäßigkeit. In die<br />
Photovoltaik wurde viel Geld gepumpt.<br />
Nun hebt ein Wehklagen an, dass die Chinesen<br />
kostengünstiger produzieren. Kurzum,<br />
wir brauchen eine Innovationsförderung,<br />
aber sie sollte technologieneutral<br />
erfolgen. Finanziert werden könnte<br />
dies durch ein Umsteuern von der bisherigen<br />
Sachkapitalförderung.<br />
W&M: Die Bundeskanzlerin hält die Investitionszulage<br />
Ost für verzichtbar. Sie auch?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Seit zehn Jahren.<br />
W&M: Auch, dass mit der Ausweitung von ursprünglich<br />
für den Osten gedachten Förderungen<br />
auf ganz Deutschland die Zuwendungen<br />
für die neuen Länder zurückgehen?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Nein, ich halte den<br />
Förderbedarf im Osten weiter für höher<br />
als im Westen, selbst für höher als in den<br />
strukturschwachen <strong>Regionen</strong> dort, wie<br />
in Gelsenkirchen oder Bremerhaven.<br />
Dort hat man ja die wirtschaftsstarken<br />
<strong>Regionen</strong> vor der Haustür und kann dorthin<br />
auspendeln – hier ist alles schwach.<br />
Schon deshalb bin ich für eine weitere<br />
Ostpräferenz. Realistischerweise ist das<br />
ist aber vom Bund nicht zu erwarten, er<br />
hat <strong>sich</strong> aus der Ostförderung<br />
weitgehend zurückgezogen. Es<br />
gibt faktisch nur noch das<br />
Programm »Unternehmen Region«<br />
des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung<br />
und die Gemeinschaftsaufgabe<br />
»Verbesserung der regionalen<br />
Wirtschaftsstruktur«. Vermutlich<br />
werden auch diese Programme<br />
künftig eher gesamtdeutsch<br />
angelegt.<br />
W&M: Das heißt, die Ost-Länder<br />
müssen für den Bund einspringen?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Ja, es geht<br />
nicht anders. Hierfür dient ja<br />
der Solidarpakt II, der zwar degressiv<br />
gestaltet ist, wo es aber<br />
die Länder mit Ausnahme von<br />
Sachen und Mecklenburg-Vorpommern<br />
aber immer noch nicht schaffen, die Gelder<br />
komplett wachstumsrelevant einzusetzen.<br />
Und das heißt, dass die Mittel aus<br />
Brüssel, die auch ab 2014 zurückgehen,<br />
entsprechend genutzt werden müssen.<br />
W&M: Wo sehen Sie denn Chancen, die Ausfälle<br />
zu kompensieren?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Ein weiterer Solidarpakt<br />
ist illusorisch. Man kann aber<br />
schauen, ob man in den Länderfinanzausgleich,<br />
der gleichfalls Ende des Jahr-<br />
ZUR<br />
PERSON<br />
Bitterfelder Aufbauhelfer<br />
Wenn der 1960 in Nordhorn (Niedersachsen)<br />
geborene Joachim Ragnitz in<br />
den Ruhestand geht, so hoffte er unlängst<br />
zweideutig, könnte »der Aufbau<br />
Ost geschafft sein«. Der jetzt zum<br />
Honorarprofessor an die TU Dresden<br />
berufene Ökonom, der <strong>sich</strong> durchaus als<br />
Aufbauhelfer versteht, hat mecklenburgische<br />
Wurzeln. Seine Mutter stammt<br />
aus Lübz, sein Vater aus Mirow. 1994<br />
kam Dr. Ragnitz aus Wiesbaden ins Institut<br />
für Wirtschaftsforschung Halle<br />
und wurde 2007 stellvertretender<br />
Geschäftsführer des ifo Dresden. Seit<br />
2002 wohnt der Wirtschaftswissenschaftler<br />
in – Bitterfeld. Nach dem Einzug<br />
flutete die Mulde erst einmal den<br />
Keller. Glück gehabt, sagt er, bei anderen<br />
stand Jahrhundertwasser im ersten<br />
Stock. Obwohl er in Dresden eine Wohnung<br />
hat, hängt er an dem alten Haus,<br />
an der Region und vor allem an seiner<br />
zehnjährigen Tochter in Bitterfeld-Wolfen.<br />
Dass bis zu seinem Renteneintritt<br />
die Lebensverhältnisse in Deutschland<br />
angeglichen sind, bezweifeln heute die<br />
meisten Ökonomen. Sicher ist nur, dass<br />
dann eine kritisch-konstruktive Stimme<br />
fehlt – die des wohl bekanntesten Ostdeutschlandforschers.<br />
zehnts ausläuft, eine demografische<br />
Komponente hinein bekommt. Da die<br />
Anpassung an die rückläufige Bevölkerung<br />
mit zusätzlichem Ausgabenbedarf<br />
verbunden ist, gibt es hierfür auch<br />
durchaus Anlass. Diese Komponente<br />
kann zwar nicht ostspezifisch sein, würde<br />
aber die neuen Länder begünstigen.<br />
Und wenn die regionalen Unterschiede<br />
in der Wirtschaftskraft in den nächsten<br />
Jahren zunehmen, wird man vermutlich<br />
auch im Rahmen der Regionalförderung<br />
nach 2020 noch überproportional Mittel<br />
in die neuen Länder lenken müssen.<br />
W&M: Was steht noch auf Ihrer Agenda?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Ein zweiter Punkt ist<br />
die künftige Rentenfinanzierung. Ich<br />
sehe ein riesiges Problem in der Altersarmut,<br />
die auf die neuen Länder zukommt.<br />
Das hat nichts mit einer Benachteiligung<br />
der Ost-Rentner zu tun, mit einer<br />
ungerechten Rentenformel, sondern<br />
mit den unterbrochenen Erwerbsbiografien<br />
nach der Wende. Da müsste eine Art<br />
staatlicher Transfer organisiert werden,<br />
sonst wird es schlimm hier.<br />
W&M: Ulrich Blum, der Ex-Präsident des Instituts<br />
für Wirtschaftsforschung Halle, sieht<br />
Licht, das aus der Energiewende kommt. Im<br />
Osten sei das Tempo bei den erneuerbaren<br />
Energien höher und Deutschland brauche die<br />
Braunkohle. Wunsch oder Wirklichkeit?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Mehr Wunsch als<br />
Wirklichkeit. Richtig ist, dass es eine Reihe<br />
von Herstellern von Windrädern im<br />
Osten gibt, aber die installierten Anlagen<br />
selbst bringen kaum Arbeitsplätze oder<br />
Wertschöpfung. Auch auf See nicht. Bei<br />
der Photovoltaik sehe ich in der Herstellung<br />
von Solarzellen keine große Zukunft,<br />
der Zug ist abgefahren in Richtung<br />
Asien. Chancen gibt es vielleicht<br />
noch in der Biogaserzeugung. Bei der<br />
Braunkohle wiederum haben wir das<br />
Problem, dass die Klimaschutzziele der<br />
Ab<strong>sich</strong>t entgegenstehen, sie als Brückentechnologie<br />
zu nutzen. Und für neue<br />
Kohlekraftwerke kann <strong>sich</strong> sowieso niemand<br />
recht begeistern.<br />
W&M: Investoren sind abgeschreckt?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Ja, von der Wechselhaftigkeit<br />
politischer Entscheidungen<br />
auf diesem Markt. Auch ist nicht bedacht<br />
worden, dass bei einem liberalisierten<br />
Strommarkt in Europa, der bestimmt<br />
kommt, alternativer Strom aus Deutschland<br />
zu teuer wird. Da wird dann billigerer<br />
Strom aus dem Ausland importiert –<br />
also auch kein Grund, hier groß in Energieerzeugungssysteme<br />
zu investieren.<br />
W&M: Könnte Sie bitte die ad-hoc-Energiewende<br />
in wenigen Worten charakterisieren?<br />
JOACHIM RAGNITZ: Dieser Alleingang ist<br />
ein sehr waghalsiges Unterfangen!<br />
W&M: Wir danken für das Gespräch.<br />
12 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
SPECIAL<br />
Fotos: Enertrag, T. George, T. Schwandt, ThyssenKrupp<br />
Energiewende<br />
Ein waghalsiges Unterfangen<br />
Die Abkehr vom Atomstrom nimmt die Last unkalkulierbarer Risiken. Mit der Hinwendung zu den<br />
erneuerbaren Energien drohen der Wirtschaft Ost aber andere, heute noch unabsehbare Lasten.<br />
Am Anfang hatte die Energiewende<br />
in Deutschland die Leichtigkeit eines<br />
Federstrichs. Als genügte es,<br />
den Atom-Ausstieg politisch zu proklamieren<br />
und den Schalter einfach auf<br />
erneuerbare Energien umzulegen. Und<br />
der Osten, wo der Anteil von Ökostrom<br />
regional die 50-Prozent-Marke bereits<br />
überschritten hat, frohlockte. Der Ex-Präsident<br />
des Instituts für Wirtschaftsforschung<br />
Halle, Ulrich Blum, sieht in der<br />
Energiewende gar eine »Umverteilung<br />
zugunsten des Ostens«.<br />
In der Stunde Null des Atomausstiegs<br />
sind die ostdeutschen Länder in der Tat<br />
besser vorbereitet auf das Erneuerbare-<br />
Energien-Zeitalter als viele westdeutsche<br />
<strong>Regionen</strong>. An Mecklenburg-Vorpommerns<br />
Ostseeküste ist ein erster Offshore-Windpark<br />
errichtet worden, auf<br />
dem Festland entsteht bei Altentreptow<br />
der bisher leistungsstärkste Windpark<br />
im Nordosten. Milliarden wurden in Mitteldeutschland<br />
in die Photovoltaik-Industrie<br />
investiert und Berlin mausert <strong>sich</strong><br />
zur Hauptstadt der E-Mobilität.<br />
Doch der frühe Ökostrom-Trip im<br />
Osten droht <strong>sich</strong> im gesamtdeutschen<br />
Kontext der Energiewende zu ungunsten<br />
der neuen Länder zu verkehren. Beim<br />
notwendigen Ausbau des Stromleitungsnetzes<br />
bleiben die Milliarden-Kosten in<br />
Form hoher Netzentgelte an den Ländern<br />
hängen, die besonders viel erneuerbare<br />
Energie einspeisen. Eine »politische<br />
Fehlsteuerung« nennt dies Mecklenburg-<br />
Vorpommerns Landeschef Erwin Sellering.<br />
Wie schwierig es <strong>sich</strong> gestalten<br />
wird, auf Bundesebene zu einer gerechten<br />
Lastenverteilung zu kommen, deutete<br />
er auf der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz<br />
Ost an. Klar sei, »dass die 16<br />
Länder bei erneuerbaren Energien nicht<br />
gleichgerichtete Interessen haben«.<br />
Ungemach für die ostdeutschen Ökostrom-Vorreiter<br />
kündigt <strong>sich</strong> auch aus<br />
Brüssel an. Bis 2013 strebt die EU eine<br />
weitgehende Freischaltung des europäischen<br />
Strommarktes an. Ein überfälliger<br />
Schritt aus Sicht der EU-Marktliberalisierer.<br />
Bei absehbar weiterer Erhöhung der<br />
Ökostrom-Umlage in Deutschland wird<br />
hier produzierter Strom in Europa dann<br />
zu teuer und nicht mehr wettbewerbsfähig<br />
sein, befürchtet der Ostwirtschaftsexperte<br />
Dr. Joachim Ragnitz. Auch wegen<br />
der damit verbundenen Schwächung des<br />
Standorts Ostdeutschland hält er die<br />
Energiewende für ein »sehr waghalsiges<br />
Unterfangen«.<br />
Die Bundespolitik hat die Energiewende<br />
losgetreten. An ihr ist es jetzt, unter<br />
anderem beim Netzausbau, bei den<br />
Netzentgelten und bei der Förderung<br />
von E-Mobilität für bundeseinheitliche<br />
Regeln zu sorgen. Damit die Wende nicht<br />
nur ein Bekenntnis bleibt, sondern ein<br />
gesamtdeutsch getragenes Projekt wird.<br />
Thomas Schwandt<br />
14 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
Weltpremiere in der Uckermark<br />
Erstes Hybridkraftwerk in Betrieb<br />
Eine hoch innovative Industrieanlage bei Prenzlau koppelt<br />
Windkraft, Biogas und Wasserstoff. Dieser Tage fiel der Startschuss<br />
für das Pilotprojekt des Energieunternehmens Enertrag.<br />
ANGELAUFEN: Das neue Kraftwerk.<br />
dern ist in diesem Bereich ständig auf<br />
der Suche nach neuen Ansätzen und Lösungen«,<br />
sagt Enertrag-Vorstandsvorsitzender<br />
Jörg Müller. »Mit dem Hybridkraftwerk<br />
leisten wir einen Beitrag bei<br />
den Bemühungen um eine Optimierung<br />
der Speichermöglichkeiten«.<br />
Diese Innovations-Orientierung hat<br />
Enertrag in den letzten Jahren im Norden<br />
Brandenburgs mit mehreren Hundert<br />
Windkraft- und Biogasanlagen umgesetzt.<br />
Gemanagt wird der Verbund dezentraler<br />
Energieerzeugungsanlagen als<br />
virtuelles »Kraftwerk Uckermark«, das<br />
mittlerweile eine Gesamtleistung von<br />
303 Megawatt in das europäische Verbundnetz<br />
einspeist. 283 MW stammen<br />
aus Windkraft, 20 MW aus Biomasse.<br />
Dazu gehört auch ein eigenes Hochspan-<br />
Über den Äckern der Uckermark drehen<br />
<strong>sich</strong> die Rotoren der Windräder von<br />
Enertrag. Seit 1998 erntet das Brandenburger<br />
Energie-Unternehmen den Strom<br />
aus der Höhe und verkauft ihn an kommunale<br />
Abnehmer. Auf das Problem der<br />
Windkraft, ihre Diskontinuität, hat Enertrag<br />
jetzt mit einer Innovation reagiert:<br />
Das Hybridkraftwerk, das die Energieträger<br />
Wind und Biomasse in speicherbaren<br />
Wasserstoff umwandelt. Ende Oktober<br />
ging das Kraftwerk zwischen Dauerthal<br />
und Prenzlau in Betrieb. Es ist weltweit<br />
die erste industrielle Anlage, in der<br />
Windkraft, Biogas und Wasserstoff physikalisch<br />
miteinander gekoppelt sind.<br />
»Unser Unternehmen setzt nicht nur<br />
auf die Nutzung der Windenergie, sonnungsnetz<br />
mit 250 Kilometern Erdkabel<br />
und vier Umspannwerken. In diesem<br />
Strompark bildet nun das neue Hybridkraftwerke<br />
ein Speicher-Modul.<br />
Das Pilotprojekt mit einem Investitionsvolumen<br />
von 21 Millionen Euro wird<br />
vom Land Brandenburg und dem Bundesverkehrsministerium<br />
gefördert. Projektpartner<br />
sind die Brandenburgische<br />
Technische Universität Cottbus, der Energieriese<br />
Vattenfall, der Treibstoffhersteller<br />
Total Deutschland sowie die Deutsche<br />
Bahn. Mit dem Projekt soll bewiesen<br />
werden, dass auch aus den fluktuierenden<br />
Energien eine Grundlast-Versorgung<br />
mit Elektrizität gewährleistet werden<br />
kann. Der Treibstoff Wasserstoff soll verstärkt<br />
im Verkehr eingesetzt werden.<br />
Das Hybridkraftwerk besteht aus vier<br />
Komponenten: Drei Windrädern mit einer<br />
Leistung von jeweils zwei MW, zwei<br />
Biomasse-Silos, aus denen Biogas gewonnen<br />
wird, einer Elektrolyse-Anlage mit<br />
angeschlossenen Wasserstoff-Tanks sowie<br />
zwei Blockheizkaftwerken mit je<br />
350 kW. Herzstück des Komplexes ist der<br />
Elektrolyseur, der von den Enertrag-Ingenieuren<br />
selbst entwickelt wurde, weil<br />
es ihn – im Unterschied zu den anderen<br />
Komponenten des Kraftwerks – noch<br />
nicht am Markt zu kaufen gibt.<br />
Der Strom aus den Windkraftanlagen<br />
wird über ein Mittelspannungskabel in<br />
den Elektrolyseur geführt, wo er Wasser<br />
in die beiden Gase Wasserstoff (120 Kubikmeter<br />
pro Stunde) und Sauerstoff (60<br />
Kubikmeter) aufspaltet. Während der<br />
Sauerstoff in die Atmosphäre geht, wird<br />
der Wasserstoff von einem Kompressor<br />
mit 31 Bar in fünf Druckbehälter mit<br />
einem Fassungsvermögen von 1.350 Kilogramm<br />
gepumpt. Die beiden BHKW können<br />
bei Bedarf das Gas (ein Mischgas aus<br />
30 Prozent Biogas und 70 Prozent Wasserstoff)<br />
in Strom und Wärme umwandeln.<br />
Jedes BHKW erzeugt 2.777 MWh<br />
elektrische und 2.250 MWh thermische<br />
Energie pro Jahr. Die Wärme soll in das<br />
Netz der Stadt Prenzlau eingespeist werden<br />
und deckt den Heizbedarf vom 80<br />
Einfamilienhäusern.<br />
Die Kombination der einzelnen Energietechniken<br />
sorgt dafür, dass extreme<br />
Situationen auf der Angebotsseite ausgeglichen<br />
werden können: Durch den Elek-<br />
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Beschlusses des Deutschen Bundestages.<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 15
SPECIAL<br />
Thema Energie ganz nach oben auf den<br />
Schild seiner Politik.<br />
In den erneuerbaren Energien sieht<br />
Sellering die größten wirtschaftlichen<br />
Wachstumschancen für den Nordosten.<br />
Bis 2020 prognostiziert eine Studie des<br />
Rostocker Instituts Energie-Umwelt-Beratung<br />
(EUB) in der Branche einen Anstieg<br />
der direkten und indirekten Arbeitsplätze<br />
von 6.000 (im Jahr 2005) auf bis zu<br />
21.000. Im zurückliegenden Wahlkampf<br />
unterstrich Sellering seine An<strong>sich</strong>t mit<br />
der Ab<strong>sich</strong>t, alle verwaltungs- und wirtschaftsrelevanten<br />
Kompetenzen, Kapazitäten<br />
und Verfahren in einem neu zu<br />
bildenden Energie- oder Zukunftsministerium<br />
zu bündeln oder in einem der<br />
bestehenden Ressorts wie Verkehr und<br />
Bau oder Wirtschaft zu konzentrieren.<br />
Sellerings Energie-Masterplan war ein<br />
Kernthema der Koalitionsverhandlungen<br />
mit der CDU. Beide Seiten einigten<br />
<strong>sich</strong> darauf, einen solchen zentralen Anlaufpunkt<br />
für alle Energie-Aktivitäten<br />
im Land zu schaffen.<br />
In Mecklenburg-Vorpommern, wo aktuell<br />
bereits über 50 Prozent des erzeugten<br />
Stroms aus Windenergie und Biomasse<br />
stammt, hat <strong>sich</strong> die Landespolitik bei<br />
sauberen Energien ehrgeizige Ziele gesteckt.<br />
Um zum Energie-Exporteur aufzusteigen,<br />
soll die Stromerzeugung aus erneuerbaren<br />
Energien im Land »bis 2020<br />
verfünffacht werden«, heißt es aus dem<br />
Wirtschaftsministerium in Schwerin. Allein<br />
das Energieaufkommen aus Windkraft<br />
soll gegenüber 2005 bis zum Jahr<br />
2020 von 1774 Gigwattstunden ((GWh)<br />
auf über 10.000 GWh gesteigert werden.<br />
Genauso zügig, wie die ad hoc eingeläutete<br />
Energiewende das Land zwischen<br />
Mecklenburger Bucht und Stettiner Haff<br />
auf die vermeintliche Siegerstraße geschoben<br />
hat, genauso rasch aber haben<br />
Sellering und Co. erkennen müssen, dass<br />
gratis wehender Wind und landespolitischer<br />
Wille keine Garanten sind für die<br />
eigenen Energiepläne. Insbesondere auf<br />
die Offshore-Windenergie zu setzen, hat<br />
<strong>sich</strong> schnell als eine Strategie mit zahlreichen<br />
Risikofaktoren entpuppt.<br />
Zwar sind Entwicklung, Projektierung<br />
und der Bau von Windkraftanlagen auf<br />
hoher See forciert worden. Im Mai dieses<br />
Jahres ging vor der Küste Mecklenburgtrolyseur<br />
werden bei viel Wind die Leistungsspitzen<br />
gekappt (500 kW), durch<br />
die Blockheizkraftwerte können bei Flaute<br />
Leistungssenken kompensiert werden<br />
(700 kW). So soll das Hybridkraftwerk<br />
wie ein Grundlastkraftwerk wirken.<br />
Als Joker im Energiespiel könnte <strong>sich</strong><br />
der Wasserstoff erweisen, der als Treibstoff<br />
per Tankwagen nach Berlin gebracht<br />
wird. Dort wird er an zwei Total-<br />
Tankstellen an Wasserstoff-Fahrzeuge abgegeben,<br />
deren Brennstoffzellen das Gas<br />
wieder in Strom umwandeln und den<br />
Elektromotor antreiben. »Die Nachfrage<br />
nach Wasserstoff wird in den kommenden<br />
Jahren rapide zunehmen«, so Enertrag-Vorstand<br />
Müller. Die Clean Energy<br />
Partnership (CEP) von Mineralölkonzernen<br />
und Automobilherstellern will in<br />
Deutschland bis 2020 für ein Netz von<br />
1.000 Wasserstoff-Tankstellen sorgen sowie<br />
500.000 Fahrzeuge. Für diese wäre –<br />
neben dem Vorteil der höheren Energiedichte,<br />
was Langstreckenfahrten ermöglicht<br />
– der klimaneutral hergestellte<br />
Wind-Wasserstoff ein Öko-Argument.<br />
Neben dem Verkehr hat Müller das<br />
Gasnetz im Untergrund im Blick. Nicht<br />
ohne Grund ist das Hybridkraftwerk an<br />
der Erdgasfernleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung)<br />
errichtet worden.<br />
Wasserstoff eignet <strong>sich</strong> hervorragend<br />
als Zumischung zum Erdgas. Wenn<br />
die Gas-Branche anfängt, über »grünere«<br />
Geschäftsmodelle ihres fossilen Energieträgers<br />
nachzudenken, kommt die Enertrag-Technik<br />
wie gerufen.<br />
Jörg Müller: »Es ist ein Riesenfortschritt,<br />
dass <strong>sich</strong> Deutschland von der<br />
Kernenergie verabschiedet hat«, sagt der<br />
Enertrag-Chef. Doch müsste die Umstellung<br />
auf erneuerbare Energien viel<br />
schneller vonstatten gehen. Gebraucht<br />
würden in Deutschland 100.000 Windkraftanlagen,<br />
etwas mehr als Viertel davon<br />
stehen bereits. Vor allem das Genehmigungs-Umfeld<br />
müsste an Tempo zulegen.<br />
Auch beim Hybridkraftwerk, für das<br />
im April 2009 Bundeskanzlerin Merkel<br />
den Grundstein gelegt hatte, war ein<br />
schleppendes Genehmigungsverfahren<br />
ein Grund für die Bauverzögerung.<br />
Enertrag selbst hat 460 Windenergieanlagen<br />
errichtet, die 1,6 Milliarden Kilowattstunden<br />
Strom jährlich produzieren.<br />
Das deckt den Haushaltsbedarf von<br />
über einer Million Menschen. Das Unternehmen<br />
beschäftigt rund 400 Mitarbeiter,<br />
davon 150 in der Region Uckermark.<br />
2010 erzielte Enertrag einen Umsatz von<br />
250 Millionen Euro. Für 2011 erwartet<br />
Müller einen gleich hohen Betrag – zur<br />
Hälfte aus dem Bau von Windkraftanlagen<br />
und dem Stromverkauf.<br />
Manfred Ronzheimer<br />
Erneuerbare Energien im Nordosten<br />
Masterplan hängt am Netz<br />
Das wirtschaftlich strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern<br />
setzt im Sog des Atomausstiegs voll auf erneuerbare Energien.<br />
Doch eine Insel der glückseligen Stromerzeuger bedeutet das nicht.<br />
Das ostdeutsche Küstenland Mecklenburg-Vorpommern<br />
ist eine windige Ecke.<br />
Der Wind weht über Ostsee und Land<br />
häufiger und kräftiger als in vielen anderen<br />
deutschen <strong>Regionen</strong>. Und er weht<br />
gratis. Ein Geschenk des Himmels, zumal<br />
in Zeiten, in denen mit einer fulminanten<br />
Kehrtwende in der Energiepolitik<br />
plötzlich Windkraftanlagen zu den<br />
Strommaschinen der Nation avancieren<br />
und atomare Strommeiler abgeschaltet<br />
werden.<br />
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidenten<br />
und Sieger der diesjährigen<br />
Landtagswahlen Erwin Sellering hat der<br />
Energiewende-Wind politisch voll in die<br />
Segel geblasen. In einem W&M-Interview<br />
vom Herbst 2010 hatte der SPD-Politiker<br />
die damals frisch besiegelte Verlängerung<br />
der Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke<br />
»als falsch« bezeichnet und<br />
kritisiert: »Die Kanzlerin nimmt den<br />
Schwung aus der Entwicklung der erneuerbaren<br />
Energien.« Spätestens nach der<br />
nuklearen Fukushima-Katastrophe im<br />
Frühjahr hob der Ministerpräsident das<br />
OFFSHORE: Baltic I vor der Ostseeküste<br />
16 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
SPECIAL<br />
Vorpommerns mit »Baltic 1« der erste auf<br />
der Ostsee kommerziell genutzte deutsche<br />
Offshore-Windpark in Betrieb. Die<br />
21 Windräder, rund zwölf Kilometer vom<br />
Festland entfernt, können den Strombedarf<br />
für 50.000 Haushalte abdecken.<br />
Doch »Baltic 1« ging ein geschlagenes<br />
halbes Jahr später ans Netz, als ursprünglich<br />
geplant und betriebswirtschaftlich<br />
kalkuliert worden war. Immer wieder<br />
hatte ungünstiges Wetter die seeseitigen<br />
Bauarbeiten verzögert.<br />
Auch sind die technisch-technologischen<br />
Systemlösungen nicht praxiserprobt<br />
in den Widrigkeiten von Wind<br />
und Wasser auf dem Meer. Im September<br />
sorgte der vom Energieversorger EnBW<br />
betriebene 200 Millionen Euro teure<br />
Offshore-Windpark bundesweit für<br />
Schlagzeilen, weil planmäßige Wartungsarbeiten<br />
<strong>sich</strong> ungewöhnlich lange<br />
verzögerten und sämtliche Windräder<br />
mehr als vier Wochen still standen. Technische<br />
Probleme haben auch die Windpark-Projekte<br />
an der Nordsee gebremst.<br />
Hier mussten Maschinengondeln sogar<br />
von den Türmen demontiert und an<br />
Land instand gesetzt werden.<br />
Auch erfuhr das Schiffbauland Mecklenburg-Vorpommern<br />
einen herben<br />
Dämpfer, als die ersten Aufträge zum<br />
Bau von dringend benötigten Offshore-<br />
Errichterschiffen von den deutschen Investoren<br />
an Werften in Polen oder Südkorea<br />
vergeben wurden. Der Wunschtraum<br />
von der Offshore-Chance für die<br />
krisengebeutelte Werftindustrie prallte<br />
auf die internationale Wettbewerbswirklichkeit.<br />
Dabei hatte erst in diesem Jahr<br />
eine Studie der Wirtschaftsprüfungsund<br />
Beratungsgesellschaft KPMG den<br />
deutschen Werften in der Offshore-Windenergie<br />
ein Umsatzvolumen von 18 Milliarden<br />
Euro bis 2020 bescheinigt.<br />
Im Kampf um die Windmühlen auf<br />
hoher See lauern jedoch die größten Hindernisse<br />
an Land. Um den erzeugten<br />
Strom von der Küste in südlichere Gefilde<br />
ableiten zu können, ist ein erheblicher<br />
Ausbau des bundesweiten Hochspannungsnetzes<br />
unumgänglich. Milliardenschwere<br />
Investitionen, die <strong>sich</strong> in<br />
steigenden Netzentgelten niederschlagen<br />
werden. Hier befürchtet die Landespolitik<br />
in Mecklenburg-Vorpommern,<br />
dass das Flächenland als Vorreiter bei erneuerbaren<br />
Energien auf den hohen Kosten<br />
für den Netzausbau allein sitzen<br />
bleibt. Öko-Strom nutze nicht nur den<br />
Erzeugerländern, heißt es in Schwerin.<br />
Ressourcenschonung und Klimaschutz<br />
seien »ein gesamtdeutscher Vorteil«.<br />
Auf Bundesebene sucht Mecklenburg-<br />
Vorpommern deshalb nach Verbündeten,<br />
um eine »gerechte Verteilung« der<br />
Netzausbau- und Folgekosten im Bund<br />
zu erwirken. Am ehesten zum Schulterschluss<br />
bereit dürften die ostdeutschen<br />
Bundesländer sein. Die Bundesnetzagentur<br />
hat vor einiger Zeit festgestellt, dass<br />
in Ostdeutschland schon jetzt die Netzentgelte<br />
deutlich höher liegen als im<br />
Westen. Um gut 30 Prozent. Was unter<br />
anderem auf geringeren Stromabsatz<br />
und niedrigere Netzauslastung zurückzuführen<br />
ist. Ohne bundesweite Umlage<br />
droht die Netzentgelt- und Strompreisschere<br />
weiter auseinander zu gehen.<br />
Der Energie-Masterplan in Mecklenburg-Vorpommern<br />
birgt wirtschaftliche<br />
Wachstumschancen. Bleibt die Solidarität<br />
der anderen Bundesländer aber aus,<br />
kehrt er <strong>sich</strong> ins Gegenteil. Hohe Strompreise<br />
sind kontraproduktiv für Industrieansiedlungen<br />
und schwächen die<br />
Wettbewerbsfähigkeit bestehender Unternehmen.<br />
Ministerpräsident Sellering<br />
würde unfreiwillig zum Don Quichotte<br />
des Nordens.<br />
Thomas Schwandt
SPECIAL<br />
Fachmesse Clean Tech World<br />
Strom im Tank<br />
In Deutschland mausert <strong>sich</strong> Berlin zur Hauptstadt der E-Mobilität.<br />
Die Messe Clean Tech World gilt als internationales Schaufenster<br />
dieser sauberen und umweltschonenden Fortbewegungstechnologie.<br />
KLEIN, ABER FEIN: Elektroautos auf der Clean Tech World.<br />
Clean Tech, das meint sauber, abgasfrei<br />
und umweltschonend. Auf dem inzwischen<br />
stillgelegten Berliner Flughafen<br />
Tempelhof war Ende September zu erleben,<br />
welches Niveau in dieser speziellen<br />
Technologie-Sparte erreicht worden ist.<br />
Im Hangar 2 wurde zum zweiten Mal die<br />
Messe Clean Tech World veranstaltet. Im<br />
Mittelpunkt standen Mobilitätslösungen<br />
auf Elektrobasis und Angebote vor allem<br />
zum verstärkten Einsatz erneuerbarer<br />
Energien. Im Spiegel der Clean Tech<br />
World hat <strong>sich</strong> gezeigt, Deutschlands<br />
große Produzenten und auch Politiker<br />
stehen noch am Anfang des Weges.<br />
Eine Schwalbe macht noch keinen<br />
Sommer. Das wissen auch die Suhler Motorradwerker.<br />
Zum Erstaunen der Besucher<br />
schwirrte das alte DDR-Mopedmodell<br />
»Schwalbe« durch die Clean Tech<br />
World. Nicht als Museumsstück. Die<br />
neue »Schwalbe« ist eine Elektro-Version.<br />
Designt im klassischen Retrolook bringt<br />
es das stromgetriebene Modell auf eine<br />
Spitzengeschwindigkeit von 81 kmh, wie<br />
Geschäftsführer Daniel Schmid erklärt.<br />
Der Akkumulator »ist überall aufladbar«<br />
und der Werbeprospekt frohlockt: »Ein<br />
Klassiker wird klimafreundlich.«<br />
Etwa 4.700 Euro kostet die »e-Schwalbe«<br />
laut dem Suhler Hersteller. Dafür fallen<br />
bei Nutzung von Ökostrom weniger<br />
als 75 Cent je 100 Fahrkilometer an Betriebskosten<br />
an. Ein vergleichbarer Benziner<br />
müsste für rund vier bis fünf Euro<br />
tanken müssen, um das gleiche Ergebnis<br />
zu erzielen. Ende 2010 war in Suhl die<br />
Herstellerfirma gegründet worden. Ab<br />
kommendem Frühjahr, so hofft Schmid,<br />
könne die Massenproduktion starten.<br />
Während auf dem Automobilmarkt in<br />
Deutschland die meisten großen Hersteller<br />
noch mit der Serienproduktion von<br />
E-Mobilen abwarten, ist der japanische<br />
Konzern Mitsubishi Motors bereits weit<br />
vorgeprescht. Seit 2009 ist das Elektroauto<br />
MIEV serienfertig am Markt, berichtete<br />
Stefan Büttner auf der Clean Tech<br />
World. Weltweit seien bisher rund 18.000<br />
dieser Fahrzeuge verkauft worden. Seit<br />
einem halben Jahr bewähre <strong>sich</strong> der<br />
MIEV problemlos auch auf deutschen<br />
Straßen. »Wir sind die ersten und bislang<br />
einzigen, die in bedeutendem Umfang<br />
liefern können«, schätzt er ein. Anders<br />
als hierzulande, wo die Bundesregierung<br />
noch über möglicher Förderungen des e-<br />
Mobil-Einsatzes nachdenke, werden diese<br />
im europäischen Ausland bereits praktiziert.<br />
»In Frankreich, Österreich, den<br />
Niederlanden und Großbritannien gibt<br />
es das bereits«, zählt Büttner auf.<br />
Mitsubishi ruht <strong>sich</strong> nicht auf dem erreichten<br />
Niveau aus, sondern treibt die<br />
Entwicklung weiter voran. »2012 liefern<br />
wir die Hybrid-Variante aus«, kündigte<br />
Büttner an. Das Auto wird auf Elektrobasis<br />
angetrieben, und bei Bedarf kann der<br />
Fahrer einen Benzinmotor zuschalten.<br />
Kreative umweltfreundliche Lösungen<br />
waren auf der Clean Tech World<br />
auch aus Polen zu entdecken. Dort wird<br />
der SAM produziert, ein mit bis zu vier<br />
Sitzen bestücktes Kleinfahrzeug. Der<br />
Clou: Die Energie, die beim Bremsen frei<br />
und gespeichert wird, kann wieder für<br />
den Antrieb genutzt werden. Aussteller<br />
Karsten Klay blickt durchaus kritisch auf<br />
die Abwartehaltung vieler renommierter<br />
deutscher Automobilkonzerne. »Audi<br />
und VW sagen, in ein bis zwei Jahren seien<br />
ihre E-Modelle verfügbar. Viele kleine<br />
Betriebe gehen dagegen ein großes Wagnis<br />
ein und leisten vorbereitende Arbeit.«<br />
Mit den »fossilen deutschen Autopäpsten«<br />
hart ins Gericht ging Christian Heep<br />
vom Bundesverband e-Mobilität. Er<br />
spricht von einem flächendeckenden<br />
Verzögerungsvorgang, der einer Verweigerung<br />
gleichkomme. Er stellte auch den<br />
deutschen Leitmarktanspruch auf diesem<br />
Gebiet in Frage. Politische Rahmenbedingungen<br />
zur Förderung von Elektrofahrzeugen<br />
ließen auf <strong>sich</strong> warten.<br />
Wenn <strong>sich</strong> die Bundesregierung weiter<br />
auf »nichtmonetäre Anreize« beschränke,<br />
dann »laufen wir Gefahr, weder Leitmarkt<br />
noch Leitanbieter zu werden.«<br />
Entscheidend sei, »dass wir jetzt mit<br />
allen Mitteln in diesen Zukunftsmarkt<br />
einsteigen und uns auch langfristig<br />
erfolgreich als weltweit kompetente Partner<br />
zeigen«. Mit Hochdruck werde beispielsweise<br />
auch in China in diese neue<br />
Mobilität investiert. Die Position des<br />
Marktführers sei für Deutschland nicht<br />
erreichbar, »so lange E-Mobilität lediglich<br />
in Form von regional und zeitlich<br />
begrenzten Forschungsprojekten realisiert<br />
wird«.<br />
Als »Schaufenster der e-Mobilität« lobte<br />
Gernot Lobenberg von der Berliner<br />
Agentur für Elektromobilität die Messe<br />
im Hangar 2. So sehr Deutschland auch<br />
Zurückhaltung übe – die Hauptstadt Berlin<br />
habe beim E-Mobil bundesweit die<br />
Führung übernommen. Busse, Straßenbahnen,<br />
Zweiräder beziehen zum erheblichen<br />
Teil schon Energie aus der Dose.<br />
Vor allem beim innerstädtischen Lieferverkehr<br />
sei der E-Motor die Zukunft, unterstrich<br />
Lobenberg. In Berlin beschäftigten<br />
<strong>sich</strong> bereits rund 350 Unternehmen<br />
mit der Clean Technology, entstanden<br />
sind in dieser Branche insgesamt 29.000<br />
Jobs.<br />
Matthias Krauß<br />
&<br />
18 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
BETRACHTUNG<br />
Fotos: T. Sschwandt<br />
Schiffbau und Meerestechnik<br />
Großer Nachholbedarf<br />
Die krisengebeutelte Werftindustrie muss <strong>sich</strong> neu ausrichten. Der<br />
Bundeskoordinator für die maritime Wirtschaft Hans-Joachim Otto<br />
sieht in der Meerestechnik die Zukunftschance für die Branche.<br />
Hans-Joachim Otto ist verärgert.<br />
Der Parlamentarische Staatssekretär<br />
und Koordinator der Bundesregierung<br />
für die maritime Wirtschaft<br />
hat kein Verständnis dafür, dass<br />
bei der Auftragsvergabe für die ersten<br />
drei deutschen Errichterschiffe, die für<br />
den Bau von Offshore-Windparks benötigt<br />
werden, der einheimische Schiffbau<br />
das Nachsehen hatte. Die millionenschweren<br />
Aufträge gingen nach Polen<br />
und Südkorea.<br />
»Diese Auftragsvergabe ist ein Ärgernis.<br />
Die Energiebranche wird vom Bund<br />
über das Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />
und ein Fünf-Milliarden-Darlehenprogramm<br />
für Windenergie unterstützt. Da<br />
darf man erwarten, dass bei der Vergabe<br />
solcher Aufträge mehr Verantwortungsgefühl<br />
für nationale Belange gezeigt<br />
wird, zumal der deutsche Schiffbau über<br />
Kapazitäten und das Know-how für den<br />
Bau solcher Spezialschiffe verfügt«, sagte<br />
er unlängst bei einem Arbeitsbesuch in<br />
Rostock.<br />
Otto stellte aber auch klar, dass es keine<br />
Möglichkeit für den Bund gibt, die<br />
Vergabe von Geldern aus dem Fünf-Milliarden-Fördertopf<br />
an die Bedingung zu<br />
knüpfen, zum Beispiel Errichterschiffe<br />
auf deutschen Werften bauen zu lassen.<br />
»Das ist europarechtlich nicht machbar.<br />
Es muss deshalb gelingen, in der deutschen<br />
Wirtschaft eine bestimmte Atmosphäre<br />
zu erzeugen, die eine Entscheidung<br />
für den deutschen Schiffbau befördert«,<br />
so der Bundeskoordinator.<br />
In punkto Finanzierung hat der<br />
Staatssekretär ohnehin »in der maritimen<br />
Branche sehr hohe Erwartungen an<br />
den Bund« ausgemacht. Doch seien Finanzhilfen<br />
nur begrenzt möglich. Hier<br />
unterliege die Bundesregierung strengen<br />
Beihilfe- und Haushaltszwängen. Otto<br />
verweist darauf, »dass im vorigen Jahr<br />
unter anderem die Förderprogramme<br />
für Schifffahrt und Meerestechnik bzw.<br />
für Innovationshilfen für die Werften<br />
aufgestockt worden sind«. Auch wurden<br />
in ihrem Status die Innovationshilfen<br />
von Darlehen auf Zuschüsse umgestellt.<br />
Bewährt hätten <strong>sich</strong> die Hermes-Bürgschaften<br />
und das Festzinssystem CIRR für<br />
Schiffsfinanzierungen.<br />
Im Nachgang der jüngsten schweren<br />
Krise im Schiffbau 2008/09 hat <strong>sich</strong> die<br />
Schiffsfinanzierung als ein großes Problem<br />
für die Werftindustrie etabliert.<br />
Die meisten Banken haben <strong>sich</strong> weitgehend<br />
aus diesem speziellen Kreditgeschäft<br />
zurückgezogen. Nach Angaben<br />
von Otto hat die staatliche Bank KfW<br />
IPEX im Jahr 2010 den deutschen Werften<br />
die Finanzierungen für 19 Schiffe im<br />
Gesamtauftragswert von 2,4 Milliarden<br />
Euro zur Verfügung gestellt – und blieb<br />
damit der einzige Kreditgeber auf weiter<br />
Flur. »Dauerhaft kann sie das nicht allein<br />
stemmen«, gibt Otto zu bedenken und<br />
sieht hierbei die Privatbanken gefordert.<br />
Auch vor dem Hintergrund, dass ihnen<br />
in der Krise vom Staat sehr viel Hilfe zuteil<br />
geworden ist. Er werde deshalb in<br />
Kürze die Finanz- und die Maritime Wirtschaft<br />
zu einem Runden Tisch »Finanzierung«<br />
nach Berlin einladen, kündigte der<br />
FDP-Politiker an. Er mahnt: »Banken handeln<br />
in der Regel weit<strong>sich</strong>tig. Dies ist<br />
auch im Schiffbau notwendig, um ein<br />
kurzfristiges Marktversagen der Branche<br />
zu verhindern.«<br />
Trotz der weiterhin schwierigen<br />
Marktbedingungen – anders als in anderen<br />
Wirtschaftsbranchen sind die Folgen<br />
der Krise in der maritimen Industrie<br />
nicht überwunden – sieht Otto für die<br />
KLASSISCHE WERFTARBEIT: Ein Behördenschiff<br />
wird bei Tamsen in Rostock gewartet.<br />
Branche große Wachstumschancen. »Vor<br />
allem wenn es gelingt, die vorhandenen<br />
Potenziale für innovative Produkte und<br />
Dienstleistungen zu nutzen. Der am<br />
schnellsten wachsende Markt ist die Meerestechnik.<br />
Hier müssen die Werften <strong>sich</strong><br />
den Zukunftsfragen der Öl- und Gasförderung,<br />
der Rohstoffgewinnung und der<br />
Windenergie auf dem Meer weiter öffnen<br />
und die <strong>sich</strong> bietenden Marktchancen<br />
für <strong>sich</strong> nutzen.« Die Hebelwirkungen,<br />
die Zuwächse sind auf dem Gebiet<br />
der Meerestechnik am stärksten.<br />
Nach Aussage von Otto hat Deutschland<br />
weltweit auf diesem Markt derzeit<br />
einen Anteil von drei bis vier Prozent.<br />
»Dieser soll verdoppelt werden in den<br />
kommenden Jahren.« Es bestehe hierzulande<br />
in der Meerestechnik »ein riesiger<br />
Nachholbedarf«.<br />
VERÄRGERT: Hans-Joachim Otto, Bundeskoordinator<br />
für die maritime Wirtschaft.<br />
Die deutschen Werften setzen an der<br />
Schnittstelle zwischen dem Schiffbau<br />
und der Meerestechnik als zukunftsfähigem<br />
Geschäftsfeld vor allem auf die<br />
Offshore Windenergie. Davon konnte<br />
<strong>sich</strong> der Bundeskoordinator bei seiner<br />
Visite in Rostock überzeugen. Christian<br />
Schmoll, Geschäftsführer der Tamsen<br />
Maritim GmbH, berichtete dem Gast aus<br />
Berlin bei einem Betriebsrundgang davon,<br />
wie der Boots- und Yachtbaubetrieb<br />
in Rostock-Gehlsdorf sein Produktionsportfolio<br />
erweitert und <strong>sich</strong> somit auf<br />
die veränderten Bedingungen in der<br />
Branche einstellt. Beispielsweise konnte<br />
das Unternehmen in diesem Jahr einen<br />
Großauftrag für einen weltweit agierenden<br />
Hersteller von Windkraftanlagen an<br />
Land ziehen. Für diesen werden bei Tamsen<br />
hochpräzise Urmodelle für riesige<br />
Windrad-Flügel hergestellt. Die Werft<br />
verfügt über das Know-how für die Verarbeitung<br />
und Produktion von Großkomponenten<br />
aus Kunststoff.<br />
In Mecklenburg-Vorpommern verfügen<br />
die Werften nach jüngsten Angaben<br />
des Schiffbauverbandes VSM über Schiffbau-<br />
und Offshore-Aufträge im Wert von<br />
700 Millionen Euro (Stand: Juni 2011).<br />
&<br />
Thomas Schwandt<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 19
Fotos: Sven George<br />
Bürstenmann GmbH<br />
Weltweit in aller Munde<br />
Der Bürstenhersteller im erzgebirgischen Stützengrün ist zum<br />
zweitgrößten Branchenbetrieb Deutschlands aufgestiegen. Mit einem<br />
Hallenneubau wird die Zahnbürsten-Produktion massiv erweitert.<br />
Der Auftrag vom Weltmarktführer<br />
ist für uns der Ritterschlag«, sagt<br />
Margitta Siegel und hüpft fast vor<br />
Freude durch die weitläufige Produktionshalle.<br />
In einer Stunde wird die Chefin<br />
der Bürstenfabrik die noch leere Halle<br />
einweihen. Siegel ist <strong>sich</strong>tlich nervös.<br />
Der Landrat des Erzgebirgskreis hat <strong>sich</strong><br />
angesagt. Auch zwei Abgeordnete aus<br />
dem sächsischen Landtag und aus dem<br />
Bundestag wollen an der Einweihung der<br />
60 Meter langen, 42 Meter breiten und<br />
acht Meter hohen Halle teilnehmen, die<br />
binnen weniger Monate förmlich aus<br />
dem Boden gestampft worden ist. Die<br />
wichtigsten Gäste aber sind schon da.<br />
RITTERSCHLAG VOM MARKTFÜHRER<br />
Der weltweit größte Arzneimittel-Konzern<br />
Glaxo Smith Kline hat eine Abordnung<br />
von London ins Erzgebirge nach<br />
Stützengrün geschickt. Aus gutem<br />
Grund: Der Pharmariese ist der neueste<br />
Kunde in Stützengrün. Sein Großauftrag<br />
hat den Hallenneubau nötig und erst<br />
möglich gemacht. »Glaxo als Kunde – das<br />
ist der Ritterschlag«, wiederholt <strong>sich</strong> die<br />
Geschäftsführerin. »Aber wir haben uns<br />
den auch redlich verdient.« Siegel verweist<br />
auf ihre Fabrik. »Bürstenmann ist<br />
durchsaniert«, sagt sie. »Qualität und<br />
Produktivität stimmen, wir brauchen<br />
uns da vor niemandem zu verstecken.«<br />
Was damit gemeint ist, lässt <strong>sich</strong> in<br />
der Halle neben dem Neubau schon jetzt<br />
be<strong>sich</strong>tigen. Moderne Spritzguss-, Beborstungs-<br />
und Verpackungsmaschinen<br />
rattern unaufhörlich im 24-Stunden-<br />
Takt. »Am Ende des Tages stehen unter<br />
dem Strich mehr als 300.000 Zahnbürsten«,<br />
rechnet Produktionsleiter Ulrich<br />
Brettschneider vor. »In bester Qualität.<br />
Und das durchweg bei allen der 60 verschiedenen<br />
Bürstensorten.«<br />
Brettschneider gerät schnell ins<br />
Schwärmen, wenn es um die technischtechnologischen<br />
Details der Bürstenfertigung<br />
geht. »Wir sind jetzt schon Spitze,<br />
das zeigen die regelmäßigen Belastungs-,<br />
Qualitäts- und Produktivitätstests«, sagt<br />
er. »Aber mit der neuen Halle setzen wir<br />
noch eins drauf.« Roboter würden die<br />
Einzelmaschinen miteinander verbinden.<br />
»Vorn kommt das Kunststoffgranulat<br />
rein und hinten die verpackte Zahnbürste<br />
raus«, skizziert Brettschneider das<br />
neue Fertigungsprinzip. »Der Mensch<br />
greift nur noch zur Kontrolle ein.«<br />
Über fünf Millionen Euro kosten die<br />
drei neuen Fertigungsstraßen, die in<br />
dem ca. 2,5 Millionen Euro teuren Hallenbau<br />
in den nächsten Wochen und Monaten<br />
installiert werden. So eine Großinvestition<br />
rechnet <strong>sich</strong> freilich nur bei<br />
dauerhaft hohen Stückzahlen. Die haben<br />
<strong>sich</strong> die Stützengrüner bei Glaxo Smith<br />
Kline vertraglich ge<strong>sich</strong>ert. Bürstenmann<br />
liefert den Engländern zunächst bis 2017<br />
jährlich 40 Millionen Zahnbürsten. »Unsere<br />
Erfahrungen und die Leistungsbereitschaft<br />
meiner Leute waren das wichtigste<br />
Pfund in den Verhandlungen um<br />
den Dauerauftrag zur Produktion von<br />
Bürsten Marke Dr. Best«, sagt Siegel.<br />
Dem Pharmariesen gehöre dieser bekannte<br />
Markenname. »Wir werden die<br />
Marke in der neuen Halle fertigen. Damit<br />
kommt alsbald jede dritte dieser weltbekannten<br />
Putzhilfen von uns aus Stützengrün.«<br />
Siegel freut <strong>sich</strong> darüber und findet<br />
doch, dass es da noch Luft nach oben<br />
gibt. »Wir haben«, sagt sie, »in der neuen<br />
Halle noch Platz für eine vierte Straße.«<br />
EXPORTE NACH ÜBERSEE<br />
Der Sprung nach oben aber ist schon<br />
jetzt gewaltig. Statt 70 Millionen werden<br />
die Stützengrüner im nächsten Jahr<br />
mehr als 110 Millionen Zahnbürsten in<br />
den beiden Hallen fertigen. Bürstenmann<br />
steigt damit bei Zahnbürsten zur<br />
Nummer zwei unter den Produzenten in<br />
Deutschland auf. Vertrieben werden die<br />
Bürsten zur Zahnhygiene unter Dr. Best<br />
sowie unter diversen anderen Fremdmarken.<br />
Hinzu kommt die Eigenmarke Purodent,<br />
die unter anderem nach Brasilien,<br />
Neuseeland und auf die Bahamas exportiert<br />
wird.<br />
Dabei sind die Zahnbürsten, die etwa<br />
ein Viertel der Produktion bei Bürstenmann<br />
ausmachen, längst nicht der einzige<br />
Verkaufsschlager des Unternehmens.<br />
»Bürstenmann behauptet <strong>sich</strong> schon seit<br />
Jahren auf dem Weltmarkt«, ver<strong>sich</strong>ert<br />
Margitta Siegel, weil das Unternehmen<br />
innovativer als die meisten Konkurrenten<br />
sei. »Wir haben bessere technologische<br />
Voraussetzungen und sind zumeist<br />
kreativer als die Konkurrenz.« Die Geschäftsführerin<br />
ist <strong>sich</strong> <strong>sich</strong>er: »Wir reagieren<br />
schneller als andere aus der Branche<br />
auf Markterfordernisse.«<br />
Ein Beleg dafür ist das vor Jahren<br />
patentierte Stiel-Verbundsystem Simply<br />
Quick. Auch die Marke Twice Line sei ein<br />
Renner, sagt die Geschäftsführerin. Inzwischen<br />
würden mehr als 30 Produkte<br />
– von der Zahnbürste bis zur Kehrschaufel<br />
– nach dem im eigenen Hause entwickelten<br />
Zweikomponenten-Verfahren<br />
hergestellt und unter der Marke Twice<br />
Line erfolgreich vertrieben. »Das sind In-<br />
20 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
REPORT<br />
novationssprünge und Neuentwicklungen,<br />
die uns kaum einer nach der Wende<br />
zugetraut hat«, sagt Siegel. Auch nicht<br />
die Münchner Unternehmensberater von<br />
Roland Berger, die 1991 empfahlen, den<br />
Genossenschaftsbetrieb für eine D-Mark<br />
zu verkaufen oder gleich ganz dicht zu<br />
machen. Genau das aber hat der Konsumverband<br />
nicht getan, sondern den<br />
Betrieb erhalten. Martin Bergner, Vorstandssprecher<br />
der Zentralkonsum eG,<br />
zu der Stützengrün nun gehört, ist heute<br />
noch froh über diese damals »waghalsige<br />
wie sentimentale« Entscheidung, den<br />
Betrieb weiterzuführen. »Bürstenmann<br />
ist mittlerweile eine Erfolgsgeschichte<br />
geworden«, sagt er. »Für den Zentralkonsum,<br />
den Osten überhaupt und auch<br />
für das im Aufwind befindliche gesamtdeutsche<br />
Genossenschaftsmodell.«<br />
NEUE ABSATZWEGE ERSCHLOSSEN<br />
Nach der Wende hat der Konsumverband<br />
dem Team um Margitta Siegel Zeit verschafft.<br />
Das sei, so die 62-jährige Chefin,<br />
die seit 1974 im Betrieb ist, auch bitter<br />
nötig gewesen. »Ansonsten hätten wir<br />
den Wechsel in die Marktwirtschaft niemals<br />
geschafft.« Mit neuen Produkten<br />
und neuen Kundenkontakten gelang es,<br />
über die Zeit hinweg neue Absatzwege zu<br />
erschließen. »Intelligente Reinigungsgeräte«<br />
nennt Siegel die »weltmarktfähigen<br />
Produkte« selbstbewusst. Dem Namen<br />
nach seien sie zwar nur Kehrschaufel<br />
und Besen. Vom Gebrauchswert her aber<br />
seien sie aus ihrer Sicht nicht mehr mit<br />
den herkömmlichen Produkten zu vergleichen.<br />
»Aber natürlich«, gesteht Siegel<br />
zu, bleibe »eine Bürste eine Bürste«. Das<br />
allerdings sei nur gut so. »Denn an Besen,<br />
Bürsten und Pinseln kommen die Leute<br />
auch in Krisen-Zeiten nicht vorbei.«<br />
Die Geschichte von Bürstenmann<br />
steht dafür. Bereits 1924 von der damaligen<br />
Hamburger Großhandelsgenossen-<br />
GESCHÄFTSFÜHRERIN Margitta Siegel<br />
schaft deutscher Konsumvereine (GEG)<br />
in Stützengrün gegründet, überstand<br />
das Unternehmen nicht nur die Rezession<br />
von 1929 bis 1932, sondern auch den<br />
Zweiten Weltkrieg. In dieser Zeit lieferten<br />
die Erzgebirgler ihre Bürsten zum<br />
großen Teil an Rüstungsbetriebe.<br />
Nach dem Krieg wurde auf Befehl der<br />
damaligen sowjetischen Militäradministration<br />
die Bürstenproduktion für die<br />
Bevölkerung wieder aufgenommen und<br />
in den Folgejahren ständig erweitert. »Zu<br />
DDR-Zeiten haben wir in der Spitze mit<br />
rund 850 Beschäftigten mehr als 100 Millionen<br />
Mark Umsatz gemacht«, erinnert<br />
<strong>sich</strong> Siegel, die bis zur Wende als Hauptbuchhalterin<br />
im Betrieb gearbeitet hat.<br />
Mit Siegel haben über 260 Beschäftigte,<br />
einschließlich der 13 Azubis pro Jahr,<br />
den Sprung in die Marktwirtschaft geschafft.<br />
Der Betrieb hat <strong>sich</strong> binnen eines<br />
Jahrzehnts zum zweitgrößten deutschen<br />
Bürstenhersteller gemausert, der einen<br />
Jahresumsatz von etwa 40 Millionen<br />
Euro erzielt und spätestens seit 1994<br />
schwarze Zahlen schreibt. Mehr als ein<br />
Viertel der 1.500 Produkte – vom Handfeger<br />
über Saalbesen, Fußmatten, bis hin<br />
zu den verschiedenartigsten Bürsten –<br />
wird heute in 45 Länder exportiert. Bürstenmann<br />
ist der mit Abstand größte Ar-<br />
beitgeber in einer Region, die seit der<br />
Wende von hoher Arbeitslosigkeit betroffen<br />
ist. Die neue Halle samt Großauftrag<br />
beschert 30 neue Arbeitsplätze. Stützengrün<br />
hat <strong>sich</strong> als neues gesamtdeutsches<br />
Zentrum der Bürstenindustrie etabliert.<br />
Im Ort sind mittlerweile neben Bürstenmann<br />
zwei weitere Betriebe der kleinen<br />
Branche ansässig.<br />
Wenn eine Bürste auch immer eine<br />
Bürste bleibt, so sind dennoch im Betrieb<br />
vier Leute ständig mit Neuentwicklungen<br />
beschäftigt. Außerdem offerieren<br />
die Produkte in ihrer Verarbeitung, besonders<br />
aber in den dabei genutzten Materialien<br />
deutliche Unterschiede. Holz,<br />
Kunststoffe, Metalle, spezielle Gummis<br />
und Keramiken werden genauso verarbeitet<br />
wie Rosshaare oder Schweinsborsten.<br />
Die Bürstenmacher orientieren <strong>sich</strong><br />
bei ihren Neuentwicklungen an den verschiedenen<br />
Markttrends. »Wir profitieren<br />
dabei vom Wellnesstrend genauso<br />
wie von der immens gewachsenen Tierliebe<br />
der Deutschen«, sagt Siegel und<br />
zuckt mit den Achseln: »Ein Pferd muss<br />
eben andauernd gebürstet werden.«<br />
ZÄHNEPUTZEN MIT DEN BAYERN<br />
Da auch Fans gepflegt werden müssen,<br />
schwören neben Glaxo Smith Kline auch<br />
andere illustre Kunden auf Zahnbürsten<br />
aus Stützengrün. »Um die 50.000 Bürsten<br />
in den Farben rot-weiß liefern wir jährlich<br />
an den FC Bayern München«, erzählt<br />
Siegel. »Unsere Bürsten gehören zu den<br />
beliebtesten Fanartikeln der Bayern.« Der<br />
Hamburger Sportverein (HSV) oder Werder<br />
Bremen lassen ebenfalls bei Bürstenmann<br />
fertigen. Seit dem Wiederaufstieg<br />
der Berliner Hertha in die erste Bundesliga<br />
auch die Herthaner. »Fußball bleibt<br />
für uns ein gutes Geschäft«, sagt Siegel.<br />
»Nur leider nicht im Osten, der spielt ja<br />
oben nicht mit.«<br />
Steffen Uhlmann<br />
&<br />
ZAHNBÜRSTEN: Mit 110 Millionen Stück Jahresproduktion wird Bürstenmann die Nummer zwei unter den Herstellern in Deutschland.<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11<br />
21
SERVICE<br />
Wirtschaftsleistung erleiden. 52 Prozent<br />
der Befragten dagegen zeigen <strong>sich</strong> optimistisch,<br />
dass die deutsche Wirtschaft<br />
die Situation insgesamt gut bewältigen<br />
werde.<br />
Fotos: PictureDisk<br />
Rohstoffe<br />
Globaler Wettbewerb<br />
um knappe Ressourcen<br />
Der Wettbewerb um Rohstoffe und fossile Energien ist weltweit<br />
in vollem Gange. Für mittelständische Betriebe bedeutet dies stark<br />
schwankende Preise und die Furcht vor Versorgungsengpässen.<br />
Wie der deutsche Mittelstand auf die Herausforderung reagiert,<br />
zeigt eine aktuelle Studie der Commerzbank AG.<br />
Früher gab es eine einfache Faustregel:<br />
20 Prozent der Bevölkerung<br />
in Europa, Nordamerika und Japan<br />
konsumieren 80 Prozent der Weltbergbauproduktion.<br />
Doch die Zeiten solch<br />
einfacher Wahrheiten sind längst vorbei.<br />
Mit dem rasanten wirtschaftlichen<br />
Wachstum in China, Indien und anderen<br />
bevölkerungsreichen Schwellenländern<br />
ist der globale Hunger nach Rohstoffen<br />
nur noch schwer zu stillen.<br />
Die Folgen bewegen schon jetzt die<br />
Märkte. Weltweit werden nun auch bisher<br />
eher als unrentabel angesehene Rohstoffvorkommen<br />
genauer unter die Lupe<br />
genommen. Doch trotz verstärkter Suche<br />
nach neuen Lagerstätten müssen <strong>sich</strong> gerade<br />
die rohstoffintensiven Branchen auf<br />
steigende Preise einrichten, die durchaus<br />
auch zu existenziellen Problemen bei<br />
einzelnen Betrieben führen können.<br />
Grund zur Sorge bereitet den Mittelständlern<br />
neben der Knappheit seltener<br />
Rohstoffe und fossiler Brennstoffe vor allem<br />
die zunehmende Spekulation an den<br />
Rohstoffmärkten sowie mögliche soziale<br />
und politische Unruhen in den Rohstoffförderländern.<br />
STUDIE BELEGT HANDLUNGSBEDARF<br />
Dass das Thema Ressourcen- und Energieknappheit<br />
die mittelständischen Unternehmen<br />
in Deutschland bereits jetzt<br />
zum Handeln zwingt, belegt nun eine<br />
aktuelle Studie der Initiative »UnternehmerPerspektiven«<br />
der Commerzbank AG.<br />
Die Umfrage unter 4.000 mittelständischen<br />
Unternehmenslenkern ergab, dass<br />
40 Prozent der Befragten fürchten, das<br />
rohstoffarme Deutschland könne aufgrund<br />
des verschärften Wettbewerbs um<br />
Rohstoffe und Energie Einbußen in der<br />
STAAT SOLL INNOVATIONEN FÖRDERN<br />
Eine – wenn nicht gar die einzige – Antwort<br />
auf die Rohstoffproblematik aus<br />
heimischer Sicht: Innovationen. Ressourceneffizienz,<br />
Substitution und Recycling<br />
sind das Gebot der Stunde auch für den<br />
deutschen Mittelstand.<br />
Gefragt ist deshalb nach An<strong>sich</strong>t der<br />
Unternehmer vor allem die Technologieförderung<br />
des Staates. 93 Prozent der<br />
befragten Inhaber und Geschäftsführer<br />
im Mittelstand setzen auf eine stärkere<br />
Unterstützung wissenschaftlicher Forschung,<br />
um Alternativen zum bisherigen<br />
Einsatz der Rohstoffe und fossiler Brennstoffe<br />
aufzuzeigen.<br />
Den Einsatz innovativer Techniken in<br />
Unternehmen soll der Staat mit finanziellen<br />
Anreizen fördern und zudem<br />
gegen Rohstoff- und Energieverschwendung<br />
effizienter vorgehen. Die Möglichkeiten<br />
der Handelspolitik werden aber<br />
nicht außen vorgelassen. Immerhin 75<br />
Prozent der Befragten wünschen <strong>sich</strong><br />
ein stärkeres handelspolitisches Engagement<br />
staatlicher Stellen in den Erzeugerländern.<br />
NEUE MÄRKTE ERÖFFNEN CHANCEN<br />
Keine Frage: Die Zeit drängt. Die Weltbevölkerung<br />
wächst weiter und die Schwellenländer<br />
investieren zurzeit massiv in<br />
ihre Infrastruktur. Hier eröffnen <strong>sich</strong><br />
aber auch Chancen für die deutsche<br />
Wirtschaft, wenn es gelingt, innovative<br />
umwelt- und ressourcenschonende Technologien<br />
zu entwickeln und zu exportieren.<br />
Diese Chancen der Verknappung<br />
erkennen laut Commerzbank AG-Studie<br />
STUDIE<br />
UnternehmerPerspektiven<br />
Die Initiative UnternehmerPerspektiven<br />
der Commerzbank AG will aktuelle Themen,<br />
die den Mittelstand bewegen, mit<br />
substanziellen Daten unterfüttern. Dazu<br />
werden zweimal im Jahr 4.000 Unternehmen<br />
im Auftrag der Commerzbank<br />
AG befragt. Das Untersuchungsdesign<br />
lässt auch Teilauswertungen nach<br />
Branchen, Unternehmensgrößen und<br />
<strong>Regionen</strong> zu. Die Studienergebnisse<br />
werden der Öffentlichkeit vorgestellt<br />
und bilden die Grundlage für bundesweite<br />
Dialogveranstaltungen. Bisher<br />
wurden elf Studien veröffentlicht.<br />
22 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
SERVICE<br />
auch die deutschen Mittelständler. Die<br />
Möglichkeiten zusätzlicher Märkte und<br />
Absatzmöglichkeiten werden immerhin<br />
in der Befragung ebenso häufig angeführt<br />
wie etwa die Sorge einer zunehmenden<br />
Macht der Zulieferer.<br />
Insgesamt glauben 52 Prozent der befragten<br />
Mittelständler, dass die Entwicklungen<br />
auf den Energie- und Rohstoffmärkten<br />
sie zu mehr Innovationen drängen<br />
werden. Die differenzierte Sicht der<br />
Unternehmer auf Chancen und Risiken<br />
der Rohstoffknappheit belegen folgenden<br />
Zahlen: 45 Prozent der Unternehmen<br />
vertrauen auf die deutsche Ingenieurskompetenz<br />
und setzen auf die<br />
Chancen neuer Märkte, 51 Prozent fürchten<br />
aber auch, dass ihre Geschäfte durch<br />
den Rohstoffmangel unkalkulierbarer<br />
werden. Zwischen Wahrnehmung und<br />
Handeln klafft allerdings noch eine<br />
beträchtliche Lücke. Bisher werden<br />
mehrheitlich die Beschaffungsprozesse<br />
optimiert oder Kosten auf die Kunden abgewälzt.<br />
Unternehmen, die konkret Maßnahmen<br />
zur Steigerung der Energie- und<br />
Rohstoffeffizienz eingeleitet haben oder<br />
gar Eigenstrom produzieren, sind noch<br />
in der Minderheit. Fazit: Ein Innovationsdruck<br />
wird zwar mehrheitlich erwartet,<br />
entsprechende Investitionen sind aber in<br />
den Unternehmen noch nicht eingeleitet<br />
worden. Hier werden mögliche Wettbewerbsvorteile<br />
verschenkt, denn die<br />
Commerzbank AG-Umfrage zeigt: Unternehmen,<br />
die bei der Umsetzung von<br />
Maßnahmen zur Ressourceneffizienz<br />
oder zum Recycling Trendsetter sind,<br />
wirtschaften auch insgesamt erfolgreicher.<br />
WENIGER FURCHT VOR ENERGIEMANGEL<br />
Die Rohstoffproblematik bereitet den<br />
deutschen Unternehmen gegenwärtig<br />
offen<strong>sich</strong>tlich mehr Kopfzerbrechen als<br />
die viel diskutierte Energiewende. Kein<br />
Wunder, denn mehr als drei Viertel aller<br />
befragten Unternehmen beziehen Rohstoffe<br />
oder rohstoffintensive Vorprodukte.<br />
Bei 60 Prozent dieser Unternehmen<br />
machen Rohstoffaufwendungen zehn<br />
oder mehr Prozent aller Kosten aus, bilanziert<br />
die Commerzbank AG-Studie.<br />
Die steigenden Preise haben <strong>sich</strong> bereits<br />
bei zwei Drittel der Unternehmen<br />
in den Ergebnissen niedergschlagen –<br />
steigende Energiepreise dagegen nur bei<br />
einem Drittel. Besonders betroffen sind<br />
das verarbeitende Gewerbe und die Baubranche.<br />
Obwohl die Rohstoff- und Energiekosten<br />
einen beträchtlichen Teil der<br />
gesamten Unternehmenskosten ausmachen,<br />
können laut Commerzbank-Studie<br />
40 Prozent der befragten Unterneh-<br />
Quelle: Commerzbank AG<br />
DATEN<br />
ROHSTOFFE<br />
Mittelstand in Sorge<br />
Diese globalen Entwicklungen fürchten<br />
die Mittelständler besonders:<br />
(Angaben in Prozent)<br />
Spekulation an den Rohstoffmärkten 89<br />
Steigende Nachfrage 84<br />
Soziale Unruhen in Ursprungsländern 81<br />
Protektionismus 80<br />
Anbieter-Monopole 80<br />
Währungskrisen 73<br />
Knappheit Schlüssel-Rohstoffe 73<br />
Knappheit fossiler Brennstoffe 68<br />
Alternativlosigkeit fossiler Brennstoffe 65<br />
Kurzfristiger Wechsel der Energiepolitik 64<br />
Risiken der Atomenergie 61<br />
PREISENTWICKLUNG<br />
Nicht alle gleich betroffen<br />
Wer besonders unter steigenden<br />
Rohstoffpreisen leidet:<br />
(Angaben in Prozent)<br />
Verarbeitendes Gewerbe 86<br />
Bauwirtschaft 85<br />
Großhandel 73<br />
Einzelhandel 59<br />
Dienstleistung 45<br />
Gesamtwirtschaft 67<br />
EINKAUFSVERHALTEN<br />
Neue Lieferanten suchen<br />
Mit folgenden Maßnahmen reagieren<br />
die Unternehmen auf die Knappheit<br />
auf den Rohstoff- und Energiemärkten:<br />
(Angaben in Prozent)<br />
Suche nach neuen Lieferanten 47<br />
Langfristige Lieferverträge 47<br />
Speziell geschultes Personal 33<br />
Einkaufsgemeinschaften 24<br />
Vergrößerung der Lagerkapazität 14<br />
Ab<strong>sich</strong>erung von Preisrisiken 10<br />
Beteiligung an Zulieferern 4<br />
mer keine verlässliche Aussage darüber<br />
treffen, ob sie bei der Ressourcenversorgung<br />
gut aufgestellt sind. Es ist vor allem<br />
die Komplexität der Märkte, die den Mittelständlern<br />
bei der Kalkulation der Kosten<br />
zu schaffen macht. Zu vielfältig sind<br />
die Einflussfaktoren auf den Rohstoffmärkten,<br />
zu volatil die Preise.<br />
HOHER BERATUNGSBEDARF<br />
Bisher reagieren die meisten Mittelständler<br />
noch mit den klassischen Mitteln auf<br />
die knapper werdenden Ressourcen. Sie<br />
wechseln Lieferanten, versuchen billiger<br />
einzukaufen und <strong>sich</strong> durch langfristige<br />
Verträge abzu<strong>sich</strong>ern. Rat in Versorgungsfragen<br />
wird bei Verbänden und<br />
Kammern, aber auch bei Banken und<br />
Sparkassen gesucht.<br />
Spezielle Finanzinstrumente zur Ab<strong>sich</strong>erung<br />
der Rohstoffrisiken scheuen die<br />
Mittelständler allerdings laut Commerzbank<br />
AG-Studie. Während die Ab<strong>sich</strong>erung<br />
von Zins- oder Währungsrisiken<br />
weit verbreitet ist, hegen die Mittelständler<br />
gegen entsprechende Instrumente bei<br />
Rohstoffrisiken großes Misstrauen: Zu<br />
teuer, zu komplex, so das Urteil der Mittelständler.<br />
Zudem halten sie die Instrumente<br />
– sofern sie ihnen überhaupt bekannt<br />
sind – selbst mit Risiken behaftet.<br />
Dabei, betont Markus Beumer, Vorstandsmitglied<br />
der Commerzbank AG,<br />
sind die Schwankungen bei Rohstoffpreisen<br />
deutlich größer als die Schwankun-<br />
ROHSTOFFE: Preise schwer kalkulierbar.<br />
gen an den Währungs- und Zinsmärkten.<br />
»Der Handlungsbedarf in Sachen Ab<strong>sich</strong>erung<br />
liegt auf der Hand«, urteilt<br />
Beumer und empfiehlt mittelständischen<br />
Unternehmen, ein betriebliches<br />
Risikomanagement aufzubauen mit<br />
Fachleuten, die zugleich Einkaufs- und<br />
Finanzwissen einbringen können. »Wichtig<br />
ist, dass die Unternehmen ein Risikound<br />
Vorsorgebewusstsein entwickeln<br />
und <strong>sich</strong> darüber hinaus auch entsprechende<br />
Beratung über den Einsatz von<br />
Ab<strong>sich</strong>erungsmechanismen von außen<br />
holen.«<br />
Mögliche Finanzinstrumente zur Ab<strong>sich</strong>erung<br />
können Termingeschäfte,<br />
Swaps oder Optionen sein. »Welche Ab<strong>sich</strong>erungsmethode<br />
passend ist, hängt<br />
vom Grundgeschäft des Kunden ab«, so<br />
Beumer. Die Commerzbank AG informiert<br />
Unternehmen regelmäßig unter<br />
www.commerzbank.de/rohstoffradar<br />
über aktuelle Entwicklungen auf den<br />
Rohstoffmärkten.<br />
Matthias Salm<br />
&<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11<br />
23
KOLUMNE<br />
Gerade, exakt am 21. Juli dieses Jahres,<br />
hatten die europäischen Politiker<br />
in einem ihrer zahllosen<br />
Gipfel die Eurokrise »beigelegt«, da begann<br />
sie von Neuem. Nun ist wieder eine<br />
Bankenkrise hinzugekommen und die<br />
Staaten, die <strong>sich</strong> für vollends handlungsunfähig<br />
wegen Geldmangels erklärt hatten,<br />
gehen erneut über zum lustigen<br />
Bankenretten mit vielen Milliarden.<br />
Da fragt <strong>sich</strong> der Bürger mit gesundem<br />
Menschenverstand zu Recht, ob er<br />
verrückt geworden ist oder sind es die Politiker.<br />
Was niemand sagt, aber sonnenklar<br />
ist: Die Banken haben gezockt und<br />
sind, wie viele andere, in den letzten Monaten<br />
auf die Nase gefallen, weil weltweit<br />
Aktien-Rohstoffe und Währungsnotierungen,<br />
in denen ihre Investmentbanker<br />
engagiert waren, gefallen sind.<br />
Was niemand begreifen will, ist die<br />
schlichte Tatsache, dass an Finanzmärkten<br />
Informationen gehandelt werden –<br />
häufig falsche oder irreführende Informationen.<br />
Es sind die großen Banken<br />
und Fonds, die mit besonderer Informationsmacht<br />
ausgestattet sind, weil sie<br />
ihre geldmächtigen Kunden instrumentalisieren<br />
können, gleichgültig, ob eine<br />
Information richtig oder fasch ist. Es<br />
kommt nur darauf an, möglichst vielen<br />
zu vermitteln, dass »der Markt« in den<br />
nächsten Tagen und Wochen an »Wert«<br />
gewinnen wird. Das tut der Markt in der<br />
Regel auch, weil die Herde der Anleger<br />
das erwartete. So funktionieren selbsterfüllende<br />
Prognosen. Ob man seine<br />
»Kunden« in Rohstoffderivate lockt, auf<br />
den Kurs des brasilianischen Real wetten<br />
lässt oder wieder auf Goldkurs bringt,<br />
macht keinen Unterschied. Der Weg, der<br />
Anstieg des Kurses, ist das Ziel.<br />
Natürlich versucht der »Berater«, vor<br />
seinem Kunden aus dem »Investment«<br />
wieder auszusteigen. Aber das gelingt<br />
nicht immer. Dann machen alle, die vorher<br />
Buchgewinne gemacht haben, Buchverluste.<br />
Schon stehen die Banken ohne<br />
Kleider da und müssen gerettet werden,<br />
weil die Politik nach 2008 nichts, aber<br />
auch gar nichts angepackt hat, um dem<br />
Gezocke ein Ende zu setzen.<br />
Dass, wie jetzt zu erkennen ist, bei der<br />
Zockerei über Monate und Jahre falsche<br />
Preise mit enormen negativen Konsequenzen<br />
für die übrigen realwirtschaftlichen<br />
Märkte erzeugt wurden, interessiert<br />
niemanden, weil es heute explizit<br />
in Deutschland an Ordnungspolitikern<br />
fehlt, die das verstehen und auf eine Unterbindung<br />
des Herden-Auf-und-Abs auf<br />
AUS GENFER SICHT<br />
Die<br />
unendliche Krise<br />
Von HEINER FLASSBECK, Genf<br />
Internet: www.flassbeck.com<br />
den Finanzmärkten hinwirken würden.<br />
Fast jeder Politiker fürchtet, als Anti-<br />
Marktwirtschaftler abgestempelt zu werden,<br />
wenn er für klare institutionelle<br />
Grenzen der Finanzwirtschaft eintritt.<br />
Oder er ist nicht in der Lage, den Unterschied<br />
zwischen »normalen« Märkten,<br />
auf denen das Beheben von Knappheiten<br />
belohnt wird, und solchen, auf denen<br />
das Gegenteil, nämlich das Schaffen von<br />
Knappheiten durch das Initiieren von<br />
Herdenverhalten belohnt wird, zu verstehen<br />
und seinen Wählern zu erklären.<br />
Kein Wunder, dass die Politik auf die Finanzmärkte<br />
starrt wie das Kaninchen<br />
auf die Schlange, hoffend auf Hinweise<br />
von dort, was aktuell falsch und was richtig<br />
ist. Wer aber glaubt, die Märkte überzeugen<br />
statt führen zu müssen, liegt von<br />
vornherein falsch. Da die Märkte versuchen,<br />
die Politik zu »lesen«, und die Politik<br />
zugleich versucht, die Signale der<br />
Märkte zu deuten, entsteht Chaos.<br />
Die Politik muss ohne Wenn und Aber<br />
die Führungsrolle übernehmen, muss in<br />
der Eurokrise klar sagen, was die Ursache<br />
der Misere ist und wie man sie zu<br />
überwinden gedenkt. Nur so kann sie das<br />
Heft in die Hand nehmen und von den<br />
Märkten die Anpassung an ihre Entscheidungen<br />
erzwingen.<br />
Da aber liegt der Hund begraben. Weil<br />
die deutsche Politik quer durch die meisten<br />
Parteien (von Merkel über Weidmann<br />
bis zu Steinbrück) auf dem Standpunkt<br />
beharrt, es gebe gar keine Eurokrise, sondern<br />
die Länder mit den hohen Staatsschulden<br />
bzw. -defiziten seien wegen ihres<br />
Über-die-Verhältnisse-Lebens an allen<br />
Übeln allein Schuld, kann die europäische<br />
Politik den Befreiungsschlag nicht<br />
führen.<br />
Verengt man nämlich den Blick auf<br />
Staatsschulden, lenkt man vom Thema<br />
ab, bei dem man sofort auf eigene Fehler<br />
stoßen würde. Wer Leistungsbilanz-Ungleichgewichte,<br />
also die Verschuldung<br />
des ganzen Landes, zum Thema macht,<br />
kommt nicht umhin zuzugeben, dass<br />
Außenhandelsdefizite der einen etwas<br />
mit Außenhandelsüberschüssen der anderen<br />
zu tun haben. Da aber haben zu<br />
viele Politiker (auch solche, die jetzt in<br />
der Opposition sind) einschließlich ihrer<br />
wissenschaftlichen Berater eine gewaltige<br />
Leiche im Keller. Sie alle waren an der<br />
Entstehung dieser Krise, der jahrelangen<br />
Politik des Gürtel-enger-Schnallens in<br />
Deutschland, unmittelbar beteiligt.<br />
Das führt zu dem grotesken Zustand,<br />
dass <strong>sich</strong> die gesamte herrschende politische<br />
Klasse in Deutschland seit mehr als<br />
zwei Jahren weigert anzuerkennen, dass<br />
das zentrale Ziel der Währungsunion<br />
eine Inflationsrate in der Größenordnung<br />
von zwei Prozent in jedem Mitgliedsland<br />
war und dass Deutschland<br />
massiv dagegen verstoßen hat. Deutschland<br />
hat das Unterschreiten der Zielinflationsrate<br />
durch seine jahrelange<br />
Lohndumpingpolitik erreicht. Allein dadurch<br />
(und nicht durch technologischen<br />
Vorsprung) ist Deutschland zu seiner<br />
Wettbewerbsstärke gelangt, die <strong>sich</strong> in<br />
der Wettbewerbsschwäche der Krisenländer<br />
widerspiegelt. Wer das umdrehen<br />
will – und es muss umgedreht werden,<br />
wenn man den Euro retten will – kann<br />
nicht allein von den anderen verlangen,<br />
<strong>sich</strong> anzupassen, sondern muss selbst<br />
etwas tun. Grotesk ist es, wenn von den<br />
anderen massive Lohnsenkung verlangt<br />
wird (Deutschlandverteidiger nennen<br />
das absurderweise »interne Abwertung«),<br />
ohne zu sagen, dass das von massiven<br />
Lohnerhöhungen in Deutschland begleitet<br />
sein muss. Andernfalls führt dies in<br />
eine europäische Deflation.<br />
Aber das sagt man nicht. Plötzlich ist<br />
das Inflationsziel – bis vor kurzem in<br />
Deutschland allerheiligst – nicht mehr<br />
wichtig. Es wird ad acta gelegt, weil man<br />
sonst zugeben müsste, falsch gehandelt<br />
zu haben. Man kann viel von den Menschen<br />
verlangen, das aber nicht! &<br />
Foto: Torsten George<br />
24<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
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Produkte besser finden<br />
Spezielle Suchsoftware verbessert die Produktfindung in Online-<br />
Läden. Im Shopping-Geschäft mit voraus<strong>sich</strong>tlich 45 Milliarden Euro<br />
Umsatz in Deutschland 2011 ist das ein wichtiger Umsatzhelfer.<br />
lungsrate gemeint, die in Prozent angibt,<br />
wie viele der Web-Laden-Besucher zu<br />
Käufern werden. Nach einer Untersuchung<br />
der Agentur Web Arts AG liegt der<br />
Gesamtdurchschnitt gerade mal bei drei<br />
Prozent. Ein Hindernis beim Einkauf<br />
sind Suchprobleme. Warum reichen<br />
Suchmaschinen wie Google, Bing oder<br />
ähnliche Systeme dabei nicht aus? Wichtigster<br />
Grund: Der direkte Bezug einer<br />
Produktanfrage auf das Sortiment eines<br />
Online-Anbieters fehlt den Suchmaschinen.<br />
Zwar korrigieren sie in der Regel<br />
falsch geschriebene Begriffe, zeigen ent-<br />
Die Auswahl des Dresdner Online-<br />
Elektronik-Fachmarkts www.<br />
cyberport.de ist riesig: 30.000<br />
Markenartikel aus der Computertechnik<br />
und der digitalen Unterhaltungselektronik<br />
stehen per Mausklick bereit. Die Kunden<br />
haben kein Problem bei der Bestellung,<br />
auch wenn sie statt Canon fälschlicherweise<br />
Kanon oder Appel statt Apple<br />
eintippen. Oliver Theurich, Leiter Produktmanagements<br />
bei Cyperport: »Wir<br />
helfen unseren Besuchern gerne weiter.«<br />
Auch Rene Marius Köhler von www.<br />
fahrrad.de in Esslingen achtet auf eine<br />
geringe Abspringerquote von Online-<br />
Besuchern. Bei dem Fahrradversender<br />
nutzt jeder vierte Kunde die fehlertolerante<br />
Suche und findet trotz Eingabe von<br />
»shiao« den Hersteller Shimano.<br />
AUF ANHIEB TREFFER LANDEN<br />
Hier sorgt eine fehlertolerante Suchsoftware<br />
namens Fact-Finder für schnelles<br />
Finden. Das von Softwarehaus Omikron<br />
in Pforzheim entwickelte, in 1.000 Online-Shops<br />
eingesetzte Programm ist<br />
eines von mehreren Spezialisten für die<br />
Produktsuche im Internet-Handel. Neben<br />
der in Shopsystemen eingebauten<br />
Standard-Suchfunktion sind in diesem<br />
Geschäftsfeld weitere Anbieter zum Beispiel<br />
Findologic, Exorbyte und auch<br />
Google Commerce Search im Einsatz.<br />
Das gewünschte Produkt auf Anhieb<br />
in einem Online-Shop zu finden, gehört<br />
zur Grundbedingung des digitalen Geschäfts.<br />
Wer im rasant wachsenden Online-Shopping-Umsatz<br />
in Deutschland<br />
(2010 sind es 39,2 Milliarden Euro, für<br />
2011 sind 45 Milliarden prognostiziert)<br />
erfolgreich agieren will, muss treff<strong>sich</strong>ere<br />
Suchfunktionen anbieten. Nach einer<br />
Untersuchung der Nielsen Norman<br />
Group verlassen 34 Prozent der User einen<br />
Shop, weil sie ein Produkt nicht finden,<br />
obwohl es vorhanden ist. Für Omikron-Chef<br />
Carsten Kraus ist die hohe Aussteigerquote<br />
nicht erstaunlich: »Nach<br />
unserer Erfahrung stimmen 30 bis 40<br />
Prozent der Suchangaben nicht mit den<br />
Produktbezeichnungen überein.«<br />
Für Online-Shops ist die Steigerung<br />
der so genannten Konversationsrate deshalb<br />
ein Muss. Damit ist die Umwand-<br />
WER sucht, der findet. Vielleicht.<br />
sprechende Websites an, doch bei Varianten<br />
von Produktbezeichnungen oder<br />
Wortumstellungen sind sie überfordert.<br />
Google hat mit Google Commerce<br />
Search (GCS) deshalb einen eigenen Produktsucher<br />
für Online-Shops entwickelt.<br />
Die Suchergebnisse werden nach dem<br />
PageRank-Wert gelistet, der angibt, wie<br />
oft ein Dokument verlinkt ist. Hinzu<br />
kommen Faktoren wie das Auftreten der<br />
Suchbegriffe im Dokumententitel oder<br />
in Überschriften und Begriffe als Ankertext<br />
in verweisenden Dokumenten. Administratoren<br />
können damit ihre Suchmaschine<br />
anpassen.<br />
Allerdings hat das Google-Produkt<br />
Handicaps. Der GCS-Algorithmus kann<br />
mit zusammengesetzten Wörtern wie<br />
»Lederjacke« statt »Jacke aus Nappaleder«<br />
und anderen sprachliche Besonderheiten<br />
nicht umgehen. Er korrigiert die<br />
Wörter der Kunden, statt ihre Ähnlichkeit<br />
mit Produkten im Shop zu messen.<br />
Gravierend im Internet-Shopping sind<br />
Anfragen nach dem Longtail-Prinzip. Danach<br />
kann ein Web-Anbieter durch eine<br />
große Anzahl von Nischenprodukten mit<br />
kleinen Stückzahlen Gewinn machen.<br />
Übertragen auf die Suchanfragen heißt<br />
das: Je öfter gesucht wird, desto häufiger<br />
verschreiben <strong>sich</strong> die Personen oder geben<br />
spezifische Suchanfragen ein.<br />
Beispiel: Schmerzmittel »Paracetamol«.<br />
Ein großer Teil der Online-Nutzer<br />
wird genau mit diesem Begriff suchen.<br />
Doch manche Besucher geben »Parazetamohl«<br />
oder »Paracetimol« ein. Eine Auswertung<br />
von Fact-Finder für Paracetamol<br />
zeigt, dass innerhalb von zwei Wochen<br />
bei 524 Eingaben eine Streuung in 43<br />
nicht korrekt geschriebene Begriffe, die<br />
erkannt und zugeordnet werden müssen<br />
Diese Longtail-Suche deckt Google<br />
Commerce Search nur ungenügend ab.<br />
Omikron-Chef Kraus: »Fact-Finder kann<br />
mit einem eigens entwickelten Ähnlichkeitsverfahren<br />
einen Großteil der falschen<br />
Eingaben erkennen.« Wer zum Beispiel<br />
im Gartenshop www.poetschke.de<br />
»Spten« eintippt obwohl er einen »Spaten«<br />
sucht, wird von Fact-Finder auf die<br />
gesuchten Artikel geführt. Die Eingabe<br />
bei Shop.mein-schoener-garten.de ergibt<br />
bei Google Commerce Search 0 Treffer.<br />
Mängel zeigen <strong>sich</strong> auch bei zusammengeschriebenen<br />
Wörtern. Bei der Eingabe<br />
von »Kohle aus Holz« verweist der Shop<br />
auf »Anzünder Feuerbällchen« und<br />
»Multifunktions-Räucherofen« an.<br />
EINSTIEG IN DEN REISEMARKT<br />
Wie das möglich ist, erklärt Omikron-<br />
Forschungsleiter Emin Karayel: »Der<br />
Suchalgorithmus von Fact-Finder vergleicht<br />
zwei Datensätze.« In diesem Fall<br />
die Suchanfrage im Shop mit den dort<br />
hinterlegten Produktdaten. Bei der Zuordnung<br />
zu Produkten spielen die Phonetik<br />
und Matching-Aspekte eine Rolle.<br />
Etwa wenn im Kontext der Fließtext<br />
(wie »verzinkte Gewindeschraube« oder<br />
»Glühbirne«) weniger relevant ist als eine<br />
beigefügte Zahl (»35 Zoll/60 Watt«).<br />
Mit einer semantisch ausgerichteten<br />
Suchtechnologie Fact-Finder Travel steigt<br />
Omikron jetzt in den Softwaremarkt für<br />
Online-Reiseportale ein. Damit können<br />
Anbieter Kundenanfragen in natürlicher<br />
Sprache wie »Silvester, Strand, unter<br />
1.000 Euro« automatisch in passende Reiseangebote<br />
umsetzen. Einer der ersten<br />
Kunden ist das Reiseportal www.weg.de.<br />
Carsten Kraus hat <strong>sich</strong> viel vorgenommen:<br />
»Wir stoppen den Vormarsch Googles<br />
bei der Internet-Reisesuche, indem<br />
wir den Nutzern eine viel bessere Usability<br />
auf den Reiseportalen bieten.«<br />
Dr. Manfred Buchner<br />
&<br />
26 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
SPECIAL<br />
IT-Service und Beratung<br />
Fachkräfte im Osten gesucht<br />
Die europaweit agierende KaTe-Group offeriert ihren Kunden<br />
maßgeschneiderte Systemlösungen in der Informationstechnologie.<br />
Unternehmer Tobias Stötzer aus<br />
Stuttgart bietet seinen Kunden<br />
IT-Lösungen aus einer Hand. Er ist<br />
Geschäftsführer der KaTe-Group. Im Falle<br />
des aktuellsten Produkts der KaTe-Group,<br />
einer so genannten Single-Sign-On Appliance,<br />
trifft dies in besonderer Weise zu.<br />
Denn mit der speziellen styx.SSO-Lösung<br />
von KaTe ist es IT-Anwendern in Unternehmen<br />
jetzt möglich, <strong>sich</strong> mit einer Zugangskarte<br />
oder einem Windows-Kennwort<br />
nur einmal täglich im System einzuloggen<br />
und dann alle vorhandenen<br />
Netzwerkdienste nutzen zu können.<br />
»Die Zeit vieler verschiedener Passwörter<br />
für viele verschiedene SAP Systeme,<br />
die von Anwendern gerne mal vergessen<br />
oder von Hackern geknackt werden, ist<br />
vorbei. Für Unternehmen steht Security<br />
an erster Stelle«, betont Stötzer, der gegenwärtig<br />
kreuz und quer in Europa unterwegs<br />
ist, um potenziellen Kunden die<br />
pfiffige Entwicklung aus dem Stuttgarter<br />
IT-Unternehmen zu präsentieren.<br />
Von der neuen Lösung styx.SSO hat<br />
<strong>sich</strong> unlängst auch eine große schweizerische<br />
Bank überzeugen lassen. Mit<br />
seiner Lösung ist das europaweit tätige<br />
süddeutsche IT-Unternehmen in der Lage,<br />
jedem Kunden ein auf den Betrieb<br />
spezifiziertes Verfahren an die Hand zu<br />
geben, um die Authentifizierung zu optimieren.<br />
Zahlreiche namhafte Firmen, Banken,<br />
und Energieversorger haben styx.SSO<br />
bereits implementiert. Das Thema IT-<br />
Security ist aktueller denn je. Laut dem<br />
US-Marktforscher Gartner stehen Identity-<br />
und Access-Management ganz oben<br />
auf der Liste der Prioritäten.<br />
Ein weiterer Punkt ist die Zufriedenheit<br />
der Mitarbeiter. Bei der üblichen Verfahrensweise<br />
erzeugt das Passwortchaos<br />
eine Vielzahl von Passwort-Rücksetzungen,<br />
bei dem dann die Hotline zur Hilfe<br />
gerufen wird. Dieses Problem entfällt bei<br />
dem KaTe-Produkt vollkommen.<br />
Die KaTe-Group ist seit dem Jahr 2008<br />
am Markt und bietet aufeinander abgestimmte<br />
Beratungs- und Supportleistungen<br />
an. Für Kunden und Partner werden<br />
vor allem aus dem SAP NetWeaver und<br />
Microsoft-Umfeld an der Nachfrage ausgerichtete<br />
Software und betriebswirtschaftliche<br />
Verfahren entwickelt. Zertifizierte<br />
Mitarbeiter stehen dabei den Kunden<br />
mit Rat und Tat zur Seite.<br />
Die Wachstumsstrategie der Firma erzeugt<br />
einen hohen Bedarf an IT-Spezialisten.<br />
Das Stuttgarter Unternehmen ist<br />
stets auf der Suche nach entsprechend<br />
ausgebildeten Fachkräften. Da im Süden<br />
Deutschlands der Markt für IT-Fachleute<br />
leergefegt ist, streckt die KaTe-Group ihre<br />
Fühler bundesweit bis in den Osten aus.<br />
Gefragt sind vor allem Spezialisten, die<br />
bereits Erfahrungen bei der Umsetzung<br />
kreativer Konzepte für SAP-Systeme gesammelt<br />
haben. Zudem eilt den Hochschulen<br />
im Osten Deutschlands ein guter<br />
Ruf in der Informatikausbildung voraus.<br />
Günther G. Prütting<br />
Kontakt: www. kate-group.com<br />
cp@kate-group.net<br />
Zentrum Aus- und Weiterbildung Ludwigsfelde GmbH<br />
www.zal-ludwigsfelde.de<br />
<br />
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Weiterbildungskurse:<br />
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Lust auf mehr Informationen und Beratung?<br />
Möglichkeiten gibt es im ZAL und im IZ:<br />
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Firmenkurse:<br />
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Angebote für Auszubildende:<br />
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WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 27
ENTDECKEN<br />
GENIESSEN<br />
Himmelsfetzen<br />
Ein Interview mit der Künstlerin Ina Abuschenko-Matwejewa<br />
Die in Bernau geborene Malerin und Installationskünstlerin lebt seit 2009 im brandenburgischen<br />
Eberswalde. Sie hat zahlreiche Preise und Stipendien erhalten.<br />
Sie zeigen auf der Art Brandenburg kleine<br />
Serien minimalistischer Kompostionen aus<br />
Karton. Was inspiriert Sie bei Ihrer Arbeit?<br />
Inspirieren können mich Himmelsfetzen, das<br />
Geräusch einer U-Bahn, Gedankenströme. 2004<br />
war ich 3 Monate in Italien, ich zeichnete viel,<br />
hatte jedoch das Werkzeug, um an Holzobjekten<br />
zu arbeiten nicht dabei. Es war die pure<br />
Sehnsucht mit Materie umzugehen; aus dem<br />
Nichts heraus griff ich zum Papier, formte dies,<br />
verarbeitete Eindrücke, die <strong>sich</strong> mir an diesem<br />
Ort aufdrängten. Jedes Material enthält eigene<br />
innere Gesetzmäßigkeiten, zeichnet <strong>sich</strong> aus<br />
durch unterschiedliche Dichte, Volumen etc.<br />
und ist in der Erscheinung entsprechend unterschiedlich,<br />
auch die Farben in ihrer Materialität.<br />
Ich gehe bildhauerisch vor, forschend, erspüre<br />
die Eigenschaften der Materie, gehe damit in<br />
Resonanz und lote dies in meiner Arbeit aus.<br />
Mich inspiriert dieser Schöpfungsvorgang.<br />
Sie nehmen ja bereits zum wiederholten Male<br />
an der Art Brandenburg teil. Wie sind Ihre Erfahrungen<br />
und was versprechen Sie <strong>sich</strong> von<br />
der Teilnahme?<br />
Ich hoffe auf reiche Begegnungen und gute Verkäufe<br />
wie in der Vergangenheit. Ich wünsche<br />
mir, dass meine Arbeiten bei den Käufern ihr<br />
Wirkungsfeld und ihre Kraft entfalten können.<br />
Was reizt Sie, als mehrfach, auch international,<br />
ausgezeichnete Stipendiatin, am Standort<br />
Brandenburg?<br />
Der Standort Brandenburg reizt mich, weil ich<br />
im Biossphärenreservat leben kann und Weltstädtisches<br />
in der Nähe habe.<br />
Parallel zur Art Brandenburg findet die Messe<br />
für Genuss, Lebensart und Ambiente – Salon<br />
Sanssouci statt. Was halten Sie von dieser<br />
Kombination?<br />
Dem Kunstgenuss andere Genüsse beizugesellen<br />
ist wunderbar. Es ist sehr angenehm, bei<br />
exzellenter Verpflegung und in topmodernen<br />
Bettmodellen für Momente von der Messearbeit<br />
auszuruhen.<br />
Der Brandenburgische Verband Bildender<br />
Künstlerinnen und Künstler e.V. (BVBK)<br />
ist die Interessenvertretung der Bildenden<br />
Künstler des Landes Brandenburg.<br />
Eine der wesentlichen Aufgaben des<br />
Berufsverbandes ist es, die Rahmenbedingungen<br />
für die Bildende Kunst zu verbessern.<br />
Er organisiert Projekte, nimmt<br />
zu kulturpolitischen Angelegenheiten<br />
Stellung und ist kompetenter Ansprechpartner<br />
für Fragen der Bildenden Kunst<br />
im Land Brandenburg.<br />
Aktuelle Arbeitsschwerpunkte sind die<br />
Themen Kunst und Bauen, internationale<br />
Austauschprogramme sowie die Künstlermesse<br />
ART BRANDENBURG.<br />
www.art-brandenburg.de · www.salon-sanssouci.de · www.maerkisches-galerienforum.de
Schiff ahoi<br />
Die Maritime-Firmengruppe HHB präsentiert<br />
<strong>sich</strong> erstmals zusammen mit ihren Kooperationspartnern<br />
auf der Messe Salon Sanssouci.<br />
Ausgestellt werden Boote bzw. Gespanne, die<br />
über das Tochterunternehmen HHB Yachtkontor<br />
mit Sitz in Potsdam und Berlin, aber auch bundesweit<br />
über ein Händlernetz verkauft werden:<br />
Range Rover Sport mit Motorboot Chris Craft<br />
Catalina 23 auf Aluminium-Trailer; Sportboot<br />
Larson 850; Sportboot Interboat 19, das <strong>sich</strong><br />
zum gemütlichen Wasserwandern anbietet und<br />
eine Kapitänsslup.<br />
Alle genannten Boote können auch gechartert<br />
werden. Neben den Ausstellungsstücken präsentiert<br />
das Unternehmen sein Yachtsortiment<br />
auf einem Informationsstand. Auch größere<br />
Yachten von ca. 9 - 15 m werden zur wochenweisen<br />
Vermietung angeboten. Sie kommen<br />
überwiegend aus dem Hause Linssen, dem<br />
Mercedes unter den holländischen Stahlmotoryachten,<br />
und aus der „Yachtmanukfaktur“<br />
Christo Mare. Ein besonderer Service ist die Vermietung<br />
von Booten und Yachten mit Skipper.<br />
Abgerundet wird das Angebot durch umfangreiche<br />
Bootsbauleistungen. In diesem Zusammenhang<br />
werden Boote vollständig restauriert<br />
und technisch generalüberholt. Im perfekten<br />
Zustand werden sie zu Preisen zwischen 50.000<br />
und 400.000 € über HHB Yachtkontor zum Verkauf<br />
angeboten.<br />
Alle in einem Boot<br />
Auch die Kooperationspartner Marina am Tiefen<br />
See Potsdam und der Yachthafen Resort<br />
Schwielowsee präsentieren <strong>sich</strong> mit Informationsständen<br />
zu ihren Angeboten. Beide Häfen<br />
vermieten auch kleinste, führerscheinfreie<br />
Sportboote auf Stundenbasis. Die Gastronomie<br />
in beiden Yachthäfen bietet ein umfangreiches<br />
und hochwertiges Speisensortiment an.<br />
Die Firma Noblekey zeigt <strong>sich</strong> mit einem exklusiven<br />
Angebot an individuell gestalteten Fahrzeugschlüsseln<br />
für Automobile und Boote. Die<br />
Christo Mare Werft präsentiert Produkte, die aus<br />
maritimen Werkstoffen wie Teakholz und Edelstahl,<br />
auch nach speziellen Kundenwünschen,<br />
produziert werden. So ist als Standausstattung<br />
ein exklusiver Konferenztisch zu sehen.<br />
Wir trafen Karin Genrich, Präsidentin des Handelsverbandes<br />
Berlin-Brandenburg und gleichzeitig<br />
Schirmherrin des Salon Sanssouci, zum<br />
Gespräch.<br />
Von Beginn an unterstützen Sie die Messe mit<br />
viel persönlichem Engagement und haben<br />
nun die Schirmherrschaft übernommen.<br />
Schon als mir der Geschäftsführer der Messe<br />
Potsdam, Michael Schulze, vor so ungefähr vier<br />
Jahren das Konzept dieser Messe vorstellte,<br />
war ich begeistert und wusste, dass der Salon<br />
Sanssouci das kulturelle Leben Potsdams bereichern<br />
wird. Ich nahm Kontakt zu Geschäftspartnern<br />
auf, mit denen ich bisher konstruktiv<br />
zusammengearbeitet hatte, und begeisterte sie<br />
für diese Idee. Sie sind seither Aussteller beim<br />
Salon Sanssouci.<br />
Was macht dessen Reiz aus?<br />
Diese Messe ist eine ausgewogene und attraktive<br />
Kombination von Lifestyle, hochwertigen<br />
Produkten und Dienstleistungen – also alles,<br />
was das Leben schöner und angenehmer macht.<br />
Für diese außergewöhnliche Präsentation bietet<br />
die spannende Architektur der Metropolis-<br />
Halle ideale Bedingungen. Zudem erwartet die<br />
Gäste ein interessantes Begleitprogramm von<br />
Verkostungen über Musikdarbietungen bis hin<br />
zu Modenschauen. Die in diesem Jahr parallel<br />
zum Salon Sanssouci stattfindende vierte Brandenburgische<br />
Künstlermesse ist ein zusätzlicher<br />
Glanzpunkt, weil diese Kombination nahezu<br />
einzigartig ist. Kunst und genussvolle Lebensart<br />
passen einfach gut zusammen.<br />
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Augenschmaus<br />
Art Brandenburg<br />
Starke Umsätze, nachhaltige Kontakte: Die vom<br />
Brandenburgischen Verband Bildender Künstlerinnen<br />
und Künstler e.V. (BVBK) in Kooperation<br />
mit der Messe Potsdam GmbH veranstaltete<br />
4. Art Brandenburg ist Magnet für Sammler,<br />
Kuratoren und Kunstliebhaber. Die Leitmesse<br />
für Bildende Kunst im Land Brandenburg gibt<br />
einen umfassenden Überblick über die aktuellen<br />
Positionen zeitgenössischer Kunst. In 69 Kojenund<br />
einem Skulpturenbereich stellen 89 renommierte<br />
Künstler mit Schaffensschwerpunkt<br />
im Land Brandenburg ihre Werke persönlich vor.<br />
Salon Sanssouci<br />
Parallel dazu findet die Messe für Genuss, Lebensart<br />
und Ambiente Salon Sanssouci statt.<br />
Es werden rund 80 Aussteller der Extraklasse<br />
erwartet. Bei der Luxusmesse ist unter anderem<br />
erstmals eine Yacht zu sehen. Umrahmt<br />
von hochwertigen Küchenmodellen, u. a. im<br />
Design von Jette Joop, findet traditionell ein<br />
Showkochen statt. Bei den Modenschauen wird<br />
die Herbst/Winter-Kollektion von Anja Gockel,<br />
Simm-Berlin und weiteren Modepartnern präsentiert.<br />
Für Tabakfreunde zeigt Jorge Emilio<br />
Orquin am Stand des Preußischen Cigarren-<br />
Collegiums Berlin wie man Zigarren rollt.<br />
Märkisches Galerienforum<br />
Zudem stellen 10 ausgewählte Galerien zum<br />
ersten Mal unter dem Namen Märkisches Galerienforum<br />
im Foyer der Metropolis Halle aus.<br />
Die Besucher dürfen <strong>sich</strong> sowohl auf heimische<br />
Künstler freuen als auch auf Künstler aus Russland,<br />
China, der Mongolei und Japan. Neben<br />
Galerien aus Berlin und Brandenburg ist auch<br />
das Leipziger Buch- und Kunstantiquariat mit<br />
dabei, das Werke der Leipziger Schule und der<br />
Neuen Leipziger Schule zeigt.<br />
Öffnungszeiten:<br />
Fr. 4.11.:<br />
Sa. 5.11.:<br />
So. 6.11.:<br />
11.00 - 20.00 Uhr<br />
11.00 - 20.00 Uhr<br />
11.00 - 18.00 Uhr<br />
Eintrittspreise:<br />
Erwachsene 8,00 €<br />
Ermäßigt 5,00 €<br />
Abendticket (ab 16 Uhr) 5,00 €<br />
Dauerkarte (3 Tage) 14,00 €<br />
www.art-brandenburg.de / www.salon-sanssouci.de<br />
www.märkisches-galerienforum.de<br />
Veranstaltungsort:<br />
Metropolis Halle, Potsdam<br />
Großbeerenstraße 14482 Potsdam<br />
Besucherhotline: 0331/2016678<br />
Impressum:<br />
Titel: Ina Abuschenko-Matwejewa: Störbilder (Serie), 4teilig, je 24 x 45 x 3,5 cm,<br />
Gouache, Aquarellkarton, 2011<br />
Foto: Thomas Kläber © VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />
weitere Fotos: © MPG Messe Potsdam GmbH<br />
Interview Karin Genrich © Top Magazin Brandengburg, Autorin: Brigitte Menge<br />
Text: Rita Bartl Gestaltung: Carolin Winning<br />
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Highlights<br />
Zigarren rollen<br />
Modenschauen<br />
Auf der Modenschau am Samstag, 5. November<br />
um 17 Uhr wird die Herbst/Winter-Kollektion<br />
von Anja Gockel, Simm-Berlin und weiteren<br />
Modepartnern präsentiert. Anja Gockel hat in<br />
den vergangenen Jahren die Finalistinnen der<br />
Der Zigarrendreher Señor Jorge Emilio Orquin Erfolgssendung „Germany‘s next Topmodel“ mit<br />
kommt aus Kuba, ist 67 Jahre alt und hat seine Heidi Klum ausgestattet. Ulrike Carolina Simm<br />
erste Zigarre mit 13 Jahren gefertigt. Er wird vor stellt mit ihrem Label Simm-Berlin ihre Pret<br />
den Augen der Besucher Premium-Zigarren in a Porter und Haute Couture Kollektion vor, die<br />
traditioneller Weise fertigen. Der Torcedo, wie in ihrem Stil Erhabenheit, zeitlose Eleganz und<br />
der Zigarrendreher in Landessprache genannt Extravaganz vereint. Hüte von Maliné (Kristin<br />
wird, erklärt alle Vorgänge während der Herstellung.<br />
Für besonders Interessierte gibt es ter der Modelle. Karin Genrich wird zudem viel<br />
Müller) unterstreichen den besonderen Charak-<br />
Zigarrenrollkurse am Stand des Preußischen vom Label Sportalm zeigen. Der Sonntag, 6. November<br />
gehört dann exklusiv Karin Genrich und<br />
Cigarren-Collegium Berlin. Dieses bietet in<br />
der Nähe vom Kurfürstendamm neben einer Simm-Berlin.<br />
Smokers Lounge feine Zigarren, ausgesuchte<br />
Whiskies und Brände sowie stilvolles Zubehör<br />
(Scheren, Feuerzeuge und Humidore) an. Und<br />
wer schon immer wissen wollte, welchen Einfluss<br />
Reifung und Lagerung auf den Geschmack<br />
von Zigarren hat, ist hier genau richtig.<br />
Kochen mit Jette Joop<br />
„Wir sind dabei“, nicht ohne Stolz zeigt Herr Mauermann von Mauermann Küchen, auf eine dezent<br />
beleuchtete Glasbordüre, auf der <strong>sich</strong> weiße Kolibris der Nahrungsaufnahme widmen. „Diese anmutige<br />
Gestaltung stammt aus der Feder der bekannten Designerin Jette Joop.“ Großzügig, elegant und<br />
ein wenig verspielt zieht das neuartige Design die Blicke auf <strong>sich</strong>. Die matten Mikrolack Oberflächen<br />
sind edel, trotz ihrer Strapazierfähigkeit. Einige Schränke erinnern mit ihrer abgeschrägten Form an die<br />
Facetten eines Edelsteins. Neben der Küche als Highlight werden täglich von 14 bis 17 Uhr am Stand<br />
allerlei Köstlichkeiten gezaubert, darunter Kürbisfrischkäse auf frischem Bauernbrot und Avocadosalat<br />
auf sautierten Garnelen.<br />
Diesel für die erste Liga<br />
Seit Herbst 2008 ist Infiniti, der Edelableger<br />
der Marke Nissan, auch in Europa präsent. Fünf<br />
Händler gibt es, die die optisch auffallenden<br />
sowie sportlich ausgelegten Modelle des japanischen<br />
Autoherstellers anbieten. Neben Hamburg,<br />
Dresden, Frankfurt und Düsseldorf hat<br />
Infiniti seit September 2010 auch in Berlin am<br />
Salzufer einen Handelspartner.<br />
Die geschwungene Linie ist für Infiniti das<br />
ästhetische Leitmotiv. Das Design folgt der<br />
Philosophie der kraftvollen Eleganz, d.h. das<br />
geschmeidige Styling bildet ein Gegengewicht<br />
zum leistungsstarken Drehmoment. Zeitlose<br />
japanische Ästhetik wird modern interpretiert:<br />
So sind beispielsweise die Polstersitze von Kimonos<br />
inspiriert. Zur Messe Salon Sanssouci<br />
bringt Infiniti einen M35h Hybrid und einen<br />
FX30d Diesel mit.<br />
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REPORT<br />
hersteller und Membranverarbeiter sind<br />
international Spitze. Ein halbes Dutzend<br />
Firmen verfügt hierzulande über das<br />
nötige Knowhow. Darunter die Novum<br />
Membranes GmbH in Edersleben.<br />
Im Jahr 2000 als KFM GmbH Konfektionierung<br />
für Membranen auf 450 Quadratmeter<br />
in Wallhausen gegründet, hat<br />
<strong>sich</strong> die Firma über die Jahre behauptet.<br />
2003 erfolgte der Umzug in den 1.800<br />
Quadratmeter großen Betrieb ins nahe<br />
gelegene Edersleben (Landkreis Mansfeld-Südharz).<br />
Da ging es weiter bergauf –<br />
aber bei dem bayrischen Hauptauftraggeber<br />
Covertex ab 2007 bergab.<br />
Als Covertex 2008 in die Pleite schlittert,<br />
gerät die KFM mit ihren 20 Mitarbei-<br />
Können Sie <strong>sich</strong> vorstellen, Dach<br />
und Wände Ihres Eigenheims mit<br />
Kunststoff zu verkleiden? Nein?<br />
Aber Sie kennen <strong>sich</strong>er die Allianz-Arena<br />
in München. Spektakulär, futuristisch,<br />
luftig! Die Außenhülle – mit 66.000 Quadratmetern<br />
die größte der Welt – leuchtet<br />
rot, wenn der FC Bayern spielt, blau<br />
bei 1860 München und weiß bei Länderspielen.<br />
Insgesamt 2.760 Membrankissen<br />
werden ständig mit getrockneter Luft<br />
aufgeblasen. Strahler erzeugen die unterschiedlichen<br />
Farbspiele.<br />
Gefertigt, zugeschnitten und geschweißt<br />
wurden die 7,6 bis 40,7 Quadratmeter<br />
großen Folienkissen aus Ethylen-Tetrafluorenthylen<br />
(EFTE) 2004 in<br />
Edersleben in Sachsen-Anhalt. Ein Teil ist<br />
auf dem Betriebsgelände der Novum<br />
Membranes GmbH geblieben. Als Musterstück.<br />
Das zeigt Controller Thomas Pohl.<br />
»Ein zweilagiges EFTE-Luftkissen. Die Folie<br />
ist mit 0,2 Millimeter hauchdünn,<br />
trotzdem haltbar und strapazierfähig.«<br />
Und der Betriebswirtschaftler fährt fort:<br />
»Flexibel, leicht, transparent, UV-durchlässig,<br />
selbstreinigend.«<br />
Fotos: D. Micke, Novum Membranes GmbH<br />
FÜNFTES ELEMENT DER BAUKUNST<br />
Pohl scheint auch im Marketing fit zu<br />
sein, verweist auf das Online-Portal der<br />
Firma. Da sei eine kleine Auswahl an Referenzobjekten<br />
aufgelistet: die Foliendächer<br />
der AWD-Arena Hannover, die<br />
PTFE-Glas-Membranen im Mercedes Museum<br />
Stuttgart und im Flughafen-Tower<br />
Wien, das LED-beleuchtete Luftkissendach<br />
am Terminal 3 des Londoner Airports<br />
Heathrow, die einlagigen Membranen<br />
im Botanischen »Garten Eden« in<br />
Cornwall (England). Klangvolle Namen.<br />
Auch vor der eigenen Haustür haben <strong>sich</strong><br />
die Ederslebener verewigt: im nahen<br />
Sangerhausen mit der PVC-beschichteten<br />
Bühnenüberdachung des Rosariums, Europas<br />
größtem Rosengarten.<br />
Die Folienhüllen stehen erst am Anfang<br />
ihres Siegeszuges bei Großprojekten.<br />
Künftig sollen noch viel ausladendere<br />
Flächen überspannt werden. Experten<br />
gehen sogar davon aus, dass Kunststoffmembrane<br />
das Zeug zum fünften Element<br />
in der Baukunst haben – nach<br />
Holz, Stahl, Beton und Glas. Die Branche<br />
ist im Aufwind. Immer mehr Kunden setzen<br />
auf leichte textile Bauten. Folien zieren<br />
nicht mehr nur Stadien und Flughäfen,<br />
sondern auch Schulen, Universitäten<br />
und Krankenhäuser. Selbst in kleinen<br />
Privatgärten ziehen sie ein: in Form von<br />
Poolüberdachungen.<br />
»In der Architektur werden Membranen<br />
aus EFTE-Folien, mit PVC beschichteten<br />
Geweben oder PTFE-Glasfasern eingesetzt«,<br />
erklärt Pohl. Die deutschen Folien-<br />
Novum Membranes GmbH in Edersleben<br />
Folien, Kissen und Luft<br />
Allianz-Arena München, Flughafen Heathrow, Airport-Tower Wien<br />
– Dächer und Fassaden dieser Bauten schmücken spektakuläre<br />
Membranensysteme. Hergestellt in Edersleben bei Sangerhausen.<br />
tern ebenfalls in Existenznöte, wird dann<br />
aber von der in Milwaukee (USA) ansässigen<br />
»Novum Structures LLC«, Spezialist<br />
für Stahl- und Glaskonstruktionen, komplett<br />
gekauft. Genau genommen von der<br />
Novum Structures GmbH im fränkischen<br />
Veitshöchheim. Die gehört den Amerikanern<br />
zu 100 Prozent.<br />
So können sie ihre Produktpalette mit<br />
Membranen erweitern, die Fertigung<br />
und Logistik für den weltweiten Markt<br />
ausbauen. Die Sachsen-Anhalter nutzen<br />
das Know-how und das Vertriebssystem<br />
der Novum-Gruppe mit ihren insgesamt<br />
250 Beschäftigten in Zweigstellen in<br />
Großbritannien, Italien, Frankreich,<br />
China und Indien. KFM-Geschäftsführe-<br />
32 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
REPORT<br />
PRÄZISION Bei Systemplanerin Antje Scheer (l. Foto) gefragt und beim Folienzuschnitt. Azubi Sebastian (r.) mit Controller Thomas Pohl.<br />
rin Gunda Noatzsch bleibt in Edersleben,<br />
ist heute Niederlassungleiterin der 2008<br />
gegründeten Novum Membranes GmbH.<br />
Die Chefin steckt gerade in Beratungen,<br />
kommt kurz raus und begrüßt den<br />
Gast, um sodann auf Thomas Pohl zu verweisen.<br />
Mit 27 Jahren trägt er bereits Verantwortung.<br />
Er macht im Betrieb Controlling,<br />
Reporting für die US-Mutter und<br />
Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Pohl hat BWL in Nordhausen studiert<br />
und 2008 in Edersleben angefangen. Er<br />
stammt aus Annarode, nicht weit entfernt.<br />
»Der Job ist reizvoll durch die amerikanische<br />
Mutterfirma, die E-Mails sind<br />
fast ausschließlich in Englisch, wir haben<br />
viele Kontakte in die USA und nach<br />
Großbritannien, eine neue Software ist<br />
im Aufbau. Und wir haben ein tolles Betriebsklima«,<br />
schwärmt er. Andere Mitarbeiter<br />
bestätigen das. Sie ergänzen, es sei<br />
toll, eine »soziale Chefin« zu haben. Unisono:<br />
Die Arbeit hier mache Spaß.<br />
Der Umsatz stimmt. Im Jahr 2010 standen<br />
2,2 Millionen Euro zu Buche, dieses<br />
Jahr sind 2,5 Millionen avisiert. 42 Mitarbeiter<br />
in Edersleben produzieren mehr<br />
als 150.000 Quadratmeter Membranen<br />
jährlich. Mit dreidimensionalen, computergestützten<br />
Modellen werden Schnittmuster<br />
für die Membranen erstellt. Diese<br />
werden dann mit höchster Präzision von<br />
modernen CAD-Cuttern geschnitten, anschließend<br />
von computerüberwachten<br />
Hightech-Maschinen in die endgültige<br />
Form geschweißt.<br />
FREIGESPANNTE KONSTRUKTION<br />
Antje Scheer aus Allstedt hat technische<br />
Zeichnerin gelernt, »heute heißt das<br />
technische Systemplanerin«, sagt sie. Die<br />
Arbeitsagentur vermittelte sie 2008 nach<br />
Edersleben. »Ich habe Angebote erstellt,<br />
mich reingefuchst. Die Firma vergrößert<br />
<strong>sich</strong>, und wir wachsen mit den neuen<br />
Herausforderungen.« Klingt wie ein Marketingsspruch.<br />
»Es ist aber so«, schiebt<br />
GEOMETRIE Aufgeblasene Top-Membranen.<br />
die 42-Jährige nach. Sie mache nun mit<br />
der neuen Software den Zuschnitt.<br />
Ingenieurleistungen wie die Formfindung<br />
werden sukzessive auch im eigenen<br />
Haus verwirklicht, sagt Pohl. Formfindung?<br />
»Das ist ein Verfahren zur Ermittlung<br />
der Geometrie eines Tragsystems.<br />
Da bei freigespannten textilen<br />
Membrankonstruktionen die Geometrie<br />
der tragenden Fläche der entscheidende<br />
Parameter für ihre Tauglichkeit ist, ist<br />
die Formfindung ein wichtiger Teil der<br />
Entwurfsarbeit.« Demnächst will die Firma<br />
eigene Serienprodukte entwickeln.<br />
Mehr verrät Pohl noch nicht.<br />
Die Firma will jedenfalls mehr selber<br />
machen. Dafür braucht sie Leute, Spezialisten.<br />
Wie sieht es da mit dem Nachwuchs<br />
aus? Bisher haben hier drei technische<br />
Konfektionäre, so heißt der Beruf,<br />
ihre Ausbildung beendet. Darunter die<br />
23-jährige Nicole Doyscher aus Breitenstein<br />
nach drei Lehrjahren im Januar<br />
2007. Ihre Mutter ist hier Produktionsleiterin,<br />
hat sie zum Praktikum mitgebracht.<br />
»Mir hat es damals gefallen. So<br />
habe ich als Azubi in Edersleben begonnen.«<br />
Und wurde später übernommen.<br />
»Jedes Projekt ist anders, die Arbeit abwechslungsreich.<br />
Das passt.« Keine Frage,<br />
sie will bleiben.<br />
Das möchte auch der 18 Jahre alte Sebastian<br />
Claaßen, seit August 2009 Lehrling.<br />
In der Fertigungshalle ist er am Cutter,<br />
schneidet eine einlagige, blaue Folie<br />
zu. Auftragswerk für die 32.300 Quadratmeter<br />
große Überdachung eines Stadions<br />
im französischen Le Havre.<br />
HAGEL-FESTES MATERIAL<br />
Apropos Unwetter, hält das Material massiven<br />
Hagel aus? »Ziehen Sie mal!« Der<br />
Azubi lässt auf das Produkt nichts kommen.<br />
Ebenso Pohl: »Nehmen Sie ein Messer<br />
und versuchen es ...« Claaßen grinst.<br />
»Von kleinauf wollte ich Bäcker werden,<br />
dann ab der 8. Klasse irgendetwas<br />
mit Kfz. Aber bei Schülerpraktika merkte<br />
ich, das ist nicht das Richtige für mich«,<br />
sagt der Azubi. »Da ich in Edersleben<br />
wohne, habe ich mich in den Ferien hier<br />
um ein Praktikum beworben. Ich kam<br />
mit Null-Vorstellung und ging mit 100<br />
Prozent gutem Eindruck.«<br />
Jetzt ist er richtig da, hat, wie er sagt,<br />
Spaß an der Ausbildung und ist stolz,<br />
dass seine Firma an Projekten in aller<br />
Welt mitgewirkt hat. »Die Allianz-Arena,<br />
Rosarium ..., das ist ein tolles Gefühl.«<br />
Pohl nickt. Es ist ja nicht so, dass er als<br />
junger Mann sein ganzes Leben in der<br />
Heimatregion zubringen muss. Aber:<br />
»Hier stimmt alles.« Der Job und das<br />
drumherum. Und meint damit auch: Seit<br />
2008 funktioniert hier das DSL schnell.<br />
Die Südharzautobahn A38 sei inzwischhen<br />
vollständig befahrbar. Naja, die A71,<br />
die Fertigstellung des Abschnitts zwischen<br />
Südharz und Artern, habe <strong>sich</strong> verzögert.<br />
Hoffentlich ist er bis zum Frühjahr<br />
2012 dann wirklich vollendet. Und<br />
das Private? Zu Hause fühle der <strong>sich</strong> sehr<br />
wohl. Mit seiner Freundin, seiner Boa<br />
Constrictor und seiner Königspython,<br />
und sagt: »Hier will ich bleiben!«<br />
Dana Micke<br />
&<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 33
W&M-SERVICE<br />
AKTUELL<br />
LUFTVERKEHR<br />
Erste Bilanz<br />
der Flugsteuer<br />
Die Experten der NORD/LB<br />
haben eine erste Zwischenbilanz<br />
der Auswirkungen der<br />
Flugverkehrssteuer gezogen.<br />
Ihre Einführung hatte zu empörten<br />
Reaktionen bei Flughäfen<br />
und Fluggesellschaften geführt:<br />
die Luftverkehrssteuer. Anfang<br />
Oktober machten Gerüchte um<br />
eine geplante Reduzierung der<br />
Branche Hoffnung, sie wurden<br />
aber umgehend von der Bundesregierung<br />
dementiert. Die<br />
NORD/LB hat nun in ihrem<br />
»Aviation Monitor« eine Analyse<br />
der bisherigen Auswirkungen<br />
der Steuer vorgenommen. Demnach<br />
beurteilt das Bundesministerium<br />
der Finanzen die Einnahmeentwicklung<br />
positiv. Das<br />
im Mai geschätzte Jahresaufkommen<br />
von 940 Millionen<br />
Euro wird wohl 2011 erreicht<br />
werden. Die gewünschte ökologische<br />
Wirkung der Steuer ist<br />
allerdings kaum eindeutig zu<br />
beurteilen. Bei den Fluggesellschaften<br />
trifft es vor allem die<br />
Low-Cost-Carrier. Air Berlin und<br />
Germanwings klagen über spürbare<br />
Nachfrageauswirkungen.<br />
Ausländische Billigflieger reduzieren<br />
ihre Kapazitäten in Deutschland<br />
und weichen zum Teil<br />
auf ausländische Märkte aus. In<br />
der Folge sind vor allem Flughäfen<br />
betroffen, die <strong>sich</strong> dem<br />
Geschäft mit den Billigfliegern<br />
verschrieben haben. Profiteure<br />
sind grenznahe Flughäfen im<br />
Ausland. Das Bundesfinanzministerium<br />
will aber den Rückgang<br />
der Passagierzahlen an einzelnen<br />
Flughäfen nicht allein<br />
der Flugverkehrssteuer zugeschrieben<br />
wissen. Schließlich verteuerten<br />
auch steigende Kerosinpreise<br />
die Tickets und sorgten so<br />
zu einem Nachfragerückgang in<br />
der Nebensaison und auf innerdeutschen<br />
Flügen. Für die<br />
kriselnden mitteldeutschen<br />
Flughäfen verspricht dies kaum<br />
Perspektive – ihre Hoffnung auf<br />
einen Dauerboom der Ferienflieger<br />
hat <strong>sich</strong> nicht erfüllt.<br />
IM<br />
ARZTPRAXIS<br />
Im Kaufpreis<br />
inbegriffen<br />
Der Wert einer Arztpraxis<br />
umfasst auch den finanziellen<br />
Vorteil aus der Zulassung<br />
als Vertragsarzt.<br />
Ein Facharzt für Orthopädie<br />
hatte eine Facharztpraxis mit<br />
dem Patientenstamm der Kassenpatienten<br />
erworben. Der<br />
Kaufpreis entfiel zum Teil auf<br />
die Praxiseinrichtung, zum<br />
größeren Teil aber auf den<br />
Praxiswert. Der Erwerber<br />
führte die Praxis fort und<br />
nahm auf den Praxiswert<br />
Absetzungen für Abnutzung<br />
(AfA) vor. Das Finanzamt sah<br />
in der Hälfte des vom Kläger<br />
entrichteten Betrags für den<br />
Praxiswert den »wirtschaftlichen<br />
Vorteil einer Vertragsarztzulassung«.<br />
Dieser sei ein gesondertes,<br />
nicht abnutzbares immaterielles<br />
Wirtschaftsgut, für das<br />
keine AfA abzuziehen sei.<br />
Falsch, urteilte der BFH (Az.<br />
VIII R 13/08) im Sinne des Arztes.<br />
Ein gesondertes Wirtschaftsgut<br />
»Vorteil aus der<br />
Vertragsarztzulassung« lasse<br />
<strong>sich</strong> nicht abspalten. Eine solche<br />
gesonderte Bewertung sei<br />
überhaupt nicht praktikabel.<br />
UNTERNEHMEN<br />
AUSKÜNFTE<br />
Antwort nur<br />
gegen Gebühr<br />
Das Auskunftsbegehren<br />
einer Aktiengesellschaft<br />
beim Finanzamt kam die<br />
Firma teuer zu stehen.<br />
Eine Aktiengesellschaft stellte<br />
an ein Finanzamt ein Auskunftsbegehren<br />
zum deutschen<br />
Besteuerungsrecht,<br />
konkret zum Übergang eines<br />
vortragsfähigen Gewerbeverlusts<br />
und zur Buchwertfortführung<br />
im Zuge einer Umstrukturierung.<br />
Nach einem<br />
Schriftwechsel nahm sie das<br />
Auskunftsersuchen zurück.<br />
Der Antrag auf verbindliche<br />
Bestätigung der Buchwertfortführung<br />
wurde aber aufrechterhalten.<br />
Diesen lehnte<br />
das Amt wegen formaler Fehler<br />
ab. Dennoch fiel eine Gebühr<br />
von mehreren tausend<br />
Euro an. Das Unternehmen<br />
klagte: Die Auskünfte müssten<br />
kostenlos sein, außerdem<br />
sei die Anfrage gar nicht bearbeitet<br />
worden. Das Hessische<br />
FG schmetterte die Klage ab<br />
(Az. 4 K 3139/09). Bereits mit<br />
der Annahme des Antrags sei<br />
ein gebührenpflichtiges Verfahren<br />
in Gang gesetzt worden.<br />
GEWERBESTEUER<br />
Hebesätze zogen 2010 an<br />
Im Jahr 2010 lag der durchschnittliche Hebesatz aller Gemeinden<br />
in Deutschland für die Gewerbesteuer bei 390 Prozent und damit<br />
um drei Prozentpunkte höher als im Vorjahr (387 Prozent).<br />
Durchschnittliche Hebesätze Gewerbesteuer<br />
Land Hebesatz Veränderung zu 2009*<br />
Berlin 410 0<br />
Brandenburg 309 –12<br />
Mecklenburg-Vorpom. 345 +1<br />
Sachsen 412 +2<br />
Sachsen-Anhalt 350 +1<br />
Thüringen 349 +8<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt, * in Prozent<br />
STEUERN SPAREN<br />
W&M-Tipp für die PRAXIS<br />
Die Steuererklärung<br />
wird einfacher<br />
Bundestag und Bundesrat haben<br />
das Steuervereinfachungsgesetz<br />
beschlossen. Für Unternehmen sollen<br />
die Bürokratiekosten sinken.<br />
Arbeitnehmer können <strong>sich</strong> bereits<br />
2011 über die Erhöhung der Werbungskostenpauschale<br />
von 920<br />
auf 1.000 Euro freuen. Wer mehr<br />
als 1.000 Euro für beispielsweise<br />
Berufskleidung oder Fachbücher<br />
ausgibt, muss aber nach wie vor<br />
Belege sammeln. Freuen dürfen<br />
<strong>sich</strong> auch Familien. Bei volljährigen<br />
Kindern wird Kindergeld ab 2012<br />
grundsätzlich auch dann gezahlt,<br />
wenn das Kind über eigene Einkünfte<br />
verfügt, die den Freibetrag von<br />
8.004 nicht übersteigen. Bisher<br />
genügte nach der Rechtsprechung<br />
schon das Überschreiten der Verdienstgrenze<br />
um nur einem Euro,<br />
um die Ansprüche erlöschen zu lassen.<br />
Voraussetzung für den Bezug:<br />
Der Nachwuchs muss <strong>sich</strong> in einer<br />
Berufsausbildung (Studium, Lehre),<br />
im Freiwilligendienst, in einer Warte-<br />
oder Übergangszeit zwischen<br />
zwei Ausbildungen befinden oder<br />
arbeitslos sein. Leichter abzugsfähig<br />
sind Betreuungskosten für<br />
Kinder, die das 14. Lebensjahr<br />
noch nicht vollendet haben. Eltern<br />
müssen nicht mehr begründen,<br />
warum sie ihr Kind aus beruflichen<br />
oder privaten Gründen nicht selber<br />
betreuen. Künftig werden alle Kinderbetreuungskosten<br />
als Sonderausgaben<br />
gewertet. Bis zum 14.<br />
Lebensjahr des Kindes können die<br />
Eltern zwei Drittel der Betreuungskosten<br />
absetzen, maximal jedoch<br />
4.000 Euro. Vermieter, die Wohnungen<br />
preisgünstig beispielsweise<br />
an Angehörige vermieten, profitieren<br />
ebenfalls von der Steuervereinfachung.<br />
Sie können künftig trotz<br />
der niedrigen Miete ihre Werbungskosten<br />
in voller Höhe geltend machen.<br />
Allerdings unter einer Einschränkung:<br />
Die vereinbarte Miete<br />
muss mindestens 66 Prozent der<br />
ortsüblichen Vergleichsmiete betragen.<br />
Gegebenenfalls ist also<br />
eine Mieterhöhung sinnvoll.<br />
W&M-TIPP<br />
Der elektronische Rechnungsversand<br />
wurde ebenfalls vereinfacht.<br />
Bei elektronischen Rechnungen gibt<br />
es den Vorsteuerabzug auch dann,<br />
wenn die elektronische Rechnung<br />
keine digitale Signatur enthält.<br />
Rechnungsaussteller können nun<br />
frei wählen, wie sie die Echtheit<br />
digitaler Daten gegenüber dem<br />
Fiskus belegen.<br />
34 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
W&M-SERVICE<br />
KLAGE<br />
Es haperte an<br />
der Signatur<br />
Die Erhebung einer Klage<br />
per E-Mail bei einem Finanzgericht<br />
erfordert eine digitale<br />
Signatur.<br />
Dies gilt jedenfalls, wenn das<br />
betreffende Bundesland diese<br />
Signatur in einer Verordnung<br />
vorgeschrieben hat. Seit dem<br />
Jahr 2005 sieht die Finanzgerichtsordnung<br />
vor, dass Klagen<br />
bei Finanzgerichten elektronisch<br />
eingereicht werden können.<br />
Es bleibt den Bundesländern<br />
überlassen, die generelle<br />
Zulassung sowie die Art und<br />
Weise der elektronischen<br />
Einreichung von Dokumenten<br />
durch eigene Rechtsverordnungen<br />
zu regeln. Für Klageschriften<br />
müssen die Verordnungen<br />
allerdings die Beifügung<br />
einer qualifizierten digitalen<br />
Signatur nach Paragraf<br />
2 Abs. 3 des Signaturgesetzes<br />
vorsehen. Dies hat der BFH (Az.<br />
VII R 30/10) in einem aktuellen<br />
Fall einer ohne Signatur eingereichten<br />
Klage noch einmal<br />
bestätigt.<br />
DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />
Was im Rechtsstreit viele Jahre dauerte, hat<br />
endlich zum Erfolg geführt: Der BFH hat entschieden,<br />
dass die Kosten eines Erststudiums<br />
und einer Erstausbildung voll abziehbar sein<br />
können, selbst wenn ein Steuerpflichtiger diese<br />
unmittelbar im Anschluss an eine Schulausbildung<br />
aufgenommen hat. Finanzämter hatten<br />
diese Kosten regelmäßig nicht mehr anerkannt.<br />
Derartige Kosten sollten allenfalls als<br />
Sonderausgaben abzugsfähig sein. Da Studenten<br />
in der Regel aber kein oder nur ein geringes<br />
Einkommen erzielen, ließen <strong>sich</strong> wegen der<br />
fehlenden Verrechnungsmöglichkeit keine<br />
Steuervorteile daraus erzielen. Die Aufwendungen<br />
gingen regelmäßig verloren.<br />
Nach der neuen Rechtslage ist es ratsam, Aufwendungen<br />
für das Studium künftig möglichst<br />
PRIVAT<br />
KINDER<br />
Besuche sind<br />
keine Belastung<br />
Können Aufwendungen im<br />
Rahmen eines Eltern-Kind-<br />
Verhältnisses steuerlich geltend<br />
gemacht werden?<br />
Der Vater einer Tochter, die bei<br />
ihrer Mutter in Norddeutschland<br />
lebt, reiste einmal monatlich<br />
zum »Besuchswochenende«<br />
an. Die Kosten machte er<br />
als außergewöhnliche Belastung<br />
geltend. Das FG Rheinland-Pfalz<br />
(Az. 5 K 2011/10) beschied<br />
das Ansinnen negativ.<br />
Der Gesetzgeber habe die Aufwendungen<br />
des nicht sorgeberechtigten<br />
Elternteils für den<br />
Umgang mit seinem Kind den<br />
typischen Aufwendungen der<br />
Lebensführung zugeordnet,<br />
die durch den Familienleistungsausgleich<br />
– beispielsweise<br />
dem auch nicht Sorgeberechtigten<br />
zustehenden<br />
Kinderfreibetrag oder das Kindergeld<br />
– berück<strong>sich</strong>tigt würden.<br />
Die Frage, wie solche Kosten<br />
abzugelten seien, lägen im<br />
Rahmen des gesetzgeberischen<br />
Regelungsspielraums.<br />
Von KARL-HEINZ BADURA<br />
Wirtschaftsjournalist und Finanzrichter,<br />
Nörvenich<br />
Erstausbildung und Erststudium sparen Steuern<br />
ZWEITWOHNUNG<br />
Teure Phase der<br />
Eingewöhnung<br />
Wer aus beruflichen Gründen<br />
einen zweiten Haushalt<br />
gründet, muss <strong>sich</strong> am neuen<br />
Wohnort zurechtfinden.<br />
Deshalb kann er für die ersten<br />
drei Monate Mehraufwendungen<br />
für Verpflegung in der<br />
Einkommensteuererklärung<br />
ansetzen. Die entsprechende<br />
Pauschale für einen Tag beträgt<br />
24 Euro. Der Bundesfinanzhof<br />
(Az.:VI R 15/09) hat nun geurteilt,<br />
dass diese Drei-Monatsfrist<br />
wieder von neuem einsetzt,<br />
wenn die doppelte Haushaltsführung<br />
zunächst beendet<br />
wird, später aber am selben<br />
Ort wieder neu auflebt. Diese<br />
Regelung gilt selbst dann,<br />
wenn der Arbeitnehmer wieder<br />
dieselbe Wohnung bezieht oder<br />
wenn es <strong>sich</strong> gar um eine Eigentumswohnung<br />
handelt. Dies<br />
betrifft aber nur Fälle einer<br />
echten Unterbrechung des Aufenthalts,<br />
nicht etwa im Falle<br />
eines Urlaubs oder vorübergehend<br />
krankheitsbedingter<br />
Abwesenheit.<br />
umfänglich geltend zu machen und eine entsprechende<br />
Verlustfeststellung zu beantragen.<br />
Werbungskosten können sein: Aufwendungen<br />
für Kurse, Lehrgänge, Tagungen, Studienund<br />
Prüfungsgebühren, Lernmaterialien, Fachbücher<br />
oder Kopien, Abschreibungen auf<br />
Arbeitsmittel wie den Laptop und studiumsbedingte<br />
Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte,<br />
so der Deutsche Steuerberaterverband (DStV).<br />
Ange<strong>sich</strong>ts der hohen Kosten für eine qualifizierte<br />
Ausbildung, die erst die Aufnahme eines<br />
Beschäftigungsverhältnisses möglich machen,<br />
ist die Berück<strong>sich</strong>tigung als vorweggenommene<br />
Werbungskosten nicht nur legitim, sondern<br />
auch gerecht. Schließlich profitiert der Staat<br />
später über lange Jahre auch von den Steuerzahlungen.<br />
➔Steuern KOMPAKT<br />
HAUSSCHWAMM<br />
Beseitigung absetzen<br />
Hausbesitzer können Ausgaben für<br />
die Beseitigung von Hausschwamm<br />
als außergewöhnliche Belastung von<br />
der Steuer absetzen.<br />
Hausschwamm sei eine außergewöhnliche<br />
Belastung im Sinne des<br />
Gesetzes, urteilte das Niedersächsische<br />
Finanzgericht (Az. 12 K 10270/<br />
09). Nichts spreche für ein eigenes<br />
Verschulden des Betroffenen und<br />
auch Ersatzansprüche gegen Dritte<br />
seien nicht realisierbar, erklärte<br />
das Gericht.<br />
UMZUGSKOSTEN<br />
Doppelte Miete<br />
Ein Arbeitnehmer musste aus beruflichen<br />
Gründen umziehen. Die Familie<br />
folgte drei Monate später. So mussten<br />
zwei Mieten gezahlt werden<br />
Der BFH (Az. VI R 2/1) hat zum Vorteil<br />
der Steuerpflichtigen entschieden,<br />
dass die Aufwendungen für eine zweite<br />
Wohnung am neuen Arbeitsort, die<br />
wegen eines Umzugs aus beruflichen<br />
Gründen entstehen, unbegrenzt als<br />
Werbungskosten abgesetzt werden<br />
können. Nach An<strong>sich</strong>t der Richter gilt<br />
dies bis zum Ablauf der ordentlichen<br />
Kündigungsfrist der alten Familienwohnung.<br />
Der Kläger hatte eine zweite<br />
Wohnung (165 Quadratmeter) am<br />
Ort der neuen Tätigkeit angemietet.<br />
Seine Frau und die Kinder folgten<br />
drei Monate später. Das Finanzamt<br />
erkannte – unter Hinweis auf eine<br />
doppelte Haushaltsführung – nur anteilige<br />
Kosten für 60 Quadratmeter<br />
Wohnfläche an.<br />
SOFTWARE<br />
Ansparen ohne Fiskus<br />
Software wird als ein immaterielles<br />
Wirtschaftsgut eingestuft. Dies hat<br />
für die steuerliche Absetzbarkeit der<br />
Anschaffungskosten Folgen.<br />
Die Bewertung als immaterielles Wirtschaftsgut,<br />
wie zuletzt vom BFH (Az.<br />
X R 26/09) bestätigt, wirkt <strong>sich</strong> aus,<br />
wenn Steuerpflichtige eine Ansparabschreibung<br />
bilden wollen. Diese gewinnmindernde<br />
Rücklage für die Anschaffung<br />
oder Herstellung eines beweglichen<br />
Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens<br />
gilt nur für materielle<br />
Wirtschaftsgüter. Software ist somit<br />
ausgeschlossen. Dass <strong>sich</strong> die Software<br />
auf einem materiellen Datenträger<br />
befindet, ändert daran nichts.<br />
Geklagt hatte ein gewerblich tätiger<br />
Systementwickler und Systeminstallateur.<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 35
W&M-SERVICE<br />
DAS<br />
THEMA<br />
INTERVIEW<br />
ERBEN<br />
Keinen Streit<br />
ums Erbe<br />
2,6 Billionen Euro vererben<br />
die Deutschen bis 2020, hat<br />
das Deutsche Institut für Altersvorsorge<br />
ermittelt.<br />
Rund 47 Prozent der Deutschen<br />
haben noch kein Testament,<br />
zeigt eine aktuelle Studie<br />
des Instituts Allensbach im<br />
Auftrag der Postbank. Im<br />
Streitfall sei eine fehlende oder<br />
falsche testamentarische Regelung<br />
jedoch bei der Hälfte der<br />
Fälle Auslöser für Streitereien<br />
unter den Hinterbliebenen.<br />
Tipps für die Nachlassplanung<br />
gibt deshalb der Berufsverband<br />
für Zertifizierte Finanz- und<br />
Vermögensberater (FPSB). Am<br />
Anfang stehe die Überlegung,<br />
wer das Vermögen erben soll.<br />
Denn gibt es kein Testament,<br />
greife die gesetzliche Erbfolge.<br />
Verwaltet die Erbengemeinschaft<br />
das Vermögen gemeinsam,<br />
sei Streit vorprogrammiert.<br />
Damit der letzte Wille<br />
auch gültig ist, muss er komplett<br />
handschriftlich verfasst<br />
sein, Datum und Namen der<br />
Erben sollten eindeutig aufgeführt<br />
sein. Eltern, Ehegatten<br />
und Kindern stehen Pflichtteile<br />
zu, sofern sie vom Erbe ausgeschlossen<br />
sind. Diese Ansprüche<br />
seien sofort nach Todesfall<br />
fällig und können den<br />
Erbenden in Bedrängnis bringen.<br />
Abhilfe schaffen dabei Anrechnungsklauseln<br />
bei Schenkungen<br />
an die Pflichtteilberechtigten.<br />
Der Vermögensinhaber kann<br />
schon zu Lebzeiten schenken<br />
und dabei Freibeträge ausnutzen.<br />
Allerdings sollte er bei<br />
Schenkungen immer seine eigene<br />
spätere finanzielle Ab<strong>sich</strong>erung<br />
im Blick haben.<br />
Eine Alternative zum Testament<br />
sei der Erbvertrag: Künftiger<br />
Erblasser und Erben<br />
schließen einen verbindlichen<br />
Vertrag. Mit einer Rücktrittsklausel<br />
ist der Vermögensinhaber<br />
jedoch auf der <strong>sich</strong>eren<br />
Seite. Infos: www.fpsb.de<br />
DAX-FIRMEN<br />
Auf<strong>sich</strong>tsräte<br />
verdienen gut<br />
AKTIENMARKT<br />
Um durchschnittlich neun<br />
Prozent steigen 2011 die Bezüge<br />
der Auf<strong>sich</strong>tsräte von<br />
Dax-Unternehmen.<br />
Dies prognostiziert die Unternehmensberatung<br />
Tower Watson.<br />
Ihre Studie sieht vor allem<br />
die Aufseher sehr großer<br />
Unternehmen wegen der<br />
größeren Verantwortung an<br />
der Spitze. Die steigende Vergütung<br />
sei hauptsächlich auf<br />
den Unternehmenserfolg, zunehmende<br />
Professionalität<br />
und eine geänderte Zusammensetzung<br />
der Vergütung<br />
zurückzuführen. Spitzenverdiener<br />
ist der Chef des Volkswagen-Auf<strong>sich</strong>tsrats,<br />
Ferdinand<br />
Piëch. Seine Bezüge sollen<br />
2011 gegenüber 2010 um<br />
32,51 Prozent steigen und<br />
785.000 Euro betragen. Mit<br />
Abstand reihen <strong>sich</strong> dahinter<br />
Gerhard Cromme (Siemens,<br />
+19,82 Prozent, 584.000 Euro)<br />
und Joachim Milberg (BMW,<br />
+45,42 Prozent, 505.000 Euro)<br />
ein. Den größten Zuwachs<br />
darf Simon Bagel-Trah bei<br />
Henkel für <strong>sich</strong> reklamieren:<br />
Plus 123,46 Prozent.<br />
MASCHINENBAU<br />
Optimismus<br />
allerorts<br />
Der Verein Deutscher<br />
Werkzeugmaschinenfabrikanten<br />
(VDW) erwartet weiteres<br />
Wachstum.<br />
Seine Prognose: 30 Prozent<br />
Wachstum für 2011. In den<br />
ersten sieben Monaten des<br />
laufenden Jahres stiegen die<br />
Aufträge bereits um 91 Prozent<br />
– mehr als je zuvor. Und<br />
trotz Krisenzeiten gehen die<br />
Hersteller für 2012 davon aus,<br />
dass die Kunden weiterhin<br />
kräftig investieren. Laut VDW<br />
soll die industrielle Schlüsselbranche<br />
um bis zu zehn Prozent<br />
wachsen. Nach VDW-Geschäftsführer<br />
Dr. Wilfried<br />
Schäfer sammelten die Anbieter<br />
allein auf der diesjährigen<br />
Messe EMO in Hannover Aufträge<br />
im Wert von 4,5 Milliarden<br />
Euro ein. Die gute Lage<br />
solle aufgrund der Nachfrage<br />
gerade aus Schwellenländern<br />
bis 2015 anhalten.<br />
Die Analysten der WestLB<br />
raten weiter zum Kauf von<br />
Gildemeister (WKN: 587800).<br />
Ein Vorsteuergewinn von 20<br />
Millionen Euro sei dieses Jahr<br />
möglich.<br />
DAX BÖRSENSTARS<br />
+<br />
WKN 766403 Volkswagen VZ + 19,39%<br />
WKN 578560 Fresenius + 17,54%<br />
WKN 623100 Infineon + 14,85%<br />
WKN 648300 Linde + 12,11%<br />
WKN 578580 Fresenius Medical Care + 12,11%<br />
Volkswagen: Der Autobauer hat <strong>sich</strong> wieder an die DAX-Spitze gesetzt. Für das<br />
Gesamtjahr ist der Konzern äußerst optimistisch, denn sowohl bei VW als auch bei Audi<br />
klingeln die Kassen. Kurs-Performance 1 Jahr; Schluss: 11.10.2011<br />
DAX BÖRSENFLOPS<br />
–<br />
WKN 803200 Commerzbank - 71,54%<br />
WKN 703712 RWE - 37,72%<br />
WKN 725750 Metro - 33,58%<br />
WKN 823212 Lufthansa - 31,68%<br />
WKN 514000 Deutsche Bank - 31,13%<br />
Commerzbank: Die Commerzbank bleibt weiter gedrückt, Doch Branchenstudien rechnen<br />
für den ganzen europäischen Bankensektor mit Belastungen aus der Eurokrise.<br />
Kurs-Performance 1 Jahr; Schluss: 11.10.2011<br />
Quelle: W&M, ohne Gewähr<br />
ALEXANDER CIRIC<br />
Finanzexperte Fondsgesellschaft<br />
Oppenheim<br />
Fonds Trust<br />
Sparen für die Familie<br />
W&M: Herr Ciric, Sicherheit<br />
drückt die Zinsen. Wo bekommen<br />
Eltern aktuell mehr als die Inflationsrate?<br />
CIRIC: Wer sein Geld auf ein<br />
Sparkonto packt, kann keine<br />
riesigen Zinsen erwarten. Aber<br />
je höher die Zinsversprechen<br />
bei Geldanlagen, desto vor<strong>sich</strong>tiger<br />
sollte man sein. Grundsätzlich<br />
gilt: Sparer sollten immer<br />
auf mehrere Arten von<br />
Geldanlagen setzen. Nur so erreichen<br />
Familien den optimalen<br />
Mix von Zuwachs und Sicherheit.<br />
Das Risiko lässt <strong>sich</strong><br />
mit einer breiten Streuung<br />
der Anlagen mindern, z. B. mit<br />
Investmentfonds. Sie legen das<br />
Geld der Sparer in vielen verschiedenen<br />
Aktien, Immobilien<br />
oder festverzinslichen<br />
Wertpapieren an – die wandern<br />
alle in den Topf. Und ein<br />
Profi kümmert <strong>sich</strong> darum,<br />
dass die Mischung stimmt.<br />
W&M: Und das ist <strong>sich</strong>er?<br />
CIRIC: Langfristig können <strong>sich</strong><br />
die Ergebnisse sehen lassen.<br />
Die Börsen schwanken zwar,<br />
doch unter dem Strich, über<br />
viele Jahre, ist das Ergebnis<br />
meist positiv – und deutlich<br />
besser als auf dem Sparkonto.<br />
Aktienfonds mit dem Anlageschwerpunkt<br />
Deutschland haben<br />
über 30 Jahre zum Beispiel<br />
7,5 Prozent Plus gebracht.<br />
Tagesgeldkonten bringen derzeit<br />
je nach Anbieter zwischen<br />
einem und drei Prozent.<br />
W&M: Ein Familienauto, das<br />
Eigenheim, das Studium für die<br />
Kinder – wie packe ich das an?<br />
CIRIC: Ein konkretes Ziel hilft<br />
sehr beim Sparen. Dann lässt<br />
<strong>sich</strong> leicht ausrechnen, wie<br />
viel ich monatlich zurücklegen<br />
muss, um am Ende zum<br />
Beispiel 10.000 oder 20.000<br />
Euro auf der hohen Kante zu<br />
haben. Für ein Studium von<br />
20.000 Euro muss ich über<br />
20 Jahre weniger als 50 Euro<br />
im Monat beiseite legen.<br />
36 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
W&M-SERVICE<br />
Fotos: privat<br />
SCHRODERS<br />
Brasilien mit<br />
Dynamik<br />
Einen neuen Schwellenländer-Aktienfonds<br />
mit Fokus<br />
auf Brasilien hat Schroders<br />
aufgelegt.<br />
Die Anlagestrategie des »ISF<br />
Brazilian Equity« folgt laut<br />
Anbieter dem seit Jahren erfolgreichen<br />
Fondsprodukt<br />
»Brazilian Alpha Plus«. Der<br />
neue Fonds des britischen Vermögensverwalters<br />
hat Werte<br />
von 20 bis 40 Unternehmen im<br />
Portfolio. Das Fondsmanagement,<br />
ein Team mit lokaler<br />
Expertise, analysiere Märkte<br />
und Branchenumfeld, um<br />
qualitativ hochwertige Wachstumsaktien<br />
auszuwählen.<br />
Benchmark ist der Index MSCI<br />
Brazil 10/40. Brasilien wächst<br />
äußerst dynamisch. Die<br />
Schroders-Experten erwarten<br />
3,8 Prozent Wachstum für<br />
2011. Gewachsen ist auch die<br />
brasilianische Mittelschicht,<br />
wodurch Konsum und Binnennachfrage<br />
in Brasilien steigen.<br />
WKN: A1JKEF<br />
GELD & ANLAGE<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Grüne Anlagen<br />
sind gefragt<br />
Im ersten Halbjahr 2011<br />
sind schon fast so viele<br />
Nachhaltigkeits-Fonds registriert<br />
worden wie 2010.<br />
In den ersten sechs Monaten<br />
dieses Jahres nahm das<br />
Sustainable Business Institute<br />
(SBI) 23 nachhaltige Fonds<br />
neu in seine Datenbank auf.<br />
2010 waren es insgesamt 25.<br />
Rund 36 Milliarden Euro sind<br />
in 354 Nachhaltikgeits-Fonds<br />
investiert. Doch unter den<br />
Anlegern herrscht noch immer<br />
ein großes Informationsdefizit<br />
in Bezug auf nachhaltige<br />
Investments, so eine Forsa-<br />
Studie im Auftrag der sozialökologischen<br />
GLS Bank und<br />
des Energiedienstleisters<br />
Green City Energy. Allerdings<br />
wären rund zehn Prozent der<br />
Privatanleger bereit, in »grüne«<br />
Geldanlagen zu investieren,<br />
die <strong>sich</strong> an sozialen, ökologischen<br />
und/oder ethischen<br />
Kriterien orientieren.<br />
www.nachhaltiges-investment.org<br />
SAL. OPPENHEIM<br />
Das Prinzip<br />
marktneutral<br />
Einen »marktneutralen«<br />
Fonds hat Oppenheim<br />
Fonds Trust neu im<br />
Programm.<br />
Der Absolute Return Fonds<br />
»OP Aktien Marktneutral« will<br />
nach Anbieterangaben möglichst<br />
unabhängig von der<br />
Entwicklung der Aktienmärkte<br />
sein. Dazu sollen sowohl Kurssteigerungen<br />
als auch Kursrückgänge<br />
zum Geldverdienen<br />
genutzt werden. Erreicht<br />
werde dies durch gleichzeitige<br />
Kauf- und Verkaufspositionen,<br />
die die Kursschwankungen<br />
minimieren und das Produkt<br />
unabhängiger von anderen<br />
Wertpapieren machen soll.<br />
Das Management wolle mittelfristig<br />
eine positive absolute<br />
Mehrrendite zum Geldmarkt<br />
erreichen. Die Spezialisten<br />
von Sal. Oppenheim wollen<br />
prognosebasiert und regelgebunden<br />
aus zahlreichen<br />
Titeln auswählen.<br />
WKN: DE000A1JBZ51<br />
➔<br />
Geld KOMPAKT<br />
ANLEGER<br />
Kein Vertrauen<br />
Nur noch 13 Prozent der Anleger<br />
haben einer europaweiten Umfrage<br />
zufolge volles Vertrauen in ihren<br />
Finanzberater.<br />
Die Untersuchung von TNS Sofres<br />
und Fidelity Worldwide Investment<br />
ergab, dass mehr als zwei Drittel<br />
der Befragten glauben, ihr Berater<br />
verfolge überwiegend eigene Interessen.<br />
Vor einem Jahr waren noch<br />
16 Prozent von ihrem Finanzberater<br />
voll überzeugt. Vor allem in<br />
Deutschland schwinde das Vertrauen<br />
in die Finanzberatung.<br />
ANLAGE<br />
Konzept N-11<br />
58 Prozent der Investoren kennen<br />
die BRIC-Staaten, ergab eine<br />
Umfrage von Goldman Sachs Asset<br />
Management und TNS Emnid.<br />
Den Ländern Brasilien, Russland,<br />
Indien und China räumen Anleger<br />
zudem beste Wachstumschancen<br />
ein. Nun gilt es offenbar, das nächste<br />
Kürzel zu vermarkten. Nach der<br />
selben Umfragen kennen 90 Prozent<br />
der Anleger noch nicht das<br />
Konzept »Next-11«. Entsprechend<br />
DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />
Substanz contra Gewinnaus<strong>sich</strong>ten<br />
Von Anfang Mai bis Mitte Oktober sanken die<br />
deutschen Blue Chips durchschnittlich um rund<br />
25 Prozent. Die Griechenland-Krise hat die<br />
Stimmung getrübt. Ungeachtet dessen sehen<br />
Optimisten bereits wieder attraktive Einstiegskurse.<br />
Die Kauf-Argumente werden mit den geeigneten<br />
Kennziffern untermauert. Während<br />
derweil das Kurs-Gewinn-Verhältnis wegen der<br />
zuletzt vagen Gewinnprognosen der Unternehmen<br />
keine geeignete Grundlage mehr bietet,<br />
erfreut <strong>sich</strong> das Kurs-Buchwert-Verhältnis einer<br />
Renaissance. Diese Kennziffer orientiert <strong>sich</strong><br />
an der Substanz der Unternehmen. Der Buchwert<br />
ist die Summe aller Vermögensgegenstände<br />
abzüglich der Schulden in der Bilanz. Liegt<br />
dieser über dem aktuellen Börsenwert – ermittelt<br />
durch Multiplikation der ausgegebenen<br />
Aktien mit dem aktuellen Kurswert – dann wird<br />
Von GERD RÜCKEL,<br />
CEFA-Wertpapieranalyst, Frankfurt/M.<br />
die Aktie des Unternehmens an der Börse unter<br />
dem Eigenkapital bewertet. Fällt das Kurs-<br />
Buchwert-Verhältnis unter Eins, signalisiert es<br />
so Kurspotenzial. Dabei gilt: Je niedriger das<br />
Kurs-Buchwert-Verhältnis ist, desto größer ist<br />
die Unterbewertung. Derzeit notieren eine<br />
ganze Reihe von DAX-Titeln unter ihrem Buchwert.<br />
Eine Garantie für schnelle Börsengewinne<br />
ist das aber nicht. Gerade in den Bilanzen der<br />
Bankaktien schlummert möglicherweise noch<br />
Abschreibungsbedarf, der das Eigenkapital und<br />
somit den Buchwert kräftig nach unten hebeln<br />
kann. Wer jedoch jetzt mit Augenmaß investiert,<br />
dem muss nicht bange sein. Für langfristig<br />
orientierte Anleger, die auf eine breite Streuung<br />
bei den Blue Chips gesetzt haben, waren<br />
die Phasen nach Kursrückschlägen in kurzen<br />
Zeiträumen meist gute Einstiegszeitpunkte.<br />
trauen die wenigen Kenner unter<br />
den Anlegern den Ländern Ägypten,<br />
Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko,<br />
Nigeria, Pakistan, die Philippinen,<br />
Südkorea, die Türkei und Vietnam<br />
eine nur geringe Rendite zu.<br />
SCHULDEN<br />
Mehr Insolvenzen<br />
Der aktuelle Überschuldungsreport<br />
zählt für 2010 im Durchschnitt drei<br />
Millionen überschuldete Haushalte<br />
in Deutschland.<br />
Nach der Studie des Instituts für<br />
Finanzdienstleistungen und der<br />
»Stiftung Deutschland im Plus«<br />
stieg die Zahl der Verbraucherinsolvenzen<br />
2010 im Vergleich zum Vorjahr<br />
um acht Prozent auf 106.290.<br />
Allerdings sanken im selben Zeitraum<br />
die Gesamtschulden je Haushalt<br />
von durchschnittlich 31.995<br />
auf 27.132 Euro. Auslöser sind<br />
hauptsächlich Arbeitslosigkeit,<br />
Trennung oder Scheidung, Krankheit,<br />
Konsumverhalten oder eine<br />
gescheiterte Selbständigkeit.<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11<br />
37
W&M-SERVICE<br />
Fotos: Tourismusverband Bbg., Archiv<br />
DAS THEMA<br />
KFZ-VERSICHERER<br />
Branche im<br />
Wechselfieber<br />
Wie jedes Jahr haben die<br />
Kfz-Ver<strong>sich</strong>erer auch in diesem<br />
Herbst zum Jahresend-<br />
Wechselgeschäft gerüstet.<br />
Beim Online-Vertrieb werden<br />
neue Frontlinien aufgemacht,<br />
nachdem die HUK Coburg, die<br />
HDI Direkt und die WGV mit<br />
dem neuen Portal Transparo<br />
dem bisherigen Primus Check24<br />
und dessen Provisionen den<br />
Kampf angesagt haben. Produktseitig<br />
spielen vor allem erweiterte<br />
Rabattstaffeln und verbesserte<br />
Leistungen eine Rolle. Bereits<br />
im Frühjahr hatte die Allianz<br />
mit dem neuen Tarif »MeinAuto«<br />
eine auf 35 Klassen verlängerte<br />
Schadenfreiheitsstaffel auf<br />
den Markt gebracht. Inzwischen<br />
haben auch die Itzehoer, die<br />
VGH und die ÖSA verlängerte SF-<br />
Staffeln. Die HUK Coburg und<br />
HDI Gerling wollen folgen.<br />
Viele Unternehmen haben ihre<br />
Tarife aufgebessert. Beispiel<br />
W&W: Der Zusatzbaustein<br />
»Auslands-Schaden-Schutz« ist<br />
jetzt kostenlos in der Haftpflichtdeckung<br />
enthalten. Beim<br />
Kaskoschutz ist der Diebstahl<br />
von mobilen Navigationsgeräten<br />
aus verschlossenen Fahrzeugen<br />
beitragsfrei eingeschlossen. Zusätzlich<br />
sind alle Tierbisse und<br />
daraus resultierende Folgeschäden<br />
bis zu 3.000 Euro mitver<strong>sich</strong>ert.<br />
Bei Totalschaden und<br />
Entwendung übernimmt die<br />
Württembergische nunmehr<br />
auch die Vorfälligkeitsentschädigung<br />
bei kreditfinanzierten<br />
Fahrzeugen, der Beitrag für den<br />
»Wertausgleich in Kasko« im Tarif<br />
»PremiumSchutz« wurde auf<br />
25 Euro abgesenkt. Eine große<br />
Rolle spielen Fahrerschutzver<strong>sich</strong>erungen,<br />
die inzwischen rund<br />
30 Ver<strong>sich</strong>erer anbieten. Weil<br />
Fahrerschutz nicht solo erhältlich<br />
ist, sondern nur in Zusammenhang<br />
mit einer Autover<strong>sich</strong>erung<br />
verkauft wird, ist das<br />
Produkt hervorragend für den<br />
Vertrieb und die Kundenbindung<br />
geeignet.<br />
HAFTPFLICHT<br />
Mehr als<br />
marktüblich<br />
Die Württembergische hat<br />
ihre Betriebshaftpflichtver<strong>sich</strong>erung<br />
deutlich verbessert.<br />
Zu den Highlights gehören<br />
z.B. die beitragsfreie Mitver<strong>sich</strong>erung<br />
von Solar- und Photovoltaikanlagen<br />
auf eigenen<br />
Betriebsgrundstücken. Die<br />
Ver<strong>sich</strong>erungssumme für<br />
Tätigkeits- und Vermögensschäden<br />
wurde auf eine Million<br />
Euro erhöht, für Bauhandwerker<br />
gilt sie bis zur Ver<strong>sich</strong>erungssumme.<br />
Schäden an<br />
Gerätschaften Dritter sind<br />
nunmehr eingeschlossen. Die<br />
Internet-Zusatzdeckung wurde<br />
auf zwei Millionen Euro<br />
Ver<strong>sich</strong>erungssumme erhöht.<br />
Öl-, Benzin- und Leichtflüssigkeitsabscheider<br />
wurden in<br />
die Umwelthaftpflicht- und<br />
Umweltschadens-Basisver<strong>sich</strong>erung<br />
eingeschlossen. Die<br />
Betriebs-Haftpflichtver<strong>sich</strong>erung<br />
der Württembergischen<br />
richtet <strong>sich</strong> u. a. an gewerbliche<br />
und industrielle Handelsund<br />
Produktionsbetriebe sowie<br />
an Unternehmen aus den<br />
Bereichen Kfz-Handwerk, Hotel<br />
und Gastronomie, IT-<br />
Dienstleister und Heilwesen.<br />
IM UNTERNEHMEN<br />
FREIBERUFLER<br />
Schutz für<br />
Anwälte & Co.<br />
Die Nürnberger hat die<br />
Deckungskonzepte ihrer<br />
Vermögenshaftpflichtver<strong>sich</strong>erung<br />
neu geordnet.<br />
Weil die Tätigkeiten von beratend,<br />
verwaltend oder vermittelnd<br />
tätigen Selbständigen<br />
sehr unterschiedlich sind,<br />
wurden Deckungskonzepte<br />
für sechs Zielgruppen konstruiert:<br />
Kammerberufe (z. B.<br />
Anwälte und Steuerberater),<br />
Rund ums Haus (Immobilienmakler<br />
und -verwalter),<br />
Dienstleistungen für Unternehmen<br />
(z. B. Personalberatung,<br />
Werbeagenturen), Informationstechnologie,<br />
Vereine/Stiftungen/Verbände<br />
sowie<br />
Sachverständige/Gutachter.<br />
Die tarifliche Regelver<strong>sich</strong>erungssumme<br />
beträgt eine<br />
Million Euro, höhere Summen<br />
können aber vereinbart<br />
werden. Mehrere Leistungsextras<br />
sind kostenlos, wie beispielsweise<br />
die Anspruchsprüfung<br />
durch erfahrene<br />
Juristen, fünf Jahre Spätschadenschutz<br />
nach Aufgabe des<br />
Berufs sowie Eigenschäden<br />
von Vereinen und Verbänden.<br />
Der Ver<strong>sich</strong>erungsschutz gilt<br />
europaweit.<br />
BERUFSUNFÄHIGKEIT<br />
Psychische Erkrankungen dominieren<br />
Erkrankungen der Psyche sind bei 45,6 Prozent der berufsunfähigen<br />
Frauen Ursache für das Ausscheiden aus dem Beruf.<br />
Bei den Männern sind es 33,4 Prozent. Die häufigsten Ursachen:<br />
BU Ursachen Männer Frauen<br />
Psyche 33,4 45,6<br />
Skelett, Muskeln 15,0 14,3<br />
Herz/Kreislauf 13,7 5,9<br />
Nerven, Sinne 5,8 6,3<br />
Stoffwechsel 4,5 3,2<br />
Sonstige 14,6 11,1<br />
Quelle: Deutsche Rentenver<strong>sich</strong>erung Bund<br />
PFLEGE<br />
Langes Warten<br />
auf die Reform<br />
Einst war die geplante Reform<br />
der Pflegever<strong>sich</strong>erung der<br />
größte Hoffnungsträger der<br />
privaten Ver<strong>sich</strong>erungen.<br />
Hatten doch die Regierungskoalitionäre<br />
einst beschlossen, die soziale<br />
Pflegever<strong>sich</strong>erung (SPV) zu<br />
reformieren und eine verpflichtende,<br />
kapitalgedeckte Zusatzver<strong>sich</strong>erung<br />
einzuführen. Bundesgesundheitsminister<br />
Daniel Bahr<br />
hat jetzt die Pflegereform auf unbestimmte<br />
Zeit verschoben.<br />
Die aktuell diskutierten Ansätze<br />
für eine Pflegereform haben mit<br />
dem ursprünglichen Vorhaben<br />
nichts zu tun: Beitragserhöhung<br />
in der SPV für Leistungen an Demenzkranke,<br />
Finanzierungen der<br />
Leistungen für Behinderte und<br />
Demenzkranke durch den Steuerzahler<br />
oder Einrichtungen einer<br />
Riester-Pflegerente. Der Verband<br />
der Privaten Krankenver<strong>sich</strong>erer<br />
(PKV) hält deshalb die jüngsten<br />
Vorschläge für »nicht geeignet,<br />
das beständig wachsende Pflegerisiko<br />
generationengerecht abzu<strong>sich</strong>ern«.<br />
Fest steht nur, was passiert,<br />
wenn nichts passiert: Der<br />
heutige Beitragssatz der gesetzlichen<br />
Pflegever<strong>sich</strong>erung reicht<br />
nach Angaben der Bundesregierung<br />
zur Finanzierung der bestehenden<br />
Leistungen nur noch bis<br />
zum Frühjahr 2014. Danach müsste<br />
er von heute 1,95 auf rund 2,1<br />
Prozent und danach noch weiter<br />
angehoben werden. Der Höhepunkt<br />
des Pflegeproblems mit<br />
etwa 4,5 Millionen Pflegebedürftigen<br />
wird etwa 2050 bis 2055 erreicht.<br />
Das Zeitfenster zum Aufbau<br />
einer ausreichenden kapitalgedeckten<br />
Ab<strong>sich</strong>erung ist<br />
schmal. Wird es jetzt zugeschlagen<br />
droht eine Verdoppelung des<br />
Beitragssatzes in der SPV, so eine<br />
Untersuchung der Deutsche Bank<br />
Research. Es besteht folglich kein<br />
Grund, mit dem Abschluss von<br />
privaten Pflegezusatzver<strong>sich</strong>erungen<br />
abzuwarten, denn eine<br />
Reform kommt (so schnell) nicht.<br />
Am günstigsten sind Verträge, die<br />
eine Anpassungsklausel an spätere<br />
gesetzliche Regelungen – z.B.<br />
Neudefinition des Pflegebegriffs<br />
– vorsehen.<br />
38 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
W&M-SERVICE<br />
PFLEGE<br />
Ohne Prüfung<br />
der Gesundheit<br />
Mit dem IDEAL PflegeKonto<br />
können Kunden von 50 bis<br />
70 Jahren die Option auf<br />
eine Pflegerente erwerben.<br />
Dabei handelt es <strong>sich</strong> um eine<br />
ganz normale Rentenver<strong>sich</strong>erung<br />
gegen Einmalbeitragszahlung.<br />
Das Sparkapital wird<br />
mit dem (noch) üblichen Rechnungszins<br />
von 2,25 Prozent<br />
verzinst, hinzu kommen laufende<br />
Überschüsse und<br />
Schlussüberschüsse. Anleger<br />
können den vereinbarten Rentenzahlungsbeginn<br />
beliebig<br />
vorverlegen. Statt der Rentenzahlung<br />
kann auch eine einmalige<br />
Kapitalabfindung gewählt<br />
werden. Teilauszahlungen<br />
sind ebenso möglich wie<br />
jederzeitige Zuzahlungen. Der<br />
Clou ist allerdings, dass das<br />
Produkt die Option auf den<br />
späteren Abschluss einer privaten<br />
Pflegever<strong>sich</strong>erung ohne<br />
Gesundheitsfragen enthält.<br />
Ausgeübt werden muss die Option<br />
zu Rentenbeginn.<br />
DIE MEINUNG DES EXPERTEN<br />
PRIVAT<br />
HAUSRAT<br />
Bei grober<br />
Fahrlässigkeit<br />
Die Swiss Life folgt dem<br />
Trend moderner Hausratver<strong>sich</strong>erungen<br />
zur<br />
Deckungserweiterung.<br />
Der neue SLP-Hausratschutz<br />
schließt Schäden durch grobe<br />
Fahrlässigkeit ein, ver<strong>sich</strong>ert<br />
Überspannungsschäden nach<br />
Blitzschlag automatisch mit,<br />
enthält eine verbesserte Nachtzeitklausel<br />
und eine Wertsachenabdeckung<br />
bis zu 100 Prozent<br />
der Ver<strong>sich</strong>erungssumme.<br />
Mitver<strong>sich</strong>ert sind Mehrkosten<br />
zur Wiederbeschaffung von<br />
Gegenständen mit ideellem<br />
Wert bis zu 500 Euro.<br />
Angedockt werden können an<br />
die Hausratver<strong>sich</strong>erung Elementarschaden,<br />
Reisegepäck<br />
und Glasschutz sowie eine prämienfreie<br />
Konditions-Differenzdeckung.<br />
Auch Versehensschäden<br />
und eine erweiterte<br />
Außenver<strong>sich</strong>erung für Verwandte<br />
ersten Grades ist ver<strong>sich</strong>erbar<br />
– ebenso wie Tierarztkosten.<br />
Schädliches Schlussverkaufsfieber<br />
AKADEMIKER<br />
Tarife jetzt<br />
günstiger<br />
Seitdem der Volkswohl Bund<br />
seine BU-Ver<strong>sich</strong>erung renoviert<br />
hat, zahlen Akademiker<br />
deutlich weniger.<br />
Der Dortmunder Ver<strong>sich</strong>erer<br />
hat dazu seine Berufsklassenskala<br />
von fünf auf sieben erweitert.<br />
In der neuen Top-Berufsklasse<br />
»1++« zahlen Akademiker<br />
mit mindestens 80<br />
Prozent Bürotätigkeit bis zu 17<br />
Prozent weniger Beitrag. Rund<br />
1.000 weitere Büroberufe haben<br />
zudem die Chance, über<br />
eine einfache Fragesystematik<br />
in die »1++«-Klasse hoch zu<br />
rücken. Die sehr günstige Prämie<br />
für die Berufsklasse »1+«,<br />
in der sehr viele Kaufleute mit<br />
vorrangiger Bürotätigkeit vertreten<br />
sind, bleibt erhalten.<br />
Viele Meister- und Technikberufe<br />
sind um eine ganze<br />
Berufsklasse aufgestiegen. Mit<br />
der neuen Berufsklasse »2+«<br />
sind bei körperlichen Tätigkeiten<br />
bis zu 19 Prozent Ersparnis<br />
möglich.<br />
Von HANS PFEIFER,<br />
Ver<strong>sich</strong>erungsjournalist, Berlin<br />
Vom ersten Januar 2012 an sinkt der Garantiezins<br />
in der konventionellen Lebens- und Rentenver<strong>sich</strong>erung<br />
von bisher 2,25 Prozent auf<br />
1,75 Prozent. Auf Deutsch: Wer noch in diesem<br />
Jahr eine Kapitallebens- oder Rentenver<strong>sich</strong>erung<br />
abschließt, bekommt auf sein Sparkapital<br />
noch 2,25 Prozent Zinsen garantiert, beim Abschluss<br />
im kommenden Jahr 0,5 Punkte weniger.<br />
Für einige Ver<strong>sich</strong>erer ist das Anlass, zum<br />
Halali zu blasen. Muss man da mitmachen?<br />
Wohl eher nicht! Es stimmt zwar, dass bei 1,75<br />
Prozent Garantiezins und den üblichen Überschussbeteiligungen<br />
die Gefahr groß ist, dass<br />
am Ende der vereinbarten Laufzeit nicht mal<br />
mehr die eingezahlten Beiträge auf dem Konto<br />
sein werden, ganz abgesehen davon, dass das<br />
magere Kapitalanlageergebnis ohnehin von der<br />
Inflation aufgezehrt sein dürfte. Auch 2,25 Prozent<br />
auf den Sparanteil – nicht auf den Beitrag<br />
wohlgemerkt – brachten bisher nicht viel mehr<br />
als das beruhigende Gefühl, dass man wenigstens<br />
kein Geld verlieren kann. Die konventionelle<br />
Kapital- und Rentenver<strong>sich</strong>erung als Vorsorge<br />
war schon vor der Rechnungszinsabsenkung<br />
»out«. Nun ist sie »mega-out«. Wer heute<br />
eine Vorsorgever<strong>sich</strong>erung abschließen möchte,<br />
sollte <strong>sich</strong> besser an modernen Produkten<br />
wie dynamischen Dreitopf-Hybriden orientieren,<br />
die mit Deckungsstock, Garantiefonds und freier<br />
Kapitalanlage operieren, Mindestgarantien<br />
bieten und zugleich in der Lage sind, je nach<br />
Börsensituation die rentierlichste Anlageentscheidung<br />
zu treffen. Zugegeben: Die Produkte<br />
sind kompliziert, aber für das Verständnis sollte<br />
<strong>sich</strong> jeder Zeit nehmen und die entsprechende<br />
Erklärung von seinem Berater verlangen.<br />
➔Assekuranz KOMPAKT<br />
KFZ-HAFTPFLICHT<br />
Osten billig ver<strong>sich</strong>ert<br />
Autofahrer in Brandenburg und<br />
Mecklenburg-Vorpommern fahren<br />
auch im kommenden Jahr besonders<br />
günstig.<br />
Das zeigt die Regionalstatistik zur<br />
Kfz-Haftpflichtver<strong>sich</strong>erung des Gesamtverbands<br />
der deutschen Ver<strong>sich</strong>erungswirtschaft<br />
(GDV). Danach<br />
bleibt die Kfz-Haftpflichtver<strong>sich</strong>erung<br />
in den Zulassungsbezirken Elbe-Elster,<br />
Oberspreewald-Lausitz, Hansestadt<br />
Greifswald und Neubrandenburg<br />
auch 2012 besonders preiswert.<br />
Die Regionalstatistik dient den<br />
Ver<strong>sich</strong>erungsunternehmen, um die<br />
Beiträge für die Autover<strong>sich</strong>erung zu<br />
berechnen.<br />
BRANDENBURG: Schön und billig.<br />
NATURKATASTROPHE<br />
2011 das teuerste Jahr<br />
Bereits nach dem ersten Halbjahr<br />
war klar, dass 2011 das Jahr mit<br />
den höchsten ver<strong>sich</strong>erten<br />
Erdbebenschäden wird.<br />
Nach Schätzungen der Rückver<strong>sich</strong>erungsgesellschaft<br />
Swiss Re beliefen<br />
<strong>sich</strong> die gesamten ver<strong>sich</strong>erten Schäden<br />
aus Natur- und Man-made-Katastrophen<br />
im ersten Halbjahr 2011 auf<br />
das Doppelte der Schadensumme<br />
aus dem ersten Halbjahr 2010.<br />
KRANKENKASSEN<br />
Neue Grenzen<br />
Die Beitragsbemessungs- und<br />
Ver<strong>sich</strong>erungspflichtgrenze in der<br />
Kranken- und Pflegever<strong>sich</strong>erung<br />
wird im kommenden Jahr steigen.<br />
Lag die Beitragsbemessungsgrenze<br />
2011 im Osten noch bei 44.550 Euro<br />
jährlich, wird sie 2012 45.900 Euro<br />
betragen. Wer als freiwilliges Kassenmitglied<br />
erwägt, in die Privatver<strong>sich</strong>erung<br />
zu wechseln, muss beachten,<br />
dass auch die Ver<strong>sich</strong>erungspflichtgrenze,<br />
von der an ein Übertritt erst<br />
möglich ist, von 49.500 auf 50.850<br />
Euro steigt.<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 39
W&M-SERVICE<br />
DAS THEMA<br />
WEB–RECHT<br />
INTERNET<br />
Die Sucht, nur<br />
online zu leben<br />
Rund 560.000 Menschen gelten<br />
laut der Bundesdrogenbeauftragten<br />
in Deutschland<br />
als internetsüchtig.<br />
Etwa ein Prozent der 14- bis 64-<br />
Jährigen in Deutschland werden<br />
nach der vom Bundesministerium<br />
für Gesundheit geförderten<br />
Studie »Prävalenz der Internetabhängigkeit<br />
(PINTA I)« der<br />
Universitäten Lübeck und<br />
Greifswald als internetabhängig<br />
eingestuft. Das sind laut der<br />
Bundesdrogenbeauftragten<br />
Mechthild Dyckmans rund<br />
560.000 Menschen. 4,6 Prozent<br />
der 14- bis 64-Jährigen (rund<br />
2,5 Millionen) stuft die Studie<br />
als problematische Internetnutzer<br />
ein. In der Altersgruppe<br />
der 14- bis 24-Jährigen ist die Verbreitung<br />
am größten: 2,4 Prozent<br />
abhängige und 13,6 Prozent<br />
problematische Internetnutzer.<br />
Internetabhängigkeit<br />
definieren die Forscher wie<br />
folgt: Die Betroffenen verlieren<br />
die Kontrolle darüber, wie viel<br />
Zeit sie im Internet verbringen,<br />
sie leiden unter Entzugserscheinungen<br />
wie Missstimmung,<br />
Angst, Reizbarkeit oder Langeweile,<br />
wenn sie nicht online<br />
sind. Abhängige nutzen das<br />
Internet, um schlechten Gefühlszuständen<br />
zu entrinnen.<br />
Negative Folgen: Sie gehen nicht<br />
mehr zur Arbeit oder zur<br />
Schule, vernachlässigen soziale<br />
Kontakte und verwahrlosen<br />
teilweise sogar körperlich.<br />
Wenn mehrere von diesen<br />
Kriterien gleichzeitig vorliegen,<br />
spricht man von einer Internetabhängigkeit.<br />
Auffälliges<br />
Ergebnis: Bei Mädchen besteht<br />
eine größere Gefahr, <strong>sich</strong> in sozialen<br />
Netzwerken zu verlieren.<br />
Insgesamt liegen die Zahlen<br />
aber weit niedriger als bisher<br />
angenommen. Kritiker wenden<br />
zudem ein, es handele <strong>sich</strong><br />
lediglich um eine Übertragung<br />
vorhandener Störungen wie der<br />
Spiel- oder der Sex-Sucht auf das<br />
Internet-Verhalten.<br />
FAX<br />
Neue Modelle<br />
von Panasonic<br />
Panasonic hat die neuen<br />
Panafax-Modelle UF-5600<br />
und UF-4600 für Unternehmen<br />
an den Start gebracht.<br />
Die UF-5600/UF-4600-Serie<br />
umfasst einen Scanner, der<br />
Dokumente in gerade einmal<br />
drei Sekunden pro Seite<br />
scannt (nur UF-5600, UF-4600:<br />
vier Sekunden). Die Druckereinheit<br />
druckt Dokumente in<br />
A4-Größe mit einer Geschwindigkeit<br />
von 24 Seiten pro Minute,<br />
verspricht der Hersteller.<br />
Auch wenn ein Auftrag<br />
die hohe Kapazität des automatischen<br />
Dokumenteneinzugs<br />
von 30 Blättern überschreitet,<br />
können Jobs als<br />
mehrere Stapel eingescannt<br />
und zu einer einzigen Faxsendung<br />
zusammengeführt werden.<br />
Die Standardpapierkassette<br />
für 250 Blätter gewährleistet<br />
zudem eine große<br />
Papierzufuhr. Die Geräte erhalten<br />
eine »Check & Call«-<br />
Funktion für Fernwartung<br />
und Support. Das Gerät erstellt<br />
automatisch Berichte an<br />
den zuständigen Fachhändler.<br />
Die neuen Modelle sind seit<br />
September 2011 erhältlich.<br />
IM UNTERNEHMEN<br />
MUSIKNUTZUNG<br />
TREND<br />
Private IT im<br />
Unternehmen<br />
Arbeitnehmer wollen<br />
ihre privaten Tablets und<br />
Smartphones zunehmend<br />
auch berulich nutzen.<br />
Die »Consumerization« der IT,<br />
das heißt, die berufliche Nutzung<br />
der für den privaten Sektor<br />
entwickelten Endgeräte<br />
wie iPads oder iPhones, setzt<br />
viele IT-Abteilungen unter<br />
Druck. Das ist das Ergebnis einer<br />
Studie der Experton<br />
Group unter deutschen IT-<br />
Entscheidern im Auftrag des<br />
IT-Dienstleisters Computacenter.<br />
Nach An<strong>sich</strong>t der Analysten<br />
befinden <strong>sich</strong> viele IT-Abteilungen<br />
in einem Dilemma:<br />
Zum einen wünschen <strong>sich</strong><br />
Management und Kollegen<br />
iPads und iPhones, was dazu<br />
führen wird, dass deren geschäftliche<br />
Nutzung in diesem<br />
Jahr um 43 Prozent beziehungsweise<br />
38 Prozent steigen<br />
wird. Zum anderen<br />
behindern mangelnde personelle<br />
Ressourcen bei der Integration<br />
der Geräte in die Firmen-IT,<br />
fehlende Applikationen<br />
und Sicherheitsbedenken<br />
der internen IT die Nutzung<br />
der Geräte im Firmenalltag.<br />
Radio weit vorne, PC und Laptop holen auf<br />
Medien-Nutzung beim Hören von Musik: in Prozent<br />
Radio/portables Tischgerät 95<br />
Autoradio, CD-Player 84<br />
Heimstereoanlage 82<br />
Fernseher 37<br />
MP3-Player 33<br />
Laptop/Netbook 29<br />
Desktop-PC 28<br />
Mobiltelefon/Smartphone 25<br />
Spielkonsole 14<br />
Tablet-PC 10<br />
Internet-Radio 9<br />
Quelle: BITKOM<br />
KÜNDIGUNG<br />
Privat im Netz<br />
Immer wieder ein Streitfall: Wann<br />
und wie lange dürfen Arbeitnehmer<br />
das Internet am Arbeitsplatz für<br />
private Zwecke nutzen?<br />
Diesmal hatte <strong>sich</strong> das Niedersächsischen<br />
Oberverwaltungsgericht (Az.<br />
18 LP 15/10) mit der Frage zu beschäftigen,<br />
unter welchen Voraussetzungen<br />
ein öffentlicher Arbeitgeber<br />
eine fristlose Kündigung ohne vorherige<br />
Abmahnung aussprechen darf,<br />
wenn ein Arbeitnehmer verbotenerweise<br />
den Internetanschluss am Arbeitsplatz<br />
zu privaten Zwecken nutzt.<br />
Das Ergebnis im Fall eines Schulhausmeisters:<br />
Eine fristlose Kündigung<br />
ohne vorherige Abmahnung ist<br />
unter Heranziehung der in der arbeitsgerichtlichen<br />
Rechtsprechung entwickelten<br />
Grundsätze u. a. bei einer<br />
ausschweifenden privaten Nutzung<br />
des Internets während der Arbeitszeit<br />
zwar grundsätzlich möglich.<br />
Eine solche exzessive Nutzung ließ<br />
<strong>sich</strong> aber in dem zu entscheidenden<br />
Einzelfall nach Auffassung des Gerichts<br />
nicht feststellen. In einem<br />
Überprüfungszeitraum von sieben Wochen<br />
war es an insgesamt zwölf Tagen<br />
mit einer Internetnutzung von<br />
durchschnittlich einer Stunde täglich<br />
zu Auffälligkeiten gekommen.<br />
MOBILTELEFON<br />
Rechnung: 11.500 Euro<br />
Der Käufer eines Handys mit Navigationssoftware<br />
muss darauf<br />
vertrauen können, dass diese auf<br />
einem aktuellem Stand ist.<br />
Ein Kunde kaufte ein Handy, mit dem<br />
er auch navigieren konnte. Kaum hatte<br />
er das Handy angestellt, lud es<br />
über mehrere Stunden aktuelles Kartenmaterial<br />
herunter. Sein Pech: Sein<br />
Tarif umfasste nur eine geringfügige<br />
Internetnutzung. Der stundenlange<br />
Download bescherte ihm eine Rechnung<br />
über 11.500 Euro.<br />
Das Oberlandesgericht Schleswig-<br />
Holstein (Az. 16 U 140/10) bremste<br />
den Mobilfunkanbieter und gab dem<br />
Käufer recht, der die Rechnung nicht<br />
bezahlen wollte.<br />
Der Käufer habe davon auszugehen,<br />
dass die Navigationssoftware auf<br />
aktuellem Stand sei. Sei das nicht<br />
der Fall, müsse er darauf vertrauen<br />
können, dass eine Aktualisierung<br />
nur durch das Herunterladen möglich<br />
und für ihn kostenfrei sei. Weil der<br />
Anbieter nicht vor der Gefahr einer<br />
astronomischen Handyrechnung im<br />
Falle des Herunterladens gewarnt<br />
hatte, habe er gegen Treu und Glauben<br />
verstoßen und kein Anrecht<br />
auf das Entgelt.<br />
40 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
Fotos: D. Sell, Riesaer Teigwaren<br />
PORTRÄT<br />
mich als hart, aber herzlich ein. Ich tadele<br />
und lobe, wo es angebracht ist«, sagt<br />
Birgit Tief über <strong>sich</strong>. In einer offenen Art,<br />
wie man sie selten bei Managern sieht.<br />
Auch äußerlich ist sie nicht der Typ Chef,<br />
wie er häufig im Fernehen zu erleben ist.<br />
Statt Kostüm oder Hosenanzug trägt die<br />
Produktionsleiterin ein legeres T-Shirt<br />
und Jeans. Für den täglichen Rundgang<br />
in der Produktion legt sie eine Schürze<br />
um und stülpt <strong>sich</strong> ein Haarnetz über.<br />
In der Wendezeit trifft es Birgit Tief<br />
wie viele ostdeutsche Arbeitnehmer. Sie<br />
wird arbeitslos. Die Teigwarenfabrik Riesa<br />
wurde stillgelegt. »Anfangs war ich so-<br />
Sie ist stolz, an diesem Ort zu arbeiten,<br />
stolz auf die Firma. »Ja, ich bin<br />
stolz, ein Bestandteil dieses Betriebes<br />
zu sein«, sagt Birgit Tief fest, Diplom-<br />
Ingenieurin für Lebensmitteltechnologie<br />
und Produktionsleiterin in der Teigwaren<br />
Riesa GmbH. Seit über 30 Jahren bestimmen<br />
Makkaroni, Spaghetti, Spirelli,<br />
Nudelhörnchen, Nudelnester oder Nudelmuscheln<br />
ihr berufliches Leben.<br />
Die zierliche Person mit typisch sächsischem<br />
Akzent managt das Werk I der<br />
Teigwaren Riesa GmbH.<br />
Das Riesaer Nudelwerk hat eine lange<br />
Tradition. Bereits im Jahr 1914 gründete<br />
die Großeinkaufsgenossenschaft Deutscher<br />
Consumverein Hamburg die Nudelfabrik.<br />
Rasch stieg die Zahl der Mitarbeiter<br />
auf bis zu 250. Ende der 1980er Jahre<br />
werden bis zu 16.700 Tonnen Nudeln pro<br />
Jahr produziert. »Riesa war zum größten<br />
und leistungsfähigsten Nudellieferant in<br />
der DDR aufgestiegen«, erinnert <strong>sich</strong> Birgit<br />
Tief. Und da ist er wieder: der Stolz,<br />
daran mitgewirkt zu haben.<br />
Die Nudel bestimmt ihr berufliches<br />
Leben seit 1979. In dem Jahr wollte sie<br />
eigentlich eine Lehre als Friseuse beginnen,<br />
doch sie fand keine Lehrstelle. Also<br />
heuerte sie bei den »Nudelleuten« in Riesa<br />
an. Facharbeiter für Anlagentechnik<br />
hieß die Ausbildung damals und Birgit<br />
Tief war der einzige Lehrling im Betrieb.<br />
Sie wurde gefordert, hatte Spaß und beendete<br />
die Lehre mit der Note »sehr gut«.<br />
Nach der Ausbildung war ihr schnell<br />
klar, dass sie nicht den Rest ihres Lebens<br />
im Dreischichtsystem arbeiten wollte.<br />
Ehrgeiz packte sie. Die Kaderabteilung<br />
des damaligen Kombinats ließ sie ein<br />
Fernstudium der Lebensmitteltechnologie<br />
in Dippoldiswalde aufnehmen.<br />
Es begann eine harte Zeit. Fünf Jahre<br />
Studium und nebenbei Dreischichtarbeit<br />
als Anlagenfahrer. »Da waren verzweifelte<br />
Momente, als die Mehrfachbelastung<br />
zu viel wurde«, erinnert sie <strong>sich</strong>. Doch<br />
ihr Ehrgeiz hilft hier. Und die Kombinatsleitung<br />
fördert sie weiter. Der Aufstieg an<br />
die Spitze ist rasant. Sie wird Brigadier,<br />
dann Schichtleiterin und schließlich Produktionsleiterin.<br />
Doch die schnelle Karriere ist nicht<br />
hürdenlos. »Ich war die Jüngste, die<br />
Kleinste, eher schüchtern, und musste<br />
ganz schnell lernen, mich bei meinen<br />
Kollegen aus der Lehrzeit als Leiterin der<br />
Produktion durchzusetzen.« Während<br />
Birgit Tief an diese Zeit zurückdenkt,<br />
wird die sonst so humorvolle Frau sehr<br />
nachdenklich. »Ich hatte mächtig zu<br />
kämpfen, dass mich die Kollegen anerkennen,<br />
akzeptieren.«<br />
Sie setzt auf Teamgeist, Fachwissen,<br />
Kollegialität und Disziplin. »Ich schätze<br />
Teigwaren Riesa GmbH<br />
Spirit für<br />
Spirelli<br />
Der Nummer eins unter<br />
den Nudel-Herstellern auf<br />
dem ostdeutschen Markt hält<br />
Produktionsleiterin Birgit Tief<br />
seit drei Jahrzehnten die Treue.<br />
BELIEBT Teigwaren aus Riesa stehen in der<br />
Gunst ostdeutscher Kunden ganz weit oben.<br />
gar noch erbaut darüber, dass ich zu den<br />
letzten Mitarbeitern gehörte, die im Dezember<br />
1992 entlassen wurden. Dabei<br />
hatten <strong>sich</strong> andere Kollegen schon längst<br />
neue Jobs gesucht«, erzählt sie. Die Verbitterung<br />
darüber ist ihr noch anzumerken.<br />
Vom Arbeitsamt erfuhr sie nur, sie<br />
wäre als Diplom-Ingenieur überqualifiziert.<br />
Es folgte Niedergeschlagenheit. Andere<br />
Nudelhersteller hätten sie gern beschäftigt,<br />
doch Birgt Tief wollte ihren Eltern<br />
zuliebe nicht weg von Riesa.<br />
Am 1. Januar 1993 übernimmt dann<br />
das Familienunternehmen »Alb Gold«<br />
von Klaus Freidler aus dem 443 Kilometer<br />
entfernten schwäbischen Trochtelfingen<br />
die Teigwarenfabrik Riesa. Er gründet<br />
die Teigwaren Riesa GmbH und beschäftigt<br />
zunächst 34 Mitarbeiter. Die<br />
Riesaer Produkte besitzen da lediglich<br />
noch einen unbedeutenden Marktanteil<br />
von einem Prozent. Von 1993 bis 1998 investiert<br />
Klaus Freidler rund zehn Millionen<br />
DM in ein neues Werk, in die Sanierung<br />
des alten sowie in Umbauten und<br />
vor allem in neue Technik. Neue Nudel-<br />
Produkte kommen auf den Markt.<br />
Im März 1994 holt Freidler schließlich<br />
Birgit Tief wieder als Produktionsleiterin<br />
in den Betrieb zurück. 1997 ist das Unternehmen<br />
Marktführer in Ostdeutschland.<br />
2008 wird eine neue Produktionshalle<br />
gebaut, in der typisch italienische Nudelspezialitäten<br />
und asiatische Nudeln hergestellt<br />
werden. 141 Menschen sind heute<br />
in beiden Werken und einem »Nudelcenter«<br />
mit Kontor, Nudelmuseum,<br />
Kochstudio und eigenem Restaurant beschäftigt.<br />
Birgit Tief sitzt an ihrem Schreibtisch<br />
und entscheidet: Was wird hergestellt, in<br />
welchen Mengen, zu welchem Termin?<br />
Was muss an Material und Rohstoffen<br />
dazu geordert werden? Und wenn ein<br />
großes, deutsches Handelsunternehmen<br />
ein Aktionsangebot ordert, geht es nicht<br />
um ein paar Tüten Spaghetti, sondern<br />
um Tonnen. »Wir müssen flexibel reagieren,<br />
um spezielle Kundenwünsche erfüllen<br />
zu können«, sagt sie und fügt hinzu,<br />
»es ist aber bei uns alles machbar.« Dass<br />
sie dann zehn Stunden und mehr im Betrieb<br />
verbringt, versteht <strong>sich</strong> von selbst.<br />
Als Ausgleich zur Arbeit unternimmt<br />
sie ausgedehnte Spaziergänge mit ihrer<br />
Zwergschnauzerhündin und ihrem<br />
Mann. Er ist mit den Riesaer Nudeln<br />
ebenfalls eng verbandelt. Als Speditionsleiter<br />
im Betrieb. Dies ist auch der Ort, an<br />
dem sie <strong>sich</strong> kennengelernt haben.<br />
Kommen bei so viel Teigwaren im Beruf<br />
zu Hause auch Nudeln auf den Tisch?<br />
»Ja. Es gibt in meinem Haushalt immer<br />
Nudeln auf Vorrat«.<br />
Daniela Sell<br />
&<br />
42 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
TOURISMUS<br />
Fotos: A. Pröber<br />
Urlaubsland Mecklenburg-Vorpommern<br />
Pauschal gen Norden<br />
Ab diesem Winter lockt Deutschlands führender Reiseveranstalter<br />
TUI erstmals mit Angebotspaketen Urlauber an die Ostsee.<br />
Premiere bei der TUI. Zum ersten<br />
Mal bietet Deutschlands führender<br />
Reiseveranstalter Flugpauschalreisen<br />
innerhalb Deutschlands an. Ziel<br />
dieses neuen Angebots ist Mecklenburg-<br />
Vorpommern. »Das nordöstliche Bundesland<br />
ist für uns die wichtigste und größte<br />
Reisedestination in Deutschland, noch<br />
vor Bayern«, begründet Andreas Casdorff<br />
von TUI Deutschland. 25 Prozent aller<br />
über TUI gebuchten Inlandreisen führen<br />
bereits nach MV. In den Sommermonaten<br />
sind es 27 Prozent.<br />
Künftig soll das beliebteste Urlaubsland<br />
für Süddeutsche noch bequemer erreichbar<br />
werden. Vor allem Kurzurlauber<br />
und ältere Reisende wählten gern das<br />
Flugzeug, so Casdorff. Ab der Wintersaison<br />
2011/12 können 80 der insgesamt 130<br />
TUI-Partnerhäuser in Mecklenburg-Vorpommern<br />
im Paket – Fluganreise, Transfer,<br />
Unterkunft – gebucht werden. Anreisemöglichkeiten<br />
nach Rostock-Laage gibt<br />
es zunächst aus Köln und Stuttgart. Im<br />
Frühjahr 2012 kommen dann Anreisemöglichkeiten<br />
ab Dortmund, Düsseldorf<br />
und Stuttgart nach Heringsdorf hinzu.<br />
Über die Vorreiterrolle des Landes<br />
zeigt <strong>sich</strong> Sylvia Bretschneider, Präsidentin<br />
des Tourismusverbandes MV, sehr erfreut.<br />
Das neue Produkt unterstreiche<br />
den Stellenwert, den MV bei großen<br />
Reiseveranstaltern besitze. »Unser Land<br />
entspricht mit dem Angebot internationalen<br />
Standards und wird auf dem internationalen<br />
Markt konkurrenzfähig«, betont<br />
Bretschneider.<br />
Von dem Angebot profitieren auch die<br />
Flughäfen des Landes, ist Stefan Rudolph<br />
überzeugt. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium<br />
von MV verweist<br />
darauf, dass im vergangenen Jahr rund<br />
78.000 Linienpassagiere in Rostock-Laage<br />
und 31.000 in Heringsdorf abgefertigt<br />
wurden. Da gäbe es noch erhebliches Potenzial.<br />
Derzeit kämen nur ein Prozent<br />
aller Urlauber mit dem Flugzeug, 79 Prozent<br />
reisten mit dem Pkw und 13 Prozent<br />
mit der Bahn an.<br />
Mit dem Bus-Shuttle-Angebot, dass<br />
vom Tourismusverband MV im Jahr 2009<br />
auf den Weg gebracht wurde, ist bereits<br />
eine wichtige Voraussetzung geschaffen<br />
worden, Flugpassagiere in die beliebten<br />
Ferienregionen nach Rügen, auf den<br />
Darß, nach Westmecklenburg oder an<br />
die Seenplatte zu bringen. Das Land<br />
Mecklenburg-Vorpommern hat in die Infrastruktur<br />
des Tourismus stark investiert.<br />
Seit 1990 wurden laut Rudolph 6,3<br />
Milliarden Euro ausgegeben. Nun müssten<br />
diese Investitionen mit Leben erfüllt<br />
werden. Gegenwärtig wird jeder 13. Euro<br />
in MV im Tourismus erwirtschaftet, in<br />
Deutschland gesamt ist es jeder 25. Euro.<br />
Anette Pröber<br />
NEUE OSTSEEHOTELS wie hier in Kühlungsborn überzeugen mit viel Charme.<br />
INTERVIEW<br />
ANDREAS CASDORFF,<br />
Leiter Eigenanreise<br />
TUI Deutschland<br />
Schön wie am Mittelmeer<br />
W&M: Warum schließt TUI die neue Allianz<br />
mit Mecklenburg-Vorpommern?<br />
CASTORFF: Weil es unser Reiseland Nr.<br />
eins in Deutschland ist. Das Bundesland<br />
ist mit den meisten Hotels im 740-Seiten-<br />
Katalog Deutschland vertreten und<br />
erfreut <strong>sich</strong> der größten Nachfrage. Nun<br />
können wir noch mehr Gästegruppen<br />
ansprechen, vor allem Kurzurlauber<br />
aus dem Süden und ältere Menschen,<br />
die das Flugzeug bevorzugen.<br />
W&M: Was war das Hauptproblem bei der<br />
Umsetzung des Projekts?<br />
CASTORFF: Größte Herausforderung im<br />
Flächenland MV war die Verteilung vor<br />
Ort. Doch am zentralen Luftverkehrsknoten<br />
Rostock-Laage gibt es bereits seit<br />
2009 einen Bus-Shuttle, der Touristen in<br />
fünf Reiseregionen zwischen Westmecklenburg<br />
und Rügen bringt. Das erleichterte<br />
den Start mit Pauschalreisen.<br />
W&M: Was macht den Norden so anziehend?<br />
CASTORFF: Die zumeist neuen Urlaubsquartiere,<br />
die in den letzten 20 Jahren<br />
entstanden sind oder restauriert<br />
wurden, strahlen Charme aus. Sie sind<br />
so schön wie die besten Hotelanlagen<br />
am Mittelmeer. Die Bauherren haben beachtet,<br />
dass Urlauber gern ein wenig<br />
mehr Platz in den Unterkünften lieben<br />
und trotz Nähe zum Wasser großzügige<br />
Spa- und Wellnessbereiche schätzen.<br />
W&M: Wo sehen Sie Entwicklungsbedarf?<br />
CASTORFF: Die Qualität stimmt, auch<br />
die Infrastruktur. Es wurde viel in Radwege,<br />
Golfplätze, Kultur- und Familienangebote<br />
investiert. Nun muss dieses<br />
umfangreiche Paket noch bekannter<br />
werden. Im Marketing sehe ich derzeit<br />
den größten Nachholbedarf. Deshalb<br />
haben wir mit dem Tourismusverband<br />
einen Marketingvertrag geschlossen.<br />
W&M: Stimmen Preis und Leistung?<br />
CASTORFF: Ein Deutschland-Urlaub ist<br />
generell nicht billig. Stimmen aber Qualität<br />
der Unterbringung, Essen und Service<br />
und der Gast wird freundlich umsorgt,<br />
dann ist er bereit, mehr zu zahlen.<br />
Vom professionellen Personal – das<br />
künftig verstärkt auf dem europäischen<br />
Markt umworben werden wird – hängt<br />
es ab, ob es ein Top-Aufenthalt für den<br />
Gast war. Deshalb sollten Hotels rechtzeitig<br />
auf ihre Personalpolitik achten.<br />
Interview: Anette Pröber<br />
&<br />
44 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
UV-AKTUELL<br />
GESCHÄFTSSTELLEN<br />
der Unternehmerverbände<br />
Unternehmerverband Berlin e.V.<br />
Präsident: Armin Pempe<br />
Hauptgeschäftsführer: Andreas Jonderko<br />
Geschäftsstelle:<br />
Ingrid Wachter (Sekretariat)<br />
Frankfurter Alllee 202, 10365 Berlin<br />
Tel.: (030) 981 85 00, 981 85 01<br />
Fax: (030) 982 72 39<br />
E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />
Unternehmerverband Brandenburg e.V.<br />
Präsident: Eberhard Walter<br />
Hauptgeschäftsstelle Cottbus:<br />
Roland Kleint<br />
Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />
Tel.: (03 55) 226 58, Fax: 226 59<br />
E-Mail: uv-brandenburg-cbs@t-online.de<br />
Bezirksgeschäftsstelle Potsdam:<br />
Bezirksgeschäftsführer: Hans-D. Metge<br />
Hegelallee 35, 14467 Potsdam<br />
Tel.: (03 31) 81 03 06<br />
Fax: (03 31) 817 08 35<br />
Geschäftsstelle Frankfurt (Oder):<br />
Geschäftsführer: Detlef Rennspieß<br />
Perleberger Str. 2, 15234 Frankfurt (O.)<br />
Tel.: (03 35) 400 74 56<br />
Mobil: (01 73) 633 34 67<br />
Unternehmerverband Rostock und<br />
Umgebung e.V.<br />
Präsident: Frank Haacker<br />
Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />
Geschäftsstelle:<br />
Wilhelm-Külz-Platz 4, 18055 Rostock<br />
Tel.: (03 81) 242 58 -0, 242 58 -11<br />
Fax: 242 58 18<br />
Regionalbüro Güstrow:<br />
Am Augraben 2, 18273 Güstrow<br />
Tel.: (038 43) 23 61 12, Fax: 23 61 17<br />
Unternehmerverband Norddeutschland<br />
Mecklenburg-Schwerin e.V.<br />
Präsident: Rolf Paukstat<br />
Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />
Geschäftsstelle:<br />
Brunnenstraße 32, 19053 Schwerin<br />
Tel.: (03 85) 56 93 33, Fax: 56 85 01<br />
Unternehmerverband Thüringen e.V.<br />
Präsident: Peter Baum<br />
Geschäftsstelle:<br />
IHK Erfurt<br />
Arnstädter Str. 34, 99099 Erfurt<br />
Tel.: (03 681) 42 00 50, Fax: 42 00 60<br />
Unternehmerverband Vorpommern e.V.<br />
Präsident: Gerold Jürgens<br />
Leiter d. Geschäftsst.: Wolfgang Kastirr<br />
Geschäftsstelle:<br />
Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />
Tel.: (038 34) 83 58 23, Fax: 83 58 25<br />
Unternehmerverband Sachsen e.V.<br />
Präsident: Hartmut Bunsen<br />
Vizepräs.: Dr. W. Zill, Dr. M. Reuschel,<br />
U. Hintzen<br />
Geschäftsführer: Rüdiger Lorch<br />
www.uv-sachsen.org<br />
Geschäftsstelle Chemnitz:<br />
Leiterin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />
Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />
Tel.: (03 71) 49 51 29 12, Fax: -16<br />
E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />
Geschäftsstelle Dresden:<br />
Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck<br />
Antonstraße 37, 01097 Dresden<br />
Tel.: (03 51) 899 64 67, Fax 899 67 49<br />
E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />
Geschäftsstelle Leipzig:<br />
Leiterin: Silvia Müller<br />
Riesaer Straße 72 – 74, 04328 Leipzig<br />
Tel.: (03 41) 257 91-20, Fax: -80<br />
E-Mail: leipzig@uv-sachsen.org<br />
Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e.V.<br />
Präsident: Jürgen Sperlich<br />
Geschäftsstelle Halle/Saale<br />
Berliner Str. 130, 06258 Schkopau<br />
Tel.: (0345) 78 23 09 24<br />
Fax: (0345) 78 23 467<br />
UV Rostock<br />
Offen für Neues<br />
Innovationswerkstatt unterstützt neue Ideen und<br />
Anlaufstelle hilft bei Fragen zum Patentrecht.<br />
Zum zweiten Mal lud der Unternehmerverband<br />
Rostock zu<br />
einer Innovationswerkstatt<br />
ein, in der gemeinsam mit<br />
den Mitgliedsunternehmen<br />
nach neuen Ideen gesucht<br />
und Innovationen unterstützt<br />
werden. Besonders gelungen<br />
war dieses Mal der Veranstaltungsort<br />
– die Anfang Oktober<br />
in Anwesenheit von Wirtschaftsminister<br />
Jürgen Seidel<br />
in Betrieb genommene Liebherr-Akademie.<br />
Liebherr mit<br />
seinem hochmodernen Produktionsstandort<br />
im Rostocker<br />
Überseehafen steht<br />
auch symbolisch für innovatives<br />
Unternehmertum.<br />
Wolfgang Kautz, Chef der<br />
neuen Einrichtung, führte<br />
denn auch voller Stolz durch<br />
die neuen Hallen. Auf 5.000<br />
Quadratmeter Ausbildungsfläche<br />
wurden modernste<br />
Werkstätten, Unterrichtsräume<br />
und Ausbildungsinseln<br />
eingerichtet. »Die Schaffung<br />
der Liebherr-Akademie ist die<br />
strategische Reaktion des Unternehmens<br />
auf die demographische<br />
Entwicklung und<br />
die zu erwartende Fachkräftesituation<br />
in Mecklenburg-Vorpommern«,<br />
sagte Minister Seidel<br />
anlässlich der Eröffnung.<br />
Auch der Unternehmerverband<br />
Rostock liegt mit dem<br />
neuen Angebot für seine Mitglieder<br />
im Trend und greift<br />
ein für die wirtschaftliche<br />
Entwicklung des Landes wichtiges<br />
Thema auf. In den Statistiken<br />
für Patentanmeldungen<br />
liegt Mecklenburg-Vorpommern<br />
deutschlandweit mit<br />
UV Schwerin<br />
Stürmische Ausfahrt<br />
Reger Meinungsaustausch zwischen Wirtschaft<br />
und Politik auf traditioneller Dampferrunde.<br />
Die alljährliche Dampferrunde<br />
des Schweriner Unternehmerverbandes<br />
ist immer gut<br />
besucht. Doch in diesem Jahr<br />
gab es ein Novum. Mehr als<br />
160 Teilnehmer wollten auf<br />
den Schweriner See hinausfahren,<br />
was es erstmals nötig<br />
machte, die Besucher auf zwei<br />
Schiffe zu verteilen.<br />
Trotz widriger Witterungsbedingungen<br />
mit Starkregen<br />
und stürmischen Böen bis<br />
kurz vor Beginn der Veranstaltung<br />
ließen <strong>sich</strong> die Gäste<br />
nicht abschrecken. Auch<br />
ZUM 19. MAL: Unternehmer auf dem Schweriner See<br />
großem Abstand auf dem letzten<br />
Platz. Dies hat nicht nur<br />
mit der geringen Anzahl produzierender<br />
Unternehmen<br />
im Vergleich mit anderen<br />
Bundesländern zu tun, sondern<br />
auch mit den Unternehmensgrößen,<br />
die kaum eigene<br />
Kapazitäten für Bereiche<br />
wie Produkt- oder Markenentwicklung<br />
und kein Know-how<br />
für fundierte Recherchen ermöglichen.<br />
Neben diesem Veranstaltungsformat<br />
bietet der UV<br />
Rostock darüber hinaus eine<br />
Anlaufstelle für kleine und<br />
mittlere Firmen, die mit Erfahrung<br />
und Sachkompetenz<br />
Unterstützung in den komplizierten<br />
und langwierigen Prozessen<br />
leistet. Dabei arbeiten<br />
die Wirtschaftsvertreter nicht<br />
nur mit Patentanwälten zusammen,<br />
sondern werden<br />
auch vom Wirtschaftsministerium<br />
unterstützt.<br />
Interessierte Unternehmer<br />
können <strong>sich</strong> darüber in der<br />
Geschäftsstelle des UV Rostock<br />
informieren.<br />
&<br />
wenn der Zwischenstopp auf<br />
der Insel Kaninchenwerder<br />
aufgrund des Wetters ausfallen<br />
musste, die Schiffsreisenden<br />
mussten nicht auf die geplante<br />
Life-Musik verzichten.<br />
Der Veranstalter verlegte das<br />
Unterhaltungsprogramm kurzerhand<br />
auf die »MS Schwerin«,<br />
eines der beiden Schiffe,<br />
die vom Co-Sponsor, der maxpress<br />
Unternehmensgruppe,<br />
gechartert worden waren.<br />
Auch in diesem Jahr machten<br />
die guten Gespräche in<br />
entspannter Atmosphäre den<br />
Reiz dieser ungezwungenen<br />
und kommunikativen gemeinsamen<br />
Ausfahrt aus. Neben<br />
Gästen aus allen Verbandsregionen<br />
nutzten auch<br />
in diesem Jahr wieder zahlreiche<br />
Offizielle aus Politik und<br />
Verwaltung die 19. Dampferrunde,<br />
um mit Mitgliedern<br />
und Verbandsrepräsentanten<br />
ins Gespräch zu kommen. Mit<br />
an Bord waren auch die Präsidenten<br />
und Vizepräsidenten<br />
sowie die Geschäftsführer der<br />
Schwesterverbände aus Rostock<br />
und Vorpommern. &<br />
46 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
Foto: UV Schwerin<br />
UV BRANDENBURG<br />
Urteil zu BER<br />
begrüßt<br />
Das Bundesverwaltungsgericht<br />
hat die Klagen<br />
einiger Berliner Bürger<br />
zurückgewiesen, die am<br />
neuen Flughafen Berlin/<br />
Brandenburg ein absolutes<br />
Nachtflugverbot zwischen<br />
22 und 6 Uhr erreichen<br />
wollten.<br />
Das Nachtflugverbot bleibt<br />
wie gehabt nur zwischen<br />
24 und 5 Uhr bestehen, in<br />
den sogenannten Randzeiten<br />
dürfen jedoch Flüge stattfinden.<br />
Der UV Brandenburg<br />
begrüßt als Vertreter der mittelständischen<br />
Wirtschaft<br />
der Hauptstadtregion Berlin-<br />
Brandenburg das Urteil des<br />
Bundesverwaltungsgerichts<br />
in Leipzig zu den Flügen in<br />
Nachtrandzeiten. Damit ist<br />
ge<strong>sich</strong>ert, dass <strong>sich</strong> der Flughafen<br />
zu einem internationalen<br />
Drehkreuz entwickeln<br />
kann. Für die Unternehmen<br />
der Region bedeutet es Planungs-<br />
und Investitions<strong>sich</strong>erheit.<br />
Bereits heute ist der entstehende<br />
Flughafen ein Motor<br />
der wirtschaftlichen Entwicklung<br />
in der Region, durch<br />
den mehrere zehntausend<br />
Jobs entstehen werden, so die<br />
Wirtschaftsvertreter.<br />
+ TERMINE+<br />
TERMINE<br />
UV Brandenburg<br />
11. November, 9–16 Uhr<br />
Technologie Tag Schönefeld<br />
2011, Thema: Nachhaltiges<br />
Bauen im Gewerbebau,<br />
airportworld Schönefeld<br />
UV Vorpommern<br />
12. November, 19 Uhr<br />
7. Ball der Generationen,<br />
Kaiser Spa »Hotel zur Post«,<br />
Seebad Bansin<br />
UV Sachsen<br />
12. November, 19 Uhr<br />
21. Sächsischer Unternehmerball<br />
unter dem Motto »WISSENschaf(f)t-WIRTSCHAFTSKRAFT,<br />
Hotel »The Westin Leipzig«<br />
Anmeldung unter<br />
leipzig@uv-sachsen.org<br />
NACHRICHTEN<br />
UV SACHSEN<br />
Minister Rösler kommt<br />
Am 16. November kommt Bundeswirtschaftsminister<br />
Philip Rösler (FDP) nach Leipzig.<br />
Dort wird er <strong>sich</strong> beim Unternehmerverband<br />
Sachsen den Fragen der sächsischen Wirtschaft<br />
stellen. Wirtschaft & Markt berichtet in seiner<br />
nächsten Ausgabe über das Gespräch.<br />
Neue Repräsentanz<br />
Die Geschäftsstelle des UV Sachsen in<br />
Chemnitz ist umgezogen.<br />
Sie finden die Repräsentanz Südwestsachsen,<br />
Standort Chemnitz, ab sofort in ihrem neuen<br />
Büro in der Marianne-Brandt-Straße 4 in<br />
09112 Chemnitz.<br />
UV BERLIN<br />
Unterstützung bei Streit<br />
Der Berliner Unternehmerverband unterhält<br />
seit 2005 eine eigene Einigungsstelle, mit<br />
deren Unterstützung Konflikte außergerichtlich<br />
beigelegt werden können. Nun ist der<br />
Verband dem »Berliner Bündnis außergerichtliche<br />
Konfliktbeilegung« beigetreten.<br />
Initiatoren des Bündnisses, mit dessen Existenz<br />
dem zunehmenden Informationsbedarf von Unternehmern<br />
und Verbrauchern Rechnung getragen<br />
werden soll, sind die Industrie und Handelskammer<br />
Berlin und die Handwerkskammer Berlin<br />
in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung<br />
für Justiz, mit dem Berliner Anwaltsverein und<br />
der Verbraucherzentrale Berlin.<br />
Der Unternehmerverband Berlin ist Anfang September<br />
dieses Jahres mit seiner Einigungsstelle<br />
dem Internetportal des Bündnisses als Anbieter<br />
von Mediationsleistungen beigetreten und unterstützt<br />
damit aktiv die Berliner Initiative.<br />
»Einen Streit beizulegen, ohne gleich ein Gericht<br />
einzuschalten, ermöglicht wirtschaftlich sinnvolle<br />
und für die Konfliktparteien nachhaltige Lösungen«,<br />
beschreibt Andreas Jonderko, Vizepräsident<br />
und Hauptgeschäftsführer des UV Berlin, die<br />
Motivation des Verbandes zu diesem Schritt.<br />
»Dabei können Unternehmen nicht nur Zeit und<br />
Geld sparen, sondern die Lösung ihres Konfliktes<br />
selbst steuern und <strong>sich</strong>erstellen, dass ihr Ge<strong>sich</strong>t<br />
gewahrt bleibt und vorhandene Geschäftsbeziehungen<br />
nicht dauerhaft zerstört werden.«<br />
Auf diese Weise könnten Auseinandersetzungen<br />
zwischen Unternehmern, Geschäftskunden<br />
und Privatpersonen durch erfahrene Mediatoren,<br />
Rechtsanwälte und Notare sowie Gutachter<br />
außergerichtlich beigelegt werden.<br />
Informationen: www.schlichten-in-berlin.de<br />
Aus Leidenschaft<br />
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dem Weg zum fertigen Er zeugnis zu<br />
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WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 47
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BÜCHERBORD<br />
Führungskräfte<br />
Hymne auf<br />
die erste Ebene<br />
Manfred Brandl sagt von <strong>sich</strong>,<br />
in ihm fließe gelbes Blut. Seit<br />
mehr als 30 Jahren ist der<br />
Österreicher im Liebherr-Konzern<br />
beschäftigt. Er sei in den<br />
drei Jahrzehnten alles gewesen,<br />
»außer Pförtner«. Der 57-<br />
jährige ist heute Geschäftsführer<br />
der Liebherr-Werke in<br />
Nenzing, Sunderland (England)<br />
und Rostock. Seine Karriere<br />
vom Facharbeiter bis<br />
zum Geschäftsführer hat ihn<br />
veranlasst, ein Ratgeber-Buch<br />
zu schreiben – über den Stellenwert<br />
und die Qualität von<br />
Führungskräften.<br />
In dem Werk, das lustvoll mit<br />
Cartoons von Martin Michael<br />
MANFRED BRANDL<br />
Die erste Führungsebene,<br />
Eigenverlag,<br />
105 Seiten,<br />
20,00 Euro<br />
Rhomberg illustriert ist,<br />
verallgemeinert der Chef von<br />
2.600 Mitarbeitern seine<br />
Führungserfahrungen, ohne<br />
abstrakt zu theoretisieren.<br />
Brandl bezieht <strong>sich</strong> ausdrücklich<br />
auf »Die erste Führungsebene«.<br />
Auf diese komme es<br />
entscheidend an im Betrieb,<br />
denn »der Montagegruppenleiter,<br />
der Schichtleiter sind<br />
es, die den Mitarbeitern<br />
sagen müssen, welche Aufgaben<br />
wie zu erfüllen sind«.<br />
Der Erfolg des Unternehmens<br />
wurzelt hier. Umso mehr<br />
müssten direkte Kommunikation,<br />
konsequente Konfliktbewältigung<br />
und konstruktive<br />
Teamarbeit die Arbeit<br />
von Führungskräften prägen.<br />
Bestellt werden kann die<br />
Führungsfibel bei der<br />
Druckerei Wenin GmbH & Co.<br />
KG in A-6850 Dornbirn,<br />
Wallenmahd 29c (E-Mail:<br />
druckerei@wenin.at).<br />
Thomas Schwandt<br />
Industrielle Revolution<br />
Hohelied statt Abgesang<br />
Der US-amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin<br />
glaubt wieder an die Rettung des Planeten<br />
W<br />
ie häufig ist dem<br />
Industriezeitalter<br />
schon das Totenglöcklein<br />
geläutet worden! Auch<br />
der US-Ökononom und Zukunftsexperte<br />
Jeremy Rifkin<br />
bildete da keine Ausnahme.<br />
Doch in seinem neuesten<br />
Buch überrascht er mit einer<br />
neuen Volte. Statt Abgesang<br />
ein Hohelied: Rifkin zufolge<br />
steht der Industrialismus vor<br />
seinem größten Erfolg: der<br />
dritten industriellen Revolution,<br />
die bereits begonnen<br />
habe und bis Mitte des 21.<br />
Jahrhunderts die Wirtschaftsentwicklung<br />
des Planeten<br />
prägen und - wenn es klappt -<br />
dessen Ökologie retten wird.<br />
Energie plus großtechnische<br />
Infrastrukturen für<br />
Kommunikation und Verkehr<br />
stellen für Rifkin die »Genetik«<br />
aller drei industriellen<br />
Revolutionen dar. Was im 19.<br />
Jahrhundert mit Kohle und<br />
Eisenbahn begann, setzte <strong>sich</strong><br />
im 20. Jahrhundert mit Erdöl<br />
und Automobil fort. Doch die<br />
fossile Energietechnik mit<br />
ihren Treibhausgas-Emissionen<br />
führte die Erde in einen<br />
globalen Klimawandel mit<br />
ungewissem Ausgang.<br />
Dessen Beherrschung wird<br />
daher nicht nur die zentrale<br />
Aufgabe der dritten industriellen<br />
Revolution sein und<br />
neue Wirtschaftschancen bieten.<br />
Die Energie der neuen Revolution,<br />
vor allem aus Sonne<br />
und Wind, wird über dezentrale<br />
Netze verteilt. Das Internet<br />
bildet den kommunikationstechnischen<br />
Zwilling, das<br />
zweite Super-Netz der grünen<br />
Industrie-Ära.<br />
Rifkins Fahrplan in eine<br />
bessere Öko-Zukunft stellt<br />
fünf technische Aktionsfelder<br />
in den Vordergrund. Neben<br />
dem Umstieg auf erneuerbare<br />
Energien setzt er auf Effizienzmaßnahmen<br />
im Gebäudebereich<br />
mit besonderem<br />
Akzent auf häusliche Mikrokraftwerke.<br />
Neue Speichertechniken<br />
zur Sammlung der<br />
nur ungleichmäßig anfallenden<br />
Naturenergien Wind und<br />
Sonne sind ebenso nötig wie<br />
die Verknüpfung der Stromnetze<br />
mit dem Internet (Intergrid).<br />
Fünfte Säule ist die Umstellung<br />
des Autoverkehrs auf<br />
Elektrofahrzeuge.<br />
Der Aufbau dieser Struktur<br />
»wird zunächst Hunderttausende<br />
neuer Unternehmen<br />
und Hunderte Millionen neuer<br />
Arbeitsplätze schaffen«,<br />
meint der Autor. In den Jahren<br />
2040 bis 2050 werde diese<br />
Infrastruktur auf den meisten<br />
Kontinenten umgesetzt sein<br />
und »die industrielle Arbeiterschaft<br />
<strong>sich</strong> auf ihrem Höchststand<br />
eingependelt haben«.<br />
Danach erfolge der Übergang<br />
von der industriellen zur »kollaborativen«<br />
Wirtschaftsweise,<br />
die jetzt nur in vagen Umrissen<br />
erkennbar ist.<br />
Rifkin ist ein begnadeter<br />
Kommunikator. Um seine Vision<br />
auch der breiten Bevölkerung<br />
nahe zu bringen, empfiehlt<br />
der amerikanische Ökonom,<br />
man müsse der dritten<br />
JEREMY RIFKIN<br />
Die dritte industrielle Revolution.<br />
Die Zukunft der Wirtschaft nach<br />
dem Atomzeitalter, Campus Verlag<br />
2011, 303 Seiten, 24,99 Euro<br />
industriellen Revolution ein<br />
»neues Narrativ« geben, eine<br />
große mitreißende Story.<br />
Dieser narrative Imperativ<br />
ist die Schwäche des Buches.<br />
Zu sehr gefällt <strong>sich</strong> der Autor<br />
darin, seine Consulting-Projekte<br />
– bis zur Beratung der<br />
deutschen Bundeskanzlerin –<br />
in gefälliger Lesart darzustellen.<br />
Das große analytische<br />
Alterswerk ist seine »dritte<br />
industrielle Revolution« nicht<br />
geworden, aber immerhin<br />
ein facettenreicher Werkstattbericht<br />
über eine Welt in tief<br />
greifendem Umbau.<br />
Manfred Ronzheimer<br />
IMPRESSUM<br />
Wirtschaft & Markt<br />
Das ostdeutsche Wirtschaftsmagazin<br />
Magazin der Interessengemeinschaft der<br />
Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />
und Berlin<br />
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ISSN 086 353 23 Erscheint monatlich.<br />
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48 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
W&M-PRIVAT<br />
LEUTE & LEUTE<br />
LESERPOST<br />
Brief aus Brüssel<br />
Heft 10-2011<br />
Solidarunion Europa – ein<br />
hehres Ziel und ein schöner<br />
Traum. Doch die einzelnen<br />
Länder werden weiter konkurrieren<br />
und immer auch<br />
versuchen, Sondervorteile<br />
herauszuholen – siehe Finnland<br />
und die Slowakei in der<br />
Griechenlandkrise. So bleibt<br />
die Hauptverantortung doch<br />
immer bei den wirtschaftlich<br />
stärkeren Ländern – und die<br />
sollen sie auch wahrnehmen.<br />
Petra Decker, Ilmenau<br />
Karrikatur und Zeichnung: Rainer Schwalme<br />
Witze<br />
mit Barth<br />
Ernst Röhl bemängelt<br />
deutschen Humor<br />
Der englische Humor<br />
soll weiter nichts als<br />
möglichst großen<br />
Spaß machen, der deutsche<br />
Humor dagegen dient dem<br />
Zwecke der Erheiterung.<br />
Dieses Sendungsbewusstsein<br />
treibt einen Leistungskomiker<br />
wie Mario Barth immer<br />
wieder in die größten Stadien.<br />
Im vergangenen Sommer bespielte<br />
er mit seinem Programm<br />
»Männer sind peinlich,<br />
Frauen manchmal auch«<br />
unter anderem die Commerzbank-Arena<br />
in Frankfurt am<br />
Main, die Veltins-Arena auf<br />
Schalke und das Berliner<br />
Olympiastadion.<br />
Erschöpfend klärt Barth<br />
die Volksmassen darüber auf,<br />
warum Frauen und Damen<br />
bei Restaurantbesuchen dazu<br />
neigen, die Toilette im Rudel<br />
oder doch wenigstens zu<br />
zweit aufzusuchen: »Die eene<br />
muss, dit is die Aktive, und<br />
die andre steht Schmiere.«<br />
Diese Faustregel bekräftigt er<br />
mit einem passenden Expertenkommentar,<br />
indem er<br />
kraftvoll einen Mundfurz ins<br />
Mikrofon fahren lässt. Das<br />
Echo ruft nichtendenwollenden<br />
Applaus hervor, die Traversen<br />
erbeben. Dieser künstlerische<br />
Darmwind ist eine<br />
Kampfansage speziell an den<br />
Kunstfurzer Mister Methan,<br />
der Fernsehzuschauer damit<br />
verzaubert, dass er notengetreu<br />
die ersten Takte der 5.<br />
Sinfonie von Beethoven pupst.<br />
Die kunstsinnige Illustrierte<br />
STERN war des Lobes voll;<br />
wahrscheinlich, schrieb sie,<br />
habe so noch nie jemand live<br />
einen Furz imitiert, Mario<br />
Barth könne deshalb in seinem<br />
nächsten Programm auf<br />
diesem Geräusch aufbauen,<br />
»das wird bestimmt ein Riesenerfolg!«<br />
Gut möglich. Tag für Tag<br />
veröffentlicht BILD Arschge<strong>sich</strong>ter<br />
und Popolisten, die in<br />
Dieter Bohlens Castingshow<br />
ihr Glück versuchen. Kandidat<br />
Chris aus London trat mit<br />
einem Silvesterknaller »im Allerwertesten«<br />
(Zitat BILD) auf<br />
und krönte seinen Pyro-Striptease<br />
mit einem betörenden<br />
Analfeuerwerk. Die US-amerikanische<br />
Popo-Poseurin Coco<br />
Austin ließ aus ihrem Achtersteven<br />
sogar einen Truthahn<br />
entweichen, aber fragt mich<br />
bloß nicht, wie der Trick<br />
funktioniert.<br />
In der deutschen Leitkultur<br />
spielt das Gesäß längst<br />
eine zentrale Rolle, und ein<br />
Pop-Titan wie der große Bohlen<br />
weiß genau, dass der wahre<br />
Humor erst unterhalb der<br />
Gürtellinie anfängt. Der Erfolg<br />
gibt ihm Recht. Die am<br />
Bildschirm nachhaltig verblödete<br />
Jugend strömt in<br />
Sechserreihen zu seiner Sado-<br />
Show und lässt <strong>sich</strong> dankbar<br />
erniedrigen und beleidigen.<br />
Mit deftigen Latrinensprüchen<br />
hat <strong>sich</strong> der Dieter die<br />
Pole Position unter den zeitgenössischen<br />
Aphoristikern<br />
ge<strong>sich</strong>ert. »Wenn man mit der<br />
flachen Hand in einen Eimer<br />
Scheiße haut, kriegt man<br />
Sommersprossen …« So lautet<br />
seine Weltformel. Die meisten<br />
seiner Urteile klingen auch<br />
deshalb nach Exkrement, weil<br />
die Kandidaten ihr Bestes in<br />
so genannten Ausscheidungs-<br />
Runden geben müssen. Originalton<br />
Bohlen: »Deine Art zu<br />
singen klingt wie ein Darmverschluss!«<br />
– »Du klingst, als<br />
hättest du eine Klosettbürste<br />
im Arsch!« – »Du singst wie<br />
’ne Kuh beim Kacken!«<br />
Den deutschen Humor erkennt<br />
man daran, dass es ihn<br />
nicht gibt.<br />
&<br />
Markov-Talk<br />
Heft 10-2011<br />
Der Umbau der Wirtschaftsförderung<br />
auf revolvierende<br />
Fonds wird ums dringlicher,<br />
desto weniger Fördermittel<br />
aus Brüssel fließen. In welch<br />
segensreichem Zustand könnten<br />
<strong>sich</strong> heute viel mehr Brandenburger<br />
Unternehmen aus<br />
dem KMU-Bereich befinden,<br />
wenn sie die Mittel bekommen<br />
hätten, die in den 90er<br />
Jahren für spektakuläre Prestigeobjekte<br />
wie den Cargolifter<br />
und den Lausitzring<br />
freihändig verpulvert worden<br />
sind!<br />
Jan Kubitscheck, Luckenwalde<br />
Zukunft Ost<br />
Heft 10-2011<br />
Die Westflucht, von der man<br />
vor 20 Jahren glaubte, dass<br />
sie schlagartig aufhören würde,<br />
ist nun leider schon mehr<br />
als 60-jährige Tradition. Keine<br />
deutsche Region braucht<br />
deshalb mehr Zuwanderung<br />
dringlicher als der Osten.<br />
Inay Faklam, Görlitz<br />
Ausbildung<br />
Heft 10-2011<br />
Auch die 60-jährigen Arbeitswilligen<br />
benötigen weiter<br />
Ausbildung, wenigstens anpassend<br />
an erworbene Berufsbilder.<br />
Wie sonst sollten sie<br />
die Jahre bis zur Rente mit 67<br />
noch leistungsfähig durchstehen?<br />
Einar Hentschel, Magdeburg<br />
WIRTSCHAFT & MARKT 11/11 49
KOLUMNE<br />
Mit kühlem Kopf mutig aus der Krise<br />
In kritischen Zeiten zählt ein kühler<br />
Kopf. Ein Kopf der fähig ist, <strong>sich</strong> umzuschauen,<br />
ohne Panik, und dann<br />
den besten Ausweg findet. Ich denke, entgegen<br />
aller Ungeduld von Medien und<br />
fachwissenschaftlichem Stimmgewirr,<br />
die europäischen Regierungen tun genau<br />
dies. Allen Ablenkungsmanövern<br />
der USA zum Trotz.<br />
Ob es klug war, den Euro zu schaffen;<br />
ob es dann klug war, ihn für so unterschiedliche<br />
Staaten zugänglich zu machen;<br />
ob man die Eintrittsunterlagen<br />
einzelner Euro-Staaten (etwa Griechenland)<br />
hätte besser prüfen müssen: Das alles<br />
mag man heute anders beurteilen.<br />
Aber, wie es im Englischen so schön<br />
heißt, das ist »spilled milk«, vergossene<br />
Milch. Was passiert ist, ist passiert – doch<br />
was tun wir jetzt?<br />
Die Politik der europäischen Regierungen<br />
ist offenbar darauf gerichtet,<br />
Griechenland über einen Zeitraum zu<br />
helfen, bis Portugal, Spanien und Italien<br />
ihrerseits glaubwürdige Reformen umsetzen<br />
können. Niemand glaubt, Griechenland<br />
werde den Schuldenschnitt<br />
ganz vermeiden können.<br />
Diese Strategie baut allerdings auf der<br />
Hoffnung, dass es den Regierungen gelingen<br />
wird, Wähler und Parlamente<br />
dauerhaft von schmerzhaften Sparprogrammen<br />
zu überzeugen. Die Reaktionen<br />
der griechischen Wähler erregen allerdings<br />
daran ernste Zweifel.<br />
Der heute wohl beste Kenner großer<br />
Wirtschaftskrisen in der Geschichte,<br />
Prof. Kenneth Rogoff (Harvard), meint,<br />
dass gerade jetzt die Weltwirtschaft<br />
mehr Konjunkturspritzen brauche und<br />
hierfür 2012 auch politisch ein günstiges<br />
Klima herrschen sollte: Überall stehen<br />
Wahlen an, und die Politiker seien dann<br />
geneigt, großzügig Geld zu verteilen. Allerdings,<br />
so Rogoff, diesmal gebe es kein<br />
Geld mehr, weil als Folge der bisherigen<br />
Rettungsmaßnahmen faktisch alle Staaten<br />
überschuldet seien. Sparpolitik stehe<br />
daher auf der Tagesordnung, aber die<br />
Notwendigkeiten der Weltwirtschaft<br />
seien Konjunkturspritzen.<br />
Wir sind in der Zwickmühle: die Weltwirtschaft<br />
braucht Konjunkturspritzen,<br />
doch auch starke Staaten wie Deutschland<br />
stoßen an die Grenzen ihrer finanzwirtschaftlichen<br />
Leistungskraft. 80 Prozent<br />
Staatsverschuldung an der gesamtwirtschaftlichen<br />
Leistung (BIP) heute in<br />
Deutschland sind bereits um ein Drittel<br />
ZUR SACHE<br />
Betrachtung<br />
zur wirtschaftlichen Lage<br />
Von Dr. Klaus von Dohnanyi<br />
mehr, als die Euro-Verträge (Maastricht-<br />
Regeln: 60 Prozent) eigentlich erlauben.<br />
Und nun?<br />
Ich denke, dass die Bundesregierung<br />
in Brüssel für Griechenland einen vernünftigen<br />
Kurs verfolgt: Konsequentes<br />
Sparen in Europa verbunden mit einem<br />
großen Rettungsschirm; und – im Rahmen<br />
einer griechischen Konsolidierung<br />
– sogar ein Hilfsprogramm für Griechenland,<br />
einen »Marshall-Plan«.<br />
Auch wird seit langem an den technischen<br />
Voraussetzungen einer geordneten<br />
Staatsinsolvenz innerhalb der Eurozone<br />
gearbeitet. In beiden Fällen ist zu bedenken:<br />
Eine gerechte Beteiligung der privaten<br />
Gläubiger. Die ja an den Zinsen der<br />
Staatspapiere gut verdient hatten – die<br />
jedoch nicht abgeschreckt werden dürfen,<br />
weiter Staatspapiere anderer Euro-<br />
Staaten zu kaufen. Eine Gratwanderung.<br />
Es verlangt ein hohes Maß politischen<br />
Geschicks, diese Ziele miteinander zu<br />
verbinden: Den Druck zu schmerzhaften<br />
Reformen in den Euro-Staaten (in allen,<br />
auch Deutschland!) aufrechtzuerhalten;<br />
und dennoch »griechische Verhältnisse«<br />
in Form von Streiks und Demonstrationen<br />
möglichst zu vermeiden; und gleichzeitig<br />
Wachstum zu generieren. Das ist<br />
wiederum eine Gratwanderung.<br />
In so einer Lage ist die Versuchung<br />
groß, <strong>sich</strong> gegen lästige Konkurrenz abzuschirmen,<br />
den Wettbewerbsvorteilen<br />
anderer Staaten den protektionistischen<br />
Riegel vorzuschieben. Aber, zerbirst dieser<br />
»Schutz« eines Tages, wäre der Rückschlag<br />
noch schmerzhafter. Siehe DDR.<br />
Es kann auch helfen, <strong>sich</strong> bei anderen<br />
umzusehen. Länder wie die Schweiz haben<br />
es bei ähnlicher Ausgangslage (hohe<br />
Exportabhängigkeit, hohe Löhne) noch<br />
besser geschafft. Mit einer langjährigen<br />
Schuldenbremse hatte die Schweiz 2010<br />
sogar einen Haushaltsüberschuss und<br />
eine »Schuldenreserve« von rund 13 Milliarden<br />
Franken erwirtschaftet! Eine<br />
»Schuldenbremse«, wie Deutschland dies<br />
für alle Euro-Staaten verlangt, ist deswegen<br />
auch wichtig für die langfristige Gesundung<br />
der Euro-Staaten.<br />
Aber sie hilft nicht jetzt. Was tun?<br />
Wenn ich die große Mehrzahl der internationalen<br />
Ökonomen richtig verstehe,<br />
dann warnen sie nicht vor Inflation<br />
(schnell steigende Preise), sondern eher<br />
vor einer Deflation (Stagnation bei sehr<br />
niedrigem Preisniveau, wie seit mehr als<br />
zehn Jahren in Japan). Ich teile daher<br />
ihre Überzeugung, dass wir die EZB unterstützen<br />
sollten, Staatsanleihen hoch<br />
verschuldeter Staaten zu kaufen, um deren<br />
Zinslast zu mindern (die EBZ kauft<br />
die Anleihen, muss aber die Zinsen nicht<br />
eintreiben!). Es haftet für diese Summen<br />
kein Staat, kein Steuerzahler, denn die<br />
EZB bezahlt die Staatsanleihen mit Geld,<br />
das sie selbst »schöpft« – oder »druckt«.<br />
Also »Gelddrucken«? Ja. Heute macht<br />
die EZB das aber am Rande ihrer Zuständigkeiten;<br />
amerikanische und britische<br />
Notenbanken dürfen es. Allerdings darf<br />
dieses »Gelddrucken« keine Inflationsgefahr<br />
verursachen. Und bisher, so steht es<br />
im September-Bericht der EZB, hat die<br />
EZB diese neu geschaffene Liquidität an<br />
anderer Stelle wieder durch Geldentzug<br />
ausgeglichen; »abgeschöpft«.<br />
Im Gesamtkonzept der Bundesregierung<br />
fehlt nach meiner Meinung dieser<br />
entscheidende Baustein. Er sollte jetzt<br />
durchdacht und systemkonform genutzt<br />
werden. In einer aufgeklärten Gesellschaft<br />
sollte Vernunft herrschen und<br />
kein Tabu.<br />
&<br />
50 WIRTSCHAFT & MARKT 11/11
SCHIRMHERRSCHAFT:<br />
Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten<br />
des Landes Brandenburg,<br />
Ralf Christoffers<br />
Ministerin für Wissenschaft, Forschung und<br />
Kultur des Landes Brandenburg, Prof. Dr.-<br />
Ing. Dr. Sabine Kunst<br />
www.art-brandenburg.de<br />
Gefördert mit Mitteln des<br />
Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten<br />
und des Ministeriums für Wissenschaft,<br />
Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.<br />
Gefördert mit Mitteln des<br />
Landkreises Dahme-Spreewald<br />
Gefördert mit Mitteln des<br />
Landkreises Potsdam-Mittelmark<br />
VERANSTALTER<br />
METROPOLISHALLE<br />
P O T S D A M<br />
Brandenburgischer Verband<br />
Bildender Künstlerinnen und<br />
Künstler e. V.<br />
MEDIENPARTNER