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Ausgabe lesen - rheinkiesel

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Siebengebirge<br />

So sehen Helden aus:<br />

Ferdinand Wilhelm Franz<br />

Bolstern von Boltenstern<br />

ßische Hauptmann Bock inne.<br />

Doch der 40jährige Genger war es,<br />

der sich in der Region auskannte.<br />

Warum gerade der Steinhauer<br />

Genger so gute Ortskenntnisse be -<br />

saß, warum er ein so guter Schütze<br />

war, bleibt offen. Schließlich wa -<br />

ren Männer in diesem Kom man -<br />

do, die ausgebildete Jäger waren,<br />

wie beispielsweise der Hon nefer<br />

Konrad Hammelrath. Lag es vielleicht<br />

daran, daß Gen ger diese<br />

Fahrt schon häufiger unternommen<br />

hatte – weniger aus patriotischen<br />

Gründen, sondern vielmehr<br />

aus ökonomischen? Der einzige<br />

Wirtschaftszweig, der florierte,<br />

seitdem man den Rhein zur<br />

Zollgrenze gemacht hatte, war –<br />

Schleichhandel. Gengers Hof<br />

hatte immerhin direkten Zugang<br />

zum Rhein. Und so mancher<br />

schlecht bezahlte französische<br />

Zöllner auf der linken Rheinseite<br />

drückte in diesen Zeiten gegen<br />

„Fraternisierungsgeschenke“ beide<br />

Augen zu. Wenn er nicht sogar selber<br />

„Konterbande“ lieferte.<br />

Ermutigender<br />

Beginn …<br />

Nun aber war Genger in preußisch-königlichem<br />

Auftrag unterwegs.<br />

Als die Boote Nonnenwerth<br />

erreichten und die Männer die<br />

Insel stürmten, war der französische<br />

Zöllner, der auf der Insel<br />

Dienst tat, schnell verjagt. Doch<br />

was so leicht begann, nahm ein<br />

tragisches Ende. Was genau ge -<br />

schah, läßt sich heute nicht mehr<br />

rekonstruieren. Ein Schußwechsel<br />

fand statt zwischen den Garde -<br />

jägern und Landstürmern auf<br />

Nonnenwerth und den französischen<br />

Soldaten auf der Rolands -<br />

werther Seite. Einer der preußischen<br />

Gardejäger wurde schwer<br />

ver letzt. Auch Genger traf eine<br />

Kugel. Schnell wurde klar, daß die<br />

Männer ihre Stellung nicht länger<br />

würden halten können. Haupt -<br />

mann Bock gab Befehl zum Rück -<br />

zug. Die Verletzten mußten zu -<br />

rückgebracht und versorgt werden.<br />

Knappe zwei Stunden dauerte<br />

das Gefecht auf Nonnenwerth.<br />

Während am Siebengebirge die<br />

Verletzten mit dem Tode rangen,<br />

fand 50 Kilometer rheinabwärts<br />

ein weiterer Rheinübergang statt,<br />

von dem die Operation auf Non -<br />

nenwerth ablenken sollte. Denn<br />

dies war der wirkliche Zweck der<br />

Aktion – ein Scheinangriff. In<br />

Mülheim war der 28-jährige Ma -<br />

jor Boltenstern, der schon im<br />

Dezember in Königswinter den<br />

„Freywilligen Landsturm vom<br />

Siebengebirge“ organisiert hatte,<br />

am selben Tag über den Rhein<br />

gegangen. Und das nicht nur, weil<br />

die Kölner vom rechten Ufer aus<br />

riefen, man möchte „doch einmal<br />

herüberkommen, die Franzosen liefen<br />

gewiß gleich davon“, so ein Augen -<br />

zeuge. Auch hier schien das Glück<br />

den Soldaten zunächst hold und<br />

verleitete Boltenstern, sich mit seiner<br />

kleinen Truppe bis zur Eigel -<br />

steintorburg vorzuwagen. Dort<br />

wurde er jedoch von der übermächtigen<br />

französischen Besat -<br />

zung Kölns zurückgedrängt. Die<br />

Truppe, die zum größten Teil aus<br />

Zu den Ereignissen im Winter<br />

1813/1814 zeigt das Sieben ge -<br />

birgs museum Königswinter<br />

die Aus stellung „Kampf um<br />

den Rhein – Der Landsturm<br />

vom Sieben ge birge und das Ende<br />

Napoleons.“ Einzelheiten<br />

dazu finden Sie in unserem<br />

Veranstaltungskalender.<br />

unerfahrenen Rekruten bestand,<br />

erfaßte daraufhin Panik. Sie stürzten<br />

alle gleichzeitig in die Boote,<br />

um auf das rechte Rheinufer zu -<br />

rückzukehren. Zwei der überfüllten<br />

Nachen sanken. Boltenstern<br />

selber hielt bis zum Schluß die<br />

Stellung und wurde beim Versuch,<br />

den Rhein auf seinem Pferd<br />

schwimmend zu durchqueren,<br />

von einer Kugel getroffen. Seine<br />

Leiche wurde nie gefunden.<br />

… und tragisches<br />

Ende<br />

Am 7. Januar erlag auch Genger<br />

seinen Verletzungen. Vergeblich<br />

setzten sich seine Landsturm ka -<br />

meraden beim preußischen Gene -<br />

ralgouvernement für eine Pension<br />

ein, die der Witwe zugute kommen<br />

sollte. Erst sehr viel später<br />

erhielt die Familie vom preußischen<br />

Staat eine Entschädigung.<br />

Für ein Jahr wurde ihnen die<br />

Hofpacht erlassen und der Pacht -<br />

vertrag auf 24 Jahre verlängert.<br />

Dem „hochherzigen“ Genger und<br />

dem „tapferen“ Boltenstern wurde<br />

im Oktober 1814 das erste Land -<br />

sturmdenkmal auf dem Drachen -<br />

fels gewidmet. Im 20. Jahrhundert<br />

wurden in Königswinter eine Stra ße<br />

und ein Platz nach ihnen benannt.<br />

Doch wer kennt heute noch die<br />

tragische Geschichte dahinter? •<br />

Ursula Gilbert<br />

Januar 2014 15

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