i Sozialhilfe zwischen Bedürfnissen und Bedarf - AvenirSocial
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Der Unterschied liegt auf einen kurzen Nenner gebracht darin, dass ein Bedürfnis<br />
bzw. Bedürfnisse (organismische) Werte (also: angestrebte Zustände) <strong>und</strong> ein <strong>Bedarf</strong><br />
bzw. <strong>Bedarf</strong>e (gesellschaftliche) Normen (also: von sozialen Akteuren akzeptierte Vorstellungen<br />
über Regelungen innerhalb einer Gesellschaft) sind:<br />
Ein ‚<strong>Bedarf</strong>‘ definiert die wünschbaren oder benötigten Mittel (extern Ressourcen),<br />
um durch deren Gebrauch etwas zu realisieren. Der <strong>Bedarf</strong> beispielswiese in der <strong>Sozialhilfe</strong><br />
wird einerseits durch das Gesetz, die SKOS‐Richtlinien <strong>und</strong> durch den Ermessensspielraum<br />
der zuständigen Behörde festgelegt; Sozialarbeiter/innen nehmen<br />
durch ihre Darlegung der Gesamtsituation auf die entsprechenden Beschlüsse Einfluss.<br />
Die in Behörden mitwirkenden Akteure entscheiden mit Blick auf die normativen<br />
Vorgaben <strong>und</strong> die durch die Soziale Arbeit berichteten Daten rational. Auf diese<br />
Weise können die zugesprochenen <strong>Bedarf</strong>e von den SKOS‐Richtlinien (eine übergeordnete<br />
Definition von <strong>Bedarf</strong>en) einmal nach oben <strong>und</strong> dann wieder nach unten abweichen.<br />
Mit der Definition von <strong>Bedarf</strong>en wird in erster Linie also eine Frage der Organisation<br />
gelöst, hauptsächlich das der Verteilung von begehrenswerten Gütern.<br />
Wenn wir in der Sozialen Arbeit mit ‚<strong>Bedürfnissen</strong>‘ argumentieren, beziehen wir uns<br />
nicht auf explizite Normen, sondern auf organismische (Soll‐) Werte: Unser Organismus<br />
will im Gleichgewicht sein <strong>und</strong> bleiben <strong>und</strong> – er will sich ges<strong>und</strong> fühlen <strong>und</strong> wohl<br />
befinden – er will überleben <strong>und</strong> leben. Deshalb ist er zwingend auf denjenigen <strong>Bedarf</strong><br />
angewiesen, der ihm die Bedürfnisbefriedigung erlaubt. Weichen die (Soll‐) Werte<br />
des menschlichen Organismus dauerhaft ab, entstehen Bedürfnisspannungen. Der<br />
Organismus reagiert dann in Form von einfachen unbewussten Regulationen bis hin<br />
zu bewusst gesteuertem Handeln. Durch Handlungen kann der Organismus die (Soll‐)<br />
Werte wieder erreichen <strong>und</strong> damit den Zustand des Wohlbefindens, oder nochmals<br />
anders formuliert: den Zustand der Abwesenheit von Bedürfnisspannungen.<br />
Bedürfnisspannungen haben also zwingend Aktivitäten unseres Organismus zur Folge.<br />
Werden Bedürfnisspannungen nicht abgebaut oder können sie nicht abgebaut<br />
werden, reagiert der menschliche Organismus immer heftiger, systemisch betrachtet<br />
sucht er nach dem Gleichgewicht, bis er es gef<strong>und</strong>en hat. Tritt dieses über kürzere<br />
oder längere Zeit nicht ein, erleidet er sozialen, psychischen <strong>und</strong> zuletzt physischen<br />
Schaden, unter Umständen mit finalen Folgen, falls die Bedürfnisse dauerhaft nicht<br />
befriedigt werden.<br />
Das Verhältnis <strong>zwischen</strong> <strong>Bedürfnissen</strong> <strong>und</strong> <strong>Bedarf</strong> lässt sich nun klarer fassen:<br />
Bedürfnisse sind ausschliesslich Eigenschaften von biopsychischen Organismen, –<br />
nur Individuen haben Bedürfnisse. Uns interessieren hier die Bedürfnisse von<br />
menschlichen Individuen.<br />
Zugestandene <strong>Bedarf</strong>e hingegen sind Artefakte von (Akteuren von) Organisationen,<br />
die – im besten Fall – biopsychosoziale Bedürfnisse zu befriedigen im Stande<br />
sind. Uns interessieren hier vor allem die von Organisationen des Sozialwesens<br />
definierten <strong>Bedarf</strong>e.<br />
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