i Sozialhilfe zwischen Bedürfnissen und Bedarf - AvenirSocial
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Ein häufiges Vorurteil sei in diesem Zusammenhang noch kurz angesprochen: Ein <strong>Bedarf</strong>,<br />
also ein von Akteuren definiertes Gut, kann keine Bedürfnisse wecken, denn Bedürfnisse<br />
sind immer schon da – oder es sind keine.<br />
Ein definierter oder proklamierter <strong>Bedarf</strong> kann hingegen Wünsche wecken. Solche<br />
entstehen, ändern sich <strong>und</strong> vergehen wieder – je nach strukturellen <strong>und</strong> kulturellen<br />
Bedingungen in einer Gesellschaft. Deshalb können Wünsche vom Standpunkt der<br />
Sozialen Arbeit aus gesehen auch legitim oder nicht legitim sein. Menschliche Bedürfnisse<br />
hingegen sind immer legitim.<br />
Die Erfüllung von Wünschen – <strong>und</strong> das ist oft auch ein Trugschluss der Klient/innen<br />
der Sozialen Arbeit – ersetzt jedoch nie die Befriedigung von <strong>Bedürfnissen</strong> im Sinne<br />
organismischer (Soll‐)Werte.<br />
Menschen sind durch biologische, (bio)psychische <strong>und</strong> (biopsycho)soziale Bedürfnisse<br />
motiviert, zu versuchen, diese mittels Entscheidungen <strong>und</strong> Handlungen zu befriedigen.<br />
Um welche Bedürfnisse geht es?<br />
- Zu den biologischen <strong>Bedürfnissen</strong> gehören physische Integrität, Selbstreproduktion,<br />
Regenerierung, sexuelle Aktivität <strong>und</strong> Fortpflanzung.<br />
- Zu den psychischen <strong>Bedürfnissen</strong> gehören sensorische Stimulation, Ästhetik bzw.<br />
ästhetisches Erleben, Abwechslung, Informationen zur Orientierung, Sinn, Gewissheit,<br />
Ziele <strong>und</strong> Hoffnung auf Erfüllung, Regeln <strong>und</strong> Normen.<br />
- Zu den sozialen <strong>Bedürfnissen</strong> gehören bindende Beziehungen, emotionale Zuwendung,<br />
spontanes Helfen, soziale Zugehörigkeit, Teilnahme, Unverwechselbarkeit,<br />
relative Autonomie, soziale Anerkennung, Austauschgerechtigkeit, Fairness,<br />
Kooperation<br />
(Obrecht, 2006:440, Fussnoten 7‐9).<br />
Aufzeigen sollten wir auch das Folgende: Bedürfnisse sind bezüglich der Notwendigkeit<br />
ihrer Befriedigung unterschiedlich elastisch. Das heisst, der Zeitraum bis zur Bedürfnisbefriedigung<br />
kann je nach Bedürfnis unterschiedlich lange hinausgezögert<br />
werden. So kann die Befriedigung des Bedürfnisses, das wir ‚Hunger‘ nennen, nicht<br />
beliebig lange aufgeschoben werden, ohne das biologische Leben zu gefährden, während<br />
die Befriedigung z.B. des sozialen Bedürfnisses nach ‚Austauschgerechtigkeit‘<br />
unter Umständen jahrzehntelang aufgeschoben werden kann. Denken wir etwa an<br />
den über Generationen verlaufenden Austausch <strong>zwischen</strong> Müttern/Vätern einerseits<br />
<strong>und</strong> ihren Kindern andererseits, ohne den das soziale, das psychische <strong>und</strong> letztlich<br />
biologische Leben gefährdet wäre. Gr<strong>und</strong>sätzlich aber drängt der Organismus zur Befriedigung<br />
aller Bedürfnisklassen, denn auch Spannungen aufgr<strong>und</strong> eher elastischer<br />
Bedürfnisse wirken sich nach längerer Zeit ihrer Nichtbefriedigung negativ aus.<br />
Die Bedürfnisbefriedigung <strong>und</strong> die Funktion sozialer Systeme<br />
Damit die Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen können, sind sie auf ihre soziale<br />
Umwelt angewiesen. Diese soziale Umwelt besteht aus anderen Menschen <strong>und</strong> den<br />
mit <strong>und</strong> <strong>zwischen</strong> ihnen hergestellten Interaktions‐, Kommunikations‐ <strong>und</strong> Kooperati‐<br />
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