Volltext - Staatsbibliothek zu Berlin
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BIbliotheks<br />
m agazin<br />
Hannes Gaab (Signatur 50 MB 6612 :<br />
KD) skizziert Chloë als antike Tragödin,<br />
die wie ihr eigenes Denkmal auf<br />
dem Textsockel steht.<br />
Die Codex, eine 1953 von Georg Trump<br />
entworfene Schrift, ahmt den Duktus einer<br />
handgeschriebenen Antiqua nach. Die ausschließliche<br />
Verwendung ihrer Versalien,<br />
eine Selektion, die römischer nicht sein<br />
kann, stellt einen unmittelbaren Rückgriff<br />
auf die antike Vorlage dar. Umso deut-<br />
licher der Kontrast: diese Schrift<br />
meißelt sich nicht in den Stein.<br />
Ihre Anmutung, ihre Leichtigkeit<br />
möchten griechisch, nicht römisch<br />
sein. Treffen wir hier auf<br />
einen zweiten deutschen Versuch,<br />
der griechischen Schrift<br />
einen eigenständigen Ausdruck<br />
<strong>zu</strong> geben, der sie von römischer<br />
Dominanz befreit? Auch die<br />
asiatisch wirkende Flüchtigkeit<br />
der getuschten, fast kalligraphischen<br />
Zeichnung ist völlig frei<br />
von jedem als historisierend<br />
empfundenen Anklang an klassizistische<br />
Monumentalität. Der<br />
Mainzer Graphiker Hannes<br />
Gaab (1908–1988) illustrierte<br />
diesen in der Eggebrecht-Presse<br />
erschienenen Druck (Mainz<br />
1958, Signatur 50 MB 6612 :<br />
KD).<br />
Es konnte hier nur angedeutet<br />
werden, in einem wie hohen<br />
Maße die Gestalt eines Buches<br />
Teil seiner Rezeptionsgeschichte<br />
ist. Die Erfahrungen der täglichen<br />
Arbeit zeigen, wie groß oft<br />
die Überraschung und auch die<br />
Freude darüber ist, an einer<br />
nicht vermuteten Stelle auf eine<br />
Formensprache <strong>zu</strong> treffen, die<br />
vielen in ihrer Komplexität nicht<br />
bewusst ist.<br />
Vor dem Hintergrund einer wachsenden<br />
digitalen Welt bleibt die Erhaltung der originalen<br />
gedruckten Quellen und ihre<br />
lebendige Vermittlung, die sich nicht allein<br />
auf die Vermittlung des Textes beschränken<br />
kann, unverzichtbar.