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Volltext - Staatsbibliothek zu Berlin

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34<br />

BIbliotheks<br />

m agazin<br />

B. Furtmeyr: Baum des Todes und<br />

des Lebens, BSB, Salzburger Missale<br />

Clm 15710, fol. 60 v<br />

(Bilder: Quaternio Verlag München/BSB)<br />

Früchten und Tieren in die Phantastik seiner<br />

frei erfundenen Rankenornamente<br />

<strong>zu</strong>rückverwandelt. Es wäre für Furtmeyr<br />

nicht schwer gewesen, seine Initialen und<br />

Ranken <strong>zu</strong> illusionistischen Trompe-l’oeils<br />

aus<strong>zu</strong>bauen. Es scheint aber seine<br />

bewusste künstlerische Entscheidung<br />

gewesen <strong>zu</strong> sein, an der ornamentalen<br />

Rückbindung seiner Gestaltung an die Fläche<br />

des Papiers fest<strong>zu</strong>halten. Ähnliches ist<br />

in seiner Deutung der Bildrahmungen <strong>zu</strong><br />

beobachten: Hatte Furtmeyr in seinem<br />

Frühwerk die Bildszenen noch außerhalb<br />

des Schriftspiegels gewissermaßen als<br />

„Zutat <strong>zu</strong>m Text“ angeordnet, sind die<br />

Miniaturen später konsequent mit dem<br />

Schriftspiegel verzahnt. Im Salzburger Missale<br />

schließlich hat Furtmeyr dann weiterführend<br />

die Geometrie des Bildfeldes als<br />

tektonisches Bildgefüge ausgebaut und<br />

damit einen wichtigen Schritt auf dem Weg<br />

<strong>zu</strong>r geometrisch-perspektivischen Systematisierung<br />

des Bildraums und <strong>zu</strong>m Bildbegriff<br />

der Renaissance <strong>zu</strong>rückgelegt. Er<br />

steigert nicht nur die Zahl der ganzseitigen<br />

Miniaturen, sondern auch die absolute<br />

Größe der Bildfelder. Mit über 40 ganzseitigen<br />

Miniaturen im Folio-Format steht<br />

Furtmeyr in der Geschichte der Buchmalerei<br />

beispiellos da. Zugleich manifestiert<br />

sich hierin ein künstlerischer Wettbewerb,<br />

den er als Buchmaler mit der Tafelmalerei<br />

austrug. Virtuos verschränkte er die verschiedenen<br />

„Bildsysteme“ Miniatur, Bordüre,<br />

Initiale und Text miteinander. Mit<br />

leichter Hand entwirft er in mehreren hundert<br />

Miniaturen gleichzeitig ein nahe<strong>zu</strong> universelles<br />

Spektrum der Bilder der visuellen<br />

und geistigen Kultur seiner Zeit: Glaubensbilder,<br />

Traumbilder, Sternbilder, Körperbilder,<br />

Erotik und Sexualität, Landschafts-,<br />

Natur-, Weltbilder, Schreckens- und Gewaltbilder,<br />

Bilder der Alltagswelt.<br />

Die Sehnsucht der Stilgeschichte nach<br />

einem klaren entwicklungsgeschichtlichen,<br />

vielleicht sogar teleologisch ausgerichteten<br />

Verlauf der Geschichte der Kunst ist selten<br />

so enttäuscht – mit Blick auf die Sehnsucht<br />

nach volkstümelnden, nationalen Identitätsmustern<br />

gelegentlich sogar „gedemütigt“ –<br />

worden, wie in der „deutschen“ Kunstgeschichte<br />

des 15. Jahrhunderts: All<strong>zu</strong> vielgliedrig<br />

und uneinheitlich erscheinen die

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