Volltext - Staatsbibliothek zu Berlin
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BIbliotheks<br />
m agazin<br />
Dr. Reiner Nägele<br />
ist Leiter der Musikabteilung der<br />
Bayerischen <strong>Staatsbibliothek</strong><br />
DAS SCHWELLEN UND STERBEN DER TÖNE<br />
Die Musikabteilung der Bayerischen <strong>Staatsbibliothek</strong> präsentiert<br />
Abbé Voglers Reiseklavier<br />
Zu seinem 61. Geburtstag, am 15. Juni<br />
1810, dichtete Carl Maria von Weber eine<br />
Kantate mit dem Titel Trias Harmonica. Die<br />
Musik komponierten der eher unbekannte<br />
Johann Gänsbacher und Giacomo Meyerbeer,<br />
der in späteren Jahren als Komponist<br />
der Grand Opéra Musikgeschichte schreiben<br />
sollte. Im Text nennen ihn seine drei<br />
Schüler liebevoll spöttisch „Papa“ und<br />
„Großpapa“, was ihm allerdings nicht so<br />
gefiel, war er doch ein in Rom geweihter<br />
Priester, wenn auch nur ein Weltgeistlicher<br />
von niederem Rang. Wolfgang Amadeus<br />
Mozart mochte ihn nicht, nannte ihn in seinen<br />
Briefen an den Vater einen „musikalischen<br />
Spaßmacher, einen Menschen, der<br />
sich recht viel einbildet und nicht viel kann“<br />
(4. November 1777). Neun Tage später<br />
schimpft er ihn einen „Narren, der sich<br />
einbildet, dass nichts Besseres und Vollkommeneres<br />
sei als er, das ganze Orchester<br />
von oben bis unten mag ihn nicht“.<br />
Unbestritten: Mozart war neidisch, hatte<br />
der von ihm Verleumdete doch eine Vize-<br />
Kapellmeisterstelle in Mannheim inne, die<br />
er selbst gerne gehabt hätte.<br />
Mit Ludwig van Beethoven stritt er sich als<br />
Klaviervirtuose und hatte Erfolg bei den<br />
Zuhörern. Allerdings wurde er bei besagter<br />
Wettbewerbs-Soirée wieder mal ein<br />
Opfer seiner Eitelkeit, setzte er sich doch,<br />
obwohl er den Publikumspreis bereits ge-<br />
wonnen hatte, nach Beethovens weniger<br />
überzeugendem Spiel nochmals ans Klavier,<br />
um den späteren Titanen ein zweites<br />
Mal <strong>zu</strong> düpieren. So macht man sich keine<br />
Freunde, was ihn allerdings nicht anfocht:<br />
„Wer keine Feinde hat, an dem ist auch<br />
nichts“ galt ihm als Lebensmotto.<br />
Dass es Georg Joseph Vogler (1749 bis<br />
1814), genannt Abbé Vogler, nicht an<br />
Selbstbewusstsein, mitunter auch Selbstüberschät<strong>zu</strong>ng<br />
mangelte, ist überliefert<br />
und brachte ihn nicht nur einmal in seinem<br />
bewegten und reisefreudigen Leben in persönliche<br />
Schwierigkeiten.<br />
Er war ein universeller Künstler und Kulturschaffender<br />
von beeindruckender Kreativität,<br />
Gründer der „Mannheimer Tonschule“,<br />
Vorbild aller später gegründeten<br />
Konservatorien und Musikschulen. Er war<br />
ein origineller Musiktheoretiker, vielseitiger<br />
und erfolgreicher Komponist, virtuoser<br />
Klavierspieler, Aufsehen erregender<br />
Improvisator auf seinem Orchestrion und<br />
begnadeter Musik- und Kompositionslehrer,<br />
dessen einflussreiche Lehren letztlich<br />
wohl erst das Musikdrama deutscher Prägung<br />
ermöglichten. Ihn somit als „Schlüsselfigur<br />
der Musikgeschichte“ <strong>zu</strong> sehen,<br />
wie in Musik in Geschichte und Gegenwart<br />
(1. Auflage, Bd. 13) nach<strong>zu</strong>lesen, dürfte<br />
nicht übertrieben sein.