Titel - Justament

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Nach dem Schock ist vor dem Schock: Auf dem Computerspiele-
Markt stehen derzeit alle Zeichen auf Erfurt. Die Beziehung zwischen
Jugendschützern und der „Gamer-Community“ bleibt
kompliziert.
Lorraine Haist
ls nach dem Amoklauf im Zimmer des
AErfurter Attentäters das Computerspiel
„Counterstrike“ gefunden wurde,
war vielen schnell klar, dass ihm dieses
Spiel wohl als eine Art Trainingslager für
die Tat gedient haben mußte. Das Spielszenario
des Ego-Shooters, bei dem zwei
bis an die Zähne bewaffnete Teams – die
einen als Terroristen, die anderen als Anti-
Obwohl diese „Screenshots“ aus den
Terror-Einheiten – gegeneinander kämpfen,
läßt diese Vermutung jedenfalls zu.
als gewaltverherrlichend kritisierten
Spielen eine deutliche Sprache sprechen,
heißt das noch nicht, dass sie
tionspiel in menschlichen Teams gespielt,
Andererseits wird das komplexe Ac-
auch die Gewaltbereitschaft ihrer
die sich irgendwo online am Computer
Spieler erhöhen. Juristisch gesprochen
fehlt es hier wohl an der „Zuretion
mit den anderen Mitspielern ist ge-
gegenübersitzen. Ständige Kommunikachenbarkeit“fragt,
denn ohne die Entwicklung einer
gemeinsamen Strategie ist auch bei
„Counterstrike“ am Ende kein Kampf gegen
den Terrorismus zu gewinnen. Gerne
Die Diskussion, ob inszenierte Bilder
treffen sich „Counterstrike“-Fans auch
der Gewalt zu weiterer Gewalt führen,
zum gemütlichen Beisammensein auf riesigen
Spieleparties, wo in den Pausen bei
ist wohl so alt wie die Bilder der Gewalt
selbst. Vor den Computerspielen
einem Kaltgetränk vermutlich auch mal
waren Videos oder noch früher Kinofilme
die „tieferen Ursachen“ für Ge-
andere Dinge zur Sprache kommen. Sollte
es sich also bei diesem und vielen ähnlich
walttaten. Hier sei an den heftigen
gearteten PC-Spielen doch nicht nur um
Streit in den siebziger Jahren über
stumpfes Geballer handeln, das einen jugendlichen
Computerspiel-Fanatiker durch
Stanley Kubricks Clockwork Orange
erinnert, dessen Gewaltszenen detailgetreu
in die Realität umgesetzt wur-
tägliches Exerzieren an virtuellen Waffen
früher oder später zum ganz realen Mörder
macht?
den. Und noch früher in der Geschichte
wurden die öffentlichen Hinrichtungsszenen
für die Grausamkeit der
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Schriften (BPjS) weist mit ihrer
Menschen verantwortlich gemacht.
im Mai dieses Jahres getroffenen Entscheidung
zumindest in diese Richtung.
Sie hat „Counterstrike“ gegen die Forderungen
einer breiten Öffentlichkeit nicht
indiziert und sich damit den Unmut von
Mit der Zeit haben sich also die Bilder
immer wieder verändert. Nur die
mann eingehandelt, die das Vorgehen
Bundesfamilienministerin Christine Berg-
Gewalt ist geblieben. Hierzu sei an
der BPjS als „nicht nachvollziehbar“ kritisierte.
die brillante Analyse von Michel Foucault
in „Überwachen und Strafen“
Mit dem Absegnen von „Counterstrike“
ist die BPjS zur allseitigen Verwun-
erinnert, die gerade für Juristen auch
heute noch lesenwert ist.
derung deutlich von ihrer bisherigen, im
Es ist wichtig, nach den tatsächlichen
Ursachen jugendlicher Gewalt
beralen Bewertungspraxis abgerückt. So
Bezug auf Computerspiele nicht eben li-
zu forschen. Zumal das hier in Frage
beriet das zwölfköpfige Gremium aus Vertretern
unterschiedlicher gesellschaftlicher
stehende Zensurverbot wohl eine der
grundlegendsten demokratischen
Gruppen auch erst über den Indizierungsantrag,
als es die Einschätzung praktizie-
Freiheiten schützt.
render „Counterstrike“-Fans gehört hatte.
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