Titel - Justament
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Editorial<br />
Traumberuf Medienanwalt<br />
uf die Frage, welche Art von Jurist oder Juri-<br />
man denn nun werden will, kommen<br />
Astin<br />
viele ins Stocken. Früher, in der Grundschule, war<br />
das alles einfach: Die Willensbildung erfolgte –<br />
zumindest was die Zukunft betraf – im Kollektiv:<br />
Die Mädchen wollten Tierärztin werden und bei<br />
den Jungs sollte es der Fußballprofi sein. Die<br />
Phantasie für die Praxis war farbig und konkret:<br />
Die einen wollten Lassie gesund pflegen und die<br />
anderen im Halbfinale gegen England den Elfmeter<br />
verwandeln.<br />
Und heute als Akademiker? Auch an den juristischen<br />
Fakultäten ist sich das Gros einig: Zumindest<br />
irgendwann einmal hat sich jeder überlegt,<br />
Medienanwalt zu werden. Die entsprechenden<br />
Veranstaltungen sind hoffnungslos<br />
überlaufen und wäre nicht das Wahlfach Urheberrecht<br />
als ausnehmend schwierig verrufen,<br />
gäbe es keinen anderen Abschluss mehr. So ist<br />
das bei jeder Ausbildung, je größer das Interesse<br />
daran, desto höher die gestellten Anforderungen.<br />
Und wieder gibt es konkrete und farbige Vorstellungen<br />
für die Praxis dieser Anwälte: Heute wollen<br />
die einen als gerissene Anwälte Graciano<br />
Rocchigiani „raushauen“ und die andern, diskret<br />
aber wirkungsvoll, das „geschätzte Alter“ von<br />
Stefanie von Monaco „richtig stellen“.<br />
Die Realität sieht anders aus. Kinderträume<br />
sind längst entzaubert: Von Tierärzten weiß man<br />
inzwischen, dass sie teures, mit Antibiotika angereichertes,<br />
semilegales Futtermittel in Schweinetröge<br />
schütten und deswegen selbst längst Vegetarier<br />
geworden sind, Vegetarier aus Vernunft<br />
und nicht aus Liebe zum Tier. Und dass schon in<br />
der Kreisliga kein Blumentopf mehr zu holen ist,<br />
wenn man sich mit sechzehn Jahren einen<br />
Außenbandriss zugezogen hat, ist auch nicht neu.<br />
Dass auch in Medienkanzleien die eine oder<br />
andere Desillusion auf uns wartet, wissen wir,<br />
seitdem klar ist, in welchem Punktebereich Anwälte<br />
in dieser Branche eingestellt werden –<br />
wenn überhaupt Jobs zu vergeben sind. Die<br />
Frage nach dem Traumberuf, oder nennen wir es<br />
einfach die Frage nach dem Berufswunsch, ist ein<br />
rein individuelles Problem. Und jetzt, kurz vor,<br />
kurz nach oder während der Referendarszeit wird<br />
sie noch mal richtig wichtig. Am Ende einer langen<br />
Ausbildung könnte man die letzten Weichen<br />
stellen. Danach gibt es wahrscheinlich dreißig<br />
Jahre lang nur noch eine Karriereleiter und die<br />
kennt nur ein Hoch oder Runter. Ein Rechts oder<br />
Links gibt es dann nicht mehr. Traumberufe ändern<br />
sich und verblassen. Die Altvordern haben<br />
es uns oft genug prophezeit: Irgendwann finden<br />
wir uns hinter einem beliebigen Schreibtisch zwischen<br />
Aktenbergen wieder und wundern uns, wie<br />
wir dahingekommen sind.<br />
Aber das muss nicht so sein. Der Rat, die<br />
Kindheitsträume nicht aus den Augen zu verlieren,<br />
ist da schon besser. Mit dem Älterwerden<br />
haben wir gelernt, dass das Gefühl des Torschützen<br />
sich nur wenig von dem Gefühl unterscheidet,<br />
das sich bei jedem außerordentlichen Erfolg<br />
einstellt. Es kommt uns eben nicht unbedingt<br />
darauf an, Lassie zu helfen, sondern wir wollen<br />
Verantwortung übernehmen.<br />
Und diejenigen, die sich nun mit einem gemurmelten<br />
Jetzt-erst-recht! in die Medienbranche<br />
stürzen wollen, weil ihnen<br />
der eine oder andere Traum<br />
wichtig ist, für diejenigen ist<br />
diese Ausgabe von justament<br />
gemacht. Viel Spaß beim Lesen.<br />
Jörg-Ulrich Weidhas<br />
Leitender Redakteur<br />
4<br />
justament drei 2002