Titel - Justament
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<strong>Titel</strong><br />
Eigenwillige Branche<br />
Ein Rechtsanwalt, der für die Medien tätig ist, in erster Linie ein Rechtsanwalt wie jeder<br />
andere auch. Das bedeutet: er sitzt am Schreibtisch, erstellt Schriftsätze und telephoniert.<br />
Erst in zweiter Linie werden die Besonderheiten der Branche relevant.<br />
Martin Franz<br />
Medienrecht und praktische<br />
Tätigkeit des Medienanwalts<br />
„Medienrecht“ ist kein Rechtsgebiet, dass<br />
sich über eine begrenzte Anzahl von Gesetzen<br />
definieren könnte wie etwa das Zivilprozessrecht,<br />
das sich im wesentlichen<br />
mit der ZPO beschäftigt. Unser Rechtsgebiet<br />
definiert sich über die Branchen, für<br />
die wir tätig werden, und die für deren<br />
Problemstellungen. Unsere Mandanten<br />
sind Unternehmen aus den Bereichen der<br />
Filmproduktion, des Filmverleihs, des öffentlichen<br />
und privaten Rundfunks, des<br />
Verlagswesens, der Telekommunikation,<br />
des Internets und der Softwareherstellung.<br />
Privatleute finden sich nur unter unseren<br />
Mandanten, wenn ein spezielles urheberoder<br />
medienrechtliches Problem vorliegt.<br />
Die Tätigkeiten dieser Branchen werden<br />
von ganz unterschiedlichen Vorschriften<br />
geregelt, die teilweise weitab von den<br />
Inhalten der Ausbildung an der Universität<br />
und im Referendariat liegen. So wird man<br />
noch relativ leicht darauf kommen, dass<br />
ein Filmproduktionsvertrag grundsätzlich<br />
aus einer Verbindung von Werkvertragsund<br />
Urheberrecht (BGB und UrhG) besteht.<br />
Ein Application Service Providing (ASP)-<br />
Vertrag bezüglich einer für Dritte zugänglichen<br />
Datenbank zur Buchung von Models<br />
wird sich in erster Linie mit Dienstvertrags-<br />
und Lizenzrecht befassen (ebenfalls<br />
BGB und UrhG). Aber man würde dem<br />
Mandanten einen Bärendienst erweisen,<br />
wenn man nur BGB und UrhG beachten<br />
würde, die allerdings gelegentlich kompliziert<br />
genug sein können.<br />
Filmfinanzierung<br />
Die Tätigkeit der gesamten Filmbranche ist<br />
durch den Kampf um Fördermittel geprägt.<br />
Statistisch gesehen kommt allein<br />
mit den Kassenerlösen kaum ein deutscher<br />
Film in die Gewinnzone. Daher wird einerseits<br />
das Risiko durch die Verteilung auf<br />
verschiedene Investoren gestreut. Zweitens<br />
versuchen die Beteiligten primär, über die<br />
Fördermittel das Risiko zu minimieren. Die<br />
Vergabe von Fördermitteln ist aber zwischen<br />
EU, Bund, Ländern und auch Privaten<br />
in zahlreichen Institutionen zersplittert,<br />
die Vorschriften für die einzelnen Förderungsarten<br />
sind außerordentlich kompliziert.<br />
Die einschlägigen Gesetze, Verordnung<br />
und Richtlinien (z. B. Filmförderungsrichtlinien<br />
des Beauftragten für die<br />
Angelegenheiten der Kultur und der Medien,<br />
Filmförderungsgesetz (FFG), die<br />
Richtlinien der Filmförderungsanstalt<br />
(FFA), die Richtlinien für die bayrische<br />
Film- und Fernsehförderung, die Förderungsrichtlinien<br />
der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen<br />
etc.) zielen primär auf die<br />
Subventionierung der Filmindustrie im jeweils<br />
eigenen Gebiet, so dass hier Konfliktstoff<br />
liegt. Der Medienanwalt muss sich<br />
klar sein, dass am Verhandlungstisch nicht<br />
nur Produzent, Koproduzenten und Filmverleiher<br />
sitzen, sondern indirekt auch<br />
sämtliche Filmförderungsinstitutionen, auf<br />
deren Belange Rücksicht zu nehmen ist. Es<br />
muss im Vertrag gegebenenfalls genau geregelt<br />
werden, wo welcher Beitrag zu dem<br />
Filmwerk erbracht wird. Der Standort des<br />
Kopierwerks und die Nationalität des dritten<br />
Kabelträgers können dabei genauso relevant<br />
werden wie der Ort der Premierenfeier.<br />
Rückflussplan<br />
Ebenso wichtig ist die Beteiligung an den<br />
Erlösen. Es muss ein sogenannter „Rückflussplan“<br />
erstellt werden, der deutlich<br />
macht, wer bei welcher Zuschauerzahl<br />
welchen Erlös erhält. Dabei wird praktisch<br />
nie einfach eine prozentuale Aufteilung<br />
gewählt, sondern nach verschiedenen<br />
„Rängen“ unterschieden. Bei mehr als drei<br />
Beteiligten wird der Rückflussplan so kompliziert,<br />
dass ohne Computerunterstützung<br />
nichts mehr geht. Der Rechtsanwalt<br />
wird hier schnell zum Excel-Spezialisten,<br />
denn der Rückflussplan ist das Herzstück<br />
der Vertragsverhandlungen. Zur weiteren<br />
Komplizierung sehen die Filmförderungsinstitutionen<br />
genaue Regelungen für die<br />
Maximalsätze der Erlösbeteiligung von<br />
privaten Investoren vor, damit sie selbst bei<br />
der Rückführung nicht leer ausgehen. Es<br />
bleibt meist nur der Ausweg, sich auf die<br />
wenigen bewährten Muster zu verlassen<br />
und ansonsten den direkten Kontakt mit<br />
den Förderinstitutionen zu suchen. Man<br />
muss dann teilweise zwischen acht<br />
und mehr Beteiligten eine Einigung herbeiführen.<br />
Zum Abschluss der Beschreibung<br />
des Rechtsgebiets stelle ich noch<br />
mein derzeitiges Lieblingsproblem aus<br />
dem Lizenzrecht zur Diskussion: Ein Filmrechtehändler<br />
verkauft an einen Filmverwerter<br />
bestimmte Rechte, liefert aber<br />
noch kein Material. Der Vertrag enthält<br />
für den Insolvenzfall eine Kündigungsklausel.<br />
Der Filmverwerter verkauft die<br />
Rechte weiter an ein Tochterunternehmen.<br />
Vor Lieferung des Materials meldet<br />
der Filmverwerter Insolvenz an (Parallelen<br />
in der Wirklichkeit sind rein zufällig). Der<br />
Filmverwerter hat nur eine Anzahlung geleistet,<br />
der Rest wird bei Lieferung des<br />
Materials fällig. Die Fragen sind nun: Ist<br />
die Insolvenzklausel gültig? Kann der<br />
Filmrechtehändler aus anderen Gründen<br />
kündigen und wenn ja, unter welchen<br />
Voraussetzungen? Fallen die Rechte bei<br />
Kündigung automatisch an den Filmrechtehändler<br />
zurück oder besteht nur eine<br />
Verpflichtung auf Rückübertragung? Und<br />
welche Auswirkungen bestünden jeweils<br />
für die Rechtsposition des Tochterunternehmens?<br />
Und schließlich: Behält am<br />
Ende der Filmrechthändler das Filmmaterial<br />
und der Filmverwerter die Filmrechte?<br />
Man sollte schon den Willen haben, sich<br />
10<br />
justament drei 2002<br />
Grafik: David Fuchs