Titel - Justament
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Ausbildung<br />
Standortbestimmung<br />
Die bundesdeutsche Juristenausbildung im europäischen Vergleich.<br />
Ein Gespräch mit Dr. Ranieri.<br />
ie deutsche Juristenausbildung ist im<br />
Deuropäischen Vergleich gar nicht so<br />
schlecht wie immer wieder behauptet<br />
wird.“ Professor Ranieri weiß wovon er<br />
spricht, er lehrt seit viel Jahren an verschiedenen<br />
europäischen Universitäten<br />
zum Beispiel in Saarbrücken oder in Strasbourg.<br />
Bereits in der JZ 1997, 801ff. und<br />
JZ 1998, 831ff. hat er sich zu diesem<br />
Thema geäußert. Ferner hat er Stellung<br />
genommen zum Entwurf des Gesetzes zur<br />
Reform der Juristenausbildung.<br />
Welche Kritik ist nun insbesondere im<br />
europäischen Vergleich berechtigt? Professor<br />
Ranieri hat hierzu Stellung genommen:<br />
Die deutsche Juristenausbildung, welche<br />
durch Staatsexamina abgeschlossen wird,<br />
ist in seiner bestehenden Form einzigartig.<br />
Das deutsche Modell hat praktisch die Universität<br />
aus der Juristenausbildung weitgehend<br />
verdrängt. Es fehlt nicht nur ein Universitätsabschlussexamen,<br />
sondern auch,<br />
dass Prüfungen und sonstige Leistungen<br />
während der Universitätskarriere keine Berücksichtigung<br />
bei der Bewertung des 1.<br />
Staatsexamens finden. Damit hat die Universität<br />
keine Möglichkeit, Einfluß auf die<br />
wissenschaftliche Prägung und Orientierung<br />
des Studiums zu nehmen und muss<br />
sich der Ausrichtung der Rechtsausbildung<br />
auf die fallbezogene Gutachtentechnik<br />
IEine staatliche Besoldung der Rechtspraktikanten<br />
existiert in keinem europäischen<br />
Land in einer vergleichbaren Form<br />
wie für das deutsche Referendariat.<br />
beugen. Professor Ranieri bedauert, dass<br />
die völlige Freiheit des deutschen Studenten<br />
häufig zu einem ineffizienten Studierverhalten<br />
verführt.<br />
In keinem anderen europäischen Land<br />
wird die Juristenausbildung ohne eine universitäre<br />
Prüfung abgeschlossen. Allerdings<br />
kann die Universitätsprüfung in<br />
manchen romanischen Ländern kein Vorbild<br />
sein. So ist in Frankreich, Italien und<br />
Spanien die beherrschende Stellung der<br />
Mündlichkeit im Unterricht und vor allem<br />
im Prüfungswesen problematisch. Ferner<br />
sind der abstrakte und theoretische Charakter<br />
der Lehre und die repetitiven Prüfungsanforderungen<br />
in den Universitätsexamina<br />
zu bemängeln. Schriftliche Aufnahmeprüfungen,<br />
die in Form von<br />
Rechtsgutachten zu verfassen sind, stellen<br />
die Bewerber häufig vor unüberwindbare<br />
Schwierigkeiten. Auch das Referendariat in<br />
ist seiner bestehenden Form einzigartig.<br />
Nur Österreich und Schweden haben eine<br />
ähnliche praktische<br />
Ausbildungsphase unter<br />
staatlicher Aufsicht. Jedoch<br />
hat in fast allen<br />
kontinentalen Ländern<br />
der junge Jurist heute<br />
nach dem Universitätsbesuch<br />
noch als Praktikant eine mehrjährige<br />
langwierige und intensive Beschäftigung<br />
mit der Berufspraxis zu absolvieren.<br />
Die staatliche Justizverwaltung und die<br />
Rechtsanwaltskammern organisieren und<br />
beaufsichtigen auch hier die praktische<br />
Ausbildungsphase.<br />
Staatliche Besoldung<br />
Eine staatliche Besoldung der Rechtspraktikanten<br />
existiert in keinem europäischen<br />
Land in einer vergleichbaren Form wie für<br />
das deutsche Referendariat. In den meisten<br />
kontinentalen Ländern ist diese praktische<br />
Ausbildungsphase der privaten und so<br />
auch der wirtschaftlichen Initiative der Betroffenen<br />
überlassen. Dies gilt vor allem<br />
für die Anwaltsprüfung. In Spanien scheint<br />
es sogar üblich zu sein, dass der frische<br />
Universitätsabsolvent, der sich eigentlich<br />
gleich als Anwalt niederlassen könnte,<br />
selbst ein Honorar zahlt, um in besonders<br />
guten Kanzleien auf die Praxis vorbereitet<br />
zu werden.<br />
Ist das Modell des deutschen Staatsexamens<br />
demnach nur ein Relikt eines vergangenen<br />
autoritären Staatsverständnisses?<br />
Professor Ranieri betont, dass ein realistischer<br />
Vergleich zeigt, dass das<br />
deutsche Staatsexamen funktional Entsprechungen<br />
in nahezu sämtlichen kontinentalen<br />
Ländern findet. Dies in der Form<br />
von unter staatlich Aufsicht durchgeführten<br />
Eignungsprüfungen für den Zugang<br />
zu einer bestimmten juristischen Profession.<br />
Allerdings sind diese Eignungsprüfungen<br />
je nach Berufsausgang, wie etwa<br />
Aufnahme in die Justiz, Verwaltung, Anwaltschaft<br />
oder in das Notariat, unterschiedlich<br />
strukturiert.<br />
In Italien gelten die „concorsi“ für die<br />
Aufnahme in die Justiz und vor allem diejenigen<br />
für die Aufnahme in das Notariat,<br />
als unüberwindbar. Dies beweisen die<br />
IDies könnte zur „Proletarisierung<br />
der Anwaltschaft“ führen, wie es<br />
bereits in anderen europäischen<br />
Ländern der Fall ist.<br />
hohen Durchfallquoten, die am Appellationsgericht<br />
Mailand heute zwischen 80<br />
und 90% liegen. Die Folge ist, daß ehemalige<br />
Richter private und sehr teure Vorbereitungsschulen<br />
für Prüfungskandidaten<br />
betreiben. Zu beachten<br />
ist dabei, daß<br />
sich deren Angebot<br />
kaum von den deutschen<br />
Repetitorien<br />
unterscheidet. Das<br />
differenzierte System<br />
von spezifischen Eingangs- und Fachprüfungen<br />
offenbart allerdings eine weitaus<br />
höhere professionelle Flexibilität. Die starre<br />
Einheitlichkeit des preußischen Modells<br />
des sogenannten „Volljuristen“ scheint<br />
somit in der Tat bei einem internationalen<br />
Vergleich den heutigen ausdifferenzierten<br />
Anforderungen der juristischen Fachqualifikationen<br />
nicht immer zu entsprechen.<br />
Die Kritik an dem hohen Alter in dem<br />
die deutschen Juristen ihre Ausbildung abschliessen,<br />
hält Prof. Ranieri hingegen für<br />
nicht überzeugend. Ein Altersvergleich mit<br />
den ausländischen Universitätsabsolventen<br />
ist irreführend. Vielmehr müssen die Kandidaten<br />
der deutschen Staatsexamina mit<br />
denen verglichen werden, welche die Eignungs-<br />
und Zulassungsprüfungen bestehen<br />
müssen. Im Ergebnis lägen kaum wesentliche<br />
Altersunterschiede vor.<br />
Die Reform der Juristenausbildung<br />
Die Reform der deutschen Juristenausbildung<br />
ist nach Professor Ranieris Ansicht<br />
erforderlich und begrüßenswert . Den wesentlichen<br />
Kern einer Studienreform sieht<br />
er jedoch in einer radikalen Befreiung der<br />
Fakultäten von den derzeitigen bürokratischen<br />
Regulierungen. Er fordert deren<br />
kompromisslose Entlassung in die Freiheit,<br />
um die eigenen Qualitäts- und Erfolgsansprüche<br />
selbst zu definieren.<br />
Als ein Schritt in diese Richtung kann<br />
der Beschluss des Verwaltungsausschusses<br />
der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen<br />
gesehen werden: vom Wintersemester<br />
an, sollen die Studienplätze im<br />
Fach Jura von den Hochschulen selbst vergeben<br />
werden und nicht mehr von der<br />
ZVS. Dies wird sicherlich die Konsequenz<br />
haben, dass einige Fakultäten einen lokalen<br />
Numerus Clausus einführen und dass<br />
so die übrigen Fakultäten einem verstärkten<br />
Wettbewerb ausgesetzt werden. „Mei-<br />
20<br />
justament drei 2002