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Titel - Justament

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<strong>Titel</strong><br />

Foto: Thomas Hintner<br />

Die „JuLis“ alias Titanic-Redaktion luden<br />

Klaus Schneider (FDP), 3.v.l.,<br />

zum Händeschütteln nach Eisenach.<br />

Was darf man montieren?<br />

Als Björn Engholm die Titanic verklagte,<br />

weil er auf dem <strong>Titel</strong> in die Barschel-Badewanne<br />

verlegt worden war, unterlag er<br />

zunächst. Als Reaktion auf seine Klage<br />

montierte die Titanic ihn im nächsten<br />

Heft in viele andere bekannte<br />

Fotos (aus dem<br />

Vietnamkrieg, der Zeit<br />

des Nationalsozialismus,<br />

etc.), womit ganz offensichtlich<br />

weder gemeint war, er sei ein<br />

Kriegsverbrecher noch ein Nazi, sondern<br />

nur die Frage problematisiert werden sollte,<br />

was man denn nun montieren darf und<br />

was nicht (Landgericht Hamburg, Urteil<br />

vom 26. Dezember 1993 – 324 O 511/93).<br />

Hierfür wurde die Titanic verurteilt, was<br />

Frau Rittig für eine klare Fehlentscheidung<br />

hält und ihrer Meinung nach auch<br />

mit dem Ansehen zusammenhing, das<br />

IMan muss sich frei machen von<br />

der Vorstellung, einem guten<br />

Menschen könne man solche<br />

Bilder nicht zumuten?<br />

Engholm in Hamburg genoss. Sie betont<br />

aber, dass sie nicht glaubt, dass Richter<br />

absichtlich zugunsten eines Politikers entscheiden,<br />

sondern nur, dass auch ein<br />

Richter sich möglicherweise nicht freimachen<br />

kann von der bewussten oder unbewussten<br />

Vorstellung,<br />

einem guten Menschen<br />

könne man<br />

solch schändliche Bilder<br />

nicht zumuten.<br />

Dieses Denken sei verständlich, juristisch<br />

aber völlig falsch. Die Arbeit für Titanic<br />

würde Frau Rittig allerdings kaum ernähren.<br />

Diese macht nur fünf bis zehn Prozent<br />

ihrer Arbeit aus. In der Frankfurter Bürogemeinschaft,<br />

der sie angehört, betätigt sie<br />

sich hauptsächlich als Strafverteidigerin<br />

und im Presserecht. Beneiden darf man sie<br />

trotzdem darum, dass sie sich auf beruflicher<br />

Ebene mit einem gesellschaftlichen<br />

Phänomen beschäftigt, dass die Lektüre<br />

der Titanic über das reine Amüsement hinaus<br />

faszinierend macht. Offensichtlich ist<br />

Deutschland in zwei Lager gespalten, die<br />

einander wie fremde Wesen gegenüber<br />

stehen: Die Titanic-Leser und die braven<br />

Bürger, die unter Satire höchstens noch die<br />

schnarchigen Plattitüden eines Dieter Hildebrandt<br />

verstehen. Verwiesen sei hier nur<br />

auf die wüsten Beschimpfungen, die sich<br />

die Titanic-Redaktion von Bild-Lesern<br />

nach dem Bestechungsskandal im Zuge<br />

der WM-Vergabe anhören musste, abrufbar<br />

unter www.titanic-magazin.de. Berührungspunkte<br />

zwischen diesen Gruppen ergeben<br />

sich sonst eigentlich nur, wenn Frau<br />

Rittig dabei ist, nämlich vor Gericht. Die<br />

endgültige Teilung Deutschlands: Sie ist<br />

längst vollzogen.<br />

www.titanic-magazin.de<br />

justament drei 2002<br />

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