"Himmelwärts" Ostern 2012 - Katholischer Seelsorgebereich Bad ...
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„Wenn man einmal anfängt, statt nach außen nach innen<br />
zu leben.“ Vor 90 Jahren wurde Edith Stein gefirmt:<br />
Am 2. Februar 1922, dem damals letzten Tag der kirchlichen<br />
Weihnachtszeit, empfing die Philosophin Edith Stein das Sakrament<br />
der Firmung, der „Stärkung“ durch den Heiligen Geist. Sie<br />
erlebte diesen Tag nicht zusammen mit anderen Firmbewerbern<br />
in der Pfarrkirche, wo der Bischof alle bereits zur Erstkommunion<br />
Geführten mit der Firmung in die volle Gemeinschaft der Kirche<br />
aufnahm. Edith Stein wurde von Bischof Sebastian Ludwig in dessen<br />
Hauskapelle in Speyer als Erwachsene gefirmt, im Alter von<br />
30 Jahren. 33 Tage zuvor – am Neujahrstag – hatte sie sich im<br />
pfälzischen Bergzabern taufen lassen.<br />
Unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges (1914-1918), den sie<br />
als Krankenschwester in einem Lazarett in Mährisch-Wißkirchen<br />
erlebte, und den materiellen wie geistigen Auswirkungen dieser<br />
europäischen Katastrophe, die auch ihr Weltbild erschüttert hatte,<br />
wandte sie sich den Realitäten des Lebens mit anderen Augen zu. Vor und neben Edith<br />
Stein fanden in dieser Epoche der Neuorientierung und Sinnsuche viele Intellektuelle<br />
zum Christentum, insbesondere zum Glauben der katholischen Kirche, die als einzige<br />
unerschütterliche Größe geblieben war. Erschüttert durch den Kriegstod ihres Universitätslehrers<br />
Adolf Reinach und tief berührt von der Gefasstheit und Glaubensstärke der<br />
befreundeten Witwe Anne Reinach, begann sie, ihren Blick nach innen zu richten. Die<br />
freundschaftliche Beziehung zu Menschen, die getauft waren und als Christen lebten<br />
(im universitären Umfeld waren es die Philosophen Husserl, Reinach, Conrad-Martius<br />
und Scheler), weckte ihr Interesse an der religiösen Frage nach der Wahrheit, die sie<br />
zuvor nur aus philosophischem Blickwinkel zu betrachten gelernt hatte. Mit 14 Jahren<br />
hatte Stein ihren jüdischen Glauben an Gott ganz bewusst abgestreift und mehr als<br />
zehn Jahre als Agnostikerin gelebt.<br />
An den befreundeten Philosophen Roman Ingarden schreibt Stein am 15. Oktober 1921:<br />
„Ich stehe jetzt vor dem Übertritt zur katholischen Kirche. Was mich dazu geführt hat,<br />
darüber habe ich Ihnen nichts geschrieben. Und all das lässt sich auch schwer sagen<br />
und schreiben gar nicht. Jedenfalls habe ich in den letzten Jahren sehr viel mehr gelebt<br />
als philosophiert. Meine Arbeiten sind immer nur Niederschläge dessen, was mich im<br />
Leben beschäftigt hat, weil ich nun mal so konstruiert bin, dass ich reflektieren muss.“<br />
Wie sehr die Realität der Glaubenswelt seit ihrer Konversion zum Gegenstand ihrer<br />
geistigen Reflexion geworden ist, bezeugt sie ihm fünf Jahre später am 28. November<br />
1926: „Der Glaube, dessen schaffende und umgestaltende Kraft ich in mir selbst und<br />
anderen höchst realiter erfahre, der Glaube, der die Dome des Mittelalters aufgetürmt<br />
hat und den nicht minder wunderbaren Bau der kirchlichen Liturgie, der Glaube, den der<br />
hl. Thomas »den Anfang des ewigen Lebens in uns« nennt – an dem zerbricht mir jede<br />
Skepsis.“<br />
Und ein weiteres Jahr später – am 8. November 1927 – begründet sie ihren Schritt dem<br />
offenbar immer noch verständnislosen Ingarden gegenüber: „Vielleicht habe ich bei der<br />
Darstellung meines Weges das Intellektuelle zu schlecht wegkommen lassen. In der jahrelangen<br />
Vorbereitungszeit hat es sicher stark mitgewirkt. Doch bewusstermaßen entscheidend<br />
war das reale Geschehen, nicht »Gefühl«, Hand in Hand mit dem konkreten<br />
Bild echten Christentums in sprechenden Zeugnissen (Augustinus, Franziskus, Teresa).<br />
Wie aber soll ich Ihnen in ein paar Worten ein Bild jenes »realen Geschehens« schildern?