Partner Gemeinden - Kommunalnet
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Kindschafts- und Namensrechts-<br />
Änderungsgesetz 2012<br />
Werden die <strong>Gemeinden</strong> schon wieder zu „D`raufzahlern“?<br />
Zugegeben: der Begriff des<br />
„D`raufzahlers“ wirkt etwas<br />
antiquiert, gehört aber angesichts<br />
dessen, was den<br />
<strong>Gemeinden</strong> durch die aktuellste<br />
Novelle des Namensund<br />
Kindschaftsrechtes<br />
unmittelbar droht, zu den<br />
zurückhaltenden Bezeichnungen.<br />
Konkret geht es um ein umfangreiches<br />
Gesetzespaket<br />
(ABGB, Außerstreitgesetz,<br />
Ehegesetz etc.), mit welchem<br />
– so der Originalton der<br />
zuständigen Ministerinnen<br />
Beatrix Karl und Gabriele Heinisch-Hossek<br />
– das „Familienrecht<br />
ins 21. Jahrhundert<br />
katapultiert“ werden soll. Im<br />
Hinblick auf „gesellschaftliche<br />
Entwicklungen, auf Fortschritte<br />
in den Bereichen Psychologie<br />
und Sozialarbeit sowie<br />
grundrechtliche Entscheidungen<br />
des Europäischen<br />
Gerichtshofes für Menschenrechte<br />
und des Verfassungsgerichtshofes“<br />
sollen das<br />
Kindschaftsrecht und das dazugehörige<br />
Verfahrensrecht<br />
„tiefgreifend“ überarbeitet<br />
werden.<br />
Mit der geplanten Änderung<br />
von § 177 ABGB ist allerdings<br />
zu befürchten, dass im Zuge<br />
der „Katapultierung des Familienrechtes<br />
in`s 21 Jahrhundert“<br />
ein Geschoss direkt<br />
bei den <strong>Gemeinden</strong> bzw. den<br />
Personenstandsbehörden<br />
landen wird. Über den „Treffer“<br />
freuen wird sich der Bund,<br />
der damit eine aufwendige<br />
und alles andere als einfache<br />
Aufgabe still und leise auf die<br />
<strong>Gemeinden</strong> bzw. die Standesämter<br />
abzuwälzen versucht.<br />
Worum geht es konkret?<br />
§ 177 Abs. 1 des Entwurfes<br />
bestimmt, dass die Eltern,<br />
wenn sie zum Zeitpunkt der<br />
Geburt des Kindes miteinander<br />
verheiratet sind, mit der<br />
Obsorge gleichermaßen betraut<br />
sind. Gleiches soll künftig<br />
ab dem Zeitpunkt der Eheschließung<br />
gelten, wenn die<br />
Eltern nach der Geburt des<br />
Kindes heiraten. Bisher war<br />
in diesem Fall im geltenden<br />
Familienrecht von einer „Legitimation“<br />
durch den Vater<br />
die Rede, wodurch das Kind<br />
nachträglich den Status eines<br />
ehelichen Kindes erlangte.<br />
Im Hinblick auf die Aufhebung<br />
der Unterscheidung zwischen<br />
ehelichen und unehelichen<br />
Kindern, so die Erläuterungen<br />
zu § 177 Abs. 1 ABGB (neu),<br />
bedarf es eines solchen Formalaktes<br />
nicht mehr, allerdings<br />
soll klarstellend festgehalten<br />
werden, dass mit dem<br />
Zeitpunkt der späteren Eheschließung<br />
beide Eltern ex<br />
lege mit der Obsorge betraut<br />
sind. Sind die Eltern zum Zeitpunkt<br />
der Geburt des Kindes<br />
nicht miteinander verheiratet,<br />
so ist allein die Mutter mit der<br />
Obsorge betraut (wie bisher –<br />
s. § 166 erster Satz ABGB).<br />
Neu ist, dass die (unverheirateten)<br />
Eltern hinkünftig durch<br />
eine persönliche Bestimmung<br />
vor dem Standesbeamten<br />
nach einer Belehrung über<br />
die Rechtsfolgen einmalig<br />
bestimmen können, dass<br />
„sie beide mit der Obsorge<br />
betraut sind“ (ausgen. wenn<br />
die Obsorge bereits gerichtlich<br />
geregelt ist). Leben die<br />
beiden Eltern nicht in häuslicher<br />
Gemeinschaft, haben<br />
sie in der Erklärung festzulegen,<br />
in wessen Haushalt das<br />
Kind hauptsächlich betreut<br />
wird. Sie können in diesem<br />
Fall auch bestimmen, dass<br />
derjenige Elternteil, in dessen<br />
Haushalt das Kind nicht<br />
hauptsächlich betreut wird,<br />
nur in bestimmten Angelegenheiten<br />
mit der Obsorge betraut<br />
ist. Die Bestimmung wird<br />
wirksam, sobald beide Eltern<br />
persönlich vor dem Standesbeamten<br />
übereinstimmende<br />
Erklärungen abgegeben haben.<br />
Innerhalb von acht Wochen<br />
ab ihrer Wirksamkeit<br />
kann die Bestimmung ohne<br />
Begründung durch einseitige<br />
Erklärung eines Elternteils gegenüber<br />
dem Standesbeamten<br />
widerrufen werden.<br />
Bereits bisher (seit dem<br />
Kindschaftsrechtsänderungsgesetz<br />
2001) konnte eine<br />
Obsorgevereinbarung abgeschlossen<br />
werden, allerdings<br />
musste dies vor Gericht erfolgen<br />
und war – in Relation<br />
zur beträchtlichen Anzahl unehelicher<br />
Geburten in Österreich<br />
– verhältnismäßig selten.<br />
Zwar blieb die Anzahl der<br />
Ehescheidungen insgesamt<br />
und die Anzahl von aus einer<br />
Ehescheidung stammenden<br />
minderjährigen Kindern annähernd<br />
gleich (2001: 20.582<br />
Scheidungen, davon 11.799<br />
mit minderjährigen, damals<br />
unter 19-Jährigen Kindern;<br />
2010: 17.442 Scheidungen,<br />
davon 13.657 mit minderjährigen<br />
Kindern), doch hat die<br />
Anzahl der unehelichen Kinder<br />
und deren Anteil seit 2001<br />
stark zugenommen. 2001<br />
wurden 24.944 Kinder unehelich<br />
geboren, das waren<br />
33,1% aller Geburten, während<br />
2011 31.522, somit<br />
40,4% aller Geburten (Kärnten<br />
52,9%, Steiermark 48,6%)<br />
ohne miteinander verheirateten<br />
Eltern erfolgten (Quelle:<br />
Statistik Austria). Nunmehr<br />
soll durch die Möglichkeit,<br />
eine solche Vereinbarung<br />
vor dem Standesamt und<br />
nicht mehr vor Gericht abzuschließen,<br />
lt. Erläuterungen<br />
zum Gesetzesentwurf den<br />
Eltern ein „Amtsweg erspart<br />
werden“.<br />
Während es in der Justiz zu einer<br />
gravierenden Entlastung<br />
kommt, trifft die <strong>Gemeinden</strong><br />
und ihre Standesämter hingegen<br />
eine gänzlich neue<br />
und höchst aufwendige Aufgabe.<br />
Vor allem die Belehrungspflicht<br />
iS des § 177 Abs.<br />
2 ABGB (neu) gegenüber<br />
den Eltern erfordert einen<br />
massiven Aus- und Fortbildungsaufwand,<br />
bedeutet ein<br />
evident hohes Haftungsrisiko<br />
und geht weit über die bisher<br />
den Standesbeamten übertragenen<br />
Aufgaben hinaus.<br />
Bereits in den letzten Jahren<br />
sind die Anforderungen an<br />
die Standesbeamten (bspw.<br />
in Fragen des internationalen<br />
Personenstandsrechtes)<br />
deutlich gestiegen, auch die<br />
Umstellung auf das zentrale<br />
Personenstandsregister voraussichtlich<br />
mit April 2013<br />
wird einen erheblichen Ressourcenbedarf<br />
nach sich ziehen.<br />
Die „Verniedlichung“ der<br />
finanziellen Auswirkungen in<br />
der Kostendarstellung durch<br />
den Bund („Durch die Möglichkeit,<br />
die Obsorge über das<br />
eheliche Kind vor der Personenstandsbehörde<br />
zu vereinbaren,<br />
wird nur ein geringfügiger<br />
zusätzlicher Aufwand<br />
entstehen“) hat – soweit es<br />
sich um Belastungen der <strong>Gemeinden</strong><br />
handelt – zwischenzeitlich<br />
eine ebenso traurige<br />
wie „beständige“ Tradition.<br />
20 Die Salzburger Gemeinde 4 | 12