MUSIK // BERLIN Für außergewöhnliche Konzerthighlights von internationalen Megastars hat <strong>Berlin</strong> gleich mehrere Locations zur Auswahl, wie etwa das Olympiastadion für Robbie Williams’ Liveshow. Foto: MCT 52
MUSIK // BERLIN Seinen Einstand im Musikbusiness gab Scumeck Sabottka (*1962) im <strong>Berlin</strong> der frühen 1980er als Tourneemanager der Bands Abwärts und Einstürzende Neubauten. Mit seiner 1984 gegründeten Firma MCT Music Consulting Team mischt Sabottka an der Spitze der Branche mit und managt Tourneen unter anderem von Kraftwerk, Robbie Williams, Rammstein und Nick Cave. Foto: Florian Richter <strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: Herr Sabottka, können Sie sich noch an Ihr erstes Konzert in <strong>Berlin</strong> erinnern? Scumeck Sabottka: Das muss 1979 gewesen sein. Talking Heads im Kant-Kino. Dort spielte bis Anfang der 80er-Jahre alles, was es an innovativer Rockmusik gab. <strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: David Byrnes Talking Heads sind zweifellos kein schlechter Einstieg ins Konzertleben. Sabottka: Die spielten damals natürlich erst vor ein paar hundert Leuten, aber es gab auch in <strong>Berlin</strong> damals schon ein Publikum, das sehr genau wusste, was es wollte, und wichtige neue Bands auch schnell für sich entdeckte. <strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: Mittlerweile sorgen Sie als Veranstalter selbst für Konzerthighlights. Ist es eigentlich besonders einfach, Künstler nach <strong>Berlin</strong> zu holen? Sabottka: Es gibt keine Band, die nicht in <strong>Berlin</strong> spielen will. Das habe ich noch nie erlebt. <strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: Liegt’s einfach daran, dass <strong>Berlin</strong> Hauptstadt und die größte Metropole Deutschlands ist, oder lockt die Stadt auch mit einem besonderen Publikum? Sabottka: Beides ist der Fall. <strong>Berlin</strong> wurde von vielen ausländischen Künstlern ohnehin immer für die Hauptstadt gehalten, auch in den Jahren vor dem Fall der Mauer. Viele Musiker, die wir heute präsentieren, sind so jung, dass sie die Mauer gar nicht mehr kennen. <strong>Berlin</strong> versprüht aber immer noch etwas von dem inzwischen in die Jahre gekommenen Flair, mehr alternativ, innovativ und Avantgarde als andere europäische Städte zu sein. Was das <strong>Berlin</strong>er Publikum angeht: Es ist schon beizeichnend, dass 34 000 Menschen zu den beiden Radiohead-Konzerten strömen, und in anderen deutschen Städten sind es gerade mal ein Drittel davon. Natürlich leben hier auch einfach mehr Menschen, aber eben auch sehr viele mit einem guten Musikgeschmack. Das zeigt sich auch in den Veranstaltungslisten. Musikliebhaber können jeden Abend aus Dutzenden Rock- und Popkonzerten auswählen. Was hier angeboten wird, erscheint mir manchmal schon als Overkill, aber es scheint ja offensichtlich ein Publikum dafür zu geben. <strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: In anderen Sparten wie Mode oder Literatur ist der Stempel „Made in <strong>Berlin</strong>“ bereits zu einer Art Qualitäts - siegel geworden. Kann man sich als <strong>Berlin</strong>er Band besser vermarkten? Sabottka: Ich habe mit dem Macher vom Sónar gesprochen und gefragt: Warum veranstaltest du dieses Sónar in Barcelona, São Paulo, Kapstadt und Tokio, aber nicht in <strong>Berlin</strong>? Er antwortete: Weil alle Acts, die ich dazu hole, ohnehin in <strong>Berlin</strong> ansässig sind. Für den ist das Siegel <strong>Berlin</strong> sehr wichtig. <strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: Wann hörte für Sie <strong>Berlin</strong> auf, musikalische Avant - garde-Frontstadt zu sein? Mit Techno und dessen Massenerfolg? Sabottka: Das trifft es. Ich bin auch Veranstalter von Paul Kalkbrenner, den ich für einen tollen Musiker, DJ und Kompo - nisten halte. Aber wenn man wie er mehrere Tage hintereinander das Velodrom füllt, kann man von Underground sicherlich „Die Musikszene ist internationaler als in jeder anderen deutschen Metropole“ nicht mehr sprechen. Dass von <strong>Berlin</strong> musikalisch nicht so viele neue Impulse ausgehen, finde ich allerdings keineswegs schlimm. Jede Stadt hat in dieser Hinsicht ein Kommen und Gehen. Es wird sich ganz sicher auch wieder ändern. Allein schon, weil hier so viele junge Musiker leben und die Szene sehr international ausgerichtet ist, viel mehr als jede andere deutsche Metropole. <strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: Wie nachhaltig die Aura der Stadt Musiker beflügelt hat, haben wir gerade beim Comeback von David Bowie erlebt, der einmal mehr seine <strong>Berlin</strong>er Jahre heraufbeschwor. Was wird denn eines Tages von den drei Jahrzehnten, in denen du als Veranstalter bereits aktiv bist, musikalisch für <strong>Berlin</strong> stehen? Sabottka: Ramstein, Seeed und Peter Fox oder auch Paul Kalkbrenner, den ich veranstalte, sind zweifellos groß geworden. Und trotzdem habe ich persönlich den Eindruck, dass künst - lerisch derzeit etwas Stagnation herrscht. Ich möchte auf die Frage daher gerne mit Veranstaltungsorten antworten. Das Berghain ob seiner tollen Location wird sicherlich auch in 30 Jahren noch für dieses Jahrzehnt stehen. Und die Open-Air- Bühne Wuhlheide wird bleiben. Als alter Westberliner kannte man bis zum Mauerfall ja nur die Waldbühne, die Wuhlheide aber hat ihre ganz eigene Autorität. Wir haben viele Bands, die explizit nur dort spielen wollen. Take That, Rammstein und Arcade Fire sind Scumeck Sabottkas Geschäft. Der Gründer der Tournee- und Konzertveranstaltungs- Agentur MCT weiß das <strong>Berlin</strong>er Publikum zu schätzen. Interview: Axel Schock 53