Kultur Berlin - Kulturnews
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KULTUR // BERLIN<br />
„<strong>Berlin</strong> braucht eine<br />
positive Gentrifizierung“<br />
Was zieht die Menschen in die deutsche Hauptstadt?<br />
Kaum einer weiß das besser als Burkhard Kieker, der Chef der Tourismusagentur visit<strong>Berlin</strong>.<br />
Interview: Axel Schock<br />
<strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>:Herr Kieker, in <strong>Berlin</strong> gibt es inzwischen so viele<br />
Hotelbetten wie Würzburg Einwohner hat: über 133 000. Da<br />
kann nicht ein mal mehr New York mithalten. Doch es werden<br />
weiter Hotels gebaut. Droht da nicht bald der Bettenoverkill?<br />
Burkhard Kieker: Wir haben hier keineswegs Verhältnisse wie in<br />
Venedig und streben das auch nicht an. Unser Job als Tourismus -<br />
markentingagentur ist es, eine starke Marke zu kreieren und in<br />
die Welt hinauszutragen. Und wenn wir unseren Job gut machen,<br />
dann schlägt sich das möglicherweise in Buchungen nieder.<br />
<strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: Derzeit noch ungebrochen ist das Interesse feierwütiger<br />
Menschen, die mit Easyjet in <strong>Berlin</strong> landen, die Club -<br />
szene erkunden und dann im Hostel den Rausch ausschlafen.<br />
Sind diese Gäste eher ein Fluch oder ein Segen für die Stadt?<br />
Kieker: Über diese 13 Prozent – so hoch ist deren Anteil lediglich<br />
– reden zwar alle, aber sie machen keineswegs das Gros der<br />
<strong>Berlin</strong>-Besucher aus. Die größte Gruppe sind die kulturaffinen<br />
über 40-Jährigen, die sehen möchten, wie die Hauptstadt tickt,<br />
die Lifestyle atmen und <strong>Kultur</strong> erleben wollen.<br />
<strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: Zehn Millionen Touristen haben 2012 <strong>Berlin</strong><br />
besucht, annähernd die Hälfte kam aus dem Ausland. Was ist<br />
für diese kulturell vor allem interessant? Die klassischen Highlights,<br />
also Pergamon-Altar, Nofretete und <strong>Berlin</strong>er Philharmoniker?<br />
Kieker: Die Menschen interessiert <strong>Berlin</strong> als Gesamtkunstwerk;<br />
das umfasst die Off-Szene ebenso wie die kulturellen Leuchttürme.<br />
74 Prozent unserer Gäste nennen <strong>Kultur</strong> als einen ihrer Gründe,<br />
nach <strong>Berlin</strong> zu reisen. Es gibt beispielsweise Londoner, die zu<br />
Hause gewohnt sind, bis zu einem Jahr auf eine Opernkarte warten<br />
zu müssen, und es nicht fassen können, dass sie hier selbst<br />
kurzfristig an Tickets kommen. Die fliegen auch mit Easyjet<br />
und wohnen dann für 150 Euro in einem Fünf-Sterne-Hotel,<br />
für das sie in London nicht mal ein durchgelegenes Vier-Sterne-<br />
Bett bekämen.<br />
<strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: Was ist für Sie als <strong>Berlin</strong>-Vermarkter der PRtechnisch<br />
größere GAU: die touristenfeindlichen Aktionen in<br />
Kreuzberg oder die Ankündigung von Sasha Waltz, mit ihrer<br />
Tanzcompagnie der Stadt den Rücken zu kehren, weil <strong>Berlin</strong> ihr<br />
nicht die gewünschte finanzielle Förderung bieten kann?<br />
Kieker: Erstens: Ich gehe nicht davon aus, dass Sasha Waltz die<br />
Stadt verlässt, da bin ich ganz gut unterrichtet und kann Ent -<br />
warnung geben. Und zweitens: Diese „Touristen raus“-Graffitis<br />
und -Sticker in Kreuzberg hätten als Marketingidee auch von uns<br />
kommen können. Wenn Sie in Brooklyn einen Sticker sehen:<br />
„We don’t like Tourists“ – wäre das für Sie ein Grund, nicht mehr<br />
nach New York zu fahren? Ich glaube, dass es sich hier um eine<br />
Erscheinung einer sehr meinungsfreudigen Szene handelt, die lange<br />
im Windschatten der Mauer gelebt hat und sich nun wundert,<br />
dass sie in einer Weltstadt zu Hause ist und Besuch bekommt.<br />
<strong>Kultur</strong>//<strong>Berlin</strong>: <strong>Berlin</strong> wurde viele Jahrzehnte vor allem als<br />
Mauer stadt wahrgenommen. Was sehen die ausländischen Gäste<br />
heute in der Stadt?<br />
Kieker: Da möchte ich widersprechen. Alles, was mit der<br />
Mauergeschichte und dem Kalten Krieg zusammenhängt, ist weiterhin<br />
von großem Interesse. Die Menschen außerhalb<br />
unserer Stadt, und noch mehr außerhalb Europas, haben ein großes<br />
Interesse, diese besondere Geschichte <strong>Berlin</strong>s zu erleben. Was<br />
wir bislang unterschätzt haben und was wir noch nicht perfekt<br />
bedienen, ist das Bedürfnis nach authentischem Ge -<br />
schichtserlebnis. Viele vermissen Orte, an denen sie die Hochs<br />
und Tiefs von Geschichte finden und empfinden können. Orte,<br />
von denen man sagt: We saw it in Hollywood but it happened here.<br />
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