Mainstreampop Tyler Ward Foto: Epic/Sony Music 10
Mainstreampop Doch kein Coverboy Tyler Ward wurde mit fremden Songs im Web zum Shootingstar. Auf seinem Debüt - album geht der 24-Jährige aus Denver nun volles Risiko – und macht genau das Gegenteil. Tyler, dein Album heißt „Honestly“, und das bedeutet „offen“, „ehrlich“ oder „redlich“. Verfügst du über all diese Attribute? Tyler Ward: Zumindest bemühe ich mich darum – ganz ehrlich …! Auf jeden Fall bin ich der festen Überzeugung, dass Aufrichtigkeit die wichtigste Charak - ter eigenschaft des Menschen ist. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass wir auf einem wesentlich angenehmeren Planeten leben würden, wenn die Leute ehrlicher zueinander wären. Daher stand die Wahl des Albumtitels für mich von vornherein fest. Allerdings kommst du in deinen Liedern nicht ausschließlich als ehrliche, sondern auch als melancholische Haut rüber. Bist du tief im Inneren ein trauriger Typ? Ward: Diese Frage ist schwer für mich zu beantworten. Tatsächlich be fürch te ich, dass ich ein innerlich zerrissener Mensch bin. Ich fühle mich melancholisch und optimistisch zugleich, manchmal sogar zur selben Zeit. Ich weiß schon, das ist eine paradoxe Kombination; vielleicht bin ich sogar schizophren. Aber ich möchte damit nicht hinter dem Berg halten. Denn das bin eben ich – durch und durch. Bei deinen selbst komponierten Stücken betonst du immer wieder vehement, wie authentisch sie seien. Warum ist dir das ein so wichtiges Anliegen? Ward: Das hat ebenfalls mit meiner Sehnsucht nach Aufrichtigkeit zu tun. Bis auf ein Lied, das eine harte Abrechnung mit mir selbst und einer be - stimmten Situation in meinem Leben ist, erzähle ich ausschließlich von etlichen Erfahrungen aus meiner Vergangenheit, vieles geht auch ins Analy - tische. Nenn mich Freud Junior, wenn du willst! Die eine Ausnahme ist übrigens „Dashes“. Das habe ich für eine zerbrochene, intensive Liebe getextet, verbunden mit der Hoffnung, ihr meine Reue und meine Sicht der Dinge zu vermitteln. Leider vergeblich – die Lady weigert sich bis heute, diesen Song anzuhören, obwohl wir nach wie vor Kontakt zueinander haben. Bekannt geworden bist du vor allem für teilweise recht eigenwillige Inter - pretationen von Songs wie Adeles „Set Fire to the Rain“, Rihannas „We found Love“ oder Bruno Mars’ „Locked out of Heaven“. Warum macht dir Covern so viel Spaß? Ward: Ich muss vorausschicken, dass ich mich beim Covern in erster Linie für Lieder entscheide, die ich für gar nicht so herausragend halte. Sie be - geistern mich zunächst mal ausschließlich wegen ihres eingängigen Re - frains. Nur deshalb bekommen sie meine Aufmerksamkeit, ich nehme mich ihrer an, „entkleide“ sie und reduziere sie auf ihr akustisches Mark. Da - durch entsteht eine extrem intime Situation. Ich glaube, es ist diese Kunst der Reduktion, die den Anhängern meiner Stücke am meisten gefällt. Neben der Musik selbst spielt heutzutage auch das Image eines Musikers eine entscheidende Rolle. Bei dir auch? Ward: Da behaupte ich einfach mal lapidar: Ich bin zu hundert Prozent ich – das ist mein Image! Dazu bedarf es jeder Menge Selbstbewusstsein, klar. Aber ich hatte schon als Kind eine große Klappe, daran soll es nicht schei - tern … Ansonsten bin ich kein durchgeknalltes Rockmonster, kein Feier - biest, kein Ekelpaket. Wobei ich durchaus gerne mal ordentlich feiere. Aber ich muss nicht wie Justin Bieber in eine Flasche pissen, um im Internet Auf merksamkeit zu erzielen. Stichwort Internet: Vor vier Jahren hast du dein erstes Video bei Youtube hochgeladen, damals noch mit bescheidenem Erfolg. Inzwischen bist du ein Internetphänomen, bei Facebook hast du rund 650 000 „Gefällt mir“- Klicks, bei Youtube rund 1,2 Millionen Abonnenten, und deinen eigenen Musik kanal haben bislang über 330 Millionen User besucht. Ist eine mo - derne Karriere als Musiker nur noch übers Netz möglich? Ward: Drücken wir es so aus: Ich würde ohne Internet bestimmt die gleiche Musik spielen, die ich jetzt spiele – aber ich bräuchte mindestens zehn Jahre länger, um damit genauso viel Aufmerksamkeit und Erfolg zu haben. Ohne das Netz wäre ich vermutlich ein Lokalmatador in meiner Heimat Denver, der Rest der Welt würde mich nicht kennen. Diese Technologie ist schon ein erstaunliches Phänomen. Und trotz aller Begeisterung für die moderne Technologie veröffentlichst du jetzt ganz klassisch ein physisches Album. Warum? Ward: Weil ich heute den Bekanntheitsgrad habe, um davon auch ordent - lich zu verkaufen. Und weil es immer noch eine Menge – junge wie alte – Menschen gibt, die ein solches Ding in Händen halten und zu Hause im Schrank stehen haben wollen. Ein Tonträger mit Cover und Booklet und allem drum und dran ist eben doch persönlicher als ein Download. Die meisten deiner Covers nimmst du mit Freunden wie Alex G., Joey Barba oder der Starviolinistin Lindsey Stirling auf, die du gerne als „Crew“ bezeich - nest. Wie wichtig ist ein stabiles soziales Umfeld? Ward: Extrem wichtig! Wenn ich nicht so viele gute Freunde und Bekannte hätte, würde ich vielleicht gar keine Musik machen. Dieser Job wäre mir zu einsam. Ich möchte ein Maximum an Spaß haben bei der Arbeit. Und wie wichtig ist dir der Liveaspekt? Ward: Na sehr, weil ich mich auf der Bühne prächtig austoben kann. Meine Musik live ist auch wesentlich rockiger als auf dem Album. Ich will, dass jeden Abend für zwei Stunden der Punk abgeht. Welche Erwartungen hast du ans Album – und deine persönliche Zukunft? Ward: Ich bin erst mal saumäßig nervös, denn jetzt ist es nicht mehr zu ändern – die Platte ist draußen, ich muss also die Reaktionen der Leute abwarten. Ab sofort heißt es: Top oder Flop. Aber wenn gar nichts geht, verkrieche ich mich eben wieder in mein Studio und mache dort das, was ich die letzten vier Jahre gemacht habe: produzieren. Außerdem bin ich sehr sportlich, ich könnte mich um eine Karriere als Footballer bemühen. Und ansonsten ist es mein großer Plan, dass ich mich vor Jahresende so richtig verknalle. Ernsthaft: Ich suche nach der großen, kitschigen Liebe für die Ewigkeit. Interview: Michael Fuchs-Gamböck Honestly ist Ende Oktober erschienen. <strong>11</strong>