Ausgabe 11/2013 - Kulturnews
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Mainstreampop<br />
Doch kein Coverboy<br />
Tyler Ward wurde mit fremden Songs im Web zum Shootingstar. Auf seinem Debüt -<br />
album geht der 24-Jährige aus Denver nun volles Risiko – und macht genau das Gegenteil.<br />
Tyler, dein Album heißt „Honestly“, und das bedeutet „offen“, „ehrlich“ oder<br />
„redlich“. Verfügst du über all diese Attribute?<br />
Tyler Ward: Zumindest bemühe ich mich darum – ganz ehrlich …! Auf jeden<br />
Fall bin ich der festen Überzeugung, dass Aufrichtigkeit die wichtigste Charak -<br />
ter eigenschaft des Menschen ist. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass<br />
wir auf einem wesentlich angenehmeren Planeten leben würden, wenn die<br />
Leute ehrlicher zueinander wären. Daher stand die Wahl des Albumtitels<br />
für mich von vornherein fest.<br />
Allerdings kommst du in deinen Liedern nicht ausschließlich als ehrliche,<br />
sondern auch als melancholische Haut rüber. Bist du tief im Inneren ein<br />
trauriger Typ?<br />
Ward: Diese Frage ist schwer für mich zu beantworten. Tatsächlich be fürch te<br />
ich, dass ich ein innerlich zerrissener Mensch bin. Ich fühle mich melancholisch<br />
und optimistisch zugleich, manchmal sogar zur selben Zeit. Ich weiß<br />
schon, das ist eine paradoxe Kombination; vielleicht bin ich sogar schizophren.<br />
Aber ich möchte damit nicht hinter dem Berg halten. Denn das bin<br />
eben ich – durch und durch.<br />
Bei deinen selbst komponierten Stücken betonst du immer wieder vehement,<br />
wie authentisch sie seien. Warum ist dir das ein so wichtiges Anliegen?<br />
Ward: Das hat ebenfalls mit meiner Sehnsucht nach Aufrichtigkeit zu tun.<br />
Bis auf ein Lied, das eine harte Abrechnung mit mir selbst und einer be -<br />
stimmten Situation in meinem Leben ist, erzähle ich ausschließlich von<br />
etlichen Erfahrungen aus meiner Vergangenheit, vieles geht auch ins Analy -<br />
tische. Nenn mich Freud Junior, wenn du willst! Die eine Ausnahme ist<br />
übrigens „Dashes“. Das habe ich für eine zerbrochene, intensive Liebe<br />
getextet, verbunden mit der Hoffnung, ihr meine Reue und meine Sicht der<br />
Dinge zu vermitteln. Leider vergeblich – die Lady weigert sich bis heute,<br />
diesen Song anzuhören, obwohl wir nach wie vor Kontakt zueinander haben.<br />
Bekannt geworden bist du vor allem für teilweise recht eigenwillige Inter -<br />
pretationen von Songs wie Adeles „Set Fire to the Rain“, Rihannas „We found<br />
Love“ oder Bruno Mars’ „Locked out of Heaven“. Warum macht dir Covern<br />
so viel Spaß?<br />
Ward: Ich muss vorausschicken, dass ich mich beim Covern in erster Linie<br />
für Lieder entscheide, die ich für gar nicht so herausragend halte. Sie be -<br />
geistern mich zunächst mal ausschließlich wegen ihres eingängigen Re -<br />
frains. Nur deshalb bekommen sie meine Aufmerksamkeit, ich nehme mich<br />
ihrer an, „entkleide“ sie und reduziere sie auf ihr akustisches Mark. Da -<br />
durch entsteht eine extrem intime Situation. Ich glaube, es ist diese Kunst<br />
der Reduktion, die den Anhängern meiner Stücke am meisten gefällt.<br />
Neben der Musik selbst spielt heutzutage auch das Image eines Musikers<br />
eine entscheidende Rolle. Bei dir auch?<br />
Ward: Da behaupte ich einfach mal lapidar: Ich bin zu hundert Prozent ich –<br />
das ist mein Image! Dazu bedarf es jeder Menge Selbstbewusstsein, klar.<br />
Aber ich hatte schon als Kind eine große Klappe, daran soll es nicht schei -<br />
tern … Ansonsten bin ich kein durchgeknalltes Rockmonster, kein Feier -<br />
biest, kein Ekelpaket. Wobei ich durchaus gerne mal ordentlich feiere. Aber<br />
ich muss nicht wie Justin Bieber in eine Flasche pissen, um im Internet<br />
Auf merksamkeit zu erzielen.<br />
Stichwort Internet: Vor vier Jahren hast du dein erstes Video bei Youtube<br />
hochgeladen, damals noch mit bescheidenem Erfolg. Inzwischen bist du<br />
ein Internetphänomen, bei Facebook hast du rund 650 000 „Gefällt mir“-<br />
Klicks, bei Youtube rund 1,2 Millionen Abonnenten, und deinen eigenen<br />
Musik kanal haben bislang über 330 Millionen User besucht. Ist eine mo -<br />
derne Karriere als Musiker nur noch übers Netz möglich?<br />
Ward: Drücken wir es so aus: Ich würde ohne Internet bestimmt die gleiche<br />
Musik spielen, die ich jetzt spiele – aber ich bräuchte mindestens zehn<br />
Jahre länger, um damit genauso viel Aufmerksamkeit und Erfolg zu haben.<br />
Ohne das Netz wäre ich vermutlich ein Lokalmatador in meiner Heimat<br />
Denver, der Rest der Welt würde mich nicht kennen. Diese Technologie ist<br />
schon ein erstaunliches Phänomen.<br />
Und trotz aller Begeisterung für die moderne Technologie veröffentlichst du<br />
jetzt ganz klassisch ein physisches Album. Warum?<br />
Ward: Weil ich heute den Bekanntheitsgrad habe, um davon auch ordent -<br />
lich zu verkaufen. Und weil es immer noch eine Menge – junge wie alte –<br />
Menschen gibt, die ein solches Ding in Händen halten und zu Hause im<br />
Schrank stehen haben wollen. Ein Tonträger mit Cover und Booklet und allem<br />
drum und dran ist eben doch persönlicher als ein Download.<br />
Die meisten deiner Covers nimmst du mit Freunden wie Alex G., Joey Barba<br />
oder der Starviolinistin Lindsey Stirling auf, die du gerne als „Crew“ bezeich -<br />
nest. Wie wichtig ist ein stabiles soziales Umfeld?<br />
Ward: Extrem wichtig! Wenn ich nicht so viele gute Freunde und Bekannte<br />
hätte, würde ich vielleicht gar keine Musik machen. Dieser Job wäre mir<br />
zu einsam. Ich möchte ein Maximum an Spaß haben bei der Arbeit.<br />
Und wie wichtig ist dir der Liveaspekt?<br />
Ward: Na sehr, weil ich mich auf der Bühne prächtig austoben kann. Meine<br />
Musik live ist auch wesentlich rockiger als auf dem Album. Ich will, dass<br />
jeden Abend für zwei Stunden der Punk abgeht.<br />
Welche Erwartungen hast du ans Album – und deine persönliche Zukunft?<br />
Ward: Ich bin erst mal saumäßig nervös, denn jetzt ist es nicht mehr zu<br />
ändern – die Platte ist draußen, ich muss also die Reaktionen der Leute<br />
abwarten. Ab sofort heißt es: Top oder Flop. Aber wenn gar nichts geht,<br />
verkrieche ich mich eben wieder in mein Studio und mache dort das, was<br />
ich die letzten vier Jahre gemacht habe: produzieren. Außerdem bin ich<br />
sehr sportlich, ich könnte mich um eine Karriere als Footballer bemühen.<br />
Und ansonsten ist es mein großer Plan, dass ich mich vor Jahresende so<br />
richtig verknalle. Ernsthaft: Ich suche nach der großen, kitschigen Liebe für<br />
die Ewigkeit.<br />
Interview: Michael Fuchs-Gamböck<br />
Honestly ist Ende Oktober erschienen.<br />
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