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WIR - Fürst Donnersmarck Stiftung

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38<br />

DAS THEMA<br />

Jo Deckarm – Ein Mann<br />

kehrt zurück ins Leben<br />

Dieses Motto könnte für einen<br />

Menschen gelten, den ich näher<br />

vorstellen möchte: Joachim Deckarm.<br />

Geboren wurde er am 19.01.1954 in<br />

Saarbrücken. In den 70er Jahren war er<br />

wohl einer der talentiertesten und hoffnungsvollsten<br />

Handballer Deutschlands.<br />

Erfolge mit seiner Mannschaft Gummersbach<br />

wie der Europapokalsieg 1974 und<br />

1978 sowie die dreimalige Deutsche Meisterschaft<br />

belegen dies deutlich. Im Jahr<br />

1978 folgte dann auch der Karrierehöhepunkt<br />

für den damaligen Sport- und<br />

Mathematikstudenten. Gemeinsam mit<br />

der heute legendären Mannschaft (u. a.<br />

mit dem heutigen Bundestrainer Heiner<br />

Brand oder Erhard Wunderlich), holte er<br />

in Kopenhagen den Weltmeisterpokal<br />

nach Deutschland.<br />

Nur ein ganzes Jahr dauerte die Freude<br />

an, dann änderte sich für den ehrgeizigen<br />

und erfolgreichen Sportler die Welt grundlegend.<br />

Beim Europapokal-Halbfinale im<br />

ungarischen Tartabanya stieß er mit einem<br />

Gegenspieler zusammen und prallte mit<br />

dem Hinterkopf auf den Hallenboden.<br />

Leider war zu diesem Zeitpunkt kein Arzt<br />

anwesend, sondern nur einige überforderte<br />

Sanitäter. Ein Arzt, der wie viele andere<br />

das Spiel im Fernsehen verfolgt hatte, fuhr<br />

sofort zur Halle, um seiner ärztlichen<br />

Pflicht nachzukommen.Was er dort diagnostizieren<br />

musste, war erschütternd.<br />

Zahlreiche geplatzte Gefäße, ein doppelter<br />

Schädelbruch, Quetschungen im Haupthirn<br />

sowie ein langer Riss der Hirnhaut.<br />

Einigermaßen „stabilisiert“, konnte Deckarm<br />

nach Budapest geflogen und dort<br />

operiert werden. Die Ärzte erzielten zwar<br />

einen minimalen Erfolg, konnten jedoch<br />

den Patienten nicht aus seinem tiefen<br />

Koma erwecken, aus dem Deckarm über<br />

130 Tage nicht erwachten sollte.<br />

Für den invaliden Sportler begann eine<br />

schwere Leidenszeit. Er durchwanderte<br />

mehrere Reha-Kliniken, die ihn schlussendlich<br />

als Pflegefall an die Eltern übergaben.<br />

Mit ihrer und der Hilfe vieler professioneller<br />

Pfleger begann er seinen Kampf<br />

um das Leben.Tägliche Krankengymnastik,<br />

Ergotherapie, sollten ihm ermöglichen,<br />

Schritt für Schritt wieder ein selbstbestimmtes<br />

Leben zu führen. Finanziert<br />

wurden diese Reha-Maßnahmen größtenteils<br />

durch einen Fond, den Spielerkollegen<br />

ins Leben gerufen hatten und für<br />

den sie u. a. in der damaligen Formation<br />

Spiele bestritten.Vor drei Jahr zog Deckarm<br />

in ein Haus des Wohlfahrtsverbandes<br />

Saarbrücken. Dort wohnt er weitestgehend<br />

eigenständig, teilt sich jedoch das<br />

Haus mit zwei weiteren Bewohnern. Pflegepersonal<br />

ist stets in Reichweite.<br />

Seine Tage sind nach wie vor mit viel<br />

„Arbeit“ ausgefüllt. Er betreibt Kraftübungen,<br />

fährt Fahrrad, schwimmt und<br />

macht Schreibübungen am PC. Dank seinem<br />

eisernen Willen besucht er mittlerweile<br />

sogar Handballspiele, um dort fachkundige<br />

Gespräche mit ehemaligen Mitspielern<br />

und aktiven Sportlern zu führen.<br />

Auch allgemein steht er dem Sport gerne<br />

als Identifikationsfigur zur Verfügung.<br />

1999 nahm er die Spielauslosung für die<br />

Weltmeisterschaft in Ägypten vor und<br />

erntete von allen Anwesenden stürmischen<br />

Applaus. Ich selbst habe ihn vor<br />

zwei Jahren beim WM-Vorbereitungsspiel<br />

gegen Island hier in Berlin erlebt. Zu<br />

meiner eigenen Schande muss ich eingestehen,<br />

nicht recht gewusst zu haben, wie<br />

ich mich ihm gegenüber verhalten soll.<br />

Jetzt aber weiß ich, dass es durchaus statthaft<br />

gewesen wäre, mit diesem bewundernswerten<br />

Menschen eine angenehme<br />

Unterhaltung zu führen, zumal ich erfuhr,<br />

dass er sich durchaus gut artikulieren kann<br />

und Gesprächsinhalte auch verinnerlicht<br />

und späterhin wiedergeben kann. Leider<br />

ist aufgrund der körperlichen Konstitution<br />

dennoch nicht auszuschließen, dass er<br />

im Laufe der kommenden zehn Jahre zur<br />

Fortbewegung einen Rollstuhl benötigt.<br />

Auch mit dieser Aussicht ist ihm weiterhin<br />

Freude und Lebensmut zu wünschen.<br />

Anke Köhler<br />

<strong>WIR</strong><br />

1/2005

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