aktiv Radfahren
3/2014
3/2014
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KoluMNE | Radlhauptstadt München<br />
> umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit<br />
über alle Medien und auf Konferenzen<br />
Willkommen in der Realität<br />
Wo licht, da gibt es auch Schatten beziehungsweise<br />
Widerstand. Bürgermeister<br />
Monatzeder zu aktuellen und zukünftige<br />
Verkehrsproblemen: „Der Straßenraum<br />
ist weitgehend überplant und verteilt.<br />
Änderungen zugunsten des Fußgängerund<br />
Radverkehrs sind deshalb in der Regel<br />
nur noch zu lasten des motorisierten<br />
Verkehrs möglich, und jede Baumaßnahme<br />
bedeutet quasi eine „operation am<br />
offenen Herzen“, da umleitungen kaum<br />
möglich sind.“<br />
Große Projekte entlang von Magistralen<br />
wie der lindwurmstraße oder der Rosenheimer<br />
Straße werden vom Stadtrat<br />
auf die lange Bank geschoben oder abgeschmettert.<br />
So sollten in der Rosenheimer<br />
Straße in beide Fahrtrichtungen<br />
eine der beiden Autospuren durch jeweils<br />
einen Radfahrstreifen ersetzt werden. Die<br />
vom Münchner Stadtrat bereits 2009 im<br />
Grundsatzbeschluss Radverkehr geplante<br />
Maßnahme wurde trotz zweier tödlicher<br />
unfälle im Januar von SPD, CSu und FDP<br />
abgeschmettert. Die Süddeutsche Zeitung<br />
schreibt: „Es gibt einfach nicht genügend<br />
Platz, um Radfahrer, Fußgänger und<br />
Autofahrer störungsfrei auf den Straßen<br />
unterzubringen. Am Ende werden wohl<br />
Fahrspuren oder zumindest Parkplätze<br />
weichen müssen.“<br />
unabhängig davon hat die Radlhauptstadt-Kampagne<br />
bereits nach zwei Jahren<br />
deutliche Spuren in der bayerischen<br />
Hauptstadt hinterlassen. Repräsentative<br />
Telefonbefragungen ergaben 2011, dass<br />
> über 90 Prozent der Befragten es generell<br />
gut oder sehr gut finden, dass die<br />
Stadt München den Radverkehr fördert.<br />
> ca. 60 Prozent die Kampagne wahrgenommen<br />
haben<br />
> über 80 Prozent der Kampagnen-Wahrnehmer<br />
die Fahrradmarketingkampagne<br />
mit gut oder sehr gut bewerten.<br />
Positive Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten<br />
dokumentieren diese Analysen:<br />
> Der Radverkehrsanteil ist von knapp 14<br />
Prozent im Jahr 2008 auf über 17 Prozent<br />
im Jahr 2011 gestiegen. Bezogen<br />
auf 2002 ergab sich sogar eine Steigerung<br />
um über 70 Prozent.<br />
> Der Autoanteil (Selbstfahrer) ist von<br />
27 Prozent (2008) auf 23 Prozent (2011)<br />
gesunken.<br />
> Der Anstieg des Radverkehrsanteils<br />
ging nicht zu lasten des ÖPNV (umweltverbund<br />
= Fuß + Rad + ÖV).<br />
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sich<br />
die Stadt München mit der Kampagne<br />
auf einem guten, für andere Metropolen<br />
nachahmenswerten Weg befindet. und<br />
durch intelligente Verknüpfung anderer<br />
Verkehrsträger, die weiter fortschreitende<br />
zweirädrige Elektromobilität und wünschenswerterweise<br />
damit verbundenen<br />
Radschnellwege erschließen sich neue<br />
Anbindungsmöglichkeiten von weiter außerhalb<br />
liegenden Gemeinden.<br />
Konrad Weyhmann<br />
Konrad Weyhmann ist PR-Mitarbeiter<br />
bei Paul Lange & Co und schreibt in<br />
<strong>aktiv</strong> <strong>Radfahren</strong> zum Thema Urbane<br />
Mobilität.<br />
„München setzt<br />
Prioritäten für die<br />
Radkultur.“<br />
Wigand von Sassen,<br />
Projektleiter der<br />
Kampagne:<br />
aR: Um die Radlhauptstadt-Kampagne beneiden sie<br />
viele andere Städte. Warum klappt das in München<br />
so gut und was hindert andere Städte, es Ihnen<br />
gleichzutun?<br />
WvS: Das ist für mich eine Frage der politischen<br />
Prioritätensetzung und unseres ganzheitlichen<br />
Ansatzes der Radverkehrsförderung. Wir geben für<br />
die weichen Maßnahmen nur etwa 10 Prozent des<br />
gesamten Radlbudgets aus, erzielen damit aber<br />
eine große Wirkung! Das können andere Städte<br />
auch, sie müssen nur wollen.<br />
aR: Immer weniger Jugendliche machen den Führerschein<br />
und als Image-Träger hat das Auto angeblich<br />
auch ausgedient. Woher kommen dann die zunehmenden<br />
Verkehrsprobleme der Städte?<br />
WvS: Münchens Verkehrsprobleme resultieren vor<br />
allem aus dem starken Wachstum der Stadt und<br />
den vielen Pendlern, die mit dem Auto in die Stadt<br />
fahren. Da der Platz begrenzt und der öffentliche<br />
Verkehr am limit ist, heißt für mich die sinnvollste,<br />
stadtverträglichste und am schnellsten umsetzbare<br />
lösung, den Radverkehr weiter auszubauen, denn<br />
die Menschen wollen und werden Rad fahren.<br />
aR: Welches Entwicklungspotenzial sehen Sie – wo<br />
sind die (politischen) Grenzen?<br />
WvS: Das neue Ziel liegt bei 20 Prozent Radverkehrsanteil<br />
bis 2015, darüber hinaus ist aber noch<br />
deutlich mehr drin, wie uns Amsterdam und Kopenhagen<br />
zeigen. um dahin zu kommen, müssten die<br />
Ressourcen deutlich erhöht werden, und da zitiere<br />
ich gerne die Forderung im Nationalen Radverkehrsplan<br />
2020 von Ex-Verkehrsminister Ramsauer:<br />
Er empfiehlt Kommunen, 18 Euro pro Bürger und<br />
Jahr auszugeben, was für München einer Radlpauschale<br />
von 25 Millionen. Euro pro Jahr entspräche.<br />
Start zur Radlnacht<br />
auf dem<br />
Münchner<br />
Odeonsplatz<br />
aR: Was ist das wichtigste Ziel der Kampagne?<br />
WvS: Wir möchten mit der Initiative Radlhauptstadt<br />
München zu einer echten Fahrradstadt machen.<br />
Das bedeutet, den Radverkehr weiter zu steigern<br />
und gleichzeitig sicherer und komfortabler zu<br />
machen. Ziel ist es, eine tief verwurzelte Radlkultur<br />
zu etablieren.<br />
110 | <strong>aktiv</strong> <strong>Radfahren</strong> 3/2014