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Materialheft zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus 2014 ...

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10 Internationale <strong>Wochen</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Rassismus</strong> <strong>2014</strong><br />

Deutschland geboren: Sollen wir Kinder Deutschlands am<br />

Ende eines bleiben: Ausländer?!<br />

Was fehlt ist Anerkennung. Anerkennung unserer Teilhabe<br />

und Zugehörigkeit. So bin ich es gewohnt, dass mich andere<br />

permanent einordnen, <strong>zu</strong>ordnen, manchmal bestimmten<br />

Bildern unterordnen. Es passiert schnell, weil ich einen<br />

Migrations-Vordergrund habe. Nicht nur mein Name,<br />

auch meine Optik markieren mich in diesem Land. Denn in<br />

Deutschland ist die Kategorie »deutsch sein« immer auch an<br />

»weiß sein« gebun<strong>den</strong>. Ein subtiler Gedanke, der sich tief in<br />

unser Gedankengut verwurzelt hat. Was ist deutsch, frage<br />

ich erneut. Und woher kommt die Angst vor dem Verlust dieses<br />

»deutsch seins«, die Furcht vor dem eigenen Verschwin<strong>den</strong>.<br />

Ein absolutes »deutsch sein« gab es nie und die wenigsten<br />

Menschen haben keine Migrationsgeschichte in ihrer<br />

Familienbiographie.<br />

So wird es Zeit an<strong>zu</strong>erkennen, dass wir alle Einheimische<br />

sind. Und dass, wenn wir schon über nationale Zugehörigkeit<br />

re<strong>den</strong> müssen, die Kinder der ersten Generation auch<br />

Deutsche sind und deren Kinder und deren Kinder es auch<br />

sein wer<strong>den</strong>. Und dass dieses »deutsch sein« nichts mit<br />

»weiß sein« <strong>zu</strong> tun hat. Sondern mit Teilhabe, Sozialisation<br />

und einem Zugehörigkeitsgefühl. Es wird Zeit an<strong>zu</strong>erkennen,<br />

dass Deutschland nichts verloren geht, wenn es seine Kinder<br />

anerkennt und ihnen erlaubt, vielfältig <strong>zu</strong> sein und ihre<br />

doppelte Staatsbürgerschaft <strong>zu</strong> behalten. Es ist Zeit, <strong>den</strong><br />

längst vollzogenen Wandel an<strong>zu</strong>erkennen.<br />

Ich bin Hadija Haruna, Mensch, Frau, Schwarze Deutsche<br />

und Journalistin, Teil der Initiative Schwarze Menschen in<br />

Deutschland, Mitglied beim Journalistenverband der Neuen<br />

Deutschen Medienmacher. Und ich will, dass vor allem<br />

die Medien die Dinge endlich beim Namen nennen: Nicht<br />

»Frem<strong>den</strong>feindlichkeit« schreiben oder »Ausländerfeindlichkeit«.<br />

Denn wer ist hier fremd? Es geht hier nicht um Konflikte<br />

zwischen frem<strong>den</strong> Kulturen, sondern um Ausgren<strong>zu</strong>ng<br />

und Anerkennung.<br />

Treffend schrieb die Autorin Jagoda Marinić in einer Rede<br />

anlässlich der Konferenz »Neue Begriffe für die Einwanderungsgesellschaft«<br />

der Neuen Deutschen Medienmacher:<br />

»Ich möchte mein Leben nicht zermürben im Kampf um<br />

die Daseinsberechtigung in diesem Land.Was wir wollen<br />

ist selbstbestimmt sein und Gehör fin<strong>den</strong>, damit nicht<br />

nur ›Deutsche ohne Migrationserfahrung‹ über Menschen<br />

wie uns sprechen und ihre Maßstäbe anlegen. Uns<br />

benennen. Wir sind einheimisch, nicht Gast. Nicht Deutsche<br />

mit Präposition plus Substantiv, nicht Neue Deutsche,<br />

nicht Alte Deutsche, sondern Deutsche«.<br />

Marinić hat recht. Auch damit, dass wir uns in Acht nehmen<br />

sollten vor einer reinen Nützlichkeitsargumentation, die das<br />

Hier sein von Einwanderern dadurch legitimieren will, dass<br />

sie Arbeitskräfte sind, die später Rente zahlen. Oder Fachkräfte,<br />

die die Antwort auf einen Mangel sein sollen. Nicht<br />

ohne Grund führt in Deutschland die kollektive Verinner -<br />

lichung von <strong>Rassismus</strong> unter People of Color und Schwarzen<br />

Menschen häufig da<strong>zu</strong>, »beweisen« <strong>zu</strong> müssen, dass sie<br />

»intelligent«, »emanzipiert« oder »integriert« sind. Während<br />

weißen Menschen Intelligenz oder Fortschrittlichkeit<br />

meist automatisch <strong>zu</strong>geschrieben wird. So kommt <strong>zu</strong>r<br />

Be lastung durch <strong>Rassismus</strong>erfahrungen der Druck hin<strong>zu</strong>,<br />

als »Ausnahme-Migranten« noch mehr leisten <strong>zu</strong> müssen,<br />

um <strong>zu</strong> <strong>den</strong> »Guten« <strong>zu</strong> gehören. Insbesondere vor dem<br />

Hin tergrund der massiven Chancenungleicheit in Deutschland<br />

– beispielsweise im Bildungssystem – ist dies gerade<strong>zu</strong><br />

zynisch.<br />

Aber auch politische Teilhaberechte für Menschen mit<br />

Migrationsgeschichte wer<strong>den</strong> auf lange Sicht nicht ausreichen,<br />

<strong>Rassismus</strong> nachhaltig <strong>zu</strong> überwin<strong>den</strong>. Es bedarf einer<br />

handlungsorientierten, staatlichen und zivilbürgerlich gesteuerten<br />

Strategie, die sich einer diskriminierungsfreien<br />

und solidarischen Gesellschaft verpflichtet und die Gleichbehandlung<br />

aller ihrer Mitglieder betont und fördert.<br />

Ich wünsche mir mehr Menschen, die <strong>den</strong> Versuch wagen,<br />

die bestehen<strong>den</strong> Machtverhältnisse <strong>zu</strong> verändern und sich<br />

mit der eigenen Position auseinander <strong>zu</strong>setzen. Das ist nicht<br />

leicht. Doch wer sich auf diese Auseinanderset<strong>zu</strong>ng einlässt,<br />

wird begreifen, dass eine kritische Selbstreflexion ohne<br />

Selbstgeißelung möglich ist. Es geht vor allem darum, <strong>den</strong><br />

Blick von <strong>den</strong>jenigen, die <strong>Rassismus</strong> erfahren, auf das Sys -<br />

tem <strong>zu</strong> lenken: <strong>den</strong> Kern des Problems. Wer <strong>Rassismus</strong> bekämpfen<br />

will, muss sich trauen, die bestehen<strong>den</strong> Verhältnisse<br />

offen <strong>zu</strong> benennen. Wie lange wird es noch dauern, bis<br />

wir in Deutschland eine ehrliche Debatte über <strong>Rassismus</strong><br />

führen? Da<strong>zu</strong> muss unsere Gesellschaft <strong>den</strong> Gegnern und<br />

Opfern von <strong>Rassismus</strong> Stimme und Gehör verschaffen, ohne<br />

sie <strong>zu</strong> Opfern <strong>zu</strong> machen. Sie muss sie anerkennen anstatt<br />

aus<strong>zu</strong>grenzen.

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