Nr. 02 / 2011 - Die Pallottiner
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pallottiswerk // <strong>Pallottiner</strong> im Gespräch<br />
Eine Persönlichkeit, die fasziniert<br />
P. Norbert Hannappel spricht über die historischen und bleibenden<br />
Verdienste des ersten Bischofs von Kamerun, Heinrich Vieter<br />
Vieter-Kenner mit Leidenschaft:<br />
P. Norbert Hannappel<br />
Nach mehrjähriger Kleinarbeit hat P.<br />
Norbert Hannappel mit der Bearbeitung<br />
der ersten beiden Bände der »Vieter-<br />
Chronik« (siehe Seite 15) einen bisher<br />
nicht gehobenen Schatz afrikanischer<br />
Kirchengeschichte für die Öffentlichkeit<br />
und die wissenschaftliche Forschung zugänglich<br />
gemacht.<br />
Was genau fasziniert Sie an<br />
der Person des Missions-<br />
Bischofs Heinrich Vieter?<br />
Er war mutig, aber kein Abenteurer. Er<br />
war tapfer, aber kein Haudegen. Und<br />
er war fromm, aber kein Frömmler.<br />
Bischof Vieter war ein Mann seiner<br />
Zeit, aber kein Kolonialherr. Mich fasziniert<br />
seine Persönlichkeit. <strong>Die</strong>se war<br />
geprägt durch Treue, Glaube und Liebe:<br />
Treu stand er zu seinem Auftrag,<br />
aus dem Nichts heraus die katholische<br />
Kirche Kameruns zu begründen und<br />
aufzubauen. Sein überzeugter Glaube<br />
ließ ihn an seinem Auftrag festhalten:<br />
das Evangelium trotz großer finanzieller<br />
Not nach Kamerun zu bringen.<br />
Weder gesundheitliche Belastungen<br />
noch der Mangel an Mitarbeitern und<br />
deren Tod bremsten ihn aus. Seine<br />
spürbare und tatkräftige Liebe zu den<br />
Menschen Kameruns zeigte: hier handelte<br />
kein Kolonialbeamter, kein auf<br />
Gewinn ausgerichteter Kaufmann,<br />
kein mit der Macht der Gewehre ausgestatteter<br />
Kolonialoffizier, sondern<br />
ein Mann, der sich um Waisenkinder,<br />
um Kranke, um Hilflose und Arme,<br />
um Benachteiligte und um die Jugend<br />
kümmerte. <strong>Die</strong>ser Einsatz, der jeden<br />
persönlichen Vorteil missachtete,<br />
überzeugte die Menschen. Bischof<br />
Heinrich Vieter lebte die Botschaft<br />
des Evangeliums.<br />
»<strong>Die</strong> Jugend ist unsere<br />
zukunft« lautet der Titel der<br />
ersten beiden Bände. Welche<br />
Rolle spielte dieses Vieter-<br />
Zitat in der täglichen Praxis?<br />
Wie jedes Motto bündelt, so auch<br />
sein Wort: »<strong>Die</strong> Jugend ist unsere<br />
Zukunft«. Keine Frage: Sein Wirken<br />
war umfassender. Es richtete sich an<br />
den Menschen jeden Alters. Dennoch<br />
beeindruckt sein Einsatz für die jungen<br />
Kameruner: Vor dem Bau der<br />
Kirche setzte er auf den Neubau von<br />
Schulen in den neuen Missionsstationen.<br />
Wegen der großen Entfernungen<br />
ließ er einheimische Lehrer ausbilden<br />
und beauftragte sie mit dem Unterricht<br />
in den Dorfschulen. Auch das<br />
ist ein Zeichen seines Vertrauens auf<br />
die Kraft, die Verantwortung und die<br />
Fähigkeiten dieser Lehrer. <strong>Die</strong>se waren<br />
in der Regel für die Schüler die<br />
ersten Verkünder des Evangeliums.<br />
Der Aufbau eines Lehrerseminars war<br />
daher nur ein weiterer notwendiger<br />
Mosaikstein im Gesamtbild. Denn für<br />
Bischof Vieter stand außer Frage: <strong>Die</strong><br />
jungen Kameruner mussten für ihre<br />
persönliche Zukunft eine gute Ausbildung<br />
erhalten. Dazu gehörte in vielen<br />
Fällen – nach Abschluss der Schule –<br />
eine gute handwerkliche Ausbildung.<br />
Aber auch den Mädchen, die in der<br />
Kultur Kameruns häufig benachteiligt<br />
wurden, ermöglichte er durch den<br />
Einsatz von Ordensschwestern ebenfalls<br />
eine umfassende Ausbildung. So<br />
führte er sie aus der Abhängigkeit zur<br />
Selbständigkeit hin zu eigener Verantwortung.<br />
Europa <strong>2011</strong> ist in weiten<br />
Teilen zum Missionsland geworden.<br />
Was kann die Kirche<br />
hierzulande Ihrer Meinung<br />
nach von den Missionaren und<br />
Ihrer Arbeit damals lernen?<br />
Eine schwierige Frage, denn die Situation<br />
im Deutschland vor 100 Jahren<br />
lässt sich ebenso schwer mit der heutigen<br />
vergleichen wie die in der damaligen<br />
deutschen Kolonie mit dem<br />
modernen Kamerun. Ohne Frage: <strong>Die</strong><br />
Besinnung auf die eigenen Wurzeln ist<br />
für die Kirche Kameruns von großer<br />
spiritueller und pastoraler Bedeutung.<br />
Aber auch für Deutschland als »Missionsland«.<br />
<strong>Die</strong> »Chronik« wirft die<br />
Frage auf: Wie lebt in mir das Evangelium?<br />
Wie lebe ich meinen Glauben?<br />
Und welcher Glaube lebt in mir? Ein<br />
Glaube, der weitergegeben werden<br />
will? Denn die Weitergabe des Glaubens<br />
ist wohl das große Thema unserer<br />
Kirche in Deutschland: als persönliche<br />
Haltung und als Vertrauen auf<br />
den Gott, der jeden Menschen liebt.<br />
<strong>Die</strong>sen Gott in uns Menschen wach<br />
und lebendig zu erhalten, dafür sorgt<br />
Gott in erster Linie selbst, aber er gibt<br />
sich dabei auch – seit den Zeiten der<br />
Apostel – in unsere Hand. Das gilt für<br />
die Menschen in Kamerun und für die<br />
Menschen in Deutschland. Vor 100<br />
Jahren hat Bischof Heinrich Vieter diese<br />
Verantwortung gelebt. Nis<br />
12 pallottiswerk // 2/<strong>2011</strong>