Kapitalschutzreport 2013 Kapitalschutzreport 2013 - Smart Investor
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Research – Märkte<br />
Das große Bild<br />
Wenn der Staat Amok läuft<br />
Viele Entwicklungen, insbesondere in Europa, deuten darauf hin, dass<br />
die Bürger hier auf absehbare Zeit in großem Stile geschröpft werden.<br />
In Polen wird gestohlen…<br />
Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit geschah Anfang dieses<br />
Septembers im EU-Land Polen etwas sehr Bemerkenswertes: Die<br />
dortige Regierung unter Donald Tusk ließ verlauten, dass polnische<br />
Staatsanleihen, die bei in Polen ansässigen privaten Pensionsbzw.<br />
Rentenfonds liegen, konfisziert werden. Tusk nannte für<br />
diese äußerst ungewöhnliche Maßnahme folgenden Grund: Der<br />
polnische Staat wird die übernommenen Schuldpapiere mit den<br />
Staatsschulden verrechnen und somit seine Verschuldungsquote<br />
nach unten drücken. Laut Claudio Grass vom Schweizer Edelmetallhaus<br />
Global Gold passiert dies genau jetzt, weil die polnische<br />
Staatsverschuldung Ende 2012 bei knapp 53% (bezogen auf das<br />
BIP) angelangt war, bei 55% jedoch eine gesetzliche Regelung<br />
in Kraft tritt, wonach Sparmaßnahmen<br />
eingeleitet werden müssen. Durch die<br />
Enteignung der privaten Pensionskassen,<br />
die solch illustren Konzernen wie AXA,<br />
Allianz, Generali und ING zuzurechnen<br />
sind, werde sich gemäß den Worten des<br />
polnischen Finanzministers Jacek Rostowski<br />
die Schuldenquote um rund 8 Prozentpunkte<br />
verringern, was dementsprechend<br />
Polnischer Premier<br />
Donald Tusk<br />
erneutes Verschuldungspotenzial eröffnen<br />
solle. Aha!?<br />
Wenn der Staat Amok läuft<br />
Also nochmal in ganz einfachen Worten zum Mitdenken: Der<br />
polnische Staat enteignet private Fonds, die das eingezahlte Kapital<br />
von polnischen Bürgern verwalten, und senkt damit seine<br />
eigene Verschuldung. D.h. der Staat rechnet diese konfiszierten<br />
Anleihen seinem eigenen Vermögen zu, womit logischerweise die<br />
Rentenanwärter bzw. zukünftigen Pensionäre enteignet werden.<br />
Wie nennt man so etwas für gewöhnlich? Richtig: Raub 1 . Premierminister<br />
Tusk erklärt seinen Coup aber damit, dass die Renten<br />
nun sicherer seien, da sie sich ja nun in Staatsbesitz und nicht<br />
mehr bei privaten Fondsanbietern befinden. Puh! Also entweder<br />
ist eine und dieselbe Anleihe dem Vermögen einer privaten Person<br />
oder aber dem Staat zuzurechnen, aber nicht beides gleichzeitig.<br />
Kurzum: Was in Polen jüngst beschlossen wurde, hat mit Logik,<br />
mit ordnungsgemäßer Buchhaltung, mit Eigentumsgewähr und<br />
mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun. Vielmehr handelt es<br />
sich hier um einen staatlichen Amoklauf. Willkommen in der<br />
Finanziellen Repression!<br />
In and out<br />
Genauso wie die NSA/BND-Abhöraffäre zeigt dieses polnische<br />
Beispiel, dass inzwischen weder Privatsphäre noch -vermögen vor<br />
dem Zugriff des Staates sicher sind. Grund genug für uns, Möglichkeiten<br />
des Kapitalschutzes zu prüfen und sie Ihnen in unserer<br />
Titelgeschichte ab S. 6 vorzustellen. Prinzipiell muss man sich dabei<br />
zwei mögliche Extremszenarien vor Augen<br />
führen: Bail-in und Bail-out (das englische<br />
Wort „to bail“ bedeutet „bürgen“ bzw. „eine<br />
Bürgschaft leisten“). Beim Bail-out erhält<br />
ein bankrotter Schuldner (z.B. Griechenland)<br />
eine Bürgschaft von einem Dritten<br />
(z.B. Deutschland) mit guter Bonität – mit<br />
der Folge, dass sich der Schuldner weiterverschulden<br />
kann. Schlechtem Geld wird<br />
Claudio Grass,<br />
Global Gold<br />
also gutes Geld hinterhergeworfen. Da<br />
eine Erhöhung der Schuldenmenge immer<br />
auch eine Erhöhung der Geld(-vermögen-)<br />
menge bedeutet, handelt es sich hier also<br />
um einen expansiven bzw. inflationären Akt. Da im Bail-out-Szenario<br />
vermehrtes Geldvolumen auf die Realwirtschaft trifft, ist Teuerung die<br />
mittelfristige Folge. Dieses Szenario haben wir in den letzten Jahren<br />
und in den letzten <strong>Kapitalschutzreport</strong>s ausführlich dargelegt. Wird<br />
dieses „Spiel“ nur genügend weit und vehement fortgeführt, dann<br />
kommt es schließlich zu einem Crack-up-Boom – darunter versteht<br />
man eine hyperinflationäre Entwicklung bei gleichzeitigem Währungsverfall.<br />
Japan dürfte sich auf diesem Weg befinden („Abenomics“).<br />
Der Edelmetallanalyst Ronald Stöferle bezeichnet im Interview auf<br />
S. 74 das zeitgleiche japanische quantitative („Gelddrucken“) und<br />
qualitative (i.w.S. Konjunkturprogramme) Easing als monetäres<br />
Harakiri – womit wir ihm Recht geben.<br />
Unsere falsche Einschätzung<br />
Im Zeitraum 2009 bis 2011 ging <strong>Smart</strong> <strong>Investor</strong> davon aus, dass<br />
auch in Europa ein Crack-up-Boom-Szenario bevorstehen könnte.<br />
Allerdings waren hier in den letzten 12 Monaten Entwicklungen<br />
1) Technisch gesehen bleiben die Anwartschaften der Rentner bestehen,<br />
allerdings werden sie durch diesen Akt aus der expliziten (= bilanziellen)<br />
Verschuldung des Staates herausgerechnet, im Gegenzug der impliziten<br />
(= außerbilanziellen) Verschuldung hinzugerechnet. Dies ist ein Taschenspieltrick,<br />
der sich langfristig katastrophal auswirken wird, wie uns die<br />
Finanzkrise 2008 lehrt, in deren Vorfeld ebenso vorgegangen wurde.<br />
Foto Tusk: flickr / Πρωθυπουργός της Ελλάδας<br />
Foto Dr. Dombret: Deutsche Bundesbank<br />
44 <strong>Smart</strong> <strong>Investor</strong> 10/<strong>2013</strong>