Archivnachrichten Nr. 46 , März 2013 (application/pdf 2.8 MB)
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Ein eigenes Ministerium für Arbeit<br />
Wenn ein Ministerium für einen neuen<br />
Geschäftsbereich gebildet wird, bedeutet<br />
dies eine politische Akzentsetzung. Ein<br />
Arbeitsministerium gehörte nicht zu den<br />
klassischen Ressorts, war also noch nicht<br />
in den Kabinetten des 19. Jahrhunderts<br />
vertreten. Erst im Zusammenhang mit<br />
der Revolution 1918 wurde es in Württemberg<br />
eingerichtet. Die Nachkriegssituation<br />
erforderte besondere Initiativen.<br />
In großer Zahl drängten heimkehrende<br />
Soldaten in die Arbeitswelt zurück, in<br />
der Rüstungsindustrie wurden schlagartig<br />
Kräfte frei, für die Arbeitsmöglichkeiten<br />
geschaffen werden mussten. In der<br />
Provisorischen Regierung, die der Sozialdemokrat<br />
Wilhelm Blos am 11. November<br />
1918 bildete, übernahm Hugo Lindemann<br />
(SPD) die Aufgabe des ersten württembergischen<br />
Arbeitsministers.<br />
Fragen aus der Arbeitswelt waren bis<br />
dahin vor allem vom Innenministerium<br />
bearbeitet worden. Die Kompetenzen<br />
wurden nun herausgelöst und dem neu<br />
einzurichtenden Arbeitsministerium<br />
übertragen. Ihm oblag die staatliche<br />
Verwaltung in den Bereichen Industrie,<br />
Gewerbe und Handel und die Angelegenheiten<br />
des Eisenbahn-, Post-, Telegraphen-<br />
und Fernsprechverkehrs. Im<br />
Bereich der sozialen Fürsorge war es für<br />
den Arbeiterschutz, die Sozialversicherung,<br />
das Schlichtungs- und Einigungswesen<br />
und das sonstige Arbeitsrecht<br />
zuständig. Das Ministerium verfügte<br />
über Abteilungen für Arbeitsbeschaffung,<br />
für Notstandsarbeiten, für Frauenarbeit<br />
und eine Wirtschaftstechnische Abteilung<br />
(Demobilmachung). Ihm wurde<br />
eine Vielzahl von Behörden zu- und untergeordnet:<br />
das Landesgewerbeamt,<br />
das Gewerbe- und Aufsichtsamt, das<br />
Oberversicherungsamt, die Hauptfürsorgestelle<br />
der Kriegsbeschädigten- und<br />
Kriegshinterbliebenenfürsorge, das Landesamt<br />
für Arbeitsvermittlung, das<br />
Landesbrennstoffamt, das Staatliche<br />
Preis- und Schiedsamt, die Landesversicherungsanstalt<br />
und die 14 Schlichtungsausschüsse<br />
in Württemberg.<br />
Auffällig ist die hohe Ministerfluktuation.<br />
Als Hugo Lindemann im März 1919 ins<br />
Innenministerium wechselte, folgte ihm<br />
der Sozialdemokrat Alexander Schlicke.<br />
Nur bis Juli 1919 blieb er in Württemberg,<br />
dann übernahm er das Reichsarbeitsministerium.<br />
Als dritter Sozialdemokrat<br />
folgte Theodor Leipart für nahezu ein<br />
Jahr. Wilhelm Schall (DDP), der im Juni<br />
1920 antrat, war der erste Nichtsozialdemokrat<br />
im Ministerium. Als er im November<br />
1921 das Finanzressort übernahm,<br />
folgte Wilhelm Keil (SPD) für<br />
anderthalb Jahre. Seit Juni 1923 bis April<br />
1924 war der parteilose Edmund Rau<br />
Arbeitsminister, dann kam das Ministerium<br />
in den Verantwortungsbereich<br />
des Staatsministers Bazille (DNVP).<br />
In dem Maße, wie die Nachkriegsprobleme<br />
in der Arbeitswelt bewältigt wurden,<br />
relativierte sich die Bedeutung eines<br />
eigenständigen Arbeitsministeriums.<br />
Ein noch wichtigerer Faktor war, dass<br />
1919 ein Reichsarbeitsministerium gebildet<br />
worden war, das viele Initiativen und<br />
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<strong>Archivnachrichten</strong> <strong>46</strong> / <strong>2013</strong>