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Archivnachrichten Nr. 46 , März 2013 (application/pdf 2.8 MB)

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Der Landesheimathof Breithülen<br />

Ein gescheitertes Projekt südwestdeutscher Sozialpolitik in der Nachkriegszeit<br />

Villa Breithülen, Ansicht von Süden, ca. 1960.<br />

Vorlage: Landesarchiv StAS Wü 129/1 T 2 <strong>Nr</strong>. 345<br />

Um junge Menschen durch regelmäßige<br />

Arbeitsleistungen zu brauchbaren Gliedern<br />

der menschlichen Gesellschaft zu erziehen,<br />

wurde im September 1948 der<br />

Landesheimathof Breithülen gegründet.<br />

Die Staatliche Arbeitserziehungs- und Bewahrungsanstalt<br />

war als Gemeinschaftsprojekt<br />

der südwestdeutschen Länder<br />

Württemberg-Hohenzollern, Baden und<br />

Württemberg-Baden geplant. Seit dem<br />

Ende des Zweiten Weltkriegs gab es nach<br />

Ansicht der verantwortlichen Ministerialbeamten<br />

in Südwestdeutschland keine<br />

geeignete Anstalt mehr, die eine hinreichende<br />

Gewährung für die Anwendung<br />

ausreichender und zweckentsprechender<br />

Besserungsmaßnahmen für arbeitsscheue<br />

und unwirtschaftliche Personen hätte<br />

bieten können. Mit dem ehemaligen<br />

Remontedepot Breithülen auf dem Gelände<br />

des Truppenübungsplatzes Münsingen<br />

glaubte man nun, eine geeignete<br />

Einrichtung gefunden zu haben. Die<br />

landschaftliche Abgeschiedenheit und die<br />

völlige Stadtferne der ehemaligen Ausbildungsanstalt<br />

für Armeepferde erfüllten<br />

an sich schon eine bewahrende Funktion.<br />

Der Fluchtgefahr war aufgrund der Lage<br />

also vorgebeugt.<br />

Im Oktober 1948 bezogen die ersten<br />

sechs Jugendlichen den kurz zuvor von<br />

den französischen Besatzungsbehörden<br />

freigegebenen Komplex. Die meist 20–<br />

25 jungen Männer, die nach Auffassung<br />

der Fürsorgeerziehungsbehörden für<br />

normale Anstalten nicht mehr tragbar<br />

waren und für die keine Berufsausbildung,<br />

sondern nur noch Arbeitserziehung<br />

in Frage kam, sollten in der offen<br />

geführten Anstalt die serienweise Erstellung<br />

von Massengütern betreiben und<br />

eigene Gartengrundstücke bebauen. In<br />

den nachfolgenden Monaten erhöhte<br />

sich die Zahl der häufig wechselnden Insassen<br />

zwar auf knapp 30 Personen, von<br />

der Rentabilitätsgrenze allerdings blieb<br />

man weit entfernt. Die Serienproduktion<br />

von Kleingeräten versiegte bald,<br />

weil die wenigen Kooperationspartner<br />

aus der Privatwirtschaft die Turbulenzen<br />

der Währungsreform nicht überstanden.<br />

Immerhin konnten die meisten Zöglinge<br />

in der Landwirtschaft des benachbarten<br />

Gutshofs eingesetzt werden. Mangels<br />

Auslastung hinterließen sie aber einen<br />

stark verbummelten Eindruck, wie es<br />

in einem Untersuchungsbericht des Tübinger<br />

Finanzministeriums heißt.<br />

Die stets angespannte wirtschaftliche<br />

Situation des Landesheimathofs wurde<br />

durch den Ausstieg Württemberg-Badens<br />

aus dem Projekt noch verschärft.<br />

Die amerikanische Militärregierung<br />

hatte das antiquierte Konzept der Arbeitshausunterbringung<br />

für ihre Zone<br />

untersagt. Auch in Südwürttemberg<br />

wuchs der Unmut über die Erziehungsund<br />

Bewahrungsanstalt, vor allem nachdem<br />

die beschönigenden Beschreibungen<br />

in einem bestellten Zeitungsbericht<br />

wohl doch zu weit von der Realität entfernt<br />

waren. Selbst die Kündigung des<br />

Anstaltsleiters, dem Misswirtschaft und<br />

Untreue zur Last gelegt wurden, brachte<br />

keine wesentliche Verbesserung. Am<br />

30. September 1950, nur zwei Jahre nach<br />

seiner Gründung, wurde der Landesheimathof<br />

Breithülen wieder geschlossen.<br />

Franz-Josef Ziwes<br />

26<br />

<strong>Archivnachrichten</strong> <strong>46</strong> / <strong>2013</strong>

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