FILMHEFT THE FOG OF WAR - Kino macht Schule
FILMHEFT THE FOG OF WAR - Kino macht Schule
FILMHEFT THE FOG OF WAR - Kino macht Schule
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<strong>THE</strong> <strong>FOG</strong><br />
<strong>OF</strong> <strong>WAR</strong><br />
<strong>FILMHEFT</strong><br />
Ideen und Anregungen<br />
für den Unterricht
Fog of Fog War of War Seite 2<br />
Impressum<br />
Herausgeber: Kulturfiliale Gillner und Conrad, Vera Conrad,<br />
Schmellerstraße 26, 80337 München<br />
und Movienet Film GmbH,<br />
Rosenheimer Straße 52, 81669 München,<br />
www.movienetfilm.de<br />
ViSdP: Vera Conrad, conrad@kulturfiliale.de<br />
Texte zum Film: Dr. Ulrich Steller, www.textstrategie.de<br />
Texte zur methodisch-didaktischen Unterrichtsgestaltung:<br />
Karin Springer, karin.springer@gmx.net<br />
Gestaltung: Thomas Kamm, www.bruesseler-spitze.de<br />
Druck: www.Basis-Druck.de<br />
Alle Materialien in diesem Heft dürfen für den Unterricht kopiert werden.<br />
Gedruckte Filmhefte können Sie anfordern bei Movienet Film GmbH,<br />
Rosenheimer Str. 52, 81669 München, Tel.: 089-489 530 51, Fax: 089-489 530 56,<br />
Bestellformular siehe Seite 49<br />
Ansprechpartner: Michael Seidel.<br />
Die elektronische Fassung (pdf) steht unter<br />
www.movienetfilm.de zum Herunterladen bereit.
Fog of War Seite 3<br />
VORWORT<br />
Der im Jahre 2004 mit dem Oscar® ausgezeichnete Dokumentarfilm <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> ist ein wichtiges<br />
Zeitdokument über den ehemaligen US-Verteidigungsminister Robert S. McNamara. Offen und selbstkritisch<br />
reflektiert er über Kriege und Krisen, über Entscheidungen, die Hundertausenden von Menschen das Leben<br />
gekostet haben - vom Zweiten Weltkrieg bis hin zu Kuba und Vietnam. Packende historische Einsichten aus<br />
erster Hand und Zeitdokumente verbinden sich mit überlebenswichtigen Fragen zu den Herausforderungen<br />
von heute.<br />
„Wenn es einen Film gibt, den sich die militärischen und zivilen Führer - und die Bürger der<br />
ganzen Welt - in diesen trügerischen historischen Zeiten ganz genau ansehen sollten, ist es<br />
<strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong>.“ Stephen Holden, New York Times<br />
Die Kraft und Aussage von <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> fordert zu einem intensiven Dialog und zum Weiterdenken<br />
heraus. Das Filmheft möchte Sie dabei unterstützen.<br />
Die vielseitigen Anregungen für die pädagogische Arbeit mit dem Film haben Werkstattcharakter. Blättern<br />
Sie, entdecken Sie und finden Sie heraus, was für Ihren Unterricht geeignet ist.<br />
Wir wünschen Ihnen und Ihren Schülern anregende Stunden im <strong>Kino</strong> und im Unterricht.<br />
Ihre Kulturfiliale Vera Conrad<br />
und die Autoren Karin Springer und Ulrich Steller<br />
Um eine Schulvorstellung zu buchen, wenden Sie sich bitte an Ihr <strong>Kino</strong> vor Ort.
Fog of War Seite 4<br />
Fakten zum Film<br />
Regie: Errol Morris<br />
Musik: Philip Glass<br />
Kamera: Peter Donahue,<br />
Robert Chappell<br />
Schnitt: Karen Schmeer, Doug Abel,<br />
Chyld King<br />
Produzenten: Errol Morris,<br />
Michael Williams, Julie Ahlberg<br />
Besetzung: Robert S. McNamara,<br />
Errol Morris (Interviews)<br />
USA, 2003<br />
Länge: 106 Minuten<br />
OmU (Originalfassung mit deutschen Untertiteln)<br />
Freigegeben ab 6 Jahren (beantragt)<br />
Auszeichnungen:<br />
Oscar ® 2004 als „Bester Dokumentarfilm“<br />
Deutscher <strong>Kino</strong>start: 30. September 2004<br />
www.movienetfilm.de<br />
Dokumentarische Grundlage:<br />
<strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> basiert auf neuen Interviews (aufgezeichnet 2001) mit dem früheren US-Verteidigungsminister<br />
Robert S. McNamara. Ungeschnitten hat dieses Material eine Gesamtlänge von etwa 20 Stunden.<br />
Darüber hinaus verwendet <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> viele historische Film- und Tonaufnahmen, die bisher nur selten<br />
vorgeführt wurden oder gesperrt waren. Zu ihnen gehören die erst kürzlich freigegebenen Telefon-Mitschnitte<br />
aus dem Weißen Haus. Diese einmaligen Quellen lassen McNamaras Rolle im Vietnamkrieg deutlich komplexer<br />
erscheinen als früher generell angenommen.
Fog of War Seite 5<br />
Inhalt<br />
„Viele der Aspekte, über die McNamara im Film spricht, sind für das,<br />
was heute vor sich geht, von Bedeutung und es entsteht dieses<br />
surreale Gefühl, dass sich nichts geändert hat.“<br />
Regisseur Errol Morris<br />
Teil 1 Filmanalyse und Materialien zum Film<br />
Inhalt des Films auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6<br />
Filmische Mittel 1: Die elf Lektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8<br />
Filmische Mittel 2: Das inszenierte Dokument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10<br />
Filmische Mittel 3: Menschen, Bilder, Emotionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 12<br />
Filmfachbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14<br />
Film-Memo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16<br />
Das Treffen bei Castro: Eine Sequenzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18<br />
Krieg und Frieden, oder: Was können wir lernen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 19<br />
Vietnam - ein amerikanisches Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 21<br />
Teil 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung<br />
Fächerbezogene Anknüpfungspunkte des Films auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 22<br />
Methodisch-didaktische Anregungen (Einleitung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 27<br />
Geschichte verstehen<br />
Vorbereitung auf den Filmbesuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 28<br />
Zentrale historische Ereignisse im Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 30<br />
Der Film als historische Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 31<br />
Historische Dokumentarfilme - ein Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 32<br />
Selbst als Geschichtsforscher aktiv werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 33<br />
Aktuelle Bezüge in der Gegenwart entdecken<br />
Die Schlüsselfrage im Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 34<br />
Die Botschaft des Films . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 35<br />
Die Strategie der Rechtfertigung auf dem Prüfstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 37<br />
Aus der Geschichte lernen<br />
Den Film weiterdenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 38<br />
Demokratie gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 39<br />
Teil 3 Materialien<br />
Historischer Abriss: Der Krieg in Vietnam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 40<br />
Historische Fakten und Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 41<br />
Bestellformular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 49<br />
Zum Weiterlesen - und Weiterschauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 50
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 6<br />
Inhalt des Films auf einen Blick<br />
<strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> ist der Rückblick eines Mannes mit einer faszinierenden, einzigartigen Lebensgeschichte.<br />
Jahrelang stand Robert S. McNamara im Zentrum der Macht - in dem blutigsten, kriegerischsten und gefährlichsten<br />
Jahrhundert, das die Menschheit bislang erlebt hat. Insbesondere war er als Verteidigungsminister<br />
von Anfang an für das Eingreifen der USA in Vietnam mitverantwortlich.<br />
Der Titel des Films verdankt sich einer englischen Redewendung: Im Krieg, so der Kern dieses Ausdrucks,<br />
hüllen sich die tatsächlichen Ereignisse in Nebel. Auch den Befehlshabern bleibt oft Wesentliches verborgen.<br />
Der Krieg zwingt sie ständig, folgenreiche Entscheidungen zu treffen; zugleich entzieht er ihnen die vernünftigen<br />
Grundlagen für ein verantwortliches Handeln.<br />
McNamara rechnet engagiert und schonungslos mit anderen und mit sich selbst ab. An keiner Stelle des<br />
Films inszeniert er sich als Held. Er analysiert tragische militärische Entscheidungen und Situationen, bei<br />
denen um Haaresbreite eine nukleare Eskalation abgewendet werden konnte. In detaillierten persönlichen<br />
Erinnerungen und aus der Sicht der Verantwortlichen lässt er die Bombenangriffe auf Japan im Zweiten Weltkrieg,<br />
die Kubakrise und den Beginn des Vietnamkriegs Revue passieren.<br />
Gerade weil McNamara eine so herausragende und umstrittene Rolle in so zentralen Konflikten des 20. Jahrhunderts<br />
gespielt hat, provozieren seine Thesen: In militärischen Dingen - und sie entscheiden über die<br />
Zukunft der Menschheit - müsse man Böses grundsätzlich in Kauf nehmen. Ob jemand als Kriegsverbrecher<br />
gilt, hänge daher wesentlich davon ab, wer den Krieg gewinnt. Die Menschheit steuere, vielleicht sogar<br />
unausweichlich, in eine Katastrophe. Denn die militärische Macht wächst, und jeder Fehler kann verhängnisvolle<br />
Folgen haben. Weltweit.<br />
Regisseur Errol Morris bebildert die Erzählungen, Argumente und Thesen McNamaras filmisch mit weitgehend<br />
unbekanntem Archivmaterial. So führt er die historischen Ereignisse in einer unverbrauchten Sichtweise<br />
vor, und als Zuschauer erleben wir auch bekannte Fakten noch einmal neu. Das <strong>macht</strong> uns bereit für<br />
eine Auseinandersetzung mit der harten Kost, die uns Robert S. McNamara zumutet. Wir entdecken in jeder<br />
Tageszeitung brandaktuelle Bezüge zu den gegenwärtigen Konflikten. Und der „Nebel des Krieges“, so<br />
könnte man paradoxerweise meinen, lichtet sich für einen Moment vor unseren privilegierten Augen.
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 7<br />
Robert Strange McNamara:<br />
biografische Daten<br />
1916 geboren in San Francisco,<br />
Kalifornien<br />
1939 Abschluss und Lehrtätigkeit in<br />
Harvard (Wirtschaftswissenschaften);<br />
Oberstleutnant der US-Luftwaffe,<br />
organisiert B-29-Bomberstaffeln<br />
1946 geht zur Ford Motor Company;<br />
ab 1957 im Vorstand<br />
1960 November: Präsident der Ford Motor<br />
Company,<br />
Dezember: Verteidigungsminister<br />
unter John F. Kennedy<br />
1961 unterstützt mit seinem Präsidenten<br />
die „Invasion in der Schweinebucht“<br />
1962 Kubakrise; bereitet Luftangriffe und<br />
Einmarsch in Kuba vor<br />
1963 nach Kennedys Tod wieder<br />
Verteidigungsminister unter<br />
Lyndon B. Johnson; leitet das stärkere<br />
militärische Eingreifen in Vietnam<br />
1967 will Friedensverhandlungen für<br />
Vietnam einleiten<br />
1968 verlässt das Pentagon und wird<br />
Präsident der Weltbank<br />
1981 zieht sich ins Privatleben zurück,<br />
tritt ab sofort als Rüstungskritiker<br />
hervor<br />
1995 veröffentlicht sein Memoirenbuch<br />
„In Retrospect“ (Vietnam: das<br />
Trauma einer Welt<strong>macht</strong>)<br />
2001 gibt Errol Morris Interviews<br />
für den Film <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong><br />
11 Lektionen aus dem Leben des<br />
Robert S. McNamara - zusammengestellt von Errol<br />
Morris, der seinen Film nach dieser Abfolge aufgebaut hat:<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
Versetze dich in deinen Feind<br />
(Empathize with your enemy)<br />
Vernunft wird uns nicht retten<br />
(Rationality will not save us)<br />
Es gibt etwas, das über uns steht<br />
(There’s something beyond one’s<br />
self)<br />
Maximiere deine Wirksamkeit<br />
(Maximize efficiency)<br />
Eine Richtlinie im Krieg sollte Verhältnismäßigkeit<br />
sein (Proportionality<br />
should be a guideline in<br />
war)<br />
Hol dir die Fakten (Get the data)<br />
Glauben und Sehen sind oft<br />
falsch (Belief and seeing are both<br />
often wrong)<br />
Sei bereit, deine Argumente nochmals<br />
zu überprüfen (Be prepared<br />
to reexamine your reasoning)<br />
Um Gutes zu tun, kann es notwendig<br />
sein, sich auf das Böse<br />
einzulassen (In order to do good,<br />
you may have to engage in evil)<br />
Sag niemals nie<br />
(Never say never)<br />
Du kannst die menschliche<br />
Natur nicht verändern (You<br />
can’t change human nature)
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 8<br />
Filmische Mittel 1: Die elf Lektionen<br />
Die strukturelle Grundlage von <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> bilden elf Lektionen, die der Regisseur aus dem Leben<br />
McNamaras zieht. Sie erscheinen, einzeln herausgehoben, als Insert-Texte zwischen den Filmbildern; die<br />
meisten hören wir auch als wörtliche Zitate in den Interviews. Am Ende schließt sich der Kreis mit dem<br />
Gedanken „aus Fehlern lernen“, der den Einstieg bildete.<br />
Die Lektionen gliedern sich in fünf Feststellungen und sechs Aufforderungen. Inhaltlich sind sie recht unterschiedlich,<br />
ja sogar widersprüchlich. Die Spannungen treten noch deutlicher zutage, wenn man die Lektionen<br />
nach Feststellungen und Aufforderungen anordnet:<br />
Feststellungen<br />
Aufforderungen<br />
2 Vernunft wird uns nicht retten<br />
3 Es gibt etwas, das über uns steht<br />
7 Glauben und Sehen sind oft falsch<br />
9 Um Gutes zu tun, kann es notwendig<br />
sein, sich auf das Böse einzulassen<br />
11 Du kannst die menschliche<br />
Natur nicht verändern<br />
1 Versetze dich in deinen Feind<br />
4 Maximiere deine Wirksamkeit<br />
5 Eine Richtlinie im Krieg sollte Verhältnismäßigkeit sein<br />
6 Hol dir die Fakten<br />
8 Sei bereit, deine Argumente nochmals zu überprüfen<br />
10 Sag niemals nie<br />
Die elf Sätze mögen uns vage vertraut, einige sogar populär erscheinen („Never Say Never Again“ / „Sag<br />
niemals nie“ ist beispielsweise der Titel eines James-Bond-Films von 1983). Doch die beeindruckende<br />
Lebensgeschichte und die Präsenz von Robert S. McNamara vor der Kamera verleiht den Maximen große<br />
Eindringlichkeit. Bereits seine ersten Worte machen klar, dass er von nichts Geringerem spricht als vom<br />
Überleben der Menschheit.<br />
Um so provozierender wirken die vielen Widersprüche zwischen den Lektionen: Versetze dich in deinen Gegner<br />
hinein, aber Rationalität wird uns nicht retten. Im Krieg musst du auch böse Mittel nutzen, aber beachte<br />
die Verhältnismäßigkeit. Du kannst die Natur des Menschen nicht ändern, aber sei bereit umzudenken, und<br />
sag niemals nie ...
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 9<br />
Weit davon entfernt, McNamaras Überzeugungskraft zu schmälern, funktionieren diese Spannungen als effizienter<br />
Motor des Films. Sie ziehen den Zuschauer ins Geschehen, sie aktivieren Einspruch oder Zustimmung.<br />
Gerade dieses Potential an Widerspruch bildet den roten Faden in <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong>. Dieser Film lässt<br />
sich nicht unbeteiligt konsumieren. An den Widersprüchen entlang suchen wir als Zuschauer, durch all die<br />
bewegenden und faszinierenden Bilder und Dokumente hindurch, unsere Orientierung. Nach dem Film nehmen<br />
wir das Bedürfnis mit, sie im aktuellen Leben zu finden.<br />
Fragen:<br />
q Lassen sich die elf Lektionen aus dem Leben McNamaras zusammenfassen - zu drei, zwei oder zu einer<br />
einzigen Kernaussage? Wie könnte eine solche Lektion aller Lektionen lauten?<br />
q Mit dem Epilog distanziert sich der Film behutsam von seinem Protagonisten. Welche unausgesprochene<br />
Lektion des Regisseurs steckt in diesem Schluss?<br />
q Was für andere Lösungen wären als Ende des Films denkbar, und welche Akzente würden sie setzen?
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 10<br />
Filmische Mittel 2: Das inszenierte Dokument<br />
McNamaras Persönlichkeit steht für den Kern der starken und komplexen Wirkung, die dieser Film entfaltet.<br />
Seine Ausführungen haben höchsten dokumentarischen Wert. <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> unterstützt die Überzeugungskraft<br />
McNamaras durch ein vielschichtiges Zusammenspiel von Wort und Bild, von Argumenten und<br />
Belegen. Unter den aufwändig zusammengestellten Bildern, Filmen, Tonaufnahmen sind etliche reizvolle<br />
Funde - beispielsweise eine Titelseite der Detroit Times mit Schlagzeilen zu John F. Kennedy (der neue Präsident),<br />
McNamara (wird Chef von Ford) und Richard Nixon (in Kalifornien geschlagen).<br />
Dokumente und Montagesequenzen verbinden sich mit den Interviewausschnitten nahtlos zu einer Einheit. In<br />
der Episode um den 27. Oktober 1962 hören wir Kennedy vom Tonband gleichsam „wiederholen“, was<br />
McNamara berichtet. Sorgsam ausgewählte Fotos zeigen die für die Handlung wichtigen Personen so, als<br />
wollten sie im Film „mitspielen“. Der notorische Falke LeMay dreht sich mit finsterem Gesichtsausdruck in<br />
Zeitlupe zur Kamera. Immer entsteht die Illusion, als seien wir im historischen Moment live dabei.<br />
Doch <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> ist mehr als nur die Fortführung von McNamaras Worten mit filmischen Mitteln. Aus<br />
etwa 20 Stunden Originalinterviews kommen nur etwa 10 % zum Einsatz; Schnitt und Montage entscheiden<br />
außerdem, was der Zuschauer von diesem Material sieht oder nur hört. Die Gewichtung der persönlichen<br />
und historischen Themen sowie der Aufbau des Filmes zeigen die gestalterische Arbeit des Regisseurs und<br />
seines Teams. Auch die Lehrsätze, wenngleich sie großenteils aus Zitaten bestehen, sind in ihrer fertigen<br />
Form, Auswahl und Anordnung sein Werk.<br />
Dass der Film Position bezieht, zeigt sich vielleicht am deutlichsten in der Schluss-Sequenz. McNamara<br />
spricht vom „Nebel des Krieges“ - Vietnam sei zu komplex, und es sei gefährlich, wenn er mehr darüber<br />
sage. Während er sich auf diese Weise weiteren Fragen entzieht, sehen wir ihn nicht mehr im Studio, sondern<br />
beim Autofahren; seine Stimme kommt durchs Telefon. Am Ende entfernt er sich in Rückenansicht von<br />
der Kamera: eine behutsame Distanzierung auf Gegenseitigkeit.<br />
Fragen:<br />
q An welchen Stellen im Film spielt die Suche nach Rechtfertigung für das eigene Handeln eine Rolle?<br />
q Hat der Abgeordnete Recht, der McNamara einmal „Mister Ich-habe-alle-Antworten“ nannte?<br />
q Was bedeutet es, dass in <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> ausschließlich McNamara zu Wort kommt?<br />
q Welche anderen historischen Persönlichkeiten hätten etwas beizutragen - für oder gegen McNamaras<br />
Version der Geschichte?
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 11<br />
Zu den Quellen<br />
<strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> ist kein Kompilationsfilm im engeren Sinn, präsentiert jedoch eine Fülle von unterschiedlichem<br />
Material. Hier eine Übersicht über die wichtigsten Kategorien:<br />
1. Historisches Material<br />
Fotos:<br />
Familienfotos und andere historische Aufnahmen von<br />
Robert S. McNamara, aus dem Kabinett Kennedy,<br />
Luftaufnahmen Kuba, Oral-History-Treffen (1990er<br />
Jahre) u.a.<br />
Filmmaterial:<br />
Ende des Ersten Weltkriegs, Depressionszeit (1930er<br />
Jahre) in den USA, Zweiter Weltkrieg, Kubakrise, Vietnamkrieg<br />
u.a.<br />
Tondokumente:<br />
Telefongespräche (Kennedy, Johnson), Kennedy-Rede,<br />
Funkverkehr des Zerstörers u.a.<br />
Medien:<br />
Fernsehinterviews (CBS), Titelseiten von Zeitungen<br />
und Magazinen, militärisches Propagandamaterial,<br />
Kriegsberichterstattung, alte Animationssequenzen<br />
Originale:<br />
Lehrbücher, Statistiken (Bombenkrieg gegen Japan,<br />
Ford, Vietnam), Berichte; altes Radio, Tonbandgeräte<br />
u.a.<br />
2. Pseudo-historisches (nachgedrehtes)<br />
Material<br />
Episode im Golf von Tongking, wenige Tage nach dem<br />
Ereignis gedreht: an Bord, Sonarexperten, Torpedo.<br />
3. Neues Material<br />
Interviews mit Robert S. McNamara<br />
Filmaufnahmen:<br />
Autofahrt (Schluss-Sequenz), laufende Tonbänder u.a.<br />
Montage-Sequenzen:<br />
der japanische Bahnhof (Zeitlupe, Zeitraffer)<br />
Animierte Sequenzen:<br />
die Dominosteine auf der Landkarte<br />
Inserts:<br />
11 Lehrsätze, Zwischentitel
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 12<br />
Filmische Mittel 3:<br />
Menschen, Bilder, Emotionen<br />
<strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> enthält kreative Elemente, die dem Auftritt McNamaras und historischen Dokumenten neue<br />
Dimensionen hinzufügen. Musik, eigenständige Filmmontagen und Bilder mit Symbolfunktion schaffen ein<br />
Ganzes, das mehr ist als die Summe von historischen Fakten.<br />
Allem voran gibt die Musik den Ton an. Sie verbindet Sequenzen zu kleinen Erzählungen, hebt zentrale Passagen<br />
hervor und schafft Stimmungen. So wirken die alten Aufnahmen aus der Rüstungsfabrikation durch die<br />
neue Musik wie ein verfremdeter Stummfilm à la MODERN TIMES. Philip Glass’ kreisende, eindringliche Kompositionen<br />
mit ihren Minimal-Variationen führen das Getriebe der Kriegsvorbereitungen als unvermeidlich<br />
ablaufenden Mechanismus vor. Zugleich hebt der elegisch schwebende Charakter dieser Musik das Filmgeschehen<br />
in eine schicksalhafte Dimension, sie bewegt und provoziert - ein Verfahren, das der Komponist seit<br />
KOYAANISQATSI (1983; Regie: Godfrey Reggio) mit großem Erfolg einsetzt.<br />
Eine erkennbare Verwandtschaft zu diesem einflussreichen Kultfilm der 1980er Jahre zeigen auch die traumähnlichen<br />
Montagen, mit denen Morris McNamaras Erzählungen an einigen Stellen unterbricht und kommentiert.<br />
Wir sehen eine Menschenmenge in starkem Zeitraffer durch einen Bahnhof hasten. Überblendet wird<br />
das chaotische Pulsieren mit Bildern von Menschen, die sich in extremer Zeitlupe bewegen. Ergebnis ist eine<br />
surreale Verdichtung, die das zerbrechliche Individuum und die Zeit selbst sichtbar zu machen scheint. Das<br />
Dokumentarische schlägt an diesen Stellen um in reinen künstlerischen Ausdruck.<br />
Die Dominos Ein zentrales Bild des Films sind die Spielsteine. Plakativ über einer Landkarte Südostasiens<br />
aufgereiht, stehen sie sinnbildlich für die im Kalten Krieg entstandene „Dominotheorie“ zur Ausbreitung des<br />
Kommunismus: Wenn ein Stein kippt, fallen alle. Großaufnahmen, Zeitlupe und hallende Aufschlaggeräusche<br />
unterstreichen die sprichwörtliche Notwendigkeit der Ereignisse. Der Blick „zu ebener Erde“ an der Dominoreihe<br />
entlang öffnet durch geringe Schärfentiefe dramatisch den Raum, betont die Dimension des Geschehens<br />
und spielt auf die Unabsehbarkeit der Folgen an.<br />
Doch das Bild ist noch komplexer. Die Zeitlupe enthält bereits einen gegenläufigen Aspekt: Können wir das<br />
Fallen nicht verlangsamen, möglicherweise stoppen? In einer Sequenz laufen die Bilder dann tatsächlich<br />
rückwärts, wie schon einmal bei dem Torpedo, den es in Wirklichkeit nicht gab. Hier wird die ursächliche<br />
Verknüpfung selbst durchbrochen, der Blick wird frei für andere Möglichkeiten. Wissenschaftlich lässt sich<br />
McNamaras Frage „Was-wäre-geschehen-wenn ...“ nicht untermauern - als moralischer Denkanstoß ist sie<br />
legitim und wirkungsvoll. Die Dominos symbolisieren seinen Appell, über das Wirkliche, das Mögliche und<br />
das Notwendige nachzudenken und verantwortlich zu handeln.<br />
Die Rolle der Zahl Zahlen sind allgegenwärtig in <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong>. In allem, was McNamara tut, stützt er<br />
sich auf Zahlen und ihre Gesetze: bei der Auswahl der Besten für die Luftwaffe, bei der Analyse der Bombereinsätze,<br />
bei der Sanierung von Ford, bei den Unfallanalysen, als cleverer Verteidigungsminister und sicher
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 13<br />
auch als Chef der Weltbank. McNamara glaubt an die Macht der Zahl. Abstraktion und Logik allein scheinen<br />
ihm optimale Effizienz zu garantieren - unabhängig davon, wie die konkrete Aufgabe lautet.<br />
Lehrsatz Nr. 6 fasst diesen Glauben an die Mathematik zusammen, denn „Fakten holen“ bedeutet in erster<br />
Linie „Daten beschaffen“. Ein Symbol für dieses mathematische Erfassen der Welt ist die Lochkarten-Sortiermaschine,<br />
ein mechanischer Vorläufer der elektronischen Datenbanksysteme. Bezeichnend auch die optische<br />
Ähnlichkeit der vielen Statistiken, die der Film zeigt - die Methoden sind in allen Bereichen die gleichen.<br />
Besonders eindrucksvoll erscheint die führende Rolle der Mathematik im Bild der wie Bomben abgeworfenen<br />
Ziffern: Was zündet, ist die Zahl, und sie entfaltet vernichtende Sprengkraft.<br />
Der Wert des Individuums Doch Zahlen sind Platzhalter, und die statistische Methode beruht auf Abstraktion<br />
und Ersetzbarkeit. Die große Frage ist daher: Was geschieht mit dem Individuum? Fällt es nicht schon<br />
der Betrachtungsweise zum Opfer, bevor die erste Bombe einschlägt? Lehrsatz Nr. 5 will die Moral durch<br />
Verhältnismäßigkeit sichern. Aber McNamara fühlt sich mit dem Problem offensichtlich unwohl. Die Frage<br />
nach den 100.000 Toten von Tokio kontert er mit der fiktiven Gegenfrage des Hardliners LeMay: Hätte er<br />
statt der japanischen Zivilisten seine Soldaten opfern sollen?<br />
In der Tat kreisen die Überlegungen des Pessimisten McNamara um die Warnung, dass der Krieg alle überrollt.<br />
Niemand, so zeigt <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> für ihn, hält das Kriegsgeschehen unter Kontrolle, nicht einmal so<br />
mächtige Individuen wie John F. Kennedy. Von verhängnisvollen Fehlern ganz zu schweigen. Um so eindringlicher<br />
gerät McNamaras Appell an Moral und Verantwortung. Ein Widerspruch, aber ein sehr fruchtbarer - und<br />
vielleicht das Einzige, was uns retten kann.<br />
Fragen:<br />
q Welche Szenen sind mit Musik unterlegt? Wie lassen sich die Stimmungen beschreiben, die diese Musik<br />
hervorruft?<br />
q Der Filmbeginn zeigt Marinesoldaten, die Ferngläser aufs Meer richten. Welche Funktion haben diese Einstellungen?<br />
q McNamara verlangt, jede Erkenntnis zu prüfen (Lehrsatz Nr. 7). Bei welchen Themen hat er dies selbst<br />
beherzigt?<br />
Nachgefragt: nachgedreht!<br />
Golf von Tongking, 1964. Der vorgebliche Angriff auf zwei US-Schiffe markiert den Beginn des Vietnamkrieges.<br />
<strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> zeigt Material aus dem Nationalarchiv - Szenen, die das US-Militär kurz nach den<br />
Zwischenfällen nachgestellt hat.<br />
Auschwitz, 1945. Russische Soldaten befreien das Konzentrationslager. Tage danach „befreien“ sie es<br />
erneut, vor laufenden Kameras.<br />
Bei Bagdad, 2003. Ein Spezialkommando rettet eine verletzte US-Soldatin. Die als Heldin heimgekehrte<br />
Jessica Lynch gibt wenig später bekannt, die Aktion sei in wesentlichen Teilen inszeniert gewesen.
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 14<br />
Film-Fachbegriffe<br />
Animationsfilm<br />
Oberbegriff für Filme, die Gegenstände beleben oder erzeugen (umgangssprachlich „Trickfilm“). Klassische<br />
Grundtechniken wie Zeichentrick, Legetrick und Puppentrick arbeiten mit Einzelbild-Schaltung. Heute spielen<br />
im A., wie bei der D Postproduktion, Computer eine große Rolle, und oft werden mehrere Techniken kombiniert.<br />
Bildausschnitt<br />
Sicht aufs Objekt („Entfernung“) - die Auswahl reicht von Detail- und Naheinstellung über die Großaufnahme<br />
(Close-up) bis zur Totalen und Panoramaeinstellung; vgl. D Kamera-Standpunkt.<br />
Dokumentarfilm<br />
Filmische Darstellung, die Ausschnitte der geschichtlichen oder gegenwärtigen Realität abbildet oder<br />
untersucht. Akteure sind Menschen, Orte, Situationen, die mit der erzählten Geschichte übereinstimmen.<br />
Kritisch diskutiert wird die „Authentizität“ im D.<br />
Einstellung<br />
1. (Gedrehtes Material:) Einzelne Aufnahme, deren Kontinuität nicht unterbrochen ist; Grundeinheit für die<br />
Filmmontage.<br />
2. (Kameraführung:) Oberbegriff für Bildausschnitt, Kamera-Standpunkt und -Bewegung.<br />
Essay-Film<br />
Dialektischer, meist nicht narrativer Film, der ein Thema subjektiv und in unterschiedlichen Ansätzen abhandelt.<br />
Der E. verwendet literarische Sprache, primär ist jedoch die Bildebene und die Verbindung Wort-Bild; oft<br />
wird dabei das Medium Film selbst reflektiert.<br />
Insert<br />
In den Film eingeschnittene (D Schnitt) wichtige Information. Realisiert wird das I. als reiner Text (Zwischentitel)<br />
oder durch Zeigen eines sinntragenden Gegenstands (meist Schlagzeile, Tagebucheintrag o. Ä.).<br />
Kamera-Standpunkt<br />
Position und Blickrichtung der Kamera, bezogen auf die als normal empfundene Horizontale. Beispiele:<br />
Vogelperspektive, Aufsicht, Augenhöhe, Untersicht, Froschperspektive.<br />
Kompilationsfilm<br />
Aus überwiegend fremdem Originalmaterial montierter Film (auch „Archivfilm“). Der K. dient oft dazu, historische<br />
Ereignisse und ihre Darstellung aufzuarbeiten.
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 15<br />
Montage<br />
Die ästhetische Seite des Schnitts - die theoretisch und ästhetisch begründete Anordnung der Einstellungen<br />
im Film. „Schnitt“ und „Montage“ werden auch oft gleich bedeutend verwendet.<br />
Postproduktion<br />
Die Herstellungsphase zwischen dem Ende der Dreharbeiten und dem Ziehen der <strong>Kino</strong>kopien. Zur P. gehören<br />
beispielsweise der Schnitt und umfangreiche Möglichkeiten der digitalen Nachbearbeitung (auch bei Sequenzen<br />
ohne offenkundige Spezialeffekte).<br />
Schärfentiefe<br />
1. (= Schärfenbereich) Räumliche Tiefe des als scharf wahrnehmbaren Bildbereichs einer Einstellung (1),<br />
z. B. vor unscharfem Hintergrund.<br />
2. (= Deep Focus; Stilmittel) Scharfe Darstellung des gesamten Bildbereichs, vom Vordergrund bis zum<br />
Hintergrund.<br />
Schnitt<br />
1. (Projektion:) Harter Übergang zwischen zwei Einstellungen (1); das erste Bild von Einstellung B folgt direkt<br />
dem letzten Bild von Einstellung A, D Überblendung.<br />
2. (Filmherstellung:) Arbeitsphase, in der das gedrehte Material ausgewählt und zusammengesetzt wird.<br />
Sequenz<br />
Eine Folge von inhaltlich zusammenhängenden D Einstellungen (1), die einen (mehr oder minder abgrenzbaren)<br />
Abschnitt innerhalb des Films bilden.<br />
Überblendung<br />
Kombination von Ab- und Aufblende, durch die ein sanfter Übergang zwischen zwei Einstellungen entsteht;<br />
vgl. D Schnitt.<br />
Voice-over<br />
Gesprochener Kommentar, der nachträglich über den Filmton gelegt wird.<br />
Zeitlupe<br />
Effekt eines langsameren, gedehnten Zeitablaufs. Zeitlupe erreicht man meist durch „Überdrehen“,<br />
d. h. Aufnahme mit mehr als den üblichen 24 Bildern pro Sekunde.<br />
Zeitraffer<br />
Effekt eines rascheren, gerafften Zeitablaufs. Zeitraffer erreicht man meist durch „Unterdrehen“,<br />
d. h. Aufnahme mit weniger als den üblichen 24 Bildern pro Sekunde.<br />
Zwischentitel<br />
Informationstext, der zwischen die Handlung eingeschnitten ist; s. D Insert.
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 16<br />
Film-Memo<br />
GA = Großaufnahme, Ü = Überblendung(en), VO = Voice-over, ZL = Zeitlupe, ZR = Zeitraffer, ZT = Zwischentitel,<br />
HF = historische Filmaufnahme(n), HP = historische(s) Foto(s), HT = historische Tonaufnahme(n),<br />
McN = McNamara in historischen Aufnahmen, M = (Aussage von) McNamara heute, im Interview.<br />
Zeitangaben in Minuten:Sekunden.<br />
(00:00) Prolog<br />
McN vor Pressekonferenz, Marinesoldaten vor Einsatz. M: Ich weiß, was ich sagen will ... Wir müssen aus<br />
Fehlern lernen. HF aus dem Flugzeug, Marinetruppen. HF: Kriegsszenen; Flugzeug wird abgeschossen. HF:<br />
CBS-Report „McNamara und das Pentagon“ stellt McN vor. ZT: 1962. Inserts: HP von McN in den Medien,<br />
kontrovers kommentiert. HF: McN erklärt Kennedys Tafel mit den 13 Tagen der Kubakrise.<br />
(06:50) ZT: Lehrsatz Nr. 1: Versetze dich in deinen Feind<br />
Düstere Musik, Luftaufnahmen Kuba, Raketenverstecke. Historische Titelseiten zur Seeblockade. Laut CIA<br />
waren nukleare Sprengköpfe nicht installiert. HF: Mobilisierung. Gewaltiger Luftschlag geplant. HT: Kennedy:<br />
Was ist in den nächsten 24 Stunden zu tun? McN: Einsatzplan; Konsequenzen bedenken. M: Kennedy wollte<br />
Krieg verhindern ... LeMay wollte Kuba ausradieren. HF (ZL): LeMay guckt finster. GA: Telexmaschine; die<br />
zwei Chruschtschow-Nachrichten. Berater Thompson rät, Chruschtschow einen Ausweg anzubieten, HF (ZL):<br />
Chruschtschow wettert. M: Klug handeln, sonst droht Vernichtung. Eine Rakete geht in Position.<br />
(14:35) ZT: Lehrsatz Nr. 2: Vernunft wird uns nicht retten<br />
M: Es war nur Glück. Menschen am Bahnhof, Ü aus ZR- und ZL-Aufnahmen. Erst 1992 erfährt M von den<br />
Sprengköpfen auf Kuba. HF: Jägerstaffel schießt Jet ab. M (VO): Kennedy sagte, wir haben gewonnen. HF:<br />
LeMay bei Flugparade. M: LeMay sagte, ausradieren sollten wir sie, (lacht bitter). HF: Raketenfabrik. HF: Die<br />
100 Megatonnen-Bombe. M (VO): Was wollen wir im 21. Jahrhundert? HF: Feuerball erleuchtet Cockpit. ZT:<br />
1918. HP: McN als Kind, HF: Jubelnde Menge. Wilson und der Krieg, der alle Kriege beendet. HF: Wilson,<br />
Grippeepidemie. HF (Fernsehinterview): McN ein arroganter Besserwisser? HF: Ausschreitungen in den<br />
1930ern. M fasziniert vom Philosophieunterricht.<br />
(25:05) ZT: Lehrsatz Nr. 3: Es gibt etwas, das über uns steht<br />
Logik und Ethik, (Inserts:) Logik- und Ethiklehrbücher, M (VO): Es ging um höhere Werte, Verantwortung. HP:<br />
Studentenbilder, das junge Paar. HF: Rüstungsindustrie. HF: Statistiken, IBM-Sortiermaschine. HF: Angeschossener<br />
Bomber, hohe Verlustrate, Piloten hatten Angst. HF: Pilot rettet sich mit Schleudersitz. LeMay<br />
greift durch, HF: LeMay rauchend. Altes Radio, Roosevelt mobilisiert gegen Japan.<br />
(30:40) ZT: Lehrsatz Nr. 4: Maximiere deine Wirksamkeit<br />
HF: B-29-Bomber, die Landebahn in China; LeMay zählt nur die Treffer. HF: Bomben auf Japan - alter Animationsfilm;<br />
Bomberstaffeln starten. 100.000 Zivilisten sterben in Tokio. HF: Tokio brennt. M: Ich war Teil eines<br />
Mechanismus. Animation: Zahlen als Bomben. HP: Tokio aus der Luft; HF: Bombereinsatz; animiertes Foto.<br />
Die Brandbomben. HF: LeMay; Tokio brennt.<br />
(39:30) ZT: Lehrsatz Nr. 5: Eine Richtlinie im Krieg sollte Verhältnismäßigkeit sein<br />
Sind Brandbomben unmoralisch? Die 67 zerbombten japanischen Städte. Japanische Straßenszene,
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 17<br />
Montage ZR & ZL. Gibt es Kriegsregeln? HF, ZL: LeMay geht durch die Landschaft. M: Wenn wir verloren hätten,<br />
wären wir jetzt Kriegsverbrecher (schaut 20 Sek. stumm in die Kamera). Dominos auf der Landkarte<br />
stürzen um. ZT: 1964. Tonband, Johnson - McN. Dominos fallen. Vietnam, eine schwierige Frage; erst über<br />
Ford sprechen. 1945, HF: Produktion bei Ford.<br />
(48:45) ZT: Lehrsatz Nr. 6: Hol dir die Fakten<br />
Marktforschung. HF: Ford-Werbefilme. Unfallstatistiken. Die Leute verpacken: Fall-Tests, der Sicherheitsgurt.<br />
McN wird Präsident von Ford; kurz darauf Verteidigungsminister. ZT: 1963. HT: McN empfiehlt Rückzug aus<br />
Vietnam. HF: Umsturz in Vietnam; HF (ZL): Kennedy stumm am Tisch, faltet die Hände. M berichtet, den Tränen<br />
nahe, wie er Kennedys Grabstätte aussuchte. HF: LBJs Ansprache als neuer Präsident. Tonband, LBJ<br />
bedrängt McN: kein Wort von Rückzug. HF: Goldwater im Wahlkampf: Wir führen Krieg.<br />
(65:17) ZT: Lehrsatz Nr. 7: Glauben und Sehen sind oft falsch<br />
Die Maddox im Golf von Tongking. HF: Torpedo startet, Funkverkehr, Verwirrung; Präsident unter Druck, US-<br />
Bombenangriffe, Resolution. HF: Torpedeo rückwärts - der Angriff fand nicht statt. Dominos fallen (ZL, GA).<br />
Wir sehen, was wir glauben wollen. HP: Luftaufnahmen. HF: Rolling Thunder. LBJ: Amerika gewinnt seine Kriege.<br />
Das Missverständnis Kalter Krieg - Unabhängigkeitskrieg. Das Treffen 1995 in Vietnam, HP: Thach,<br />
geballte Faust, mit McN am Tisch.<br />
(80:20:) ZT: Lehrsatz Nr. 8: Sei bereit, deine Argumente nochmals zu überprüfen<br />
Ü aus ZL und ZR: Straßenszene. Amerika sollte keine Alleingänge unternehmen - besser die Sache überdenken.<br />
HF: Nachrichtensprecher, Gefallenenstatistik. HP: Statistiken, Fotos von Toten, rasante Schnitte, düstere<br />
Musik. HF: McN erklärt Kampfhandlungen, fährt im Panzer. Was ist im Krieg moralisch? Beispiel Agent<br />
Orange.<br />
(85:08) ZT: Lehrsatz Nr. 9: Um Gutes zu tun, kann es notwendig sein, sich auf das Böse einzulassen<br />
Quaker Morrisons Selbstmord. Böses kann notwendig sein - aber nur ein Minimum. Krieg ist grausam. HP:<br />
Demonstrationen 1967, Marsch auf das Pentagon. HF: Demos, Handkamera. HP: McN als Kriegstreiber<br />
gebrandmarkt.<br />
(90:00) ZT: Lehrsatz Nr. 10: Sag niemals nie<br />
Beantworte nie die Frage, die gestellt wird, sondern die, die du dir wünschst. Vietnam wäre mit Kennedy<br />
anders verlaufen. HP: LBJ und McN. McN verlangt Kurswechsel, wird entlassen. HF: Ehrung, McN gerührt.<br />
Gefallenenliste (ZL und ZR), Vietnam-Memorial. Dominos richten sich auf (ZL) - was wäre, wenn ...?<br />
(99:25) ZT: Lehrsatz Nr. 11: Du kannst die menschliche Natur nicht verändern<br />
ZL: M geht, VO: Alle militärischen Führer machen Fehler. HF: Soldaten im Einsatz. Der „Dunst des Kriegs“ -<br />
wir begreifen den Krieg nicht. HF (ZL): MG-Schütze, VO: Vernunft hat Grenzen. HF: Bombe mit Aufschrift: Das<br />
ist nur der Anfang; Zitat Eliot: Wir kommen zurück und kennen den Platz zum ersten Mal.<br />
(102:10) ZT: Epilog<br />
M im Auto, GA: Ms Gesicht. Morris: Warum haben Sie sich nicht gegen den Krieg ausgesprochen? Empfinden<br />
Sie Schuld? M: Ich werde nichts mehr sagen. ZT: M leitete 1968 bis 1981 die Weltbank. Bis heute setzt er<br />
sich gegen Armut und Krankheit, für wirtschaftliche Entwicklung ein. Abspann.
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 18<br />
Das Treffen bei Castro: Eine Sequenzanalyse<br />
Jeder senkrechte Strich (|) bedeutet einen Schnitt zwischen zwei Einstellungen. Abkürzungen siehe S.16.<br />
Beschreibung<br />
(16:10) ZT: 1992 | Flimmernde Fernsehbilder, ZL: Castro am Rednerpult in den 60ern, dazu M (VO): „Erst im<br />
Januar 1992 erfuhr ich auf einer Konferenz von ...“ | Foto: M und Castro begrüßen sich 1992 in Havanna,<br />
dazu M (VO): „... Castro, dass 162 atomare Raketenköpfe auf der Insel waren“ | M (halbnah, zur Kamera):<br />
„Ich ... (5 Sek. stockend) traute meinen Ohren nicht, und Castro wurde wütend, weil ich sagte, beenden wir<br />
diese Konferenz, ich muss die Übersetzung missverstanden haben“ | (Horizont leicht gekippt, Kamera fährt<br />
weiter heran) „Herr Präsident, ich habe drei Fragen (zählt mit den Fingern): 1. Wussten Sie von den Gefechtsköpfen?<br />
2. Wenn ja, hätten Sie Chruschtschow bei einem amerikanischen Angriff geraten, sie einzusetzen? 3.<br />
Wenn er sie eingesetzt hätte, was wäre aus Kuba geworden?“ | 1 Sek. dunkles Bild | M (nah): „Er sagte ‚1. Ich<br />
wusste davon, 2. Ich hätte nicht - ich habe es ihm geraten | (schnell) 3. Was aus Kuba geworden wäre? Es<br />
wäre komplett zerstört worden’ (Wegwisch-Geste; blickt 5 Sek. stumm in die Kamera; Kamera langsam wieder<br />
senkrecht); (zeigt mit den Fingern:) So nah dran waren wir.“ Morris (Off): „Und das hätte er in Kauf<br />
genommen?“ M: „Ja, und (beugt sich vor; Kamera zoomt kontinuierlich näher) er fügte an: | ‚Mr. McNamara,<br />
wenn Sie und Präsident Kennedy in einer ähnlichen Lage gewesen wären, hätten Sie dasselbe getan.’ Ich<br />
sagte (schüttelt den Kopf): ‚Ich bete zu Gott, dass nicht - den Tempel über unseren Köpfen niederreißen?<br />
(GA - Sorgenstirn, Mund geöffnet:) Mein Gott!’“ (17:45)<br />
Analyse<br />
Eine erschütternde Erkenntnis, wie nach dem Ritt über den gefrorenen Bodensee: Die CIA, Kennedy und sein<br />
Verteidigungsminister ahnten im Oktober 1962 nicht, wie knapp ein Atomkrieg tatsächlich bevorstand.<br />
McNamara erlebt sein Entsetzen bei Castros Enthüllung von 1992 im Interview noch einmal nach.<br />
Der souveräne Medienprofi wirkt kontrolliert, aber sehr persönlich. Sprechtempo, Gestik und Ausdrucksweise<br />
lassen seine Emotionen erkennen. Am Höhepunkt verwendet er religiöse Sprache und ein biblisches<br />
Bild: Simson im Tempel (Richter 16) - der in einer Art Selbstmord-Anschlag auf die Philister den Tempel einreißt.<br />
Obgleich McNamara im Mittelpunkt steht, dominieren filmische Dramaturgie und Gestaltung. Dabei unterstützt<br />
der Film den Erzähler klassisch, aber wirksam. Zwei Originalaufnahmen illustrieren seine Worte wie auf<br />
Knopfdruck; das Foto von 1992 erscheint präzise zum gesprochenen Stichwort „Castro“. McNamaras kleine<br />
Story präsentiert der Regisseur als Montage aus sieben teils recht kurzen Einstellungen. Durch Schnitte,<br />
langsame Fahrt und Zoom strebt die Kamera-Einstellung kontinuierlich von halbnah bis zur Großaufnahme<br />
des Gesichts. Das Bild ist ständig unmerklich in Bewegung. Für besondere Spannung sorgt die optische „Dissonanz“<br />
des kurzzeitig gekippten Horizonts - so wie die Zukunft der Welt in den schicksalhaften Tagen von<br />
1962 buchstäblich auf der Kippe stand. In dieser kleinen Sequenz verdichtet sich die Absicht des ganzen<br />
Films: <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> setzt uns dem Schock des Wissens aus.
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 19<br />
Krieg und Frieden, oder:<br />
Was können wir lernen?<br />
Jeder Mensch <strong>macht</strong> Fehler. Moderne Massenvernichtungswaffen haben ein Zerstörungspotential, das erstmals<br />
mit einem Schlag die Menschheit auslöschen könnte. Wir müssen daher Fehler vermeiden lernen, bevor<br />
es zu spät ist - mit diesem Appell McNamaras beginnt <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong>.<br />
McNamara beruft sich auf seine Erfahrungen aus der Zeit des Kalten Krieges. Seine Einsichten jedoch basieren<br />
auf grundsätzlichen Gedanken und Überzeugungen. McNamara, der in mehreren Kriegen und Konflikten<br />
eine wichtige aktive Rolle gespielt hat, betrachtet Krieg als notwendiges Übel. Seine größte Sorge kleidet er<br />
in die Frage: Was wollen wir für das 21. Jahrhundert?<br />
McNamaras Darstellung historischer Fakten sollte, trotz seiner selbstkritischen Offenheit, geprüft und teilweise<br />
ergänzt werden. So erläutert er die Kubakrise, erwähnt aber dabei nicht die amerikanischen Raketen,<br />
die 1962 von der Türkei aus bereits auf die UdSSR gerichtet waren. Kennedy zog diese Raketen auf Verlangen<br />
Chruschtschows ab, um die Krise beizulegen. Eine Lehre daraus müsste lauten: Aggression zeugt<br />
Aggressionen. Die Friedensforschung untersucht seit langem, wie dieser Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen<br />
ist.<br />
Zu Recht nimmt Robert McNamara die verheerenden Gefahren des nuklearen Overkills ins Visier. Doch wenn<br />
die Natur des Menschen unwandelbar bleibt (Lehrsatz Nr. 11), wenn der Rüstungswettlauf eine unaufhaltsame<br />
Mechanik darstellt, bleibt für das Lernen wenig Raum.<br />
Größere Chancen bietet ein Blick auf Faktoren, die McNamara nicht anspricht. Dazu gehört die unheilvolle<br />
Verflechtung von Industrie, Wirtschaft und Krieg. Dazu gehören auch die ideologisch, nationalistisch oder religiös<br />
geprägten Weltbilder, die Konflikte schaffen oder schüren. Anders formuliert: Menschen sterben nicht<br />
nur durch militärische Fehler, sondern auch durch planmäßiges militärisches Vorgehen. Militärische Aktionen<br />
wurzeln in ökonomischen und sozialen Realitäten. Bei diesen Konfliktursachen sollte beginnen, was McNamara<br />
fordert - das Lernen.
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 20<br />
Fragen:<br />
q Wie entstehen nach Auffassung von McNamara Kriege?<br />
q Sind Kriege vermeidbar? Welche Antwort ergibt sich als Resümee aus <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong>? Welche Ansätze<br />
bietet die Friedensforschung?<br />
Nuklearmächte<br />
Die fünf offiziellen Atommächte sind die USA (bisher einziger militärischer Einsatz, 1945), Russland (seit<br />
1949), Großbritannien (1952), Frankreich (1960) und China (1964). Hinzu kommt Indien (1974). Diese Staaten<br />
haben in Tests seit 1945 etwa 2.000 Atombomben gezündet. Weitere Länder gelten als „Schwellenmächte“<br />
- darunter Argentinien, Brasilien, Israel, Nordkorea, Pakistan und Südafrika. Auch sie besitzen wahrscheinlich<br />
Kernwaffen.<br />
Quelle: http: / / archiv.greenpeace.de
TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 21<br />
Vietnam - ein amerikanisches Trauma<br />
Der Krieg in Vietnam hat etwa 60.000 amerikanische Soldaten das Leben gekostet - gegenüber 3 Millionen<br />
Toten auf vietnamesischer Seite, Soldaten wie Zivilisten. Auf Vietnam wurden, wie McNamara herausstreicht,<br />
etwa doppelt so viele Bomben abgeworfen wie auf allen Schauplätzen des Zweiten Weltkriegs zusammen.<br />
Diesen Krieg verloren zu haben, versetzte dem amerikanischen Selbstverständnis einen schweren Schlag.<br />
Denn Vietnam steht für die bittere Erkenntnis, dass Amerika seine Kriege nicht mehr „automatisch“ gewinnt,<br />
wie Johnson noch behauptete.<br />
Die Lehren des Vietnamkriegs haben sich seit 1976 vielfach bestätigt: Überlegene technische Mittel garantieren<br />
noch keinen militärischen Sieg. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass militärische Siege in der Regel nicht<br />
Konflikte lösen, sondern neue schaffen. Woodrow Wilsons Wort vom „Krieg, der alle Kriege beendet“ könnte<br />
nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts nur noch zynisch verstanden werden - als totale Vernichtung.<br />
Das Thema Vietnam ist in den USA bis heute sehr präsent. Vietnam bleibt ein fester Bezugspunkt der außenpolitischen<br />
Debatten. Allerdings haben die Erfahrungen aus dem desaströsen Krieg gegen den Vietcong<br />
nichts daran geändert, dass die einzige verbleibende Super<strong>macht</strong> an außenpolitischen Brennpunkten immer<br />
wieder massiv interveniert - wie die jüngsten Beispiele Afghanistan und Irak zeigen.<br />
Fragen:<br />
q In seiner Rede zur Oscar ® -Verleihung warnte Errol Morris, der Irak könne zu einem zweiten Vietnam werden.<br />
Was spricht für diesen Vergleich, was dagegen?<br />
q Heutige Militäreinsätze werden mit modernster Computertechnologie unterstützt. Sind damit die Lehren<br />
aus Vietnam überholt?
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 22<br />
Fächerbezogene Anknüpfungspunkte des<br />
Films auf einen Blick<br />
Errol Morris fordert den Zuschauer mit seinem Dokumentarfilm <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> heraus, sich sowohl mit<br />
dem komplexen Ursachengeflecht von Kriegen und der Frage der individuellen Verantwortung als auch mit<br />
den Chancen friedfertiger Konfliktlösungen auseinander zu setzen. Mit der Strukturierung des Films in<br />
11 Lektionen und dem beispielhaften Erzählen in Form des persönlichen Rückblicks des ehemaligen amerikanischen<br />
Verteidigungsministers McNamara, knüpft Regisseur Errol Morris sowohl an die Tradition „lehrhafter<br />
Texte“ als auch an den geschichtswissenschaftlichen Ansatz der „Oral History“ an.<br />
Das zutiefst pädagogische Anliegen Errol Morris’ in Verbindung mit der künstlerisch anspruchsvollen<br />
filmischen Gestaltung eröffnet Schülern/innen eine ungewöhnliche Lernerfahrung.<br />
Den Lehrer/innen bietet der Film wegen seines großen Spannungsbogens von Vergangenheit, Gegenwart<br />
und Zukunft vielfältige Angebote und Anknüpfungspunkte für die unterschiedlichsten Fächer in den Jahrgangsstufen<br />
10 bis 13.<br />
übergeordneter<br />
Lernzielbereich<br />
spezielle Lerninhalte<br />
Deutsch<br />
Selbstbestimmter und<br />
kritischer Umgang mit<br />
dem Medium Film<br />
und Fähigkeit, dessen<br />
Angebote und Möglichkeiten<br />
sachgerecht und<br />
sinnvoll zu nutzen<br />
Verschiedene Formen<br />
des Sprechens und<br />
Kommunizierens kennen<br />
lernen und selbst sach,-<br />
situations- und adressatengerecht<br />
anwenden<br />
u Die Gestaltungsmittel, Intention und Wirkästhetik des Dokumentarfilms<br />
am Beispiel von <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong><br />
u <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> ein filmischer Essay?<br />
u Struktur und Intention von Interviews: Analyse der Interviewsituation<br />
zwischen Morris und McNamara und deren Wirkung auf den Zuschauer<br />
am Beispiel der von Morris neu entwickelten Interviewtechnik (der<br />
Interrotron, siehe S. 35)<br />
u Strategien der Rechtfertigung<br />
u Analyse der Gesprächshaltung McNamaras aus kommunikationspsychologischer<br />
Sicht
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 23<br />
Beschäftigung mit<br />
unterschiedlichen literarischen<br />
Formen<br />
u Parabolische Formen: historische Wurzeln, literarische Beispiele: ein<br />
Vergleich mit der lehrhaften Absicht von <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> (Bedeutung<br />
der Lektionen)<br />
u Historische Quellen künstlerisch inszenieren: ein Vergleich zwischen<br />
Dokumentartheater und <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong><br />
u Das Thema Krieg in unterschiedlichen literarischen Epochen und<br />
Textformen<br />
Auseinandersetzung mit<br />
Sachtexten und ihrer<br />
Argumentationsstruktur<br />
u Kriegsberichterstattung in den Print - Medien und im Fernsehen<br />
Geschichte<br />
Umgang mit unterschiedlichen<br />
Formen historischer<br />
Quellen und deren<br />
jeweils angemessene<br />
Auswertungsmethoden<br />
Einsicht in die Bedingtheit<br />
und Begrenztheit menschlich-historischer<br />
Erfahrungen<br />
Beschäftigung mit<br />
Zusammenhängen<br />
zwischen Vergangenheit<br />
und Gegenwart als<br />
Voraussetzung für die<br />
Mitgestaltung der Zukunft<br />
Begegnung mit Formen<br />
der öffentlichen<br />
Geschichts- und Erinnerungskultur<br />
und die Befähigung,<br />
daran teilzuhaben<br />
u Dokumentarfilm als Quelle: Analyse der unterschiedlichen verwendeten<br />
Quellen in <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong><br />
u Die subjektive Deutung der historischen Ereignisse durch McNamara im<br />
Vergleich mit geschichtswissenschaftlichen Erklärungsansätzen<br />
u Aktuelle politische Ereignisse, z.B. Terrorismus, der Krieg in Afghanistan<br />
und im Irak vor dem Hintergrund der Geschichte des 20. Jahrhunderts<br />
u Die Haltung Deutschlands zur Kuba Krise, zum Vietnam- und Irakkrieg<br />
u Mögliche Zukunftsperspektiven, z.B. die Rolle der UN<br />
u Die geschichtliche Bedeutung von Befragungen/Erzählungen von Zeitzeugen<br />
als Erinnerungskultur am Beispiel von McNamara<br />
u Der geschichtswissenschaftliche Ansatz „Oral History“ als Vorbild für<br />
Errol Morris?
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 24<br />
Auseinandersetzung mit<br />
geschichtstheoretischen und<br />
philosophischen Deutungsansätzen<br />
Auseinandersetzung mit der<br />
weltpolitischen Dimension der<br />
Geschichte<br />
u Mögliche Ursachenerklärungen für die Entstehung von Kriegen<br />
aus der Perspektive des Films im Vergleich zu geschichtswissenschaftlich<br />
bedeutsamen Deutungsansätzen<br />
u Der Film thematisiert wesentliche Ereignisse der Geschichte<br />
Amerikas im 20. Jahrhundert:<br />
Amerikas Rolle im 2. Weltkrieg<br />
Die Ära Kennedy<br />
Die Ära Johnson<br />
Der Kalte Krieg<br />
Die Kuba-Krise<br />
Der Vietnamkrieg<br />
Sozialkunde<br />
Erziehung zu eigenverantwortlichem<br />
Handeln, Urteilsfähigkeit<br />
und zur Übernahme von Verantwortung<br />
in der Gesellschaft auf<br />
der Grundlage des Menschenbildes<br />
der Demokratie<br />
Fähigkeit, gegenwärtiges<br />
politisches Geschehen im<br />
nationalen wie internationalen<br />
Rahmen auf historische<br />
Entwicklungen zu beziehen<br />
Kenntnis des Grundgesetzes<br />
Die prinzipielle Offenheit der<br />
Zukunft erkennen und Gestaltungsspielräume<br />
für die Bewältigung<br />
aktueller und künftiger<br />
Probleme entwickeln<br />
u Spannungsverhältnis von in Demokratien gefällten Entscheidungen<br />
(Gesetzen) und der Bereitschaft, individuelle Verantwortung<br />
zu übernehmen am Beispiel von McNamara: Legitimation einer<br />
im nachhinein fragwürdigen Politik („Ich habe versucht dem<br />
Präsidenten zu dienen“) oder Notwendigkeit, individuelle Verantwortung<br />
zu übernehmen („Es war falsch, ich habe es verursacht<br />
und es tut mir leid“)<br />
u Gehorsam oder Befehlsverweigerung am Beispiel der Folter<br />
u Beispiel Krieg im Irak und die Diskussion in Deutschland um die<br />
Bündnistreue gegenüber den USA<br />
u Die Entwicklung der Friedens- und Sicherheitspolitik nach dem 2.<br />
Weltkrieg bis heute<br />
u Zukunftschance Weltfrieden<br />
u Die Rolle der UNO<br />
u Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen im Umgang mit Krieg<br />
u Begriffsklärungen:<br />
Verteidigungskrieg, Angriffskrieg, Präventivkrieg<br />
u Die politische Lehre aus den elf Lektionen des Films als politischer<br />
Lösungsansatz für die Bewältigung künftiger Probleme
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 25<br />
Erdkunde<br />
Regionalgeografische Kenntnisse<br />
über die wichtigsten Teilräume<br />
der Erde und das Zusammenspiel<br />
von Naturraum, Wirtschaft,<br />
Kultur und Politik<br />
u Länderprofile von<br />
Kuba, Vietnam, Japan, USA<br />
u Kriegerische Auseinandersetzungen unter dem Aspekt des<br />
Nord-Südkonflikts<br />
Ethik und Religion<br />
Förderung der ethischen / religiösen<br />
Haltung / Entscheidungskompetenz<br />
u Krieg aus der Perspektive der Moralphilosophie und der<br />
Weltreligionen<br />
u Anthropologische Grundlagen:<br />
Der Aggressionstrieb als Grundmuster menschlichen Handelns?<br />
u Menschliches Handeln in Grenzsituationen und die Psychologie<br />
des Krieges - Erklärungsansätze in <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong><br />
u Die Rolle von Werten und Normen für das menschliche<br />
Zusammenleben<br />
u Die Handlungen McNamaras als Verteidigungsminister - die<br />
Erkenntnisse/Moral des 85jährigen<br />
u Moralisches Handeln und die elf Lektionen des Films<br />
u Die Bedeutung von Toleranz und die Fähigkeit zur Empathie<br />
für ein friedfertiges Zusammenleben: Entwicklung von<br />
Zukunftsszenarien<br />
u Wie Konflikte im Alltag entstehen und wie sie konstruktiv gelöst<br />
werden können: beispielhafte Konfliktgespräche führen
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 26<br />
Biologie, Chemie<br />
und Physik<br />
Naturwissenschaftliche Kenntnisse<br />
als Orientierungshilfe in<br />
einer hochtechnisierten Welt<br />
u Die Kernspaltung<br />
u Kampfstoffe und ihre Wirkung<br />
u Naturwissenschaftliche Forschung und Moral: Die Bedrohung<br />
durch einen nuklearen Krieg<br />
u McNamara und sein Forschergeist (seine Zeit bei Ford, seine<br />
militärische Aufgabe unter LeMay)<br />
Kunst<br />
Erkundung der Medienwelt und<br />
Perspektiven des eigenen<br />
Umgangs mit Medien entwickeln<br />
und Medien kompetent nutzen<br />
Erkennen, dass das Wahrnehmen<br />
der Wirklichkeit subjektiv<br />
geprägt ist<br />
Bildnerische Praxis in dem<br />
Gestaltungsgebiet Film und Video<br />
u Wie die Bilder laufen lernten<br />
u Besonderheiten des Genres Dokumentarfilm<br />
u <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> ein künstlerisch wertvoller Dokumentarfilm?<br />
u Unterschiedliche Kameraperspektiven und Einstellungsgrößen in<br />
der Fotografie und im Film und ihre Wirkung auf den Betrachter<br />
u Die besondere Technik „Interrotron“ im Interview zwischen Morris<br />
und McNamara und ihre Auswirkung auf den erzählenden<br />
McNamara und den Zuschauer<br />
u Bildaufbau, Hell-, Dunkelkontrast, Kamerastandpunkt,<br />
Einstellungsgröße<br />
u Video über ein Gespräch mit Zeitzeugen z.B. Eltern und ihre<br />
Erinnerungen an die Kuba-Krise und den Vietnamkrieg und deren<br />
Wirkung auf die deutsche Gesellschaft
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 27<br />
Methodisch-didaktische Anregungen für die<br />
Unterrichtsgestaltung<br />
„Geschichte verstehen - aus der Geschichte lernen“<br />
Die folgenden Anregungen greifen ausgewählte Aspekte des Kapitels „Anknüpfungspunkte für den Unterricht“<br />
heraus. Sie eröffnen die Möglichkeit, <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> zum Thema von Einzelstunden zu machen oder<br />
fächerübergreifend zusammen zu arbeiten und gemeinsam an einem Projekt zu weben, z.B. unter dem Motto<br />
„Geschichte verstehen - aus der Geschichte lernen“.<br />
Entsprechend der Intention von <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> erfolgt die inhaltliche Gliederung des Kapitels in drei<br />
Bausteine im Spannungsbogen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.<br />
q Geschichte verstehen<br />
q Aktuelle Bezüge in der Gegenwart entdecken<br />
q Aus der Geschichte lernen<br />
Als innere Strukturierung wird eine Orientierung an den folgenden Lernebenen vorgeschlagen, die im Text<br />
durch die entsprechenden Logos wiedergegeben werden.<br />
Wissenschaftliche Spurensuche:<br />
Fachliche Hintergrundinformationen gewinnen<br />
Unterschiedliche Meinungen im Dialog:<br />
Themen/Fragen des Films mündlich und schriftlich<br />
diskutieren<br />
Das Medium Film unter der Lupe:<br />
Die Gestaltungsmittel, Intention und Wirkung des<br />
Films analysieren<br />
Kreative Fähigkeiten in Aktion:<br />
An den Film handlungsorientiert anknüpfen
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 28<br />
GESCHICHTE VERSTEHEN<br />
Vorbereitung auf den Filmbesuch<br />
Entwicklung einer Ereignislandkarte des 20. Jahrhunderts in<br />
Fünfergruppen<br />
Arbeitsaufträge für die Kleingruppen:<br />
q Welche geschichtlichen Ereignisse sind aufgrund Ihres Vorwissens für das 20. Jahrhundert<br />
von besonderer Bedeutung?<br />
q Finden Sie ein Motto oder schreiben Sie einen ganz kurzen Informationstext, der dieses<br />
Jahrhundert auf besondere Weise charakterisiert!<br />
q Halten Sie Ihre Ergebnisse auf Kärtchen oder gedritteltem DIN A4 Papier fest!<br />
Auswertung im Plenum:<br />
q Systematisierung der Gruppenergebnisse auf der vorbereiteten Ereignislandkarte an der<br />
Tafel oder auf Paketpapier<br />
Ideenbaustelle Geschichte im Medium Film<br />
mit der Methode „Gegenseitiges Interview“<br />
Gegenseitiges Interview<br />
Jeweils zwei Schüler/innen bilden ein Interviewteam. Der Arbeitsauftrag für die beiden Schüler/innen<br />
besteht darin, jeweils nacheinander zu untenstehenden Fragen ein Interview durchzuführen. So wird der<br />
Interviewte der ersten Runde zum Interviewer in der zweiten Runde. Die Aufgabe des Interviewers besteht<br />
vor allem darin, nach dem die jeweilige Interviewfrage gestellt wurde, aufmerksam und unterstützend<br />
zuzuhören, eventuell das Gehörte kurz zusammenzufassen, und nur wenn nötig, mit offenen Fragen<br />
nachzuhaken. Diskussionen sind auf jeden Fall zu vermeiden.<br />
Die Auswertung in der Klasse erfolgt, indem die Interviewer vorstellen, was sie von ihrem jeweiligen<br />
Interviewpartner erfahren haben. Zu Beginn der Vorstellung der Interviewergebnisse empfiehlt sich eine<br />
kurze motivierende Vorstellung des Interviewpartners.<br />
Diese Arbeitsweise verfolgt insbesondere auch soziale Lernziele wie die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen,<br />
d.h., die Welt durch die Brille des anderen zu sehen. Praktisch geübt wird diese Fähigkeit<br />
durch die Kommunikationstechnik des „aktiven Zuhörens“.<br />
Das gegenseitige Interview ist zudem eine gute Einstimmung auf <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> als Zeitzeugeninterview<br />
zwischen dem Filmemacher Errol Morris und dem ehemaligen Verteidigungsminister Robert<br />
S. McNamara.<br />
Mögliche Interviewfragen für die Schüler/innen:<br />
q Welche Filme kennst du, die historische Ereignisse des 20. Jahrhunderts zum Thema haben<br />
und wie haben sie dir gefallen?<br />
q Stell dir vor, du wärst Filmregisseur! Welches oder welche zentralen Ereignisse des 20.<br />
Jahrhunderts würden dich als Filmstoff interessieren?
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 29<br />
GESCHICHTE VERSTEHEN<br />
q Welches Genre würdest du wählen und warum?<br />
q Wie würdest du in der Vorbreitung auf den Film als historischem Stoff vorgehen?<br />
q Welchen Titel könnte dein Film haben?<br />
q Welche Wirkung sollte er auf das Publikum haben?<br />
q Stell dir vor, du stehst einem Produzenten gegenüber! Wie könntest du ihn kurz und<br />
möglichst überzeugend für deine Filmidee begeistern (in der Filmsprache nennt man<br />
das „pitchen“)?<br />
Die Bedeutung des geschichtswissenschaftlichen Ansatzes<br />
„ Oral History“ für das Genre Dokumentarfilm<br />
Oral History<br />
Ein Ansatz der geschichtlichen Forschung, historische Ereignisse zu verstehen, ist die „Oral History“.<br />
Sie sucht unmittelbare und authentische Quellen über das Alltagsleben, in denen der Mensch und damit<br />
eine subjektive Welt im Mittelpunkt stehen. So werden Erinnerungsinterviews von Zeitzeugen zu historischen<br />
Quellen, die dann ausgewertet werden. Da die Erlebnisse der Zeitzeugen aus der Gegenwartsperspektive<br />
wiedergegeben werden, stark persönlich gefärbt und durch den Interviewer manipulierbar<br />
sind, sieht sich dieser Ansatz mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht wissenschaftlich genug zu sein. Aus<br />
historischer Perspektive ist deshalb ein Vergleich mit anderen Quellenarten unabdingbar.<br />
Leitfragen:<br />
q Welches Anliegen und welche Arbeitsweise liegt der „Oral History“ zugrunde?<br />
q Nennen Sie Ihnen bekannte Beispiele für diese Vorgehensweise! Welche Themen eignen sich<br />
Ihrer Meinung nach für diese Vorgehensweise?<br />
q Welchen Stellenwert würden Sie als Filmemacher/in eines Dokumentarfilms diesem Ansatz<br />
einräumen?<br />
Den Filmbesuch inhaltlich vorbereiten durch (eventuell<br />
arbeitsteilige) Rechercheaufträge an die Schüler/innen<br />
q Sammeln Sie Informationen, Erklärungsansätze<br />
q zum Eintritt Amerikas in den 2. Weltkrieg und das strategische/militärische Vorgehen<br />
gegen Deutschland und seine Verbündeten unter Berücksichtigung der Bombardierung<br />
Japans<br />
q zur Kuba-Krise vor dem Hintergrund des Kalten Krieges zwischen Ost und West<br />
q zum Vietnamkrieg unter Berücksichtigung der kontroversen Diskussion in Amerika und<br />
Europa<br />
q Erstellen Sie Länderprofile von Japan, Kuba, Vietnam und den USA und berücksichtigen Sie<br />
dabei das Zusammenspiel von Naturraum, Wirtschaft und Politik!
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 30<br />
GESCHICHTE VERSTEHEN<br />
Zentrale historische Ereignisse im Film<br />
Die geschichtlichen Ereignisse im Film und ihre Deutung<br />
direkt nach dem Filmbesuch herausarbeiten mit der<br />
Methode Fish-Bowl / Aquarium<br />
Fish-Bowl / Aquarium<br />
Nach dem Film wird die Gruppe in mehrere Kleingruppen aufgeteilt, die die jeweils unten stehende<br />
Arbeitsaufgaben lösen sollen. Für das anschließende Gespräch im Fish-Bowl / Aquarium wählt jede Kleingruppe<br />
eine/n Gruppenvertreter/in. Bei diesem Gespräch sitzen die Gruppenvertreter/innen in einem<br />
inneren Kreis (Aquarium), die anderen sitzen um diese Formation herum. Im Aquarium sind jedoch noch<br />
zwei Stühle frei. Das Plenum folgt nun der Diskussion des inneren Kreises. Wenn jemand aus dem Plenum<br />
sich mit einer Frage oder einem Statement einbringen will, setzt er sich auf einen der freien Stühle<br />
und verlässt ihn dann gleich wieder. So entsteht eine sehr intensive und wahrscheinlich kontroverse<br />
Diskussion.<br />
Arbeitsaufträge für die Kleingruppen:<br />
q Welche Ereignisse der amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts werden in dem<br />
Film in besonderer Weise beleuchtet?<br />
q Welche Akzente und Deutungen erfahren sie? Vergleichen Sie diese mit Ihren Ergebnissen<br />
aus der Recherche? Berücksichtigen Sie in Ihrer Diskussion die drei zentralen Themenkomplexe<br />
„Die Bombardierung Japans durch die Alliierten im 2. Weltkrieg“, „Die Kubakrise und<br />
ihre Beendigung“, „Der Vietnamkrieg, sein Verlauf, seine Legitimierung und seine Folgen“.<br />
Das Beispiel „Die Bombardierung Japans“<br />
Morris: „Der 2. Weltkrieg wird einfach als ein Krieg betrachtet. Man glaubte, dass die Alliierten auf der<br />
Seite der Guten gekämpft haben, und dass das, was sie in Kriegszeiten getan haben, durch diese Tatsache<br />
gerechtfertigt wird. Was Wenige wissen ist, dass bevor die Vereinigten Staaten die zwei Atombomben<br />
auf Hiroshima und Nagasaki abwarfen, LeMays B-29 Bomber schon fast eine Million japanische<br />
Zivilisten getötet hatten... Es war McNamaras Aktennotiz als damaliger Offizier des statistischen<br />
Kontrollamts unter General LeMay über die Ineffektivität der bisherigen Bombenangriffe auf Japan, die<br />
zur Entscheidung von General Curtis E. LeMay beitrug, flächendeckend Brandbomben einzusetzen“.<br />
McNamara: „50 bis 90% der Menschen in 67 japanischen Städten töten und sie mit zwei Atombomben<br />
treffen, steht für gewisse Leute in keinem Verhältnis zu den Zielen, die wir zu erreichen trachteten. Ich<br />
gebe nicht Truman die Schuld am Abwurf der Atombombe. Der amerikanisch-japanische Krieg war einer<br />
der brutalsten in der Geschichte. Kamikaze-Piloten, Selbstmord, unglaublich. Kritisieren kann man, dass<br />
vor jener Zeit genauso wie heute die Menschheit noch nicht wirklich kapiert hat, was „Kriegsregeln“ sind.<br />
Besagt eine Regel, man dürfe nicht 100 000 Zivilisten in einer Nacht töten? LeMay sagte: „Hätten wir<br />
verloren, hätte man uns alle zu Kriegsverbrechern verurteilt.“ Ich glaube, er hatte Recht. Er und wohl<br />
auch ich, wir handelten wie Kriegsverbrecher. LeMay war sich bewusst, dass seine Taten als unmoralisch<br />
gelten würden, hätte seine Seite verloren. Aber warum ist es moralisch, wenn man siegt?“<br />
q Kann der Film Ihrer Meinung nach für den Zuschauer dazu beitragen, zentrale Ereignisse<br />
des 20. Jahrhunderts zu erforschen und zu verstehen?
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 31<br />
GESCHICHTE VERSTEHEN<br />
Der Film als historische Quelle<br />
Verwendete Quellen im Film kritisch beleuchten<br />
(vgl. auch „Zu den Quellen“ auf S. 11)<br />
Historische Quelle<br />
Als historische Quellen werden im weitesten Sinn alle Zeugnisse (Überlieferungen), die über geschichtliche<br />
(= vergangene) Abläufe, Zustände, Denk- und Verhaltensweisen informieren, verstanden, d.h. letztendlich<br />
alles, was in der Vergangenheit von Menschen gedacht, geschrieben oder geformt wurde. Zur<br />
„Quelle“ wird dieses Zeugnis erst unter den Händen der Historiker/innen, die daraus Kenntnis über die<br />
Vergangenheit gewinnen wollen. Der Begriff kennzeichnet also nicht das Zeugnis an sich, sondern dessen<br />
Funktion für die Geschichtswissenschaft. (vgl. auch den Informationstext „Oral History“)<br />
Das Medium Film als möglicher Vermittler von historischem Wissen verbindet zwei ganz unterschiedliche<br />
Aspekte: Es ist Quelle und Material historischer Informationen und Erkenntnisse und gleichzeitig für<br />
den Rezipienten ein besonders attraktives und wirksames Medium der Geschichtsschreibung.<br />
q Welche Arten von Quellen verwendet Errol Morris in <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong>? Wie werden sie in<br />
den filmischen Ablauf eingefügt?<br />
q In welchem Verhältnis stehen sie zueinander?<br />
q Welche nicht historischen Quellen/Filmelemente spielen ebenfalls eine Rolle?<br />
q Diskutieren Sie die unterschiedlichen Quellen unter dem Aspekt der Authentizität!
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 32<br />
GESCHICHTE VERSTEHEN<br />
Historische Dokumentarfilme - ein Vergleich<br />
Über die Unterschiedlichkeit und Qualität von<br />
Dokumentarfilmen zu historischen Themen an ausgewählten<br />
Beispielen mit der „+ - ? Methode“ diskutieren<br />
+ - ? Methode<br />
An der Tafel (Pin-Wand) werden folgende 4 Spalten vorbereitet:<br />
Filmbeispiele positiv negativ Fragen<br />
Jeder Schüler entscheidet sich für einen möglichst auch anderen Schülern bekannten historischen<br />
Dokumentarfilm und notiert den Filmtitel und seine persönliche Beurteilung des Films<br />
nach der „ + - ? Methode“ auf die vorbereiteten vier verschiedenen kleinen Zettel (Moderationskärtchen).<br />
Auf jedem Zettel soll immer nur eine Information stehen. Anschließend hängt jeder<br />
Schüler seine Zettel in die an der Tafel entsprechend vorbereiteten Spalten.<br />
In der gemeinsamen Diskussion können einzelne Beispiele vertieft oder aus den unterschiedlichen<br />
Filmbeispielen und den entsprechenden Beurteilungskriterien übergeordnete Kriterien für<br />
„gute“ bzw. „weniger gute“ historische Dokumentarfilme entwickelt werden. Die Einbettung von<br />
<strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> in die diskutierten Beurteilungskriterien bildet den Abschluss dieser Einheit.
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 33<br />
GESCHICHTE VERSTEHEN<br />
Selbst als Geschichtsforscher aktiv werden<br />
Zeitzeugeninterviews in Zweier- oder Dreiergruppen vorbereiten, mit<br />
der Videokamera durchführen und als historische Quelle auswerten<br />
Leitfragen zur Durchführung von Zeitzeugeninterviews:<br />
q Welcher Zeitraum soll im Mittelpunkt stehen und welches spezielle Thema?<br />
q Welche Personen sind bereit, über diesen Zeitraum / zu diesem Thema etwas zu erzählen?<br />
(z.B. Eltern, Großeltern, Verwandte)<br />
q Wann und wo soll das Gespräch stattfinden?<br />
q Welches eigene Hintergrundwissen ist für das Interview nötig?<br />
q Wer übernimmt im Interviewteam welche Rolle?<br />
q Wie kann sich der Interviewer auf das Gespräch mit dem Zeitzeugen vorbereiten?<br />
q Welche kommunikativen Fähigkeiten sind dabei besonders wichtig?<br />
q Welche filmischen Gestaltungsmittel sollen gewählt werden (z.B. Kameraperspektive, Einstellungsgrößen)<br />
q Ist eine Bearbeitung des gedrehten Filmmaterials vorgesehen? Sollen zusätzliche historische<br />
Quellen eingefügt werden?<br />
q Wie soll der Film nach Fertigstellung als historische Quelle ausgewertet werden?
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 34<br />
AKTUELLE BEZÜGE ENTDECKEN<br />
Die Schlüsselfragen im Film<br />
Errol Morris über seinen Film:<br />
„Was ich an <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> mag, ist, dass der Film den Beweis erbringt, dass man einen Film über<br />
tatsächliche Begebenheiten machen kann - Ereignisse, die 40, 50, 60 Jahre zurückliegen - aber doch<br />
sehr das Heute betreffen. Viele Aspekte, über die McNamara im Film spricht, sind für das, was heute<br />
vor sich geht, von Bedeutung, und es entsteht dieses surreale Gefühl, dass sich nichts geändert hat.<br />
Ich vermute, es ist der Eindruck, dass wir nichts aus der Vergangenheit gelernt haben, was den 11.<br />
Lehrsatz des Filmes noch bedeutender und ironischer <strong>macht</strong>.“<br />
Mit der Methode „Spinnennetz“ über die Schlüsselfragen bzw. die<br />
thematische Vielfalt des Films und seinen Gegenwartsbezug<br />
nachdenken<br />
Spinnennetz<br />
Ist es Ziel des Unterrichts, dass alle Schüler/innen zu Wort kommen und selbst bestimmen können, wer<br />
der nächste Gesprächspartner ist, kann mit der Methode Spinnennetz ein motivierender Austausch entstehen.<br />
Dazu sind ein großes Wollknäuel und ein Stuhlkreis nötig. Das Gespräch zu der vorgegebenen<br />
Themenstellung entsteht so langsam und ständig sichtbar im Kreis als „Spinnennetz“. Lehrer/innen sind<br />
Teil des Kreises.<br />
Es beginnt ein/eine Schüler/in mit dem Wollknäuel in der Hand zu den vorgegebenen Fragestellungen<br />
persönlich zu antworten. Ist er/sie fertig, wird das Wollknäuel einem/einer möglichst weit entfernt<br />
sitzenden Gesprächspartner/in zugeworfen, der/die versucht an das Gehörte anzuknüpfen und es<br />
entsprechend seiner/ihrer Sichtweise weiterzuentwickeln.<br />
Das „Spinnennetz“ ist fertig, wenn alle im Kreis zu Wort gekommen sind!<br />
Am Schluss kann dann „das Gespräch“ symbolisch auf den Boden gelegt oder in der richtigen Reihenfolge<br />
wieder aufgelöst werden, indem jeder ein kurzes Feedback zum Gespräch gibt.<br />
Leitfragen:<br />
q Welche wichtigen Fragen wirft der Film auf und welche Antworten gibt er?<br />
q Welche Bedeutung haben dabei Ihrer Meinung nach die von Morris als Inserts eingeführten<br />
11 Lektionen?<br />
q Inwieweit besitzen diese Fragen / Antworten / Lektionen Relevanz für die Gegenwart im<br />
21. Jahrhundert?<br />
q Wie könnte eine über den 11 Lektionen stehende 12. Lektion lauten?<br />
Hausaufgabe:<br />
q Schreiben Sie einen Essay z.B. für die Schülerzeitung, in dem Sie Ihre Leser motivieren<br />
wollen, <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> im <strong>Kino</strong> anzusehen!
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 35<br />
AKTUELLE BEZÜGE ENTDECKEN<br />
Die Botschaft des Films<br />
Erarbeitung der „Botschaft“ McNamaras aus<br />
kommunikationspsychologischer Sicht in Anlehnung an das<br />
Nachrichtenquadrat von Schulz von Thun<br />
Interrotron<br />
McNamaras nachdenklicher Rückblick auf wichtige Ereignisse seines Lebens, insbesondere als Offizier<br />
des statistischen Kontrollamts und als Verteidigungsminister unter Johnson und Kennedy, findet im<br />
Gespräch mit Morris statt. Die Gesprächssequenzen, die wir als Zuschauer sehen, stellen die Auswahl<br />
Morris´ aus 20 Stunden Interviewmaterial dar. Morris hat für seine Dokumentarfilme einen einzigartigen<br />
Interviewapparat entwickelt, den „Interrotron“. Er besteht aus einem System umgebauter Teleprompter,<br />
die das Bild auf einen Monitor projizieren, der direkt über der Kamera angebracht ist. Dadurch sehen<br />
die Befragten während des Interviews direkt in die Kamera und ermöglichen so dem Publikum und dem<br />
Interviewer Augenkontakt. Die Wirkung ist die, dass die Aufmerksamkeit des Interviewten auf einen Punkt<br />
konzentriert wird und er genau in die Kamera spricht. „Es besteht ein Unterschied zwischen einer vermeintlichen<br />
Hauptperson und der wahren Hauptperson“, sagt Morris. „So entsteht eine zusätzliche<br />
Intensität. Der Interrotron leitet die Geburt des wahren <strong>Kino</strong>s aus erster Hand ein.“<br />
Leitfragen:<br />
Durch die besondere Technik des Interrotrons erschafft Morris eine ganz eigene Kommunikationssituation<br />
zwischen Interviewer und Interviewten und zwischen Interviewten und dem<br />
Zuschauer<br />
q Wie haben Sie diese besondere dokumentarische Vorgehensweise von Morris als Zuschauer/in<br />
im <strong>Kino</strong> erlebt?<br />
q Welche Eindrücke hinsichtlich der Körpersprache (Gestik, Mimik, Tonfall) McNamaras sind<br />
Ihnen haften geblieben?<br />
q Worin besteht Ihrer Meinung nach die persönliche „Botschaft“ McNamaras an den<br />
Zuschauer?
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 36<br />
AKTUELLE BEZÜGE ENTDECKEN<br />
Das Nachrichtenquadrat<br />
Der Kommunikationspsychologe Friedmann Schulz von Thun hat ein Modell der zwischenmenschlichen<br />
Kommunikation entwickelt, das dem Bestreben folgt, der Komplexität verbaler und nonverbaler Äußerungen<br />
im Wechselspiel von Sender und Empfänger gerecht zu werden. Mit seinem „Nachrichtenquadrat“<br />
und den damit verbundenen „Vier Seiten einer Nachricht“ <strong>macht</strong> er deutlich, dass ein und dieselbe<br />
Nachricht mehrere Botschaften gleichzeitig enthält, d.h. jeder Sender immer gleichzeitig auf allen<br />
vier Seiten sendet.<br />
Die vier<br />
Seiten einer<br />
Nachricht<br />
Selbstkundgabe:<br />
Was ich über<br />
mich selbst<br />
mitteile<br />
Sachinhalt:<br />
Worüber ich informiere<br />
t<br />
9<br />
Nachricht<br />
e<br />
q<br />
Appell:<br />
Wozu ich dich<br />
veranlassen<br />
möchte<br />
Beziehung:<br />
Was ich von dir halte, und wie wir zueinander stehen<br />
Probleme in der Kommunikation und auch Konflikte entstehen nach diesem Modell insbesondere<br />
dadurch, dass sowohl der Sender wie der Empfänger die vier Seiten einer Nachricht nicht beherrscht,<br />
d.h., dass beide Parteien sich nicht bewusst sind, dass jede Äußerung, egal auf welcher Seite ihr Hauptakzent<br />
liegt, immer vier Seiten beinhaltet. So liegt das Augenmerk des Senders vielleicht auf der<br />
Sachseite, weil im Mittelpunkt seiner Wahrnehmung sein Interesse liegt, über einen Sachinhalt zu<br />
informieren. Beim Empfänger dieser Nachricht liegt die Spezialisierung vielleicht auf dem Appellohr, d.h.,<br />
er hört in dem Gesagten nur die Aufforderung.<br />
Leitfragen:<br />
q Versuchen Sie McNamaras persönlichen Rückblick hinsichtlich der „vier Seiten<br />
einer Nachricht“ kommunikationspsychologisch zu analysieren<br />
1. Sachinhalt: Worüber informiert McNamara den Zuschauer?<br />
2. Selbstkundgabe: Was teilt McNamara dem Zuschauer über sich als Person,<br />
seine Werte, Normen, Interessen, aktuelle Befindlichkeit (als bewusste<br />
Selbstdarstellung oder Selbstöffnung) mit?<br />
3. Beziehungshinweis: Wie steht McNamara zum Zuschauer, was hält er von ihm,<br />
wie definiert er diese Beziehung?<br />
4. Appell: Wie versucht McNamara, auf den Zuschauer Einfluss zu nehmen?<br />
Was wünscht/erwartet er vom Zuschauer?<br />
q Wie würden Sie aufgrund dieses Hintergrundwissens McNamara, eine der bedeutendsten<br />
Persönlichkeiten unserer Zeitgeschichte, charakterisieren?<br />
q Wenden Sie das „Nachrichtenquadrat“ auf den Filmemacher Errol Morris an! Berücksichtigen<br />
Sie dabei die Bedeutung der 11 Lektionen (vgl. Filmheft S. 7) und des gewählten Filmtitels.<br />
q Schreiben Sie eine Kurzgeschichte mit dem Titel <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong>! Lassen Sie sich dabei<br />
von Ihren Einsichten über die „Botschaften“ McNamaras und Morris’ als Figurenvorlage<br />
inspirieren!
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 37<br />
AKTUELLE BEZÜGE ENTDECKEN<br />
Die Strategie des Rechtfertigens auf dem Prüfstand<br />
Auseinandersetzung mit der Frage der individuellen Verantwortung<br />
mit der Methode „Stummer, schriftlicher Dialog“<br />
Informationstext:<br />
Im Zusammenhang mit der Verantwortung McNamaras für den Vietnamkrieg steht folgende Gesprächssequenz<br />
und Morris’ persönlicher Kommentar zum Film:<br />
Morris: „In welchem Maß fühlten Sie sich als Urheber oder Werkzeug von Dingen, die nicht Sie<br />
kontrollierten?“<br />
McNamara: „Keines von beidem, denke ich. Ich dachte nur, ich stehe im Dienst eines Präsidenten, den<br />
das amerikanische Volk gewählt hatte. Meine Aufgabe war es zu versuchen, ihm zu helfen, sein Amt<br />
auszuüben, sowie er glaubte, es diene dem Interesse des Volkes. Was ist moralisch angemessen in<br />
Kriegszeiten?“<br />
Morris: „Es besteht kein Zweifel daran, dass McNamara jetzt der Meinung ist, dass der Krieg falsch<br />
war. Aber ich wollte seine wahren Gefühle kennen lernen. Es besteht ein großer Unterschied zwischen<br />
der Aussage „Eine Politik ist falsch“ oder „Es ist falsch, ich habe es verursacht und es tut mir leid.“<br />
Diese Feinheiten - diese Fragen der individuellen Verantwortung - bilden das Kernstück des Films.“<br />
Stummer, schriftlicher Dialog:<br />
Auf einer Tafel oder auf einem Packpapier findet ein schriftlicher Dialog zwischen den<br />
Schüler/innen statt. Stellungnahmen, Gefühle, Meinungen, Assoziationen haben hier Raum. Es<br />
kann/soll in Form des eigenen Kommentars auf bereits Geschriebenes eingegangen werden.<br />
Diese Vorgehensweise ist bei Themen, die starke Betroffenheit auslösen, besonders geeignet.<br />
Leitfrage:<br />
q Beziehen Sie Stellung zu der im Informationstext aufgeworfenen Frage der individuellen Verantwortung<br />
(z.B. als Kommentar zu McNamara, persönliche moralische Überzeugung, Kommentar<br />
zur Aktualität des Themas im 21. Jahrhundert, kleines Gedicht, Gedankenspiel)!<br />
Abschließende Diskussion:<br />
q Diskutieren Sie an historischen und aktuellen Beispielen, wie Kriege gerechtfertigt wurden<br />
und werden? Gehen Sie dabei u.a. auf die Begriffe „Angriffskrieg“, „Verteidigungskrieg“ und<br />
„Präventivkrieg“ und ihre Auslegung in der UN Charta ein!<br />
q Welche pro und contra Argumente bestimmten die Diskussion um die Rechtfertigung des<br />
Irak-Krieges?<br />
q Diskutieren Sie die berühmte Aussage von Clausewitz in seiner Vorrede zum Buch „Vom<br />
Kriege“: „Es muss noch der ebenfalls praktisch notwendige Gesichtspunkt ausdrücklich und<br />
genau festgestellt werden, dass der Krieg nichts ist als die fortgesetzte Staatspolitik mit<br />
anderen Mitteln.“<br />
q Gibt es aus Ihrer Sicht überzeugende Gründe, die einen Krieg rechtfertigen?<br />
q Das eigene Handeln zu rechtfertigen ist auch eine beliebte Kommunikationsstrategie im Alltag.<br />
Nennen Sie persönliche Beispiele!
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 38<br />
AUS DER GESCHICHTE LERNEN<br />
Den Film weiterdenken<br />
Einen aktuellen politischen Konflikt des 21. Jahrhunderts in der Klasse<br />
im Rollenspiel darstellen<br />
Rollenspiel: „Ich höre und vergesse, ich sehe und erinnere mich, ich tue und<br />
verstehe.“ (Chinesisches Sprichwort)<br />
Sich in andere Menschen hineinzuversetzen, in ihre „Rolle“ zu schlüpfen stellt eine Fähigkeit dar, die in<br />
Konflikten eine besondere „Rolle“ spielt. Diese Einsicht formuliert <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> in seinem ersten<br />
Lehrsatz: „Versetze dich in deinen Feind!“ In der Konfliktforschung und in der Psychologie wird diese<br />
Fähigkeit mit dem Begriff „Empathie“ (Einfühlungsvermögen) beschrieben. Jean Paul fasst diese Kompetenz<br />
sogar in einen erkenntnistheoretischen Rahmen: „Um zur Wahrheit zu gelangen, sollte jeder die<br />
Meinung seines Gegners zu verteidigen versuchen.“<br />
Das Rollenspiel eröffnet den Schüler/innen die Möglichkeit, sich anhand eines vorgegebenen Konfliktes<br />
in augenscheinlich fremde Rollen von Konfliktparteien handelnd hineinzuversetzen. Das Rollenspiel<br />
ist ein ideales Training für vertiefte Einsichten in die Dynamik von Konflikten und für die Entwicklung von<br />
Kriterien für soziales Handeln.<br />
Die Auswertung des Rollenspiels bietet die Chance, neue Wege, die zur Lösung von Konflikten beitragen<br />
können zu entdecken und Spielszenen zu erproben.<br />
Demokratie gestalten<br />
„Wie Konflikte konstruktiv gelöst werden können - gemeinsam auf<br />
dem Weg zu einer friedfertigeren Gesellschaft“ mit der Methode<br />
Zukunftswerkstatt<br />
Zukunftswerkstatt<br />
„Die Zukunft geht uns alle an“. So beginnen Robert Jungk und Norbert R. Müller das erste Kapitel in<br />
ihrem Buch „Zukunftswerkstätten“. Ziel ihrer Werkstattarbeit ist es, Menschen zu ermutigen, sich ihrer<br />
Phantasie zu bedienen und selbst Lösungen für Probleme zu entwickeln, die sie betreffen - aus Betroffenen<br />
Experten in eigener Sache zu machen. Die Idee für die spezifische Arbeitsweise in Zukunftswerkstätten<br />
umschreibt Jungk einmal mit der Feststellung des bekannten Nationalökonomen Fritz<br />
Machlup: Die größte Erfindung ist „die Erfindung, wie man erfindet.“<br />
Die menschliche Kreativität und die Fähigkeit, Probleme zu lösen oder sich Neues auszudenken für den<br />
Bereich des gesellschaftlichen Zusammenlebens fruchtbar zu machen, bilden den Kern der Arbeits- und<br />
Vorgehensweise der Zukunftswerkstatt.
TEIL 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Seite 39<br />
AUS DER GESCHICHTE LERNEN<br />
Die fünf Schritte einer Zukunftswerkstatt<br />
Vorbereitungsphase:<br />
Ankündigung des Themas „Wie Konflikte konstruktiv gelöst werden können - gemeinsam<br />
auf dem Weg zu einer friedfertigeren Gesellschaft“, des „Werkstattortes“, des zur<br />
Verfügung stehenden Zeitrahmens und Einführung in die Arbeitsweise „Zukunftswerkstatt“, Vorbereitung<br />
der Arbeitsmaterialien (Packpapier, Filzstifte, Klebeband, Wachsmalstifte).<br />
Kritikphase (gemeinsam mit allen Schülern/innen) - Die<br />
Ursachen/Hintergründe von privaten und gesellschaftlichen<br />
Konflikten:<br />
Arbeitsfrage und Arbeitsschritte<br />
Welche Gewohnheiten, Mechanismen, Strukturen tragen dazu bei, dass private und politische<br />
Konflikte häufig im Streit bzw. im „Krieg der Parteien“ enden?<br />
q Sammeln von Gründen/Ursachen im Brainstorming<br />
q Systematisierung der gefundenen Kritikpunkte nach wichtigen Problembereichen<br />
Fantasiephase (arbeitsteilig in Gruppen):<br />
Arbeitsschritte:<br />
q Die Gruppen entscheiden, mit welchen gefundenen Problembereichen sie sich phantasievoll<br />
und lösungsorientiert auseinandersetzen wollen<br />
q Sie finden eine für sie sinnvolle Vorgehensweise, wie sie ihren oder ihre Problembereiche<br />
bearbeiten und präsentieren wollen, z.B. als Fantasiethemenkreise oder als utopischen<br />
Entwurf<br />
Regeln für die Fantasiephase:<br />
q Für uns spielt die Wirklichkeit jetzt keine Rolle.<br />
q Uns ist im Denken alles erlaubt, alles geht und ist möglich.<br />
q Wir können und sollen ohne Einschränkungen wünschen, spinnen, träumen.<br />
Verwirklichungs- und Praxisphase (gemeinsam mit allen<br />
Schüler/innen):<br />
Arbeitsschritte:<br />
q Kritische Prüfung der Lösungen nach Durchsetzungsmöglichkeit<br />
q Umsetzung der ausgewählten Lösungen in praktische Schritte<br />
Nachbereitungsphase:<br />
q z.B. Schriftliche Dokumentation, Werkstattbericht<br />
q Vorschläge für die Weiterarbeit
TEIL 3 Materialien Seite 40<br />
Historischer Abriss: Der Krieg in Vietnam<br />
Die „französische Phase“<br />
1945 Ho Chi Minh ruft nach Abzug der japanischen Besatzer<br />
eine Demokratische Republik Vietnam aus<br />
1946 ff. Frankreich versucht seinen kolonialen Einfluss militärisch zu sichern<br />
1954 endgültige französische Niederlage in der Schlacht bei Dien Bien Phu<br />
Die „amerikanische Phase“<br />
1954 USA unterstützen Südvietnam als antikommunistischen Vorposten<br />
1956 Senator John F. Kennedy erklärt Solidarität mit Vietnam als „Eckpfeiler der freien Welt“<br />
in Südostasien<br />
1963 die Zahl der US-Militärberater in Vietnam ist auf 16.000 gestiegen<br />
Oktober: Präsident Kennedy kündigt Truppenabzug bis Ende 1965 an<br />
November: Staatsstreich in Südvietnam, Präsident Ngo Dinh Diem wird ermordet<br />
November: Kennedy wird ermordet, Lyndon B. Johnson wird Präsident<br />
1964 angeblicher nordvietnamesischer Angriff auf US-Schiffe; amerikanische Bombardements<br />
als Vergeltung<br />
1965 die USA beginnen, Nordvietnam systematisch zu bombardieren<br />
1966 die US-Truppen in Vietnam werden drastisch verstärkt<br />
1967 McNamara wird als Verteidigungsminister abgelöst<br />
1968 Januar: nordvietnamesische Großoffensive (Tet-Offensive) im Süden<br />
weltweit wächst die Kritik an der Vietnampolitik der USA<br />
Mai: Beginn der Friedensverhandlungen in Paris<br />
1969 Richard Nixon wird Präsident; sein Sonderbeauftrager Henry Kissinger nimmt<br />
Geheimverhandlungen auf, um den Rückzug der US-Truppen vorzubereiten<br />
1973 das Waffenstillstandsabkommen sieht vollständigen Abzug der US-Truppen vor<br />
Die „Bürgerkriegsphase“<br />
1973 ff. Norden und Süden operieren weiter militärisch gegeneinander<br />
1975 der südvietnamesische Präsident Nguyen Van Thieu tritt im April zurück; kommunistische<br />
Truppen besetzen Saigon; dramatische Evakuierung<br />
1976 Wiedervereinigung als Sozialistische Republik Vietnam
TEIL 3 Materialien Seite 41<br />
Historische Fakten und Personen<br />
Agent Orange: Schädlingsbekämpfungsmittel, das die US-Streitkräfte in Vietnam einsetzten, um Pflanzen<br />
zu vernichten, Bäume zu entlauben und dem Feind die Deckung zu rauben. Der Einsatz von Agent Orange<br />
wurde von McNamara und den Oberbefehlshabern befürwortet und 1961 von Präsident Kennedy genehmigt.<br />
Zwischen 1961 und 1971 versprühten C-123-Flugzeuge in Südvietnam mehr als 19 Millionen Galeonen<br />
Agent Orange und ähnliche Mittel. Nach dem Vietnamkrieg wurde klar, dass Agent Orange Krebs und Missbildungen<br />
bei Neugeborenen, bei Tausenden von Zivilisten und Militärangehörigen verursachte.<br />
Weitere Informationen: William A. Buckingham Jr., Operation Ranch Hand: The Air Force and Herbicides in<br />
South-East Asia, 1961-1971.<br />
Armistice Day (Waffenstillstandstag): Die weltweiten Feiern vom 11. November 1918 markierten das<br />
Ende des Ersten Weltkriegs, des bis dahin verheerendsten Krieges der Geschichte. Präsident Woodrow Wilson<br />
und viele Amerikaner glaubten, sie hätten durch den Sieg alle künftigen Kriege verhindert. McNamara<br />
erinnert sich, als 2-Jähriger diese Feierlichkeiten miterlebt zu haben.<br />
Weitere Informationen: John Milton Cooper, Breaking the Heart of the World.<br />
Atombomben: Zwischen 1939 und 1945 wurden mehr als 2 Billionen Dollar in das geheime „Manhattan<br />
Project“ zum Bau einer Atombombe gesteckt. Am 6. August 1945 wurde eine Uraniumbombe mit dem<br />
Namen „Little Boy“ auf Hiroshima abgeworfen, die sofort 80.000 Menschen das Leben kostete. Drei Tage<br />
später tötete die Plutoniumbombe „Fat Man“ in Nagasaki auf der Stelle 58.000 Menschen.<br />
Weitere Informationen: Richard Rhodes, The Making of the Atomic Bomb.<br />
B-29 Superfortress: Im Herbst 1943 wurde McNamara von London nach Kansas geschickt, um die Konstruktion<br />
der ersten B-29-Flugzeuge zu beschleunigen. Der schwere Langstreckenbomber, der im Herbst<br />
1944 seinen Dienst aufnahm, war die vielseitigste Maschine, die je konstruiert wurde. Die B-29 konnte auf<br />
einer Flughöhe von mehr als 30.000 Fuß mit einer Reichweite von 6.000 Meilen fliegen. Sie wurde für die<br />
verheerenden Brandbombenangriffe und für den Abwurf der beiden Atombomben auf Japan eingesetzt.<br />
Weitere Informationen: Curtis E. LeMay und Bill Yenne, Superfortress: The B-29 and American Air Power,<br />
http:/ /www.nasm.si.edu/esearch/arch/archives.html.
TEIL 3 Materialien Seite 42<br />
Brandbombenangriffe (auf Japan): Während der ersten drei Jahre des Zweiten Weltkrieges führte die US-<br />
Luftwaffe ihre Präzisionsbombenangriffe auf Deutschland und Japan bei Tag und aus großer Höhe aus.<br />
Wegen der starken Winde und Wolken über Japan begann die Luftwaffe in der Nacht des 10. März 1945 in<br />
Tokio ihren Feldzug nächtlicher Brandbombenangriffe im Tiefflug. In dieser einzigen Brandnacht haben 334<br />
B-29-Bomber fast 100.000 Zivilisten den Tod gebracht. In den folgenden fünf Monaten planten die Vereinigten<br />
Staaten, 66 weitere japanische Städte mit Brandbomben zu überziehen, und verursachten so den Tod<br />
von fast einer Million japanischer Zivilisten; 1,3 Millionen Menschen wurden verletzt, fast ein Viertel der japanischen<br />
Bevölkerung musste ihre zerstörten Häuser aufgeben. McNamara war zu dieser Zeit bei der statistischen<br />
Kontrollabteilung und Oberstleutnant der 20. US-Luftwaffendivision, die sowohl für die Brandbombenangriffe<br />
als auch für den Abwurf der Atombomben auf Japan verantwortlich war. Seine Aktennotiz über die<br />
Wirkungslosigkeit der konventionellen Bombenangriffe trugen zu General LeMays Entscheidung bei, mit<br />
Brandbomben anzugreifen.<br />
Weitere Informationen: The Rise of American Air Power: The Creation of Armageddon, von Michael S. Sherry.<br />
Bundy, McGeorge: Sicherheitsberater der Präsidenten Kennedy und Johnson, 1961-1966.<br />
Castro, Fidel: kubanischer Staatschef, seit 1959.<br />
Chruschtschow, Nikita: Staatsoberhaupt der Sowjetunion 1953-1964, Widersacher der Vereinigten Staaten<br />
in der Kuba-Krise im Oktober 1962.<br />
Clifford, Clark: Außenpolitischer Berater von Präsident Johnson, 1965-1967; löste 1968 McNamara als<br />
Verteidigungsminister ab.<br />
(Große) Depression: Der katastrophale, weltweite wirtschaftliche Zusammenbruch der 30er Jahre. Zum<br />
Höhepunkt der Depression waren 25 % der amerikanischen Arbeitskräfte (13 Millionen Menschen) arbeitslos.<br />
Die große Depression, die durch den Börsenkrach 1929 eingeleitet wurde, endete erst 1942 mit dem Eintritt<br />
der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg. Im Studium von 1933 bis 1937 in Berkeley wählte McNamara,<br />
wie viele andere auch, Betriebswirtschaft als Hauptfach - eine Reaktion auf die verheerenden wirtschaftlichen<br />
Zustände während der Großen Depression.<br />
Weitere Informationen: The Great Depression: America 1929-1941, von Robert McElvaine,<br />
http:/ /www.fdrlibrary.marist.edu.<br />
Diem (Ngo Dinh Diem): Staatsoberhaupt von Südvietnam, 1954-1963; bei dem Staatsstreich im November<br />
1963 ermordet.
TEIL 3 Materialien Seite 43<br />
Diem-Mord: Am 1. November 1963 wurden der südvietnamesische Präsident Ngo Dinh Diem und sein Bruder<br />
während eines von der Kennedy-Regierung eingefädelten und unterstützten Militärstreichs ermordet.<br />
Danach hatte Südvietnam bis zum Ende des Vietnamkrieges keine beständige Regierung mehr. Diese Instabilität<br />
führte zu einer Verstärkung der militärischen Kräfte der USA in Vietnam, die alle nachfolgenden südvietnamesischen<br />
Regierungen im Kampf gegen die nordvietnamesischen Aufstände unterstützen sollten.<br />
Weitere Informationen: Howard Jones, Death of a Generation: How the Assassination of Diem and JFK<br />
prolonged the Vietnam War.<br />
Domino-Theorie: Die Vorstellung, dass, sobald ein Land kommunistisch wird, seine Nachbarländer folgen<br />
werden. Diese Theorie wurde 1945 zuerst von Präsident Dwight Eisenhower vertreten und von den folgenden<br />
Regierungen dazu verwendet, den Krieg in Vietnam zu rechtfertigen. Viele Historiker und auch Robert S.<br />
McNamara sind heute jedoch der Ansicht, dass Asien auch ohne Amerikas Intervention in Vietnam nicht den<br />
Kommunisten in die Hände gefallen und die Sicherheit des Westens nicht gefährdet gewesen wäre.<br />
Weitere Informationen: Robert Mann, A Grand Delusion: America’s Descent into Vietnam,<br />
http:/ /www.eisenhower.utexas.edu/.<br />
Ford, Henry (II): Präsident der Ford Motor Company, 1945-1969.<br />
Giap (Vo Nguyen Giap): Vier-Sterne-General der nordvietnamesischen Armee während des Vietnamkriegs<br />
und ehemaliger Verteidigungsminister; er bestätigte McNamara 1995, dass der zweite Angriff am Golf von<br />
Tongking nie stattfand.<br />
Goldwater, Barry: Senator in Arizona und Lyndon B. Johnsons republikanischer Gegenkandidat bei den Präsidentschaftswahlen<br />
1964.<br />
Golf von Tongking: Am 2. August 1964 wurde der amerikanische Zerstörer Maddox von nordvietnamesischen<br />
Patrouillenbooten angegriffen. Am 4. August berichteten die Zerstörer Maddox und Turner Joy von<br />
erneuten Angriffen nordvietnamesischer Patrouillenboote. Am Ende dieses Tages befahl Präsident Johnson<br />
als Vergeltung die ersten Luftangriffe auf Nordvietnam. Am 7. August verabschiedete der Kongress die Golfvon-Tongking-Resolution,<br />
die den Präsidenten autorisierte, das Land in den Krieg zu führen. Fast unmittelbar<br />
nach dem 4. August tauchten Zweifel an dem Angriff auf. Während eines Treffens zwischen Robert McNamara<br />
und dem ehemaligen vietnamesischen General Vo Nguyen Giap 1995 wurde definitiv bestätigt, dass der<br />
Angriff am 4. August nie stattgefunden hat.<br />
Weitere Informationen: Edwin Moise, Tonkin Gulf and the escalation of the Vietnam War,<br />
http:/ /www.history.navy.mil/.
TEIL 3 Materialien Seite 44<br />
Ho Chi Minh: Geboren 1890, Gründer und Präsident der Demokratischen Republik Vietnam (Nordvietnam).<br />
Er gründete in den frühen 30er Jahren die indochinesische kommunistische Partei. 1941 bildete er eine Allianz,<br />
die unter dem Namen Viet-Minh gegen die französische Besatzung von Vietnam kämpfte. Nach dem<br />
Sieg über die Franzosen in der Schlacht von Dien Bien Phu wurde Vietnam entlang des 17. Breitengrads in<br />
Nord- und Südvietnam geteilt. Ho Chi Minh sah es als seine Aufgabe an, Vietnam unter einer kommunistischen<br />
Regierung wieder zu vereinen. Nachdem er jahrelang Aufstände in Südvietnam unterstützt hatte,<br />
schickte er 1964 reguläre Einheiten der Demokratischen Republik Vietnam nach Südvietnam. Die Vereinigten<br />
Staaten reagierten darauf mit „Rolling Thunder“, groß angelegten Bombenangriffen auf Nordvietnam im März<br />
1965, und erhöhten ihre Truppenstärke in Vietnam bis zum Sommer 1965 um ein Vielfaches. Die erste<br />
große Schlacht zwischen US- und DRV-Truppen fand im November 1965 in Ia Drang statt. Ho Chi Minh gab<br />
seinen Kampf für ein vereintes Vietnam und gegen die Vereinigten Staaten bis zu seinem Tod 1969 nicht auf.<br />
1975 wurde Vietnam endlich vereinigt und die südvietnamesische Hauptstadt Saigon wurde in Ho Chi Minh<br />
City umbenannt.<br />
Weitere Informationen: William Duiker, Ho Chi Minh: A Life<br />
Johnson, Lyndon B.: 36. Präsident der Vereinigten Staaten, 1963-1969; forcierte die militärische Einmischung<br />
der USA in Vietnam.<br />
Kennedy, John F.: 35. Präsident der Vereinigten Staaten, 1961-1963.<br />
Kennedy, Robert F.: Justizminister, 1961-1964; als demokratischer Senator des Staates New York von<br />
1965-1968 zunehmend Kritiker der Beteiligung der Vereinigten Staaten am Vietnam-Konflikt.<br />
Kennedy-Mord: Präsident John F. Kennedy wurde am 22. November 1963 in Dallas, Texas, ermordet. Nach<br />
ihm wurde der bisherige Vizepräsident Lyndon B. Johnson der 36. Präsident der Vereinigten Staaten. Kennedys<br />
Plan, alle Militärberater aus Vietnam abzuziehen, verwarf Johnson sofort. Nur vier Tage nach seiner Amtsübernahme<br />
bestätigte er in einer Aktennotiz die amerikanische Verpflichtung gegenüber Südvietnam.<br />
Weitere Informationen: Robert Dallek, An Unfinished Life: John F. Kennedy 1917-1963,<br />
http:/ /www.cs.umb.edu/jfklibrary/.<br />
Kennedys präsidiale Aufzeichnungen: Im Sommer 1962 installierte John F. Kennedy ein verstecktes Aufzeichnungsgerät<br />
im Kabinettsraum des Weißen Hauses. Bis zu seinem Tod hat Kennedy etwa 250 Stunden<br />
Besprechungen und 12 Stunden Telefongespräche mitgeschnitten. Die denkwürdigsten Aufzeichnungen<br />
stammen aus der Zeit der Kuba-Krise im Oktober 1962; sie liefern intime Details über die Arbeitsweise der<br />
Regierung der Vereinigten Staaten in Krisenzeiten.<br />
Weitere Informationen: Philip Zelikow und Ernest May (Hgg.), The Presidential Recordings of John F. Kennedy,<br />
Volumes 1-3, The Great Crisis, http:/ /www.cs.umb.edu/jfklibrary/.
TEIL 3 Materialien Seite 45<br />
Kuba-Krise: Höhepunkt und zugleich Wendepunkt des Kalten Krieges. So nah standen die Vereinigten Staaten<br />
und die Sowjetunion noch nie vor einem Nuklearkrieg. Nachdem US-Aufklärer die von der Sowjetunion<br />
heimlich in Kuba installierten Nuklearraketen entdeckt hatten, verhängten die USA am 16. Oktober 1962 auf<br />
Empfehlung McNamaras eine Seeblockade über Kuba. Man bereitete Luftangriffe und eine Invasion vor. Am<br />
28. Oktober verkündete der sowjetische Premier Nikita Chruschtschow, er werde die Raketen aus Kuba<br />
abziehen und beendete so die Krise. Erst 1992 erfuhr Robert S. McNamara von Fidel Castro, dass 1962<br />
bereits nukleare Sprengköpfe auf Kuba installiert waren - und dass sie im Falle einer US-Invasion gegen die<br />
Truppen und das amerikanische Festland eingesetzt worden wären.<br />
Weitere Informationen: Laurence Chang und Peter Kornbluh (Hgg.), The Cuban Missile Crisis, 1962,<br />
http:/ /www.gwu.edu/ ~nsarchiv/.<br />
LeMay, Curtis E.: 1906 in Columbus, Ohio geboren, trat LeMay 1928 dem US-Luftwaffencorps bei. 1942<br />
kommandierte er bereits 305 Bombardementtruppen der 8. Luftwaffendivision in London. Als Oberbefehlshaber<br />
einer der ersten Divisionen, die Deutschland bombardierten, erhielt LeMay große Anerkennung für seine<br />
neuartigen Trainingsmaßnahmen und die Entwicklung neuer Bombardierungstechniken. 1944 ging er nach<br />
China, um das Kommando der 20. Bomberdivision zu übernehmen, die begann, Ziele in Japan anzugreifen.<br />
Im Januar 1945 löste er Haywood Hansell als Kommandant der 21. Bomberdivision ab - ein umfangreicheres<br />
Kommando über B-29-Bomber, das auf den Marianen-Inseln stationiert war. Von hier aus plante und kommandierte<br />
er die verheerenden Brandbombenangriffe auf Japan. Im März 1945 entwarf LeMay eine neue Taktik<br />
nächtlicher Tiefflug-Angriffe mit Brandbomben, die 67 japanische Städte zerstörten und fast eine Million japanischer<br />
Zivilisten das Leben kostete. LeMays Kommando war im August 1945 auch für den Abwurf der beiden<br />
Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki verantwortlich. 1948 übernahm LeMay den Posten des strategischen<br />
Luftoberbefehlshabers, das Kommando der nationalen strategischen Nuklearverteidigung. Präsident<br />
Kennedy ernannte ihn 1961 zum Stabschef der Luftwaffe. In dieser Position geriet er wiederholt in Strategie-,<br />
Waffen- und Budgetfragen mit Minister McNamara aneinander. 1965 verabschiedete sich LeMay in<br />
den Ruhestand, ging jedoch 1968 mit Gouverneur George Wallace als Vizepräsident ins Rennen um die Präsidentschaft.<br />
George Wallace verlor die Wahl, und LeMay zog sich ins Privatleben zurück.<br />
Weitere Informationen: Thomas M. Coffey, Iron Eagle: The Turbulent Life of General Curtis LeMay.<br />
Lyndon B. Johnsons Telefongespräche: Zwischen dem 22. November 1962 und Januar 1969 hat Präsident<br />
Lyndon B. Johnson heimlich Telefongespräche zwischen dem Oval Office und seiner Ranch in Texas mitgeschnitten.<br />
Die ersten Aufnahmen wurden 1993 veröffentlicht, in Verbindung mit der Herausgabe der Akten<br />
zur Ermordung John F. Kennedys. Die Aufzeichnungen der letzten drei Jahre sind noch unveröffentlicht.<br />
Weitere Informationen: Michael Beschloss (Hrsg.), Taking Charge: The Johnson White House Tapes, 1963-<br />
1964 sowie Reaching for Glory: Lyndon Johnson’s Secret White House Tapes, 1964-1965,<br />
http:/ /www.lbjlib.utexas.edu/.
TEIL 3 Materialien Seite 46<br />
Marsch auf das Pentagon: Am 21. Oktober 1967 fanden sich 50.000 Menschen in Washington zur bis<br />
dahin größten Demonstration gegen den Vietnamkrieg zusammen. 20.000 von ihnen marschierten weiter,<br />
mit dem Ziel, das Pentagon handlungsunfähig zu machen. McNamara, verantwortlich für die Verteidigung<br />
des Pentagons, konnte die Demonstranten am Eindringen ins Pentagon hindern.<br />
Weitere Informationen: Norman Mailer, Armies of the Night: History as a Novel, the Novel as History.<br />
Marianen-Inseln: Südpazifische Inselgruppe, die die Vereinigten Staaten im Sommer 1944 von den Japanern<br />
eroberten. Die 20. US-Luftwaffendivision benutzte die Inseln Guam, Saipan und Tinian als Stützpunkt für<br />
die Luftangriffe auf Japan.<br />
Morrison, Norman: Ein Quäker, der sich aus Protest gegen den Vietnamkrieg am 2. November 1965 vor<br />
McNamaras Büro im Pentagon verbrannte.<br />
Weitere Informationen: Paul Hendrickson, Living and the Dead: Robert McNamara and Five Lives of a Lost War.<br />
Napalm: Hoch entflammbare geleeartige Benzinsubstanz, 1942 von dem Chemiker Louis Fieser entwickelt.<br />
Die US-Luftwaffe verwendete Napalm erstmals 1945, um 67 japanische Städte zu bombardieren. Später<br />
kam Napalm auch während der Kriege in Korea und vor allem in Vietnam zum Einsatz.<br />
Weitere Informationen: Kenneth Werrell, Blankets of Fire: U.S. Bombers over Japan during World War II.<br />
Präsidentschaftswahlen 1960: Senator John F. Kennedy gewann vor Vizepräsident Richard Nixon die Wahlen<br />
und wurde der 35. Präsident der Vereinigten Staaten. Obwohl Kennedy in der Abstimmung der Wahlmänner<br />
mit 303 zu 219 deutlich vorne lag, erhielt er bei den öffentlichen Wahlen nur 118.000 Stimmen mehr als<br />
Nixon.<br />
Präsidentschaftswahlen 1964: Präsident Johnsons Gegner war der ultra-konservative republikanische<br />
Senator Barry Goldwater. Goldwaters öffentliche Forderung, in Vietnam Nuklearwaffen einzusetzen, bescherte<br />
Johnson 65 % der Stimmen - der höchste Sieg, den jemals ein amerikanischer Präsident errungen hat.<br />
Rolling Thunder: Name für die anhaltenden Luftangriffe der US-Luftwaffe ab März 1965 auf Nordvietnam.<br />
Zwischen 1965 und 1968 fielen im Rahmen von „Rolling Thunder“ mehr als 1,5 Millionen Tonnen Bomben auf<br />
Nordvietnam: McNamara und die Johnson-Regierung wollten Ho Chi Minh und die nordvietnamesische Führung<br />
zwingen, ihre Unterstützung der Vietcong-Aufstände in Südvietnam aufzugeben und einer Einigung zuzustimmen<br />
- was jedoch trotz der verheerenden Schäden und der hohen Anzahl an Opfern, die „Rolling Thunder“<br />
verursachte, misslang.<br />
Weitere Informationen: David Kaiser, American Tragedy: Kennedy, Johnson and the Origins of the Vietnam<br />
War, http:/ /www.vietnam.ttu.edu/.
TEIL 3 Materialien Seite 47<br />
Roosevelt, Franklin D.: 32. Präsident der Vereinigten Staaten, 1933-1945.<br />
Rusk, Dean: Außenminister während der Regierungen Kennedy und Johnson, 1961-1969.<br />
Schweinebucht: Bucht an der Südküste Kubas, span. Bahia de (los) Cochinos. Hier landete am 17. April<br />
1961 eine Gruppe von über 1.000 in den Vereinigten Staaten ausgebildeten Exilkubanern. Sie sollten Kuba<br />
infiltrieren und einen Aufstand anzetteln, der den Sturz Fidel Castros zum Ziel hatte. Binnen 24 Stunden<br />
wurde diese Invasion von der kubanischen Armee niedergeschlagen. Lange Jahre warfen die Angehörigen<br />
gefallener und gefangener Exil-Kubaner den US-Geheimdiensten und Militärs mangelnde Unterstützung und<br />
Falschinformation vor. Alle zivilen und militärischen Berater von Präsident Kennedy - mit Ausnahme des Kongressabgeordneten<br />
Richard Fulbright - hatten dieser Invasion zugestimmt. Für Präsident Kennedy, der eine<br />
Unterstützung aus der Luft verweigert hatte, wurde die Mission sowohl militärisch als auch politisch ein totaler<br />
Misserfolg.<br />
Weitere Informationen: James Blight und Peter Kornbluh, Politics of Illusion: The Bay of Pigs Invasion Reexamined,<br />
http:/ /www.gwu.edu/ ~nsarchiv/.<br />
Statistische Kontrollabteilung: Unterabteilung der US-Luftwaffe, gegründet 1942. Ihre Mitarbeiter wurden<br />
auf der Harvard Business School ausgebildet und dann den einzelnen Luftwaffenkommandos zugeteilt, wo<br />
sie standardisierte Abläufe anwenden sollten, die dann statistisch ausgewertet und analysiert wurden. Die<br />
Behörde diente der Organisation von Truppen- und Materialbewegungen sowie Flugzeugeinsätzen und dem<br />
Gewinnen von statistischen Daten über Bombenangriffe. Diese Daten wurden von den Befehlshabern der<br />
Luftwaffe als wesentlicher Bestandteil der Planung und der Messung der Effektivität von Einsätzen genutzt.<br />
Robert S. McNamara war eines der Gründungsmitglieder der Statistischen Kontroll-Fakultät in Harvard.<br />
Taylor, Maxwell D.: Militärischer Berater von Präsident Kennedy, 1961-1962, Vorsitzender der Vereinigung<br />
der Generalstabsoffiziere, 1962-1964, US-Botschafter in Südvietnam,1964-1965, Vietnam-Berater von Präsident<br />
Johnson, 1965-1968.<br />
Thach (Nguyen Co Thach): Nordvietnamesischer Außenministeriums-Mitarbeiter während des Vietnamkrieges.<br />
Leiter der vietnamesischen Delegation während der Konferenz in Hanoi 1997 mit amerikanischen Entscheidungsträgern<br />
des Vietnamkrieges.<br />
Thompson, Llewellyn: Führender Sowjetunion-Spezialist der USA, Berater der Regierungen Kennedy und<br />
Johnson während der Kuba-Krise und des Vietnamkrieges.<br />
Truman, Harry S.: 33. Präsident der Vereinigten Staaten, 1945-1953; gab 1945 den Befehl zum Abwurf<br />
der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki.
TEIL 3 Materialien Seite 48<br />
Verteidigungsminister: Das Amt des Verteidigungsminsters wurde 1947 nach dem Zweiten Weltkrieg neu<br />
geschaffen, um die Militärabteilungen unter zivile Aufsicht zu stellen. Robert S. McNamara wurde am 20.<br />
Januar 1961 der 8. Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten. Er übte sein Amt unter zwei Präsidenten<br />
aus, Kennedy und Johnson, bevor er am 29. Februar 1968 zurücktrat.<br />
Weitere Informationen: James Roherty, Decisions of Robert S. McNamara: A Study of the Role of the Secretary<br />
of Defense http:/ /www.defenselink.mil/.<br />
Vietcong: Umgangssprachliche Bezeichnung für die von Nordvietnam unterstützten Rebellen in Südvietnam<br />
(offiziell „Nationale Befreiungsfront“).<br />
Westmoreland, William C.: Befehlshaber des U.S. Militär-Unterstützungskommandos in Vietnam, 1964-<br />
1968, Oberkommandierender der US-Streitkräfte, 1968-1972, Leiter der US-Bodentruppen während der<br />
Eskalation des Vietnamkrieges.<br />
Wheeler, Earl G. „Bus“: Vorsitzender der Vereinigung der Generalstabsoffiziere, 1964-1970, beaufsichtigte<br />
als militärische Führungsperson in Washington die Maßnahmen im Vietnamkrieg.<br />
Wilson, Woodrow: 28. Präsident der Vereinigten Staaten, 1913-1921; nach dem Ersten Weltkrieg misslang<br />
sein Versuch, eine Liga der Nationen zu bilden, durch die er alle weiteren Kriege verhindern wollte.
Fog of War Seite 49<br />
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Fog of War Seite 50<br />
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McNamara, Robert S. und VanDeMark, Brian, Vietnam: das Trauma einer Welt<strong>macht</strong>. Hamburg, 1996.<br />
[Selbstkritische Memoiren, zurzeit vergriffen. Engl.: „In Retrospect: The Tragedy and Lessons of Vietnam“,<br />
1995.]
Fog of War Seite 51<br />
Woodward, Bob, Der Angriff. DVA, angekündigt für 2004. € 24,90. [Engl.: Plan of Attack, 2004. - W., der<br />
1972 den Watergate-Skandal aufdeckte, belegt durch umfangreiche Interviews: Der Irakkrieg war Tage nach<br />
dem 11. 09. 2001 beschlossene Sache.]<br />
Filme zum Thema Krieg und Krise<br />
Thirteen Days. Regie: Roger Donaldson. USA, 2000, 145 Min. Darsteller: Kevin Costner u.a. [Die Kubakrise<br />
als Thriller; Leitfaden: Kennedys Besonnenheit verhindert Katastrophe.]<br />
O.K. Regie: Michael Verhoeven. Deutschland 1970, sw, 80 Min. Darsteller: Gustl Bayrhammer, Eva Matthes<br />
u.a. [Über brutalisierte Soldaten in Vietnam, nach einer wahren Geschichte; der Film wurde sofort zum Skandal<br />
und kam erst 2001 ins deutsche Fernsehen.]<br />
Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben. Regie: Stanley Kubrick. England 1963, sw, 95<br />
Min. Darsteller: Peter Sellers u.a. [Über die Weltvernichtungsmaschine, und warum sie ausgelöst wurde - die<br />
unerreicht makabre Persiflage des Kalten Krieges.]<br />
Links<br />
http:/ /errolmorris.com<br />
Die Site des Regisseurs - informativ und nicht ohne Humor.<br />
http:/ /www.choices.edu/fogofwar<br />
Das Choices-Programm (Watson Institute for International Studies / Brown University) bietet Material zum<br />
Film; unter http:/ /www.watsoninstitute.org/ finden sich weitere einschlägige Projekte zur amerikanischen<br />
Geschichte und Politik.<br />
http:/ /cmp1.ucr.edu/exhibitions/nagasaki/exploratorium.html<br />
Historische Bilder von Nagasaki, Tage nach dem Abwurf der Atombombe (Ausstellung des California<br />
Museum of Photography).<br />
http:/ /www.defenselink.mil/pubs/pentagon/<br />
Site des US-Verteidigungsministeriums zum Pentagon; mit Zugriff auf eine Informations-Datenbank.<br />
http:/ /www.fogofwarmovie.com<br />
Die offizielle Site von <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong>, enthält eine Liste nützlicher Links zu historischen Themen und Persönlichkeiten.<br />
http:/ /www.uni-karlsruhe.de/ ~afk/<br />
Seiten des AFK (Filmstudio an der Universität Karlsruhe e.V.), geben einen guten Überblick über das Genre<br />
Dokumentarfilm.