FILMHEFT THE FOG OF WAR - Kino macht Schule
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TEIL 1 Filmanalyse und Materialien zum Film Seite 18<br />
Das Treffen bei Castro: Eine Sequenzanalyse<br />
Jeder senkrechte Strich (|) bedeutet einen Schnitt zwischen zwei Einstellungen. Abkürzungen siehe S.16.<br />
Beschreibung<br />
(16:10) ZT: 1992 | Flimmernde Fernsehbilder, ZL: Castro am Rednerpult in den 60ern, dazu M (VO): „Erst im<br />
Januar 1992 erfuhr ich auf einer Konferenz von ...“ | Foto: M und Castro begrüßen sich 1992 in Havanna,<br />
dazu M (VO): „... Castro, dass 162 atomare Raketenköpfe auf der Insel waren“ | M (halbnah, zur Kamera):<br />
„Ich ... (5 Sek. stockend) traute meinen Ohren nicht, und Castro wurde wütend, weil ich sagte, beenden wir<br />
diese Konferenz, ich muss die Übersetzung missverstanden haben“ | (Horizont leicht gekippt, Kamera fährt<br />
weiter heran) „Herr Präsident, ich habe drei Fragen (zählt mit den Fingern): 1. Wussten Sie von den Gefechtsköpfen?<br />
2. Wenn ja, hätten Sie Chruschtschow bei einem amerikanischen Angriff geraten, sie einzusetzen? 3.<br />
Wenn er sie eingesetzt hätte, was wäre aus Kuba geworden?“ | 1 Sek. dunkles Bild | M (nah): „Er sagte ‚1. Ich<br />
wusste davon, 2. Ich hätte nicht - ich habe es ihm geraten | (schnell) 3. Was aus Kuba geworden wäre? Es<br />
wäre komplett zerstört worden’ (Wegwisch-Geste; blickt 5 Sek. stumm in die Kamera; Kamera langsam wieder<br />
senkrecht); (zeigt mit den Fingern:) So nah dran waren wir.“ Morris (Off): „Und das hätte er in Kauf<br />
genommen?“ M: „Ja, und (beugt sich vor; Kamera zoomt kontinuierlich näher) er fügte an: | ‚Mr. McNamara,<br />
wenn Sie und Präsident Kennedy in einer ähnlichen Lage gewesen wären, hätten Sie dasselbe getan.’ Ich<br />
sagte (schüttelt den Kopf): ‚Ich bete zu Gott, dass nicht - den Tempel über unseren Köpfen niederreißen?<br />
(GA - Sorgenstirn, Mund geöffnet:) Mein Gott!’“ (17:45)<br />
Analyse<br />
Eine erschütternde Erkenntnis, wie nach dem Ritt über den gefrorenen Bodensee: Die CIA, Kennedy und sein<br />
Verteidigungsminister ahnten im Oktober 1962 nicht, wie knapp ein Atomkrieg tatsächlich bevorstand.<br />
McNamara erlebt sein Entsetzen bei Castros Enthüllung von 1992 im Interview noch einmal nach.<br />
Der souveräne Medienprofi wirkt kontrolliert, aber sehr persönlich. Sprechtempo, Gestik und Ausdrucksweise<br />
lassen seine Emotionen erkennen. Am Höhepunkt verwendet er religiöse Sprache und ein biblisches<br />
Bild: Simson im Tempel (Richter 16) - der in einer Art Selbstmord-Anschlag auf die Philister den Tempel einreißt.<br />
Obgleich McNamara im Mittelpunkt steht, dominieren filmische Dramaturgie und Gestaltung. Dabei unterstützt<br />
der Film den Erzähler klassisch, aber wirksam. Zwei Originalaufnahmen illustrieren seine Worte wie auf<br />
Knopfdruck; das Foto von 1992 erscheint präzise zum gesprochenen Stichwort „Castro“. McNamaras kleine<br />
Story präsentiert der Regisseur als Montage aus sieben teils recht kurzen Einstellungen. Durch Schnitte,<br />
langsame Fahrt und Zoom strebt die Kamera-Einstellung kontinuierlich von halbnah bis zur Großaufnahme<br />
des Gesichts. Das Bild ist ständig unmerklich in Bewegung. Für besondere Spannung sorgt die optische „Dissonanz“<br />
des kurzzeitig gekippten Horizonts - so wie die Zukunft der Welt in den schicksalhaften Tagen von<br />
1962 buchstäblich auf der Kippe stand. In dieser kleinen Sequenz verdichtet sich die Absicht des ganzen<br />
Films: <strong>THE</strong> <strong>FOG</strong> <strong>OF</strong> <strong>WAR</strong> setzt uns dem Schock des Wissens aus.