ErnteDank - Miteinander
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miteinander 9/2013<br />
<strong>ErnteDank</strong><br />
Gastkommentar<br />
Ein Farbtupfer für das<br />
Gesicht der Welt<br />
Dankb<br />
Momente der Dankbarkeit<br />
Die Verkäuferin schenkte mir ein Lächeln<br />
und sagte: „Vielen Dank!“ Ein kleiner Augenblick<br />
des Wahrgenommen-Werdens brachte<br />
ihr Gesicht zum Leuchten. Nachdem sie mich<br />
dann bedient hatte, fragte sie, ob ich Punkte<br />
sammle – wofür weiß ich nicht, aber heute<br />
werden ja überall Punkte gesammelt. Ganz<br />
spontan antwortete ich: „Nein, aber ich sammle<br />
Momente der Dankbarkeit und des Lächelns“.<br />
Von ihr kam ein „Ach, wie schön!“<br />
Ein Augenblick überraschender Freude zwischen<br />
uns – eine Begegnung, die mich über<br />
viele Tage begleitet hat.<br />
Wer offenherzig danken lernt,<br />
der sieht mit neuen Augen und<br />
entdeckt Dinge, die er bisher nicht<br />
wahrgenommen hat.<br />
Es ist nicht lange her, da betrat ich in Wien<br />
eine Bäckerei, um mir Gebäck zu kaufen.<br />
Neben mir in der Warteschlange stand eine<br />
junge Frau, die telefonierte und in diesem<br />
Augenblick von der Bedienung zum dritten<br />
Mal angesprochen wurde, ohne dies zu bemerken.<br />
Sie reagierte nicht, einfach, weil sie<br />
es nicht hörte. Ich berührte sie am Ärmel<br />
und machte sie aufmerksam, dass ihr Gegenüber<br />
versuchte, mit ihr zu kommunizieren<br />
… Sie antwortete, wurde bedient, ging<br />
weg – ohne ein Wort.<br />
Die Farben der Welt<br />
Wir können wahrnehmen, dass Dank sehr oft<br />
mit einem Lächeln verbunden ist. Ja, Dank<br />
zaubert der Welt Farbe ins Gesicht, ein wenig<br />
mehr Leichtigkeit, Licht. Nicht, was wir<br />
einfordern, schenkt uns Leben, sondern das,<br />
was wir mit offenem Herzen empfangen können,<br />
macht uns glücklich. Da hat der Dank<br />
nicht den Geschmack kühler Höflichkeit –<br />
gegen die nichts einzuwenden ist –, sondern<br />
er öffnet uns für unsere Umwelt, für den<br />
Nächsten. Wer für alles danken kann, der<br />
sieht mit neuen Augen und entdeckt Dinge,<br />
die er bisher nicht beachtet hat.<br />
Dieser kurze Vorfall und viele solch kleine<br />
Augenblicke haben mich achtsamer, hellsichtiger<br />
und hellhöriger gemacht für den Dank.<br />
Dabei hilft mir auch, mir am Abend Zeit<br />
zu nehmen, den Tag unter der Frage anzuschauen:<br />
Was ist mir heute geschenkt worden?<br />
Wofür möchte ich danken? Den Tag unter<br />
diesem Blickwinkel noch einmal an mir<br />
vorbeiziehen zu lassen, ihn mir erneut anzueignen<br />
und dann Gott zu überlassen, gibt<br />
ihm Gewicht, Bedeutung. Und offenbart mir,<br />
wie das äußerlich Kleine bedeutsam sein<br />
kann. Ich möchte es nicht krampfhaft, sondern<br />
treu und spielerisch tun, vertrauend,<br />
dass ich unter dem liebenden Blick Gottes<br />
lebe.<br />
Vielleicht können wir unsere kleine Welt –<br />
da wo jede/jeder von uns lebt – in diese Dankbarkeit<br />
einschließen, ihr einen kleinen Farbtupfer<br />
aufs Gesicht malen? Versuchen wir’s<br />
miteinander!<br />
Kl. Sr. Gertrud Veronika<br />
Kleine Schwester Gertrud Veronika gehört der Gemeinschaft<br />
der Kleinen Schwestern Jesu von Charles<br />
de Foucauld an und lebt im Kloster in Regelsbrunn,<br />
Niederösterreich.<br />
Wer dankt, schlägt eine Brücke<br />
zum anderen. Eine Tugend, die<br />
der Moderatorin Barbara Stöckl<br />
zufolge heute nötiger ist denn je.<br />
Viele Kulturen und Epochen betrachten Dankbarkeit<br />
als erstrebenswerten, grundlegenden<br />
Aspekt der menschlichen Persönlichkeit und<br />
des Zusammenlebens, als wichtiges Bindeglied<br />
einer Gesellschaft. Dankbarkeit ist also<br />
nicht nur ein Gefühl, sondern eine Tugend.<br />
Der römische Politiker und Philosoph<br />
Cicero stellte fest, dass „Dankbarkeit nicht<br />
nur die größte aller Tugenden, sondern auch<br />
die Mutter aller Tugenden ist“.<br />
Dankbar sein kann nur der Mensch. Dazu bedarf<br />
es der Erinnerung, der Wahrnehmung<br />
des anderen, der Erkenntnis des Geschenkten<br />
und des Vermögens der Sprache. Erich<br />
Fromm hat Sprache als Ausdruck höchster<br />
Kultur bezeichnet. So betrachtet, ist es richtig<br />
und notwendig, „Danke“ zu sagen, weil<br />
es dadurch erst zu einer Beziehung kommt.<br />
In diesem Sinn heißt „Danke“ sagen, eine<br />
Brücke zum anderen herzustellen. Auch deshalb<br />
sind Traditionen und Bräuche des „Danke“-Sagens<br />
heute so wichtig. „Erntedank“ ist<br />
so ein besonders schönes und wichtiges Ritual,<br />
um Gott für die Gaben der Ernte zu<br />
danken.<br />
Wofür danken?<br />
Jeder Tag ist voll besonderer Geschenke,<br />
wenn wir sie erkennen. Alles ein Geschenk?<br />
Und das in einer Welt, in der wir uns so oft<br />
fragen: Wofür soll ich dankbar sein? In der<br />
das Gefühl, dass wir selbst unseres Glückes<br />
Schmied sind, überwiegt. In der Selbstver-