WELT UND GEISTLICHE BERUFUNG - Miteinander
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<strong>WELT</strong> <strong>UND</strong><br />
<strong>GEISTLICHE</strong> <strong>BERUFUNG</strong><br />
2 Religionsfreiheit –<br />
ein Recht für<br />
jeden Menschen<br />
4 Aufbruch<br />
im Umbruch<br />
Studienexkursion<br />
6 Gottes Ruf folgen …<br />
Aufbauarbeit in Nigeria<br />
8 Schulbildung – ein<br />
bleibender Schatz<br />
Gastkommentar von<br />
Andreas Schnider<br />
9 101 Jahre Mesner<br />
11 Leben mit Demenz<br />
12 Die Frohbotschaft<br />
vom Gericht Gottes<br />
14 Die „Knochenkirche“<br />
von Kutná Hora<br />
16 Beim Herrn ist<br />
Barmherzigkeit<br />
Lied-Gedanken<br />
17 Lasst euch nicht<br />
so schnell aus der<br />
Fassung bringen!<br />
19 Als Kundschafter<br />
ausgeschickt<br />
aus der Diözese<br />
Graz-Seckau<br />
Nr. 10/11 • 2012<br />
Oktober/November<br />
Jahrgang 84
10-11/2012<br />
5 0 J A H R E Z W E I T E S V A T I K A N U M<br />
2<br />
Kirche – wohin gehst du?<br />
Religion<br />
D<br />
iese Frage stellen sich viele, wenn wir am<br />
11. Oktober an den Beginn des Zweiten Vatikanischen<br />
Konzils vor 50 Jahren denken und<br />
das von Benedikt XVI. ausgerufene Jahr des<br />
Glaubens beginnen.<br />
Die Kirche befindet sich im Umbruch. Die älteren<br />
Menschen erlebten noch eine Zeit, in der<br />
die Weitergabe des Glaubens an die kommende<br />
Generation selbstverständlich war und die<br />
Kirche die Gesellschaft mitprägte. Begeistert<br />
von den Ideen des Konzils, sind viele zu neuen<br />
Ufern aufgebrochen.<br />
Aufbruch ins Ungewisse<br />
Gesellschaft und Menschen – auch in ihrem<br />
Suchen und Fragen nach einem geglückten<br />
Leben – haben sich im vergangenen halben<br />
Jahrhundert massiv verändert. Der deutsche<br />
Priester Christian Hennecke beschreibt die Situation<br />
in seinem Buch „Kirche, die über den<br />
Jordan geht“ 1 und vergleicht die heutige Kirche<br />
mit dem Volk Israel, das die Wüstenwanderung<br />
hinter sich hat und vor dem Einzug<br />
in das Gelobte Land steht. Mose schickt<br />
im Auftrag Gottes Kundschafter aus. Sie bringen<br />
reichlich Früchte mit, aber auch Angst<br />
und Verunsicherung vor der neuen Welt, die<br />
ihnen begegnet ist.<br />
Wie so oft in ihrer Geschichte beginnen sich<br />
die Israeliten gegen Gott aufzulehnen. Manche<br />
bleiben in der Wüste zurück, wie Mose,<br />
der mit Blick auf das Gelobte Land stirbt. Josua<br />
führt alle, die zum Aufbruch bereit sind,<br />
über den Jordan.<br />
Herausforderungen heute<br />
Steht nicht unsere Kirche vor einer ähnlichen<br />
Herausforderung? Manche trauern der Vergangenheit<br />
nach, in der es noch genügend Priester<br />
gegeben hat und zahlreiche Menschen am<br />
kirchlichen Leben teilgenommen haben. Andere<br />
stellen sich den Herausforderungen unserer<br />
Zeit und suchen nach neuen Wegen, um mit<br />
dem zeitlosen Erbe Jesu Zugang zu den Menschen<br />
unserer Zeit zu finden. So empfiehlt Bischof<br />
Genn aus Münster, nicht nur aufzulisten,<br />
was aus unserer Sicht nicht gelingt, sondern<br />
in einer „Distanzübung“ Erfahrungen zu<br />
sammeln, wo es hoffnungsvolle Aufbrüche für<br />
ein äußeres und inneres Wachstum unseres<br />
kirchlichen Lebens gibt.<br />
„Wer den Jordan nicht überschreiten will“,<br />
wird hoffentlich in der Kirche von heute seine<br />
Lebens- und Glaubenswelt finden. Alle,<br />
die aufbruchsbereit sind, haben die Möglichkeit,<br />
nach neuen Wegen zu suchen:<br />
• für die Glaubensweitergabe an Kinder und<br />
Jugendliche, die in keiner religiös geprägten<br />
Familie aufwachsen<br />
• in der Begleitung der Menschen an ihren<br />
Lebenswenden, wenn sie sich nicht mehr zum<br />
Empfang der dafür vorgesehenen kirchlichen<br />
Sakramente (Taufe, Firmung, Ehe) entschließen<br />
können<br />
• für Menschen, die in einer von der Kirche<br />
nicht anerkannten Partnerschaft leben<br />
• für die Menschen, die der Kirche nicht angehören.<br />
Wenn wir den Mut haben, uns den Visionen<br />
der Konzilsväter anzuschließen, wird uns der<br />
Geist Gottes Wege zeigen, wohin er seine Kirche<br />
führen könnte auf ihrem Pilgerweg in<br />
eine „neue Zeit“ – jenseits des Jordan.<br />
Franz Schrittwieser ■<br />
1 Christian Hennecke, Kirche, die über den Jordan geht.<br />
Expeditionen ins Land der Verheißung, Münster 5 2011.<br />
Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prokschi, Priester der<br />
ED Wien, ist Vorstand des Instituts für Historische<br />
Theologie – Theologie und Geschichte des<br />
christlichen Ostens an der Universität Wien.<br />
Es war ein langer und bewegter Weg vom ersten<br />
inhaltlichen Entwurf bis zur endgültigen<br />
Beschlussfassung der Erklärung über die Religionsfreiheit<br />
(Dignitatis humanae, DiH).<br />
Am Vortag des offiziellen Endes des Konzils<br />
(Hochfest der „Unbefleckten Empfängnis“) –<br />
in der öffentlichen Sitzung am 7.12.1965 – vo -<br />
tierten bei der Abstimmung über diese Er klä -<br />
rung 2308 Konzilsväter mit Ja, 70 Bi schöfe mit<br />
Nein und acht Stimmen waren ungültig.<br />
Dieses Dokument, das bis heute von den Vertretern<br />
der „Pius-Bruderschaft“ vehement abgelehnt<br />
wird, wurde unter heftigen Auseinandersetzungen<br />
und leidenschaftlichen Diskussionen<br />
erarbeitet. Seine geschichtliche Bedeutung<br />
für die Kirche, ja für die ganze Menschheit,<br />
kann gar nicht hoch genug eingeschätzt<br />
werden. In der Turiner Zeitung „La Stampa“<br />
konnte man am 9.12.1965 lesen: „Das Schema,<br />
das die religiöse Freiheit behandelt, stellt<br />
schon allein einen echten Fortschritt in der<br />
Lehre dar, vielleicht den größten und charakteristischsten,<br />
den das Konzil gemacht hat.“<br />
(V. Gorresio). Wenn heute in der aktuellen Diskussion<br />
zum Konzil Stimmen laut werden,<br />
die versuchen, den bindenden Wert dieses<br />
Dokumentes herunterzuspielen, da es sich ja<br />
„nur“ um eine Erklärung und nicht um eine<br />
Konstitution handelt, so wird man mit solchen<br />
Aussagen nicht der Intention der Kon-
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sfreiheit – ein Recht für jeden<br />
Menschen<br />
3<br />
zilsväter gerecht. Diese wollten eine Erklärung<br />
mit lehrhaftem Charakter, auch wenn<br />
der Verbindlichkeitsgrad nicht explizit festgelegt<br />
wurde. Doch war den Bischöfen durchaus<br />
bewusst, dass dieses Ringen um die Freiheitsrechte<br />
– insbesondere auch im religiösen<br />
Bereich – ein klares Bekenntnis der Kirche<br />
zur Entwicklung der Kultur der Menschenrechte<br />
des 20. Jahrhunderts war. Jahrhundertelang<br />
hat sich die Kirche mit den Freiheitsrechten<br />
sehr schwer getan.<br />
„Das Vatikanische Konzil erklärt,<br />
dass die menschliche Person das Recht<br />
auf religiöse Freiheit hat.“<br />
DiH, Art. 2<br />
So beginnt gleichsam mit einer Proklamation<br />
das Kernstück der Erklärung über die religiöse<br />
Freiheit (DiH, Art. 2). Im Folgenden wird näher<br />
erklärt, dass dieses Recht für jeden Menschen,<br />
ob gläubiger Christ oder Mitglied einer<br />
anderen Religionsgemeinschaft, ob nicht gläubig<br />
oder bekennender Atheist, gilt. Und weiter<br />
wird ausgeführt, dass jeder das unverlierbare<br />
Recht hat, seine religiöse Überzeugung<br />
privat und öffentlich, individuell und gemeinschaftlich<br />
auszuüben – unter Einhaltung gewisser<br />
Grenzen – entsprechend den Einsichten<br />
seines eigenen Gewissens. Begründet wird<br />
dieses Recht mit der Würde eines jeden Menschen,<br />
die durch die Offenbarung Gottes und<br />
die menschliche Vernunft erkannt werden<br />
kann:<br />
Damit dieses verbriefte Bürgerrecht eines jeden<br />
Menschen tatsächlich auch praktisch erfüllt<br />
werden kann, wird der neuzeitliche liberale<br />
Staat in die Pflicht genommen. Er muss<br />
durch seine Gesetze dafür sorgen und auch<br />
garantieren, dass eine freie Wahl der Religion<br />
und deren entsprechende Ausübung – auch<br />
im öffentlichen Raum – möglich sind.<br />
Im Folgenden wird jeder Mensch, der als<br />
geistbegabtes Wesen mit einem freien Willen<br />
ausgestattet ist, daran erinnert, dass er aus<br />
persönlicher Verantwortung heraus verpflichtet<br />
ist, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene<br />
Wahrheit, welche die Religion betrifft. Der<br />
erkannten Wahrheit aber gilt es treu zu bleiben<br />
und das gesamte Leben nach ihr auszurichten:<br />
„Sie (= die Menschen) sind auch<br />
dazu verpflichtet, an der erkannten Wahrheit<br />
festzuhalten und ihr ganzes Leben nach den<br />
Forderungen der Wahrheit zu ordnen.“<br />
DiH, Art. 2<br />
Das Recht auf Religionsfreiheit wird in vielen<br />
Staaten verletzt. Es „muss in der rechtlichen Ordnung<br />
der Gesellschaft so anerkannt werden, dass es zum<br />
bürgerlichen Recht wird“ (DiH, Art. 2).<br />
Wenn heute die katholische Kirche in der<br />
internationalen Politik und Diplomatie, besonders<br />
bei verschiedenen Einrichtungen der<br />
UNO, als glaubwürdige Stimme für die Freiheit<br />
des Glaubens und des Gewissens sowie<br />
für die Einhaltung der bürgerlichen Freiheitsrechte<br />
eintritt, so ist dies zweifelsohne der<br />
„Erklärung über die Religionsfreiheit“ zu verdanken.<br />
Zum Schluss der Erklärung (DiH, Art.15) wird<br />
das Ziel dieser Freiheit formuliert: Es geht<br />
letztlich darum, das friedliche Zusammenleben<br />
aller Völker und Menschen verschiedener<br />
Kulturen und Religionen, die heute enger<br />
miteinander in Beziehung treten, zu sichern<br />
und das Bewusstsein der eigenen Verantwortlichkeit,<br />
das im Wachsen begriffen ist, zu<br />
stärken.<br />
Rudolf Prokschi ■<br />
Literatur:<br />
Eberhard Schockenhoff, Das Recht, ungehindert die Wahrheit<br />
zu suchen. Die Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis<br />
humanae, in: Jan-Heiner Tück (Hg.), Erinnerung an<br />
die Zukunft. Das Zweite Vatikanische Konzil, Freiburg i. B.<br />
2012.<br />
Die Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae<br />
finden Sie u. a. unter: www.vatican.va<br />
„Ferner erklärt das Konzil,<br />
das Recht auf religiöse Freiheit sei in<br />
Wahrheit auf die Würde der menschlichen<br />
Person selbst gegründet, so wie sie durch<br />
das geoffenbarte Wort Gottes und durch die<br />
Vernunft selbst erkannt wird.“<br />
DiH, Art. 2
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4<br />
Aufbruch im Umbruch<br />
Mitten durch die Wüste führt eine Straße,<br />
die die beiden größten Städte Ägyptens, die<br />
Hauptstadt Kairo und das am Mittelmeer gelegene<br />
Alexandria, verbindet. Ein schmaler, grün<br />
bewachsener Streifen mit Häusern schlängelt<br />
sich ihr entlang durch die trockene Landschaft.<br />
Seit Jahrhunderten haben christliche Mönche<br />
in der Einsamkeit dieser kargen Gegend<br />
die Nähe Gottes gesucht: Zahlreiche Klosteranlagen<br />
geben bis heute Zeugnis von dieser<br />
Art christlichen Lebens.<br />
Empor<br />
In dieser ungastlichen Wüste überrascht –<br />
hinter hohen Steinmauern verborgen – eine<br />
1999 eröffnete Anlage. „Anaphora“ ist nicht<br />
nur der Name dieses spirituellen Zentrums,<br />
das sowohl Begegnung als auch Rückzug und<br />
Einkehr ermöglicht, „Anaphora“ ist auch dessen<br />
Programm. Der Begriff steht für Opfer(gabe)<br />
wie auch für Aufbruch, Emporheben und<br />
Hinauftragen. „Anaphora“ bezeichnet in den<br />
orientalischen Kirchen aber auch das Hochgebet<br />
in der Liturgie. Mit dem Namen kommt<br />
für den Gründer des Einkehrzentrums, den<br />
koptischen Bischof Thomas, auch die zugrunde<br />
liegende Vision zum Ausdruck, von<br />
der er mit Begeisterung berichtet: „Ich möchte<br />
hier den Menschen begegnen.“ Liturgie<br />
Die politische Lage in Ägypten<br />
bleibt weiterhin ungewiss.<br />
Die Stimmung innerhalb der<br />
christlichen Minderheit schwankt<br />
zwischen der Angst vor Islamisierung<br />
und der Hoffnung auf eine friedliche<br />
Zukunft und ein gutes <strong>Miteinander</strong><br />
mit den Muslimen im Land.<br />
Obwohl die koptische Kirche<br />
Schätzungen zufolge nur rund ein<br />
Zehntel der Bevölkerung stellt,<br />
gibt sie starke Lebenszeichen von sich<br />
und beteiligt sich tatkräftig am<br />
Aufbau der Gesellschaft.<br />
mit dem alltäglichen Leben zu verbinden, die<br />
Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, sie<br />
„über ihre natürlichen Grenzen und Beschränkungen<br />
emporzuheben“ – danach strebt man<br />
in der Gemeinschaft von „Anaphora“.<br />
Charismatisch<br />
Anfangs hatte Bischof Thomas, Oberhaupt ei -<br />
ner Diözese in Oberägypten, noch mit Skepsis<br />
in der koptischen Kirche zu kämpfen. Heute<br />
kann er sich darüber freuen, dass seine Idee<br />
von den Bischofskollegen nicht nur anerkannt,<br />
sondern auch geschätzt und kopiert<br />
wird. Der Erfolg des Projekts hängt stark mit<br />
der charismatischen Art von Bischof Thomas<br />
zusammen. Seit 1985 ist er Mönch. Bereits ein<br />
Jahr nach seiner Priesterweihe 1987 wurde er<br />
zum Bischof bestellt und engagiert sich seit<br />
über 13 Jahren in „Anaphora“.<br />
Überraschend<br />
Die Bauweise der Häuser in der Anlage erfolgt<br />
im traditionellen arabischen Stil, ihre<br />
Anordnung ist aber umso moderner – in Form<br />
eines Fragezeichens. Einen Ort, um nach Antworten<br />
auf die Fragen des Lebens zu suchen,<br />
bietet ein Meditationsraum, der den Punkt des<br />
Fragezeichens bildet. Aber auch die Kirche<br />
überrascht – besonders von innen: Statt goldener<br />
Ikonen zieht ein Fenster in Form eines<br />
Auges die Blicke der Besucher auf sich; anstelle<br />
von Kirchenbänken laden Hocker am<br />
mit Teppichen ausgelegten Boden zum Gebet<br />
ein.<br />
Kraft tanken<br />
In „Anaphora“ erinnert jedoch nicht nur die<br />
Einrichtung ein wenig an Taizé. Inspiriert von<br />
der monastischen Spiritualität wird von den<br />
hier lebenden Mönchen, Schwestern, Studenten<br />
und Gästen Arbeit, Gebet und Studium<br />
verbunden. Bischof Thomas wünscht sich für<br />
sein Zentrum in der ägyptischen Wüste, dass<br />
es „eine Brücke zwischen den Kulturen und<br />
den sozialen Schichten“ bilde. Wichtig sind<br />
ihm die Begegnungen, die hier im gemeinsamen<br />
Alltag geschehen. „Das beste ökumenische<br />
Treffen ist ein informelles wie hier“, ist<br />
er überzeugt. In „Anaphora“ hat man es sich<br />
auch zur Aufgabe gemacht, einen Beitrag für
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5<br />
Vergessen<br />
Die Suche nach Arbeit hat viele christliche<br />
Bauern aus Oberägypten nach Kairo gelockt.<br />
Ohne Ausbildung hatten sie aber kaum eine<br />
Chance. 1969 wurden sie von der politischen<br />
Führung in den Südosten der Hauptstadt umgesiedelt,<br />
wo sie bis heute im „Müllviertel“<br />
in einfachsten Verhältnissen leben. Ein Priester<br />
der koptisch-orthodoxen Kirche wurde auf<br />
diesen „vergessenen“ Teil der Bevölkerung<br />
aufmerksam und nahm sich in den 1970er<br />
Jahren dieser Menschen an. Mithilfe der koptischen<br />
Kirche wurde in Mukattam langsam<br />
eine Infrastruktur aufgebaut: Straßen wureine<br />
positive Entwicklung in Ägypten zu leisten.<br />
So versuche man besonders Frauen dazu<br />
anzuleiten, ein selbstbestimmteres Leben zu<br />
führen. Zugleich wird in Alltag und Unterricht<br />
darauf Wert gelegt, „dass Männer Frauen als<br />
gleichwertig ansehen“. Obwohl „Anaphora“<br />
fern jeder Zivilisation liegt, will man nicht<br />
vor den großen Herausforderungen in der<br />
Gesellschaft Ägyptens fliehen. Vielmehr soll<br />
man sich hier – so der Wunsch – die dafür<br />
nötige Kraft und die Ideen holen.<br />
„Müllmenschen“<br />
Von der entlegenen Wüste geht es nun in<br />
die pulsierende Stadt Kairo, in den Stadtteil<br />
Mukattam. Glühende Hitze bringt den Müll<br />
zum Stinken, der hierher aus ganz Kairo angekarrt<br />
wird und sich auf den Straßen, vor und<br />
in den Häusern türmt. Im Eingangsbereich<br />
der einfachen Häuser sitzen Frauen und sortieren,<br />
was andere weggeworfen haben. Essensreste<br />
werden für Rinder und Schweine<br />
zur Seite gelegt, der noch verwertbare Rest<br />
an Händler für wenig Geld verkauft. „Müllmenschen“<br />
werden die vor allem koptischen<br />
Bewohner hier genannt.<br />
Das Begegnungs- und Einkehrzentrum „Anaphora“<br />
von Bischof Thomas ist gleichsam eine Oase in<br />
der Wüstenlandschaft von Ägypten. Zur feierlichen<br />
Liturgie kommen Menschen aus ganz Ägypten.<br />
Mukattam, Kairos Stadtviertel der christlichen<br />
Müllsammler, überrascht mit den Felsbildern des<br />
polnischen Künstlers Mariusz Dybich.<br />
den befestigt, die Häuser mit Strom- und Wasseranschlüssen<br />
versorgt, später folgten Schulen<br />
und ein Krankenhaus.<br />
Ausstrahlung<br />
Die schmutzigen Straßen von Mukattam führen<br />
einen Hügel hinauf zu einem Platz, der<br />
durch unerwartete Sauberkeit überrascht. Mit<br />
Stolz zeigen die „Müllmenschen“ den Besuchern<br />
die in Felsen gehauenen Darstellungen<br />
von Szenen aus dem Leben Jesu. Stolz ist man<br />
auch auf die imposanten Höhlenkirchen, die<br />
hier in den letzten Jahren geschaffen worden<br />
sind. Sie bieten nicht nur spirituell Möglichkeiten<br />
zum Rückzug, sondern spenden auch<br />
Abkühlung. Eine dieser neu errichteten Kirchen<br />
in Form eines Amphitheaters bietet über<br />
10.000 Gläubigen Platz. Sie zählt so zu den<br />
größten Kirchen im arabischen Raum. Im<br />
„Müllviertel“ Kairos ist durch die Arbeit von<br />
Priestern gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung<br />
ein religiöses Zentrum entstanden,<br />
zu dem regelmäßig tausende Menschen aus<br />
der gesamten Umgebung pilgern und dessen<br />
Geist mittlerweile kraftvoll in die ganze Stadt<br />
ausstrahlt.<br />
Daniel Podertschnig ■
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S O N N T A G D E R W E L T K I R C H E<br />
6<br />
Gottes Ruf folgen …<br />
D<br />
Msgr. Dr. Hypolite Adigwe<br />
urch die Großzügigkeit<br />
der Wiener Familie Ilming,<br />
die für meinen Kollegen Aaron Ekwu<br />
und für mich eine Patenschaft organisierte,<br />
kam ich 1961 von Nigeria nach Österreich.<br />
Gemeinsam wurden wir im Wiener Priesterseminar<br />
untergebracht und betrieben unser<br />
Theologiestudium an der Universität Wien.<br />
Im Jahr 1965 weihte uns Kardinal König zu<br />
Priestern. Danach setzten wir das Theologiestudium<br />
zum Erwerb des Doktorats fort. Zugleich<br />
wurde ich für zwei Jahre als Aushilfskaplan<br />
in die Meidlinger Pfarre Maria Lourdes<br />
entsandt. 1967 erhielt ich mein Doktorat.<br />
Zur gleichen Zeit brach im Süden Nigerias<br />
der Biafra-Krieg aus – so konnte ich erst<br />
1969 nach Biafra zurückkehren.<br />
Hilfe aus Österreich<br />
Die traurige Lage der Hungernden und Leidenden<br />
im belagerten Biafra veranlasste mich,<br />
mit Unterstützung von Freunden aus Österreich<br />
eine große Hühnerfarm zu gründen, um<br />
vor allem Kinder mit dem so sehr benötigten<br />
Hühnereiweiß versorgen zu können.<br />
Nach Kriegsende 1970 wurde ich in der weitläufigen<br />
Pfarre St. Mary in Okija als Pfarrer<br />
eingesetzt. Bald erhielt ich ein weiteres großes<br />
Gebiet, Ogbaru, dazu. Grund dafür war,<br />
dass alle europäischen Missionare, die während<br />
des Krieges in Biafra tätig gewesen waren,<br />
durch die nigerianische Bundesregie-<br />
Geliebte, lasset uns einander lieben!<br />
Hypolite A. Joe-Adigwe<br />
Ihiala, Nigeria<br />
Priesterweihe, Wien, 29. Juni 1965<br />
1 Jo 4, 7<br />
rung ausgewiesen oder deportiert<br />
worden waren. Aus<br />
diesen beiden Gebieten sind<br />
inzwischen 21 Pfarren geworden.<br />
Es hatte für mich einen<br />
ganz besonderen Reiz, unter<br />
sehr armen Menschen zu<br />
arbeiten, in einem wasserreichen<br />
Gebiet mit einem schwach<br />
entwickelten Abwassersystem;<br />
unter Menschen, die zumeist<br />
Analphabeten waren, aber begeistert,<br />
aktiv und überaus gastfreundlich.<br />
Neue Aufgaben<br />
Nach drei Jahren Pastoralarbeit in diesem riesigen<br />
Gebiet wurde ich auf Wunsch der Bischöfe<br />
der Kirchenprovinz Lagos außerhalb<br />
meiner Diözese eingesetzt. Ich wurde Ausbildner<br />
am regionalen Priesterseminar St. Peter<br />
und Paul in Ibadan. Drei Jahre lang war<br />
ich hier als Dekan und als Professor für Dogmatische<br />
Theologie und Religionsphilosophie<br />
tätig. Mein Kollege Aaron Ekwu übte praktisch<br />
die gleiche Tätigkeit an unserem Provinzseminar<br />
in Enugu aus. Es war wunderbar<br />
für uns, einander gelegentlich zu treffen, unsere<br />
Unterlagen auszutauschen und voneinander<br />
zu lernen.<br />
In meine Diözese zurückgerufen, wurde ich<br />
Sekretär des damaligen Erzbischofs von Onitsha,<br />
Francis Arinze, sowie Ordinariatskanzler<br />
und Bildungssekretär. Elf Jahre war dies<br />
mein Tätigkeitsbereich. Zugleich war ich auch<br />
Nationalseelsorger der Katholischen Frauenbewegung<br />
Nigerias. Die nächste Aufgabe –<br />
für sechs Jahre – war die des Rektors des<br />
„All Hallows Seminary“ in Onitsha. 1988/89<br />
wurde ich als eines der Mitglieder in die von<br />
der Bundesregierung Nigerias eingesetzte<br />
Versammlung zur Erarbeitung einer neuen<br />
Verfassung berufen: eine Herausforderung,<br />
an die ich als Priester nie gedacht hätte. Es<br />
war eine bereichernde Erfahrung. In diese Periode<br />
fällt aber auch ein trauriges Ereignis:<br />
Aaron Ekwu starb an den Folgen eines Autounfalls.<br />
Damit endete hier unsere gemeinsame<br />
Reise, die wir 1961, als wir zusammen<br />
nach Österreich gekommen waren, begonnen<br />
hatten. Die Erinnerung an ihn bleibt lebendig.<br />
Missio<br />
Die nächste Aufgabe, die ich übernahm, war<br />
die des Direktors für die Katechese, die später<br />
mit dem pastoralen Aufgabenbereich als<br />
Pfarrer von Ogidi verbunden war, einer Ortspfarre,<br />
die mittlerweile aus fünf Pfarren besteht.<br />
Währenddessen wurde ich auch zum<br />
Direktor der Päpstlichen Missionswerke (Missio)<br />
der Erzdiözese Onitsha bestellt.<br />
1999 wurde ich zum Nationaldirektor von<br />
Missio Nigeria ernannt, und mein Erzbischof<br />
versprach, mich von allen anderen pastoralen<br />
Aufgaben zu entbinden. Allerdings wurde<br />
mir, sobald ich diese Aufgabe übernommen<br />
hatte, die Abteilung für Mission und Dialog<br />
des Catholic Secretariat der Katholischen<br />
Bischofskonferenz als Direktor übertragen.<br />
Zusätzlich wurde ich Direktor für Bildung,<br />
Jugend sowie Frauenförderung der Christian<br />
Association of Nigeria (CAN). Ich arbeitete<br />
von meinem temporären Missio-Büro der Diö -<br />
zese Nnewi aus, die im Jahr 2002 aus der al -<br />
ten Erzdiözese Onitsha herausgelöst worden<br />
war.<br />
Zurück in „meiner“ Diözese<br />
Nachdem ich zwei Amtsperioden von je fünf<br />
Jahren als Nationaldirektor von Missio beendet<br />
und noch ein zusätzliches Jahr angehängt<br />
hatte, kehrte ich in meine Diözese zurück,<br />
legte meine Funktion in der Abteilung für<br />
Mission und Dialog zurück und übernahm eine<br />
neue Funktion als Diözesandirektor für<br />
Evangelisierung und Katechese.
S O N N T A G D E R W E L T K I R C H E<br />
10-11/2012<br />
7<br />
Absolvententreffen der „Young Catholic Students“ mit Msgr. Adigwe (Mitte)<br />
Die elf Jahre Arbeit als Nationaldirektor von<br />
Missio hinterließen in mir einen ganz besonderen<br />
Eindruck. Es war für mich eine willkommene<br />
Möglichkeit, um der universellen<br />
Kirche, der Kirche in Afrika, aber auch jener<br />
in Österreich, ein großes „Dankeschön“ für die<br />
Dienste zum Ausdruck bringen zu können,<br />
die ich als Priester das Privileg habe, leisten<br />
zu dürfen.<br />
Msgr. Adigwe gibt bei seinem<br />
Österreichbesuch im Juni 2012<br />
Einblick in die Situation der<br />
Kirche Nigerias.<br />
Periode des Teilens<br />
Ich halte es für einen Segen, dass ich in den<br />
vergangenen 47 Jahren im Weingarten des<br />
Herrn arbeiten durfte. Es war nicht nur eine<br />
Periode des harten Arbeitens für andere und<br />
des Erbringens von Diensten in zahlreichen<br />
Aufgabenbereichen des Apostolats. Es war<br />
auch – und ist es noch – eine Periode des Tei-<br />
Bischof Okeke der Diözese Nnewi und Msgr. Adigwe<br />
bei einer Motorradsegnung. Die Motorräder erhalten<br />
Katechisten zur Erleichterung<br />
ihrer Arbeit.<br />
lens: Die gesamte Zeit über waren viele MitarbeiterInnen<br />
da, die immens dazu beigetragen<br />
haben, die Last leicht werden zu lassen.<br />
Sie leisteten Beistand für das Wachsen im<br />
Glauben und in der Liebe, und sie machten<br />
das Apostolat zu einem einzigartigen Vehikel<br />
der Freude. Diese Männer und Frauen,<br />
ja selbst Kinder, sind einerseits unmittelbare<br />
Empfänger des Apostolats, andererseits aber<br />
auch solche, die allein aus ihrer Güte heraus<br />
handeln – ohne jeglichen sichtbaren pastoralen<br />
Dienst, den ich je für sie geleistet habe.<br />
Erfahren durfte ich das nicht nur in meinem<br />
direkten Apostolat, sondern auch in vielen<br />
anderen Verpflichtungen, die mir seit meiner<br />
Priesterweihe übertragen worden waren. Wenn<br />
ich darauf zurückblicke, was in den vergangenen<br />
47 Jahren meiner Arbeit als Priester<br />
um mich herum geschehen ist und was immer<br />
noch geschieht, kann ich sagen, dass alles<br />
offensichtlich das Ergebnis eines gemeinschaftlichen<br />
Dienstes ist. Diese Mitarbeiter<br />
sind nicht nur NigerianerInnen, sondern sie<br />
sind auch in Österreich zu finden, wo ich meine<br />
zweite Heimat habe. Gott möge sie reichlichst<br />
segnen.<br />
Hypolite Adigwe ■
10-11/2012<br />
G A S T K O M M E N T A R<br />
8<br />
Univ-Doz. Mag. Dr. theol. Andreas Schnider<br />
Wer sich Schätze sammeln möchte, die nicht<br />
von Motten und Würmern zerfressen werden<br />
– um es biblisch anzulegen –, der sollte in<br />
(seine) Schulbildung investieren. Dabei geht<br />
es in gleicher Weise um Allgemein- wie um<br />
Berufsbildung. Ich denke, hier liegt ein wesentlicher<br />
Schlüssel, um das Leben und unsere<br />
gesamte gesellschaftliche Entwicklung<br />
zukunftsorientiert neu zu denken und somit<br />
anders zu betrachten. Immerhin geht es um<br />
eine Bildung, die den Menschen ein Leben<br />
lang begleitet. Da haben wir politisch in Österreich<br />
noch einiges zu bedenken, was wohl<br />
über diverse Gelddebatten hinausgehen muss.<br />
So drängt sich in der aktuellen bildungspolitischen<br />
Debatte das Thema „Neue Mittelschule“<br />
(erneuerte Sekundarstufe I) auf. Vor<br />
allem meine ich, dass durch diese Schuldebatte<br />
manches diskutiert wurde bzw. wird,<br />
was für eine zukunftsweisende (Schul)Bildung<br />
wichtig ist. Und ich denke, dass diese<br />
Impulse auch ganz im Sinn christlichen Denkens<br />
zu werten sind.<br />
Eine systemische Schule<br />
In Bezug auf ein zu erneuerndes Schulsystems<br />
drängen sich mir folgende Fragen auf:<br />
Wie sieht ein Schulsystem aus, das dem Charakter<br />
lebenslangen Bildens und Lernens tatsächlich<br />
entspricht? Wie gestaltet man Schule,<br />
die in erster Linie die Potenziale der jungen<br />
Menschen in den Mittelpunkt stellt und<br />
nicht unentwegt an ihren Defiziten ansetzt?<br />
Wie sieht ein ganzheitliches Schulsystem aus,<br />
das junge Menschen nicht bereits mit zehn<br />
Jahren nach ihren Schwächen in unterschiedliche<br />
Schultypen bzw. -arten hineinselektiert?<br />
Wie ein System entwickeln, das wirklich systemischen<br />
Charakter aufweist: eines, das erkennt,<br />
was ExpertInnen seit Jahrzehnten fordern,<br />
nämlich dass junge Menschen nur in einem<br />
inklusiven Verbund von den jeweiligen<br />
Stärken anderer profitieren bzw. diese miteinander<br />
ausbauen können? Wie sieht daher<br />
ein Schulsystem aus, das dem Lernen und<br />
nicht dem Lehren die erste Stelle einräumt?<br />
Und schließlich geht es um ein Schulsystem,<br />
das Chancengleichheit bieten muss. Denn in<br />
aller Deutlichkeit muss gesagt werden, dass<br />
Österreich laut unzähliger Bildungsberichte<br />
nach wie vor zu jenen Ländern gehört, die<br />
auf weiten Strecken keine Chancengleichheit<br />
im Schulsystem aufweisen: Der konkrete Bildungsweg<br />
vieler junger Menschen hängt leider<br />
immer noch von dem ihrer Eltern ab.<br />
Deshalb begrüße ich es, dass wir politisch<br />
im vergangenen Jahr einen ganz wichtigen<br />
Schritt mit der flächendeckenden Einführung<br />
der „Neuen Mittelschule“ gesetzt und gewagt<br />
haben. Diese wird die Hauptschule ab dem<br />
Schuljahr 2016/2017 gänzlich ersetzen. Doch<br />
auch hier wird es darauf ankommen, ob dieser<br />
neue Schultyp pädagogisch und gesellschaftspolitisch<br />
eine echte Chance innerhalb<br />
der österreichischen Gesellschaft erhält. Denn<br />
wir werden uns fragen müssen, ob an diesen<br />
Schulen tatsächlich der Paradigmenwechsel,<br />
den gerade die EntwicklerInnen und BetreiberInnen<br />
dieses Typus einer „Neuen Mittelschule“<br />
erreichen woll(t)en, stattfindet.<br />
Eine lernende Schule<br />
Denn hinsichtlich solcher Mittelschulen und<br />
ihrer Grundsätze drängen sich bestimmte Fragen<br />
auf, die letztlich grundlegend sind für sie<br />
als ein erstes Stück eines erneuerten Schulsystems:<br />
Die „Neue Mittelschule“ soll ab dem Schuljahr<br />
2016/2017 die Hauptschule ersetzen. Die<br />
Erfahrungen werden zeigen, ob sie den Erwar -<br />
tungen ihrer EntwicklerInnen gerecht wird.<br />
Wird in der Schule das Lernen vor das Lehren<br />
gestellt? Wird es diesbezüglich zu einer<br />
unbedingt notwendigen Korrektur kommen,<br />
wie sie Hartmut von Hentig seit langem fordert:<br />
nämlich sich endlich zu verabschieden<br />
von dem gedankenlos verabsolutierten Prin -<br />
zip der Didaktik, dass Lernen oft durch Be -<br />
lehrung geschehe? Wird es folglich zu einer<br />
neuen Haltung zwischen SchülerInnen, Leh -<br />
rerInnen und Eltern kommen, was gemein -<br />
sames Lernen in Gruppen und Teams anbelangt?<br />
Wie gehen wir in so einem neuen<br />
Schultyp mit Diversität und Differenz um?<br />
Sehen wir diesbezüglich unsere Gesellschaft<br />
immer noch als ein Bündel unterschiedlicher<br />
und verschiedener Gruppen an, die es gilt, alle<br />
irgendwie zu integrieren? Oder haben wir<br />
ein prinzipiell inklusives Gesellschaftsbild vor<br />
Augen, wo wir die Unterschiedlichkeiten als<br />
besondere Stärken in einem guten <strong>Miteinander</strong><br />
sehen? Gerade so ein inklusiver Blick einer<br />
Gesellschaft wird nämlich zu einem Potenzial<br />
einer „Neuen Mittelschule“, das vieles<br />
eröffnen und ermöglichen kann. Dieses inklusive<br />
Gesellschaftsbild, das von Beginn an<br />
ein- und nicht selektiv ausschließt, entspricht<br />
in meinen Augen einem urchristlichen Menschen-<br />
und Weltbild.<br />
Wie wird daraus die Wahrnehmung der LehrerInnen<br />
untereinander als Team(s) aussehen?<br />
Oder wie sieht das Lernen als eine sich erst<br />
bildende Erfahrung in solchen Schulen aus?<br />
Denn Lernen ist ein zutiefst persönlicher, aktiver<br />
Aneignungsprozess – auf eigenen Wegen,<br />
mit vielfältigen Ergebnissen. Oder was<br />
heißt es, wenn es sinnvoll erscheint, Einzelgegenstände<br />
aufzugeben, um einen erweiternden<br />
und vertiefenden Blick in ihre jeweiligen<br />
Fachbereiche und darüber hinaus zu benachbarten<br />
Gebieten zu erhalten?
10-11/2012<br />
„ G U T , D A S S E S E U C H G I B T ! “<br />
101 Jahre Mesner<br />
Drei Brüder als Mesner – das ist in der<br />
Kirche Österreichs vermutlich einzigartig.<br />
In der Kirche ihres Heimatortes Kollmitzberg<br />
bei Amstetten haben sich Karl, Stefan und<br />
Johann Kronberger getroffen,<br />
um über ihr Mesneramt zu sprechen,<br />
das jeder in einer anderen Pfarre ausübt.<br />
Zu erzählen gibt es viel, sind die drei – die<br />
Dienstjahre zusammengezählt – doch schon<br />
101 Jahre Mesner.<br />
„Mesnerbuben“<br />
Von klein auf sind die Kronberger Kinder mit<br />
dem Dienst in Sakristei und Kirche vertraut. Ihr<br />
Vater übernimmt Mitte der 1930er Jahre das Mesneramt<br />
in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Kollmitzberg<br />
im Mostviertel in Niederösterreich.<br />
Die Einberufung zum Militär bedeutet für Vater<br />
Kronberger aber das Ende seiner Mesnerzeit.<br />
Seit 1942 gilt er als vermisst. Die Mutter hat nun<br />
allein für ihre fünf Buben zu sorgen. Weil sie in<br />
➔➔➔<br />
9<br />
Karl, Johann und Stefan Kronberger (v. l.) vor dem<br />
Ottilienbrunnen. Bekannter – als aufgrund der Wallfahrt<br />
zur heiligen Ottilie, die bei Augenleiden angerufen wird –<br />
ist Kollmitzberg für den größten Kirtag des Landes.<br />
Aber bis heute kommen Pilger, um in der Kirche zu<br />
beten, sich am Ottilienbrunnen die Augen zu benetzen<br />
und das Wasser zu trinken.<br />
Stein des Anstoßes<br />
Fragen müssen gerade erst recht gestellt werden, wenn so ein<br />
neuer Schultyp gesetzlich eingeführt wird. Denn da darf nicht<br />
der Versuch unternommen werden, es allen nur irgendwie recht<br />
zu machen, um mit dem eigentlich Neuen einer „Neuen Mit tel -<br />
schule“ nur ja nicht anzuecken. So eine neue Schule muss sogar<br />
zwingend ein Stein des Anstoßes für unser gesamtes derzeitiges<br />
Schulsystem sein.<br />
Andreas Schnider ■<br />
Gastkommentare geben die Meinung der Autoren wieder.<br />
Univ-Doz. Mag. Dr. theol. Andreas Schnider ist u. a. Vorsitzender des Ent -<br />
wicklungsrates des Unterrichts- und Wissenschaftsministeriums für die „Pä da -<br />
gogInnenbildung NEU“, Hochschulprofessor für Katechetik und Reli gi ons -<br />
pädagogik in Heiligenkreuz und war Mitglied des Bundesrates für die ÖVP.
10-11/2012<br />
„ G U T , D A S S E S E U C H G I B T ! “<br />
10<br />
➔➔➔<br />
der Nähe der Kirche wohnt, kümmert sie sich<br />
weiterhin um das Auf- und Zusperren des Gotteshauses<br />
und das dreimalige Gebetsläuten.<br />
Den gesamten Mesnerdienst kann sie aus<br />
Zeitgründen nicht übernehmen. Im Jahr 1956<br />
kehrt das Amt aber doch wieder an das „Mesnerhäusl“<br />
zurück. Ihr damals zwanzigjähriger<br />
Sohn Stefan wird Mesner. „Mesnerbuben“ wurden<br />
sie im Ort ohnedies die gesamte Zeit über<br />
genannt.<br />
Kontaktfreudig und lustig<br />
Als Stefan nach zehn Jahren heiratet und nach<br />
Winklarn (bei Amstetten) übersiedelt, wird<br />
Zwillingsbruder Karl sein Nachfolger in Kollmitzberg.<br />
Bis heute ist er gerne Mesner, auch<br />
wenn der 76-Jährige nun manches langsamer<br />
verrichten muss als früher. „Als Mesner hat<br />
man mit den Leuten viel Kontakt.“ Das gefällt<br />
ihm. Karl freut sich, dass die Pfarrangehörigen<br />
in ihm einen Ansprechpartner für<br />
viele kirchliche Belange sehen. „Lustig muss<br />
er auch sein – der Mesner“, fügt er hinzu,<br />
lacht schelmisch und beginnt von Taufessen<br />
zu erzählen, die manchmal beinahe bis zum<br />
Abend gedauert haben.<br />
Gutes Auskommen<br />
Stefan hat fünf Jahre pausiert, ehe er 1971<br />
Mesner in seinem neuen Heimatort Winklarn<br />
wird. Die Pfarre wird vom Orden der Salesia-<br />
1<br />
ner Don Boscos betreut, in dessen Amstettner<br />
Kommunität mehrere Patres leben. Darum<br />
hat Stefan die meiste Erfahrung mit unterschiedlichen<br />
Priestern und Kaplänen. Zwölf<br />
oder dreizehn hat er bislang betreut. „Mit jedem<br />
bin ich gut ausgekommen“, versichert er<br />
glaubhaft. „Von uns dreien ist Stefan der, der<br />
sich am meisten einsetzt“, streuen Karl und<br />
Johann ihrem Bruder Rosen. Stefan gehört<br />
dem Vorstand der St. Pöltner Mesnergemeinschaft<br />
an. Er engagiert sich in der Pfarrcaritas,<br />
bringt Kranken die Kommunion und leitet<br />
Wortgottesdienste. „Ich bin einfach dankbar.“<br />
Den Einsatz für die Pfarre empfindet er<br />
persönlich bereichernd.<br />
Angenehme Seiten<br />
Als sich die drei Kronberger Brüder für ein<br />
gemeinsames Foto in der Sakristei der Pfarrkirche<br />
Kollmitzberg treffen und Talar und Rochett<br />
anziehen, fällt Stefans Blick auf die Flasche<br />
mit Messwein. „Wir haben den gleichen“,<br />
sagt er und erinnert sich an seine Jungmesner-Zeit.<br />
„Wenn der Messwein sauer wurde,<br />
hat der Pfarrer geschimpft: Ein Mesner muss<br />
kosten. Wenn eine Flasche leer wurde, hat er<br />
auch oft geschimpft: Hast schon wieder zu viel<br />
gekostet.“ Heute gehören in Kollmitzberg und<br />
auch in Winklarn die gemeinsamen Fahrten<br />
von Pfarrer und Mesner zum Einkaufen des<br />
Messweins zu den besonders angenehmen Seiten<br />
des Mesnerseins.<br />
1 Zusätzlich zu seiner Mesnertätigkeit leitet<br />
Stefan Kronberger auch Wortgottesdienste.<br />
2 Johann Kronberger ist Mesner in<br />
Amstetten-St. Stephan.<br />
Ein „Spätberufener“<br />
Im Vergleich zu seinen Brüdern ist Johann ein<br />
„Spätberufener“. Er hat seinen Dienst nach<br />
seiner Pensionierung 1998 begonnen. Kirche<br />
und Glaube sind in seinem Leben immer wichtig<br />
gewesen, aber das Amt hilft ihm, den<br />
Glauben weiter zu vertiefen. Seine Frau fügt<br />
hinzu: „Ich gehe auch gerne in die Kirche.“ Er<br />
ist froh, dass sich das Interesse seiner Frau<br />
mit seinem Engagement so gut ergänzt. Das<br />
ist für ihn die Voraussetzung gewesen, das<br />
Amt überhaupt anzunehmen. Da Johann gerne<br />
werkt, gehen ihm die Ideen für Verbesserungen<br />
und Vereinfachungen der Arbeit in<br />
der Sakristei nie aus – ob zusätzliche Fächer<br />
in den Schränken oder bessere Beschläge für<br />
die Kästen. „Wenn man etwas macht, und<br />
der Pfarrer und die Leute freuen sich, ist das<br />
schön“, bringt er sein Amt auf einen einfachen,<br />
aber klaren Nenner.<br />
Josef Wallner ■<br />
Mag. Josef Wallner ist Redakteur der Linzer Kirchenzeitung.<br />
2
B E T R E U U N G<br />
10-11/2012<br />
11<br />
„Demenz“ ist in den letzten Jahren zu einem<br />
Schlagwort geworden. Die mediale Darstellung<br />
pendelt zwischen Schreckensmeldungen<br />
über ein massives Ansteigen von Demenzerkrankungen,<br />
Suizidberichten von prominenten<br />
Betroffenen und schöngefärbten Fallgeschichten<br />
mit lächelnden Dementen. Auch Betreuungsformen<br />
sind in Diskussion: 24-Stunden-<br />
Pflege daheim, neue Wohnformen wie kleine<br />
Wohngemeinschaften oder stationäre Pflegeeinrichtungen.<br />
„Nicht das ,Wo‘, sondern das<br />
,Wie‘ der Betreuung ist ausschlaggebend!“,<br />
schreiben die Ärztinnen Marina Kojer und<br />
Martina Schmidl in ihrem kürzlich erschienenen<br />
Buch „Demenz und Palliative Geriatrie<br />
in der Praxis“. Im Folgenden berichten die<br />
Wohnbereichs-Leiterin Dzenana Gluhic und<br />
der Seelsorger Franz Josef Zessner aus dem<br />
Pflege- und Sozialzentrum Rennweg der Caritas<br />
Socialis (CS) in Wien III, wie sie die<br />
Arbeit mit Menschen, die an Demenz leiden,<br />
und deren Angehörigen erleben.<br />
Einmal im Monat füllt sich die Kapelle im CS<br />
Pflege- und Sozialzentrum Rennweg mit einer<br />
besonderen Gruppe von Menschen: In zwei<br />
Reihen sitzen Menschen in Rollstühlen um<br />
den Altar, der mit Tüchern, Blumen, einer<br />
Kreuz-Ikone und vielen Kerzen geschmückt<br />
ist. Dahinter stehen drei oder vier Betten, in<br />
denen Frauen liegen. Menschen mit fortgeschrittener<br />
Demenz und ihre Angehörigen treffen<br />
einander zur Taizé-Gebetsstunde. Seit zwei<br />
Jahren gibt es dieses Angebot in der CS am<br />
Rennweg.<br />
Meist eine Überforderung<br />
gen meinen, „versagt“ zu haben. Es plagt sie<br />
ein schlechtes Gewissen. So erzählt die Tochter<br />
einer Patientin, dass es für sie undenkbar<br />
gewesen wäre, ihre Mutter in ein Heim zu<br />
geben. Ihre Ehe war durch die häusliche Betreuung<br />
der Mutter in Gefahr. Dennoch entschloss<br />
sie sich erst dazu, als sie selbst wegen<br />
einer Erkrankung ins Spital musste. Und<br />
dann hat durch diese erzwungene Entscheidung<br />
für alle drei – Mutter, Tochter und Ehemann<br />
– ein neues Leben begonnen: Die Mutter<br />
lebt sich im Heim gut ein, die angespannte<br />
Situation daheim fällt weg, die Ehe der<br />
Tochter blüht wieder auf und auf die regelmäßigen<br />
Besuche im Heim freuen sich alle<br />
Beteiligten.<br />
Wir in der CS legen großen Wert auf die Zusammenarbeit<br />
mit Angehörigen. Diese beginnt<br />
schon beim Einzug, manchmal sogar bereits<br />
bei der Anmeldung eines Bewohners im Pflegeheim.<br />
Und oft ist es so, dass nach dem Sterben<br />
des Bewohners noch eine starke Beziehung<br />
zwischen Angehörigen und Betreuenden<br />
besteht.<br />
Taizé-Gebetsstunde für Menschen mit fort -<br />
geschrittener Demenz und ihre Angehörigen:<br />
eine gemeinsame Zeit voller Ruhe<br />
Ihre Würde wahren<br />
Natürlich bringt das Leben mit Demenz in<br />
einer Pflegestation auch schwierige Situationen<br />
mit sich. Wir arbeiten mit dem Pflegekonzept<br />
der Mäeutik, die das Erleben aller<br />
Beteiligten zum Ausgangspunkt für Pflege<br />
und Betreuung macht: Das Wichtigste für<br />
uns ist die Würde unserer BewohnerInnen,<br />
und das zeigt sich in unserem Verhalten ihnen<br />
gegenüber. Wir versuchen, in unserer Betreuung<br />
respektvoll mit den BewohnerInnen<br />
umzugehen und ihre Autonomie zu achten,<br />
soweit sie sie leben können und wollen. Wir<br />
bieten Beziehung auf gleicher Ebene mit gegenseitigem<br />
Respekt, mit Wertschätzung und<br />
<strong>Miteinander</strong>-Sein an. Kommunikation steht im<br />
Vordergrund. Wir versuchen, „in die Schuhe<br />
des Bewohners zu steigen“, seine Standpunkte,<br />
sein Erleben, seine Wahrheit nachzuempfinden<br />
und zu respektieren.<br />
Ein hilfreiches Instrument der Mäeutik ist<br />
die ethische Bewohnerbesprechung. In einer<br />
schwierigen Situation setzen sich alle Beteiligten<br />
zusammen, um gemeinsam eine Lösung<br />
zu finden: Der Sohn einer Bewohnerin ist im<br />
➔➔➔<br />
Diese Pflegeheim-BewohnerInnen und ihre<br />
Angehörigen haben meistens schon viele Jahre<br />
hinter sich, in denen das Krankheitsbild<br />
„Demenz“ ihr (Zusammen)Leben belastet.<br />
Die Kinder (meistens die Töchter) oder Ehepartner<br />
versuchen so lange wie möglich, ihre<br />
eigenen Eltern/Partner zu Hause zu betreuen<br />
und zu versorgen – bis die Belastungen zu<br />
groß und sie erschöpft sind. Die Angehöri-
10-11/2012<br />
B E T R E U U N G<br />
12<br />
Die Froh<br />
Gerecht oder gerächt?<br />
➔➔➔<br />
Ehrenamtliche MitarbeiterInnen unterstützen das hauptamtliche Betreuungsteam.<br />
Hauptmotiv für sie ist: Sie wollen den Menschen Zeit schenken.<br />
Alter von 63 Jahren gestorben. Die Schwiegertochter<br />
möchte der alten Frau diese Mitteilung<br />
ersparen. Was bedeutet das Prinzip<br />
der Wahrhaftigkeit, das Ernstnehmen der dementen<br />
Person in diesem Fall? Die Bewohnerin<br />
ist dement und glaubt, Mutter von kleinen<br />
Kindern zu sein. In der Besprechung<br />
wird nach einem Weg gesucht, wie die Mitteilung<br />
in einer Art und Weise erfolgen kann,<br />
die der geistig-seelischen Verfassung der Frau<br />
entspricht. Haben wir sie gefunden? Sicherheit<br />
gibt es auf diesem Gebiet selten. Wichtig<br />
ist uns, die Menschen in ihrer Lebenswelt zu<br />
belassen.<br />
Betreuungsteam<br />
Die intensive Beschäftigung mit Demenz befruchtet<br />
unsere Teamarbeit: Entwicklung von<br />
Strategien, gelebte Solidarität untereinander,<br />
Interesse an gemeinsamer Reflexion. Wenn<br />
wir gelassen, ideenreich und verständnisvoll<br />
agieren, haben wir eine große Chance, unsere<br />
Beziehungen auf dieser Basis aufzubauen.<br />
Die Vielfältigkeit unseres Teams aufgrund unterschiedlicher<br />
Herkunft, Lebensgeschichten,<br />
Prägungen und Traditionen führt zu komplexen<br />
menschlichen Beziehungen, und das spiegelt<br />
sich in unserer Pflege und Betreuung<br />
wider.<br />
Die Menschen, die donnerstags die Taizé-Gebetsstunde<br />
in der Kapelle des CS Pflege- und<br />
Sozialzentrums Rennweg besuchen, sind in<br />
der letzten Phase eines langen, oft schmerzlichen<br />
Weges durch die Demenz angekom-<br />
men. Die Taizé-Gesänge mit ihrer Einfachheit<br />
und ihren Wiederholungen, gesungen von<br />
einer Gruppe Ehrenamtlicher, ermöglichen eine<br />
Atmosphäre des Gebets, in der eine Einheit<br />
entsteht: zwischen dementen Pflegeheim-BewohnerInnen<br />
und ihren BegleiterInnen<br />
– Angehörigen, Ehrenamtlichen, Pflege-<br />
MitarbeiterInnen. Musik, Kerzenlicht, Duft –<br />
wenn den alten Menschen die Hände mit Öl<br />
gesalbt werden – lassen Momente entstehen,<br />
in denen für alle ein – wenn auch kurzer, vorübergehender<br />
– Ausblick auf eine Welt spürbar<br />
wird, in der alle Tränen getrocknet werden<br />
und Hoffnung aufkeimt, dass Gott die<br />
nicht vergisst, die so vieles vergessen haben.<br />
Dzenana Gluhic und Franz Josef Zessner ■<br />
Die Caritas Socialis bietet in Wien eine spezielle<br />
Alzheimer- bzw. Demenzbetreuung an: stundenweise<br />
durch die Caritas Socialis-Betreuung<br />
zu Hause, tageweise in den Alzheimer-Tageszentren<br />
und rund um die Uhr durch spezialisierte<br />
Langzeitbetreuungseinrichtungen wie die Alzheimer-Stationen<br />
im Bereich der stationären<br />
Pfle ge und in den Wohngemeinschaften für de -<br />
mente Menschen.<br />
Das CS Beratungsservice Pflege & Demenz unterstützt<br />
und begleitet bei allen Fragen zu Pflege<br />
und Betreuung von älteren und chronisch<br />
kranken Menschen, speziell mit Demenzerkrankungen.<br />
Kontakt<br />
jeweils montags bis freitags<br />
8.30 Uhr bis 15.00 Uhr<br />
CS Pflege- und Sozialzentrum<br />
Oberzellergasse 1, 1030 Wien<br />
Termine nach telefonischer Vereinbarung<br />
01/717 53-3800<br />
beratungsservice@cs.or.at<br />
Gerichtssendungen erfreuen sich im Fernsehen<br />
immer größerer Beliebtheit. Es reizt offenkundig,<br />
mitzuverfolgen, wie sich Kläger<br />
und beklagte Parteien einen heftigen Schlagabtausch<br />
liefern und wie Rechtsanwälte und<br />
Staatsanwälte versuchen, Licht ins Dunkel<br />
zu bringen. Gebannt wird auf den Schiedsspruch<br />
über Schuld und Unschuld gewartet,<br />
beziehungsweise darauf, welche Strafe verhängt<br />
wird.<br />
Bereits Friedrich Nietzsche argwöhnte, dass<br />
„gerecht“ in vielen Fällen „gerächt“ bedeute.<br />
Denn die Gefahr besteht, dass die „gerechte<br />
Strafe“, die jemandem aufgebrummt wird,<br />
mehr einem Rache- oder Machtinstinkt als<br />
ethischen Maßstäben entspringt. Und selbst<br />
dort, wo andere oder wir selbst um ein gerechtes<br />
Urteilen und Entscheidungen ringen,<br />
bleibt die Einschätzung einer anderen Person<br />
immer hinter ihrer einmaligen und differenzierten<br />
Wirklichkeit zurück: „Jedes Wesen<br />
ist ein stummer Schrei danach, anders gelesen<br />
zu werden“ (Simone Weil). Gibt es im Blick<br />
auf das Ganze des Lebens eine Gerechtigkeit,<br />
die dem Menschen wirklich gerecht wird, oder<br />
geht diese Ursehnsucht ins Leere?<br />
„Recht des Stärkeren“<br />
Es gibt nur eine gute oder eine schlechte Nachricht?<br />
1 Die schlechte wäre: Es gibt kein göttliches<br />
Gericht. Die menschliche Justiz ist auch<br />
schon die letzte Instanz. Doch wie oft setzt<br />
sich hier das sogenannte „Recht des Stärkeren“<br />
durch, in dem aber nicht Recht, sondern<br />
Macht und Gewalt die Verhältnisse diktieren?<br />
Das anständige Verhalten im Kleinen<br />
ebenso wie der heldenmütige Widerstand gegen<br />
Diktaturen werden in der Geschichte hingegen<br />
meist nicht belohnt. Und schließlich<br />
nimmt jeder Mensch so vieles mit ins Grab,<br />
was er nie aussprechen oder klarstellen konnte<br />
– so sehr er sich das auch gewünscht hät-
G O T T E S B I L D<br />
10-11/2012<br />
botschaft vom Gericht Gottes<br />
13<br />
Eine im westlichen Kulturkreis verbreitete Dar -<br />
stellung der „Gerechtigkeit“ ist die urteilende Justitia<br />
mit Waage (abwägend) und Schwert (strafend).<br />
Und schließlich: Der Mensch wird im göttlichen<br />
Gericht nicht von einer Außenperspekte.<br />
Die offenen Rechnungen, die schuldige Tat<br />
und das unschuldige Leiden werden für alle<br />
Ewigkeit zementiert.<br />
Ursehnsucht Gerechtigkeit<br />
Dagegen steht Jesu gute Nachricht vom Gericht<br />
Gottes. Er stellt in Aussicht, dass die<br />
Sehnsucht des Menschen nach einer letz-<br />
1 Zum Folgenden vgl. Andreas Knapp, Melanie Wolfers,<br />
Glaube, der nach Freiheit schmeckt. Eine Einladung an<br />
Zweifler und Skeptiker, Freiburg 2011, S. 305ff.<br />
ten und endgültigen Gerechtigkeit keine leere<br />
Hoffnung bleibt. Es gibt eine Gerechtigkeit,<br />
so wahr uns Gott helfe. Dies ist eine Frohbotschaft,<br />
insbesondere für alle Benachteiligten<br />
und Opfer von Ungerechtigkeit. Zugleich<br />
weckt Jesu Rede vom Gericht die Hoffnung,<br />
dass es eine Stunde der Wahrheit geben<br />
wird, die jeden beziehungsweise jede frei<br />
macht und zur Liebe befähigt.<br />
Das Evangelium vom göttlichen Gericht ist<br />
nun freilich in Misskredit geraten – nicht zuletzt<br />
durch Höllenprediger, die die Tiefe der<br />
biblischen Bilder zu Karikaturen verzerrt haben.<br />
Ihre Rede vom Gericht war nicht immer<br />
von wirklicher Sorge um die Zukunft von<br />
Menschen geprägt. Oft mussten Himmel und<br />
Hölle als Druckmittel für Moral herhalten.<br />
Gerade bei der Rede vom Ende der Welt steht<br />
das Gottesbild auf dem Prüfstand. Am Gottesbild<br />
entscheidet sich, ob Aussagen über das<br />
Gericht Angst schüren oder Hoffnung wecken.<br />
Steht das Bild eines strafenden, rächenden<br />
Gottes vor Augen, der die Geschichte willkürlich<br />
abbricht und abrechnen will? Oder ist<br />
der Glaube an den biblischen Gott leitend, der<br />
das Leben aller will und die Freundschaft mit<br />
seinen Geschöpfen sucht?<br />
Gerechtes Gericht<br />
Die große Hoffnung der biblischen Religion<br />
richtet sich auf ein göttliches Gericht, das<br />
als höchste Appellationsinstanz jedem und<br />
allen wirklich gerecht wird. Das Besondere<br />
des christlichen Glaubens liegt in der Aussage,<br />
dass Jesus Christus der Richter ist. Wenn<br />
Jesu Leben und Verkündigung der entscheidende<br />
Maßstab sind, so liegt das Ziel des Gerichtes<br />
nicht darin, mit dem Menschen abzurechnen,<br />
sondern ihn zu retten und aufzurichten.<br />
tive aus beurteilt, sondern von einem, der jeden<br />
Menschen in- und auswendig kennt. Dies<br />
ist von größter Bedeutung. Bei allem Bemühen<br />
um Wahrheit bleibt nämlich jede menschliche<br />
Einschätzung eines anderen vermessen.<br />
Wir können die Freiheit anderer nicht<br />
angemessen in das Urteil einbeziehen. Kein<br />
Staatsanwalt, keine Richterin, nicht einmal<br />
die psychologische Gutachterin ist fähig, je -<br />
mandem wirklich ins Herz zu schauen und<br />
dessen Freiheits-Spielraum auszuloten. Sogar<br />
im Blick auf uns selbst wissen wir nie genau,<br />
ob und wie frei wir in unseren Entscheidungen<br />
sind. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit<br />
wendet sich daher an einen Gott, der um die<br />
intimsten Regungen und Gedanken eines Menschen<br />
weiß und selbst dessen unbewusste<br />
Motive noch kennt. Der Gott, der den Menschen<br />
auf Herz und Nieren prüft, kann auch<br />
den Handlungsspielraum ermessen, der jedem<br />
zur Verfügung steht. Gott allein vermag<br />
Zufall und Notwendigkeit eines menschlichen<br />
Lebens zu durchschauen. Nur er kennt das<br />
Quäntchen Freiheit, den guten Willen und<br />
die echte, unverratene Sehnsucht eines jeden<br />
Menschen.<br />
Weil Gott uns von innen her kennt, legt er<br />
keine äußerliche Messlatte an. Wir werden<br />
nicht über einen Kamm geschoren. Vielmehr<br />
sind das individuelle Freiheitsmaß und die<br />
konkreten Handlungsmöglichkeiten entscheidend.<br />
Den Gedanken der Selbst-Verwirkli -<br />
chung verdeutlicht Martin Buber mit einer<br />
Ge schi ch te:<br />
Als es mit Rabbi Sussja ans Sterben kam, fragten<br />
ihn seine Schüler und Freunde: Hast du<br />
denn gar keine Angst? Rabbi Sussja gab zur<br />
Antwort: Wenn ich an all die Großen und Bedeutenden<br />
denke, an Mose und Abraham und<br />
den Propheten Jeremia, dann wird mir schon ein<br />
wenig angst. Doch ich bin gewiss: Gott wird<br />
mich in der kommenden Welt nicht fragen: Warum<br />
bist du nicht Mose gewesen, sondern allenfalls:<br />
Warum bist du nicht Sussja gewesen?<br />
➔➔➔
10-11/2012<br />
G O T T E S B I L D<br />
14<br />
➔➔➔<br />
Christen hoffen auf ein Gericht nach einem göttlichen<br />
Maßstab, der jedem und allen gerecht wird.<br />
„Bist du du selbst gewesen?“<br />
Beim göttlichen Gericht wird also niemand nach fremden<br />
Gesetzen beurteilt oder an anderen gemessen, sondern<br />
die Frage wird lauten: „Bist du du selbst gewesen,<br />
und hast du deine begrenzte Freiheit genutzt, um aus<br />
dir herauszugehen?“ Am Abend des Lebens wird der<br />
Mensch nur nach seiner Liebe gefragt.<br />
Möglicherweise blitzt im Netz der Determinanten nur<br />
selten ein Funke der Freiheit auf. Aber genau diese Entscheidung<br />
wird den Ausschlag geben. Die endgültige<br />
Qualifikation eines Lebens als gut und gelungen kann<br />
am seidenen Faden einer winzigen Geste hängen. Wenn<br />
jemand einem anderen auch nur einen Becher Wasser<br />
gegeben hat – um der Liebe willen –, so kann dieser<br />
Schluck Wasser lebensrettend sein und seinen Geber<br />
für das ewige Leben qualifizieren (vgl. Mk 9,41). Und<br />
wer sich einmal „unsterblich“ verliebt hat, hat die Deadline<br />
des Egoismus überschritten und das Unsterbliche,<br />
das ewige Leben schon berührt.<br />
Die Hoffnung, dass Gott die individuelle Geschichte und<br />
die Geschichte aller am Ende auch vollenden wird, entlastet<br />
und nimmt zugleich angemessen in die Pflicht.<br />
Weder müssen wir resigniert den Kopf in den Sand stecken<br />
noch verbissen dafür kämpfen, die Welt in ein Paradies<br />
zu verwandeln. Der Glaube an eine von Gott geschenkte<br />
Zukunft befreit und beauftragt, das Mögliche<br />
entschieden und gelassen zugleich zu tun.<br />
Sr. Melanie Wolfers SDS ■<br />
Die „Knochenkirche“ von Kutná Hora<br />
„Knochenkirche“ von Kutná Hora in Böhmen: Gruft für die Gebeine<br />
von 40.000 Menschen. Gottesdienste werden hier aber keine gefeiert.<br />
Menschliche Knochen dienen normalerweise nicht zur<br />
Ausschmückung, schon gar nicht einer Kirche. In der<br />
„Knochenkirche“ von Kutná Hora (Kuttenberg in Böhmen)<br />
ist das anders. Unzählige Besucher bestaunen<br />
erschaudernd die aus Ober- und Unterschenkelknochen,<br />
Hüftgelenken und Totenköpfen gestaltete Inneneinrichtung<br />
– seit 1995 UNESCO Weltkulturerbe.<br />
Ein erwachsener Mensch besteht normalerweise aus 206 Knochen.<br />
Multipliziert man diese Zahl mit den Gebeinen von etwa<br />
40.000 Menschen, dann kann man sich ungefähr die Ausmaße<br />
der Inneneinrichtung der „Knochenkirche“ von Kutná Hora vorstellen.<br />
Hier gibt es (beinahe) nichts, das nicht aus menschlichen<br />
Knochen hergestellt ist: Kreuzigungsgruppe, Monstranz,<br />
Kronleuchter, Adelswappen … Wer meint, dass ihm dieser Anblick<br />
wohl zu makaber wäre, der irrt. Der Eindruck ist so bizarr,<br />
dass dies bei den meisten Besuchern nur Staunen erweckt<br />
und kaum Gruseln aufkommen lässt.<br />
Mönch entdeckt Silbermine<br />
Kutná Hora, früher Kuttenberg, liegt ungefähr 70 km südöstlich<br />
der tschechischen Hauptstadt Prag. Im heutigen Stadtteil<br />
Sedlec gründeten im Jahr 1142 Mönche aus Waldsassen in der<br />
Oberpfalz ein Kloster – übrigens das älteste Zisterzienserklos-
B Ö H M E N<br />
10-11/2012<br />
1 2 3<br />
15<br />
1 Das von Frantisek Rint gestaltete Wappen der<br />
Familie Schwarzenberg<br />
2 Detailausschnitt aus dem Wappen<br />
3 Der achtarmige Leuchter besteht ebenfalls zum<br />
Großteil aus Knochen.<br />
Nachdem auch das Kloster Sedlec 1784 Op fer<br />
der Klösteraufhebungen von Kaiser Joseph II.<br />
geworden war, kaufte hundert Jahre später<br />
die Familie Schwarzenberg das verödete Anwesen<br />
und beauftragte Frantisek Rint, angeblich<br />
ein Holzschnitzer, mit der Gestaltung<br />
der Friedhofskapelle. Ob die Idee, die Knochenpyramiden<br />
dabei einzubeziehen, vom Auftragter<br />
in Böhmen. Es war angeblich auch ein Zisterziensermönch,<br />
der bei Arbeiten auf die ersten<br />
Hinweise einer Silbermine stieß. Der darauf<br />
folgende Silberbergbau trug entscheidend<br />
zur Berühmtheit und zum Reichtum von Kutná<br />
Hora bei. Rasch entwickelte sich die einstige<br />
Bergmannssiedlung zur zweitgrößten Stadt<br />
nach Prag. Als König Wenzel II. der Stadt das<br />
Münzrecht verlieh, wurde hier der berühmte<br />
„Prager Groschen“ geprägt.<br />
Vorrang bei der Auferstehung<br />
In dieser Blütezeit entstanden viele Bauten,<br />
unter anderem auch eine Kapelle – die heutige<br />
„Knochenkirche“ –, um die ein Friedhof angelegt<br />
wurde. Dieser Gottesacker wurde bald<br />
über Böhmens Grenzen hinaus berühmt. Im<br />
Jahr 1278 brachte der damalige Abt des Klosters<br />
Sedlec von einer Reise nach Jerusalem<br />
eine Handvoll Erde mit, die von der Kreuzi-<br />
gungsstätte Jesu stammen sollte. Diese verstreute<br />
er auf dem Friedhof. Der Ruf, sich hier<br />
in heiliger Erde begraben lassen zu können,<br />
löste einen wahren Bestattungsboom aus: Es<br />
hieß nämlich, dass die hier Bestatteten Vorrang<br />
bei der Auferstehung hätten. Nicht nur<br />
Tote aus der näheren Umgebung, sondern<br />
auch aus Polen, Bayern und Belgien wurden<br />
an diesem Ort auf ihren Wunsch hin begraben.<br />
Die Ausdehnung des Friedhofes soll, auch in -<br />
folge einer Pestepidemie, ungefähr 3,5 Hektar<br />
betragen haben.<br />
Gebeine für die<br />
Innenausstattung<br />
Die Blütezeit der Stadt wurde durch die Hussitenkriege<br />
radikal beendet. Die einfallenden<br />
Hussiten brannten 1421 das Zisterzienserkloster<br />
nieder und metzelten an die 500 Mönche<br />
nieder. Auch ein Großteil der damaligen<br />
Stadtbevölkerung wurde ermordet. Wer konnte,<br />
flüchtete noch rechtzeitig. Durch den 1485<br />
geschlossenen „Kuttenberger Religionsfrieden“<br />
normalisierte sich die Lage langsam. Der<br />
Friedhof wurde aufgelassen, und ein angeblich<br />
halbblinder Mönch schichtete die ausgegrabenen<br />
Knochen der ehemals hier Bestatteten<br />
zu sechs Pyramiden auf. Das „Baumaterial“<br />
für die spätere „Knochenkirche“ war<br />
damit aufbereitet.<br />
geber stammte oder einer bizarren Eingebung<br />
von Rint entsprang, ist nicht überliefert. Die<br />
menschlichen Gebeine von zwei Pyramiden<br />
verwendete er als Material für die Innengestaltung.<br />
Die aufgeschütteten Knochen der<br />
übrigen vier Pyramiden setzte er im Unter ge -<br />
schoß der Kapelle bei.<br />
Wo man hinschaut: Knochen<br />
Was Frantisek Rint nun in Angriff nahm, übersteigt<br />
jede Vorstellung. In jahrelanger und<br />
mühevoller Arbeit entstanden Kronleuchter<br />
aus Oberschenkelknochen, glockenartige Gebilde<br />
aus Totenschädeln, kunstvolle Vasen<br />
aus einer Kombination von beidem und vieles<br />
mehr. Besucher der heute als Museum genutzten<br />
ehemaligen Kirche können eine aus<br />
Menschenknochen gestaltete Kreuzigungsgruppe<br />
betrachten oder eine Monstranz, in der<br />
ein Totenkopf zur Aufbewahrung der Hostie<br />
vorgesehen ist. Wohin man schaut, überall<br />
ist man mit Gebilden aus Oberschenkel- und<br />
Kreuzbeinknochen konfrontiert. Selbst das<br />
große Wappen der Auftraggeber hat der Holzschnitzer<br />
aus vielerlei Menschenknochen gestaltet.<br />
Der Besucherzustrom zu der 1995 in das Verzeichnis<br />
des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommenen<br />
„Knochenkirche“ ist groß. Gottesdienste<br />
werden hier aber nicht gefeiert. Sicherlich<br />
wird sich so mancher Besucher die<br />
Frage stellen, ob es sich hier um das Werk eines<br />
Irren oder eines Menschen mit makabrer<br />
Fantasie handelt. Vielleicht aber wollte Meister<br />
Rint nur beweisen, dass das, was von einem<br />
Menschen auf Erden übrig bleibt, auch<br />
noch Verwendung finden kann.<br />
Ingeborg Schödl ■
10-11/2012<br />
L I E D - G E D A N K E N<br />
16<br />
Beim Herrn ist Barmherzig<br />
und reiche Erlösung …<br />
Strenger Richter aller Sünden?<br />
Wer ein „lateinisches Hochamt“ besucht und<br />
der Musik lauscht, der wird die Worte im<br />
Cre do der Messe „iudicare vivos et mortuos“<br />
(zu richten die Lebenden und die Toten) nicht<br />
überhören können. In manchen Kompositionen<br />
werden sie uns tatsächlich mit Pauken<br />
und Trompeten sehr eindrücklich „ausgemalt“.<br />
Und wer (von den Älteren unter uns) kennt<br />
nicht noch die Zeile des Liedes, wo die Gemeinde<br />
singend bekennt „Strenger Richter<br />
aller Sünden …“? Und auf der anderen Seite<br />
tönt der oft gesungene Kehrvers: „Beim Herrn<br />
ist Barmherzigkeit und reiche Erlösung.“<br />
Barmherzigkeit und Gericht<br />
Inzwischen bin ich mitten drinnen im Denken<br />
und Theologisieren: Gott, der Barmherzi -<br />
ge? Gott, der Richter? Gehen bei Gott Barmherzigkeit<br />
und Gericht zusammen? Ist das<br />
eine Ausdrucksweise des anderen? Verliert<br />
oder gewinnt das eine zugunsten des anderen?<br />
Da bin ich manchmal hin- und hergerissen mit<br />
meinem Glauben und Hoffen – als ein Mensch,<br />
der sich vor dem Gericht fürchtet und der auf<br />
Gottes Barmherzigkeit hofft. Schreckensbilder<br />
steigen mitunter auf, fantastische Szenarien,<br />
die uns hinlänglich in Worten der Verkündigung<br />
(„Höllenpredigt“), in Bildern der<br />
Kunst, im Schauspiel und in der Musik vorgestellt<br />
wurden und werden – ebenso wie<br />
deren Gegenbilder, Gegenworte, Gegentöne.<br />
Wieder taucht die Frage auf: Gibt es noch wo<br />
klare Gerechtigkeit, deutliche scharfe Unterscheidung<br />
– die wir uns oft so sehr wünschen<br />
– oder ist ohnehin alles eins und einerlei?<br />
Gott als „Handwerker“<br />
Ein Theologe bin ich nicht. Ich bin einer, der<br />
ganz gerne die Sprache, die Umgangssprache,<br />
abklopft und schaut und staunt, was<br />
dabei zutage kommt. In diesem Fragenkreis<br />
von Richter, Gericht und Richten sag ich mir<br />
einfach: Ja, Gott ist mein „Richter“, der mich<br />
richten kann. „Richten“ – so wie wir es im<br />
Alltag auch verstehen: im Sinne von wiedergutmachen,<br />
herrichten, wieder in Ordnung<br />
bringen, wieder zusammensetzen. Wenn irgendwo<br />
etwas kaputt ist, dann lassen wir es<br />
„richten“. Dann „richte“ ich es wieder her.<br />
Wenn der Nagel locker geworden ist, klopf<br />
ihn wieder fest. Hat der Schuh ein Loch, lass<br />
ich ihn herrichten. Und wenn der Rasenmä -<br />
her spuckt, dann lasse ich ihn reparieren.<br />
Als einen solchen „Handwerker“ stelle ich<br />
mir Gott vor, der alle und alles „richten“ kann,<br />
der alles wieder gut macht, es in Ordnung<br />
bringt, es heil, ja ganz macht. Für mich ist<br />
Gott als Richter nicht nur der, der Sünde und<br />
Schuld feststellt, Urteil sowie Strafausmaß<br />
Ich liebe den Herrn;<br />
denn er hat mein lautes Flehen gehört<br />
und sein Ohr mir zugeneigt<br />
an dem Tag, als ich zu ihm rief.<br />
Mich umfingen die Fesseln des Todes,<br />
mich befielen die Ängste der Unterwelt,<br />
mich trafen Bedrängnis und Kummer.<br />
Da rief ich den Namen des Herrn an:<br />
„Ach Herr, rette mein Leben!“<br />
Der Herr ist gnädig und gerecht,<br />
unser Gott ist barmherzig.<br />
Psalm 116,1–5<br />
zur Antiphon GL 746<br />
festsetzt, sondern der, der meine Schuld und<br />
Sünde wieder gutmacht, mich (her)richtet<br />
zum Heil, zum Ursprünglich-Sein in der ungetrübten<br />
Gemeinschaft mit ihm.<br />
Größer als unser Herz<br />
Dieses Gericht findet schon jetzt statt. Es ist<br />
immer Gegenwart, wie es uns auch der Verfasser<br />
des Johannesevangeliums mit seiner<br />
präsentischen Eschatologie verdeutlicht. Sie<br />
bedeutet vielleicht, dass diese Dinge, von denen<br />
ich gerne annehme, dass sie am Ende<br />
des eigenen Lebens, der Geschichte, der Welt<br />
auf mich zukommen werden, schon heute<br />
passieren: Gott, „der größer ist als unser eigenes<br />
Herz“, das uns oft genug anklagt, liebt<br />
mich. Darauf vertraue ich. Dann werden Himmel<br />
und Heil schon jetzt Gegenwart, unsere<br />
1
10-11/2012<br />
K E I N E R K E N N T D I E S T U N D E<br />
keit<br />
17<br />
Schuld eine „glückliche“ und wir dürfen, bedrückt<br />
von eigener Last und Schuld, „fröhlich<br />
vor ihm stehen“ und „ihm dienen“. Auf<br />
so einen Richter freue ich mich, und sein<br />
„Richten“ brauche ich jeden Tag – „nicht nur<br />
siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal“. Es<br />
bleibt die Frohbotschaft des Johannesevangeliums<br />
zu diesem Thema: „Denn Gott hat<br />
seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit<br />
er die Welt richtet, sondern damit die Welt<br />
durch ihn gerettet wird.“ Davon ist Zeugnis<br />
zu geben. Das gehört verkündet leise und<br />
laut, im Piano und im Fortissimo, auch mit<br />
„Pauken und Trompeten“. Eine Botschaft,<br />
die uns immer weniger ängstigen und immer<br />
mehr freuen soll.<br />
Beim Herrn ist Barmherzigkeit und reiche<br />
Erlösung …<br />
Harald R. Ehrl CanReg ■<br />
GR Mag. Harald R. Ehrl ist Augustiner Chorherr und<br />
Stiftspfarrer von St. Florian bei Linz.<br />
1 Gotteslob, Katholisches Gebet- und Gesangbuch, 1975.<br />
Was geschieht 2012? –<br />
Absurde Vorstellungen<br />
Am 21. Dezember dieses Jahres soll die Welt<br />
untergehen. Man könnte meinen, der Termin<br />
wäre eine Erfindung von Geschäftsleuten, die<br />
für das Weihnachtsgeschäft Warengutscheine<br />
verkaufen, die sie dann nicht mehr einlösen<br />
müssten. Was aber sollten Geschäftsbesitzer<br />
davon haben, Geld zu verdienen, mit<br />
dem sie nichts mehr anfangen können – weil,<br />
ja weil die Welt untergeht?<br />
Manche Esoteriker setzen in diesem Fall auf<br />
ihre Rettung durch Außerirdische, die im Inneren<br />
eines Berges nahe dem kleinen französischen<br />
Dorf Bugarache ihre UFOs geparkt<br />
haben sollen. Da Außerirdische sicher die untergehende<br />
Erde verlassen wollen, hoffen sie<br />
auf Mitnahme in deren Raumschiffen.<br />
Die irrationale Angst<br />
Mit solchen Angelegenheiten ist jedoch nicht<br />
zu spaßen, denn derartige Ankündigungen verunsichern<br />
und ängstigen viele Menschen. Da<br />
hilft es kaum, zu erklären, dass sich im Mayakalender<br />
kein Hinweis darauf finde, dass zu<br />
dem genannten Datum die Welt untergehen<br />
werde. Auch das Zitieren von Quellen und<br />
Wissenschaftlern, die derartige Fehldeutungen<br />
widerlegen, verhallt oft wirkungslos. Als<br />
der amerikanische Radioprediger Harold Camping<br />
für den 21. Oktober 2011 das Ende der<br />
Welt vorhersah, glaubten viele seiner Anhänger<br />
dieser Prophezeiung. Sie warnten mit<br />
Plakaten und Aufklebern vor der Apokalypse,<br />
Ehen zerbrachen, manche kündigten<br />
ihre Arbeit und ihre Wohnungen. Doch das<br />
Leben nach dem prophezeiten Termin ging<br />
weiter. Campings Vorhersagen hatten sich als<br />
falsch erwiesen.<br />
Der Lauf der Welt<br />
Manche Kulturen und Religionen hatten<br />
oder haben einen Kalender, der nach einer<br />
Zeitepoche oder mehreren Epochen endet.<br />
Aber ähnlich dem Tageswechsel, wenn der<br />
Uhrzeiger von 23.59 auf 0.00 Uhr springt,<br />
beginnt in diesen Kulturen bzw. Religionen<br />
die Zeit wieder neu. Der Kalender folgt von<br />
Neuem seinem gedachten Ablauf.<br />
Analog zur zunehmenden Finsternis eines<br />
sich dem Ende zuneigenden Tages finden wir<br />
in den Vorstellungen dieser Völker häufig die<br />
Überzeugung, dass dem Übergang eine Zeit<br />
der Finsternis mit moralischem Verfall, Na tur -<br />
katastrophen, mit Kriegen und anderer Un -<br />
bill vorausgehe. Und entsprechend dem persischen<br />
Sprichwort „Wenn die Nacht am dunkelsten<br />
ist, kommt der Tag“, gibt es bei vielen<br />
die Erwartung, dass dieser dunklen Phase<br />
eine Zeit der Freude oder gar des Paradieses<br />
auf Erden folgen werde.<br />
➔➔➔
10-11/2012<br />
K E I N E R K E N N T D I E S T U N D E<br />
18<br />
Gehäuft auftretende Naturkatastrophen<br />
oder moralischer Verfall sind Ausgangspunkte<br />
für Endzeitprophezeiungen. Christen wissen<br />
um die Gegenwart Gottes. Das ermutigt sie,<br />
sich der Zukunft zu stellen.<br />
ten kann so hoch sein, dass jeglicher Hausverstand<br />
ausgeschaltet wird und keine rationale<br />
Macht der Welt mehr imstande zu sein<br />
scheint, diese zu überwinden.<br />
➔➔➔<br />
Prophezeiungen und Seher<br />
Im Lauf der Geschichte gab und gibt es immer<br />
wieder Personen, die versuchen, das Ende<br />
der Welt zu datieren. Viele beriefen sich<br />
dabei auch auf die Bibel, besonders auf das<br />
Buch Daniel und auf die Offenbarung des<br />
Johannes. Aber auch Unterlagen alter Kulturen,<br />
etwa jene der Mayas, sowie astronomische<br />
Phänomene, wie das Auftreten von<br />
Kometen oder seltenen Konstellationen von<br />
Gestirnen, werden als Basis zur Prophezeiung<br />
des Weltunterganges herangezogen. Immer<br />
wieder gibt es auch Menschen, die behaupten,<br />
endzeitliche Botschaften von einer<br />
höheren Wesenheit – einem gottähnlichen Wesen<br />
oder auch von Jesus, Maria oder gar Gott<br />
selbst – übermittelt zu bekommen. Zu bewerten<br />
sind all diese Endzeitvorhersagen durch<br />
die Tatsache, dass keine dieser je zutraf.<br />
Gemeinsam war und ist derartigen Prophezeiungen<br />
aber die Tatsache, dass sie viele<br />
Menschen in Angst und Schrecken versetzten<br />
bzw. dies aktuell tun. Leider ist es schwierig,<br />
diesen Menschen ihre Angst zu nehmen. Hier<br />
spielen auch zahlreiche psychologische Faktoren<br />
eine Rolle: Zukunftsängste, übersteigerte<br />
Autoritätsgläubigkeit oder eine psychische Abhängigkeit<br />
gegenüber diesen selbst ernannten<br />
Unglückspropheten; selektive Wahrnehmung<br />
aktueller Geschehnisse im Sinn der Endzeitprophezeiung<br />
(jegliche schlechte Nachricht<br />
wird als Vorbote gedeutet); Unmöglichkeit,<br />
Weltuntergangszeitpunkte zu hinterfragen,<br />
wie etwa im Fall der Mayas.<br />
Die Unvollkommenheit<br />
der Welt<br />
Es gab und gibt zu jeder Zeit Naturkatastrophen<br />
(Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis,<br />
Hitzewellen und Schlammlawinen …), extrem<br />
kalte oder warme Winter und Sommer, leider<br />
auch Kriege. Auch der moralische Verfall und<br />
der Verlust der Kraft des Glaubens wurden zu<br />
jeder Zeit als schmerzlich empfunden. Daher<br />
haben Personen und Warnungen, die darauf<br />
hinweisen, dass Katastrophen, Kriege sowie<br />
Glaubensverlust kommen werden, zu jeder<br />
Zeit recht – genauso wie man recht haben<br />
wird, wenn man voraussagt, dass der Ölpreis<br />
steigen wird. Aber je intensiver jemand diese<br />
Erfahrung der Unvollkommenheit der Welt sowie<br />
der Menschen empfindet, desto gefährdeter<br />
ist er, sich von Weltuntergangsbotschaften<br />
oder Warnungen, die das Ende der Welt<br />
oder eine große Drangsal ankündigen, treffen<br />
bzw. ängstigen zu lassen.<br />
Der Grad der Überzeugung solcher Botschaf-<br />
Drei Grundhaltungen<br />
Wie kann ich als Christ mit den Prophezeiungen<br />
und Warnungen vor Weltuntergang<br />
und Drangsal umgehen? In der Generalaudienz<br />
am 12. November 2008 stellt sich Papst<br />
Benedikt XVI. der Frage: „Welches sind die<br />
Grundhaltungen des Christen hinsichtlich der<br />
Letzten Dinge: des Todes, des Endes der Welt?<br />
Die erste Haltung ist die Gewissheit, dass Jesus<br />
auferstanden ist, dass er für immer beim<br />
Vater und eben damit für immer bei uns ist.<br />
Keiner ist stärker als Christus, da er beim<br />
Vater ist, da er bei uns ist. Wir sind daher<br />
sicher, befreit von der Angst. […] An zweiter<br />
Stelle steht die Gewissheit, dass Christus bei<br />
mir ist. […] Die Zukunft ist keine Finsternis,<br />
in der sich keiner zu orientieren vermag. […]<br />
Der Christ weiß, dass das Licht Christi stärker<br />
ist, und er lebt daher in keiner vagen Hoffnung,<br />
sondern in einer Hoffnung, die Sicherheit<br />
gibt und Mut macht, sich der Zukunft zu<br />
stellen. Schließlich die dritte Haltung: […]<br />
Verantwortung für die Welt, für die Brüder<br />
vor Christus und zugleich auch die Gewissheit<br />
seiner Barmherzigkeit. […] Wir haben<br />
Talente erhalten, und wir sind beauftragt, dafür<br />
zu arbeiten, dass sich diese Welt Christus<br />
öffnet und erneuert wird. Aber obwohl wir in<br />
diesem Sinne arbeiten und in unserer Verantwortung<br />
wissen, dass Gott der wahre Richter<br />
ist, sind wir auch sicher, dass dieser<br />
Richter gütig ist. Wir kennen sein Angesicht,<br />
das Angesicht des gekreuzigten und auferstandenen<br />
Christus. Daher können wir seiner<br />
Güte sicher sein und mit großem Mut vorangehen.“<br />
Johannes Sinabell ■<br />
Quelle:<br />
www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/audiences/<br />
2008/documents/hf_ben-xvi_aud_20081112_ge.html<br />
Diesen Link finden Sie auch unter: www.miteinander.at
A U S D E R D I Ö Z E S E G R A Z - S E C K A U<br />
10-11/2012<br />
Als Kundschafter ausgeschickt<br />
19<br />
Gemeinsam mit dem Referat für Personalentwicklung<br />
schickte die Diözesanstelle Berufungspastoral<br />
der Diözese Graz-Seckau einige<br />
MitarbeiterInnen auf Erkundung.<br />
Gesendet, um zu erkunden<br />
Nach einigen Monaten der Vorbereitung wurden<br />
am 11. Oktober 2011 zwölf KundschafterInnen<br />
in vier verschiedene europäische Diözesen<br />
gesendet. Weihbischof Franz Lackner<br />
ermunterte diese Haupt- und Ehrenamtlichen<br />
der Diözese Graz-Seckau, in Bochum, Erfurt,<br />
London und Paris wie die alttestamentlichen<br />
Kundschafter (vgl. Num 13) Früchte kirchlichen<br />
Lebens aufzuspüren. Er gab damit den<br />
Startschuss für ein Projekt, in dem es darum<br />
geht, den Erfahrungsschatz anderer Ortskirchen<br />
für die eigene Diözese zugänglich zu<br />
ma chen und gegebenenfalls zu nutzen. Unter<br />
anderem sollten die Frauen und Männer Ausschau<br />
halten, wie anderswo Berufungspasto -<br />
ral geschieht:<br />
in Gegenden, in denen Kirche kein Geld<br />
hat (Frankreich)<br />
sie immer wieder Zerreißproben ausgesetzt ist<br />
(anglikanische Kirche in Großbritannien)<br />
sie eine marginale Größe in der Gesellschaft<br />
hat (ehemaliger Osten Deutschlands)<br />
oder sie großen Strukturreformen unterworfen<br />
ist.<br />
Jeweils zwei Wochen waren die KundschafterInnen<br />
zu dritt unterwegs – finanziell unterstützt<br />
auch durch Gelder seitens der Europäischen<br />
Union: Sie wurden ausgesandt, um<br />
zu schauen, um aufmerksam zu sein und das<br />
Erlebte in unsere Heimat zu tragen.<br />
Mit Früchten beladen<br />
Mit Früchten beladen kamen sie im Oktober<br />
beziehungsweise November 2011 wieder nach<br />
Hause. Sie alle staunten darüber, wie offen<br />
und ehrlich sie in ihren Gastdiözesen aufgenommen<br />
worden waren und wie sie Kirche –<br />
konfrontiert mit unterschiedlichsten Herausforderungen<br />
– erlebt hatten. Trotz schwieriger<br />
Situationen vor Ort gab es auch Zeichen<br />
der Hoffnung, weil Menschen sich auf den<br />
Wie geschieht Berufungspastoral<br />
in Bochum, Erfurt, London und Paris?<br />
Zwölf KunderschafterInnen der Diözese<br />
Graz-Seckau wurden entsandt.<br />
Beistand Gottes verlassen und – seiner Nähe<br />
gewiss – das eine oder andere an neuen Akzenten<br />
setzen: „Seht her, nun mache ich etwas<br />
Neues. Schon kommt es zum Vorschein,<br />
merkt ihr es nicht?“ (Jes 43,19).<br />
Aufgrund des Erlebten stellten die KundschafterInnen<br />
zwölf Projekte 1 vor, die Ansätze neuen<br />
kirchlichen Lebens angesichts der heutigen<br />
Herausforderungen deutlich machen. Ihre<br />
Reiseberichte und persönlichen Eindrücke<br />
sind vielfältig und unter www.kundschaftergraz-seckau.blogspot.com<br />
nachzulesen.<br />
Hoffnung auf Früchte neuen kirchlichen Lebens<br />
machen die von den KundschafterInnen ausgewählten<br />
Projekte (siehe S. 20).<br />
➔➔➔
20<br />
10-11/2012<br />
G R A Z - S E C K A U<br />
➔➔➔<br />
Voll Vertrauen<br />
mit<br />
Ärger<br />
Ärger<br />
B L I C K W I N K E L<br />
der<br />
Türangel<br />
Türangel<br />
Die KundschafterInnen haben Kirche vielfach<br />
„ganz frisch“ und damit anziehend erlebt.<br />
Auch diese neuen Erfahrungsräume bieten<br />
Menschen die Möglichkeit, ihre Berufung<br />
zu entdecken, weil dort Gott für sie spürbar<br />
wird. Die katholische Kirche Steiermark hat<br />
sich mit diesem Erkundungsweg auch auf einen<br />
Lernweg begeben. Denn die Wege, die zu<br />
solch neuen Ausdrucksformen kirchlichen Lebens<br />
geführt haben, sind interessant und können<br />
auf unsere Situation übertragen – nicht<br />
kopiert – werden: damit auch unsere Kirche<br />
wächst!<br />
Wilhelm Krautwaschl ■<br />
Dr. Wilhelm Krautwaschl ist Regens des Grazer Augus ti nums,<br />
Leiter der Diözesanstelle Berufungspastoral und Diö ze san -<br />
direktor des Canisiuswerkes der Diözese Graz-Seckau.<br />
1 Ausgewählte Projekte:<br />
• Da gibt es „ein Haus der Kirche“ inmitten des größten<br />
Business-Districts Europas:<br />
http://www.catholiques.aladefense.cef.fr<br />
• Da wird Liturgie, die „Zeit braucht“, gefeiert:<br />
Sonntagsmesse in 90 Minuten.<br />
• Da gibt es anspruchsvolle Glaubenskurse unter dem<br />
Motto „Schule des neuen und ewigen Wortes“ für<br />
Jugendliche und junge Erwachsene mitten in Paris.<br />
• Ü20/Ü30-Kirche wurde anlässlich des Kulturhauptstadtjahres<br />
im Ruhrgebiet bewusster gemacht:<br />
http://www.ue30kirche.de, http://www.ue20treff.de<br />
• Ein Gottesdienstraum wird Jugendlichen für eine<br />
gewisse Zeit zur Gänze überlassen:<br />
http://www.krasse-kirche.de<br />
• Kirchliche Gebäude werden kreativ und neu genutzt,<br />
unter anderem als neue „Orte des Lebens“ für<br />
Trauernde: http://www.ptz-hl-kreuz.de<br />
• In den Kirchen Londons werden die Kommenden,<br />
wer auch immer sie sind, von Mitarbeitern der<br />
Gemeinden willkommen geheißen.<br />
• Dort, wo nach außen Kirche immer weniger wurde, haben<br />
Alpha-Kurse in London ihren Anfang genommen<br />
und sind mittlerweile in vielen Ländern verbreitet:<br />
http://www.alphakurs.at<br />
• Lunchtime talks: Junge Erwachsene lesen in der<br />
Bibel und tauschen ihre Erfahrungen, nach dem Wort<br />
Gottes zu leben, aus.<br />
• Die Diözesen Ostdeutschlands erarbeiten jährlich<br />
Ideen für „religiöse Kinderwochen“:<br />
www.religioesekinderwoche.de<br />
• Die Trennungserfahrungen zwischen Großeltern<br />
und Enkeln nach der Wende im Osten Deutschlands<br />
waren Ausgangspunkt für „Großeltern-Enkelwochen“<br />
deutscher Diözesen.<br />
• Gottesdienste werden auch mit konfessionsungebundenen<br />
Menschen gefeiert, etwa ein Weihnachtslob, ein<br />
monatliches Totengedenken …: http://www.bistumerfurt.de/front_content.php?idcat=1963<br />
Der deutsche Volksmund kennt ein Wort als<br />
Ausdruck des Erstaunens: „Du kriegst die<br />
Tür nicht zu!“ Unser Pfarrhaustor geht unangenehmerweise<br />
nur zu, wenn man sich unter<br />
dem Geschrei hier nicht wiederzugebender<br />
Ausdrücke voll dagegenwirft. Das ist aber<br />
keine Lösung des Problems. Die obere Angel<br />
sitzt nämlich schief. Ausgeleierte Angeln ergeben<br />
funktionsunfähige Türen – ob bei Kathedralen<br />
oder bei Besenschränken. Ohne Festigkeit<br />
der Angeln gibt es kein Öffnen, aber<br />
auch kein Schließen. Es gibt kein einladendes<br />
„Kommen Sie doch herein!“ und kein klärendes<br />
„Hier haben Sie nichts zu suchen!“.<br />
Ohne funktionierende Tür mit fester Angel<br />
kann ich nicht wählen, was für mich jetzt dran<br />
ist: rein oder raus.<br />
Der Mensch lebt einen Teil seines Lebens drinnen,<br />
einen Teil seines Daseins draußen. Dazwischen<br />
ist die Tür. Ich habe Freude daran,<br />
draußen bei den Leuten zu sein, ich mache<br />
aber auch gerne die Tür hinter mir zu. Wenn<br />
ich als Weltpriester nur draußen leben will,<br />
ist mein Leben und meine Sendung genauso<br />
aus den Angeln, wie wenn ich die Tür hinter<br />
mir zuschlage und nur noch drinnen hocken<br />
will. Ich gehöre sowohl nach drinnen als auch<br />
nach draußen – aber alles zu seiner Zeit.<br />
„Entweder rein oder raus!“<br />
Die dritte Variante ist unmöglich. Ich kann<br />
und darf nicht unentschieden zwischen Tür<br />
und Angel leben. Mein Vater pflegte uns aus<br />
dieser unentschlossenen Zwischensituation<br />
mit erheblicher Lautstärke zu vertreiben: „Entweder<br />
rein oder raus!“ Das war damals wegen<br />
der Kohleknappheit, hat aber bis heute<br />
seine Berechtigung. Allerdings gehört zu allen<br />
Zeiten Mut dazu, den Platz der Unentschiedenheit<br />
zwischen Tür und Angel zu verlassen.<br />
Im Buch der Sprüche findet sich im<br />
26. Kapitel eine bedenkenswerte Bemerkung<br />
zu diesem Thema: „Die Tür dreht sich in ihrer<br />
Angel und der Faule in seinem Bett.“<br />
Wenn die Unentschlossenheit zum Lebensstil<br />
wird, geht keine Tür mehr auf. Fragt sich nun,<br />
was denn in unserem Leben die Angel ist, die<br />
nicht schief sein darf und an der alles hängt.<br />
Man muss im dreizehnten Kapitel des Hebräerbriefes<br />
nachlesen. Martin Luther übersetzt<br />
die Stelle so: „Es ist ein köstlich Ding, dass<br />
das Herz fest werde, welches geschieht durch<br />
die Gnade.“ Da haben wir die feste Angel, die<br />
weder quietscht noch blockiert: unser Herz,<br />
festgemacht von Gott.<br />
Klaus Weyers ■
I N F O R M A T I O N U N D B E R A T U N G<br />
10-11/2012<br />
Offene Türen<br />
Das Quo vadis?-Team berät und informiert Sie gerne.<br />
Wer den Zwettlerhof vom Stephansplatz aus<br />
betritt, steht vor einer großzügigen Auslagenfront<br />
und einer Glastür: Sie gewähren Einblick,<br />
laden ein, die Vielfalt und Lebendigkeit<br />
geistlicher und kirchlicher Berufungen zu<br />
entdecken.<br />
Bei der monatlich wechselnden Gestaltung der<br />
Auslagen wird jeweils eine Ordensgemeinschaft<br />
vorgestellt. Hier geht es um eine erste<br />
Kurzinformation über den Orden und um einen<br />
kleinen Impuls für Menschen, die auf<br />
dem Weg durch die Stadt sind.<br />
Das ist manchmal gar nicht einfach. Worte<br />
werden abgewogen. Gesucht wird nach dem<br />
„gemeinsamen Nenner“ – muss doch in wenigen<br />
Sätzen das Charakteristische der eigenen<br />
Gemeinschaft zum Ausdruck kommen. Gleichzeitig<br />
soll dies für die Vorübergehenden verständlich<br />
und ansprechend sein. Ein Danke an<br />
alle, die sich bereits auf diese Herausforderung<br />
eingelassen haben!<br />
Von der<br />
„Außensicht“ zur „Innensicht“<br />
Gleichzeitig halten wir unsere Tür offen. Wir<br />
laden Sie ein, Ordensleute „live“ bei uns zu<br />
treffen: Was bewegt Menschen, die sich für<br />
das geweihte Leben entscheiden? Wie sieht<br />
ihr Alltag aus? Was sind ihre Aufgaben? Was<br />
glauben sie, wie beten sie, wo arbeiten sie?<br />
Wir bieten Workshops, Vorträge und besinnliche<br />
Angebote der verschiedenen Gemeinschaften.<br />
Bei ungezwungenen Begegnungen<br />
im Quo vadis? gewinnen Sie Einblick in persönliche<br />
Berufungswege. Das ermutigt, auch<br />
nach der eigenen Berufung zu fragen.<br />
Wir laden Sie ein, ins Quo vadis? zu kommen,<br />
in aktuellen Zeitschriften von Ordensgemeinschaften<br />
zu schmökern, sich Infos über<br />
Exerzitienangebote oder<br />
Tipps für den nächsten<br />
Ausflug in ein österreichisches<br />
Stift zu holen.<br />
Nehmen Sie dabei<br />
Platz in unserem Café!<br />
Doris Fürsatz ■<br />
Termine<br />
im Oktober und November<br />
Zu Gast im November<br />
ARGE Säkularinstitute<br />
Geweihtes Leben mitten in der Welt<br />
15.10.2012, 18 Uhr<br />
„Not my life“<br />
Film und Gespräch zum Thema Menschenhandel<br />
mit P. Josef Wonisch SDS<br />
25.10.2012, ab 18.30 Uhr<br />
„FACEbook – FAITHbook“<br />
Ordensleute aus anderen Kontinenten<br />
zu Gast, für junge Erwachsene bis 35 Jahre<br />
19.15 Uhr: Gesprächsabend<br />
6.11.2012, 18 bis 19 Uhr<br />
„Führe unsere Schritte“<br />
Tanz und Körpergebet mit Sr. Hilda<br />
Correia SRA, Kursbeitrag: € 4,–<br />
26.11. bis 3.12.2012<br />
„Guided-Prayer-Week“ 1<br />
Spiritueller Übungsweg für den Alltag:<br />
Klarheit für die eigene Lebenssituation<br />
finden, Ermutigung zu Entscheidungen,<br />
in Beziehung zu sich, zu anderen und zu<br />
Gott kommen.<br />
Begleitung:<br />
Melanie Wolfers SDS, Hans Brandl SJ u. a.<br />
Elemente: zwei Gruppentreffen zu Beginn<br />
und zum Abschluss (jeweils um 19 Uhr),<br />
tägliches Begleitgespräch.<br />
Kursbeitrag: je nach Einkommen ca. zwei<br />
Stundenlöhne, Nichtverdienende € 10,–<br />
Anmeldung und Kontakt<br />
01/512 03 85<br />
office@quovadis.or.at<br />
1 eine Kooperation von IMpulsLEBEN, Jesuiten Wien I<br />
und „Quo vadis?“, für junge Erwachsene bis 35 Jahre.<br />
21<br />
C A N I S I U S W E R K A K T U E L L<br />
Adventkalender<br />
Unser Adventkalender 2012 er -<br />
scheint Mitte Oktober. Unter dem<br />
Motto „Glauben leben – Türen öffnen“<br />
haben wir Besinnliches und<br />
Anregendes für kleine persönliche<br />
„Exerzitien“ in der Adventzeit<br />
zusammengestellt. Ein zweiter<br />
Teil des Kalenders<br />
ist den monatlichen<br />
Gebetstagen um<br />
geistliche Berufe<br />
des Jahres 2013<br />
gewidmet.<br />
Aufgrund der begrenzten Stückzahl<br />
bitten wir um Ihre rechtzeitige<br />
Bestellung:<br />
01/512 51 07<br />
canisiuswerk@canisius.at<br />
Briefkurs<br />
Gottsuchern auf der Spur<br />
7. Oktober bis 25. November 2012<br />
Wir senden Ihnen gerne unseren<br />
Informationsfolder zu!<br />
Berufsinformationsmessen<br />
im Herbst 2012<br />
Wels: 17. bis 20. Oktober<br />
Innsbruck: 17. bis 19. Oktober<br />
Klagenfurt:<br />
29. November bis 1. Dezember<br />
European Vocations Service<br />
Vom 28. Juni bis 1. Juli 2012 fand die Jahrestagung des European Vocations<br />
Service (EVS) in Maynooth in Irland statt. Das Thema lautete<br />
„Die Eucharistie, Quelle aller Berufungen“. Inhaltlich ging es um<br />
eine Fortsetzung des zuvor in Dublin abgehaltenen Internationalen<br />
Eucharistischen Kongresses.<br />
Vertreter aus 13 europäischen Ländern, der Kongregationen für das<br />
Katholische Bildungswesen sowie für die Institute des geweihten<br />
➔➔➔
10-11/2012<br />
C A GN -I SR IEU CSH WT ES R SK P A2 K T/ U2E L L<br />
G E B E T<br />
22<br />
Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens sowie des Rats<br />
der Europäischischen Bischofskonferenzen nahmen neben Gästen aus<br />
den USA und Kanada an der Tagung teil.<br />
In einem intensiven Arbeitsklima wurde die Bedeutung der Eucharistie<br />
für die Förderung von Berufungen beleuchtet, wurden Erfahrungen<br />
ausgetauscht und Best-Practice-Beispiele präsentiert. Auch das<br />
Gebet um Berufungen hatte einen zentralen Stellenwert.<br />
Ein neues Leitungsteam, bestehend aus Don Nico dal Molin (Italien),<br />
Sr. Vincenta Korínková (Tschechische Republik) und Don Ángel Perez<br />
Pueyo (Spanien), wird die Geschäfte des EVS für die nächsten<br />
drei Jahre führen, für dessen Finanzen weiterhin Mag. Kurt Schmidl<br />
(Österreich) zuständig sein wird.<br />
Die Tagungsvorträge finden Sie unter: www.vocations.eu<br />
Zukunftssicherung<br />
Eine Welt, in der christliche Werte zählen, in der der Blick auf Gott<br />
und seine Liebe zu den Menschen nicht gänzlich vom Konsumdenken<br />
verstellt wird, braucht Menschen, die sich mit ihrem Leben dafür einsetzen.<br />
Solche Menschen gibt es! Sie brauchen ein entsprechendes<br />
Umfeld, um sich auf ihre Berufung einlassen zu können. Beratung,<br />
geistliche Begleitung und eine gute Ausbildung befähigen sie zum<br />
Dienst an den Menschen.<br />
Mit Ihren Spenden helfen Sie, für zukünftige Generationen ein christliches,<br />
lebensfreundliches Umfeld zu sichern. Dafür danken wir Ihnen!<br />
Eine besondere Form der Unterstützung ist, das Canisiuswerk<br />
im Rahmen einer testamentarischen Verfügung zu bedenken. Dabei<br />
ist es hilfreich, den Hinweis von Notar Dr. Herbert Fürnkranz, Mitglied<br />
unseres Wirtschaftsausschusses, zu berücksichtigen: „Wichtig<br />
sind klare Formulierungen.“ Wir beraten Sie gerne – im Rahmen eines<br />
persönlichen Gesprächs oder durch Zusendung einer Broschüre.<br />
Wir gedenken …<br />
Kurt Schmidl ■<br />
Frau Karoline Oberhofer, die Gott im 99. Lebensjahr zu sich gerufen<br />
hat. Ihr Interesse an der Welt führte sie nicht nur nach England, sondern<br />
brachte sie auch in Kontakt mit afrikanischen Priestern, die sie<br />
neben dem Canisiuswerk unterstützt hat. Möge der Herr ihr diese<br />
Großzügigkeit vergelten.<br />
Zum monatlichen<br />
Gebetstag um<br />
geistliche Berufe<br />
Donnerstag, 4. Oktober 2012<br />
Assisi 1182 – der reichen Tuchhändlerfamilie<br />
des Pietro Bernardone<br />
wird ein Sohn geboren, der<br />
den Namen Francesco erhält. Er<br />
wächst im Umfeld seiner wohlhabenden<br />
Familie auf, lebt ein ausschweifendes<br />
Leben im Überfluss<br />
und zieht als begeisterter<br />
Krieger in die Nachbarstadt Perugia.<br />
Gefangen genommen, beginnt<br />
er sein bisheriges Leben zu<br />
hinterfragen.<br />
Wandel<br />
Franziskus verzichtet in der Folge<br />
auf sein Erbe und wählt den<br />
Weg der Armut. Schrittweise entdeckt<br />
er Gott. Im Gebet vor dem<br />
Christusbild in der Kapelle von<br />
San Damiano nimmt er den Auftrag<br />
Jesu, die Kirche zu erneuern,<br />
wahr. Er wird zu einem beeindruckenden<br />
Zeugen der Botschaft<br />
Jesu. Franziskus predigt,<br />
setzt sich für den Frieden ein<br />
und kümmert sich um Arme und<br />
Aussätzige. Sein kompromissloser<br />
Lebenswandel stößt einerseits<br />
vielfach auf Unverständnis,<br />
zieht andererseits aber Gleichgesinnte<br />
an – die Geburtsstunde der<br />
franziskanischen Ordensgemeinschaften.<br />
Kreuzweg<br />
Die letzte Wegstrecke seines Lebens<br />
wird zum Kreuzweg. Zunehmend<br />
schwer erkrankt und getroffen<br />
von Unstimmigkeiten unter<br />
den Mitbrüdern in Bezug auf<br />
die franziskanische Ordensregel,<br />
zieht er sich in die Einsamkeit<br />
zurück. Er schreibt den „Sonnengesang“<br />
– seine Botschaft von der<br />
Herrlichkeit und der Liebe Gottes.<br />
Am Abend des 3. Oktober<br />
1226 stirbt er im Kreis enger Gefährten.<br />
Bereits zwei Jahre nach<br />
seinem Tod wird Franziskus heiliggesprochen.<br />
Bleibend<br />
Franziskus ist als „zeitloser“ Heiliger<br />
Vorbild für zahlreiche Menschen,<br />
die versuchen, den Ruf Gottes<br />
zu hören und in ihrem Leben<br />
umzusetzen. Assisi ist eines der<br />
großen spirituellen Zentren der<br />
Kirche, ein Ort der Begegnung sowie<br />
des Gebetes für Religionen<br />
und Völker.<br />
Höchster, glorreicher Gott,<br />
erleuchte die Finsternis<br />
meines Herzens und schenke<br />
mir rechten Glauben, gefestigte<br />
Hoffnung, vollendete Liebe und<br />
tiefgründende Demut.<br />
Gib mir, Herr, das rechte<br />
Empfinden und Erkennen,<br />
damit ich deinen heiligen und<br />
wahrhaften Auftrag erfülle, den<br />
du mir in Wahrheit gegeben<br />
hast.<br />
Amen.<br />
Gebet des Franziskus<br />
vor dem Kreuzbild von San Damiano<br />
(1206)<br />
Frau Johanna Huschka, Frau Katharina Höglinger, Frau Maria Fröhlich<br />
und Frau Hildegarde Karch, die zu Lebzeiten, aber auch über<br />
ihren Tod hinaus die Arbeit des Canisiuswerkes unterstützt haben<br />
bzw. unterstützen. Möge Gott, der Herr, ihre Mitarbeit in seinem Weinberg<br />
reichlich lohnen.<br />
Pfr. Ulrich Obrist. Sein früher Tod hat im Vorjahr in Virgen große<br />
Betroffenheit ausgelöst, weil er immer eine offene Tür und ein offenes<br />
Ohr hatte. Möge nun auch er bei Gott eine offene Tür finden.<br />
Der Herr vergelte ihnen allen das Gute, das sie getan haben. Er heile<br />
alle Wunden des Lebens in der Gemeinschaft mit ihm. Im Gebet und<br />
in der Feier der Eucharistie sind wir auch mit den FörderInnen verbunden,<br />
die hier nicht genannt werden können, und mit allen, die<br />
unsere Arbeit durch eine Kranzspende unterstützt haben. ■
G E B E T<br />
I N F O R M A T I O N<br />
10-11/2012<br />
www.canisius.at<br />
www.miteinander.at • www.priester.info • www.quovadis.or.at<br />
Anfragen, Anregungen richten Sie bitte an:<br />
Canisiuswerk, Stephansplatz 6/1/2/5, 1010 Wien<br />
Tel.: 01/512 51 07 • Fax: 01/512 51 07-12<br />
Unsere E-Mail-Adresse: canisiuswerk@canisius.at<br />
Leserbriefe bitte an: www.miteinander.at >> Leserbriefe<br />
23<br />
Bronzestatue des zurückkehrenden Franziskus vor der Oberkirche<br />
der Basilika San Francesco, Assisi<br />
Donnerstag, 1. November 2012<br />
Heute feiern wir das Hochfest Allerheiligen.<br />
Wir gedenken aller<br />
„namhaften“ Heiligen, die uns<br />
die Kirche als Leitbilder vor Augen<br />
stellt. Vorbildhaft haben sie<br />
in ihrer Begeisterung für Christus<br />
den Armen geholfen, Frieden<br />
gestiftet, große geistliche Werke<br />
gegründet oder ihr Leben für den<br />
Glauben hingegeben.<br />
Wir gedenken auch der zahlreichen<br />
„namenlosen Heiligen“, aller,<br />
die ihr Christsein überzeugend<br />
in ihrem Alltag gelebt haben.<br />
Paulus nennt die Christen in<br />
seinen Briefen „Heilige“. In Taufe<br />
und Firmung ist uns der Geist<br />
Gottes geschenkt. „Zieht den neuen<br />
Menschen an, der nach dem<br />
Bild Gottes geschaffen ist in<br />
wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“,<br />
sagt Paulus den Christen<br />
in Ephesus.<br />
Heilige Christinnen und Christen<br />
sind offen für Gott, leiden mit<br />
den Leidenden, leben gewaltlos.<br />
Sie können vergeben, in selbstloser<br />
Liebe dienen, Frieden stiften<br />
und ihrem Glauben treu bleiben.<br />
Sie leben im Geist der Bergpredigt,<br />
deren Seligpreisungen wir<br />
heute als Festevangelium hören.<br />
Allerheiligen lässt uns in den<br />
Himmel blicken, führt uns aber<br />
gleichzeitig in unsere Lebensräume<br />
in dieser Welt.<br />
Franz Schrittwieser ■<br />
„Selig seid ihr,<br />
wenn ihr einfach lebt.<br />
Selig seid ihr,<br />
wenn ihr Lasten tragt.<br />
Selig seid ihr,<br />
wenn ihr lieben lernt.<br />
Selig seid ihr,<br />
wenn ihr Güte wagt.<br />
Selig seid ihr,<br />
wenn ihr Leiden merkt.<br />
Selig seid ihr,<br />
wenn ihr ehrlich bleibt.<br />
Selig seid ihr,<br />
wenn ihr Frieden macht.<br />
Selig seid ihr,<br />
wenn ihr Unrecht spürt.“<br />
Liedtext von<br />
Friedrich Karl Barth, Peter Horst, 1979<br />
(nach Matthäus 5,3–10)<br />
Kirchliches Institut Canisiuswerk, Zentrum für geistliche Berufe, Stephansplatz 6, 1010 Wien<br />
Präsident: Erzbischof Kardinal Dr. Christoph Schönborn OP, Rotenturmstraße 2, 1010 Wien<br />
Stellv.Präsident: BV Prälat Kan. Mag. Franz Schrittwieser, Ranzonigasse 3a, 3100 St. Pölten<br />
Generalsekretär: Mag. Kurt Schmidl, Stephansplatz 6, 1010 Wien<br />
Diözesandirektoren:<br />
Wien:<br />
Mag. Lic. Franz Bierbaumer, Canisiusgasse 1, 3580 Horn<br />
St. Pölten: BV Dr. Gerhard Reitzinger, Klostergasse 15, 3100 St. Pölten<br />
Linz:<br />
BV Regens Dr. Johann Hintermaier, Harrachstraße 7, 4020 Linz<br />
Eisenstadt: Regens Mag. Hubert Wieder, Boltzmanngasse 7–9, 1090 Wien<br />
Salzburg: PAss. Mag. Irene Blaschke, Triebenbachstraße 26, 5020 Salzburg<br />
Graz-Seckau: Regens Msgr. Dr. Wilhelm Krautwaschl, Lange Gasse 2, 8010 Graz<br />
Gurk:<br />
Diözesanjugendseelsorger Mag. Gerhard Simonitti,<br />
Dr.-Primus-Lessiak-Weg 5, 9020 Klagenfurt<br />
Innsbruck: Regens Msgr. Dr. Peter Ferner, Riedgasse 9, 6020 Innsbruck<br />
Feldkirch: Martin Fenkart, Bahnhofstraße 13, 6800 Feldkirch<br />
Militär: Generalvikar Prälat Dr. Franz Fahrner, Roßauerlände 1, 1090 Wien<br />
„miteinander“ erscheint achtmal im Jahr. Der Jahresbeitrag im Canisiuswerk beträgt mit Bezug<br />
der Illustrierten „miteinander“ im Inland (Österreich) mindestens € 5,50, im Ausland € 10,–.<br />
Mit Druckerlaubnis des Erzbischöflichen Ordinariates Wien.<br />
Medieninhaber (Verleger): Kirchliches Institut Canisiuswerk – Zentrum für geistliche Berufe,<br />
Stephansplatz 6, 1010 Wien. Redaktion und Verwaltung: Stephansplatz 6, 1010 Wien.<br />
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Die Redaktion: Mag. Karl Mühlberger, Dr. Raphaela Pallin, Daniel Podertschnig, Dr. Peter Schipka,<br />
Prof. Ingeborg Schödl, Mag. Johannes Sinabell, Dr. Josepha Stenitzer-Richter, Dr. Richard Tatzreiter,<br />
Dr. Melanie Wolfers.<br />
Postsparkassenkonto: Nr. 1322.550 Kirchliches Institut Canisiuswerk.<br />
Bankverbindung: Schelhammer & Schattera – Kto-Nr. 133850.<br />
Hersteller: Niederösterr. Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft mbH<br />
3100 St. Pölten, Gutenbergstraße 12, DVR 0029874(005)<br />
Auflage: 48.300 ■ 1. Halbjahr 2012 ■ Einzelpreis € 0,69<br />
J E T Z T A N M E L D E N !<br />
Bitte ausfüllen, abtrennen und an das Canisiuswerk senden!<br />
Unser Auftrag ist Berufung –<br />
miteinander<br />
JA ,<br />
lesen und Berufungen fördern.<br />
ich möchte das Canisiuswerk fördern.<br />
Senden Sie mir Ihre 8-mal jährlich erscheinende<br />
Zeitschrift miteinander.<br />
Als Jahresbeitrag werde ich mindestens € 5,50,<br />
Ausland € 10,– einzahlen.<br />
Bitte in Blockschrift ausfüllen!<br />
Vor- und Zuname<br />
✁<br />
Wir beten mit Papst Benedikt XVI.<br />
OKTOBER: Die Neuevangelisierung möge sich in den Ländern christlicher<br />
Tradition entwickeln.<br />
Der Sonntag der Weltmission bringe neue Impulse für die Glaubensverkündigung.<br />
Geburtsdatum<br />
Beruf<br />
Wohnort / Straße / Haus-Nr.<br />
NOVEMBER: Alle, die im Dienst am Wort Gottes stehen, mögen mutig<br />
Zeugnis für den gekreuzigten und auferstandenen Herrn geben.<br />
Das pilgernde Volk Gottes sei ein Licht für die Völker.<br />
■<br />
Postleitzahl<br />
Postort<br />
Unterschrift
B I L D & W O R T<br />
Verborgene Wunder<br />
Unter dem Herbstlaub<br />
am Boden<br />
träumt schon<br />
der Frühling.<br />
Trotz welkender Blätter<br />
und kühlerer Tage<br />
seh’ ich die Knospen<br />
fröhlichen Glaubens,<br />
den Blütenansatz<br />
der Hoffnung und Liebe.<br />
Die Jahreszeiten trösten<br />
– auch in der Kirche!<br />
Elmar Simma<br />
P.b.b.<br />
Vertragsnummer: 10Z038730 M<br />
Verlagspostamt: 1010 Wien<br />
<strong>Miteinander</strong> – Welt und geistliche Berufung 10 -11/2012<br />
Bei Nichtannahme zurück an Aufgabepostamt<br />
3100 St. Pölten, NÖ Pressehaus, Postfach 166<br />
Bildnachweis, Seite(n):<br />
1: Fibich; 2 – 3: Rudolf Tepfenhart – www.fotolia.com 1,<br />
Rupprecht@kathbild.at 2; 4 – 5: Labschütz 4, Podertschnig 2;<br />
6 – 7: www.bolnberger.at 3, Adigwe 2; 8: Privat; 9: Fibich 1, Wallner 1;<br />
10: Wallner; 11 – 12: CS Pflege- und Sozialzentrum Rennweg;<br />
13: Jörg Hackemann – www.fotolia.com; 14: Jodocos – www.fotolia.com 1,<br />
Dominik Tefert 1; 15: Schödl 2, Mark A. Wilson 1;<br />
16 – 18: Moritz v. H. – www.istockphoto.com 1,<br />
syolacan – www.istockphoto.com 1; 19: Diözese Graz-Seckau 1, Santor 1;<br />
20: Artwork: www.bolnberger.at 1/xyno – www.istockphoto.com 1;<br />
21: Fibich 1, Anatoly Tiplyashin – www.istockphoto.com 1; 22: Fibich;<br />
23: www.bolnberger.at; 24: www.bolnberger.at.