MEN - Filmstiftung Nordrhein-Westfalen
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Die Technik regiert im Tonstudio.<br />
Foto: RuhrSound Studios<br />
nach werden auch die Audio-Kapazitäten des<br />
Cologne Broadcasting Center CBC gut angenommen.<br />
Wo viel produziert wird, sind die Gerätehersteller<br />
nicht weit. Vom niederrheinischen<br />
Hamminkeln aus vertreibt Röhrenmikrofon-<br />
Papst Dirk Brauner seine weltberühmten Mikrofone<br />
VM1 und VMX. Zu seinen Kunden<br />
zählen praktisch alle Tonstudios und Rundfunk-<br />
Sender. In Lengerich am Südhang des Teutoburger<br />
Waldes betreibt Uwe Seyfert die deutsche<br />
Niederlassung der britischen Cedar Audio,<br />
die auf Audiorestauration und die Verbesserung<br />
von Sprachverständlichkeit für Filmproduktion,<br />
TV- und Radio sowie auf Audio-Forensik<br />
spezialisiert ist. Wiederum in Köln versteht<br />
sich die Niederlassung von Avid als Zugang<br />
zur Weltfirma, inklusive des Protool-Herstellers<br />
Digidesign, den Avid übernommen hat.<br />
Auch der Mischpult-Hersteller Euphonix gehört<br />
seit kurzem zu Avid.<br />
Die Foley-Stage im Studio von SoundVision. Foto: SoundVision<br />
ie vielleicht schönste Würdigung erfuhr der<br />
DBerufsstand des Geräuschemachers (international<br />
auch Foley Artist) 1975 in „Monty Python<br />
and the Holy Grail“, in dem der von Terry<br />
Gilliam gespielte Knecht Patsy seinem pferdelosen<br />
Herrn kokosnussklappernd hinterherläuft<br />
und ihn so zumindest akustisch in einen<br />
stattlichen Reiter verwandelt. Diese Szene, nach<br />
der der deutsche Verleih damals gleich den ganzen<br />
Film benannte („Die Ritter der Kokosnuss“),<br />
weist über den gelungenen Gag hinaus auch<br />
auf einen großen Vorzug der Geräuschemacher:<br />
Sie sparen der Produktion Geld. Zwar<br />
nicht in dem Sinne, dass die Produktion gleich<br />
auf Pferde verzichten kann (was bei Monty Python<br />
tatsächlich Anlass des Gags war), sondern<br />
ganz konkret dadurch, dass besonders in Actionsequenzen<br />
oder komplizierten Außendrehs<br />
am O-Ton gespart werden kann.<br />
Eine Szene lässt sich grundsätzlich auf drei<br />
Wegen vertonen: mit Originalton, mit Hilfe digitaler<br />
Soundkonserven oder mittels eigens in<br />
der Foley Stage kreierten Sounds. „Wenn es einen<br />
O-Ton gibt und er zu gebrauchen ist, dann<br />
wird er in der Regel auch verwendet“, sagt Dieter<br />
Hebben, seit 18 Jahren Geräuschemacher<br />
mit Foley Stage in den Räumen der Kölner<br />
SoundVision. Weil es aber viel zu aufwändig ist,<br />
jedes Geräusch in der nötigen Qualität aufzunehmen,<br />
und zudem zusätzlich Sounds erfunden<br />
werden müssen, wird in der Postproduktion<br />
nachgeholfen mit Tönen aus dem Archiv<br />
oder vom Geräuschemacher. Dass letzterer bei<br />
dieser Aufgabe der Produktion eine Menge Geld<br />
sparen kann, hat vor allem einen Grund: „Der<br />
Geräuschemacher arbeitet synchron zum Bild“,<br />
erklärt Dieter Hebben, „wodurch er nicht nur<br />
authentischer, sondern auch viel schneller arbeiten<br />
kann.“ Geht es um die Vertonung von<br />
Schritten beispielsweise –<br />
und bei einem 90-minütigen<br />
Kinofilm kommen eine<br />
Menge davon zusammen –<br />
„kann der Foley Artist syn-<br />
Dieter Hebben,<br />
Foto: privat<br />
chron zum Bild umgehend<br />
die Atmosphäre umsetzen,<br />
einen Ausfallschritt einbau-<br />
en, wenn benötigt, oder ein Schlurfen und Stolpern“.<br />
Schritte jeglicher Art gehören zum Standard<br />
eines Geräuschemachers, alle nötigen und<br />
denkbaren Untergrunde dafür hält die Foley Stage<br />
für ihn bereit.<br />
Ungezählte Variationen von Schritten und<br />
zahllose andere Sounds sind natürlich auch auf<br />
CD-Sammlungen oder in Internetarchiven erhältlich.<br />
Bis die ein Sound-Designer aber unter<br />
Berücksichtigung aller spezifischen Erfordernisse<br />
der Szenen passgenau angelegt hat, vergeht<br />
leicht dreimal so viel Zeit wie der Foley Artist für<br />
die Umsetzung benötigt. Liegt bei diesem Beispiel<br />
also der Vorteil eindeutig beim Geräuschemacher,<br />
hat er andere seiner einstigen Standards<br />
allerdings an digitale Archive bzw. den O-Ton<br />
verloren: „Türen zum Beispiel werden heute so<br />
Die berühmten Kokosnüsse, die<br />
das Klappern von Hufen nachahmen,<br />
sind wohl die bekanntesten<br />
Requisiten von Geräuschemachern.<br />
Aber wie sieht die Zukunft dieses<br />
Handwerks aus in einer Zeit, in der<br />
digital fast alles möglich scheint?<br />
Die Zukunft der Geräuschemacher<br />
Ton<br />
von Hand<br />
oder vom<br />
Band?<br />
VON OLIVER BAUMGARTEN<br />
gut wie immer vom Sound-Designer angelegt,<br />
Autotüren ganz besonders.“<br />
Dass die Auftragslage insgesamt zurzeit<br />
„nicht so berauschend“ aussehe, hat aber vielfältige<br />
Gründe. Die IT-Bänder etwa, also die internationale<br />
Tonfassung von US-Fernsehfilmen<br />
und -serien, haben sich laut Hebben derart verbessert,<br />
dass sie in Deutschland nicht wie früher<br />
noch einmal neu hergestellt werden müssen,<br />
während wiederum bei deutschen Produktionen<br />
das IT-Band immer seltener automatisch<br />
gleich mit in Auftrag gegeben wird. Trotz solcher<br />
Schwierigkeiten stellt aber gerade im Spielfilmbereich<br />
genau wie im Animations- und Dokumentarfilm<br />
der Foley Artist ein unverzichtbares<br />
kreatives Rad im Getriebe der Ton-Postproduktion<br />
dar. Die Digitalisierung der Tonarchive<br />
hat das Finden und den Zugriff auf Sounds wesentlich<br />
vereinfacht. Den kreativen Prozess aber,<br />
der ein genaues Anpassen einzelner generierter<br />
Geräusche auf die atmosphärischen Bedürfnisse<br />
eines Bildes verlangt, können auch digitale<br />
Tools nicht verbessern, wenn die Qualität<br />
nicht leiden soll.<br />
So gesehen macht sich Dieter Hebben gegenüber<br />
der digitalen Konkurrenz nicht die<br />
größten Sorgen. Viel lieber zeigt er, mittlerweile<br />
seit zehn Jahren schon, auch auf der Bühne<br />
vor großem Publikum, wozu Geräuschemacher<br />
fähig sind. „Fang den Mörder“ heißt die Show,<br />
in der er in einer Art Live-Hörspiel Krimistück<br />
vertont – wenn auch meist ohne Kokosnüsse.<br />
Schwerpunkt – newsletter 4/2010 21