MEN - Filmstiftung Nordrhein-Westfalen
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Welche Bereicherung brachte<br />
Ihnen als Künstlerin in Sachen Fotografie<br />
und Video-Installation die Arbeit<br />
an einem Spielfilm?<br />
Das Kino als Kunstform hat mich schon immer<br />
begeistert, weil es Geschichten erzählt. Und<br />
genau dieser Aspekt war für mich die größte<br />
Herausforderung. Denn mit Bildern, auch Bewegtbildern,<br />
hatte ich ja schon Erfahrung. Deshalb<br />
war der Schritt von der konzeptuellen<br />
Kunst hin zu Bildfolgen in erzählerischem Zusammenhang<br />
besonders spannend für mich.<br />
Sie hatten sich des Romans<br />
„Women without Men“ der iranischen<br />
Schriftstellerin Sharnush Parsipur<br />
bereits in Form der Video-Installation<br />
angenommen.<br />
Ja, insofern war ich bereits mit multimedialen<br />
Konzepten vertraut, und ich wusste auch,<br />
dass Bewegtbildfolgen einen Anfang, eine Mitte<br />
und ein Ende verlangen. Diese Arbeiten waren<br />
aber noch sehr abstrakt und weit entfernt<br />
von konventionellem Filmemachen. Aber es war<br />
eine lehrreiche Vorstufe für meinen Spielfilm.<br />
Es heißt ja: Ein Bild erzählt<br />
mehr als 1.000 Worte.<br />
Deshalb habe ich die Dialoge auch so<br />
knapp wie möglich gehalten und der Ausdruckskraft<br />
der Schauspieler vertraut.<br />
Nun haben Sie sich einen sehr<br />
komplexen Roman zur filmischen<br />
Adaption ausgesucht.<br />
Offen gestanden ging es mir eher so, dass<br />
dieses Buch meiner bisherigen Arbeitsweise<br />
durchaus entgegen kam, weil die Erzählstruktur<br />
auf Dualitäten baut. Und dieses Konzept hatte<br />
ich zuvor schon erprobt, indem ich Männlich<br />
gegen Weiblich stellte oder Natur mit Kultur<br />
kontrastierte. Im Roman „Women without<br />
Men“ wird etwa das Persönliche gegen die Gesellschaft<br />
gestellt, Magie reibt sich mit Realismus.<br />
Aber es ist alles in einen erzählerischen<br />
Rahmen gefasst. Insofern konnte ich mit gewohnten<br />
Komponenten arbeiten und hatte<br />
diesmal sogar eine Geschichte dabei.<br />
Beschreiben Sie bitte Ihr Konzept<br />
der Farbgebung.<br />
Dafür habe ich mich an Fotografien aus<br />
den frühen 1950er Jahren orientiert, die ursprünglich<br />
schwarzweiß waren und dann von<br />
Hand coloriert wurden. Diesen künstlichen Look<br />
wollte ich für die Traumsequenzen im Film erreichen.<br />
Die Gartenszenen wiederum sollten fast<br />
schwarzweiß wirken, aber ich habe die Farben<br />
lediglich abgeschwächt, weil der Garten ja lebendig<br />
und heimelig erscheinen sollte. Aber<br />
grundsätzlich mag ich Farben nicht besonders,<br />
und deshalb wurden alle kräftigen Töne für den<br />
Film abgeschwächt.<br />
Der ganze Film wirkt wie ein<br />
Traum.<br />
Ach ja? Ich hatte eher auf eine Art Zwischenbereich<br />
aus Magie, Traum und Psyche gehofft;<br />
zumindest bewegt der Film sich auf verschiedenen<br />
Ebenen und soll den Zuschauer entsprechend<br />
auf eine Reise führen.<br />
KinoSpecials im Filmforum NRW<br />
17:00 Uhr SHOWCASE<br />
der ifs internationale filmschule köln, Kunsthochschule für Medien Köln (KHM)<br />
und Fachhochschule Dortmund in Kooperation mit Unlimited,<br />
im Anschluss Gespräch mit Semih Kaplanoglu<br />
19:30 Uhr BAL–HONIG, Regie: Semih Kaplano`´glu<br />
Dienstag, 29. Juni<br />
Paneldiskussionen im Staatenhaus am Rheinpark, raum.fünf, Koelnmesse<br />
10:00 – 11:30 Uhr Technik vs. Content – 3D als neue Chance?<br />
11:30 – 13:00 Uhr Filmland Spanien – Koproduktion und Finanzierung<br />
14:00 – 14:30 Uhr Crossmediale Produktion: Internationale Trends,<br />
Keynote Wendy Bernfeld, Rights Stuff BV<br />
14:30 – 15:30 Uhr Vertriebswelt Internet –<br />
Filmdistribution und Verwertung im Netz<br />
in Kooperation mit der MEDIA Antenne Düsseldorf und dem<br />
film & fernsehproduzentenverband nrw e.V.<br />
15:30 – 17:00 Uhr Ästhetische Innovation und neue Medien<br />
in Kooperation mit der ifs und der KHM<br />
Alle Infos, Termine und Daten en détail auch unter<br />
www.filmstiftung.de/filmkongress<br />
Die in New York lebende Künstlerin Shirin Neshat wurde 1957 im Iran geboren. Internationalen Ruf erwarb<br />
sie sich mit Fotoreihen und Video-Installationen. Mit ihrem Kinodebüt „Women without Men“, das am<br />
27. Juni in Köln in der Reihe KinoSpecials des Internationalen Filmkongresses zu sehen ist, gewann sie<br />
prompt den Regiepreis in Venedig. Uwe Mies sprach mit der Künstlerin über Farben, Nacktheit und<br />
Raubkopien im Kampf gegen die Zensur.<br />
R F I L M K O N G R E S S<br />
Interview Shirin Neshat<br />
Ich mag<br />
Farben nicht<br />
besonders<br />
Welche Zielgruppe<br />
hoffen Sie, mit dem<br />
Film zu erreichen?<br />
Zunächst einmal sind da<br />
die iranischen Zuschauer und<br />
dann ganz generell Menschen,<br />
die sich für Kino und Kunst interessieren.<br />
Der Film ist eigentlich<br />
nicht auf einen elitären Zuschauerzirkel<br />
hin gemünzt und<br />
könnte auch Leute erreichen, die<br />
eigentlich nicht eine Galerie oder<br />
ein Museum besuchen, um sich<br />
meine Arbeiten anzuschauen.<br />
Shirin Neshat,<br />
Foto: NFP<br />
Eine Veröffentlichung im Iran<br />
selbst ist da eher unwahrscheinlich?<br />
In Kinos ist das mit Sicherheit so. Aber es<br />
gibt ja die Filmpiraten, und die haben den Film<br />
bereits via Internet und mit Raubkopien dort in<br />
Umlauf gebracht. Tatsächlich haben Iraner den<br />
Film schon vor dem Kinostart in den USA in ihrem<br />
eigenen Land sehen können. Darüber bin<br />
ich sehr froh. Denn Filme werden gemacht, damit<br />
sie gesehen werden. Und dieser Film entstand<br />
nicht, um Geld zu machen.<br />
Gewisse Darstellungen von<br />
Nacktheit im Film dürften auch für<br />
das amerikanische Publikum<br />
schwierig sein.<br />
Oh ja, vor allem die Szene, wenn sich die<br />
junge Frau in der Badeanstalt schrubbt. Solche<br />
Szenen werden als verstörend empfunden und<br />
sind für die meisten Amerikaner nicht akzeptabel.<br />
Im Iran ist die Lage einfacher: Darstellungen<br />
von Nacktheit oder Sexualität sind schlicht<br />
und ergreifend verboten.<br />
Die visuelle Gestaltung erinnert<br />
an surrealistische Gemälde.<br />
Für mich ist der Film ein Gedicht. Seine allegorischen<br />
und symbolischen Bilder unterstrei-<br />
chen das. Zugleich helfen diese lyrischen Stilmittel,<br />
die recht dunklen politischen Aspekte etwas<br />
abzumildern.<br />
Sehen Sie da eine geistige Verwandtschaft<br />
zwischen Ihrem Film<br />
und „Persepolis“?<br />
Doch, allein schon deshalb, weil Marjane<br />
Satrapi auch einen experimentellen Weg beschritt,<br />
indem sie ein neues Medium für sich<br />
nutzte. Allerdings hat sie dabei Bilder aus ihrem<br />
eigenen, autobiografisch gefärbten Buch<br />
in Film umgewandelt. Wir dagegen hatten eine<br />
Fremdvorlage, aus der heraus erst unsere<br />
Filmadaption geschaffen werden musste. Gemeinsam<br />
ist beiden Filmen aber, dass sie<br />
schwere Erfahrungen auf eine menschliche<br />
Ebene herunterbrechen.<br />
Gibt es persönlichen oder<br />
künstlerischen Austausch mit anderen<br />
iranischen Filmemachern<br />
wie Abbas Kiarostami<br />
oder Mohsen Makhmalbaf?<br />
Ja, wir sind miteinander befreundet.<br />
Und wenngleich wir in<br />
verschiedenen Ländern leben,<br />
kommen wir zu passenden Gelegenheiten<br />
zusammen. Allerdings<br />
unterscheidet sich deren Arbeitsweise<br />
sehr von meiner, weil sie<br />
konkret auf Realismus zielt, was<br />
bei mir ja nicht der Fall ist. Außerdem<br />
leben einige Filmemacher im<br />
Iran und haben insofern einen anderen<br />
Blick aufs Land als ich.<br />
Eine Vernetzung mit Blick auf<br />
politischen Austausch ist nicht gegeben?<br />
Nein, dem ist nicht so.<br />
Werden Sie einen weiteren<br />
Spielfilm drehen?<br />
Ja, ich habe gerade meine Zusage auf die<br />
Filmrechte an einem armenischen Roman des<br />
Dichters und Schriftstellers Ismael Kadir gegeben.<br />
Das wird sicher interessant, weil das Buch<br />
nichts mit dem Iran zu tun hat, und um Frauen<br />
wird es auch nicht gehen. Außerdem werden<br />
wir in Englisch drehen.<br />
Können Sie sich auch ein europäisches<br />
Projekt vorstellen?<br />
Liegt Armenien denn nicht in Europa? In<br />
gewisser Weise doch schon, oder? Aber ein Film<br />
in Deutschland wäre auch denkbar für mich.<br />
Man ist dort sehr entgegenkommend mit Blick<br />
auf kulturellen Austausch und Interesse. Das habe<br />
ich ja schon durch die Unterstützung für<br />
„Women without Men“ erfahren dürfen. Eine<br />
solche Weltoffenheit im besten Sinne ist eher<br />
selten anzutreffen. Dafür bin ich wirklich sehr<br />
dankbar.<br />
Ausblick: Internationaler Filmkongress – newsletter 4/2010 17