Grün modern
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Elisabeth Szymczyk: Gartenkünstlerische Tendenzen der sechziger und siebziger Jahre<br />
Abb. 9: Günther Grzimek.<br />
Foto: Juliane Grzimek, aus: W. Jerney, Rasen betreten<br />
erlaubt, in: Garten und Landschaft, 8/2003, S. 13<br />
Faktoren: Erstens traf es den Nerv der Zeit, zweitens<br />
vermittelte es nicht nur trockenes Fachwissen,<br />
sondern ist in seinem Duktus eine sehr emotional<br />
vorgetragene Anklage, ein Aufschrei eines tief Verletzten<br />
angesichts der geschundenen Natur. Von<br />
ganz anderem Duktus zeigt sich eine fast gleichzeitig<br />
entstandene Publikation mit dem Titel „Das<br />
Leistungsgrün“ aus dem Jahr 1963. 4 Der Autor ist<br />
Günther Grzimek (1915–1996), bekannt als der<br />
Schöpfer des Olympia-Parks in München.<br />
Grzimek studierte von 1937 bis 1942 Gartenund<br />
Landschaftsgestaltung an der Humboldt-Universität<br />
in Berlin und wurde nach dem Krieg zunächst<br />
Gartenamtsleiter in Ulm. 1965 übernahm er<br />
die Nachfolge von Hermann Mattern an der Kunsthochschule<br />
in Kassel. Der Untertitel seines Aufsatzes<br />
lautet: „Anregung zu einer neuen Betrachtung<br />
der <strong>Grün</strong>planung“. Zunächst übt er Kritik<br />
und schreibt: „[…] dass unsere <strong>Grün</strong>flächen in vier<br />
entscheidenden Punkten ungenügend, ja zu verschwenderisch<br />
angelegt sind: 1. Die Benutzbarkeit<br />
ist zu gering; 2. Die <strong>Grün</strong>oberfläche ist zu klein; 3.<br />
Möglichkeiten der Isolierung werden nicht genutzt;<br />
4. Die Unterhaltskosten sind zu hoch. […]Das Ziel<br />
muss es sein, mit dem heute üblichen Aufwand die<br />
Durchgrünung unserer Städte wesentlich weiterzutreiben<br />
und die Wirksamkeit auf der Fläche zu erhöhen.“<br />
Zum Schluss regt er an, einen Forschungsauftrag<br />
zu vergeben, der folgendes beinhalten soll:<br />
1. Definition und Klassifizierung der <strong>Grün</strong>formen<br />
zur klaren Absetzung ihrer Funktionen und Leistungen,<br />
2. Wertbestimmung der <strong>Grün</strong>elemente<br />
in Bezug auf ihre städtische Sozialfunktion, 3. Bestimmung<br />
der <strong>Grün</strong>typen nach ihrer Leistung und<br />
schließlich 4. Rationalisierungsvorschläge.“ Und<br />
Grzimek weiter: „Unter ‚Leistungsgrün‘ ist jeweils<br />
das funktionell, sozial, therapeutisch, hygienisch<br />
und biologisch wirksamste <strong>Grün</strong> zu verstehen, das<br />
durch ein Minimum an Aufwand für seine Pflege zu<br />
erreichen ist.“ Dies ist eine Definition, die man fast<br />
gleichlautend bei dem amerikanischen Architekten<br />
und Gartenarchitekten Garrett Eckbo (1910–2000)<br />
in seinem 1950 erschienenen Werk „Landscape<br />
for Living“ findet. „Zum Maximum an Vergnügen<br />
soll ein Minimum an Pflegeaufwand treten“, fasst<br />
Wimmer in seiner „Geschichte der Gartentheorie“<br />
Eckbos Postulate zusammen. 5 Und Wimmer weiter:<br />
„Der Wert der Wissenschaft wird [bei Eckbo; Anm.<br />
d. Verf.] von Anfang an betont. Wissenschaft und<br />
Intuition sind keine Widersprüche, denn alles sei<br />
letztlich erforschbar, auch die Kunst“.<br />
Von 1962 bis 1967 arbeitete Hermann Mattern<br />
an der Umgestaltung des alten Palaisgartens in<br />
Detmold. „Unter ständigen Protesten und Kontrollen<br />
der Detmolder Bürger fügten Architekt und<br />
Gartenarchitekt in engster Zusammenarbeit den<br />
neuen Konzertsaal […] sehr sensibel in den alten<br />
Palaisgarten ein“, heißt es im Katalog zur Mattern-Ausstellung<br />
1982. 6 „Ein Rosengarten, der<br />
das Saalfoyer als Außenfoyer ergänzt, umgibt den<br />
Konzertsaal. Die breiten Treppen ziehen sich den<br />
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